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Titel - MVGDB
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- s. 262: ...das historische, sondern das legendar-didaktische Moment ist — wenigstens bei Abt Otto — nach dem gewöhnlichen Muster der Heiligen- leben die Hauptsache, so...
- s. 262: ...innerlichen, in gewisser Hinsicht wirklich psychologischen Erfassung seines Stoffes konnte Abt Otto naturgemäß von einer Würdigung der Eltern des Königs nicht absehen....
- s. 262: ...dies im besonderen in des Verfassers Absicht lag, darüber berichtet Abt Otto selbst: „Da es nicht leicht ist, viel in wenig Worten...
- s. 263: ...über König Ottokar noch nicht dargethan. Irrig ist zudem, daß Abt Otto die Verlobung der Kinder Ottokars und Rudolfs fehlerhaft angegeben. Loserth...
- s. 266: ...Betracht konmen. Wir kommen zunächst auf die Frage zurück, ob Abt Otto für die Zeit Ottokars an schriftlichen Quellen uur die Annales...
- s. 270: ...Emler, Regesten II 257, n. 663. Auch jein „consanguineus“ hat Abt Otto viel eher aus der Ansprache Herzog Ulrichs an König Ottokar:...
- s. 272: ...confidens potentiae suae affectansque semper bellare et praeliari —, hier Abt Otto über Ottokar nichts diesbezügliches sagt, dafür aber König Rudolf rühnt...
- s. 276: ...zu beschreiben. 1) Es bedarf kaum der Erwähnung, daß den Abt Otto seine deutsche Abstammung und Gesinnung, sowie Rechtlichkeit und Klugheit vor...
- s. 280: ...Anlaß des Sturzes Zawischs in an- deren Gründen findet als Abt Otto. Hier wird Zawisch hingerichtet, resp. gestürzt, weil er dem Leben...
- s. 282: ...wird jedes etwaige Verdienst dabei dem Könige zugewendet. Dagegen hat Abt Otto von den eigentlichen Zielen der böh¬ mischen Politik in jenen...
Název:
Beiträge zur Kunde böhmischer Geschichtsquellen des XIV und XV Jahrhunderts II, MVGDB 36
Autor:
Bachman, Adolf
Rok vydání:
1898
Místo vydání:
Praha, Wien
Česká národní bibliografie:
Počet stran celkem:
32
Obsah:
- 261: Titel - Beiträge
- 292: Titel - MVGDB
upravit
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fittheilungen des Vereines für * Seuthichte oer Vontschen in Böhmen. Redigirt von Dr. 6. Biermann und Dr. A. Horřiřka. Sechsunddreißigster Jahrgang. 3. Heft. 1897/8. Hofrath Dr. Coustantin Ritter von Höfler, Professor der Geschichte an der Carl-Ferdinands-Universität in Prag, ist am 29. December 1897 gestorben. Unserem Verein brachte er seit seiner Gründung sein vollstes Wohl- wollen entgegen. Das nächste Heft bringt einen ausführlichen Nachruf mit der Würdigung seiner Bedeutung als Forscher und Lehrer der Geschichte. Beiträge zur Runde böhmischer Geſchichtsquellen des XIV. und XV. Jahrhunderts. Von Adolf Bachmann. IV. Werth und Bedeutung der Königsaaler Chronif für die Geschichte König Ottokars II. und die Ingendzeit König Wenzels II. (1253—1290). Zwischen den Jahren 1305 und etwa 1310 hat Abt Otto von Königsaal, wie an anderer Stelle bemerkt wurde,1) die Abfassung der Geschichte des Gründers von Königsaal, der vita Wenceslai, unter 1) Vergl. unsern Artikel III in diesen Mittheilungen, Jahrg. XXXVI., S. 12—14. Mittheilungen. 36. Jahrgang. 3. Heft.
fittheilungen des Vereines für * Seuthichte oer Vontschen in Böhmen. Redigirt von Dr. 6. Biermann und Dr. A. Horřiřka. Sechsunddreißigster Jahrgang. 3. Heft. 1897/8. Hofrath Dr. Coustantin Ritter von Höfler, Professor der Geschichte an der Carl-Ferdinands-Universität in Prag, ist am 29. December 1897 gestorben. Unserem Verein brachte er seit seiner Gründung sein vollstes Wohl- wollen entgegen. Das nächste Heft bringt einen ausführlichen Nachruf mit der Würdigung seiner Bedeutung als Forscher und Lehrer der Geschichte. Beiträge zur Runde böhmischer Geſchichtsquellen des XIV. und XV. Jahrhunderts. Von Adolf Bachmann. IV. Werth und Bedeutung der Königsaaler Chronif für die Geschichte König Ottokars II. und die Ingendzeit König Wenzels II. (1253—1290). Zwischen den Jahren 1305 und etwa 1310 hat Abt Otto von Königsaal, wie an anderer Stelle bemerkt wurde,1) die Abfassung der Geschichte des Gründers von Königsaal, der vita Wenceslai, unter 1) Vergl. unsern Artikel III in diesen Mittheilungen, Jahrg. XXXVI., S. 12—14. Mittheilungen. 36. Jahrgang. 3. Heft.
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262 nommen und bis zur Zeichnung der gesetzgeberischen Thätigkeit Wenzels (in den Jahren 1294—1295) durchgeführt. Die Darstellung Ottos trägt legendaren Charakter.1) Sein Zweck war nicht, die Geschichte Böhmens zu jener Zeit zu schreiben und darin etwa ein eingehendes Bild der politischen Bestrebungen und der Herrscherthätigkeit König Wenzels zu zeichnen. Hier kommen des Königs Naturanlage und persönliche Tugen- den, die schweren Geschicke seiner Jugendzeit und die Standhaftigkeit, mit der er sie erträgt, die Prüfungen und Aufgaben, welche ihm als jugend- lichen Herrscher gestellt werden, mit ihren bitteren Enttäuschungen, seelischen Kämpfen und unausweichlichen Folgen (Zawisch von Falkenstein) — so nach Ottos Auffassung und Erzählung — in erster Reihe zur Geltung. Nicht das historische, sondern das legendar-didaktische Moment ist — wenigstens bei Abt Otto — nach dem gewöhnlichen Muster der Heiligen- leben die Hauptsache, so sehr, daß er nicht allein indirect mittelst der Erzählung, sondern auch ganz direct mit Betrachtung und Mahnung, mit gemüthvollem Ergusse und innigem Gebete auf die Leser einzu- wirken sucht.2) Bei einer somit mehr innerlichen, in gewisser Hinsicht wirklich psychologischen Erfassung seines Stoffes konnte Abt Otto naturgemäß von einer Würdigung der Eltern des Königs nicht absehen. Die Dar- legung der böhmischen Zustände nach 1278 und bis zum Jahre 1283 und länger nöthigte aber auch schon äußerlich zur Rücksichtnahme auf die Zeiten Ottokars II., ohne welche sie vielfach — wenn der Abt nicht immer neue Erläuterungen einschieben wollte, unverständlich geblieben wären. So geht der eigentlichen vita Wenceslai eine Charakteristik und Uebersicht der Ottokarianischen Epoche voraus. In wie weit dies im besonderen in des Verfassers Absicht lag, darüber berichtet Abt Otto selbst: „Da es nicht leicht ist, viel in wenig Worten zu berühren, will ich, soweit ich die Einzeldarstellung dessen, was der genannte Fürst (Wenzel II.) gethan, nicht übergehen kann, seine und seines Vaters, Herrn Ottokars, frühere Daten und Erlebnisse im gegen- wärtigen Werkchen mit größter Beschränkung darstellen und gehe dann über zu dem, was er mit der Gründung von Königsaal Bewunderungsk 1) Vergl. G. Loserth, Die Königsaaler Geschichtsquellen. Kritische Untersuchung über die Entstehung des Chronicon aulae regiae. Arch. f. österr. Gesch. LI, S. 465. 2) Vergl. jetzt dazu den Detailnachweis bei A. Seibt, die Verse in der König- saaler Chronik in ihrem Verhältnisse zu den Prosapartien. Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft. Heft 1. Prag 1898.
262 nommen und bis zur Zeichnung der gesetzgeberischen Thätigkeit Wenzels (in den Jahren 1294—1295) durchgeführt. Die Darstellung Ottos trägt legendaren Charakter.1) Sein Zweck war nicht, die Geschichte Böhmens zu jener Zeit zu schreiben und darin etwa ein eingehendes Bild der politischen Bestrebungen und der Herrscherthätigkeit König Wenzels zu zeichnen. Hier kommen des Königs Naturanlage und persönliche Tugen- den, die schweren Geschicke seiner Jugendzeit und die Standhaftigkeit, mit der er sie erträgt, die Prüfungen und Aufgaben, welche ihm als jugend- lichen Herrscher gestellt werden, mit ihren bitteren Enttäuschungen, seelischen Kämpfen und unausweichlichen Folgen (Zawisch von Falkenstein) — so nach Ottos Auffassung und Erzählung — in erster Reihe zur Geltung. Nicht das historische, sondern das legendar-didaktische Moment ist — wenigstens bei Abt Otto — nach dem gewöhnlichen Muster der Heiligen- leben die Hauptsache, so sehr, daß er nicht allein indirect mittelst der Erzählung, sondern auch ganz direct mit Betrachtung und Mahnung, mit gemüthvollem Ergusse und innigem Gebete auf die Leser einzu- wirken sucht.2) Bei einer somit mehr innerlichen, in gewisser Hinsicht wirklich psychologischen Erfassung seines Stoffes konnte Abt Otto naturgemäß von einer Würdigung der Eltern des Königs nicht absehen. Die Dar- legung der böhmischen Zustände nach 1278 und bis zum Jahre 1283 und länger nöthigte aber auch schon äußerlich zur Rücksichtnahme auf die Zeiten Ottokars II., ohne welche sie vielfach — wenn der Abt nicht immer neue Erläuterungen einschieben wollte, unverständlich geblieben wären. So geht der eigentlichen vita Wenceslai eine Charakteristik und Uebersicht der Ottokarianischen Epoche voraus. In wie weit dies im besonderen in des Verfassers Absicht lag, darüber berichtet Abt Otto selbst: „Da es nicht leicht ist, viel in wenig Worten zu berühren, will ich, soweit ich die Einzeldarstellung dessen, was der genannte Fürst (Wenzel II.) gethan, nicht übergehen kann, seine und seines Vaters, Herrn Ottokars, frühere Daten und Erlebnisse im gegen- wärtigen Werkchen mit größter Beschränkung darstellen und gehe dann über zu dem, was er mit der Gründung von Königsaal Bewunderungsk 1) Vergl. G. Loserth, Die Königsaaler Geschichtsquellen. Kritische Untersuchung über die Entstehung des Chronicon aulae regiae. Arch. f. österr. Gesch. LI, S. 465. 2) Vergl. jetzt dazu den Detailnachweis bei A. Seibt, die Verse in der König- saaler Chronik in ihrem Verhältnisse zu den Prosapartien. Prager Studien aus dem Gebiete der Geschichtswissenschaft. Heft 1. Prag 1898.
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263 würdiges geleistet hat."1) Es gilt hier, Quellen und Anlage, Werth und Bedeutung der bezüglichen Partien der Königsaaler Chronik, ziemlich genan der ersten Hälfte der Arbeit Abt Ottos, zu untersuchen. A. Die Geschichte König Ottokars und die Chronik von Königsaal. „Ein kurzer Bericht über die Eltern Wenzels II. geht voraus“2) und „für die Geschichte Ottokars kann die Vita überhaupt nicht als Quelle benützt werden, da wir sowohl die Quellen, die Otto für die Geschichte Ottokars benutzt hat, uachweisen können, als auch, daß sie in fehlerhafter Weise benützt wurden.“ Dies die Bemerkungen J. Loserths über den auf König Ottokar bezüglichen Theil der Königsaaler Chronik.3) Als Beweis für letzteres weist er auf die irrige Meldung über die Ehescheidung Ottokars und Margarethas von Oesterreich, auf die Angabe über die Einführung des Turniers in Böhmen hin, die Ottokars Vater zukommt; auch „die Verlobung der Kinder Rudolfs und Ottokars ist fehlerhaft an- gegeben.“4) Thatsächlich umfaßt aber dieser „kurze Bericht über die Eltern Wenzels II.“ die Capitel II bis VIII (incl.)5) und ist von Königin Kunigunde noch hinterher die Rede, Raum genug, um uns über Ottokar so manches und eventuell recht werthvolles zu berichten. Daß wir die Quellen, die für Ottokars Geschichte benützt sind, Überall nachweisen können, ist keineswegs zutreffend. Selbst wenn man die weiteren in Nachfolgenden versuchten Quellennachweise, die bei Loserth fehlen, gelten lassen wird, ist die Herkunft aller Angaben Ottos über König Ottokar noch nicht dargethan. Irrig ist zudem, daß Abt Otto die Verlobung der Kinder Ottokars und Rudolfs fehlerhaft angegeben. Loserth meint hier die Stelle Cap. IV, S. 48: „Rudolfus duxit Agnetem Gutaque nupsit Wenceslao“, wo er auch seine „Be-- 1) Lib. I, cap. 1 (Loserth’sche Ausg. S. 40): Sed quoniam multa verbis paucis constringuntur non facile, quo singula praefati principis facta, quae gessit, scribendo pertransire nequeo, eo permodicis suis patrisque ipsius domini Ottacari praescriptis actibus, ad ea, quae in fundatione monasterii Aulae regiae admiranda complevit opera, in praesenti opusculo meo converto. 2) Arch. f. österr. Gesch. LI, S. 465. 3) Ebdt. S. 466. 4) Ebendort. Der Beweis für die Verwerthung der Annal. Ottoc. (und der Annal. Bohemici) an einzelnen Stellen der K.-Chr. wird dann von Los. weiter S. 467 erbracht und anderes in den Anmerkungen zu Cap. II—VIII seiner Ausgabe erwähnt. 5) S. 40—50 in Fontes rer. Austriae VIII, Abtb. H.
263 würdiges geleistet hat."1) Es gilt hier, Quellen und Anlage, Werth und Bedeutung der bezüglichen Partien der Königsaaler Chronik, ziemlich genan der ersten Hälfte der Arbeit Abt Ottos, zu untersuchen. A. Die Geschichte König Ottokars und die Chronik von Königsaal. „Ein kurzer Bericht über die Eltern Wenzels II. geht voraus“2) und „für die Geschichte Ottokars kann die Vita überhaupt nicht als Quelle benützt werden, da wir sowohl die Quellen, die Otto für die Geschichte Ottokars benutzt hat, uachweisen können, als auch, daß sie in fehlerhafter Weise benützt wurden.“ Dies die Bemerkungen J. Loserths über den auf König Ottokar bezüglichen Theil der Königsaaler Chronik.3) Als Beweis für letzteres weist er auf die irrige Meldung über die Ehescheidung Ottokars und Margarethas von Oesterreich, auf die Angabe über die Einführung des Turniers in Böhmen hin, die Ottokars Vater zukommt; auch „die Verlobung der Kinder Rudolfs und Ottokars ist fehlerhaft an- gegeben.“4) Thatsächlich umfaßt aber dieser „kurze Bericht über die Eltern Wenzels II.“ die Capitel II bis VIII (incl.)5) und ist von Königin Kunigunde noch hinterher die Rede, Raum genug, um uns über Ottokar so manches und eventuell recht werthvolles zu berichten. Daß wir die Quellen, die für Ottokars Geschichte benützt sind, Überall nachweisen können, ist keineswegs zutreffend. Selbst wenn man die weiteren in Nachfolgenden versuchten Quellennachweise, die bei Loserth fehlen, gelten lassen wird, ist die Herkunft aller Angaben Ottos über König Ottokar noch nicht dargethan. Irrig ist zudem, daß Abt Otto die Verlobung der Kinder Ottokars und Rudolfs fehlerhaft angegeben. Loserth meint hier die Stelle Cap. IV, S. 48: „Rudolfus duxit Agnetem Gutaque nupsit Wenceslao“, wo er auch seine „Be-- 1) Lib. I, cap. 1 (Loserth’sche Ausg. S. 40): Sed quoniam multa verbis paucis constringuntur non facile, quo singula praefati principis facta, quae gessit, scribendo pertransire nequeo, eo permodicis suis patrisque ipsius domini Ottacari praescriptis actibus, ad ea, quae in fundatione monasterii Aulae regiae admiranda complevit opera, in praesenti opusculo meo converto. 2) Arch. f. österr. Gesch. LI, S. 465. 3) Ebdt. S. 466. 4) Ebendort. Der Beweis für die Verwerthung der Annal. Ottoc. (und der Annal. Bohemici) an einzelnen Stellen der K.-Chr. wird dann von Los. weiter S. 467 erbracht und anderes in den Anmerkungen zu Cap. II—VIII seiner Ausgabe erwähnt. 5) S. 40—50 in Fontes rer. Austriae VIII, Abtb. H.
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264 richtigung“ in Anm. 3 wiederholt. Man sieht aber leicht, daß hier der Abt nicht von einer Verlobung, sondern von der späteren (1279 er- folgten) Vermählung der Königskinder — er selbst schreibt dies ja erst etwa 1305/6 nieder — spricht (duxit-nupsit), und diesbezüglich ist die Angabe der Chronik völlig zutreffend. Was den sachlichen Werth der über König Ottokar handelnden sieben Capitel anbelangt, so fällt unser Urtheil doch etwas günstiger aus als jenes Loserths. Daß der Abt eines mächtigen, reich dotirten Klosters, dessen Beziehungen zur königlichen Familie die engsten waren, in einer Gründungsgeschichte seines Klosters über den einst weitberühmten Bater des Gründers, daß ein Mann, der wegen seiner Bildung und Gelehr- samkeit, gewiß auch nach eigener Neigung vom Königsaaler Convente zum Geschichtsschreiber berufen wurde, über die große Ottokarianische Epoche der Geschichte Böhmens und über die persönliche Art und Führung des Königs selbst nichts genaueres und besseres zu bieten wußte. als was Otto in den Darlegungen über König Ottokar thatsächlich geboten hat, ist freilich auf den ersten Blick auffallend. Aber eine Erklärung dafür — wenn auch nicht mehr — findet sich immerhin in dem Gange der böhmischen Culturentwicklung jener Tage und dem Stande der Geschichtschreibung in Böhmen gegeben. Die Epoche König Ottokars II., die Zeit der deutschen Städte gründung und bänerlichen Colonisation im Großen mit ihren weit- reichenden wirthschaftlichen und socialen, bald auch politischen und nationalen Folgen ist ebenso oft in gewisser Hinsicht überschätzt worden, wie es Historiker gab, die für die Thätigkeit und Bestrebungen des Königs das nöthige Verständniß nicht bewiesen haben.1) Gerade weil die Bewegung und der Umsturz auf materiellem Gebiete so weitreichend und tiefgehend waren und das öffentliche und private Streben in unge- wöhnlich hohem Grade in Anspruch nahmen, mußten zu jener Zeit ideale Zwecke in den Hintergrund treten. Dazu kam, daß die Tage friedlicher Entwicklung, der Ordnung und Gesetzmäßigkeit im Innern und des Ruhmes und Glanzes nach Außen auch unter Ottokar II. nur kurz be messen waren. Gleich nach seinem Tode folgten aber die schlimmsten Zeiten für Böhmen nach: Ueberzug seitens eines sieghaften Feindes, Bürgerkrieg und nationaler Streit, Mißwachs und Hungersnoth, endlich verheerende Krankheiten, denen — nach der verläßlichen Meldung böhmischer 1) Daß die objective Berichterstattung der Ottokarianischen Zeit die Bedeutung des Königs wohl erkannte, zeigt neuerdings L. Rott in der Czech. histor. Zeitschrift (český čas. hist.) II Prag 1896.
264 richtigung“ in Anm. 3 wiederholt. Man sieht aber leicht, daß hier der Abt nicht von einer Verlobung, sondern von der späteren (1279 er- folgten) Vermählung der Königskinder — er selbst schreibt dies ja erst etwa 1305/6 nieder — spricht (duxit-nupsit), und diesbezüglich ist die Angabe der Chronik völlig zutreffend. Was den sachlichen Werth der über König Ottokar handelnden sieben Capitel anbelangt, so fällt unser Urtheil doch etwas günstiger aus als jenes Loserths. Daß der Abt eines mächtigen, reich dotirten Klosters, dessen Beziehungen zur königlichen Familie die engsten waren, in einer Gründungsgeschichte seines Klosters über den einst weitberühmten Bater des Gründers, daß ein Mann, der wegen seiner Bildung und Gelehr- samkeit, gewiß auch nach eigener Neigung vom Königsaaler Convente zum Geschichtsschreiber berufen wurde, über die große Ottokarianische Epoche der Geschichte Böhmens und über die persönliche Art und Führung des Königs selbst nichts genaueres und besseres zu bieten wußte. als was Otto in den Darlegungen über König Ottokar thatsächlich geboten hat, ist freilich auf den ersten Blick auffallend. Aber eine Erklärung dafür — wenn auch nicht mehr — findet sich immerhin in dem Gange der böhmischen Culturentwicklung jener Tage und dem Stande der Geschichtschreibung in Böhmen gegeben. Die Epoche König Ottokars II., die Zeit der deutschen Städte gründung und bänerlichen Colonisation im Großen mit ihren weit- reichenden wirthschaftlichen und socialen, bald auch politischen und nationalen Folgen ist ebenso oft in gewisser Hinsicht überschätzt worden, wie es Historiker gab, die für die Thätigkeit und Bestrebungen des Königs das nöthige Verständniß nicht bewiesen haben.1) Gerade weil die Bewegung und der Umsturz auf materiellem Gebiete so weitreichend und tiefgehend waren und das öffentliche und private Streben in unge- wöhnlich hohem Grade in Anspruch nahmen, mußten zu jener Zeit ideale Zwecke in den Hintergrund treten. Dazu kam, daß die Tage friedlicher Entwicklung, der Ordnung und Gesetzmäßigkeit im Innern und des Ruhmes und Glanzes nach Außen auch unter Ottokar II. nur kurz be messen waren. Gleich nach seinem Tode folgten aber die schlimmsten Zeiten für Böhmen nach: Ueberzug seitens eines sieghaften Feindes, Bürgerkrieg und nationaler Streit, Mißwachs und Hungersnoth, endlich verheerende Krankheiten, denen — nach der verläßlichen Meldung böhmischer 1) Daß die objective Berichterstattung der Ottokarianischen Zeit die Bedeutung des Königs wohl erkannte, zeigt neuerdings L. Rott in der Czech. histor. Zeitschrift (český čas. hist.) II Prag 1896.
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265 und deutscher Zeitgenossen1) zahllose Menschenleben zum Opfer fielen. Da dauerten König Ottokars glückliche Tage wohl lang genug, um die Nachblüthe der deutschen höfischen Dichtung, des Minneliedes und höfischen Epos auf böhmischen Boden zu verpflanzen und ihnen eine gastliche Stätte zu sichern in manchem böhmischen Adelsschlosse und namentlich am Hofe des Königs Ottokar selbst,2) die deutsche Architektur und das Kunsthandwerk erhob sich in jenen Jahren in Böhmen zu reicher Bollendung.3) Aber es waren vor allem eben deutsche Dichter und Künstler, die zu Ottokars Zeit in Böhmen lebten und wirkten. Die Bedentung ihrer Thätigkeit trat, soweit es sich um heimische Nachbildung und selbstthätiges Schaffen handelte, auch auf diesen Gebieten erst später hervor. Andere, besonders aber wissenschastliche Bestrebungen lagen unter Ottokar uach allem noch immer schwer darnieder. Wenigstens das ge- lehrte Studium zu Prag, das während des Bürgerkrieges v. I. 1248 eingegangen war, erhob sich unter ihm nicht wieder und die historio- graphischen Leistungen zeigen einen Tiefstand, wie kaum noch einmal später in schlimmster Zeit. Nur sie sind hier für uns von besonderem Interesse. Was in den Tagen Ottokars für die Kenntniß ihrer doch so bedeutsamen Vorgänge in Böhmen geleistet wurde, besteht aus einer Schilderung der Erhebung Ottokars gegen seinen Vater König Wenzel I., 1248—1249,4) und aus zwei Reihen annalistischer Aufzeichnungen, die beide mit dem Todesjahre Ottokars schließen.5) Deren Verfasser sind zwar Angehörige des geistlichen Standes, aber Männer von geringer Bildung an sich und ohne eigent lichen politischen und historischen Sinn insbesondere. Ihre Meldungen 5) 1) Man vgl. u. a. auch die Notiz in den Colmarer Aunalen. J. F. Böhmer, Fontes rerum Germanicorum II. Stuttgart 1845, 18. 2) Man vgl. darüber die Aufsätze W. Toischers in diesen Mittheilungen Bd. 23, S. 311 ff., 26, S. 35 ff., 28, S. 232 ff., 30, S. 489 ff., und desselben Ver- fassers Uebersichtsartikel in Böhmen, Band II., S. 126 ff. in: Die österreichisch¬ ungarische Monarchie in Wort und Bild. 3) Vgl. bes. J. Neuwirth, Geschichte der christlichen Kunst in Böhmen bis zum Aussterben der Přemyslideu, Prag 1892, und die Aufsätze von Nenwirth und Chytil in dem genannten Sammelwerke, Die österr.-ungarische Monarchie in Wort und Bild. 4) Vergl. Fontes rerum Bohemicarum II 303 ff. Der Herausgeber nenut sie Annalen des Königs Wenzel; doch finden sich allgemeine Angaben nur S. 303—304 als Einleitung zur Geschichte der Vorfälle von 1248—1249, die S. 304—308 ausfüllt. Die Annales Bohemici, ebdt. S. 282—383 und die Annales Ottocariani ebdt. S. 308—335.
265 und deutscher Zeitgenossen1) zahllose Menschenleben zum Opfer fielen. Da dauerten König Ottokars glückliche Tage wohl lang genug, um die Nachblüthe der deutschen höfischen Dichtung, des Minneliedes und höfischen Epos auf böhmischen Boden zu verpflanzen und ihnen eine gastliche Stätte zu sichern in manchem böhmischen Adelsschlosse und namentlich am Hofe des Königs Ottokar selbst,2) die deutsche Architektur und das Kunsthandwerk erhob sich in jenen Jahren in Böhmen zu reicher Bollendung.3) Aber es waren vor allem eben deutsche Dichter und Künstler, die zu Ottokars Zeit in Böhmen lebten und wirkten. Die Bedentung ihrer Thätigkeit trat, soweit es sich um heimische Nachbildung und selbstthätiges Schaffen handelte, auch auf diesen Gebieten erst später hervor. Andere, besonders aber wissenschastliche Bestrebungen lagen unter Ottokar uach allem noch immer schwer darnieder. Wenigstens das ge- lehrte Studium zu Prag, das während des Bürgerkrieges v. I. 1248 eingegangen war, erhob sich unter ihm nicht wieder und die historio- graphischen Leistungen zeigen einen Tiefstand, wie kaum noch einmal später in schlimmster Zeit. Nur sie sind hier für uns von besonderem Interesse. Was in den Tagen Ottokars für die Kenntniß ihrer doch so bedeutsamen Vorgänge in Böhmen geleistet wurde, besteht aus einer Schilderung der Erhebung Ottokars gegen seinen Vater König Wenzel I., 1248—1249,4) und aus zwei Reihen annalistischer Aufzeichnungen, die beide mit dem Todesjahre Ottokars schließen.5) Deren Verfasser sind zwar Angehörige des geistlichen Standes, aber Männer von geringer Bildung an sich und ohne eigent lichen politischen und historischen Sinn insbesondere. Ihre Meldungen 5) 1) Man vgl. u. a. auch die Notiz in den Colmarer Aunalen. J. F. Böhmer, Fontes rerum Germanicorum II. Stuttgart 1845, 18. 2) Man vgl. darüber die Aufsätze W. Toischers in diesen Mittheilungen Bd. 23, S. 311 ff., 26, S. 35 ff., 28, S. 232 ff., 30, S. 489 ff., und desselben Ver- fassers Uebersichtsartikel in Böhmen, Band II., S. 126 ff. in: Die österreichisch¬ ungarische Monarchie in Wort und Bild. 3) Vgl. bes. J. Neuwirth, Geschichte der christlichen Kunst in Böhmen bis zum Aussterben der Přemyslideu, Prag 1892, und die Aufsätze von Nenwirth und Chytil in dem genannten Sammelwerke, Die österr.-ungarische Monarchie in Wort und Bild. 4) Vergl. Fontes rerum Bohemicarum II 303 ff. Der Herausgeber nenut sie Annalen des Königs Wenzel; doch finden sich allgemeine Angaben nur S. 303—304 als Einleitung zur Geschichte der Vorfälle von 1248—1249, die S. 304—308 ausfüllt. Die Annales Bohemici, ebdt. S. 282—383 und die Annales Ottocariani ebdt. S. 308—335.
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266 — entbehren jedes inneren Zusammenhanges. Die Darstellungsform läßt zumeist vieles zu wünschen übrig.1) Noch übler ist es mit der mährischen Geschichtschreibung jener Tage bestellt: wir haben nur das Chronicon Zdiarense Heinrichs von Heimburg2) und dessen kurze Notizen in seinen böhmischen Annalen. Wie wenig die Saarer Chronik die allgemeinen Vorkommnisse und deren Zusammenhang berücksichtigt, ist längst von anderer Seite hervorgehoben worden.3) Dazu gedenkt eine Handschrift des Pulkawa, die sich im Brünner Landesarchiv findet, noch der „Gesta Moraworum“ für diese Zeit.4) Sie sind jedoch verloren. Wer demnach, und sei es auch nur ein Menschenalter später, wie dies bei Otto von Königsaal der Fall war, die Geschichte der Ottokaria nischen Zeit — nach den heimischen Quellen — schreiben wollte, der war übel genug daran. Ihm blieb, neben den Chroniken, nur ein gewisses urkundliches Materiale und die Tradition. Nicht nur für die Zeiten der großen Hungersnoth 1280—1282,5) sondern auch noch für die Ereignisse der Jahre 1287—1290 beruft sich Otto wesentlich auf die Volksüber lieferung.6) Um so weniger kann er für die Zeiten König Ottokars (1253—1278) etwa als Angens und Ohrenzeuge in Betracht konmen. Wir kommen zunächst auf die Frage zurück, ob Abt Otto für die Zeit Ottokars an schriftlichen Quellen uur die Annales Ottocariani gebraucht hat, ihnen „die Geschichte Ottokars entlehnte".7) Daß dem nicht so ist, darüber spricht sich Otto gelegentlich wenigstens indirect aus: Wie oft dieser König (Ottokar) aber im Kampje gesiegt und ruhmvoll nach Hause zurückgekehrt, das „mögen diejenigen darlegen, welche über seine Helden- thaten auf Grund genauer Forschung Geschichtswerke verfaßt und solche, des Wissens der Nachkommenden werth, in verschiedenen 1) Ich handle darüber demnächst noch besonders. Was in letzter Zeit (Čas. matice Moravské, Bd. 17 u. 18, Brünn 1893 und 94) I. Pekař über die Annales Ottocariani vorgebracht hat, ist unzulänglich. 2) Font. rer. Bohemicarum II, 521 ff. 3) Ebendort III, Prag 1882, S. 313—317 (Beginn). 4) Vgl. Fontes rerum Bohemicarum V, Prag 1893, S. 164, Anm. und dazu die Einleitung Jos. Emlers ebdt. XV—XVI. Vgl. übrigens noch unten zu Cap. VIII der Königsaaler Chronik. 5) Cap. XII, prout a senibus didici. 6) Cap. XXI und XXIV. 7) Loserth in Font. rer. Austriac. I. Abth. VIII, S. 40, Anm 1.
266 — entbehren jedes inneren Zusammenhanges. Die Darstellungsform läßt zumeist vieles zu wünschen übrig.1) Noch übler ist es mit der mährischen Geschichtschreibung jener Tage bestellt: wir haben nur das Chronicon Zdiarense Heinrichs von Heimburg2) und dessen kurze Notizen in seinen böhmischen Annalen. Wie wenig die Saarer Chronik die allgemeinen Vorkommnisse und deren Zusammenhang berücksichtigt, ist längst von anderer Seite hervorgehoben worden.3) Dazu gedenkt eine Handschrift des Pulkawa, die sich im Brünner Landesarchiv findet, noch der „Gesta Moraworum“ für diese Zeit.4) Sie sind jedoch verloren. Wer demnach, und sei es auch nur ein Menschenalter später, wie dies bei Otto von Königsaal der Fall war, die Geschichte der Ottokaria nischen Zeit — nach den heimischen Quellen — schreiben wollte, der war übel genug daran. Ihm blieb, neben den Chroniken, nur ein gewisses urkundliches Materiale und die Tradition. Nicht nur für die Zeiten der großen Hungersnoth 1280—1282,5) sondern auch noch für die Ereignisse der Jahre 1287—1290 beruft sich Otto wesentlich auf die Volksüber lieferung.6) Um so weniger kann er für die Zeiten König Ottokars (1253—1278) etwa als Angens und Ohrenzeuge in Betracht konmen. Wir kommen zunächst auf die Frage zurück, ob Abt Otto für die Zeit Ottokars an schriftlichen Quellen uur die Annales Ottocariani gebraucht hat, ihnen „die Geschichte Ottokars entlehnte".7) Daß dem nicht so ist, darüber spricht sich Otto gelegentlich wenigstens indirect aus: Wie oft dieser König (Ottokar) aber im Kampje gesiegt und ruhmvoll nach Hause zurückgekehrt, das „mögen diejenigen darlegen, welche über seine Helden- thaten auf Grund genauer Forschung Geschichtswerke verfaßt und solche, des Wissens der Nachkommenden werth, in verschiedenen 1) Ich handle darüber demnächst noch besonders. Was in letzter Zeit (Čas. matice Moravské, Bd. 17 u. 18, Brünn 1893 und 94) I. Pekař über die Annales Ottocariani vorgebracht hat, ist unzulänglich. 2) Font. rer. Bohemicarum II, 521 ff. 3) Ebendort III, Prag 1882, S. 313—317 (Beginn). 4) Vgl. Fontes rerum Bohemicarum V, Prag 1893, S. 164, Anm. und dazu die Einleitung Jos. Emlers ebdt. XV—XVI. Vgl. übrigens noch unten zu Cap. VIII der Königsaaler Chronik. 5) Cap. XII, prout a senibus didici. 6) Cap. XXI und XXIV. 7) Loserth in Font. rer. Austriac. I. Abth. VIII, S. 40, Anm 1.
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267 Bänden hinterlassen haben.“1) Es wäre doch merkwürdig, wenn Otto Chroniken über König Ottokar gekannt und sie, obwohl er für sein eigenes Werk verläßlicher Meldungen bedurfte, nicht gebraucht hätte. Eine zuverläßlichere Antwort, als die obigen Worte Ottos, erhalten wir aber auf unsere Frage aus einer Prüfung des Inhaltes der Capitel II—VIII, wobei noch weiter zu beachten sein wird, in wie weit selbst dort, wo sich die Annales Ottocariani (genauer die Annal. Ottoc. oder die Annales Bohemici) als Quellen Ottos erkennen lassen, dieser seine Vorlage ungeändert gelassen oder sie bearbeitet hat. Gleich in Cap. II stammt die irrige Angabe, daß Ottokar das Turnierwesen in Böhmen einführte, wie gelegentlich oben berührt wurde, nicht aus den Annal. Ottoc. Das Capitel beginnt ganz legendenhaft: „Es war einmal in dem Königreiche Böhmen ein mächtiger und tüchtiger Herrscher, Ottokar mit Namen, der von der Zeit seines Jünglingsalters an sich mannhaft benahm und seinen edlen wahrhaft königlichen Sinn allenthalben werkthätig und glanzvoll offenbarte.“ Eine lange Reihe vor- trefflicher Eigenschaften wird nun dem Könige nachgerühmt. Die Chronik Ottos deckt sich hier genauer als sonst einmal mit ihrer Vorlage, den Annal. Ottoc. ad a. 1278.2) Aus gutem Grunde. Die Annalen enthalten hier eben für den gefallenen König einen Nachruf, der sich natürlich bemüht, allen hervorragenden Eigenschaften und Verdiensten des Todten gerecht zu werden. Aber, sehr bezeichnend, auch die rückhaltlose Anerkennung in der Todtenklage genügt dem Verfasser der Legende noch nicht: ihm ist Ottokar auch „regni sui incolis de pace providere satagens“, der Friedliebende, was zu Ottokars zahlreichen Fehden und Kämpfen sehr schlecht stimmt, serner der Civilisator seines bis dahin rohen Volkes und darin ihr Muster und Vorbild,3) beides gewiß allseitige Uebertreibung. 1) Cap. IV : luculenter insinuant, qui de suis gestis fortibus ex certa scientia cronica conscripserunt et in diversis voluminibus digne recolenda ea posteris reliquerunt. Loserth citirt zu diesen Worten als Quelle Annal. Ottocar. ad a. 1278 (Font. r. Boh. II 335) „eius facta melius et verius explananda posteris relinquo“. Es sind die Worte des (1278) gleichzeitigen Annalisten, die mit dem, was 1305 und später dem Abte von Königsaal vorlag, nichts zu thun haben können. 2) Font. rer. Bohem. II, 334, 335. 3) Gentis Bohemicae, quae adhuc bestialibus vegetabatur moribus, ruditatem quibusdam urbanitatis regulis illustravit, se ipsum exemplum vivendi ceteris constituens et exemplar. Ist dies Erinnerung an die bekannte Stelle des Cosmas, oder Tradition oder legendarer Uebereifer?
267 Bänden hinterlassen haben.“1) Es wäre doch merkwürdig, wenn Otto Chroniken über König Ottokar gekannt und sie, obwohl er für sein eigenes Werk verläßlicher Meldungen bedurfte, nicht gebraucht hätte. Eine zuverläßlichere Antwort, als die obigen Worte Ottos, erhalten wir aber auf unsere Frage aus einer Prüfung des Inhaltes der Capitel II—VIII, wobei noch weiter zu beachten sein wird, in wie weit selbst dort, wo sich die Annales Ottocariani (genauer die Annal. Ottoc. oder die Annales Bohemici) als Quellen Ottos erkennen lassen, dieser seine Vorlage ungeändert gelassen oder sie bearbeitet hat. Gleich in Cap. II stammt die irrige Angabe, daß Ottokar das Turnierwesen in Böhmen einführte, wie gelegentlich oben berührt wurde, nicht aus den Annal. Ottoc. Das Capitel beginnt ganz legendenhaft: „Es war einmal in dem Königreiche Böhmen ein mächtiger und tüchtiger Herrscher, Ottokar mit Namen, der von der Zeit seines Jünglingsalters an sich mannhaft benahm und seinen edlen wahrhaft königlichen Sinn allenthalben werkthätig und glanzvoll offenbarte.“ Eine lange Reihe vor- trefflicher Eigenschaften wird nun dem Könige nachgerühmt. Die Chronik Ottos deckt sich hier genauer als sonst einmal mit ihrer Vorlage, den Annal. Ottoc. ad a. 1278.2) Aus gutem Grunde. Die Annalen enthalten hier eben für den gefallenen König einen Nachruf, der sich natürlich bemüht, allen hervorragenden Eigenschaften und Verdiensten des Todten gerecht zu werden. Aber, sehr bezeichnend, auch die rückhaltlose Anerkennung in der Todtenklage genügt dem Verfasser der Legende noch nicht: ihm ist Ottokar auch „regni sui incolis de pace providere satagens“, der Friedliebende, was zu Ottokars zahlreichen Fehden und Kämpfen sehr schlecht stimmt, serner der Civilisator seines bis dahin rohen Volkes und darin ihr Muster und Vorbild,3) beides gewiß allseitige Uebertreibung. 1) Cap. IV : luculenter insinuant, qui de suis gestis fortibus ex certa scientia cronica conscripserunt et in diversis voluminibus digne recolenda ea posteris reliquerunt. Loserth citirt zu diesen Worten als Quelle Annal. Ottocar. ad a. 1278 (Font. r. Boh. II 335) „eius facta melius et verius explananda posteris relinquo“. Es sind die Worte des (1278) gleichzeitigen Annalisten, die mit dem, was 1305 und später dem Abte von Königsaal vorlag, nichts zu thun haben können. 2) Font. rer. Bohem. II, 334, 335. 3) Gentis Bohemicae, quae adhuc bestialibus vegetabatur moribus, ruditatem quibusdam urbanitatis regulis illustravit, se ipsum exemplum vivendi ceteris constituens et exemplar. Ist dies Erinnerung an die bekannte Stelle des Cosmas, oder Tradition oder legendarer Uebereifer?
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268 Entbehrt hier die Uebereinstimmung zwischen den Annalen und der Chronik nicht ihres besonderen Grundes, so wird sich leicht zeigen lassen, daß sie anderswo uur auf einzelnen Redewendungen beruht und der Haupt- inhalt der Erzählung anderswoher genommen ist. So bieten die Annalen1) für Cap. III der Königsaaler Chronik höchstens in dem, was über das Gedeihen der Kirche in Böhmen zu seiner Zeit und seine Freigebigkeit gegen sie betrifft, eine Stütze.2) Formell stimmen beide mit feinen Worte überein. Für den übrigen Inhalt des Cap. III. dessen Meldung über die Gründung von Goldenkron, suchen wir überhaupt jede Angabe in den beiden Aunalenwerken umsonst. Die Angaben sind so allgemeiner Natur, daß wir ihre Kenntniß bei dem Königsaaler Abte voraussetzen dürfen, ohne eine besondere schriftliche Quelle annehmen zu müssen. Aber sie gehen vielfach wieder entschieden sehl: was hier von des Königs Friedensliebe gesagt wird, ist angesichts seiner Kämpfe 1252—1253, 1254, 1257, 1259, 1260, 1266, 1267, 1270—1272, 1273, 1274, 1275, 1276—1278 ebenso irrig, wie die Angaben über reichen Erntesegen und sonstiges Gedeihen. Gerade darin bezeugen uns die Annalenwerke, namentlich die Annales Bohemici, die solchen Dingen ein besonderes Augemnuerk widmen, vielfach ansdrücklich das Gegentheil. Cap. IV bringt ebenfalls in einer Angabe eine Anlehnung an die Annal. Ottoc. Bohem., die also denselben entstammen könnte. Annal. Ottocar. ad a. 1276: Chron. Aulae reg. cap. IV: (Nobiles Austriae) dominam suam Mihi (terrae) datae sunt in dote Margaretam legalibus intervenien- ratione matrimonii contracti cum tibus dotaliciis eidem pro conjuge Margareta . . . desponsaverunt . . . .3) Weit ist es aber mit dieser Aehnlichkeit nicht her, zumal sich die Angabe der Annalen in völlig anderem Zusammenhange findet. Man köunte vielmehr mit größerem Rechte auf die Contin. Garstensis4) ad a. 1252 und 1253 (recte 1251 und 1252) hinweisen, die wie die Königsaaler Chronik das Erbrecht der Margareta von Oesterreich nach ihrem Bruder Herzog Friedrich hervorhebt und wie jene die Verhandlungen betont, durch die sich Ottokar in den Besitz der Länder Desterreich und Steier 1) Vgl. Fontes rer. Bohem. 1. c. p. 335. 2) Von Loserth nicht besonders vermerkt. 3) Auch diese Stelle ist bei Loj. uicht bemerkt. 4) Bei Pertz, Mon. Germ. Histor., Script. IX. 599—600.
268 Entbehrt hier die Uebereinstimmung zwischen den Annalen und der Chronik nicht ihres besonderen Grundes, so wird sich leicht zeigen lassen, daß sie anderswo uur auf einzelnen Redewendungen beruht und der Haupt- inhalt der Erzählung anderswoher genommen ist. So bieten die Annalen1) für Cap. III der Königsaaler Chronik höchstens in dem, was über das Gedeihen der Kirche in Böhmen zu seiner Zeit und seine Freigebigkeit gegen sie betrifft, eine Stütze.2) Formell stimmen beide mit feinen Worte überein. Für den übrigen Inhalt des Cap. III. dessen Meldung über die Gründung von Goldenkron, suchen wir überhaupt jede Angabe in den beiden Aunalenwerken umsonst. Die Angaben sind so allgemeiner Natur, daß wir ihre Kenntniß bei dem Königsaaler Abte voraussetzen dürfen, ohne eine besondere schriftliche Quelle annehmen zu müssen. Aber sie gehen vielfach wieder entschieden sehl: was hier von des Königs Friedensliebe gesagt wird, ist angesichts seiner Kämpfe 1252—1253, 1254, 1257, 1259, 1260, 1266, 1267, 1270—1272, 1273, 1274, 1275, 1276—1278 ebenso irrig, wie die Angaben über reichen Erntesegen und sonstiges Gedeihen. Gerade darin bezeugen uns die Annalenwerke, namentlich die Annales Bohemici, die solchen Dingen ein besonderes Augemnuerk widmen, vielfach ansdrücklich das Gegentheil. Cap. IV bringt ebenfalls in einer Angabe eine Anlehnung an die Annal. Ottoc. Bohem., die also denselben entstammen könnte. Annal. Ottocar. ad a. 1276: Chron. Aulae reg. cap. IV: (Nobiles Austriae) dominam suam Mihi (terrae) datae sunt in dote Margaretam legalibus intervenien- ratione matrimonii contracti cum tibus dotaliciis eidem pro conjuge Margareta . . . desponsaverunt . . . .3) Weit ist es aber mit dieser Aehnlichkeit nicht her, zumal sich die Angabe der Annalen in völlig anderem Zusammenhange findet. Man köunte vielmehr mit größerem Rechte auf die Contin. Garstensis4) ad a. 1252 und 1253 (recte 1251 und 1252) hinweisen, die wie die Königsaaler Chronik das Erbrecht der Margareta von Oesterreich nach ihrem Bruder Herzog Friedrich hervorhebt und wie jene die Verhandlungen betont, durch die sich Ottokar in den Besitz der Länder Desterreich und Steier 1) Vgl. Fontes rer. Bohem. 1. c. p. 335. 2) Von Loserth nicht besonders vermerkt. 3) Auch diese Stelle ist bei Loj. uicht bemerkt. 4) Bei Pertz, Mon. Germ. Histor., Script. IX. 599—600.
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269 — setzte.1) Wir haben übrigens auf diese Stelle der Königsaaler Chronik, da sie in directem Gegensatze steht zu den Angaben derselben in Cap. VII, wo jedes Erbrecht der Margareta und überhaupt nach Herzog Friedrich geleugnet wird, noch zurückzukommen. An die Meldung von der Vermählung Ottokars mit Margareta von Oesterreich und die dazu gehörigen Verse (Cap. IV, Font. r. Aust. 43, Z. 2 v. o.) schloß jich ursprünglich sofort Cap. V an. Inhaltlich und formell ist dies auch jetzt noch der Fall: Nuptiarum autem, begiunt Cap. V. solemniis debita celebritate peractis, domina Margareta per annos plurimos cum rege mansit, sed sterilitatis humiliata opprobrio liberos, qui sibi in regno succederent, habere nequivit.“ Schon daß die zweite Hälfte des Cap. IV einen eigenen Titel trägt: „De Karinthia“, was sonst in der ganzen Chronik (Antheil Otto's) nicht wieder vorkommt, kennzeichnet sie als spätere Zuthat, die formell durch die Vorkommnisse der Jahre 1307 ff. in Böhmen veranlaßt sein mag, übrigens aber nur den Thatsachen Rechnung trug. Als Quelle citirt hier Loserth zunächst Annal. Ottoc. (soll heißen Bohemici oder Cont. Cosmae) bei Pertz, MGH IX, 182.30 (= Font. rer. Bohem. II 310). Dort werden — in einer Erzählung zum Jahre 1259/60 genannt — als Gegner des Ungarkönigs „illustris Karinthiae dux et frater eiusdem Philippus, quondam Salburgensis electus, dicti regis Bohemiae consobrini“. Vergleicht man aber die Angaben des Abtes von Königsaal mit jenen der Contin. Vindobon. ad a. 1269 und 1275,2) so sieht man, daß die Uebereinstimmung beider weiter geht, als jener der Königsaaler Chronik und der Annal. Bohem. Contin. Vindob. ad a. 1269 u. 1275 Königsaaler Chronik Cap. IV: Eodem anno (1269) Phylippus, Interea ducatui Karinthiae Ulri- cus verus heres praefuit, qui regis frater ducis Korinthie (pa- Ottacari consanquineus fuit. Hic triarcha Aquilog.) postulatur. — fratrem quemdam nomine 1275: Phylippus heres Ko- Philippum habuit, qui primo qui- rinthie quondam electus dem Salzburgensi pontifi- Salzpurgensis, deinde catui praefuit, postea vero pro- Aquilogie in patriarcham postulatus, sed propter in- motus per Ottacarum regem 1) Ebendort ad a 1251: Sapienter et blande (filius regis Boemie) muneribus et promissis nobiles ordinavit. — Ad a. 1252: Margareta . . . jus suum sibi (Ottocaro) tribuit. 2) Pertz, MGH, Script. IX 703 und 706.
269 — setzte.1) Wir haben übrigens auf diese Stelle der Königsaaler Chronik, da sie in directem Gegensatze steht zu den Angaben derselben in Cap. VII, wo jedes Erbrecht der Margareta und überhaupt nach Herzog Friedrich geleugnet wird, noch zurückzukommen. An die Meldung von der Vermählung Ottokars mit Margareta von Oesterreich und die dazu gehörigen Verse (Cap. IV, Font. r. Aust. 43, Z. 2 v. o.) schloß jich ursprünglich sofort Cap. V an. Inhaltlich und formell ist dies auch jetzt noch der Fall: Nuptiarum autem, begiunt Cap. V. solemniis debita celebritate peractis, domina Margareta per annos plurimos cum rege mansit, sed sterilitatis humiliata opprobrio liberos, qui sibi in regno succederent, habere nequivit.“ Schon daß die zweite Hälfte des Cap. IV einen eigenen Titel trägt: „De Karinthia“, was sonst in der ganzen Chronik (Antheil Otto's) nicht wieder vorkommt, kennzeichnet sie als spätere Zuthat, die formell durch die Vorkommnisse der Jahre 1307 ff. in Böhmen veranlaßt sein mag, übrigens aber nur den Thatsachen Rechnung trug. Als Quelle citirt hier Loserth zunächst Annal. Ottoc. (soll heißen Bohemici oder Cont. Cosmae) bei Pertz, MGH IX, 182.30 (= Font. rer. Bohem. II 310). Dort werden — in einer Erzählung zum Jahre 1259/60 genannt — als Gegner des Ungarkönigs „illustris Karinthiae dux et frater eiusdem Philippus, quondam Salburgensis electus, dicti regis Bohemiae consobrini“. Vergleicht man aber die Angaben des Abtes von Königsaal mit jenen der Contin. Vindobon. ad a. 1269 und 1275,2) so sieht man, daß die Uebereinstimmung beider weiter geht, als jener der Königsaaler Chronik und der Annal. Bohem. Contin. Vindob. ad a. 1269 u. 1275 Königsaaler Chronik Cap. IV: Eodem anno (1269) Phylippus, Interea ducatui Karinthiae Ulri- cus verus heres praefuit, qui regis frater ducis Korinthie (pa- Ottacari consanquineus fuit. Hic triarcha Aquilog.) postulatur. — fratrem quemdam nomine 1275: Phylippus heres Ko- Philippum habuit, qui primo qui- rinthie quondam electus dem Salzburgensi pontifi- Salzpurgensis, deinde catui praefuit, postea vero pro- Aquilogie in patriarcham postulatus, sed propter in- motus per Ottacarum regem 1) Ebendort ad a 1251: Sapienter et blande (filius regis Boemie) muneribus et promissis nobiles ordinavit. — Ad a. 1252: Margareta . . . jus suum sibi (Ottocaro) tribuit. 2) Pertz, MGH, Script. IX 703 und 706.
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270 constantiam utraque praero- gativa privatus. Aquilegiensis patriarcha- tus culmen ascendit. Profi- cit iste parum, res dissipat ecclesiarum etc. Beachtenswerth ist, daß Otto von Königsaal hier mehr weiß als beide Quellen. Er kennzeichnet in den Versen und zwar zutreffend das verderbliche Regiment Philipps in Salzburg und hebt die Verwendung König Ottokars für Philipp nach der Erledigung des Patriarchates Aquileja 1268/9 hervor. Wir wissen davon mir aus der Correspondenz beider Fürsten. 1) Aber auch die Verschreibung Kärntens und aller Sponheimischen Besitzungen an König Ottokar und seine Bestellung zum Generalcapitän der Kirche von Aquileja werden von Otto in einer Weise erzählt, daß wir als seine Quelle eben die bezüglichen Urkunden annehmen dürfen.2 In einer derselben hat er auch den vollen Titel Ottokars „von Gottes Gnaden König von Böhmen, Markgraf von Mähren, Herzog von Oesterreich, Steier, Kärnten und Krain, Herr der Mark, von Eger und Portenaus gefunden. Ueberdies weiß der Abt von Königsaal von einer Geldzahlung Ottokars an Herzog Ulrich, die sich sonst nirgends erwähnt findet, aber nach dem Stande der Sache und bei der bekannten Geldnoth Herzog Ulrichs ganz glaubwürdig ist. Dagegen sind ihm Ottokars Kämpfe zur Gewinnung des Landes völlig unbekannt geblieben. Er schließt auf die Haltung der kärntnischen und krainischen Erben offenbar nur aus den Zeugenreihen der ihm vorliegenden Urkunden. — Ueber Inhalt und An- ordnung des Schlusses dieses Capitels wurde in anderem Zusammenhange gesprochen.3) So wenig und weniger noch als bei Cap. III und IV kann bei Cap. V von den böhmischen Annalenwerken als der Quelle für die Dar- stellung des Abtes von Königsaal gesprochen werden, man müßte denn auf den Schlußpassus dieses Capitels „flebili consumato divortio regina non reditura in Austriam relegatur“ und die Angabe der Annal. Bohemici ad a. 1261,4) „Regina Margareta exivit de Bohemia versus Austriam“ besonderes Gewicht legen. Die eine wie die andere Fassung dieser Angabe ist bekanntlich unrichtig. Im Uebrigen lassen sich für 1) Emler, Regesten II 257, n. 663. Auch jein „consanguineus“ hat Abt Otto viel eher aus der Ansprache Herzog Ulrichs an König Ottokar: consanguineo n. carissimo entnommen als aus den „consobrinus“ der Annal. Bohemici. 2) In den Annal. Bohem. und Ottocar. findet sich über diese Diuge gar nichts. 3) Vergl. diese Mittheilungen Bd. XXXIV, S. 8, Anm. 1. 4) Font. rer. Bohem. II 297.
270 constantiam utraque praero- gativa privatus. Aquilegiensis patriarcha- tus culmen ascendit. Profi- cit iste parum, res dissipat ecclesiarum etc. Beachtenswerth ist, daß Otto von Königsaal hier mehr weiß als beide Quellen. Er kennzeichnet in den Versen und zwar zutreffend das verderbliche Regiment Philipps in Salzburg und hebt die Verwendung König Ottokars für Philipp nach der Erledigung des Patriarchates Aquileja 1268/9 hervor. Wir wissen davon mir aus der Correspondenz beider Fürsten. 1) Aber auch die Verschreibung Kärntens und aller Sponheimischen Besitzungen an König Ottokar und seine Bestellung zum Generalcapitän der Kirche von Aquileja werden von Otto in einer Weise erzählt, daß wir als seine Quelle eben die bezüglichen Urkunden annehmen dürfen.2 In einer derselben hat er auch den vollen Titel Ottokars „von Gottes Gnaden König von Böhmen, Markgraf von Mähren, Herzog von Oesterreich, Steier, Kärnten und Krain, Herr der Mark, von Eger und Portenaus gefunden. Ueberdies weiß der Abt von Königsaal von einer Geldzahlung Ottokars an Herzog Ulrich, die sich sonst nirgends erwähnt findet, aber nach dem Stande der Sache und bei der bekannten Geldnoth Herzog Ulrichs ganz glaubwürdig ist. Dagegen sind ihm Ottokars Kämpfe zur Gewinnung des Landes völlig unbekannt geblieben. Er schließt auf die Haltung der kärntnischen und krainischen Erben offenbar nur aus den Zeugenreihen der ihm vorliegenden Urkunden. — Ueber Inhalt und An- ordnung des Schlusses dieses Capitels wurde in anderem Zusammenhange gesprochen.3) So wenig und weniger noch als bei Cap. III und IV kann bei Cap. V von den böhmischen Annalenwerken als der Quelle für die Dar- stellung des Abtes von Königsaal gesprochen werden, man müßte denn auf den Schlußpassus dieses Capitels „flebili consumato divortio regina non reditura in Austriam relegatur“ und die Angabe der Annal. Bohemici ad a. 1261,4) „Regina Margareta exivit de Bohemia versus Austriam“ besonderes Gewicht legen. Die eine wie die andere Fassung dieser Angabe ist bekanntlich unrichtig. Im Uebrigen lassen sich für 1) Emler, Regesten II 257, n. 663. Auch jein „consanguineus“ hat Abt Otto viel eher aus der Ansprache Herzog Ulrichs an König Ottokar: consanguineo n. carissimo entnommen als aus den „consobrinus“ der Annal. Bohemici. 2) In den Annal. Bohem. und Ottocar. findet sich über diese Diuge gar nichts. 3) Vergl. diese Mittheilungen Bd. XXXIV, S. 8, Anm. 1. 4) Font. rer. Bohem. II 297.
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271 Cap. V, in dem die Ehescheidung König Ottokars und der Königin Margaretha 1261 erzählt wird, überhaupt feinerlei besondere Quellen uachweisen. Das Capitel enthält aber auch uichts, was ein irgend ge- bildeter Berichterstatter, zumal wenn er ein Geistlicher war, nicht aus der Thatsache der Scheidung folgern konnte: die Einholung des Rathes seitens der Vertrauten des Königs ist ebenso natürlich wie die Mitwirkung der Bischöfe bei der Lösung der Ehe. Unsere Annahme wird fast zur Gewiß heit, wenn man sieht, daß Otto irrt, sowie er den Boden des Selbstver ständlichen verläßt: es gilt dies von seiner Angabe über die Zustimmung des Papstes noch vor der Durchführung des Ehescheidungsprocesses. Auch die Verse am Schlusse des Capitels enthalten uur Betrachtungen und Behauptungen allgemeiner Natur: die Unterthanen beklagen den Abgang der Königin, sowie sie Cap. VI die Aukunft der neuen Gemahlin König Ottokars, Kunigunde von Machow, freudig begrüßen. Beides ist natür- lich eigene Zuthat Ottos, das eine so unhistorisch wie das andere. Daß Otto sonst für Cap. VI. die Meldung über die zweite Vermählung König Ottokars aus den böhmischen Annalwerken nicht geschöpft hat, ist um so sicherer, als sich neben der Notiz der übrigens mit der Chronik von Königsaal nicht übereinstimmenden Annal. Bohem. (Font. II 297): O. duxit in uxorem Cunegundam, filiam Rostislai, ducis Bulgarorum in castello Ungariae, in ihnen über diese Thatsache selbst uichts findet. Otto hatte auch hier offenbar keine besondere Vorlage. Was ihm von Kunigundens Obeim, dem wüsten Stefan V. dämmert, der „nicht so sehr mit den Waffen wie durch die Heiligkeit der Sitten, um so glücklicher als gottwohlgefälliger sein Reich regiert“ und „klug und mächtig waltet", ist durchaus legendar und stellt seiner Kenntniß der ungarischen Geschichte selbst der jüngst vergangenen Zeit ein sehr schlechtes Zeugniß aus. Die in diesem Capitel noch nachfolgenden Angaben über die königliche Familie mußten jedem Zeitgenossen, der dafür irgend Interesse besaß, gelänfig sein. Capitel VII und VIII berichten über die Beziehungen und Kämpfe zwischen König Ottokar und Rudolf von Habsburg, dann über Ottokars Aus- gang. Was die Quellen für diese Capitel betrifft, so wird zu Cap. VII, Eingang, von einer Seite auf das Chronicon Colmariense hingewiesen.1) Uns scheint dies etwas gewagt. Man siehe uur 1) Fontes rer. Austriac. VIII. 47, Anm. 1.
271 Cap. V, in dem die Ehescheidung König Ottokars und der Königin Margaretha 1261 erzählt wird, überhaupt feinerlei besondere Quellen uachweisen. Das Capitel enthält aber auch uichts, was ein irgend ge- bildeter Berichterstatter, zumal wenn er ein Geistlicher war, nicht aus der Thatsache der Scheidung folgern konnte: die Einholung des Rathes seitens der Vertrauten des Königs ist ebenso natürlich wie die Mitwirkung der Bischöfe bei der Lösung der Ehe. Unsere Annahme wird fast zur Gewiß heit, wenn man sieht, daß Otto irrt, sowie er den Boden des Selbstver ständlichen verläßt: es gilt dies von seiner Angabe über die Zustimmung des Papstes noch vor der Durchführung des Ehescheidungsprocesses. Auch die Verse am Schlusse des Capitels enthalten uur Betrachtungen und Behauptungen allgemeiner Natur: die Unterthanen beklagen den Abgang der Königin, sowie sie Cap. VI die Aukunft der neuen Gemahlin König Ottokars, Kunigunde von Machow, freudig begrüßen. Beides ist natür- lich eigene Zuthat Ottos, das eine so unhistorisch wie das andere. Daß Otto sonst für Cap. VI. die Meldung über die zweite Vermählung König Ottokars aus den böhmischen Annalwerken nicht geschöpft hat, ist um so sicherer, als sich neben der Notiz der übrigens mit der Chronik von Königsaal nicht übereinstimmenden Annal. Bohem. (Font. II 297): O. duxit in uxorem Cunegundam, filiam Rostislai, ducis Bulgarorum in castello Ungariae, in ihnen über diese Thatsache selbst uichts findet. Otto hatte auch hier offenbar keine besondere Vorlage. Was ihm von Kunigundens Obeim, dem wüsten Stefan V. dämmert, der „nicht so sehr mit den Waffen wie durch die Heiligkeit der Sitten, um so glücklicher als gottwohlgefälliger sein Reich regiert“ und „klug und mächtig waltet", ist durchaus legendar und stellt seiner Kenntniß der ungarischen Geschichte selbst der jüngst vergangenen Zeit ein sehr schlechtes Zeugniß aus. Die in diesem Capitel noch nachfolgenden Angaben über die königliche Familie mußten jedem Zeitgenossen, der dafür irgend Interesse besaß, gelänfig sein. Capitel VII und VIII berichten über die Beziehungen und Kämpfe zwischen König Ottokar und Rudolf von Habsburg, dann über Ottokars Aus- gang. Was die Quellen für diese Capitel betrifft, so wird zu Cap. VII, Eingang, von einer Seite auf das Chronicon Colmariense hingewiesen.1) Uns scheint dies etwas gewagt. Man siehe uur 1) Fontes rer. Austriac. VIII. 47, Anm. 1.
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272 Chron. Aulae Regiae cap. VII: Eo tempore Romanum coepit va- care imperium, bona quoque im- perialia, multis ea hinc inde di- strahentibus, immane suscipiunt decrementum. Beide Stellen haben formell gar nichts gemeinsam, materiell nur die weitbekannte Thatsache, daß zur Zeit des Interregnums das Reichs- gut vielfach verloren ging. Anderseits genügt es uicht, auf einige latei- nische Ausdrücke und Wendungen aufmerksam zu machen, die hier der Abt von Königsaal mit den Annal. Ottoc. gemein hat,2) und die sich. wenn man nicht mehr begehrt, auch noch vermehren lassen. Bedeutsamer ist, daß während bei diesem Anlasse die Annal. Ottocar. von der kriege rischen Tüchtigkeit des Böhmenkönigs reden: (Rex autem Ottacarius), . . . cui audaciam dabat invicta soror fortunae 3) Bellona et felix bellorum successus, confidens potentiae suae affectansque semper bellare et praeliari —, hier Abt Otto über Ottokar nichts diesbezügliches sagt, dafür aber König Rudolf rühnt als „virum utique bellicosum et strenuum“. 4) Noch wichtiger ist, daß Otto sonst entschieden für Rudoli und die Heimforderung des Reichsgutes durch ihn Partei uinmt: „in tantum enim corda modernorum ambitionis nubilo obumbrata sunt, quod ea, quae manus maligna occupat, recuperari difficulter possint,“ und (Rudolfus) sibi quaerere quietem nescit, quoad usque invasores imperii debitae severitatis mucrone compescat. Die Erklärung dafür liegt darin, daß Otto nicht nach der höfischen Tradition über die Verhandlungen zwischen Ottokar und Rudolf (und dem Burg- grafen von Nürnberg) die Rückgabe der österreichischen Länder an dieser Stelle erzählt, was bei den Annal. Ottocar. und dem steirischen Reinichronisten der Fall ist und der er selbst im Cap. IV folgte, sondern uach einer an- dern schriftlichen Vorlage, dem Erforderungsbriefe König Rudolfs nach dem Speierer Hoftage. So konnte er sogar, im Gegensatze zu seiner frü- heren Auffassung von einem Erbrechte der Babenbergerin Margareta auh die Länder ihres Bruders, schreiben: Sed quia Fridericus dux Austriae Chron. Colmariense: 1) Post mortem imperatoris Fride- rici imperii res, quas quilibet dominorum poterat, confiscavit. 1) Bei J. F. Böhmer, Fontes rerum Germanicarum II, Stuttgart 1845, 46. 2) Vgl. Archiv LI. S. 467—468. Font. rer. Austriac. 1. Abth. VIII., S. 47, Anm. 2; S. 48, Anm. 1, 2, 3. 3) Soll heißen: „Fortunae." 4) Es heißt gleich darauf nochmals: Vir igitur strenuus Romano imperio non inconsulte praeficitur.
272 Chron. Aulae Regiae cap. VII: Eo tempore Romanum coepit va- care imperium, bona quoque im- perialia, multis ea hinc inde di- strahentibus, immane suscipiunt decrementum. Beide Stellen haben formell gar nichts gemeinsam, materiell nur die weitbekannte Thatsache, daß zur Zeit des Interregnums das Reichs- gut vielfach verloren ging. Anderseits genügt es uicht, auf einige latei- nische Ausdrücke und Wendungen aufmerksam zu machen, die hier der Abt von Königsaal mit den Annal. Ottoc. gemein hat,2) und die sich. wenn man nicht mehr begehrt, auch noch vermehren lassen. Bedeutsamer ist, daß während bei diesem Anlasse die Annal. Ottocar. von der kriege rischen Tüchtigkeit des Böhmenkönigs reden: (Rex autem Ottacarius), . . . cui audaciam dabat invicta soror fortunae 3) Bellona et felix bellorum successus, confidens potentiae suae affectansque semper bellare et praeliari —, hier Abt Otto über Ottokar nichts diesbezügliches sagt, dafür aber König Rudolf rühnt als „virum utique bellicosum et strenuum“. 4) Noch wichtiger ist, daß Otto sonst entschieden für Rudoli und die Heimforderung des Reichsgutes durch ihn Partei uinmt: „in tantum enim corda modernorum ambitionis nubilo obumbrata sunt, quod ea, quae manus maligna occupat, recuperari difficulter possint,“ und (Rudolfus) sibi quaerere quietem nescit, quoad usque invasores imperii debitae severitatis mucrone compescat. Die Erklärung dafür liegt darin, daß Otto nicht nach der höfischen Tradition über die Verhandlungen zwischen Ottokar und Rudolf (und dem Burg- grafen von Nürnberg) die Rückgabe der österreichischen Länder an dieser Stelle erzählt, was bei den Annal. Ottocar. und dem steirischen Reinichronisten der Fall ist und der er selbst im Cap. IV folgte, sondern uach einer an- dern schriftlichen Vorlage, dem Erforderungsbriefe König Rudolfs nach dem Speierer Hoftage. So konnte er sogar, im Gegensatze zu seiner frü- heren Auffassung von einem Erbrechte der Babenbergerin Margareta auh die Länder ihres Bruders, schreiben: Sed quia Fridericus dux Austriae Chron. Colmariense: 1) Post mortem imperatoris Fride- rici imperii res, quas quilibet dominorum poterat, confiscavit. 1) Bei J. F. Böhmer, Fontes rerum Germanicarum II, Stuttgart 1845, 46. 2) Vgl. Archiv LI. S. 467—468. Font. rer. Austriac. 1. Abth. VIII., S. 47, Anm. 2; S. 48, Anm. 1, 2, 3. 3) Soll heißen: „Fortunae." 4) Es heißt gleich darauf nochmals: Vir igitur strenuus Romano imperio non inconsulte praeficitur.
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et Ulricus dux Karinthiae sine heredibus jure naturali ipsis in terris suis successuris decesserant, Rudolfus rex regi Ottacaro nuncios litteris infirmatos direxit et ut sibi Austriam, quam tenuit, ceterasque terras, utpote ex decretis imperialibus ad impe- rium decolutas resignaret, — postulavit. Die 9Barteinafme 3Otto8 für König Rudolf wird man jid) aber aus veut Ginffujje ber Contin. Vindob. crflären dürfen, die Otto gefannt unb aud) benübt bat. Contiu. Vindob. ad a. 1276: !) Erzählt bie Hinrichtung der Boten Kudolis durch Ottofar, fogar einen Aujdhlag auf Nudolfs Leben. Dann heißt es: Prefatus rex Rudolfus contra eum collecto ingenti exer- citu multorum nobilium diversa- rum provinciarum in ... pervenit. Chron. Aulae Regiae, cap. VII: Rudolfus rex igitur furore reple- tas validum exercitum congrega- vit et addebellandum regem Bo- hemiae ... festinavit. Nod) beutfidjer tritt aber der Cinjlup der Contin. Viedobon. im x, Capitel hervor, während die Annal. Ottocar. hier wieder gänzlich ver- jagen und nur eine Wendung über den Kampf auf vem Marchfelde bei Jevenjpeugen an jie erinnert. Contin. Vindobon. ad a. 1277: %) Rex Bohemie Ottacarus ductus penitencia graviterque ferens in corde suo, regina quoque Boemie conjunx sua frequen- ter eum increpans, quod ter- ras predictas resignave- rat,...resignarerecusavit. Chron. Aulae Regiae, cap. VIII: Quoniam autem res facta huma- nis mentibus nonnunquam poe- nitentiam ingerit licet tardam, Ottacarus rex ... predic- tas terras se resignasse doluit et quorundam suo- rum animatus consilio ipsas recuperare... decrevit. Daß hier der Abt nur aus Schonung für die Mutter Wenzels II. jtatt ihrer „einige“ als die Urheber des unbeilvollen Entfichlujjes des Kb: nig$ bezeichnet, liegt anf der Han, Contin. Vindob. 1. c.: Itaque rex Boemie iterato collecto exercitu grandi Austriam intravit 1) Pers, MW. H. &., Script. IX. 707. 2) Ebendort p. 709. Man vergl. ferner: Chron. Aulae Regiae l. c.: Haec eo cogitante exercitus con- gregzatur et mox citra Danubium
et Ulricus dux Karinthiae sine heredibus jure naturali ipsis in terris suis successuris decesserant, Rudolfus rex regi Ottacaro nuncios litteris infirmatos direxit et ut sibi Austriam, quam tenuit, ceterasque terras, utpote ex decretis imperialibus ad impe- rium decolutas resignaret, — postulavit. Die 9Barteinafme 3Otto8 für König Rudolf wird man jid) aber aus veut Ginffujje ber Contin. Vindob. crflären dürfen, die Otto gefannt unb aud) benübt bat. Contiu. Vindob. ad a. 1276: !) Erzählt bie Hinrichtung der Boten Kudolis durch Ottofar, fogar einen Aujdhlag auf Nudolfs Leben. Dann heißt es: Prefatus rex Rudolfus contra eum collecto ingenti exer- citu multorum nobilium diversa- rum provinciarum in ... pervenit. Chron. Aulae Regiae, cap. VII: Rudolfus rex igitur furore reple- tas validum exercitum congrega- vit et addebellandum regem Bo- hemiae ... festinavit. Nod) beutfidjer tritt aber der Cinjlup der Contin. Viedobon. im x, Capitel hervor, während die Annal. Ottocar. hier wieder gänzlich ver- jagen und nur eine Wendung über den Kampf auf vem Marchfelde bei Jevenjpeugen an jie erinnert. Contin. Vindobon. ad a. 1277: %) Rex Bohemie Ottacarus ductus penitencia graviterque ferens in corde suo, regina quoque Boemie conjunx sua frequen- ter eum increpans, quod ter- ras predictas resignave- rat,...resignarerecusavit. Chron. Aulae Regiae, cap. VIII: Quoniam autem res facta huma- nis mentibus nonnunquam poe- nitentiam ingerit licet tardam, Ottacarus rex ... predic- tas terras se resignasse doluit et quorundam suo- rum animatus consilio ipsas recuperare... decrevit. Daß hier der Abt nur aus Schonung für die Mutter Wenzels II. jtatt ihrer „einige“ als die Urheber des unbeilvollen Entfichlujjes des Kb: nig$ bezeichnet, liegt anf der Han, Contin. Vindob. 1. c.: Itaque rex Boemie iterato collecto exercitu grandi Austriam intravit 1) Pers, MW. H. &., Script. IX. 707. 2) Ebendort p. 709. Man vergl. ferner: Chron. Aulae Regiae l. c.: Haec eo cogitante exercitus con- gregzatur et mox citra Danubium
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274 et .... Boemi Austriam diversis ducatus Austriae rapinis et in- rapinis, predis et incendiis vasta- cendiis devastatur. verunt. Ebendort: Ebendort: Et . . . totus exercitus Boemie Sed Boemi multi (quasi fures) superatus terga in fugam verte- fugae praesidium quaesiverunt et runt relicto rege suo solo. — Der regem suum in medio adversa- „viriliter cum paucis suis“ pug- riorum cum paucis viriliter pug- nans ist hier aber König Rudolf. nantem turpiter reliquerunt. Man vergl. auch Contin. Claustronesburg IV. ad a. 1278:1) Pug- nante rege Boemie plures de exercitu ejus, ut referebant, recesse- runt ab eo. Contin. Vindob. ad. a. 1278: 2) Chron. Aulae Regiae cap. VIII. Ipse autem rex Boemie inclitus Rex pugna lacessitus tandem ca- ab hostibus capitur, trahitur, per- pitur et captus contra honestatem cutitur, ab equo ejicitur ...nimium rei publicae cito jugulatur. fessus et per cervical lancea per- foratur... Dagegen sagen die Annales Ottacariani, an die sich die Erzählung der Königsaaler Chronik „anlehnen“ soll, 3) nur: De interitu autem regis Ottacari nihil certi dicere possumus, quia diversi diversa dicunt; et sic multis haesitantibus vulgo proclamatur, quod infra exercitus de- lituit et amplius non comparuit. Die Annalen wissen auch uichts von den weiteren Angaben der Königsaaler Chronik, der Klage König Rudolfs um den gefallenen Gegner, von dessen Beisetzung bei den Minoriten zu Znaim und der späteren Ueberführung der königlichen Leiche nach Böhmen, was aber Alles wieder seitens der österreichischen Annalisten gemeldet wird. Aber auch die verlorenen Gesta Moravorum haben (nach Pulkawa 1. c.) wenigstens einige dieser Nachrichten überliefert. Sie könnten das Mittel- glied zwischen der Chronik Ottos und den österreichischen Geschichtswerken gewesen sein. Doch ist mit solchen Möglichkeiten nichts gedient. Endlich weist auch hier die Angabe des Königsaaler Jahrbuches, der Tag der Schlacht sei zuvor vereinbart worden, auf die Benützung von Acten hin. 4) 1) Vgl. Pertz, M. G. H., Scriptor. p. 648. 2) Ebendort 710. 3) Font. rer. Austriac., I. Abth. VIII. S. 49, Anm. 1. 4) Bgl. F. J. Bodmann, Codex epistolaris Rudolfi I. regis, Lipsiae 1806, 91.
274 et .... Boemi Austriam diversis ducatus Austriae rapinis et in- rapinis, predis et incendiis vasta- cendiis devastatur. verunt. Ebendort: Ebendort: Et . . . totus exercitus Boemie Sed Boemi multi (quasi fures) superatus terga in fugam verte- fugae praesidium quaesiverunt et runt relicto rege suo solo. — Der regem suum in medio adversa- „viriliter cum paucis suis“ pug- riorum cum paucis viriliter pug- nans ist hier aber König Rudolf. nantem turpiter reliquerunt. Man vergl. auch Contin. Claustronesburg IV. ad a. 1278:1) Pug- nante rege Boemie plures de exercitu ejus, ut referebant, recesse- runt ab eo. Contin. Vindob. ad. a. 1278: 2) Chron. Aulae Regiae cap. VIII. Ipse autem rex Boemie inclitus Rex pugna lacessitus tandem ca- ab hostibus capitur, trahitur, per- pitur et captus contra honestatem cutitur, ab equo ejicitur ...nimium rei publicae cito jugulatur. fessus et per cervical lancea per- foratur... Dagegen sagen die Annales Ottacariani, an die sich die Erzählung der Königsaaler Chronik „anlehnen“ soll, 3) nur: De interitu autem regis Ottacari nihil certi dicere possumus, quia diversi diversa dicunt; et sic multis haesitantibus vulgo proclamatur, quod infra exercitus de- lituit et amplius non comparuit. Die Annalen wissen auch uichts von den weiteren Angaben der Königsaaler Chronik, der Klage König Rudolfs um den gefallenen Gegner, von dessen Beisetzung bei den Minoriten zu Znaim und der späteren Ueberführung der königlichen Leiche nach Böhmen, was aber Alles wieder seitens der österreichischen Annalisten gemeldet wird. Aber auch die verlorenen Gesta Moravorum haben (nach Pulkawa 1. c.) wenigstens einige dieser Nachrichten überliefert. Sie könnten das Mittel- glied zwischen der Chronik Ottos und den österreichischen Geschichtswerken gewesen sein. Doch ist mit solchen Möglichkeiten nichts gedient. Endlich weist auch hier die Angabe des Königsaaler Jahrbuches, der Tag der Schlacht sei zuvor vereinbart worden, auf die Benützung von Acten hin. 4) 1) Vgl. Pertz, M. G. H., Scriptor. p. 648. 2) Ebendort 710. 3) Font. rer. Austriac., I. Abth. VIII. S. 49, Anm. 1. 4) Bgl. F. J. Bodmann, Codex epistolaris Rudolfi I. regis, Lipsiae 1806, 91.
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275 — Sollen wir die Ergebnijse der obigen Untersuchungen zusammensassen, so ließe sich sagen: 1. Der legendare Charakter der Königsaaler Chronik bestimmt auch die Art der Verwerthung der Quellen für die Geschichte König Ottokars II. 2. Zu diesen Quellen zählen neben den böhmischen Annalen- werken auch mehrere der österreichischen Zeitbücher (oder doch eine auf Grund derselben gearbeitete „Mährische Geschichte“), dann auch urkundliches Materiale. 3. Was solche Quellen nicht unterstützen, läßt sich meist, aber nicht immer als eigene Zuthat des Verfassers erkennen. B. Die Königsaaler Chronik über die „schlimmen“ Jahre nach König Ottokars Tode. 1278—1283. Mit der Beendigung der Geschichte König Ottokars hatte Otto offen- bar die schwerste Arbeit hinter sich. Für die Schilderung der bösen Epoche nach der Dürnkruter Schlacht, den Zeiten der Vormundschaft Ottos von Brandenburg, standen ihm zwei ziemlich eingehende Berichte von Zeitge- nossen, von den Schlußnachrichten der Annales Ottacariani ganz abge sehen, zur Verfügung. Der eine Bericht ist freilich sehr einseitig. Er kümmert sich nahezu allein um die Prager Kirche und ihren neuen Leiter, den Bischof Thobias (von Bechin), dessen Eigenschaften und Wirken, Er-- hebung und Weihe er liebevoll darstellt. Für die Jahre 1280—1281 finden sich aber auch andere Dinge, die sonst insgemein die Chronisten in teressiren, Ernte und Wetter, namentlich Mißwachs und Ungewitter, der Krieg im Innern und die Beziehungen des Landes zu Otto von Bran- denburg in Kürze berücksichtigt. 1) Die zweite Erzählung ist umfänglicher und zieht auch die Vorgänge von 1282 und 1283 in den Kreis ihrer Betrachtung. Der Verfasser, wenn auch gleichfalls ein Mitglied des Prager Clerus, zeigt mehr politischen Sinn und historische Auffassung. Trotzdem thut seinen Angaben gegen- über Vorsicht in weit höherem Grade noth: er ist erfüllt von wildestem Deutschenhasse, der ihn zu den unsinnigsten Beschuldigungen und unver- schämtesten Aussprüchen verleitet. Aus Gründen, die hier nicht zu entwickeln sind, hatte sich damals zwischen dem aufstrebenden Deutschthum und gewissen Schichten der tschechischen Bevölferung ein scharfer Gegensatz aufgethan. Die ungerechte nnd von Gewinnsucht eingegebene Behandlung des Prager Domclerus 1) Vgl. Font. rer. Bohemicarum II. 335—343, bej. 339—343.
275 — Sollen wir die Ergebnijse der obigen Untersuchungen zusammensassen, so ließe sich sagen: 1. Der legendare Charakter der Königsaaler Chronik bestimmt auch die Art der Verwerthung der Quellen für die Geschichte König Ottokars II. 2. Zu diesen Quellen zählen neben den böhmischen Annalen- werken auch mehrere der österreichischen Zeitbücher (oder doch eine auf Grund derselben gearbeitete „Mährische Geschichte“), dann auch urkundliches Materiale. 3. Was solche Quellen nicht unterstützen, läßt sich meist, aber nicht immer als eigene Zuthat des Verfassers erkennen. B. Die Königsaaler Chronik über die „schlimmen“ Jahre nach König Ottokars Tode. 1278—1283. Mit der Beendigung der Geschichte König Ottokars hatte Otto offen- bar die schwerste Arbeit hinter sich. Für die Schilderung der bösen Epoche nach der Dürnkruter Schlacht, den Zeiten der Vormundschaft Ottos von Brandenburg, standen ihm zwei ziemlich eingehende Berichte von Zeitge- nossen, von den Schlußnachrichten der Annales Ottacariani ganz abge sehen, zur Verfügung. Der eine Bericht ist freilich sehr einseitig. Er kümmert sich nahezu allein um die Prager Kirche und ihren neuen Leiter, den Bischof Thobias (von Bechin), dessen Eigenschaften und Wirken, Er-- hebung und Weihe er liebevoll darstellt. Für die Jahre 1280—1281 finden sich aber auch andere Dinge, die sonst insgemein die Chronisten in teressiren, Ernte und Wetter, namentlich Mißwachs und Ungewitter, der Krieg im Innern und die Beziehungen des Landes zu Otto von Bran- denburg in Kürze berücksichtigt. 1) Die zweite Erzählung ist umfänglicher und zieht auch die Vorgänge von 1282 und 1283 in den Kreis ihrer Betrachtung. Der Verfasser, wenn auch gleichfalls ein Mitglied des Prager Clerus, zeigt mehr politischen Sinn und historische Auffassung. Trotzdem thut seinen Angaben gegen- über Vorsicht in weit höherem Grade noth: er ist erfüllt von wildestem Deutschenhasse, der ihn zu den unsinnigsten Beschuldigungen und unver- schämtesten Aussprüchen verleitet. Aus Gründen, die hier nicht zu entwickeln sind, hatte sich damals zwischen dem aufstrebenden Deutschthum und gewissen Schichten der tschechischen Bevölferung ein scharfer Gegensatz aufgethan. Die ungerechte nnd von Gewinnsucht eingegebene Behandlung des Prager Domclerus 1) Vgl. Font. rer. Bohemicarum II. 335—343, bej. 339—343.
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276 durch den königlichen Vormund und seine Leute hatte namentlich hier bitteren Haß gegen sie erzeugt. Der schlimmste, verbissenste Fanatiker in den Reihen der Domgeistlichkeit griff dann zur Feder, um uns die Vor- gänge dieser Tage zu beschreiben. 1) Es bedarf kaum der Erwähnung, daß den Abt Otto seine deutsche Abstammung und Gesinnung, sowie Rechtlichkeit und Klugheit vor den Untiefen bewahrte, die der gehässige Bericht wenn auch eines Standes genossen barg. Ihm standen für die Vorkommnisse dieser Zeit ja auch noch weitere Quellen zur Verfügung. Schon für das Jahr 1280—1281 beruft er sich auf die lebendige Tradition: prout a senibus didici.2 Sie diente ihm allseitig und verläßlich vor allem, wo es sich um die Schicksale der böhmischen Kirche zu jener Zeit und namentlich seines Ordens und des Mutterstiftes von Königsaal, Kloster Sedletz, handelte. Kein geringerer, als der treffliche Abt Heidenreich selbst, wird da sein Gewährsmann gewesen sein. 3) Endlich faßte jetzt ja der Verf. festen Fuß in seinem eigentlichen Stoffe, der legendaren Behandlung der Geschicke Wenzels II., dem er sich mit einer Art freudigen Ungestüm zuwendet. „Doch da ich einmal aus Liebe zu diesem Jüngling,“ sagt er Cap. XIV,*) „die vorliegende Arbeit unternommen habe, so wird es Zeit, daß ich mit Beiseitelassung aller Weitläufigkeiten mich nun in meiner Darstellung zu seinen eigenen Schicksalen hinwende, damit ich uicht, sorglich um das be- müht, was nicht eigentlich meine Aufgabe ist oder doch zu berühren we- niger nothwendig erscheint, allzu spät zu dem komme, was ich zu schildern verheißen habe.“ In der eingehenden Kennzeichnung und Beleuchtung der Art und des Gehabens des jungen Fürsten nach seiner Rückkehr in die Heimat, wobei trotz liebevollster Hervorhebung der Tugenden Wenzels doch auch seine Schwächen nicht verschwiegen werden, tritt diese Disposi- tion des Verfassers sofort hervor (Cap. XV). Die übrigen Capitel über diese Zeit lassen uns dort, wo Otto nach bekannten schriftlichen Vorlagen — zum ersten Male rein auszugsweise, darstellt, seine Arbeitsweise in er- wünschter Deutlichkeit erkennen: er erhebt sich durch Klarheit und Objectivi- tät, nicht nur dem Jnhalte, sondern auch der Form nach dabei über seine Vorgänger. 1) Ebendort S. 343—368. 2) Cap. XII, wo von der großen Theuerung und Hungersnoth in Böhmen ge handelt ist. 3) Man vergl. nur die Einzelheiten der Erzählung über die Heimsuchungen von Sedletz und Heidenreichs Erhebung und Thätigkeit im Cap. XIII. 4) Fontes rer. Austriac. VIII. 59.
276 durch den königlichen Vormund und seine Leute hatte namentlich hier bitteren Haß gegen sie erzeugt. Der schlimmste, verbissenste Fanatiker in den Reihen der Domgeistlichkeit griff dann zur Feder, um uns die Vor- gänge dieser Tage zu beschreiben. 1) Es bedarf kaum der Erwähnung, daß den Abt Otto seine deutsche Abstammung und Gesinnung, sowie Rechtlichkeit und Klugheit vor den Untiefen bewahrte, die der gehässige Bericht wenn auch eines Standes genossen barg. Ihm standen für die Vorkommnisse dieser Zeit ja auch noch weitere Quellen zur Verfügung. Schon für das Jahr 1280—1281 beruft er sich auf die lebendige Tradition: prout a senibus didici.2 Sie diente ihm allseitig und verläßlich vor allem, wo es sich um die Schicksale der böhmischen Kirche zu jener Zeit und namentlich seines Ordens und des Mutterstiftes von Königsaal, Kloster Sedletz, handelte. Kein geringerer, als der treffliche Abt Heidenreich selbst, wird da sein Gewährsmann gewesen sein. 3) Endlich faßte jetzt ja der Verf. festen Fuß in seinem eigentlichen Stoffe, der legendaren Behandlung der Geschicke Wenzels II., dem er sich mit einer Art freudigen Ungestüm zuwendet. „Doch da ich einmal aus Liebe zu diesem Jüngling,“ sagt er Cap. XIV,*) „die vorliegende Arbeit unternommen habe, so wird es Zeit, daß ich mit Beiseitelassung aller Weitläufigkeiten mich nun in meiner Darstellung zu seinen eigenen Schicksalen hinwende, damit ich uicht, sorglich um das be- müht, was nicht eigentlich meine Aufgabe ist oder doch zu berühren we- niger nothwendig erscheint, allzu spät zu dem komme, was ich zu schildern verheißen habe.“ In der eingehenden Kennzeichnung und Beleuchtung der Art und des Gehabens des jungen Fürsten nach seiner Rückkehr in die Heimat, wobei trotz liebevollster Hervorhebung der Tugenden Wenzels doch auch seine Schwächen nicht verschwiegen werden, tritt diese Disposi- tion des Verfassers sofort hervor (Cap. XV). Die übrigen Capitel über diese Zeit lassen uns dort, wo Otto nach bekannten schriftlichen Vorlagen — zum ersten Male rein auszugsweise, darstellt, seine Arbeitsweise in er- wünschter Deutlichkeit erkennen: er erhebt sich durch Klarheit und Objectivi- tät, nicht nur dem Jnhalte, sondern auch der Form nach dabei über seine Vorgänger. 1) Ebendort S. 343—368. 2) Cap. XII, wo von der großen Theuerung und Hungersnoth in Böhmen ge handelt ist. 3) Man vergl. nur die Einzelheiten der Erzählung über die Heimsuchungen von Sedletz und Heidenreichs Erhebung und Thätigkeit im Cap. XIII. 4) Fontes rer. Austriac. VIII. 59.
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277 An neuen Meldungen, die wir auf die mündlichen Berichterstatter Ottos zurückführen müssen, fehlt es keineswegs. Sie betreffen nicht nur die kirchlichen Verhältnisse und die Schicksale von Sedletz insbesondere, sondern auch weltlich-politische Angelegenheiten. Zu den wichtigsten ge- hören die Nachrichten über die Stellung und Haltung der Prager Bürger 1278—1279. 1) Darnach war der junge König speciell ihrer Bewachung anvertrant, „damit er uicht in die Gewalt des Markgrafen (von Bran- denburg) gelange“; der Markgraf habe aber die Bürger durch Ueber- lassung von Königsgut bewogen, ihm den jungen Wenzel anszuliefern. Wichtiger ist die Nachricht, 2) daß der junge Fürst (etwa 1281) gelegentlich nach Unterhandlungen zwischen dem Markgrafen und den böhmischen Herren und Prälaten nach Böhmen gebracht, dann aber nochmals nach „Sachsen“ (heißt hier uatürlich, was Palacky3) und Andere irregeführt hat, Bran- denburg) zurückgeführt worden sei. Beide Meldungen erregen mit Recht Bedenken, lassen sich aber nicht unbedingt widerlegen. Um so lieber glauben wir Otto, was er in den Versen zu Cap. XIV über die allgemeine Freude anläßlich der Rückkehr Wenzels und dessen Vaterlandsliebe meldet, von der „ihm Nachricht gegeben, die häufig sich beim Könige aufgehalten hatten". C. Die Königsaaler Chronik und Zawisch von Falkenstein. Bald nach seiner Heimkehr nach Böhmen gerieth König Wenzel, der ja natürlich mit 12 Jahren nicht selbständig die Regierung zu führen ver- mochte, unter die Leitung des böhmischen Barons Zawisch von Krumman aus dem großen Geschlechte der Witigonen. Er war früher Burggras von Falkenstein gewesen und wird davon nach eigenem Vorgange gewöhnlich v. F. genannt. Seit etwa 1281 hatte Zawisch Wenzels Mutter Kuni- gunde wichtige Dienste geleistet und sie dann heimlich geehelicht. 4) Die Berufung Kunigundens an den Hof ihres Sohnes bahnte auch dem Rosen- berg-Krummauer den Weg in die Umgebung des Königs, wo er trotz des 1) Vgl. Cap. IX. Font. r. Aust. VII, 51. 2. Cap. XIV, 1. c. p. 60. 3) Er hätte sehen sollen, daß die Angabe des Benesch Minorita doch wieder uur aus der Königsaaler Chronik entnommen und — mißverstanden wurde. 4) Ueber Zawisch von Falkenstein s. neben den älteren bekannten Arbeiten von F. Palacky und M. Pangerl (in diesen Mittheilungen Bd. X., 1872) die be treffenden Abschnitte bei B. Dudik, Mährens allgemeine Geschichte, Bd. VII. 73 ff., und A. Huber, Geschichte Oesterreichs, Bd. II. 31 ff. Im allgemeinen vermag ich auch I. Susta's Darlegungen (Zawisch von Falkenstein, čech., in Čas. česk. histor. Jahrg. 1, Prag 1895, Art. I—IV) beizustimmen.
277 An neuen Meldungen, die wir auf die mündlichen Berichterstatter Ottos zurückführen müssen, fehlt es keineswegs. Sie betreffen nicht nur die kirchlichen Verhältnisse und die Schicksale von Sedletz insbesondere, sondern auch weltlich-politische Angelegenheiten. Zu den wichtigsten ge- hören die Nachrichten über die Stellung und Haltung der Prager Bürger 1278—1279. 1) Darnach war der junge König speciell ihrer Bewachung anvertrant, „damit er uicht in die Gewalt des Markgrafen (von Bran- denburg) gelange“; der Markgraf habe aber die Bürger durch Ueber- lassung von Königsgut bewogen, ihm den jungen Wenzel anszuliefern. Wichtiger ist die Nachricht, 2) daß der junge Fürst (etwa 1281) gelegentlich nach Unterhandlungen zwischen dem Markgrafen und den böhmischen Herren und Prälaten nach Böhmen gebracht, dann aber nochmals nach „Sachsen“ (heißt hier uatürlich, was Palacky3) und Andere irregeführt hat, Bran- denburg) zurückgeführt worden sei. Beide Meldungen erregen mit Recht Bedenken, lassen sich aber nicht unbedingt widerlegen. Um so lieber glauben wir Otto, was er in den Versen zu Cap. XIV über die allgemeine Freude anläßlich der Rückkehr Wenzels und dessen Vaterlandsliebe meldet, von der „ihm Nachricht gegeben, die häufig sich beim Könige aufgehalten hatten". C. Die Königsaaler Chronik und Zawisch von Falkenstein. Bald nach seiner Heimkehr nach Böhmen gerieth König Wenzel, der ja natürlich mit 12 Jahren nicht selbständig die Regierung zu führen ver- mochte, unter die Leitung des böhmischen Barons Zawisch von Krumman aus dem großen Geschlechte der Witigonen. Er war früher Burggras von Falkenstein gewesen und wird davon nach eigenem Vorgange gewöhnlich v. F. genannt. Seit etwa 1281 hatte Zawisch Wenzels Mutter Kuni- gunde wichtige Dienste geleistet und sie dann heimlich geehelicht. 4) Die Berufung Kunigundens an den Hof ihres Sohnes bahnte auch dem Rosen- berg-Krummauer den Weg in die Umgebung des Königs, wo er trotz des 1) Vgl. Cap. IX. Font. r. Aust. VII, 51. 2. Cap. XIV, 1. c. p. 60. 3) Er hätte sehen sollen, daß die Angabe des Benesch Minorita doch wieder uur aus der Königsaaler Chronik entnommen und — mißverstanden wurde. 4) Ueber Zawisch von Falkenstein s. neben den älteren bekannten Arbeiten von F. Palacky und M. Pangerl (in diesen Mittheilungen Bd. X., 1872) die be treffenden Abschnitte bei B. Dudik, Mährens allgemeine Geschichte, Bd. VII. 73 ff., und A. Huber, Geschichte Oesterreichs, Bd. II. 31 ff. Im allgemeinen vermag ich auch I. Susta's Darlegungen (Zawisch von Falkenstein, čech., in Čas. česk. histor. Jahrg. 1, Prag 1895, Art. I—IV) beizustimmen.
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278 — Widerstrebens einer mächtigen Adelsfraction rasch zur Geltung gelangte. Nach der Beseitigung seiner Gegner aus den wichtigsten Landesämtern und der Ausstattung seiner Verwandten und Schwäger mit denselben be- gründete Zawisch seine bleibende Vorherrschaft am Hofe Wenzels durch feste Handhabung der Regierungsgewalt in monarchischem Sinne, weitge- hende Hingebung für des jungen Königs ehrgeizige Pläne, namentlich hin- sichtlich der Wiedererwerbung wenigstens eines Theiles der südostdeutschen Landschaften, endlich durch die offene Verbindung mit Königin Kunigunde, die ihm die Stelle des Stiefvaters des Königs verlieh. Aber so groß wie seine Macht und seine Fähigkeiten waren scheint auch Zawischs Eigennutz, Herrschsucht und Hochmuth. Sie entfremdeten ihm schließlich auch einen Theil der eigenen Freunde, während der bei Wenzel stets einflußreiche Clerus ihm — wohl schon wegen des Vorgehens der Rosenberge gegen Hohen- furt und Goldenkron — von jeher abhold war und blieb. Der rasche Tod Kunigundeus beraubte Zawisch der stets bereiten und mächtigen Für- sprecherin bei dem jungen Könige. Dessen junge Gattin ward bald Mittel- punkt der gegen Zawisch arbeitenden Gegner. König Wenzel, sehr eitel und mißtrauisch, empfand die Geltung des Falkensteiners immer drückender, je älter er ward. Unvorsichtiges Gebahren des Zawisch und die steten Ein- flüsterungen der Feinde Zawischs bewogen endlich den König, wie es scheint ohne sicher verbürgte Ursache, sich gegen die Pläne des Stiefvaters per- sönlich zu sichern, indem er dessen Verhaftung bejahl. Zawischs und der Seinen Bemühungen, sich Recht zu verschaffen, zuletzt mit Gewalt, brachten Zawisch den Untergang: er ward 1290 vor dem belagerten Frauenberg enthauptet. 1) Seine Brüder gingen in die Fremde. Die Königsaaler Chronik handelt über Zawisch und die Periode der Regierung Wenzels von 1273—1290 in den Capiteln XVI bis XXV weitaus eingehender, als dies in irgend einer gleichzeitigen anderen Auj- zeichnung der Fall ist. Otto schildert hier die Vorgänge dieser Zeit und das Verhältniß Zawischs zum Könige ausdrücklich nach den Berichten von Zeitgenossen und bezeichnet seine Behauptungen geradezu als Dinge, die auf aller Lippen sind: uur so wage er es, so schreckliche Anklagen niederzuschreiben.2) 1) Die Detailbelege dafür erbringe ich in dent betreffenden Abschuitte des demnächst erscheinenden I. Baudes meiner „Geschichte Böhmens“ (Europäische Staaten- geschichte, herausgeg. von Heeren, Uckert, Giesebrecht und K. Lamprecht, Gotha, J. Perthes). 2) Cap. XXI.: Inter ea, quae dicta sunt, hactenus incompertae dolositatis quaedam machinamenta comperio, quae ammiratione deditus, quorun-
278 — Widerstrebens einer mächtigen Adelsfraction rasch zur Geltung gelangte. Nach der Beseitigung seiner Gegner aus den wichtigsten Landesämtern und der Ausstattung seiner Verwandten und Schwäger mit denselben be- gründete Zawisch seine bleibende Vorherrschaft am Hofe Wenzels durch feste Handhabung der Regierungsgewalt in monarchischem Sinne, weitge- hende Hingebung für des jungen Königs ehrgeizige Pläne, namentlich hin- sichtlich der Wiedererwerbung wenigstens eines Theiles der südostdeutschen Landschaften, endlich durch die offene Verbindung mit Königin Kunigunde, die ihm die Stelle des Stiefvaters des Königs verlieh. Aber so groß wie seine Macht und seine Fähigkeiten waren scheint auch Zawischs Eigennutz, Herrschsucht und Hochmuth. Sie entfremdeten ihm schließlich auch einen Theil der eigenen Freunde, während der bei Wenzel stets einflußreiche Clerus ihm — wohl schon wegen des Vorgehens der Rosenberge gegen Hohen- furt und Goldenkron — von jeher abhold war und blieb. Der rasche Tod Kunigundeus beraubte Zawisch der stets bereiten und mächtigen Für- sprecherin bei dem jungen Könige. Dessen junge Gattin ward bald Mittel- punkt der gegen Zawisch arbeitenden Gegner. König Wenzel, sehr eitel und mißtrauisch, empfand die Geltung des Falkensteiners immer drückender, je älter er ward. Unvorsichtiges Gebahren des Zawisch und die steten Ein- flüsterungen der Feinde Zawischs bewogen endlich den König, wie es scheint ohne sicher verbürgte Ursache, sich gegen die Pläne des Stiefvaters per- sönlich zu sichern, indem er dessen Verhaftung bejahl. Zawischs und der Seinen Bemühungen, sich Recht zu verschaffen, zuletzt mit Gewalt, brachten Zawisch den Untergang: er ward 1290 vor dem belagerten Frauenberg enthauptet. 1) Seine Brüder gingen in die Fremde. Die Königsaaler Chronik handelt über Zawisch und die Periode der Regierung Wenzels von 1273—1290 in den Capiteln XVI bis XXV weitaus eingehender, als dies in irgend einer gleichzeitigen anderen Auj- zeichnung der Fall ist. Otto schildert hier die Vorgänge dieser Zeit und das Verhältniß Zawischs zum Könige ausdrücklich nach den Berichten von Zeitgenossen und bezeichnet seine Behauptungen geradezu als Dinge, die auf aller Lippen sind: uur so wage er es, so schreckliche Anklagen niederzuschreiben.2) 1) Die Detailbelege dafür erbringe ich in dent betreffenden Abschuitte des demnächst erscheinenden I. Baudes meiner „Geschichte Böhmens“ (Europäische Staaten- geschichte, herausgeg. von Heeren, Uckert, Giesebrecht und K. Lamprecht, Gotha, J. Perthes). 2) Cap. XXI.: Inter ea, quae dicta sunt, hactenus incompertae dolositatis quaedam machinamenta comperio, quae ammiratione deditus, quorun-
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279 — Um Werth und Charakter der Erzählung Ottos zu erkennen, ist es nothwendig, anf die sonstige Ueberlieferung über diese ersten Jahre König Wenzels Rücksicht zu nehmen. Sie ist außerordentlich dürftig, wofür man uicht ohne guten Grund die Zeitverhältnisse mitverantwortlich machen wird. Wir besitzen an gleichzeitigen chronikalischen Meldungen von der ganz furzen, aus den zwei Worten „Zawiss captus“ bestehenden Notiz Hein- richs von Heimburg abgesehen, 1) uur zwei Stellen der Continuatio Vin- dobonensis, eine zum Jahre 1285: „Eodem anno post festum Trinita- tis Zabisch quidam supanus Boemie sollempniter Prage celebravit nuptias suas cum domina Chunegunde, relicta domini Ottacari quon- dam regis Boemie.“ 2) Und zum Jahre 1290: Eodem anno Zabisius supanus quidam nobilis et potens Bohemus, qui relictam quondam Ottacari Bohemorum regis reginam duxit in uxorem et post mortem ejus cognatam ipsius, regis Ungarie sororem, de ordine Praedicato- rum receptam, duxit in conjugem, a Nicolao duce Oppaviensi pro suis maleficiis decollatur. 3) Eine Notiz des gleichzeitigen Hermann von Alt- aich 4) meldet endlich zu den Jahren 1279—1290: „Inzwischen heiratete die Witwe König Ottokars in rechter Ehe ein Edler aus Böhmen, Zebisch genannt, aus dem Geschlechte der Witigonen, der häufig der vielvermö gende Widersacher des genannten Königs gewesen war. Zuletzt aber nahn der Sohn des genanuten Königs, der eine Tochter des römischen Königs Rudolf geheiratet hatte, als er selbst zu regieren begann, diesen Zebisch, der durch die Königin, die er zur Fran genommen, reich geworden war und dem Könige seine Schätze nicht abtreten wollte, nach dem Tode der Königin gefangen und ließ ihn tödten.“ Der Mönch von Fürstenfeld endlich,5) der zur Zeit des Höhepunktes der Macht unseres Zawisch in Prag studirte, hat weder etwas Authentisches über sein Verhältniß zu König Wenzel vernommen, noch genügend Einsicht und Wahrheitsliebe, die Er- eignisse richtig zu erfassen. Er gehört zu denen, die nach den Erzählungen dam quoque aemulatione territus, pandere procul dubio pertimesco. Haec namque formidine tactus nequaquam describendo proderem, si haec eadem lippis et tonsoribus jam cognita voce murmurantis populi non audirem. Man vergl. ferner Cap. XXIV.: hic videas (penas)..., quas velut indignus, vel subdolus atque malignus Zawiss molitur regi, quae postea scitur, quod sic sit, teste fama populi, manifeste. 1) In Font. rer. Bohemicarum III. 320. 2) Pertz, Script. IX. 713. 3) Pertz, Sc. IX, 716. 4) Bei Pertz, M. G. H. XVII, 411. 5) Bei J. F. Böhmer, Fontes rer. Germanicarum I. 1 sg.
279 — Um Werth und Charakter der Erzählung Ottos zu erkennen, ist es nothwendig, anf die sonstige Ueberlieferung über diese ersten Jahre König Wenzels Rücksicht zu nehmen. Sie ist außerordentlich dürftig, wofür man uicht ohne guten Grund die Zeitverhältnisse mitverantwortlich machen wird. Wir besitzen an gleichzeitigen chronikalischen Meldungen von der ganz furzen, aus den zwei Worten „Zawiss captus“ bestehenden Notiz Hein- richs von Heimburg abgesehen, 1) uur zwei Stellen der Continuatio Vin- dobonensis, eine zum Jahre 1285: „Eodem anno post festum Trinita- tis Zabisch quidam supanus Boemie sollempniter Prage celebravit nuptias suas cum domina Chunegunde, relicta domini Ottacari quon- dam regis Boemie.“ 2) Und zum Jahre 1290: Eodem anno Zabisius supanus quidam nobilis et potens Bohemus, qui relictam quondam Ottacari Bohemorum regis reginam duxit in uxorem et post mortem ejus cognatam ipsius, regis Ungarie sororem, de ordine Praedicato- rum receptam, duxit in conjugem, a Nicolao duce Oppaviensi pro suis maleficiis decollatur. 3) Eine Notiz des gleichzeitigen Hermann von Alt- aich 4) meldet endlich zu den Jahren 1279—1290: „Inzwischen heiratete die Witwe König Ottokars in rechter Ehe ein Edler aus Böhmen, Zebisch genannt, aus dem Geschlechte der Witigonen, der häufig der vielvermö gende Widersacher des genannten Königs gewesen war. Zuletzt aber nahn der Sohn des genanuten Königs, der eine Tochter des römischen Königs Rudolf geheiratet hatte, als er selbst zu regieren begann, diesen Zebisch, der durch die Königin, die er zur Fran genommen, reich geworden war und dem Könige seine Schätze nicht abtreten wollte, nach dem Tode der Königin gefangen und ließ ihn tödten.“ Der Mönch von Fürstenfeld endlich,5) der zur Zeit des Höhepunktes der Macht unseres Zawisch in Prag studirte, hat weder etwas Authentisches über sein Verhältniß zu König Wenzel vernommen, noch genügend Einsicht und Wahrheitsliebe, die Er- eignisse richtig zu erfassen. Er gehört zu denen, die nach den Erzählungen dam quoque aemulatione territus, pandere procul dubio pertimesco. Haec namque formidine tactus nequaquam describendo proderem, si haec eadem lippis et tonsoribus jam cognita voce murmurantis populi non audirem. Man vergl. ferner Cap. XXIV.: hic videas (penas)..., quas velut indignus, vel subdolus atque malignus Zawiss molitur regi, quae postea scitur, quod sic sit, teste fama populi, manifeste. 1) In Font. rer. Bohemicarum III. 320. 2) Pertz, Script. IX. 713. 3) Pertz, Sc. IX, 716. 4) Bei Pertz, M. G. H. XVII, 411. 5) Bei J. F. Böhmer, Fontes rer. Germanicarum I. 1 sg.
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280 — und Anschauungen berichten, die damals im Munde des Volkes um- liefen.1) Dagegen besitzen wir über Zawisch eine Anzahl urkundlicher Zeng- nisse, wenn sie auch zun Theil nur in der Nennung seines Namens be- stehen.2) Andere lassen ihn aber direct als den ersten Machthaber im Königreiche erkennen, so das Schreiben, in dem sich König Rudolf 1287 in Angelegenheit der Krönung König Wenzels an ihn wendet,3) oder die Urkunde, mit der Zawisch Politschka in Ostböhmen und anderes Besitz- thum übertragen wird. Was wir über Zawisch sonst wissen, entstanmt der Tradition, oder baut sich, wie die Darlegungen des steirischen Reimchronisten, auf die oben benaunten gleichzeitigen Meldungen und die Tradition zugleich auf. 4) Letzterer folgen ausschließlich die heimischen Darstellungen: Abt Otto von Königsaal in den erwähnten Capiteln, und die Reimchronik des sogenann ten Dalimil. 5) Da ist es nun gewiß sehr bezeichnend, daß beide uicht mit einander übereinstimmen, was man doch annehmen sollte, und daß, was noch wich tiger ist, der jüngere Dalimil den Anlaß des Sturzes Zawischs in an- deren Gründen findet als Abt Otto. Hier wird Zawisch hingerichtet, resp. gestürzt, weil er dem Leben des Königs oder doch seiner Herrschaft nach- stellte; dort unß er fallen, weil ihm König Wenzel das Verhältuiß zu seiner Mutter Kunigunde nicht verzeihen kaun. 6) Fragen wir nun, welche Meldung glanbwürdiger ist oder doch von minder befangener Seite stammt, 1) Vgl. über ihn zuletzt Susta 1. c. 2) Vgl. Emler, Regesten II und Boček, Cod. dipl. Morav. v. 1. J. Loserth. Archiv für österreich. Geich. Bd. 57, S. 480 ff. 3) O. Redlich, Zur Geschichte der österreichischen Frage unter König Rudolf I. Mittheil. des Justituts für österr. Geschichtsforschung, Ergänzungsband IV., S. 133 ff., bes. 150 ff. Mit Recht hat deshalb Seemüller auf Herm. Altah. hingewiesen. Vgl. M G H tom. V, pars I, S. 242; vgl. über Zawisch ebdt. 264, 268 f. Der Tra- dition folgt aber die Reinichrouik erst durch das Medimu des Königsaaler Zeitbuches. Es kaun daher nur sehr überraschen, wenn Palacky beide in einen scharfen Gegensatz gebracht hat. 5) Zuletzt herausgeg. v. J. Jireček in Font. r. Bohemicarum III, Prag 1882, S. 1 ff. 6) Ebendort Cap. 93; Cap. 94, S. 200. „Die pehemische Cronica Dewtz“ (Der deutsche Dalimil), Cap. LII, ebdt. S. 292 und das viel spätere Gedicht „König Přemysl Ottokar und Zawisch“, tschech., zuletzt in Font. rer. Bohem. III, 240 bis 242, kommen nicht in Betracht, da sie im bezüglichen Theile wesentlich auf dem Texte des tschech. Dalimil fußen. 4)
280 — und Anschauungen berichten, die damals im Munde des Volkes um- liefen.1) Dagegen besitzen wir über Zawisch eine Anzahl urkundlicher Zeng- nisse, wenn sie auch zun Theil nur in der Nennung seines Namens be- stehen.2) Andere lassen ihn aber direct als den ersten Machthaber im Königreiche erkennen, so das Schreiben, in dem sich König Rudolf 1287 in Angelegenheit der Krönung König Wenzels an ihn wendet,3) oder die Urkunde, mit der Zawisch Politschka in Ostböhmen und anderes Besitz- thum übertragen wird. Was wir über Zawisch sonst wissen, entstanmt der Tradition, oder baut sich, wie die Darlegungen des steirischen Reimchronisten, auf die oben benaunten gleichzeitigen Meldungen und die Tradition zugleich auf. 4) Letzterer folgen ausschließlich die heimischen Darstellungen: Abt Otto von Königsaal in den erwähnten Capiteln, und die Reimchronik des sogenann ten Dalimil. 5) Da ist es nun gewiß sehr bezeichnend, daß beide uicht mit einander übereinstimmen, was man doch annehmen sollte, und daß, was noch wich tiger ist, der jüngere Dalimil den Anlaß des Sturzes Zawischs in an- deren Gründen findet als Abt Otto. Hier wird Zawisch hingerichtet, resp. gestürzt, weil er dem Leben des Königs oder doch seiner Herrschaft nach- stellte; dort unß er fallen, weil ihm König Wenzel das Verhältuiß zu seiner Mutter Kunigunde nicht verzeihen kaun. 6) Fragen wir nun, welche Meldung glanbwürdiger ist oder doch von minder befangener Seite stammt, 1) Vgl. über ihn zuletzt Susta 1. c. 2) Vgl. Emler, Regesten II und Boček, Cod. dipl. Morav. v. 1. J. Loserth. Archiv für österreich. Geich. Bd. 57, S. 480 ff. 3) O. Redlich, Zur Geschichte der österreichischen Frage unter König Rudolf I. Mittheil. des Justituts für österr. Geschichtsforschung, Ergänzungsband IV., S. 133 ff., bes. 150 ff. Mit Recht hat deshalb Seemüller auf Herm. Altah. hingewiesen. Vgl. M G H tom. V, pars I, S. 242; vgl. über Zawisch ebdt. 264, 268 f. Der Tra- dition folgt aber die Reinichrouik erst durch das Medimu des Königsaaler Zeitbuches. Es kaun daher nur sehr überraschen, wenn Palacky beide in einen scharfen Gegensatz gebracht hat. 5) Zuletzt herausgeg. v. J. Jireček in Font. r. Bohemicarum III, Prag 1882, S. 1 ff. 6) Ebendort Cap. 93; Cap. 94, S. 200. „Die pehemische Cronica Dewtz“ (Der deutsche Dalimil), Cap. LII, ebdt. S. 292 und das viel spätere Gedicht „König Přemysl Ottokar und Zawisch“, tschech., zuletzt in Font. rer. Bohem. III, 240 bis 242, kommen nicht in Betracht, da sie im bezüglichen Theile wesentlich auf dem Texte des tschech. Dalimil fußen. 4)
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281 — so müssen wir ausnahmsweise dem böhmischen Reimchronisten den Vorzug geben. Die Darstellung des Verhältnisses Zawischs zum Könige bei Otto von Königsaal trägt dagegen nur allzu sehr den Charakter der tenden- ziösen Erzählung an der Stirn. Es ist dies überhaupt der schwächste Theil der ganzen Arbeit Ottos. Nicht einmal von dem lächerlichen, aber wie es scheint weitverbreiteten Märchen, 1) daß Zawisch sich die Gunst der Königin Kunigunde durch Zauberkünste verschafft, weiß sich der ob seiner Weisheit gepriesene Abt frei zu halten. Daß mäniliche Schönheit, ein einschmeichelndes Benehmen, Tapferkeit und aufopferude Dieuste, die Angehörigfeit zu einer der ersten Familien des Reiches wohl hinreichten, un in der Enge des Burglebens zu Graz das Herz der noch immer liebesbedürftigen Enkelin des Ungarkönigs ihrem ersten Beamten in Liebe zuzuwenden, hat Otto nicht zu fassen vermocht. Freilich wie sollte die rücksichtlose Behandlung, ja Verfolgung bis in den Tod eines Mannes von solchen Eigenschaften und Verdiensten zu dem Bilde seines Wenzels II. stimmen? Der mußte aus Nothwehr dem Witigonen nach Freiheit und Habe, zuletzt uach dem Leben greisen, aber auch so sein zartes Gewissen durch die großartige Gründung und Ausstattung eines neuen Klosters, eben des Königsaaler, beschwichtigen. Dieser Grundton beherrscht die Gesammidarstellung der Jahre 1283 bis 1290. Aber es finden sich daneben auch noch weitere auffalleude Ver- sehen und Unrichtigkeiten. Freilich auch manche beachtenswerthe zatreffende Meldungen. Zu ersteren gehört die Angabe, daß die Königin zur Zeit ihres Aufenthaltes in Mähren Mangel gelitten, obwohl das Gegentheil urkund lich feststeht. Erst die Zeit der Einführung des „Herzogs“ Nicolaus von Troppau (1280, Herbst) brachte Kunigunde — aus eigener Schuld — in Verlegenheit. Doch ward sofort in dem nachfolgenden nenen Vertrage zwischen König Rudolf und den Böhmen auch wieder Kunigunde mit Ein- künften versorgt. 2) Mit Hilfe Zawischs und der Herzöge von Oppeln behauptete sie dazu auch noch einen Theil des Troppaner Gebietes. Da- gegen lesen wir hier die gewiß richtige Bemerkung, daß sich Kunigunde 1279 freiwillig nach Mähren (Troppan) begeben, während bekanutlich der böhmische Annalist etwas ganz anderes berichtet. 3) Daß Kunigunde be- sondere Mühe bei ihrem Sohne gehabt, um Zawisch den Zutritt am Hofe zu sichern, ist gewiß dahin zu verbessern, daß der Widerstand der gegne- 1) Mau vergl. anch die Erzählung des Mönches von Fürstenfeld. Die steirische Reimchronik hat das Verhältniß viel höher und poetischer gezeichnet. 2) Die urkundlichen Nachweise bei Emler, Regesten II, v. 1. 3) Beides Cap. XVI. Font. r. Aust. VIII, 64.
281 — so müssen wir ausnahmsweise dem böhmischen Reimchronisten den Vorzug geben. Die Darstellung des Verhältnisses Zawischs zum Könige bei Otto von Königsaal trägt dagegen nur allzu sehr den Charakter der tenden- ziösen Erzählung an der Stirn. Es ist dies überhaupt der schwächste Theil der ganzen Arbeit Ottos. Nicht einmal von dem lächerlichen, aber wie es scheint weitverbreiteten Märchen, 1) daß Zawisch sich die Gunst der Königin Kunigunde durch Zauberkünste verschafft, weiß sich der ob seiner Weisheit gepriesene Abt frei zu halten. Daß mäniliche Schönheit, ein einschmeichelndes Benehmen, Tapferkeit und aufopferude Dieuste, die Angehörigfeit zu einer der ersten Familien des Reiches wohl hinreichten, un in der Enge des Burglebens zu Graz das Herz der noch immer liebesbedürftigen Enkelin des Ungarkönigs ihrem ersten Beamten in Liebe zuzuwenden, hat Otto nicht zu fassen vermocht. Freilich wie sollte die rücksichtlose Behandlung, ja Verfolgung bis in den Tod eines Mannes von solchen Eigenschaften und Verdiensten zu dem Bilde seines Wenzels II. stimmen? Der mußte aus Nothwehr dem Witigonen nach Freiheit und Habe, zuletzt uach dem Leben greisen, aber auch so sein zartes Gewissen durch die großartige Gründung und Ausstattung eines neuen Klosters, eben des Königsaaler, beschwichtigen. Dieser Grundton beherrscht die Gesammidarstellung der Jahre 1283 bis 1290. Aber es finden sich daneben auch noch weitere auffalleude Ver- sehen und Unrichtigkeiten. Freilich auch manche beachtenswerthe zatreffende Meldungen. Zu ersteren gehört die Angabe, daß die Königin zur Zeit ihres Aufenthaltes in Mähren Mangel gelitten, obwohl das Gegentheil urkund lich feststeht. Erst die Zeit der Einführung des „Herzogs“ Nicolaus von Troppau (1280, Herbst) brachte Kunigunde — aus eigener Schuld — in Verlegenheit. Doch ward sofort in dem nachfolgenden nenen Vertrage zwischen König Rudolf und den Böhmen auch wieder Kunigunde mit Ein- künften versorgt. 2) Mit Hilfe Zawischs und der Herzöge von Oppeln behauptete sie dazu auch noch einen Theil des Troppaner Gebietes. Da- gegen lesen wir hier die gewiß richtige Bemerkung, daß sich Kunigunde 1279 freiwillig nach Mähren (Troppan) begeben, während bekanutlich der böhmische Annalist etwas ganz anderes berichtet. 3) Daß Kunigunde be- sondere Mühe bei ihrem Sohne gehabt, um Zawisch den Zutritt am Hofe zu sichern, ist gewiß dahin zu verbessern, daß der Widerstand der gegne- 1) Mau vergl. anch die Erzählung des Mönches von Fürstenfeld. Die steirische Reimchronik hat das Verhältniß viel höher und poetischer gezeichnet. 2) Die urkundlichen Nachweise bei Emler, Regesten II, v. 1. 3) Beides Cap. XVI. Font. r. Aust. VIII, 64.
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282 rischen Adelsfraction zu überwinden war. Von der Nothwendigkeit, erst das gegen Zawisch einst von König Ottokar erlassene Verbannungsedict zurückzunehmen, kann, wie bereits berührt, nach den Ereignissen der Jahre 1279—1283 nicht die Rede sein. Die beiden Züge des Regenten nach Mähren und die Herstellung der Ordnung in diesem Lande werden durch- aus parteiisch erzählt und wird jedes etwaige Verdienst dabei dem Könige zugewendet. Dagegen hat Abt Otto von den eigentlichen Zielen der böh¬ mischen Politik in jenen Jahren oder auch uur von dem Verhältnisse König Wenzels zum deutschen Königshause (Rudolf von Habsburg) feine Ahnung.1) V. Die Series rerum gestarum et processus habiti contra Georgium de P. regni Bohemiae occupatorem enarrati?2) Ein Menschenalter, uachdem das Concil zu Basel die große böhmische Revolution mittelst der sogenannten Compaktaten in ein kirchliches Fahr- wasser hinüberzuleiten versucht hatte, erfolgte in feierlichem Consistorium zu Rom deren Aufhebung (1462). Sie sind, so erklärte Papst Pius selbst, in jeder Beziehung hinfällig; die Böhmen hätten sie niemals befolgt, sie enthielten auch gar uichts, was man im Lande durch sie gewährleistet glaube, sie seien am wenigsten erlassen für die gegenwärtige Generation, für Leute, die zur Zeit der Abschließung der Compaktaten entweder noch gar nicht geboren waren oder doch damals keineswegs an den Brauch, das hl. Sacrament unter beiden Gestalten zu empfangen, sich zu halten ver- mochten. 3) Es ist nun für die damaligen Verhältuisse in Böhmen sehr bezeich nend, daß dieses Vorgehen Roms, die einseitige Zurücknahme von Zuge- ständnissen, die eiust unter den größten Schwierigkeiten und nach dem hartnäckigsten Feilschen un jedes Wort des Vertrages gemacht waren, 1) Vgl. dazu die genannten Arbeiten von Redlich und Susta. 2) Aus Cod. ms. Biblioth. Vatic. n. 5622. Wesentlich identisch mit „De Georgio Bohemiae rege“ bei C. Höfler, Scriptoris rerum Hussiticarum III. 211 ff. u. Kaprinai, Ungariae diplom. II. 577 ff. Die wesentlichen textlichen Ab- weichungen dieser Handschrift gegenüber den bisher bekannten Texten theile ich bei anderer Gelegenheit mit. Sie sind nicht so sehr für die Beurtheilung des ganzen Schriftstückes als für die Detailausführnng von nicht geringen Belange. Ans der berühmten Rede Pius II. in dem genannten Cousistorium. Vgl. G. Voigt, Enea Silvio dé Piccolomini III, 458 ff. A. Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich III. und Max. I, I. 196 ff., wo auch die Quellen und Literaturbehelfe verzeichnet sind. 3)
282 rischen Adelsfraction zu überwinden war. Von der Nothwendigkeit, erst das gegen Zawisch einst von König Ottokar erlassene Verbannungsedict zurückzunehmen, kann, wie bereits berührt, nach den Ereignissen der Jahre 1279—1283 nicht die Rede sein. Die beiden Züge des Regenten nach Mähren und die Herstellung der Ordnung in diesem Lande werden durch- aus parteiisch erzählt und wird jedes etwaige Verdienst dabei dem Könige zugewendet. Dagegen hat Abt Otto von den eigentlichen Zielen der böh¬ mischen Politik in jenen Jahren oder auch uur von dem Verhältnisse König Wenzels zum deutschen Königshause (Rudolf von Habsburg) feine Ahnung.1) V. Die Series rerum gestarum et processus habiti contra Georgium de P. regni Bohemiae occupatorem enarrati?2) Ein Menschenalter, uachdem das Concil zu Basel die große böhmische Revolution mittelst der sogenannten Compaktaten in ein kirchliches Fahr- wasser hinüberzuleiten versucht hatte, erfolgte in feierlichem Consistorium zu Rom deren Aufhebung (1462). Sie sind, so erklärte Papst Pius selbst, in jeder Beziehung hinfällig; die Böhmen hätten sie niemals befolgt, sie enthielten auch gar uichts, was man im Lande durch sie gewährleistet glaube, sie seien am wenigsten erlassen für die gegenwärtige Generation, für Leute, die zur Zeit der Abschließung der Compaktaten entweder noch gar nicht geboren waren oder doch damals keineswegs an den Brauch, das hl. Sacrament unter beiden Gestalten zu empfangen, sich zu halten ver- mochten. 3) Es ist nun für die damaligen Verhältuisse in Böhmen sehr bezeich nend, daß dieses Vorgehen Roms, die einseitige Zurücknahme von Zuge- ständnissen, die eiust unter den größten Schwierigkeiten und nach dem hartnäckigsten Feilschen un jedes Wort des Vertrages gemacht waren, 1) Vgl. dazu die genannten Arbeiten von Redlich und Susta. 2) Aus Cod. ms. Biblioth. Vatic. n. 5622. Wesentlich identisch mit „De Georgio Bohemiae rege“ bei C. Höfler, Scriptoris rerum Hussiticarum III. 211 ff. u. Kaprinai, Ungariae diplom. II. 577 ff. Die wesentlichen textlichen Ab- weichungen dieser Handschrift gegenüber den bisher bekannten Texten theile ich bei anderer Gelegenheit mit. Sie sind nicht so sehr für die Beurtheilung des ganzen Schriftstückes als für die Detailausführnng von nicht geringen Belange. Ans der berühmten Rede Pius II. in dem genannten Cousistorium. Vgl. G. Voigt, Enea Silvio dé Piccolomini III, 458 ff. A. Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich III. und Max. I, I. 196 ff., wo auch die Quellen und Literaturbehelfe verzeichnet sind. 3)
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283 eigentlich im Lande selbst eine größere Bewegung uicht hervorrief. Der religiöse Eifer war eben im Erlöschen, der revolutionäre Geist abgestorben. Hätte die Kurie darauf verzichtet, ihre Erklärung gewaltsam zur That zu machen, hätte sich anderseits mit der Vertheidigung des Utraquismus nicht in höchsten Grade das persönliche Interesse gerade des damaligen Königs von Böhmen verknüpft gezeigt: der zweite große Hussitenkrieg (1467 bis 1471 resp. 1479) wäre nicht entstanden. So kam es zum Kampfe zwischen König Georg und Rom, uachdem jener sich bereits aus nichts weniger als religiösen Gründen mit der Mehrheit seines Hochadels entzweit hatte. In den Kampf wird bald auch der Kaiser hereingezogen. Der Ungarkönig mischt sich ein, angeblich aus Freundschaft für den Kaiser, thatsächlich aus altem Groll gegen König Georg und um seine Machtgelüste zu befriedigen. Bald rührt sich auch Polen. Indem endlich vom Anfange an die Kurie den Adel für ihren Streit aus religiösem Anlasse, der Adel wieder den römischen Stuhl und dessen Zwist mit dem König für die Erreichung seiner ständischen Zwecke ausnützen will, entsteht ein Durcheinander von weltlich-kirchlichen Bestrebungen, die je nach dem Standpunkte sehr ver- schiedene Beurtheilung finden konnten. Aus all dem erklärt sich, warum in diesen Wirren der Feder ein kaum minderes Kampsgebiet zufiel als dem Schwerte. Je leichter sich eben der König und die Kurie, die böhmischen Barone und der Ungar von dem oder jenem Geschichtspunkte aus ins Uurecht setzen ließen, desto mehr waren sie bestrebt, in eigenen Darlegungen, Ausschreiben und Cor- respondenzen ihre Sache in dem Lichte zu zeigen, das ihnen paßte und ihren Jnteressen entsprach. Die Behauptungen der einen Partei riefen dann den Widerspruch, die Eutgegnung der anderen heraus. Der Streit auf geistigem Gebiete entbrannte stets um so heftiger, je entschiedener sich da oder dort eine Eutscheidung binnen kurzem erhoffen ließ. Er zog immer weitere Kreise, da, abgesehen von den publicistischen Kräften, welche die kämpfenden Parteien direct in ihrem Dienste verwendeten und unter denen sich Männer wie Martin Mair, Gregor Heimburg, Bruder Gabriel (Ran- goni) aus Verona, Bischof Lelio von Feltri u. A. befanden, auch Private sich berufen erachteten, in den Zweispalt der Meinnngen nach Kräften flärend einzugreifen, den Frieden im allgemeinen zu empfehlen oder aus die eine oder andere Art einer Verständigung und Lösung der schweben- den Fragen unmittelbar hinzuweisen. Zu diesen gehörte der gelehrte böhmische Patriot Johann von Rabenstein, Propst vom Wyschehrad, seine Guts-Nachbarn in Südböhmen Johann von Schwanberg, Deutschherru prior zu Strakonitz und Herr Wilhelm von Rieseuberg und andere, zu
283 eigentlich im Lande selbst eine größere Bewegung uicht hervorrief. Der religiöse Eifer war eben im Erlöschen, der revolutionäre Geist abgestorben. Hätte die Kurie darauf verzichtet, ihre Erklärung gewaltsam zur That zu machen, hätte sich anderseits mit der Vertheidigung des Utraquismus nicht in höchsten Grade das persönliche Interesse gerade des damaligen Königs von Böhmen verknüpft gezeigt: der zweite große Hussitenkrieg (1467 bis 1471 resp. 1479) wäre nicht entstanden. So kam es zum Kampfe zwischen König Georg und Rom, uachdem jener sich bereits aus nichts weniger als religiösen Gründen mit der Mehrheit seines Hochadels entzweit hatte. In den Kampf wird bald auch der Kaiser hereingezogen. Der Ungarkönig mischt sich ein, angeblich aus Freundschaft für den Kaiser, thatsächlich aus altem Groll gegen König Georg und um seine Machtgelüste zu befriedigen. Bald rührt sich auch Polen. Indem endlich vom Anfange an die Kurie den Adel für ihren Streit aus religiösem Anlasse, der Adel wieder den römischen Stuhl und dessen Zwist mit dem König für die Erreichung seiner ständischen Zwecke ausnützen will, entsteht ein Durcheinander von weltlich-kirchlichen Bestrebungen, die je nach dem Standpunkte sehr ver- schiedene Beurtheilung finden konnten. Aus all dem erklärt sich, warum in diesen Wirren der Feder ein kaum minderes Kampsgebiet zufiel als dem Schwerte. Je leichter sich eben der König und die Kurie, die böhmischen Barone und der Ungar von dem oder jenem Geschichtspunkte aus ins Uurecht setzen ließen, desto mehr waren sie bestrebt, in eigenen Darlegungen, Ausschreiben und Cor- respondenzen ihre Sache in dem Lichte zu zeigen, das ihnen paßte und ihren Jnteressen entsprach. Die Behauptungen der einen Partei riefen dann den Widerspruch, die Eutgegnung der anderen heraus. Der Streit auf geistigem Gebiete entbrannte stets um so heftiger, je entschiedener sich da oder dort eine Eutscheidung binnen kurzem erhoffen ließ. Er zog immer weitere Kreise, da, abgesehen von den publicistischen Kräften, welche die kämpfenden Parteien direct in ihrem Dienste verwendeten und unter denen sich Männer wie Martin Mair, Gregor Heimburg, Bruder Gabriel (Ran- goni) aus Verona, Bischof Lelio von Feltri u. A. befanden, auch Private sich berufen erachteten, in den Zweispalt der Meinnngen nach Kräften flärend einzugreifen, den Frieden im allgemeinen zu empfehlen oder aus die eine oder andere Art einer Verständigung und Lösung der schweben- den Fragen unmittelbar hinzuweisen. Zu diesen gehörte der gelehrte böhmische Patriot Johann von Rabenstein, Propst vom Wyschehrad, seine Guts-Nachbarn in Südböhmen Johann von Schwanberg, Deutschherru prior zu Strakonitz und Herr Wilhelm von Rieseuberg und andere, zu
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284 — ihnen wird auch der Verfasser des obgenaunten Traktates zu zählen sein, so sehr die klar hervortretende Tendenz seiner Schrijt ihm eine scharf umrissene Parteistellung zuweist. Ganz absichtlich hat aber unser Antor seine Persönlichkeit möglichst in den Hintergrund gestellt. Bou ihm nach directen Angaben zu handeln, würde deshalb wenig fruchtbar sein. Erst wenn man den materiellen Inhalt seines Werkchens prüft, den Anlaß und Zweck seiner Schrift, die Zeit und womöglich den Ort ihrer Abfassung feststellt, gewinnt man ein Bild uicht bloß von den Sympathien und Autipathien, sonderu auch von der Stellung und den persönlichen Beziehungen, von dem Wissen wie den Anschanungen des Verfassers. Eben deshalb mag, eutgegen dem gewöhu- lichen Gange solcher Untersuchnngen, hier vor allent der materielle Gehalt wie der leitende Grundgedauke des Traktates in Kürze festgestellt werden; denn anch über die Abfassungszeit, fehlen in der Schrift, wie zum Theil leicht begreiflich, alle bestimmten Angaben. Der Traktat erzählt zu Beginn die Erhebnng Georgs von Podie brad zum König von Böhmen in der Weise, die den Parteigenossen P. Eschenbers und V. Tempelfelds erkennen läßt. Doch ist die Darle- gung in ganzen ruhig gehalten und sind die gewöhnlichen gehässigen Aus- strennngen über die Wahl Georgs entweder übergangen oder wenn sie berührt sind, als das bezeichnet, was sie sind, als Gerüchte. Ein gleiches gilt anch von dem uachfolgenden Berichte über die Krönnng Georgs. Natürlich hat hier der geistliche und katholische Ver fasser, als das zeigt er sich sofort — mit Nachdruck hervorgehoben, daß die beiden Krönnngsbischöfe, 7) Augustin von Raab und Vincenz von Waizen, die ihm der befrenndete Ungarkönig gesaudt, uicht eher zur Krö- nung zu bewegen waren, als bis Georg in einem eigenen Eide sich zur Ausrottung der Ketzerei in Böhmen und zur Rückführung der alten Ein- heit und Gleichförmigkeit mit der römisch-katholischen Kirche auch in Ritus und Cultus verpftichtet hatte. Der Verfasser berichtet uun, gleichfalls ohne Voreingenommenheit — über K. Georgs rasches Emporkommen: seine Belehnung durch den Kaiser (Juli 1459), seine Verständigung mit den benachbarten dentschen Fürsten häusern (April, Nov. 1459), ja sogar — auf Grund seines Krönnugs eides — mit dem hl. Stuhle. An den neuen Papst, Pius II., ging Johann von Rabenstein ab, un ihm die Obedienz des Königs zu über- 1) Statt: Georgius suos ex Hungaria episcopos accessivit: Augustinum etc. muß es natürlich heißen: episcopos „duos“ ex H. accessivit.
284 — ihnen wird auch der Verfasser des obgenaunten Traktates zu zählen sein, so sehr die klar hervortretende Tendenz seiner Schrijt ihm eine scharf umrissene Parteistellung zuweist. Ganz absichtlich hat aber unser Antor seine Persönlichkeit möglichst in den Hintergrund gestellt. Bou ihm nach directen Angaben zu handeln, würde deshalb wenig fruchtbar sein. Erst wenn man den materiellen Inhalt seines Werkchens prüft, den Anlaß und Zweck seiner Schrift, die Zeit und womöglich den Ort ihrer Abfassung feststellt, gewinnt man ein Bild uicht bloß von den Sympathien und Autipathien, sonderu auch von der Stellung und den persönlichen Beziehungen, von dem Wissen wie den Anschanungen des Verfassers. Eben deshalb mag, eutgegen dem gewöhu- lichen Gange solcher Untersuchnngen, hier vor allent der materielle Gehalt wie der leitende Grundgedauke des Traktates in Kürze festgestellt werden; denn anch über die Abfassungszeit, fehlen in der Schrift, wie zum Theil leicht begreiflich, alle bestimmten Angaben. Der Traktat erzählt zu Beginn die Erhebnng Georgs von Podie brad zum König von Böhmen in der Weise, die den Parteigenossen P. Eschenbers und V. Tempelfelds erkennen läßt. Doch ist die Darle- gung in ganzen ruhig gehalten und sind die gewöhnlichen gehässigen Aus- strennngen über die Wahl Georgs entweder übergangen oder wenn sie berührt sind, als das bezeichnet, was sie sind, als Gerüchte. Ein gleiches gilt anch von dem uachfolgenden Berichte über die Krönnng Georgs. Natürlich hat hier der geistliche und katholische Ver fasser, als das zeigt er sich sofort — mit Nachdruck hervorgehoben, daß die beiden Krönnngsbischöfe, 7) Augustin von Raab und Vincenz von Waizen, die ihm der befrenndete Ungarkönig gesaudt, uicht eher zur Krö- nung zu bewegen waren, als bis Georg in einem eigenen Eide sich zur Ausrottung der Ketzerei in Böhmen und zur Rückführung der alten Ein- heit und Gleichförmigkeit mit der römisch-katholischen Kirche auch in Ritus und Cultus verpftichtet hatte. Der Verfasser berichtet uun, gleichfalls ohne Voreingenommenheit — über K. Georgs rasches Emporkommen: seine Belehnung durch den Kaiser (Juli 1459), seine Verständigung mit den benachbarten dentschen Fürsten häusern (April, Nov. 1459), ja sogar — auf Grund seines Krönnugs eides — mit dem hl. Stuhle. An den neuen Papst, Pius II., ging Johann von Rabenstein ab, un ihm die Obedienz des Königs zu über- 1) Statt: Georgius suos ex Hungaria episcopos accessivit: Augustinum etc. muß es natürlich heißen: episcopos „duos“ ex H. accessivit.
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285 bringen. Es folgt — uicht aber, ohne daß hier die Ereignisse von 1461 bis 1463 durcheinander geworfen werden, der Bericht über die Mahnungen an den König, seinem Krönuugseide zu genügen, über seine Winkelzüge, um Zeit zu gewinnen, endlich über die Gesandtschaft an die Kurie (1462, März), die aber statt der Bestätigung der Compaktaten deren Aufhebung durch Papst Pius zur Folge hatte. Ans des Papstes Rede wird daher, wie bereits erwähnt, das Wesentliche und für den Verfasser Wichtigste mitgetheilt. Damit und mit der Erklärnng des Königs auf dem August- hoftage zu Prag 1462, auf dem auch die Gefangennahme des päpstlichen Legaten Fantinus de Valle erfolgte, beginut zwischen Rom und Böhmen der diplomatische Conflict. Daß er zu offenem Kampfe, mit den weltlichen und geistlichen Waffen geführt, ausartete, verhinderte lange Zeit die Ver- mittlung des Kaisers (Friedrich III.) und die Verlegenheit der Kurie, den mächtigen König mit ebenbürtigen Waffen bekämpfen zu können, zuletzt noch der Tod des Papstes Pius II. (Aug. 1464). Dessen Nachfolger Paul II. versuchte nochmals die Verständigung und erst als sie fruchtlos war, ließ er, zumal sich nun des Königs politische Lage verschlimmert hatte, den geistlichen Processen freien Lauf. Sie führten zu Georgs Bannung und Absetzung. Die große Mehrheit der katholischen Unterthanen Georgs, die aber — wie die böhmischen Herren — sich zum Theil aus andern Gründen gegen den König erhoben hatte, sollte in Vereine mit Kreuzer- scharen die Sprüche der Curie vollziehen. Dann gab es nochmals Auf-- schnb. Herzog Ludwig von Baiern und wieder Kaiser Friedrich ver- wendeten sich für den König. Jn Böhmen wagte es der Herrenbund nicht, gegen den König voranzugehen. Der deutsche Reichstag enttäuschte die Hoffnungen der Curie, da er uur Vermittlung im böhmischen Streite (seitens einer Anzahl Fürstenhäuser) zur Folge hatte. Erst als im Spät- jahre 1466 uicht bloß jeder Erfolg in Böhmen, sondern auch das Ansehen des heil. Stuhles überhaupt anf dem Spiele stand, entschloß er sich zunt rücksichtslosen Angriff auf den König, worauf auch die Unzufriedenen wei- tere Unterhandlung aufgaben und in den offenen Kaupf gegen Georg eintreten. Der Krieg blieb 1467 unentschieden. In Böhmen und Mähren hatte Georg, in Schlesien, den Lausitzen, die letztere ja nach der großen Mehrheit ihrer Bewohner katholisch waren, die katholische Liga, zu der sich der Herrenbund erweitert hatte, das Uebergewicht. So viel war auch bald nach Beginn des Feldzuges klar, daß zu einer Niederwerfung der Hussiten die bisher verfügbaren Kräfte nicht hinreichten. Daher, und dies ist der erste mit Bedacht hervorgehobene Monent unserer Denkschrift, das Anbringen des Ritters Dobrohost von Ronsperg (auf Bischofteinitz)
285 bringen. Es folgt — uicht aber, ohne daß hier die Ereignisse von 1461 bis 1463 durcheinander geworfen werden, der Bericht über die Mahnungen an den König, seinem Krönuugseide zu genügen, über seine Winkelzüge, um Zeit zu gewinnen, endlich über die Gesandtschaft an die Kurie (1462, März), die aber statt der Bestätigung der Compaktaten deren Aufhebung durch Papst Pius zur Folge hatte. Ans des Papstes Rede wird daher, wie bereits erwähnt, das Wesentliche und für den Verfasser Wichtigste mitgetheilt. Damit und mit der Erklärnng des Königs auf dem August- hoftage zu Prag 1462, auf dem auch die Gefangennahme des päpstlichen Legaten Fantinus de Valle erfolgte, beginut zwischen Rom und Böhmen der diplomatische Conflict. Daß er zu offenem Kampfe, mit den weltlichen und geistlichen Waffen geführt, ausartete, verhinderte lange Zeit die Ver- mittlung des Kaisers (Friedrich III.) und die Verlegenheit der Kurie, den mächtigen König mit ebenbürtigen Waffen bekämpfen zu können, zuletzt noch der Tod des Papstes Pius II. (Aug. 1464). Dessen Nachfolger Paul II. versuchte nochmals die Verständigung und erst als sie fruchtlos war, ließ er, zumal sich nun des Königs politische Lage verschlimmert hatte, den geistlichen Processen freien Lauf. Sie führten zu Georgs Bannung und Absetzung. Die große Mehrheit der katholischen Unterthanen Georgs, die aber — wie die böhmischen Herren — sich zum Theil aus andern Gründen gegen den König erhoben hatte, sollte in Vereine mit Kreuzer- scharen die Sprüche der Curie vollziehen. Dann gab es nochmals Auf-- schnb. Herzog Ludwig von Baiern und wieder Kaiser Friedrich ver- wendeten sich für den König. Jn Böhmen wagte es der Herrenbund nicht, gegen den König voranzugehen. Der deutsche Reichstag enttäuschte die Hoffnungen der Curie, da er uur Vermittlung im böhmischen Streite (seitens einer Anzahl Fürstenhäuser) zur Folge hatte. Erst als im Spät- jahre 1466 uicht bloß jeder Erfolg in Böhmen, sondern auch das Ansehen des heil. Stuhles überhaupt anf dem Spiele stand, entschloß er sich zunt rücksichtslosen Angriff auf den König, worauf auch die Unzufriedenen wei- tere Unterhandlung aufgaben und in den offenen Kaupf gegen Georg eintreten. Der Krieg blieb 1467 unentschieden. In Böhmen und Mähren hatte Georg, in Schlesien, den Lausitzen, die letztere ja nach der großen Mehrheit ihrer Bewohner katholisch waren, die katholische Liga, zu der sich der Herrenbund erweitert hatte, das Uebergewicht. So viel war auch bald nach Beginn des Feldzuges klar, daß zu einer Niederwerfung der Hussiten die bisher verfügbaren Kräfte nicht hinreichten. Daher, und dies ist der erste mit Bedacht hervorgehobene Monent unserer Denkschrift, das Anbringen des Ritters Dobrohost von Ronsperg (auf Bischofteinitz)
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286 — schon jetzt an die Curie: „von zwei Dingen müsse eins eintreten, entweder müßten sie (die Aufständischen) dem bereits als Ketzer erklärten Georg gehorchen, oder einen neuen Königund ein Haupt haben, das sie schütze; wenn der apostolische Stuhl ihnen einen solchen geben werde, werden sie ihn annehmen, wer immer es sei." 1) Vou diesem Gegenstaude, den Bemühungen, gegen den seitens der Curie abgesetzten Podiebrad einen andern König in Böhmen zu erheben, geht uun der Verf. nicht mehr ab. Er führt aus, daß das Augenmerk der katholischen Unterthanen der Krone sich zunächst dem polnischen Königs- hanse zuwendete, da die Böhmen mit den Polen sprachverwandt seien und König Casimir und seine Kinder uach der Königin Elisabeth, der Schwester von Ladislaus Posthumus, Ansprüche auf die Nachfolge in Böhmen be säßen, da auch ein Sohn Casimirs bereits erwachsen wäre. Auch in Rom habe man dies erwogen. Deshalb, und weil der Papst entschlossen war, die böhmischen Stände bei ihren Freiheiteu zu erhalten, habe er es ab- gelehnt, von der ihm durch den von Ronsperg übertragenen Gewalt Ge- branch zu machen, und vielmehr anfgefordert, die Herren möchten durch Wahl uud unter Gutheißung des Legaten sich einen König setzen, den dann der heilige Stuhl zu bestätigen habe.2) Sie hätten darauf kurzhin sich zur Wahl (sic) des Polenkönigs entschlossen, unter den beiden Bedingungen, sie von der Unterdrückung durch Georg zu befreien und sie bald zu befreien. Der König von Polen nahm sich aber, wie weiter ausgeführt wird, Bedenkzeit, und unterdessen danerte der Kampf zwischen dem Abgesetzten und den fatholischen Herren fort, eine schwere Last zwar für diese, aber doch uicht allzu schwer, da sie in Zdenko von Sternberg einen tüchtigen und kriegserfahrenen Führer erwählt hatten. Trotzdem hätten sie unterliegen müssen, da Georg an Geld und Kriegsvolk ihnen überlegen war, wenn uicht zur Zeit, als Georgs Sohn Victorin sogar auch den Kaiser angriff und nicht uur Mähren, sondern auch Oesterreich verwüstete, ihm der König von Ungarn mit einem Heere entgegen getreten wäre. Durch ihn wurden die Gebiete des Kaisers ge- sichert, Mähren fast ganz befreit und den Händen Georgs und Victorins entzogen, ja der letztere von König Mathias, der die katholischen 1) Font. rer. Austriac. Abth. 1, VII, 225. 2) Ebendort: Voluit enim ipse pontifex ipsos in suis libertatibus conservare et ut per electionem regem habeant, quem si elegissent, legatus ipse approbaret, exinde per sedem apostolicam confirmandum.
286 — schon jetzt an die Curie: „von zwei Dingen müsse eins eintreten, entweder müßten sie (die Aufständischen) dem bereits als Ketzer erklärten Georg gehorchen, oder einen neuen Königund ein Haupt haben, das sie schütze; wenn der apostolische Stuhl ihnen einen solchen geben werde, werden sie ihn annehmen, wer immer es sei." 1) Vou diesem Gegenstaude, den Bemühungen, gegen den seitens der Curie abgesetzten Podiebrad einen andern König in Böhmen zu erheben, geht uun der Verf. nicht mehr ab. Er führt aus, daß das Augenmerk der katholischen Unterthanen der Krone sich zunächst dem polnischen Königs- hanse zuwendete, da die Böhmen mit den Polen sprachverwandt seien und König Casimir und seine Kinder uach der Königin Elisabeth, der Schwester von Ladislaus Posthumus, Ansprüche auf die Nachfolge in Böhmen be säßen, da auch ein Sohn Casimirs bereits erwachsen wäre. Auch in Rom habe man dies erwogen. Deshalb, und weil der Papst entschlossen war, die böhmischen Stände bei ihren Freiheiteu zu erhalten, habe er es ab- gelehnt, von der ihm durch den von Ronsperg übertragenen Gewalt Ge- branch zu machen, und vielmehr anfgefordert, die Herren möchten durch Wahl uud unter Gutheißung des Legaten sich einen König setzen, den dann der heilige Stuhl zu bestätigen habe.2) Sie hätten darauf kurzhin sich zur Wahl (sic) des Polenkönigs entschlossen, unter den beiden Bedingungen, sie von der Unterdrückung durch Georg zu befreien und sie bald zu befreien. Der König von Polen nahm sich aber, wie weiter ausgeführt wird, Bedenkzeit, und unterdessen danerte der Kampf zwischen dem Abgesetzten und den fatholischen Herren fort, eine schwere Last zwar für diese, aber doch uicht allzu schwer, da sie in Zdenko von Sternberg einen tüchtigen und kriegserfahrenen Führer erwählt hatten. Trotzdem hätten sie unterliegen müssen, da Georg an Geld und Kriegsvolk ihnen überlegen war, wenn uicht zur Zeit, als Georgs Sohn Victorin sogar auch den Kaiser angriff und nicht uur Mähren, sondern auch Oesterreich verwüstete, ihm der König von Ungarn mit einem Heere entgegen getreten wäre. Durch ihn wurden die Gebiete des Kaisers ge- sichert, Mähren fast ganz befreit und den Händen Georgs und Victorins entzogen, ja der letztere von König Mathias, der die katholischen 1) Font. rer. Austriac. Abth. 1, VII, 225. 2) Ebendort: Voluit enim ipse pontifex ipsos in suis libertatibus conservare et ut per electionem regem habeant, quem si elegissent, legatus ipse approbaret, exinde per sedem apostolicam confirmandum.
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287 — Barone in seinen Schutz genommen hatte, gefangen gesetzt und so erst der Heimsuchung der Barone durch Victorin ein Ende bereitet. „Als aber die Barone,“ so fährt der Traktat fort, „sahen, daß ihnen so viele nud so große Wohlthaten erwiesen wurden, und die Mühen des genaunten Königs von Ungarn, und die Gefahr für seinen Leib, Stand und sein Reich erwogen, in die er sich wegen ihrer Vertheidigung begeben, da wollten sie Gutes mit Guten vergelten und erwählten denselben Mathias zu ihrem eigenen König und erkannten ihn als solchen an. Sie drangen mit den inständigsten Bitten in ihn, daß er die Wahl genehmige, sie an- nehme und die Schutzgewalt über sie vom Neuen und nun als König und Herr überuchme, daß er nicht gestatte, daß der Ketzer sie verfolge, dessen eingedenk, daß ihm als König die Vertheidigung des Glaubens und der unterdrückten Katholiken zustehe."1) Der Traktat schließt mit den Worten: „Und so ist es geschehen, daß er nach ihren Bitten die Wahl an- nahm und ihr zustimimte, daß er die Beschützung und Beherrschung der- setben übernahm und unigefehrt, sie ihm Eid und Huldigung leisteten mnd sich als seine Unterthanen bekannten. Dieser Angelegenheit gehen uun alle in gleicher Weise, so- wohl der König wie die Barone uach. Und um darin die Leitung zu führen, ist vom apostolischen Stuhle der ehrwürdige Vater Herr Laurenz, Bischof von Ferrara, mit der Gewalt eines Legatus de latere geschickt worden. Möge er nichts unterlassen, sie zu glücklichem Ende zu führen und der allmächtige Gott dies in Gnaden gewähren. Amen. Die jüngsten im Traktate gegen Ende erwähnten Daten sind die Sendung des Bischofs von Ferrara, Laurenz Rovarella, nach Dentschland, Frühjahr 1468,2) die Wahl des Ungarkönigs zum König von Böhmen zu Olmütz (am 3. Mai 1469),3) auch ist anf die Bemühungen des Legaten, dem Ungarkönig in Sachen seines böhmischen Königsthums beizustehen, hingewiesen. Wer aber demgemäß meinen wollte, daß wir es mit einem Schriftstücke zu thun haben, das unmittelbar oder doch bald nach der Olmützer Wahl verfaßt wurde, wie ja auch der Schluß der Darlegnng anscheinend besagt, der befindet sich im Irrthum. Der Verfasser keunt 1) Statt "recordaretur, se regem esse ad eumque defensionem fidei et oppres- sionem catholicorum expectare (Font. rer. Austriac. 1. Abth. VII, 226) muß es natürlich heißen „ad cumque defensionem fidei et oppressorum catholicorum expectare“. 2) Vergl. Raynaldi Annales ecclesiastici ad a. 1468 n. 2—3. Vou der Legation handelt H. Ermisch, Studien zur Geschichte der böhmisch-sächsischen Be ziehungen 2c., Neues Archiv f. sächs. Gesch. II. 11 ff. 3) A. Bachmann, deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich III. u. Max I., II 227.
287 — Barone in seinen Schutz genommen hatte, gefangen gesetzt und so erst der Heimsuchung der Barone durch Victorin ein Ende bereitet. „Als aber die Barone,“ so fährt der Traktat fort, „sahen, daß ihnen so viele nud so große Wohlthaten erwiesen wurden, und die Mühen des genaunten Königs von Ungarn, und die Gefahr für seinen Leib, Stand und sein Reich erwogen, in die er sich wegen ihrer Vertheidigung begeben, da wollten sie Gutes mit Guten vergelten und erwählten denselben Mathias zu ihrem eigenen König und erkannten ihn als solchen an. Sie drangen mit den inständigsten Bitten in ihn, daß er die Wahl genehmige, sie an- nehme und die Schutzgewalt über sie vom Neuen und nun als König und Herr überuchme, daß er nicht gestatte, daß der Ketzer sie verfolge, dessen eingedenk, daß ihm als König die Vertheidigung des Glaubens und der unterdrückten Katholiken zustehe."1) Der Traktat schließt mit den Worten: „Und so ist es geschehen, daß er nach ihren Bitten die Wahl an- nahm und ihr zustimimte, daß er die Beschützung und Beherrschung der- setben übernahm und unigefehrt, sie ihm Eid und Huldigung leisteten mnd sich als seine Unterthanen bekannten. Dieser Angelegenheit gehen uun alle in gleicher Weise, so- wohl der König wie die Barone uach. Und um darin die Leitung zu führen, ist vom apostolischen Stuhle der ehrwürdige Vater Herr Laurenz, Bischof von Ferrara, mit der Gewalt eines Legatus de latere geschickt worden. Möge er nichts unterlassen, sie zu glücklichem Ende zu führen und der allmächtige Gott dies in Gnaden gewähren. Amen. Die jüngsten im Traktate gegen Ende erwähnten Daten sind die Sendung des Bischofs von Ferrara, Laurenz Rovarella, nach Dentschland, Frühjahr 1468,2) die Wahl des Ungarkönigs zum König von Böhmen zu Olmütz (am 3. Mai 1469),3) auch ist anf die Bemühungen des Legaten, dem Ungarkönig in Sachen seines böhmischen Königsthums beizustehen, hingewiesen. Wer aber demgemäß meinen wollte, daß wir es mit einem Schriftstücke zu thun haben, das unmittelbar oder doch bald nach der Olmützer Wahl verfaßt wurde, wie ja auch der Schluß der Darlegnng anscheinend besagt, der befindet sich im Irrthum. Der Verfasser keunt 1) Statt "recordaretur, se regem esse ad eumque defensionem fidei et oppres- sionem catholicorum expectare (Font. rer. Austriac. 1. Abth. VII, 226) muß es natürlich heißen „ad cumque defensionem fidei et oppressorum catholicorum expectare“. 2) Vergl. Raynaldi Annales ecclesiastici ad a. 1468 n. 2—3. Vou der Legation handelt H. Ermisch, Studien zur Geschichte der böhmisch-sächsischen Be ziehungen 2c., Neues Archiv f. sächs. Gesch. II. 11 ff. 3) A. Bachmann, deutsche Reichsgeschichte unter Friedrich III. u. Max I., II 227.
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288 — auch schon die Gefangennahme des Herzogs Victorin (24. Juli 1469),1) nach der Wahl zu Olmütz das bedeutungsvollste Ereigniß im Kriege um Böhmen während des Jahres 1469, ja das Ableben des Cardinals Carvajal.2) Carvajal starb aber am 6. December 1469 und die Nach¬- richt davon war kaum vor Begiun 1470 in Böhmen und Ungarn eingelangt. Da anderseits König Georg, dem der Kampf gilt, am 22. März 1471 starb,3) so kann der Traktat uur 1470—1471 verfaßt sein. Die Zeitgrenze läßt sich aber noch genauer fixiren. Daß an die letzte Zeit König Georgs nicht zu denken ist, beweist der Umstand, daß damals die Ordnung der böhmischen Sache nicht dem Bischofe von Ferrara, sondern dem für den Regensburger Reichstag ernamiten Cardinal Franz von Siena (Piccolomini) zugewiesen war. Anderseits liegt ein wirklicher oder absichtlicher Irrthum des Traktatenschreibers zu Tage, wenn er sagt, Legat Laurenz sei gesandt, um die Erhebung des Königs Mathias in Böhmen zu vollenden, da Laurenz schon lauge vor der Olmützer Wahl, wie aus obigem erhellt, nach Deutschland geschickt worden war.4) Immerhin uöthigt uns dieser Umstand, an die nenen Instructionen zu denken, die sich Rovarella hinsichtlich der Anerkenunng des Uugarkönigs einholte5) — für die unter seiner Vermittlung Nov. 1469 bis Feber-März 1470 geführten Verhandlungen des Kaisers mit Matthias, wobei die Anerkennung des Uugars als Königs von Böhmen gleichfalls ihre Rolle spielte.6) Zu dieser Zeit fanden auch die entscheidenden Be- redungen zwischen Böhmen und Polen ihren Abschluß, was den Uugar- könig nicht wenig erregte. Dies erklärt die besondere Beleuchtung des böhmisch-polnischen Verhältnisses im Traktate, wäbrend er das Project, dem Kurfürsten von Brandenburg die böhmische Krone zu übertragen, völlig übergeht. Da endlich der immerbin interessauten friegerischen Vorfälle des Jahres 1470, vor allen der wichtigen politischen Wandlungen, die es brachte, mit feinem Worte direct oder indirect gedacht ist, so wird man bei Feststellung der Abfassungszeit anf die Anfänge der Wiener Ver- 1) Ebendort 240. wo auch die Belege sich finden. 2) Font. rer. Aust. 1. c. 222: Sanctissimus dominus noster .... causam ... . Niceno et Spoletano et bonae memoriae Portuensi alias s' Angeli cardinalibus commisit. 3) Deutsche Reichsgeschichte II, 321. 4) Vergl. Deutsche Reichsgeschichte II, 80 a. a. 5) Natürlich erst nach dem 3. Mai 1469. 6) Ebeudort Il, 216 ff., 230, 289—290. Eben zu Beginn 1470 erscheinen in böhmischen Dienste wieder starke polnische Schaaren. Ebendort 311.
288 — auch schon die Gefangennahme des Herzogs Victorin (24. Juli 1469),1) nach der Wahl zu Olmütz das bedeutungsvollste Ereigniß im Kriege um Böhmen während des Jahres 1469, ja das Ableben des Cardinals Carvajal.2) Carvajal starb aber am 6. December 1469 und die Nach¬- richt davon war kaum vor Begiun 1470 in Böhmen und Ungarn eingelangt. Da anderseits König Georg, dem der Kampf gilt, am 22. März 1471 starb,3) so kann der Traktat uur 1470—1471 verfaßt sein. Die Zeitgrenze läßt sich aber noch genauer fixiren. Daß an die letzte Zeit König Georgs nicht zu denken ist, beweist der Umstand, daß damals die Ordnung der böhmischen Sache nicht dem Bischofe von Ferrara, sondern dem für den Regensburger Reichstag ernamiten Cardinal Franz von Siena (Piccolomini) zugewiesen war. Anderseits liegt ein wirklicher oder absichtlicher Irrthum des Traktatenschreibers zu Tage, wenn er sagt, Legat Laurenz sei gesandt, um die Erhebung des Königs Mathias in Böhmen zu vollenden, da Laurenz schon lauge vor der Olmützer Wahl, wie aus obigem erhellt, nach Deutschland geschickt worden war.4) Immerhin uöthigt uns dieser Umstand, an die nenen Instructionen zu denken, die sich Rovarella hinsichtlich der Anerkenunng des Uugarkönigs einholte5) — für die unter seiner Vermittlung Nov. 1469 bis Feber-März 1470 geführten Verhandlungen des Kaisers mit Matthias, wobei die Anerkennung des Uugars als Königs von Böhmen gleichfalls ihre Rolle spielte.6) Zu dieser Zeit fanden auch die entscheidenden Be- redungen zwischen Böhmen und Polen ihren Abschluß, was den Uugar- könig nicht wenig erregte. Dies erklärt die besondere Beleuchtung des böhmisch-polnischen Verhältnisses im Traktate, wäbrend er das Project, dem Kurfürsten von Brandenburg die böhmische Krone zu übertragen, völlig übergeht. Da endlich der immerbin interessauten friegerischen Vorfälle des Jahres 1470, vor allen der wichtigen politischen Wandlungen, die es brachte, mit feinem Worte direct oder indirect gedacht ist, so wird man bei Feststellung der Abfassungszeit anf die Anfänge der Wiener Ver- 1) Ebendort 240. wo auch die Belege sich finden. 2) Font. rer. Aust. 1. c. 222: Sanctissimus dominus noster .... causam ... . Niceno et Spoletano et bonae memoriae Portuensi alias s' Angeli cardinalibus commisit. 3) Deutsche Reichsgeschichte II, 321. 4) Vergl. Deutsche Reichsgeschichte II, 80 a. a. 5) Natürlich erst nach dem 3. Mai 1469. 6) Ebeudort Il, 216 ff., 230, 289—290. Eben zu Beginn 1470 erscheinen in böhmischen Dienste wieder starke polnische Schaaren. Ebendort 311.
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289 — handlungen gewiesen, die unter Rovarellas Vermittlung am 10. Feber 1470 begannen und zu Beginn März mit der plötzlichen Abreise des Ungarkönigs jäh endeten.1) Der Traktat war dazu bestimmt, der Auerkennung des Königs als der natürlichen Folge einer langen Reihe wichtiger Verhältuisse und That- sachen nach allen Seiten die Wege zu ebnen. Daß er aus der Umgebung des Ungarkönigs stammt und zwar aus der Feder eines Gerstlichen, dafür bedarf es wohl schon nach dem Ge- sagten keines weiteren Beweises. Es ist aber ebenso leicht zu erkennen, daß in dem ganzen Schrift sticke nicht der geistlich-kirchliche Charakter des Verfassers, soudern das politische Moment maßgebend bleibt. Entgegen den meisten Streitschriften ans jeuen Tagen enthält sich wie berührt unser Traktat der üblichen Schmä- hungen der Gegner und befleißigt er sich selbst König Georg gegenüber einer gewissen Objectivität. Ebenso läßt sich nicht sagen, daß etwa das Vorgehen der Kirche einseitig gepriesen und die Verdienste des Ungarkönigs über das in einer Parterschrift hinausgehende Maß emporgehoben werden. Nur die Anlage der Schrift, die Anordnung der Thatsachen, die Auswahl des Mitgetheilten deuten auf die Tendenz hin: allen Freunden der Kirche und des Sieges der katholischen Sache die Anerkennnng und Bestätigung der Erhebung des Ungarkönigs zum König von Böhmen als das einzig richtige Mittel zur Erreichung dieses Zieles zu empfehlen. Daß eine derartige Art der Beweisführung auf den Leser uothwendig einen gewissen Eindruck machen muß, läßt sich nicht lengnen. Bekauntlich hat der Wyschehrader Propst, Johann von Rabenstein, zu Beginn 1469 in ganz ähnlicher Weise den Versuch gemacht, den beiden kämpfenden Parteien den Frieden zu empfehlen. War aber dort die Mahnung, sich mit dem Gebannten zu vertragen, vor allem an das ungarische Lager gerichtet — Rabeustein hat sich selbst, da sein Bestreben mißlang, bald darauf in selbes flüchten müssen, — so kommt 1470 die Aufforderung, alle katholischen Kreise müßten, zur glücklichen Durchführung des Krieges, sich anf die Seite des Uugarkönigs stellen, jedesfalls aus der Umgebung des Königs Matthias, mit dem der Legat Rovarella Hand in Hand ging. Ja es hindert uichts, den Verfasser geradezu in der geist- lichen Gefolgschaft des Legaten zu suchen. Gerade für sein Thun, das weder mit den Worten der Curie noch mit der Haltung seines Collegen am polnischen Hofe sonderlich stimmte, enthielt der Traktat die ganze und 1) Vergl. darüber Reichsgeich. II 288 ff.
289 — handlungen gewiesen, die unter Rovarellas Vermittlung am 10. Feber 1470 begannen und zu Beginn März mit der plötzlichen Abreise des Ungarkönigs jäh endeten.1) Der Traktat war dazu bestimmt, der Auerkennung des Königs als der natürlichen Folge einer langen Reihe wichtiger Verhältuisse und That- sachen nach allen Seiten die Wege zu ebnen. Daß er aus der Umgebung des Ungarkönigs stammt und zwar aus der Feder eines Gerstlichen, dafür bedarf es wohl schon nach dem Ge- sagten keines weiteren Beweises. Es ist aber ebenso leicht zu erkennen, daß in dem ganzen Schrift sticke nicht der geistlich-kirchliche Charakter des Verfassers, soudern das politische Moment maßgebend bleibt. Entgegen den meisten Streitschriften ans jeuen Tagen enthält sich wie berührt unser Traktat der üblichen Schmä- hungen der Gegner und befleißigt er sich selbst König Georg gegenüber einer gewissen Objectivität. Ebenso läßt sich nicht sagen, daß etwa das Vorgehen der Kirche einseitig gepriesen und die Verdienste des Ungarkönigs über das in einer Parterschrift hinausgehende Maß emporgehoben werden. Nur die Anlage der Schrift, die Anordnung der Thatsachen, die Auswahl des Mitgetheilten deuten auf die Tendenz hin: allen Freunden der Kirche und des Sieges der katholischen Sache die Anerkennnng und Bestätigung der Erhebung des Ungarkönigs zum König von Böhmen als das einzig richtige Mittel zur Erreichung dieses Zieles zu empfehlen. Daß eine derartige Art der Beweisführung auf den Leser uothwendig einen gewissen Eindruck machen muß, läßt sich nicht lengnen. Bekauntlich hat der Wyschehrader Propst, Johann von Rabenstein, zu Beginn 1469 in ganz ähnlicher Weise den Versuch gemacht, den beiden kämpfenden Parteien den Frieden zu empfehlen. War aber dort die Mahnung, sich mit dem Gebannten zu vertragen, vor allem an das ungarische Lager gerichtet — Rabeustein hat sich selbst, da sein Bestreben mißlang, bald darauf in selbes flüchten müssen, — so kommt 1470 die Aufforderung, alle katholischen Kreise müßten, zur glücklichen Durchführung des Krieges, sich anf die Seite des Uugarkönigs stellen, jedesfalls aus der Umgebung des Königs Matthias, mit dem der Legat Rovarella Hand in Hand ging. Ja es hindert uichts, den Verfasser geradezu in der geist- lichen Gefolgschaft des Legaten zu suchen. Gerade für sein Thun, das weder mit den Worten der Curie noch mit der Haltung seines Collegen am polnischen Hofe sonderlich stimmte, enthielt der Traktat die ganze und 1) Vergl. darüber Reichsgeich. II 288 ff.
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290 volle Rechtfertigung. Aus den Papieren, die er als das nothwendige Rüstzeug seiner Legation mit sich führte, kounte der Verfasser am leichtesten das Materiale gewinnen, das er in seiner Schrift verwerthet hat. Dazu gehören die Bemerkungen über die Erhebung König Georgs, die auf den Traktat des Nikolaus Tempelfeld und den Dialogus Raben- steinensis hinweisen,1) die Correspondenz zwischen Podiebrad und Cardinal Carvajal, die sich in der Erzählung der Vorgänge bei Georgs Krönung wie direct in der Aufforderung zur Rückführung Böhmens auch im Ritus und Cultus zur alten Kirche, verräth.2) Dem Verfasser lagen weiter vor: der Krönungseid König Georgs (Mai 1458), der ursprünglich gehein gehalten, seit 1463 aus dem ungarischen Kronarchive bekannt geworden war;3) die Rede des Papstes Pius II., in der er am 20. März 1462 die Compaktaten bekämpfte, widerlegte, verwarf; die Berichte über die Verhandlungen des Fantinus de Valle in Prag im August 1462; die Verhandlungen zwischen dem Legaten, dem Bischof Domenico (de Tor- cellis), und dem Boten König Georgs in Wiener-Nenstadt; die Proceßacten des Königs an die Curie; der Bericht über die Gesaudtschaft des Dobrohost von Rousperg nach Rom; die Verhandlungen mit Polen betreffs der Er hebung König Casimirs 1467—1469. Bezüglich der Sendung Dobrohosts, für die man sich auf uuseren Traktat zu berufen pflegt, muß aber noch¬ mals auf die oben gebrachte Bemerkung verwiesen werden: ob Dobrohost so ganz einfach erklärt hat, daß die Böhmen zum Könige annehmen würden, wen immer die Curie ihnen als solchen zu setzen gedächte, erscheint bei dem befannten Charakter der böhmischen Herren denn doch einiger- maßen fraglich.4) Jedesfalls zeigt der Verlauf der Ereignisse, daß die Curie selbst die Bedentung eines solchen Erbietens uicht überschätzte und in der Königssache jederzeit das Einvernehmen mit den böhmischen Baronen zu wahren verstand. Nicht in der größeren oder geringeren Anzahl nener Thatsachen, sondern in der Charakterisirung der Anffassung und Stimmungen der Sachlage zu Beginn des Jahres 1470 seitens des Ungarkönigs und seiner 1) Vergl. Tractat 1. c. p. 211. 2) Ebendort 211, 212. 3) Er fand sich doch sicher anch in den Papieren des Cardinal Carvajal. Vergl. Scriptor. rer. Silesiacarum VIII (Politische Correspondenz von Breslan, —ed. Hermanu Markgraf), S. 7—8, n. 10. 4) Vergl. auch H. Markgraf. Die Bildung der fatholischen Liga gegen Georg von Podiebrad. Histor. Zeitschrift (Sybel) 38 (1877) 56 ff., bej. 79, Ann. 1 u. 266.
290 volle Rechtfertigung. Aus den Papieren, die er als das nothwendige Rüstzeug seiner Legation mit sich führte, kounte der Verfasser am leichtesten das Materiale gewinnen, das er in seiner Schrift verwerthet hat. Dazu gehören die Bemerkungen über die Erhebung König Georgs, die auf den Traktat des Nikolaus Tempelfeld und den Dialogus Raben- steinensis hinweisen,1) die Correspondenz zwischen Podiebrad und Cardinal Carvajal, die sich in der Erzählung der Vorgänge bei Georgs Krönung wie direct in der Aufforderung zur Rückführung Böhmens auch im Ritus und Cultus zur alten Kirche, verräth.2) Dem Verfasser lagen weiter vor: der Krönungseid König Georgs (Mai 1458), der ursprünglich gehein gehalten, seit 1463 aus dem ungarischen Kronarchive bekannt geworden war;3) die Rede des Papstes Pius II., in der er am 20. März 1462 die Compaktaten bekämpfte, widerlegte, verwarf; die Berichte über die Verhandlungen des Fantinus de Valle in Prag im August 1462; die Verhandlungen zwischen dem Legaten, dem Bischof Domenico (de Tor- cellis), und dem Boten König Georgs in Wiener-Nenstadt; die Proceßacten des Königs an die Curie; der Bericht über die Gesaudtschaft des Dobrohost von Rousperg nach Rom; die Verhandlungen mit Polen betreffs der Er hebung König Casimirs 1467—1469. Bezüglich der Sendung Dobrohosts, für die man sich auf uuseren Traktat zu berufen pflegt, muß aber noch¬ mals auf die oben gebrachte Bemerkung verwiesen werden: ob Dobrohost so ganz einfach erklärt hat, daß die Böhmen zum Könige annehmen würden, wen immer die Curie ihnen als solchen zu setzen gedächte, erscheint bei dem befannten Charakter der böhmischen Herren denn doch einiger- maßen fraglich.4) Jedesfalls zeigt der Verlauf der Ereignisse, daß die Curie selbst die Bedentung eines solchen Erbietens uicht überschätzte und in der Königssache jederzeit das Einvernehmen mit den böhmischen Baronen zu wahren verstand. Nicht in der größeren oder geringeren Anzahl nener Thatsachen, sondern in der Charakterisirung der Anffassung und Stimmungen der Sachlage zu Beginn des Jahres 1470 seitens des Ungarkönigs und seiner 1) Vergl. Tractat 1. c. p. 211. 2) Ebendort 211, 212. 3) Er fand sich doch sicher anch in den Papieren des Cardinal Carvajal. Vergl. Scriptor. rer. Silesiacarum VIII (Politische Correspondenz von Breslan, —ed. Hermanu Markgraf), S. 7—8, n. 10. 4) Vergl. auch H. Markgraf. Die Bildung der fatholischen Liga gegen Georg von Podiebrad. Histor. Zeitschrift (Sybel) 38 (1877) 56 ff., bej. 79, Ann. 1 u. 266.
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291 Freunde,1) und in der Tendenz wird die Bedentung der „Series rerum gestarum etc.“ zu suchen sein. Das hindert uicht, daß einzelne An- gaben für werthvoll erachtet werden,2) so wie denn z. B. die Darlegung der Wiener-Neustädter Verhandlungen zwischen den Boten König Georgs und dem Bischof Domenico (de Domenichis) von Torcello als durchaus der Sachlage angemessen und verläßlich angesehen wird und demgemäß auch seitens der modernen Geschichtschreibung allenthalben Eingang in die Zeichnung dieser Verhandlungen gefunden hat. 1) Vergl. dazu noch meine Deutsche Reichsgeschichte II, 283; 288 ff. 2) Fontes rer. Austriacarum, 1. Abth. VII, 219—220.
291 Freunde,1) und in der Tendenz wird die Bedentung der „Series rerum gestarum etc.“ zu suchen sein. Das hindert uicht, daß einzelne An- gaben für werthvoll erachtet werden,2) so wie denn z. B. die Darlegung der Wiener-Neustädter Verhandlungen zwischen den Boten König Georgs und dem Bischof Domenico (de Domenichis) von Torcello als durchaus der Sachlage angemessen und verläßlich angesehen wird und demgemäß auch seitens der modernen Geschichtschreibung allenthalben Eingang in die Zeichnung dieser Verhandlungen gefunden hat. 1) Vergl. dazu noch meine Deutsche Reichsgeschichte II, 283; 288 ff. 2) Fontes rer. Austriacarum, 1. Abth. VII, 219—220.
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W ittheiſungen des Vereines für Geſchichte der Deutſchen in Böhmen. XXXVI. Jahrgang. Iiedigirt von Dr. G. Biermann und Dr. A. Horčička. Nebst der literarischen Beilage. Prag 1898. Im Selbstverlage des Vereins und in Commisfion bei H. Dominicus.
W ittheiſungen des Vereines für Geſchichte der Deutſchen in Böhmen. XXXVI. Jahrgang. Iiedigirt von Dr. G. Biermann und Dr. A. Horčička. Nebst der literarischen Beilage. Prag 1898. Im Selbstverlage des Vereins und in Commisfion bei H. Dominicus.
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