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Titel Bořivojlegende
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Titel - MVGDB
250
Název:
Die Bořivojlegende, MVGDB 37
Autor:
Spangenberg, Hans
Rok vydání:
1899
Místo vydání:
Praha, Wien
Česká národní bibliografie:
Počet stran celkem:
17
Obsah:
- 234: Titel Bořivojlegende
- 250: Titel - MVGDB
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234 — Die Bořiwojlegende. Ein Beitrag zur Kritik des Cosmas von Prag. Von Dr. H. Spangenberg. Die älteste Geschichte des tschechischen Stammes ist durch die Sage iu ein undurchdringliches Dunkel gehüllt. Cosmas, der Vater der böhmischen Geschichtschxeibung, hat die einheimische Tradition aufgezeichnet. 1) Nach ihr ist Krok, den spätere Chronisten als Nachkommen Samos bezeichnen, der älteste Landesfürst gewesen. Kroks Tochter Libuscha soll Přemysl aus Staditz geheiratet haben, auf den das bis 1306 über Böhmen herr schende Geschlecht der Přemysliden seine Abstammung zurückführt. Die ersten Nachfolger Přemysls Nezamysl, Mnata, Wojen, Unislav, Křesa- mysl, Neklan und Hostivit sind nur dem Namen nach bekannt. Erst mit Hostivits Sohn Bořiwoj beginnt sich die böhmische Ge- schichte aufzuhellen. Zu seiner Zeit waren die Tschechen, wie ihre Nachbar- stämme, mit Mähren verbunden. Die Oberhoheit des deutschen Reiches, welche die Karolinger bisher wenigstens dem Anspruche nach festgehalten, wurde im Jahre 890 aufgegeben, als Arnolf zu Omuntesberg in aller Form den deutschen Herrschaftsrechten zu Suatopluks Gunsten entsagte.2 Seitdem wurden die Böhmen in die Lebensbedingungen des großmährischen Reiches hineingezogen. Nach des Cosmas Erzählung soll Bořiwoj damals (894) vom Slawenapostel Method an Suatopluks Hofe getauft worden sein. Der Chronist berichtet hierüber an zwei sich ergänzenden Stellen 1) Cosmae chron. Boemorum I 2 ff. M. G. IX 33 ff. 2) Ann. fuld. M. G. I 407; Reginonis chron. M. G. I 601.
234 — Die Bořiwojlegende. Ein Beitrag zur Kritik des Cosmas von Prag. Von Dr. H. Spangenberg. Die älteste Geschichte des tschechischen Stammes ist durch die Sage iu ein undurchdringliches Dunkel gehüllt. Cosmas, der Vater der böhmischen Geschichtschxeibung, hat die einheimische Tradition aufgezeichnet. 1) Nach ihr ist Krok, den spätere Chronisten als Nachkommen Samos bezeichnen, der älteste Landesfürst gewesen. Kroks Tochter Libuscha soll Přemysl aus Staditz geheiratet haben, auf den das bis 1306 über Böhmen herr schende Geschlecht der Přemysliden seine Abstammung zurückführt. Die ersten Nachfolger Přemysls Nezamysl, Mnata, Wojen, Unislav, Křesa- mysl, Neklan und Hostivit sind nur dem Namen nach bekannt. Erst mit Hostivits Sohn Bořiwoj beginnt sich die böhmische Ge- schichte aufzuhellen. Zu seiner Zeit waren die Tschechen, wie ihre Nachbar- stämme, mit Mähren verbunden. Die Oberhoheit des deutschen Reiches, welche die Karolinger bisher wenigstens dem Anspruche nach festgehalten, wurde im Jahre 890 aufgegeben, als Arnolf zu Omuntesberg in aller Form den deutschen Herrschaftsrechten zu Suatopluks Gunsten entsagte.2 Seitdem wurden die Böhmen in die Lebensbedingungen des großmährischen Reiches hineingezogen. Nach des Cosmas Erzählung soll Bořiwoj damals (894) vom Slawenapostel Method an Suatopluks Hofe getauft worden sein. Der Chronist berichtet hierüber an zwei sich ergänzenden Stellen 1) Cosmae chron. Boemorum I 2 ff. M. G. IX 33 ff. 2) Ann. fuld. M. G. I 407; Reginonis chron. M. G. I 601.
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235 des ersten Buches in Capitel 14: „894 Borivoy baptizatus est, primus dux sanctae fidei catholicae.“ 1) und im zehnten Capitel: „Gostivit autem genuit Borwoy, qui primus dux baptizatus est a venerabili Metudio episcopo in Moravia sub temporibus Arnolfi imperatoris et Zuatopluk eiusdem Moraviae regis.“ 2) Diese Angabe enthält einen chronologischen Widerspruch; denn Method ist schon am 6. April 885 (spätestens 886) gestorben, Arnolf aber erst 887 König geworden. Da es ferner auffällt, daß Cosmas im vierzehnten Capitel von Bořiwojs Taufe berichtet, ohne Method zu erwähnen, ist zu ermitteln: 1. Hat die Taufhandlung im Jahre 894 stattgefunden? 2. Ist es richtig, daß Method sie vollzogen hat? I. Die Jahreszahl 894 als Datum für Bořiwojs Taufe ist allein durch Cosmas bezeugt.3) Da der Chronist selbst im Vorwort seines Ge- schichtswerkes erklärt, er beginne von Bořiwojs Zeit an chronologisch zu erzählen, „quia in initio huius libri nec fingere volui nec cronicam reperire potui“, 4) so ist es sehr wahrscheinlich, daß die erste Jahreszahl eben jener chronistischen Quelle entnommen ist. Diese ist nach Dobrowsky 5) das von Cosmas selbst erwähnte „privilegium Moraviensis ecclesiae oder der „epilogus Moraviae atque Boemiae“ 6) gewesen; vermuthlich aber hat der Chronist eine annalistische Quelle benutzt. Indessen zuver lässig ist dieselbe besonders in chronologischer Beziehung nicht gewesen. Wenigstens beginnt Cosmas seine chronologische Darstellung mit einer großen Reihe falscher Zahlenangaben, und Wattenbach bemerkt daher mit vollem Recht, daß kein Grund vorliege, allein die erste dieser Jahres- 1) M. G. IX 44. 2) M. G. IX 39. 3) M. G. IX 44. Die Prager Annalen M. G. III 119 sind, wie Köpke M. G. IX 10 und Tomek in der „Apologie der ältesten böhmischen Geschichte“ (Ab- handlungen der fgl. böhm. Ges. der Wiss. Fünfter Folge Bd. XIII Prag 1865) S. 27 erwiesen haben, nur „ein magerer Auszug aus Cosmas und anderen bekannten Quellen“; sie haben daher neben diesem keinen selbständigen Werth. Tomeks Argumente sucht W. Regel Ueber die Chronik des Cosmas von Prag. Dorpat 1892 S. 35 ff. näher zu begründen. Auch die Nachricht des Auctarium mellic. M. G. IX 536 ist der Chronik des Cosmas entnommen. 4) M. G. IX 32. 5) Vgl. Dobrowsky Kritische Versuche, die ältere böhmische Geschichte von späteren Erdichtungen zu reinigen. Prag 1803. S. 53. 6) M. G. IX 45.
235 des ersten Buches in Capitel 14: „894 Borivoy baptizatus est, primus dux sanctae fidei catholicae.“ 1) und im zehnten Capitel: „Gostivit autem genuit Borwoy, qui primus dux baptizatus est a venerabili Metudio episcopo in Moravia sub temporibus Arnolfi imperatoris et Zuatopluk eiusdem Moraviae regis.“ 2) Diese Angabe enthält einen chronologischen Widerspruch; denn Method ist schon am 6. April 885 (spätestens 886) gestorben, Arnolf aber erst 887 König geworden. Da es ferner auffällt, daß Cosmas im vierzehnten Capitel von Bořiwojs Taufe berichtet, ohne Method zu erwähnen, ist zu ermitteln: 1. Hat die Taufhandlung im Jahre 894 stattgefunden? 2. Ist es richtig, daß Method sie vollzogen hat? I. Die Jahreszahl 894 als Datum für Bořiwojs Taufe ist allein durch Cosmas bezeugt.3) Da der Chronist selbst im Vorwort seines Ge- schichtswerkes erklärt, er beginne von Bořiwojs Zeit an chronologisch zu erzählen, „quia in initio huius libri nec fingere volui nec cronicam reperire potui“, 4) so ist es sehr wahrscheinlich, daß die erste Jahreszahl eben jener chronistischen Quelle entnommen ist. Diese ist nach Dobrowsky 5) das von Cosmas selbst erwähnte „privilegium Moraviensis ecclesiae oder der „epilogus Moraviae atque Boemiae“ 6) gewesen; vermuthlich aber hat der Chronist eine annalistische Quelle benutzt. Indessen zuver lässig ist dieselbe besonders in chronologischer Beziehung nicht gewesen. Wenigstens beginnt Cosmas seine chronologische Darstellung mit einer großen Reihe falscher Zahlenangaben, und Wattenbach bemerkt daher mit vollem Recht, daß kein Grund vorliege, allein die erste dieser Jahres- 1) M. G. IX 44. 2) M. G. IX 39. 3) M. G. IX 44. Die Prager Annalen M. G. III 119 sind, wie Köpke M. G. IX 10 und Tomek in der „Apologie der ältesten böhmischen Geschichte“ (Ab- handlungen der fgl. böhm. Ges. der Wiss. Fünfter Folge Bd. XIII Prag 1865) S. 27 erwiesen haben, nur „ein magerer Auszug aus Cosmas und anderen bekannten Quellen“; sie haben daher neben diesem keinen selbständigen Werth. Tomeks Argumente sucht W. Regel Ueber die Chronik des Cosmas von Prag. Dorpat 1892 S. 35 ff. näher zu begründen. Auch die Nachricht des Auctarium mellic. M. G. IX 536 ist der Chronik des Cosmas entnommen. 4) M. G. IX 32. 5) Vgl. Dobrowsky Kritische Versuche, die ältere böhmische Geschichte von späteren Erdichtungen zu reinigen. Prag 1803. S. 53. 6) M. G. IX 45.
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— 236 — zahlen (894) für richtig zu halten. 1) Dazu stcht sie in Widerspruch mit der weit zuverlässigeren Tradition der von Stumpf edirten böhmischen Annalen, nach deren Bericht Bořiwoj schon 891 gestorben ist. 2) Obwohl die einzige Nachricht, welche einen Anhalt zur chronolo gischen Bestimmung gewährt, unglaubwürdig ist, hat man wieder und wieder versucht, durch Combination das Datum für die Taufe Bořiwojs zu ermitteln. Zu einem einigermaßen wahrscheinlichen Resultat ist keiner dieser Versuche gelangt; fast alle aber sind ausgegangen von der Nachricht des Cosmas, daß Method selbst die Taufhandlung vollzogen, um aus dem Leben des Slawenapostels den wahrscheinlichsten Zeitpunkt für die Taufe zu bestimmen.3) II. Da das spärliche Quellenmaterial, welches von den Beziehungen des Slawenapostels Method zum tschechischen Fürstenhause berichtet, durch Legendenbildung und Fälschung getrübt ist, sei vor Prüfung der Tradition die Frage beantwortet: Ist es nach der kirchlich-politischen Entwicklung Böhmens und Mährens wahrscheinlich, daß Methods Mission sich bis an den Prager Hof ausdehnte? Auszugehen ist von der Thatsache, daß der bairische Clerus vielleicht seit Karls des Großen Zeit, jedenfalls seit der Taufe der 14 böhmischen Häuptlinge in Regensburg (845) 4) Rechtsauspruch auf den kirchlichen Besitz Böhmens erhob und die deutsche Mission im benachbarten Tschechen lande bereits einige erhebliche Erfolge zu verzeichnen hatte, als Method nach dem Tode seines Bruders Cyrill (14. Febr. 869) 5) durch den 1) Vgl. Wattenbach „Die slawische Liturgie in Böhmen“ in den Abhandlungen —d. hist. phil. Ges. in Breslau Bd. I 223. 2) Vgl. Miklosichs Slawische Bibliothek II 301. Daß die durch Fehler eines Abschreibers entstellte Jahreszahl der böhmischen Annalen in 891 und nicht 901 herzustellen ist, geht hervor aus den Fuldaer Annalen M. G. I 411, nach denen Spytihněv bereits 895 an der Regierung war. 3) Nach Palacký Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber 1830 S. 26 ist Bořiwoj zwischen 872 und 881, uach Ginzel Geschichte der Slawenapostel Cyrill und Method. Leitmeritz 1857 S. 67—69 in den Jahren 878—879, nach Dudik Mährens allgemeine Geschichte Brünn 1860 Bd. I 271 zwischen 878 und 880, nach Loserth „Beiträge zur älteren Geschichte Böhmens“ in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1885 Bd. XXIII S. 15 zwischen 878 und 879 getauft worden 2. Ginzel gibt auf S. 68 Anm. 4 einen Ueberblick über die verschiedene Ansetzung des Taufiahres. 4) Ann. fuld. M. G. I 364. 5) Vgl. Dudík Mährens allgem. Gesch. Bd. I 182 Amm. 1.
— 236 — zahlen (894) für richtig zu halten. 1) Dazu stcht sie in Widerspruch mit der weit zuverlässigeren Tradition der von Stumpf edirten böhmischen Annalen, nach deren Bericht Bořiwoj schon 891 gestorben ist. 2) Obwohl die einzige Nachricht, welche einen Anhalt zur chronolo gischen Bestimmung gewährt, unglaubwürdig ist, hat man wieder und wieder versucht, durch Combination das Datum für die Taufe Bořiwojs zu ermitteln. Zu einem einigermaßen wahrscheinlichen Resultat ist keiner dieser Versuche gelangt; fast alle aber sind ausgegangen von der Nachricht des Cosmas, daß Method selbst die Taufhandlung vollzogen, um aus dem Leben des Slawenapostels den wahrscheinlichsten Zeitpunkt für die Taufe zu bestimmen.3) II. Da das spärliche Quellenmaterial, welches von den Beziehungen des Slawenapostels Method zum tschechischen Fürstenhause berichtet, durch Legendenbildung und Fälschung getrübt ist, sei vor Prüfung der Tradition die Frage beantwortet: Ist es nach der kirchlich-politischen Entwicklung Böhmens und Mährens wahrscheinlich, daß Methods Mission sich bis an den Prager Hof ausdehnte? Auszugehen ist von der Thatsache, daß der bairische Clerus vielleicht seit Karls des Großen Zeit, jedenfalls seit der Taufe der 14 böhmischen Häuptlinge in Regensburg (845) 4) Rechtsauspruch auf den kirchlichen Besitz Böhmens erhob und die deutsche Mission im benachbarten Tschechen lande bereits einige erhebliche Erfolge zu verzeichnen hatte, als Method nach dem Tode seines Bruders Cyrill (14. Febr. 869) 5) durch den 1) Vgl. Wattenbach „Die slawische Liturgie in Böhmen“ in den Abhandlungen —d. hist. phil. Ges. in Breslau Bd. I 223. 2) Vgl. Miklosichs Slawische Bibliothek II 301. Daß die durch Fehler eines Abschreibers entstellte Jahreszahl der böhmischen Annalen in 891 und nicht 901 herzustellen ist, geht hervor aus den Fuldaer Annalen M. G. I 411, nach denen Spytihněv bereits 895 an der Regierung war. 3) Nach Palacký Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber 1830 S. 26 ist Bořiwoj zwischen 872 und 881, uach Ginzel Geschichte der Slawenapostel Cyrill und Method. Leitmeritz 1857 S. 67—69 in den Jahren 878—879, nach Dudik Mährens allgemeine Geschichte Brünn 1860 Bd. I 271 zwischen 878 und 880, nach Loserth „Beiträge zur älteren Geschichte Böhmens“ in den Mittheilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 1885 Bd. XXIII S. 15 zwischen 878 und 879 getauft worden 2. Ginzel gibt auf S. 68 Anm. 4 einen Ueberblick über die verschiedene Ansetzung des Taufiahres. 4) Ann. fuld. M. G. I 364. 5) Vgl. Dudík Mährens allgem. Gesch. Bd. I 182 Amm. 1.
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237 Slawenfürst Kozel aus Rom berufen und vom Papst Hadrian II. zum Erzbischof Mährens und Pannoniens ernannt wurde. 1) Da Passau diese vom Papst verliehenen Gebiete zu seiner Diöcese rechnete, 2) mußte Method seit seiner Berufung heftige Kämpfe mit der bairischen Geist lichkeit um den Besitz seines Sprengels führen. Im Jahre 871 wurde er vor ein bairisches Concil gebracht3) und gezwungen, sich über den Eingriff in die Salzburger Metropolitanrechte zu verantworten. Da bei der gegenseitigen Erbitterung eine Verständigung ausblieb, wurde er gefangengenommen und fast drei Jahre in Deutschland zurückgehalten. 4) Erst als Papst Johann VIII., Hadriaus II. Nachfolger, sich für Method verwandte und die Widerspänstigen mit Kirchenstrafen zum Gehorsam 1) Vita S. Clementis Cap. 3 (die sogen. „Bulgarische Legende“ zuerst herausge geben von Fr. Miklosich. Vita S. Clementis episcopi Bulgarorum Wien 1847) in d. Fontes rer. bohem. I 79; translatio s. Clementis in Acta SS. Martii Tomus Il 22; Erben Regesta Bohemiae et Moraviae I 16 Nr. 41. In der Urk. bei Erben 1 17 Nr. 42 wird Method als Erzbischof von Panno nien, in der Urk. Nr. 43 als Erzbischof von Mähren bezeichnet. 2) Vgl. Conversio Bagoariorum et Carantanorum M. G. XI 4. 3) Bretholz sucht in den Mittheilungen des Instituts f. österr. Gesch. 1895 Bd. 16 S. 342 ff. nachzuweisen, daß jenes Concil, vor dem sich Method verant worten mußte, uicht in Baiern sondern in Mähren stattgefunden habe. Da die Gewaltthat der bairischen Bischöfe unter dem slawischen Volke Mährens schwerlich geschehen konnte, ist Bretholz genöthigt, die Disputation der panno nischen Legende (Cap. 9 vgl. E. Dümmler im Archiv für Kunde österreich. Ge- schichtsquellen Bd. XIII Wien 1854 „Die pannonische Legende vom heiligen Method“ S. 160) von dem in Johanns VIII Brief erwähnten Concil (vgl. Neues Archiv Bd. V 303) zu scheiden (vgl. S. 348 Anm. 1). Offenbar aber sind beide identisch. Es erscheint mir daher wahrscheinlich, daß das Conzil sich vielmehr auf pannonischem Boden abspielte. Dort besaß die bairische Geist- lichkeit noch großen Einfluß; dort auch war das Arbeitsfeld Methods, der sich erst nach der Befreiung aus der Gefangenschaft wieder vorzugsweise dem mährischen Volke widmete. Auch die Erklärung Methods (vgl. Cap. 9 der pannon. Leg.), das Reich, in dem er lehre, gehöre dem heiligen Petrus, ist wohl zunächst auf Pannonien zu bezichen. Hat das Concil in Pannonien stattgefunden, so erklärt es sich ferner, warum gerade der Verfasser der panno- nischen Legende und er allein von ihm berichtet. Vita Methodii Cap. 9 bei Dümmler a. a. O. S. 161: „et detinebant annos duos et dimidium.“ Die Gefangenschaft Msthods wird in anderen Legenden uicht berichtet, doch ist sie bezeugt durch eine Gesandtschaftsinstruction Papst Johanns VIII an Bischof Paulus von Ankona: „Ego quidem ad sedem eius, qui per tres vim pertulit annos recipiendam . . . destinatus sum.“ und ebendaselbst: „Vos sine canonica sententia dampnastis episcopum . . . carceri mancipantes . . . et a sede tribus annis pellentes.“ Neues Archiv V 302. 4)
237 Slawenfürst Kozel aus Rom berufen und vom Papst Hadrian II. zum Erzbischof Mährens und Pannoniens ernannt wurde. 1) Da Passau diese vom Papst verliehenen Gebiete zu seiner Diöcese rechnete, 2) mußte Method seit seiner Berufung heftige Kämpfe mit der bairischen Geist lichkeit um den Besitz seines Sprengels führen. Im Jahre 871 wurde er vor ein bairisches Concil gebracht3) und gezwungen, sich über den Eingriff in die Salzburger Metropolitanrechte zu verantworten. Da bei der gegenseitigen Erbitterung eine Verständigung ausblieb, wurde er gefangengenommen und fast drei Jahre in Deutschland zurückgehalten. 4) Erst als Papst Johann VIII., Hadriaus II. Nachfolger, sich für Method verwandte und die Widerspänstigen mit Kirchenstrafen zum Gehorsam 1) Vita S. Clementis Cap. 3 (die sogen. „Bulgarische Legende“ zuerst herausge geben von Fr. Miklosich. Vita S. Clementis episcopi Bulgarorum Wien 1847) in d. Fontes rer. bohem. I 79; translatio s. Clementis in Acta SS. Martii Tomus Il 22; Erben Regesta Bohemiae et Moraviae I 16 Nr. 41. In der Urk. bei Erben 1 17 Nr. 42 wird Method als Erzbischof von Panno nien, in der Urk. Nr. 43 als Erzbischof von Mähren bezeichnet. 2) Vgl. Conversio Bagoariorum et Carantanorum M. G. XI 4. 3) Bretholz sucht in den Mittheilungen des Instituts f. österr. Gesch. 1895 Bd. 16 S. 342 ff. nachzuweisen, daß jenes Concil, vor dem sich Method verant worten mußte, uicht in Baiern sondern in Mähren stattgefunden habe. Da die Gewaltthat der bairischen Bischöfe unter dem slawischen Volke Mährens schwerlich geschehen konnte, ist Bretholz genöthigt, die Disputation der panno nischen Legende (Cap. 9 vgl. E. Dümmler im Archiv für Kunde österreich. Ge- schichtsquellen Bd. XIII Wien 1854 „Die pannonische Legende vom heiligen Method“ S. 160) von dem in Johanns VIII Brief erwähnten Concil (vgl. Neues Archiv Bd. V 303) zu scheiden (vgl. S. 348 Anm. 1). Offenbar aber sind beide identisch. Es erscheint mir daher wahrscheinlich, daß das Conzil sich vielmehr auf pannonischem Boden abspielte. Dort besaß die bairische Geist- lichkeit noch großen Einfluß; dort auch war das Arbeitsfeld Methods, der sich erst nach der Befreiung aus der Gefangenschaft wieder vorzugsweise dem mährischen Volke widmete. Auch die Erklärung Methods (vgl. Cap. 9 der pannon. Leg.), das Reich, in dem er lehre, gehöre dem heiligen Petrus, ist wohl zunächst auf Pannonien zu bezichen. Hat das Concil in Pannonien stattgefunden, so erklärt es sich ferner, warum gerade der Verfasser der panno- nischen Legende und er allein von ihm berichtet. Vita Methodii Cap. 9 bei Dümmler a. a. O. S. 161: „et detinebant annos duos et dimidium.“ Die Gefangenschaft Msthods wird in anderen Legenden uicht berichtet, doch ist sie bezeugt durch eine Gesandtschaftsinstruction Papst Johanns VIII an Bischof Paulus von Ankona: „Ego quidem ad sedem eius, qui per tres vim pertulit annos recipiendam . . . destinatus sum.“ und ebendaselbst: „Vos sine canonica sententia dampnastis episcopum . . . carceri mancipantes . . . et a sede tribus annis pellentes.“ Neues Archiv V 302. 4)
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238 — zwang, konnte Method sein bischöfliches Amt in Mähren wiederauf- nehmen. 1) Nun begann er das mährische Kirchenwesen planvoll auszu- bauen. Doch die Gegnerschaft der deutschen Geistlichleit ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Man verdächtigte den Apostel beim Papst und dem Mährenherzog Suatopluk, machte ihm Irrlehre zum Vorwurf und Ueber- tretung päpstlicher Gebote. Im Jahre 879 wurde er nach Rom citirt, um sich daselbst zu verantworten. Zwar wurde hier seine Rechtgläubigkeit anerkannt und Method als Erzbischof Mährens bestätigt; aber zugleich wurden ihm zwei Suffragane unterstellt, unter diesen der Alamanne2) Wiching als Bischof von Neitra, 3) an dem die bairische Geistlichkeit nun- mehr ein gefügiges Werkzeug für ihr Auftreten gegen den Erzbischof fand. Der Kampf wurde mit der größten Leidenschaft geführt. Wiching kündigte seinem Metropoliten öffentlich den Gehorsam, indem er sich auf Versprechungen berief, die er dem Papste gegeben, und suchte, — wie es scheint, durch einen untergeschobenen Brief Johanns VIII. an Suatopluk — den mährischen Herzog gegen Method einzunehmen.4) Als dieser vollends durch Johanns VIII. Tod (882) seinen hochsinuigen Beschützer verlor, wurden die gegen die slawisch-griechische Priesterschaft gerichteten Angriffe kühner denn zuvor. Suatopluk, der weder tieferes Verständniß noch Interesse für die kirchlichen Streitfragen besaß, gerieth uach Angabe einer freilich sehr befangenen Quelle völlig in das Schlepptau der deutschen Geistlichkeit, welche den Fürsten durch Nachsicht gegen seinen ausschwei- fenden Lebenswandel zu gewinnen wußte, während Method ihn durch seine rücksichtslose Sittenstrenge abstieß.5) Nach dem Tode Methods (6. April 885) verloren seine Nachfolger und Schüler jeden Halt im mährischen Lande; sie wurden vertrieben und „auf ewig verbannt“. 6) 1) Regesta pont. roman. ed. Jaffé Bd. I 1885 Nr. 2971 und 2973. 2) Ann. fuld. ad ann. 899 M. G. I 414. 3) Erben Regesta Bohemiae I 17, 18 Nr. 43. 4) Papst Johann VIII an Methad: „neque aliae litterae nostrae ad eum directae sunt, neque episcopo illi palam vel secreto aliud faciendum iniunximus et aliud a te peragendum decrevimus.“ Erben I 18. Unter dem „episcopus ille“ kann nur Wiching verstanden werden. Mit den Worten des Papstbriefes übereinstimmend berichtet die Vita Methodii Cap. 12 bei Dümmler a. a. O. S. 161, die Gegner Methods hätten behauptet: „Nobis dedit papa potestatem, hunc (scl. Methodium) autem et doctrinam eius iubet expelli. Tum congregati omnes Moravici homines iusserunt coram se recitari epistolam, ut audirent expulsionem eius.“ 5) Vita s. Clementis Cap. 5 in den Fontes rer. bohem. I 83 (bei Miklosich a. a. D. S. 8). 6) Vita s. Clementis Cap. 13 in den F. rer. b. 192 (bei Miklosich a. a. O. S. 11s.
238 — zwang, konnte Method sein bischöfliches Amt in Mähren wiederauf- nehmen. 1) Nun begann er das mährische Kirchenwesen planvoll auszu- bauen. Doch die Gegnerschaft der deutschen Geistlichleit ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Man verdächtigte den Apostel beim Papst und dem Mährenherzog Suatopluk, machte ihm Irrlehre zum Vorwurf und Ueber- tretung päpstlicher Gebote. Im Jahre 879 wurde er nach Rom citirt, um sich daselbst zu verantworten. Zwar wurde hier seine Rechtgläubigkeit anerkannt und Method als Erzbischof Mährens bestätigt; aber zugleich wurden ihm zwei Suffragane unterstellt, unter diesen der Alamanne2) Wiching als Bischof von Neitra, 3) an dem die bairische Geistlichkeit nun- mehr ein gefügiges Werkzeug für ihr Auftreten gegen den Erzbischof fand. Der Kampf wurde mit der größten Leidenschaft geführt. Wiching kündigte seinem Metropoliten öffentlich den Gehorsam, indem er sich auf Versprechungen berief, die er dem Papste gegeben, und suchte, — wie es scheint, durch einen untergeschobenen Brief Johanns VIII. an Suatopluk — den mährischen Herzog gegen Method einzunehmen.4) Als dieser vollends durch Johanns VIII. Tod (882) seinen hochsinuigen Beschützer verlor, wurden die gegen die slawisch-griechische Priesterschaft gerichteten Angriffe kühner denn zuvor. Suatopluk, der weder tieferes Verständniß noch Interesse für die kirchlichen Streitfragen besaß, gerieth uach Angabe einer freilich sehr befangenen Quelle völlig in das Schlepptau der deutschen Geistlichkeit, welche den Fürsten durch Nachsicht gegen seinen ausschwei- fenden Lebenswandel zu gewinnen wußte, während Method ihn durch seine rücksichtslose Sittenstrenge abstieß.5) Nach dem Tode Methods (6. April 885) verloren seine Nachfolger und Schüler jeden Halt im mährischen Lande; sie wurden vertrieben und „auf ewig verbannt“. 6) 1) Regesta pont. roman. ed. Jaffé Bd. I 1885 Nr. 2971 und 2973. 2) Ann. fuld. ad ann. 899 M. G. I 414. 3) Erben Regesta Bohemiae I 17, 18 Nr. 43. 4) Papst Johann VIII an Methad: „neque aliae litterae nostrae ad eum directae sunt, neque episcopo illi palam vel secreto aliud faciendum iniunximus et aliud a te peragendum decrevimus.“ Erben I 18. Unter dem „episcopus ille“ kann nur Wiching verstanden werden. Mit den Worten des Papstbriefes übereinstimmend berichtet die Vita Methodii Cap. 12 bei Dümmler a. a. O. S. 161, die Gegner Methods hätten behauptet: „Nobis dedit papa potestatem, hunc (scl. Methodium) autem et doctrinam eius iubet expelli. Tum congregati omnes Moravici homines iusserunt coram se recitari epistolam, ut audirent expulsionem eius.“ 5) Vita s. Clementis Cap. 5 in den Fontes rer. bohem. I 83 (bei Miklosich a. a. D. S. 8). 6) Vita s. Clementis Cap. 13 in den F. rer. b. 192 (bei Miklosich a. a. O. S. 11s.
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239 Ist es bei den aufreibenden Kämpfen, die Method mit der bairischen Geistlichkeit führen mußte, anzunehmen, daß er auch nach Böhmen übergriff, auf welches ihm der Papst sicherlich keine Anrechte gewährt, und seinen Gegnern dadurch neuen, berechtigten Grund zur Klage gab? Hätte Bořiwoj vom Slawenapostel die Taufe erhalten, so würde er in ein ge- wisses Abhängigkeitsverhältniß zur mährischen Kirche getreten sein und die Regensburger Geistlichfeit, welche seit 845 mindestens das westliche Böhmen zu ihrem Sprengel rechnete, geschädigt haben. Zweifellos hätte sie dagegen Einspruch erhoben. Hiervon hören wir indessen nichts; weder in den Klageschriften des bairischen Clerus noch in sonstigen Quellen, die von jenen Kirchenkämpfen berichten, ist der Böhmen gedacht. Es bleibt ferner zu bedenken, daß Böhmen zu Bořiwojs Zeit noch nicht ein einheitliches Reich bildete. Die Tschechen waren von Mähren durch ostböhmische Stämme, 1) Chorvaten, Zličanen u. a. getrennt, die noch zu Boleslaws II. Zeit (972—999) unter Slawnik eine gewisse 1) Unter den ostböhmischen Stämmen haben sich in späterer Zeit Spuren einer Verbreitung der jlawischen Kirchenlehre gefunden. Aber kein einziges, einiger maßen sicheres Zeugniß läßt sich dafür anführen, daß diese Verbreitung schon zu Methods (f. 885) Zeit stattgefunden hätte. Nach den Beziehungen Böhmens und Mährens ergeben sich drei Möglichkeiten, aus denen sich das Eindringen des slawischen Ritus im östlichen Böhmen erklären läßt. 1. Seit 890, als König Arnolf zu Gunsten Suatopluks auf die Lehnsabhängigkeit Böhmens ver- zichtete, stand dieses fünf Jahre lang unter mährischer Herrschaft. Damals können die östlichen Stämme von der slawischen Mission beeinflußt worden sein. Nachhaltig aber wäre diese Einwirkung kaum gewesen, da Herzog Suatopluk von Mähren bekanntlich unter dem Einflusse des Alamannen Wiching stand und nach Methods Tode dem Zerstörungswerke der bairischen Geistlichkeit, der Vertreibung der Schüler Methods freien Spielraum ließ. 2. Mit den Flüchtlingen aus dem zerstörten Mährerreich im Anfange des zehnten Jahr- hunderts haben vermuthlich auch Jünger der Slawenapostel Aufnahme im östlichen Böhnten gefunden: „zœd оi утоlв Gévvвs то� хаой дъвоиофлiоGrGav проşфVуóvres sis rà nagazelusva 1&n." (Const. Porphyrog. de admin. imperii Cap. 42. Corp. scr. hist. byz. vol. III 176). 3. Vielleicht aber gelangte die slawische Kirchenlehre erst seit Mährens Eroberung durch Břetislaw (1029) zu größerer Verbreitung in Böhmen. Auf diese Zeit würde die Gründung des Klosters Sazawa (1032) hinweisen, wo der von der Volksgunst getragene slawische Ritus zur förmlichen Anerkennung gelangte. Es ist dies die einzige sichere Spur von dem Fortbestehen der slawischen Liturgie im östlichen Böhmen. Auch Wattenbach „Die slawische Liturgie in Böhmen“ a. a. O. S. 232 gibt zu: „Ein völlig beweisendes und stichhaltiges Argument für die Existenz slawischer Kirchensprache in Böhmen vor der Gründung des Klosters Sazawa haben wir demmach nicht aufzufinden vermocht.“
239 Ist es bei den aufreibenden Kämpfen, die Method mit der bairischen Geistlichkeit führen mußte, anzunehmen, daß er auch nach Böhmen übergriff, auf welches ihm der Papst sicherlich keine Anrechte gewährt, und seinen Gegnern dadurch neuen, berechtigten Grund zur Klage gab? Hätte Bořiwoj vom Slawenapostel die Taufe erhalten, so würde er in ein ge- wisses Abhängigkeitsverhältniß zur mährischen Kirche getreten sein und die Regensburger Geistlichfeit, welche seit 845 mindestens das westliche Böhmen zu ihrem Sprengel rechnete, geschädigt haben. Zweifellos hätte sie dagegen Einspruch erhoben. Hiervon hören wir indessen nichts; weder in den Klageschriften des bairischen Clerus noch in sonstigen Quellen, die von jenen Kirchenkämpfen berichten, ist der Böhmen gedacht. Es bleibt ferner zu bedenken, daß Böhmen zu Bořiwojs Zeit noch nicht ein einheitliches Reich bildete. Die Tschechen waren von Mähren durch ostböhmische Stämme, 1) Chorvaten, Zličanen u. a. getrennt, die noch zu Boleslaws II. Zeit (972—999) unter Slawnik eine gewisse 1) Unter den ostböhmischen Stämmen haben sich in späterer Zeit Spuren einer Verbreitung der jlawischen Kirchenlehre gefunden. Aber kein einziges, einiger maßen sicheres Zeugniß läßt sich dafür anführen, daß diese Verbreitung schon zu Methods (f. 885) Zeit stattgefunden hätte. Nach den Beziehungen Böhmens und Mährens ergeben sich drei Möglichkeiten, aus denen sich das Eindringen des slawischen Ritus im östlichen Böhmen erklären läßt. 1. Seit 890, als König Arnolf zu Gunsten Suatopluks auf die Lehnsabhängigkeit Böhmens ver- zichtete, stand dieses fünf Jahre lang unter mährischer Herrschaft. Damals können die östlichen Stämme von der slawischen Mission beeinflußt worden sein. Nachhaltig aber wäre diese Einwirkung kaum gewesen, da Herzog Suatopluk von Mähren bekanntlich unter dem Einflusse des Alamannen Wiching stand und nach Methods Tode dem Zerstörungswerke der bairischen Geistlichkeit, der Vertreibung der Schüler Methods freien Spielraum ließ. 2. Mit den Flüchtlingen aus dem zerstörten Mährerreich im Anfange des zehnten Jahr- hunderts haben vermuthlich auch Jünger der Slawenapostel Aufnahme im östlichen Böhnten gefunden: „zœd оi утоlв Gévvвs то� хаой дъвоиофлiоGrGav проşфVуóvres sis rà nagazelusva 1&n." (Const. Porphyrog. de admin. imperii Cap. 42. Corp. scr. hist. byz. vol. III 176). 3. Vielleicht aber gelangte die slawische Kirchenlehre erst seit Mährens Eroberung durch Břetislaw (1029) zu größerer Verbreitung in Böhmen. Auf diese Zeit würde die Gründung des Klosters Sazawa (1032) hinweisen, wo der von der Volksgunst getragene slawische Ritus zur förmlichen Anerkennung gelangte. Es ist dies die einzige sichere Spur von dem Fortbestehen der slawischen Liturgie im östlichen Böhmen. Auch Wattenbach „Die slawische Liturgie in Böhmen“ a. a. O. S. 232 gibt zu: „Ein völlig beweisendes und stichhaltiges Argument für die Existenz slawischer Kirchensprache in Böhmen vor der Gründung des Klosters Sazawa haben wir demmach nicht aufzufinden vermocht.“
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240 — Unabhängigkeit behaupteten.1) Auf das westliche Böhmen aber, zu dem der Tschechenstamm gehörte, wirkte unmittelbar das Schwergewicht der deutschen Herrschaft. Die Kämpfe mit der Reichsgewalt wiederholten sich fast jährlich; indessen nach dem Forchheimer Frieden, dem Jahre 874, in dem Method aus der Gefangenschaft des bairischen Clerus entlassen wurde — seit dieser Zeit ist natürlich erst mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Bořiwoj von Method die Taufe erhalten — wird von Kämpfen mit den Böhmen oder Erhebungsversuchen derselben in den deutschen Annalen für längere Zeit-nicht mehr berichtet. Dies spricht jedenfalls eher für ein auskömmliches Verhältniß mit der bairischen Geistlichkeit, zu deren Diöcese Böhmen gerechnet wurde, als für einen Bersuch, sich ihrer Herrschaft zu entziehen. Die deutsche Mission aber war bereits zu einigen Erfolgen im slawischen Nachbarlande gelangt. Im Jahre 845 hatten sich vierzehn böhmische Häuptlinge in Regensburg taufen lassen;2) zum Jahre 872 nennen die Annalen fünf böhmische Herzoge,3) unter ihnen Goriwei — wohl gleichbedeutend mit Bořiwoj — und.Heriman, dessen Namen, wie Dobrowsky bemerkt, 4) darauf hinweist, daß er Christ war. Einige Stammesfürsten waren also schon damals christlich. Nun hat sicherlich in der Zeit nach dem Forchheimer Frieden (874) der Kampf um Einigung der böhmischen Stämme unter Herrschaft der Přemysliden begonnen, 5) denn unter Bořiwojs Sohn Spytihněv (891—905?) war er zu einem gewissen Abschluß gekommen. Da einige seiner Rivalen sich zum Christenglauben bekannten, konnte Bořiwoj die nothwendige Stütze gegen dieselben und den Rückhalt am deutschen Reiche, dessen er im Kampf mit den benachbarten Stammesfürsten bedurfte, nur nach dem Uebertritt 1) Es ist daher ganz verkehrt, wenn Ginzel a. a. O. S. 69 behauptet: „Es ist unumstößliche Thatsache . . ., daß ganz Böhmen vor Errichtung des Prager Bistums zum Regensburger Sprengel gehörte, und zwar jeit 845.“ 2) Ann. fuld. M. G. I 364. 3) Ann. fuld. M. G. I 384. 4) Vgl. Dobrowsky Kritische Versuche, die ältere böhmische Geschichte von späteren Erdichtungen zu reinigen. Prag 1803. I 47. 5) Zumn Jahre 872 berichten noch die Fuldaer Annalen von fünf böhmischen „Herzogen“; da Goriwei (= Borivoi?) unter ihnen ohne anszeichnendes Prä- dicat genannt wird, ist anzunehmen, daß er den anderen vier an Rang unge- fähr gleichstand. Bis zum Jahre 895 hat sich dagegen bereits ein Primat der Přemysliden ausgebildet, den Bořiwojs Sohn Spytihnēv freilich noch mit einem gewissen Witizlaw theilen mußte: „omnes duces Boemaniorum ... quorum primores erant Spitignewo, Witizla — ad regem venientes .. . regiae potestati reconciliatos se subdiderunt.“ (Ann. fuld. M. G. I 411 ad ann. 895.) Das Zeugniß des Italieners Gumpold M. G. IV 214: „Zpuy-
240 — Unabhängigkeit behaupteten.1) Auf das westliche Böhmen aber, zu dem der Tschechenstamm gehörte, wirkte unmittelbar das Schwergewicht der deutschen Herrschaft. Die Kämpfe mit der Reichsgewalt wiederholten sich fast jährlich; indessen nach dem Forchheimer Frieden, dem Jahre 874, in dem Method aus der Gefangenschaft des bairischen Clerus entlassen wurde — seit dieser Zeit ist natürlich erst mit der Möglichkeit zu rechnen, daß Bořiwoj von Method die Taufe erhalten — wird von Kämpfen mit den Böhmen oder Erhebungsversuchen derselben in den deutschen Annalen für längere Zeit-nicht mehr berichtet. Dies spricht jedenfalls eher für ein auskömmliches Verhältniß mit der bairischen Geistlichkeit, zu deren Diöcese Böhmen gerechnet wurde, als für einen Bersuch, sich ihrer Herrschaft zu entziehen. Die deutsche Mission aber war bereits zu einigen Erfolgen im slawischen Nachbarlande gelangt. Im Jahre 845 hatten sich vierzehn böhmische Häuptlinge in Regensburg taufen lassen;2) zum Jahre 872 nennen die Annalen fünf böhmische Herzoge,3) unter ihnen Goriwei — wohl gleichbedeutend mit Bořiwoj — und.Heriman, dessen Namen, wie Dobrowsky bemerkt, 4) darauf hinweist, daß er Christ war. Einige Stammesfürsten waren also schon damals christlich. Nun hat sicherlich in der Zeit nach dem Forchheimer Frieden (874) der Kampf um Einigung der böhmischen Stämme unter Herrschaft der Přemysliden begonnen, 5) denn unter Bořiwojs Sohn Spytihněv (891—905?) war er zu einem gewissen Abschluß gekommen. Da einige seiner Rivalen sich zum Christenglauben bekannten, konnte Bořiwoj die nothwendige Stütze gegen dieselben und den Rückhalt am deutschen Reiche, dessen er im Kampf mit den benachbarten Stammesfürsten bedurfte, nur nach dem Uebertritt 1) Es ist daher ganz verkehrt, wenn Ginzel a. a. O. S. 69 behauptet: „Es ist unumstößliche Thatsache . . ., daß ganz Böhmen vor Errichtung des Prager Bistums zum Regensburger Sprengel gehörte, und zwar jeit 845.“ 2) Ann. fuld. M. G. I 364. 3) Ann. fuld. M. G. I 384. 4) Vgl. Dobrowsky Kritische Versuche, die ältere böhmische Geschichte von späteren Erdichtungen zu reinigen. Prag 1803. I 47. 5) Zumn Jahre 872 berichten noch die Fuldaer Annalen von fünf böhmischen „Herzogen“; da Goriwei (= Borivoi?) unter ihnen ohne anszeichnendes Prä- dicat genannt wird, ist anzunehmen, daß er den anderen vier an Rang unge- fähr gleichstand. Bis zum Jahre 895 hat sich dagegen bereits ein Primat der Přemysliden ausgebildet, den Bořiwojs Sohn Spytihnēv freilich noch mit einem gewissen Witizlaw theilen mußte: „omnes duces Boemaniorum ... quorum primores erant Spitignewo, Witizla — ad regem venientes .. . regiae potestati reconciliatos se subdiderunt.“ (Ann. fuld. M. G. I 411 ad ann. 895.) Das Zeugniß des Italieners Gumpold M. G. IV 214: „Zpuy-
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241 zur deutschen Kirche gewinnen. 1) Politische Gründe waren es in der Regel, welche dem Christenthum unter den heidnischen Fürsten Anhang schafften. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß der Přemyslide zu eben der Zeit, in welcher ihm die Hilfe der Deutschen oder mindestens deren Neutralität unentbehrlich war, durch Anschluß an Methods Kirche die Feindschaft des Reiches und des bairischen Clerus gegen sich aufgerufen haben sollte. Nach den Zeitverhältnissen ist daher anzunehmen, daß Bořiwoj, wie jene vierzehn Häuptlinge, von denen die Fuldaer Annalen erzählen, von der bairischen Geistlichkeit die Taufe empsangen hat. Dafür spricht indirect auch Die Ueberlieferuug. In seinem Vorwort an Gervasius bekennt Cosmas, er habe erst von Bořiwojs Zeit an chronologisch dargestellt, weil er für die älteste Geschichte keine Chronik habe finden können. Was er vorher aufgezeichnet, hat ihm der Volksmund erzählt: „Perpauca, quae didici senum fabu- losa relatione, non humanae laudis ambitione, set ne omnino tradantur relativa oblivioni, pro posse et nosse pando omnium bonorum di- lectioni“. 2) Dort, wo er von Bořiwoj spricht, berühren sich beide Theile seiner Darstellung: Das Ende der legendarischen und der Anfang der annalistischen Anfzeichnungen. Man erkennt dies deutlich an der zweimal erwähnten Taufe Bořiwojs. Die erste Erwähnung ohne Angabe der Jahreszahl im zehnten Capitel — sie neunt Method — beruht noch auf dem, „quae didici senum fabulosa relatione“,3) ebenso die unmittelbar tignev nomine, principatus regimen sub regis dominatu impendens“ ift mit Vorsicht aufzunehmen; nicht minder die Worte des im fernen Lothringen aus mündlicher Tradition schöpfenden Regino von Prün M. G. I 601: „du- catum Behemensium, qui hactenus principem suae cognationis ac gentis super se habuerant“ (zum Jahre 890), denen Tomek in der „Apologie der ältesten Geschichte Böhmens“ a. a. O. S. 12 zu großen Wert beilegt. Einen Beleg für diese Annahme könnte man in folgender Angabe der von Wattenbach zuerst aus einer Handschrift des 12. Jahrhunderts edirten Ludmilla biographie finden: „et omne regnum eorum a die, quo baptismi gratiam perceperunt, amplius crescebat.“ (Fontes rer. bohem. I 144.) Die Wendung „von der Vermehrung seines (d. i. Bořiwoj's) Reiches vom Tage der Taufe an“ erinnert zwar an herkömmliche Phrasen der Legendenschreiber; doch ist zu bedenken, daß erwähnte Legende die Sage in ihrer einfachsten Gestalt über liefert und von den Ausschmückungen späterer Zeit verhältnißmäßig frei geblieben ist. 2) M. G. IX 32. 3) M. G. IX 32. In einem nach Beendigung dieser Arbeit erschienenen Aufsatz in den Mittheilungen des Instituts für österreich. Geschichtsforschung 1899 1)
241 zur deutschen Kirche gewinnen. 1) Politische Gründe waren es in der Regel, welche dem Christenthum unter den heidnischen Fürsten Anhang schafften. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß der Přemyslide zu eben der Zeit, in welcher ihm die Hilfe der Deutschen oder mindestens deren Neutralität unentbehrlich war, durch Anschluß an Methods Kirche die Feindschaft des Reiches und des bairischen Clerus gegen sich aufgerufen haben sollte. Nach den Zeitverhältnissen ist daher anzunehmen, daß Bořiwoj, wie jene vierzehn Häuptlinge, von denen die Fuldaer Annalen erzählen, von der bairischen Geistlichkeit die Taufe empsangen hat. Dafür spricht indirect auch Die Ueberlieferuug. In seinem Vorwort an Gervasius bekennt Cosmas, er habe erst von Bořiwojs Zeit an chronologisch dargestellt, weil er für die älteste Geschichte keine Chronik habe finden können. Was er vorher aufgezeichnet, hat ihm der Volksmund erzählt: „Perpauca, quae didici senum fabu- losa relatione, non humanae laudis ambitione, set ne omnino tradantur relativa oblivioni, pro posse et nosse pando omnium bonorum di- lectioni“. 2) Dort, wo er von Bořiwoj spricht, berühren sich beide Theile seiner Darstellung: Das Ende der legendarischen und der Anfang der annalistischen Anfzeichnungen. Man erkennt dies deutlich an der zweimal erwähnten Taufe Bořiwojs. Die erste Erwähnung ohne Angabe der Jahreszahl im zehnten Capitel — sie neunt Method — beruht noch auf dem, „quae didici senum fabulosa relatione“,3) ebenso die unmittelbar tignev nomine, principatus regimen sub regis dominatu impendens“ ift mit Vorsicht aufzunehmen; nicht minder die Worte des im fernen Lothringen aus mündlicher Tradition schöpfenden Regino von Prün M. G. I 601: „du- catum Behemensium, qui hactenus principem suae cognationis ac gentis super se habuerant“ (zum Jahre 890), denen Tomek in der „Apologie der ältesten Geschichte Böhmens“ a. a. O. S. 12 zu großen Wert beilegt. Einen Beleg für diese Annahme könnte man in folgender Angabe der von Wattenbach zuerst aus einer Handschrift des 12. Jahrhunderts edirten Ludmilla biographie finden: „et omne regnum eorum a die, quo baptismi gratiam perceperunt, amplius crescebat.“ (Fontes rer. bohem. I 144.) Die Wendung „von der Vermehrung seines (d. i. Bořiwoj's) Reiches vom Tage der Taufe an“ erinnert zwar an herkömmliche Phrasen der Legendenschreiber; doch ist zu bedenken, daß erwähnte Legende die Sage in ihrer einfachsten Gestalt über liefert und von den Ausschmückungen späterer Zeit verhältnißmäßig frei geblieben ist. 2) M. G. IX 32. 3) M. G. IX 32. In einem nach Beendigung dieser Arbeit erschienenen Aufsatz in den Mittheilungen des Instituts für österreich. Geschichtsforschung 1899 1)
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242 — vorhergehende Aufzählung der Nachfolger Přemysls, von denen er uichts berichtet, „quia non erat illo in tempore, qui stilo acta eorum com- mendaret memoriae“, 1) und die unmittelbar folgende Darstellnng vom Kampfe Neklans mit dem Lučanenfürsten Wlastislaw; auch diese schrieb er noch nach dem, „quod referente fama audivimus“. 2) Die ausführ- liche Erzählung von Kampfe Neklans, die in Köpkes Ausgabe der Monu- menta Germ. fast drei Seiten füllt, schließt dann mit der Bemerkung: „Et quoniam baec antiquis referuntur evenisse temporibus, utrum sint facta an ficta, lectoris iudicio relinquimus. Nunc ea, quae vera fidelium relatio commendat, noster stilus . . . ad exarandum digna memoriae se acuat.“ 3) Dem folgt die zweite Erwähnung der Taufe Bořiwojs: „894 Borivoy baptizatus est, primus dux sanctae fidei catholicae.“ 4) Sie enthält die erste Jahreszahl und kennzeichnet sich schon hierdurch als Entlehnung aus einer chronistischen Quelle, die Cosmas nach eigenem Zeugniß „a temporibus Borivoy primi ducis catholici" benutzt hat. Die zuverlässige Tradition also berichtet nur, daß Bořiwoj Christ war, nicht aber, daß Method ihn taufte. Die früheste Nachricht von der Taufe durch Method ist jene Angabe des Cosmas im zehnten Capitel. Bis auf ihn lassen „fast keine Spuren eine fortlebende Erinne- rung an Methodius erkennen“. 5) Und dieses einzige Zeugniß entstammt. wie man der Chronik deutlich entnehmen kann, einer Legende! Es hieße sich über alle Regeln historischer Kritik hinwegsetzen, wenn man an jener Angabe, die durch chronologische Verwirrung und sonstige Merkmale die Zeichen später Entstehung an sich trägt, noch länger festhalten wollte. Dazu kommt, daß keine der älteren Cyrill-Methodlegenden, weder die pannonische,6) noch die bulgarische,7) noch irgend eine vor dem zwölften Bd. XX Heft 1S. 46 ff. sucht A. Bachmann zu erweisen, daß Cosmas die Nach¬ richt über Bořiwojs Taufe aus dem epilogus Moraviae et Bohemiae entlehut habe. 1) M. G. IX 39. 2) M. G. IX 39. 3) M. G. IX 44. 4) M. G. IX 44. Die entgegengesetzte Ansicht Tomek's in der „Apologie“ a. a. O. S. 31 scheint mir aus den im Text angeführten Gründen unrichtig zu sein. 5) Vgl. Wattenbach „Die slawische Liturgie in Böhmen“ a. a. O. S. 224; auch Tomek a. a. O. S. 37 bemerkt: „Wir haben nun also für die Taufe des Bořiwoj allerdings kein älteres Zeugniß, als das des Cosmas.“ Ueber die böhmische Tradition vgl. A. Bachmann a. a. O. in den Mittheilungen des Inst. für österr. Gesch. 1899 Heft 1 S. 50. 6) Vita s. Methodii ed. Dümmler im Archiv f. K. österr. Gesch. 1854 Bd. XIII 147 ff., Fontes rer. bohem. I 39 (in russischer und tschechischer Sprache). 7) Vita s. Clementis ed. Fr. Miklosich Wien 1847, Fontes rer. bohem. 1 76 fs.
242 — vorhergehende Aufzählung der Nachfolger Přemysls, von denen er uichts berichtet, „quia non erat illo in tempore, qui stilo acta eorum com- mendaret memoriae“, 1) und die unmittelbar folgende Darstellnng vom Kampfe Neklans mit dem Lučanenfürsten Wlastislaw; auch diese schrieb er noch nach dem, „quod referente fama audivimus“. 2) Die ausführ- liche Erzählung von Kampfe Neklans, die in Köpkes Ausgabe der Monu- menta Germ. fast drei Seiten füllt, schließt dann mit der Bemerkung: „Et quoniam baec antiquis referuntur evenisse temporibus, utrum sint facta an ficta, lectoris iudicio relinquimus. Nunc ea, quae vera fidelium relatio commendat, noster stilus . . . ad exarandum digna memoriae se acuat.“ 3) Dem folgt die zweite Erwähnung der Taufe Bořiwojs: „894 Borivoy baptizatus est, primus dux sanctae fidei catholicae.“ 4) Sie enthält die erste Jahreszahl und kennzeichnet sich schon hierdurch als Entlehnung aus einer chronistischen Quelle, die Cosmas nach eigenem Zeugniß „a temporibus Borivoy primi ducis catholici" benutzt hat. Die zuverlässige Tradition also berichtet nur, daß Bořiwoj Christ war, nicht aber, daß Method ihn taufte. Die früheste Nachricht von der Taufe durch Method ist jene Angabe des Cosmas im zehnten Capitel. Bis auf ihn lassen „fast keine Spuren eine fortlebende Erinne- rung an Methodius erkennen“. 5) Und dieses einzige Zeugniß entstammt. wie man der Chronik deutlich entnehmen kann, einer Legende! Es hieße sich über alle Regeln historischer Kritik hinwegsetzen, wenn man an jener Angabe, die durch chronologische Verwirrung und sonstige Merkmale die Zeichen später Entstehung an sich trägt, noch länger festhalten wollte. Dazu kommt, daß keine der älteren Cyrill-Methodlegenden, weder die pannonische,6) noch die bulgarische,7) noch irgend eine vor dem zwölften Bd. XX Heft 1S. 46 ff. sucht A. Bachmann zu erweisen, daß Cosmas die Nach¬ richt über Bořiwojs Taufe aus dem epilogus Moraviae et Bohemiae entlehut habe. 1) M. G. IX 39. 2) M. G. IX 39. 3) M. G. IX 44. 4) M. G. IX 44. Die entgegengesetzte Ansicht Tomek's in der „Apologie“ a. a. O. S. 31 scheint mir aus den im Text angeführten Gründen unrichtig zu sein. 5) Vgl. Wattenbach „Die slawische Liturgie in Böhmen“ a. a. O. S. 224; auch Tomek a. a. O. S. 37 bemerkt: „Wir haben nun also für die Taufe des Bořiwoj allerdings kein älteres Zeugniß, als das des Cosmas.“ Ueber die böhmische Tradition vgl. A. Bachmann a. a. O. in den Mittheilungen des Inst. für österr. Gesch. 1899 Heft 1 S. 50. 6) Vita s. Methodii ed. Dümmler im Archiv f. K. österr. Gesch. 1854 Bd. XIII 147 ff., Fontes rer. bohem. I 39 (in russischer und tschechischer Sprache). 7) Vita s. Clementis ed. Fr. Miklosich Wien 1847, Fontes rer. bohem. 1 76 fs.
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243 — Jahrhundert entstandene legendarische oder annalistische Ueberlieferung die Anwesenheit Methods beim Uebertritt Bořiwojs zum Christenthum bestätigt, die doch bei der großen Popularität des Slawenapostels allgemeines Interesse erwecken mußte. Die Passio sanctae Ludmillae, 1) die nach Holder-Egger2) vor Ende des zwölften Jahrhunderts, vermuthlich aber schon früher geschrieben ist, erklärt sich noch die Taufe Bořiwojs und seiner Gattin Ludmilla aus göttlicher Eingebung („divino nutu com- puncti“); erst die späteren Legenden, wie der Pseudo-Christian3) (nach Holder-Egger 4) aus dem zwölften, nach Dobrowsky5) aus dem vierzehnten Jahrhundert), die böhmische Legende 6) (oder vita s. Ludmillae aus dem vierzehnten Jahrhundert), die mährische Legende von Cyrill und Method. 7) die conversio Bohemorum 8) u. a. berichten, daß Bořiwoj am Hofe Suatopluks, also in Mähren, von Method getauft sei, in dem sie je später entstanden, um so reichlicher den Vorgang ausschmücken, wie es Dobrowsky9) im einzelnen nachgewiesen hat. Hiernach muß man an- nehmen, daß die Erwähnung Methods auf einer Erfindung der Legende beruht. Entstehungszeit= und =Grund der Legende. Da sich die ersten Spuren der Sage bei Cosmas finden, müßte man deren Entstehung spätestens in das Ende des elften Jahrhunderts verlegen. Am Schlusse des zehnten Jahrhunderts dagegen scheint sie noch nicht bekannt gewesen zu sein. Damals schrieb Bischof Gumpold von Mantua im Auftrage Kaiser Ottos II. das Leben des heiligen Wenzel. Er neunt Spytihněv den ersten christlichen Tschechenherzog. 10) Da der italienische Bischof gewißlich keinen Grund hatte, Bořiwojs Taufe zu verschweigen, so liegt die Vermuthung nahe, daß er von ihr nichts gehört habe und die Taufe des ersten christlichen Přemysliden zu Gumpolds Zeit noch nicht so allbekannt war, als den Zeitgenossen des Cosmas, der durch 1) M. G. XV 573, Fontes rer. bohem. I 144. 2) M. G. XV 572. 3) Acta SS. Sept. Tomus V 356 (16. Sept.). 4) M. G. XV 572. 5) „Kritische Versuche“ etc. I 26. 6) Fontes rer. bohem. I 192 ff. (bei Dobrowsky a. a. O. I 70 ff.). 7) Fontes rer. bohem. I 106 ff. (Acta SS. Martii Tom. II. 24, bei Ginzel in „Codex legendarum“ a. a. D. S. 18.) 8) Acta SS. Martii Tom. II 26. 9) Vgl. Dobrowsky a. a. O. I 31 ff. 10) M. G. IV 214.
243 — Jahrhundert entstandene legendarische oder annalistische Ueberlieferung die Anwesenheit Methods beim Uebertritt Bořiwojs zum Christenthum bestätigt, die doch bei der großen Popularität des Slawenapostels allgemeines Interesse erwecken mußte. Die Passio sanctae Ludmillae, 1) die nach Holder-Egger2) vor Ende des zwölften Jahrhunderts, vermuthlich aber schon früher geschrieben ist, erklärt sich noch die Taufe Bořiwojs und seiner Gattin Ludmilla aus göttlicher Eingebung („divino nutu com- puncti“); erst die späteren Legenden, wie der Pseudo-Christian3) (nach Holder-Egger 4) aus dem zwölften, nach Dobrowsky5) aus dem vierzehnten Jahrhundert), die böhmische Legende 6) (oder vita s. Ludmillae aus dem vierzehnten Jahrhundert), die mährische Legende von Cyrill und Method. 7) die conversio Bohemorum 8) u. a. berichten, daß Bořiwoj am Hofe Suatopluks, also in Mähren, von Method getauft sei, in dem sie je später entstanden, um so reichlicher den Vorgang ausschmücken, wie es Dobrowsky9) im einzelnen nachgewiesen hat. Hiernach muß man an- nehmen, daß die Erwähnung Methods auf einer Erfindung der Legende beruht. Entstehungszeit= und =Grund der Legende. Da sich die ersten Spuren der Sage bei Cosmas finden, müßte man deren Entstehung spätestens in das Ende des elften Jahrhunderts verlegen. Am Schlusse des zehnten Jahrhunderts dagegen scheint sie noch nicht bekannt gewesen zu sein. Damals schrieb Bischof Gumpold von Mantua im Auftrage Kaiser Ottos II. das Leben des heiligen Wenzel. Er neunt Spytihněv den ersten christlichen Tschechenherzog. 10) Da der italienische Bischof gewißlich keinen Grund hatte, Bořiwojs Taufe zu verschweigen, so liegt die Vermuthung nahe, daß er von ihr nichts gehört habe und die Taufe des ersten christlichen Přemysliden zu Gumpolds Zeit noch nicht so allbekannt war, als den Zeitgenossen des Cosmas, der durch 1) M. G. XV 573, Fontes rer. bohem. I 144. 2) M. G. XV 572. 3) Acta SS. Sept. Tomus V 356 (16. Sept.). 4) M. G. XV 572. 5) „Kritische Versuche“ etc. I 26. 6) Fontes rer. bohem. I 192 ff. (bei Dobrowsky a. a. O. I 70 ff.). 7) Fontes rer. bohem. I 106 ff. (Acta SS. Martii Tom. II. 24, bei Ginzel in „Codex legendarum“ a. a. D. S. 18.) 8) Acta SS. Martii Tom. II 26. 9) Vgl. Dobrowsky a. a. O. I 31 ff. 10) M. G. IV 214.
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244 — ihre Erzählung seinen Lesern „Efel zu erregen“ fürchtet. 1) Hiernach müßte die Tradition im elften Jahrhundert entstanden sein, in dem wie zu keiner anderen Zeit der Kampf um die slawische Liturgie in Böhmen actuelle Bedeutung hatte. Man vergegenwärtige sich in Kürze Entstehung und Verlauf jener Kämpfe. Im Jahre 10292) wurde Mähren, das seit der Zerstörung des Moimiridenreichs unter ungarischer Herrschaft gewesen und im Anfange des elften Jahrhunderts von Boleslaw Chabry unterjocht worden war, 3) durch Břetislaw von Böhmen der polnischen Herrschaft entrissen. Die westliche Hälste des altmährischen Moimiridenreiches war nun nach langer Trennung mit dem tschechischen Schwesterlande wieder vereinigt. Wohl manche Trümmer mochten noch an die Stätten erinnern, da Cyrill und Method die zarten Keime christlicher Gesittung und Bildung gepflegt hatten. 4) An jene Traditionen, welche die ungarische und poluische Herr- schaft überdauert, konnte Břetislaw anknüpfen, als er die Verwaltung des neugewonnenen Landes übernahm. Im Jahre 1038 ernannte er den Eremiten Procop aus Chotun, einen gelehrten Kenner der Schriftsprache Cyrills, zum Abt des kürzlich gegründeten Klosters Sazawa 5) und belebte damit aufs neue den Ritus der Slawenapostel. Sein Sohn Wratislaw (1061—1092) setzte es schon im zweiten Jahre seiner Regierung durch. daß aus der Prager Diöcese ein mährisches Bisthum Olmütz ausgeschieden wurde, dessen Leitung er 1063 dem Beuediktinermönch Johann von Břewnow anvertraute. 6) Unzweifelhaft sollte einem Bedürfniß zur Aus- breitung christlicher Cultur in Mähren abgeholfen werden; wie es scheint, aber hoffte man zugleich dem Zukunftsplan eines eigenen böhmisch-mäh¬ 1) M. G. IX 45. 2) Vgl. Breslau Jahrbb. unter Conrad II. Bd. I 267 Anm. 2. 3) Vgl. Bretholz „Mähren und das Reich Herzog Boleslaws II. von Böhmen“ im Archiv für österr. Gesch. Bd. 82 Jabrgang 1895. 4) Einige Reste alter Cultur scheinen sich unter der ungarischen Herrschaft erhalten zu haben. Nach Boczek Codex diplomaticus Moraviae I 90 ließen christliche Eltern ihre Kinder im geheimen taufen. In einer Urkunde vom 28. April 976 bei Boczek a. a. O. I 97 neunt der Erzbischof von Mainz unter den Suffra- ganen des Mainzer Stuhles einen „episcopus Moraviensis“ (vgl. Bretholz a. a. O. S. 155). Die Existenz eines mährischen Bischofs (vor der Zeit Severs von Prag 1031—1067), von der wir sonst freilich nichts wissen, wird bestätigt durch Cosmas II 21 M. G. IX 80. 5) Monachi sazavensis cont. Cosmae M. G. IX 149. 6) Ann. gradic. M. G. XVII 647; vgl. J. Loserth im Archiv für österr. Gesch. Bd. 78 S. 67.
244 — ihre Erzählung seinen Lesern „Efel zu erregen“ fürchtet. 1) Hiernach müßte die Tradition im elften Jahrhundert entstanden sein, in dem wie zu keiner anderen Zeit der Kampf um die slawische Liturgie in Böhmen actuelle Bedeutung hatte. Man vergegenwärtige sich in Kürze Entstehung und Verlauf jener Kämpfe. Im Jahre 10292) wurde Mähren, das seit der Zerstörung des Moimiridenreichs unter ungarischer Herrschaft gewesen und im Anfange des elften Jahrhunderts von Boleslaw Chabry unterjocht worden war, 3) durch Břetislaw von Böhmen der polnischen Herrschaft entrissen. Die westliche Hälste des altmährischen Moimiridenreiches war nun nach langer Trennung mit dem tschechischen Schwesterlande wieder vereinigt. Wohl manche Trümmer mochten noch an die Stätten erinnern, da Cyrill und Method die zarten Keime christlicher Gesittung und Bildung gepflegt hatten. 4) An jene Traditionen, welche die ungarische und poluische Herr- schaft überdauert, konnte Břetislaw anknüpfen, als er die Verwaltung des neugewonnenen Landes übernahm. Im Jahre 1038 ernannte er den Eremiten Procop aus Chotun, einen gelehrten Kenner der Schriftsprache Cyrills, zum Abt des kürzlich gegründeten Klosters Sazawa 5) und belebte damit aufs neue den Ritus der Slawenapostel. Sein Sohn Wratislaw (1061—1092) setzte es schon im zweiten Jahre seiner Regierung durch. daß aus der Prager Diöcese ein mährisches Bisthum Olmütz ausgeschieden wurde, dessen Leitung er 1063 dem Beuediktinermönch Johann von Břewnow anvertraute. 6) Unzweifelhaft sollte einem Bedürfniß zur Aus- breitung christlicher Cultur in Mähren abgeholfen werden; wie es scheint, aber hoffte man zugleich dem Zukunftsplan eines eigenen böhmisch-mäh¬ 1) M. G. IX 45. 2) Vgl. Breslau Jahrbb. unter Conrad II. Bd. I 267 Anm. 2. 3) Vgl. Bretholz „Mähren und das Reich Herzog Boleslaws II. von Böhmen“ im Archiv für österr. Gesch. Bd. 82 Jabrgang 1895. 4) Einige Reste alter Cultur scheinen sich unter der ungarischen Herrschaft erhalten zu haben. Nach Boczek Codex diplomaticus Moraviae I 90 ließen christliche Eltern ihre Kinder im geheimen taufen. In einer Urkunde vom 28. April 976 bei Boczek a. a. O. I 97 neunt der Erzbischof von Mainz unter den Suffra- ganen des Mainzer Stuhles einen „episcopus Moraviensis“ (vgl. Bretholz a. a. O. S. 155). Die Existenz eines mährischen Bischofs (vor der Zeit Severs von Prag 1031—1067), von der wir sonst freilich nichts wissen, wird bestätigt durch Cosmas II 21 M. G. IX 80. 5) Monachi sazavensis cont. Cosmae M. G. IX 149. 6) Ann. gradic. M. G. XVII 647; vgl. J. Loserth im Archiv für österr. Gesch. Bd. 78 S. 67.
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245 — rischen Metropolitanverbandes uäherzukommen, 1) dessen Verwirklichung auch die politische Machtstellung Böhmens heben mußte. Für den Bestand der neuen Gründung wurde der Tod Bischof Severs von Prag, der am 9. December 1067 starb, verhängnißvoll. Jaromir — seit der Ordi¬ nation am 6. Juli 1068 Gebhard genannt —, dent sein Bruder Herzog Wratislaw wider Willen den Bischoffitz einräumen mußte, versuchte mit ganzer Kraft das Olmützer Bisthum zu vernichten und die Prager Diöcese „im alten Umfange“ herzustellen.2) Der nun beginnende Kirchenstreit wurde mit größter Erbitterung geführt. Gebhard ging soweit, bei einem Besuche in Olmütz den greisen Bischof Johann, das unschuldige Opfer seines Zornes, in dessen Schlaf- gemach niederzuwerfen und in rohester Weise zu mißhandeln. Er wurde von seinem Bruder Wratislaw bei der Curie verklagt, durch Papst Ale- xander II. des bischöflichen Amtes entkleidet, später aber, als er die gefor- derte Genugthuung geleistet, von Gregor VII. (im April 1074) wieder- eingesetzt. 3) Das feindselige Verhältniß Herzog Wratislaws zu seinem Bruder, welches zeitweise in wildesten Haß ausartete, war bei der engen Verbin- dung fürstlicher und bischöflicher Haushaltung, bei der gegenseitigen Ab- hängigkeit des Herzogs und Bischofs auf die Dauer unerträglich. Kein Wunder, daß Wratislaw jedes Mittel ergriff, um den Einfluß des Prager Episcopates nach Möglichkeit zu schwächen. Dem Zwecke, die herzogliche Autorität und Unabhängigkeit dem Bischof gegenüber zu wahren, diente, wie J. Lippert in einem lehrreichen Aufsatz erwiesen hat, „die scheinbar bedeutungslose Erwerbung des Rechtes, eine Mitra zu tragen, und die Begründung eines neuen, glänzender aus gestatteten und jeder Jurisdiction des Bischofs entrückten Domcapitels auf dem Wyschehrad." 4) Daneben war Wratislaw eifrig bemüht, seine Lieblingsgründung, das Olmützer Bisthum, allen feindlichen Angriffen der Prager Geistlichkeit zum Trotz zu erhalten und zu festigen. Man wird kaum irren, wenn man mit diesem Zwecke die Förderung des slawischen Ritus in Verbindung 1) Vgl. Dudik a. a. O. II 297. 2) Cosmas M. G. IX 82 ff. 3) Cosmas M. G. IX 85; Erben a. a. O. I 61—64, Nr. 144—146, 149. Der Verlauf dieses Kirchenstreites ist häufig dargestellt worden, so von Palacky, Dudík, Büdinger, Giesebrecht, Bretholz u. a. 4) Vgl. J. Lippert „Die Wyschehradfrage“ in den Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Prag 1894, Jahrgang XXXII S. 239 ff.
245 — rischen Metropolitanverbandes uäherzukommen, 1) dessen Verwirklichung auch die politische Machtstellung Böhmens heben mußte. Für den Bestand der neuen Gründung wurde der Tod Bischof Severs von Prag, der am 9. December 1067 starb, verhängnißvoll. Jaromir — seit der Ordi¬ nation am 6. Juli 1068 Gebhard genannt —, dent sein Bruder Herzog Wratislaw wider Willen den Bischoffitz einräumen mußte, versuchte mit ganzer Kraft das Olmützer Bisthum zu vernichten und die Prager Diöcese „im alten Umfange“ herzustellen.2) Der nun beginnende Kirchenstreit wurde mit größter Erbitterung geführt. Gebhard ging soweit, bei einem Besuche in Olmütz den greisen Bischof Johann, das unschuldige Opfer seines Zornes, in dessen Schlaf- gemach niederzuwerfen und in rohester Weise zu mißhandeln. Er wurde von seinem Bruder Wratislaw bei der Curie verklagt, durch Papst Ale- xander II. des bischöflichen Amtes entkleidet, später aber, als er die gefor- derte Genugthuung geleistet, von Gregor VII. (im April 1074) wieder- eingesetzt. 3) Das feindselige Verhältniß Herzog Wratislaws zu seinem Bruder, welches zeitweise in wildesten Haß ausartete, war bei der engen Verbin- dung fürstlicher und bischöflicher Haushaltung, bei der gegenseitigen Ab- hängigkeit des Herzogs und Bischofs auf die Dauer unerträglich. Kein Wunder, daß Wratislaw jedes Mittel ergriff, um den Einfluß des Prager Episcopates nach Möglichkeit zu schwächen. Dem Zwecke, die herzogliche Autorität und Unabhängigkeit dem Bischof gegenüber zu wahren, diente, wie J. Lippert in einem lehrreichen Aufsatz erwiesen hat, „die scheinbar bedeutungslose Erwerbung des Rechtes, eine Mitra zu tragen, und die Begründung eines neuen, glänzender aus gestatteten und jeder Jurisdiction des Bischofs entrückten Domcapitels auf dem Wyschehrad." 4) Daneben war Wratislaw eifrig bemüht, seine Lieblingsgründung, das Olmützer Bisthum, allen feindlichen Angriffen der Prager Geistlichkeit zum Trotz zu erhalten und zu festigen. Man wird kaum irren, wenn man mit diesem Zwecke die Förderung des slawischen Ritus in Verbindung 1) Vgl. Dudik a. a. O. II 297. 2) Cosmas M. G. IX 82 ff. 3) Cosmas M. G. IX 85; Erben a. a. O. I 61—64, Nr. 144—146, 149. Der Verlauf dieses Kirchenstreites ist häufig dargestellt worden, so von Palacky, Dudík, Büdinger, Giesebrecht, Bretholz u. a. 4) Vgl. J. Lippert „Die Wyschehradfrage“ in den Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen. Prag 1894, Jahrgang XXXII S. 239 ff.
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246 bringt. Wratislaw erwies uicht nur den Mönchen Sazawas besondere Gunst;1) er richtete ein nachdrückliches Gesuch an Papst Gregor VII., den Gebrauch der slawischen Liturgie in Böhmen zu gestatten. 2) Zweifellos wurde er hierin von der mährischen Geistlichkeit unterstützt; denn diese konnte die Existenzberechtigung ihres neuen Bisthums nicht besser beweisen, als wenn sie dasselbe mit dem Kirchenwesen der Slawenapostel in Ver- bindung brachte, dessen Blüthezeit um ein volles Jahrhundert über die Prager Bisthunsgründung hinansreicht. Mußte nicht die Ankuüpfung an eine so alte und ehrwürdige Tradition die Berechtigung der Olmützer Stiftung klar erweisen? Denselben Zweck, die Erinnerung an die Slawen- apostel neu zu beleben, verfolgte man offenbar mit der Einführung des Elemenscultus, 3) die, wie mir scheint, aus ähnlichen Gründen zu erklären ist. Die Nachricht, daß die Clemenskirchen in dem alten fürstlichen Schlosse Lewy Hradec bei Prag und auf dem Wyschehrad die ältesten Kirchen Böhmens und bereits von Bořiwoj gegründet seien, begegnet zuerst in Legenden des vierzehuten Jahrhunderts und ist aus ihnen in die Chro- uiken Neplachs, Pulkawas u. a. übergegangen. 4) Da Cosmas, der einzige böhmische Chronist, der die Zeit Wratislaws ausführlicher behandelt, von den Ansprüchen und Kämpfen der mährischen 1) Mon. saz. cont. Cosmae M. G. IX 152, 153. 2) Erben Regesta Bohemiae I 70, 71 Nr. 162. Zu den Worten des Papst- briefes „Neque enim ad excusationem iuvat, quod quidam religiosi viri hoc, quod simpliciter populus quaerit, patienter tulerunt seu incorrectum dimiserunt“ bemerkt Wattenbach a. a. O. S. 230: „Es ist nicht wahrscheinlich, daß die hier ansdrücklich erwähnte Nachsicht, welche fromme Männer in der früheren Zeit geübt hatten, sich allein auf das Kloster Sazawa bezieht. 3) Cyrill und Method verehrten Papst Clemens. dessen Reliquien sie einst in Cherson gefunden und 867 in feierlicher Procession nach Rom zurückgeführt hatten, als ihren Schutzheiligen. Die Gründung der Clemenskirche auf der Burg Lewy Hradec ist in der Wenzellegende des als „Pseudochristian“ bekannten Fälschers (Fontes rer. bohem. I 203) und in der Ludmillalegende (Fontes rer. b. I 193) zuerst erwähnt. Beide Legenden stammen aus dem 14. Jahrh. Die von den Verthei¬ digern der Tradition des Cosmas — so von Tomek in der Apologie a. a. O. S. 37 — angezogene Stelle der Urkunde b. Erben I 98 Nr. 219 (circa 1132): „in Levo Gradech terra ad aratrum, ubi christianitas incepta est" beweift weder die Existenz der Clemenskirche noch deren Gründung durch Bořiwoj und ist zu einer Zeit geschrieben, in der die Legendenbildung schon ziemlich weit vorgeschritten war. Die angeblich von Bořiwoj gegründete Clemenskirche auf dem Wyschehrad wird vor dem 13. Jahrhundert nur in einer als Fälschung nachgewiesenen Urkunde aus dem Jahre 1088 oder 1089 (Erben 1 77 Nr. 175) erwähnt. Vgl. Dudík a. a. O. II 441 Anm. 1. 4)
246 bringt. Wratislaw erwies uicht nur den Mönchen Sazawas besondere Gunst;1) er richtete ein nachdrückliches Gesuch an Papst Gregor VII., den Gebrauch der slawischen Liturgie in Böhmen zu gestatten. 2) Zweifellos wurde er hierin von der mährischen Geistlichkeit unterstützt; denn diese konnte die Existenzberechtigung ihres neuen Bisthums nicht besser beweisen, als wenn sie dasselbe mit dem Kirchenwesen der Slawenapostel in Ver- bindung brachte, dessen Blüthezeit um ein volles Jahrhundert über die Prager Bisthunsgründung hinansreicht. Mußte nicht die Ankuüpfung an eine so alte und ehrwürdige Tradition die Berechtigung der Olmützer Stiftung klar erweisen? Denselben Zweck, die Erinnerung an die Slawen- apostel neu zu beleben, verfolgte man offenbar mit der Einführung des Elemenscultus, 3) die, wie mir scheint, aus ähnlichen Gründen zu erklären ist. Die Nachricht, daß die Clemenskirchen in dem alten fürstlichen Schlosse Lewy Hradec bei Prag und auf dem Wyschehrad die ältesten Kirchen Böhmens und bereits von Bořiwoj gegründet seien, begegnet zuerst in Legenden des vierzehuten Jahrhunderts und ist aus ihnen in die Chro- uiken Neplachs, Pulkawas u. a. übergegangen. 4) Da Cosmas, der einzige böhmische Chronist, der die Zeit Wratislaws ausführlicher behandelt, von den Ansprüchen und Kämpfen der mährischen 1) Mon. saz. cont. Cosmae M. G. IX 152, 153. 2) Erben Regesta Bohemiae I 70, 71 Nr. 162. Zu den Worten des Papst- briefes „Neque enim ad excusationem iuvat, quod quidam religiosi viri hoc, quod simpliciter populus quaerit, patienter tulerunt seu incorrectum dimiserunt“ bemerkt Wattenbach a. a. O. S. 230: „Es ist nicht wahrscheinlich, daß die hier ansdrücklich erwähnte Nachsicht, welche fromme Männer in der früheren Zeit geübt hatten, sich allein auf das Kloster Sazawa bezieht. 3) Cyrill und Method verehrten Papst Clemens. dessen Reliquien sie einst in Cherson gefunden und 867 in feierlicher Procession nach Rom zurückgeführt hatten, als ihren Schutzheiligen. Die Gründung der Clemenskirche auf der Burg Lewy Hradec ist in der Wenzellegende des als „Pseudochristian“ bekannten Fälschers (Fontes rer. bohem. I 203) und in der Ludmillalegende (Fontes rer. b. I 193) zuerst erwähnt. Beide Legenden stammen aus dem 14. Jahrh. Die von den Verthei¬ digern der Tradition des Cosmas — so von Tomek in der Apologie a. a. O. S. 37 — angezogene Stelle der Urkunde b. Erben I 98 Nr. 219 (circa 1132): „in Levo Gradech terra ad aratrum, ubi christianitas incepta est" beweift weder die Existenz der Clemenskirche noch deren Gründung durch Bořiwoj und ist zu einer Zeit geschrieben, in der die Legendenbildung schon ziemlich weit vorgeschritten war. Die angeblich von Bořiwoj gegründete Clemenskirche auf dem Wyschehrad wird vor dem 13. Jahrhundert nur in einer als Fälschung nachgewiesenen Urkunde aus dem Jahre 1088 oder 1089 (Erben 1 77 Nr. 175) erwähnt. Vgl. Dudík a. a. O. II 441 Anm. 1. 4)
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—— 247 Kirche so gut wie nichts berichtet, ist der wahre Sachverhalt gänzlich verdunkelt worden. Die Schicksale des Sazawer Klosters, die Bemühungen des Herzogs um Einführung der slawischen Liturgie, die angebliche Grün- dung der Clemenskirchen durch Bořiwoj und manches andere, das Cosmas als Zeitgenossen wohl bekannt war, verschweigt er aus gutem Grunde; denn er war Decan der Prager Kirche und daher Parteimann, wie es z. B. auch die ungünstige, fast gehässige Schilderung Wratislaws deutlich erkennen läßt. Aus einer Bemerkung aber wird derjenige, der sich die erregten Parteikämpfe jener Zeit lebhaft zu vergegenwärtigen vermag, doch manches herauslesen können. Im ersten Buche bemerkt Cosmas: "Qualiter autem gratia dei semper praeveniente et ubique subse- quente dux Borivoy adeptus sit sacramentum baptismi, aut quomodo per eius successores his in partibus de die in diem sancta proces- serit religio catholicae fidei, vel qui dux quas aut quot primitus ecclesias credulus erexit ad laudem dei, maluimus praetermittere quam fastidium legentibus ingerere, quia iam ab aliis scripta le- gimus: quaedam in privilegio Moraviensis ecclesiae, quaedam in epi- logo eiusdem terrae atque Boemiae, quaedam in vita vel passione sanctissimi nostri patroni et martiris Wencezlai.“ 1) Von der frühesten Entwicklung der christlichen Kirche in Böhmen, den ersten Kirchengrün dungen, die doch ieden und besonders die Leser des kirchlich so sehr interes¬ sirten zwölften Jahrhunderts lebhaft beschäftigen mußten, erzählt er nichts, um nicht „Ekel seinen Lesern zu erregen“! Diese Wendung ist nur aus der Stimmung und Erbitterung erklärlich, welche die Kirchen- kämpfe jener Zeit binterließen! Als der Chronist sein Geschichtswerk schrieb, waren sie soeben zu Gunsten der Prager Geistlichkeit beendet. Cosmas scheute sich, die Leidenschaft von neuem wachzurufen. Zu dem aber, was den Lesern „Ekel“ erwecken kounte, rechnete er und an erster Stelle die Erzählung, „qualiter... dux Borivoy adeptus sit sacra- mentum baptismi“. Hieraus scheint deutlich hervorzugehen, daß auch die Taufe Bořiwojs, des ersten christlichen Přemysliden, zu den umstrittenen Fragen gehörte, und daß die zuerst von Cosmas überlieferte Tradition, Bořiwoj sei vom Slawenapostel Method getauft worden, in eben jener Zeit entstanden ist. 2) Aus ihr ließen sich sehr reale Ansprüche ableiten. 1) M. G. IX 45. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die von Cosmas genannten Schriften, wenigstens das Privilegium und der Epilog der mährischen Kirche, Tendenzschriften oder gar Fälschungen des elften Jahrhunderts waren. 2) Bisher hat man fast allgemein die Augabe des Cosmas über Bořiwojs Taufe durch Method als gut beglaubigtes Zeugniß verwerthet; vgl. Palacky Geschichte
—— 247 Kirche so gut wie nichts berichtet, ist der wahre Sachverhalt gänzlich verdunkelt worden. Die Schicksale des Sazawer Klosters, die Bemühungen des Herzogs um Einführung der slawischen Liturgie, die angebliche Grün- dung der Clemenskirchen durch Bořiwoj und manches andere, das Cosmas als Zeitgenossen wohl bekannt war, verschweigt er aus gutem Grunde; denn er war Decan der Prager Kirche und daher Parteimann, wie es z. B. auch die ungünstige, fast gehässige Schilderung Wratislaws deutlich erkennen läßt. Aus einer Bemerkung aber wird derjenige, der sich die erregten Parteikämpfe jener Zeit lebhaft zu vergegenwärtigen vermag, doch manches herauslesen können. Im ersten Buche bemerkt Cosmas: "Qualiter autem gratia dei semper praeveniente et ubique subse- quente dux Borivoy adeptus sit sacramentum baptismi, aut quomodo per eius successores his in partibus de die in diem sancta proces- serit religio catholicae fidei, vel qui dux quas aut quot primitus ecclesias credulus erexit ad laudem dei, maluimus praetermittere quam fastidium legentibus ingerere, quia iam ab aliis scripta le- gimus: quaedam in privilegio Moraviensis ecclesiae, quaedam in epi- logo eiusdem terrae atque Boemiae, quaedam in vita vel passione sanctissimi nostri patroni et martiris Wencezlai.“ 1) Von der frühesten Entwicklung der christlichen Kirche in Böhmen, den ersten Kirchengrün dungen, die doch ieden und besonders die Leser des kirchlich so sehr interes¬ sirten zwölften Jahrhunderts lebhaft beschäftigen mußten, erzählt er nichts, um nicht „Ekel seinen Lesern zu erregen“! Diese Wendung ist nur aus der Stimmung und Erbitterung erklärlich, welche die Kirchen- kämpfe jener Zeit binterließen! Als der Chronist sein Geschichtswerk schrieb, waren sie soeben zu Gunsten der Prager Geistlichkeit beendet. Cosmas scheute sich, die Leidenschaft von neuem wachzurufen. Zu dem aber, was den Lesern „Ekel“ erwecken kounte, rechnete er und an erster Stelle die Erzählung, „qualiter... dux Borivoy adeptus sit sacra- mentum baptismi“. Hieraus scheint deutlich hervorzugehen, daß auch die Taufe Bořiwojs, des ersten christlichen Přemysliden, zu den umstrittenen Fragen gehörte, und daß die zuerst von Cosmas überlieferte Tradition, Bořiwoj sei vom Slawenapostel Method getauft worden, in eben jener Zeit entstanden ist. 2) Aus ihr ließen sich sehr reale Ansprüche ableiten. 1) M. G. IX 45. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die von Cosmas genannten Schriften, wenigstens das Privilegium und der Epilog der mährischen Kirche, Tendenzschriften oder gar Fälschungen des elften Jahrhunderts waren. 2) Bisher hat man fast allgemein die Augabe des Cosmas über Bořiwojs Taufe durch Method als gut beglaubigtes Zeugniß verwerthet; vgl. Palacky Geschichte
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248 — War die Tradition anerkannt, daß Bořiwoj durch den Slawenapostel zum Christenthum bekehrt sei, so mußte Prag selbst, welches damals auf Mähren von Böhmen Prag 1836 Bd. I 136: „Wenn auch nicht alle späteren Legenden und Chronisten darin übereinstimmten, so müßten doch Cosmas' Worte diese Thatsache schon außer allen Zweifel setzen;“ Ginzel Geschichte der Slawen apostel Cyrill und Method 1857 S. 67—69; B. Dudik Mährens allgem. Gesch. Brünn 1860 I 271; Schindler Der heilige Wolfgang, Prag 1885 S. 80, der wie Frind Kirchengeschichte Böhmens I 9 u. a. in unkritischer Weise auch die Angaben später Legenden als historische Thatsachen hinnimmt; Loserth a. a. O. S. 15; Dümmler Gesch. d. ostfränk. Reichs, Leipzig 1888 S. 340 beruft sich auf Wattenbachs Slawische Liturgie a. a. O. S. 221. Die Encyflika vom 30. Sept. 1880 „Grande munus“, durch welche Papst Leo XIII. den 5. Juli als Fest der Heiligen Cyrillus und Methodius für die römisch-katholische Kirche festsetzte, ist tendenziös und völlig kritiklos. Ihre Angaben über Bořiwojs Taufe durch Method beruhen auf den Erfin dungen später Legenden. Huber Geschichte Oesterreichs 1885 S. 108 äußert Zweifel an der Zu- verlässigkeit des Cosmas; L. C. Götz Geschichte der Slawenapostel Constan- tinus und Methodius, Gotha 1897 S. 227 bemerkt richtig: „Ebensowenig in den sicheren Quellen bezeugt ist die Nachricht, Methodius habe den Böhmen- herzog Bořiwoj getauft, die nach mündlicher Ueberlieferung der älteste böhmische Chronist, Cosmas, aufgezeichnet hat.“ — Viel zu weit ist nt. E. J. Lippert gegangen, wenn er in der „Socialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit" Prag 1896. Bd. I S. 165 ff. die Tradition über Bořiwojs Tanfe gänzlich verwirft und Spytihněw, „wie die ältesten Legenden berichten“, als ersten christ lichen Přemysliden, „Mitte Juli 895“ nach den „jüngeren Legenden“ als Zeit der officiellen Einführung des Christenthums bezeichuct. Von den „ältesten Legenden“ kommt indessen als Quelle von selbständigen Werth nur die Gum- pold'sche Lebensbeschreibung des heiligen Wenzels (M. G. IV 814) in Betracht, da die dritte von Lippert angeführte Wenzellegende, die passio s. Vendezlavi m. (Fontes rer. bohem. I 183 ff., bei Dobrowsky a. a. O. als Legende D be zeichnet), wie er selbst zugibt (vgl. S. 165), anf Gumpolds Darstellung beruht und die an zweiter Stelle von ihm genannte Legende des Benediktinermönches Laurentius (Fontes rer. bohem. I 167 ff.) Spytihnöws Taufe nicht berichtet. Nach Gumpold aber ist Spytihněv erst während Heinrichs I Regierung (919 bis 936) getauft worden: „iam regnante ... rege Heinrico ... Zpuy- tignev . . . baptismo mundatur“ (M. G. IV 214). Hiermit fallen Lipperts Combinationen zusammen. Die jüngeren Legenden aber, welche nach L. an dem Jahre 895 für die Einführung des Christenthums festhalten, nennen überhaupt fein Jahr. Dagegen bezeichnen sie, die passio s. Ludmillae (Fontes rer. bohem. I 144), vita s. Ludmillae (ibid. I 192), conversio Boemorum (Acta SS. Martii Tom. II 26) u. a., wie anch Cosmas an drei Stellen seiner Chronik (M. G. IX 32, 39, 44), ausdrücklich Bořiwoj - nicht Spytihněw — als „primus dux catholicus“. Was bedeutet hiergegen das abweichende Zeugnis des Italieners Gumpold in der Wenzelbiographie, die nach Büdingers freilich
248 — War die Tradition anerkannt, daß Bořiwoj durch den Slawenapostel zum Christenthum bekehrt sei, so mußte Prag selbst, welches damals auf Mähren von Böhmen Prag 1836 Bd. I 136: „Wenn auch nicht alle späteren Legenden und Chronisten darin übereinstimmten, so müßten doch Cosmas' Worte diese Thatsache schon außer allen Zweifel setzen;“ Ginzel Geschichte der Slawen apostel Cyrill und Method 1857 S. 67—69; B. Dudik Mährens allgem. Gesch. Brünn 1860 I 271; Schindler Der heilige Wolfgang, Prag 1885 S. 80, der wie Frind Kirchengeschichte Böhmens I 9 u. a. in unkritischer Weise auch die Angaben später Legenden als historische Thatsachen hinnimmt; Loserth a. a. O. S. 15; Dümmler Gesch. d. ostfränk. Reichs, Leipzig 1888 S. 340 beruft sich auf Wattenbachs Slawische Liturgie a. a. O. S. 221. Die Encyflika vom 30. Sept. 1880 „Grande munus“, durch welche Papst Leo XIII. den 5. Juli als Fest der Heiligen Cyrillus und Methodius für die römisch-katholische Kirche festsetzte, ist tendenziös und völlig kritiklos. Ihre Angaben über Bořiwojs Taufe durch Method beruhen auf den Erfin dungen später Legenden. Huber Geschichte Oesterreichs 1885 S. 108 äußert Zweifel an der Zu- verlässigkeit des Cosmas; L. C. Götz Geschichte der Slawenapostel Constan- tinus und Methodius, Gotha 1897 S. 227 bemerkt richtig: „Ebensowenig in den sicheren Quellen bezeugt ist die Nachricht, Methodius habe den Böhmen- herzog Bořiwoj getauft, die nach mündlicher Ueberlieferung der älteste böhmische Chronist, Cosmas, aufgezeichnet hat.“ — Viel zu weit ist nt. E. J. Lippert gegangen, wenn er in der „Socialgeschichte Böhmens in vorhussitischer Zeit" Prag 1896. Bd. I S. 165 ff. die Tradition über Bořiwojs Tanfe gänzlich verwirft und Spytihněw, „wie die ältesten Legenden berichten“, als ersten christ lichen Přemysliden, „Mitte Juli 895“ nach den „jüngeren Legenden“ als Zeit der officiellen Einführung des Christenthums bezeichuct. Von den „ältesten Legenden“ kommt indessen als Quelle von selbständigen Werth nur die Gum- pold'sche Lebensbeschreibung des heiligen Wenzels (M. G. IV 814) in Betracht, da die dritte von Lippert angeführte Wenzellegende, die passio s. Vendezlavi m. (Fontes rer. bohem. I 183 ff., bei Dobrowsky a. a. O. als Legende D be zeichnet), wie er selbst zugibt (vgl. S. 165), anf Gumpolds Darstellung beruht und die an zweiter Stelle von ihm genannte Legende des Benediktinermönches Laurentius (Fontes rer. bohem. I 167 ff.) Spytihnöws Taufe nicht berichtet. Nach Gumpold aber ist Spytihněv erst während Heinrichs I Regierung (919 bis 936) getauft worden: „iam regnante ... rege Heinrico ... Zpuy- tignev . . . baptismo mundatur“ (M. G. IV 214). Hiermit fallen Lipperts Combinationen zusammen. Die jüngeren Legenden aber, welche nach L. an dem Jahre 895 für die Einführung des Christenthums festhalten, nennen überhaupt fein Jahr. Dagegen bezeichnen sie, die passio s. Ludmillae (Fontes rer. bohem. I 144), vita s. Ludmillae (ibid. I 192), conversio Boemorum (Acta SS. Martii Tom. II 26) u. a., wie anch Cosmas an drei Stellen seiner Chronik (M. G. IX 32, 39, 44), ausdrücklich Bořiwoj - nicht Spytihněw — als „primus dux catholicus“. Was bedeutet hiergegen das abweichende Zeugnis des Italieners Gumpold in der Wenzelbiographie, die nach Büdingers freilich
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249 — Ansprüche erhob, 1) als Tochtergründung der mährischen Kirche erscheinen! Um wie viel mehr hatte Olmütz unter solchen Verhältnissen ein Anrecht, seine selbständige Existenz neben Prag zu wahren. Auch die Wünsche, welche Einführung der slawischen Liturgie in Böhmen betrafen, konnten in dieser Legende eine Stütze finden. Es ist gewiß kein zufälliger Zusammenhang, daß zu eben der Zeit, in der nach Lage der Ueberlieferung die Sage von Bořiwojs Taufe sich gebildet haben muß, leidenschaftliche Kirchenkämpfe geführt wurden, aus deren Verlauf und praktischen Zielen die Entstehung der Legende sich vollauf erklären läßt. Daß dieselbe schnell Glauben fand, kann bei den kirch¬ lichen und nationalen Interessen, denen sie Vorschub leistete, nicht befremden. Wie oft hat allein die Neigung, große Institutionen und Ereignisse an eine hervorragende Persönlichkeit anzuknüpfen, zur Sagenbildung geführt! Bořiwoj ist demnach — nicht Spytihněw, wie Lippert meint — der erste christliche Fürst aus dem Geschlechte der Přemysliden gewesen. Das Taufjahr bleibt ungewiß; dagegen varf nach der Tradition und den kirchlich-politischen Verhältuissen des neunten Jahrhunderts mit gutem Grunde der bairischen Geistlichkeit das Verdienst zugeschrieben werden, das Christenthum im Prager Fürstenhause eingeführt zu haben. Die Ueber Lieferung, daß der Slawenapostel Method den Tschechenherzog getauft habe, ist von ihrem frühesten und verhältuißmäßig glaubwürdigsten Be- richterstatter, von Cosmas selbst, als Legende gekennzeichnet worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese im elften Jahrhrhundert entstanden, in dem die böhmische Tradition ebensowohl von den Anhängern der slawischen Liturgie als von dem deutschen Clerus in weitem Umfange verfälscht worden ist, eine Thatsache, die seit Dobrowskys „kritischen Versuchen' zu wenig Bericksichtigung gefunden, insbesondere zu einseitiger und par- teiischer Darstellung der Zeit König Wratislaws von Böhmen geführt hat. 2) 1) 2) ein wenig übertriebenem Urtheile als „ein rhetorisches oder theologisches Glanz- stück voll Unrichtigkeiten und Entstellungen“ „ohne historischen Werth“ gekenu- zeichnet ist! (Vgl. Zeitschr. für österr. Gymnasien 1857 „Zur Kritik altböh¬ mischer Geschichte“ S. 158; Tomek „Apologie“ etc. a. a. O. S. 27). Bischof Gebhard suchte bekanntlich seine Ansprüche auf Vereinigung der böhmischen und mährischen Diöcese 1085 mit der Behauptung zu begründen, daß beide von Anfang an vereint gewesen seien; vgl. die Worte des kaiserlichen Diploms vom 29. April 1086: „Pragensis episcopatus, qui ab initio per totum Boemiae ac Moraviae ducatum unus et integer constitutus“ (M. G. IX 92). Da der Verfasser den Artikel eingesendet hat, ehe der I. Band der „Geschichte Böhmens“ von Adolf Bachmann (Gotha, Fr. A. Perthes, 1899) erschien, so konnte auf dessen Ansicht über die vorliegende Frage, welche auf S. 96 ff. behandelt wird, keine Rücksicht genommen werden. (Aun. der Schriftleitung.)
249 — Ansprüche erhob, 1) als Tochtergründung der mährischen Kirche erscheinen! Um wie viel mehr hatte Olmütz unter solchen Verhältnissen ein Anrecht, seine selbständige Existenz neben Prag zu wahren. Auch die Wünsche, welche Einführung der slawischen Liturgie in Böhmen betrafen, konnten in dieser Legende eine Stütze finden. Es ist gewiß kein zufälliger Zusammenhang, daß zu eben der Zeit, in der nach Lage der Ueberlieferung die Sage von Bořiwojs Taufe sich gebildet haben muß, leidenschaftliche Kirchenkämpfe geführt wurden, aus deren Verlauf und praktischen Zielen die Entstehung der Legende sich vollauf erklären läßt. Daß dieselbe schnell Glauben fand, kann bei den kirch¬ lichen und nationalen Interessen, denen sie Vorschub leistete, nicht befremden. Wie oft hat allein die Neigung, große Institutionen und Ereignisse an eine hervorragende Persönlichkeit anzuknüpfen, zur Sagenbildung geführt! Bořiwoj ist demnach — nicht Spytihněw, wie Lippert meint — der erste christliche Fürst aus dem Geschlechte der Přemysliden gewesen. Das Taufjahr bleibt ungewiß; dagegen varf nach der Tradition und den kirchlich-politischen Verhältuissen des neunten Jahrhunderts mit gutem Grunde der bairischen Geistlichkeit das Verdienst zugeschrieben werden, das Christenthum im Prager Fürstenhause eingeführt zu haben. Die Ueber Lieferung, daß der Slawenapostel Method den Tschechenherzog getauft habe, ist von ihrem frühesten und verhältuißmäßig glaubwürdigsten Be- richterstatter, von Cosmas selbst, als Legende gekennzeichnet worden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese im elften Jahrhrhundert entstanden, in dem die böhmische Tradition ebensowohl von den Anhängern der slawischen Liturgie als von dem deutschen Clerus in weitem Umfange verfälscht worden ist, eine Thatsache, die seit Dobrowskys „kritischen Versuchen' zu wenig Bericksichtigung gefunden, insbesondere zu einseitiger und par- teiischer Darstellung der Zeit König Wratislaws von Böhmen geführt hat. 2) 1) 2) ein wenig übertriebenem Urtheile als „ein rhetorisches oder theologisches Glanz- stück voll Unrichtigkeiten und Entstellungen“ „ohne historischen Werth“ gekenu- zeichnet ist! (Vgl. Zeitschr. für österr. Gymnasien 1857 „Zur Kritik altböh¬ mischer Geschichte“ S. 158; Tomek „Apologie“ etc. a. a. O. S. 27). Bischof Gebhard suchte bekanntlich seine Ansprüche auf Vereinigung der böhmischen und mährischen Diöcese 1085 mit der Behauptung zu begründen, daß beide von Anfang an vereint gewesen seien; vgl. die Worte des kaiserlichen Diploms vom 29. April 1086: „Pragensis episcopatus, qui ab initio per totum Boemiae ac Moraviae ducatum unus et integer constitutus“ (M. G. IX 92). Da der Verfasser den Artikel eingesendet hat, ehe der I. Band der „Geschichte Böhmens“ von Adolf Bachmann (Gotha, Fr. A. Perthes, 1899) erschien, so konnte auf dessen Ansicht über die vorliegende Frage, welche auf S. 96 ff. behandelt wird, keine Rücksicht genommen werden. (Aun. der Schriftleitung.)
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Witfheiſungen bes Vereines für Geſchichte der Dentſchen in Böhmen. XXXVIII. Jahrgang. Redigirt vou Dr. A. Horčička und Dr. O. Weber. Nebst der literarischen Beilage. Prag 1900. Sin =elbstverlage des Dereines für Geschichte der Deutschen in Söbmen. „. S. Calre ſhe f. u. f. Hof Joief und Hnveriitäts:Buchhandlung Koch. Comnisitoisperlag.
Witfheiſungen bes Vereines für Geſchichte der Dentſchen in Böhmen. XXXVIII. Jahrgang. Redigirt vou Dr. A. Horčička und Dr. O. Weber. Nebst der literarischen Beilage. Prag 1900. Sin =elbstverlage des Dereines für Geschichte der Deutschen in Söbmen. „. S. Calre ſhe f. u. f. Hof Joief und Hnveriitäts:Buchhandlung Koch. Comnisitoisperlag.
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