z 180 stránek
Titel
I
II
III
IV
Vorwort
V
VI
Inhaltsverzeichnis
VII
VIII
Einleitung
1
2
3
4
5
6
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Anhang
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147
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152
153
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Register
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- s. V: ...die Taten und Schicksale der Breslauer Bürgerschaft in der Epoche Georgs von Podiebrad auch geblieben sind, so gehören sie doch nicht allein der...
- s. VII: .... 1. Kapitel. Voraussetzungen . . . I. Das Königtum Georgs von Podiebrad . . . . . . . II. Der Widerstand der Stadt Breslau . . . ....
- s. VIII: ...Bd. VII. 1872). Korr. = Volitische Korrespondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podiebrad, herausg. von H. Markgraf (Scriptores rerum Silesiacarum, Bd. VIII, IX....
- s. VIII: ...Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbar- länder im Zeitalter Georgs von Podiebrad, herausg. von F. Palacky (Fontes rerum Austriacarum, Bd. XX. 1860)....
- s. 1: ...erreichten sie unter der Führung eines Edelmannes aus ihrer Mitte, Georgs von Podiebrad, der von 1452—1457 Gubernator von Böhmen, von 1458 bis 1471...
- s. 2: ...und aus ihr ging auch der nationale Führer und Fürst, Georg von Podiebrad, hervor. Ihn förderte zugleich seine Abstammung aus einer Fa milie...
- s. 5: ...er sich von der geist- lichen Weltherrschaft uicht befreien konnte. Georg von Podiebrad hat gegen die Gewalten, die seine Herrschaft be drohten, nicht...
- s. 7: ...ver jolgen wir, indem wir uns den Widerstand Breslaus gegen Georg von Podie- brad in seinem Verlaufe zur Auschanung bringen. 1) Dagegen geschah es...
- s. 8: ...echte Christenglanbe gelten konnte. Die Erhebung der böhmischen Nation und Georgs von Podiebrad fehrte alle Werte um, die bis dahin das Staatsrecht der...
- s. 22: ...Huldigung an König Ladislaus. Den Kämpfen der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad geht ein langjähriger staatsrechtlicher Konflikt zwischen den böhmischen Ständen und...
- s. 23: ...unentschieden. Jndessen danerte der Kampf der böhmischen Adels- parteien an. Georg von Podiebrad, der Hauptmann der utraquistischen Partei, ging ans ihm als Sieger...
- s. 28: ...sich die Stadt Breslau und die böhmische Regierung, das heißt Georg von Podiebrad, als Feinde gegenüber. Eine plötzliche unbesonnene Aujwühlung der Massenleidenschaften hatte...
- s. 36: ...Huldigungskonflikt gezeitigt hatte: die Feind- schaft der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad. 1) Zum folgenden Abschnitt vgl. Markgraf, Zeitschr. XI, 260 ff....
- s. 85: ...Verhältnisse zu be- gründen. Die Stadt Breslan erkannte das Königtum Georgs von Podiebrad an; sie erwarb sich unter ihm eine ehrenvolle und gesicherte...
- s. 94: ...fröhnen1). Überdies aber hatten die ersten Kouflikte der Stadt mit Georg von Podiebrad schon die Umrisse des Bildes geschaffen, das man jetzt grell...
- s. 116: ...ist namentlich auf Markgraf: Die Bildung der katholischen Liga gegen Georg von Podiebrad, Hist. Zeitschr. 38 (1877) zu verweisen. 2) Urk. Beitr. 330,...
- s. 142: ...sein" 2). Wir haben den Kampf der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad von seinen Anfängen an verfolgt und kennen den tragischen Inhalt...
- s. 156: ...rufen. Eschenloer brachte hier die erste Epoche des Kampfes mit Georg von Podiebrad zur Dar- stellung, als der zweite Angriff der Stadt gegen...
Název:
Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad
Autor:
Koebner, Richard
Rok vydání:
1916
Místo vydání:
Breslau
Počet stran celkem:
180
Obsah:
- I: Titel
- V: Vorwort
- VII: Inhaltsverzeichnis
- 1: Einleitung
- 146: Anhang
- 171: Register
upravit
Strana I
Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad. Von Richard Koebner. Serdtnand &ttI, Königliche Universitätss und Verlagsbuchhandlung. Breslau 1916.
Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad. Von Richard Koebner. Serdtnand &ttI, Königliche Universitätss und Verlagsbuchhandlung. Breslau 1916.
Strana II
Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte. Herausgegeben vom Verein für Geschichte Schlesiens. Zweiundzwanzigster Band. Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad. Von Richard Koebner. ☞ Ferdinand Hirt, Königliche Universitäts, und Verlagsbuchhandlung. Breslau 1916.
Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte. Herausgegeben vom Verein für Geschichte Schlesiens. Zweiundzwanzigster Band. Der Widerstand Breslaus gegen Georg von Podiebrad. Von Richard Koebner. ☞ Ferdinand Hirt, Königliche Universitäts, und Verlagsbuchhandlung. Breslau 1916.
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Vorwort. —o begrenzt in ihrer Auswirkung die Taten und Schicksale der Breslauer Bürgerschaft in der Epoche Georgs von Podiebrad auch geblieben sind, so gehören sie doch nicht allein der Heimatchronik an; sie gehören zum Gesamt bilde der Geschichte des politischen Geistes im deutschen Bürgertum. Die folgende Darstellung will vor allem der Vorbereitung von Untersuchungen dienen, die diesem größeren Gegenstande gelten. Das Stück städtebürgerlichen politischen Lebens, das sie übermitteln hilft, ist zwar nicht durch innere Größe anziehend, wohl aber durch seiue innere Vielgestaltigkeit besonders aufschlußreich. Eine vortreffliche Überlieferung hat dafür gesorgt, daß uns nicht allein der äußere Verlauf der Ereignisse, sondern gerade auch der geistige Inhalt dieses Abschnitts der Stadtgeschichte durchsichtig wird. Die Hauptmasse dieser Überlieferung liegt beschlossen in den beiden Folianten der Breslauer Stadt- bibliothek und der Breslaner Universitätsbibliothek, die das Werk Peter Eschen- loers: seine Sammlung von Briefen und Urkunden, seine lateinische und seine deutsche Geschichtserzählung, enthalten. Den Inhalt der Iateinischen Nieder- schrift hat Markgraf mit anderen Quellen in den Bänden VII bis IX der Scriptores rerum Silesiacarum der Forschung erschlossen. Was diese Ver öffentlichung für die Keuntnis der Geschichte Podiebrads bedeutet hat, das brauche ich hier nicht mehr auszuführen. Auch meine Untersuchungen haben in ihr eine gesicherte Grundlage gefunden. Aber ich möchte nicht versäumen, zugleich die Bedeutung zu betonen, die neben diesem Material immer noch das deutsche Werk Eschenloers in Anspruch nehmen darf. Die Forschungen Palackys und Markgrafs haben zwar die Unzuverlässigkeit dieser Schrift erwiesen, und sie ist auch auf weite Strecken für unsere Keuntnis des Einzelnen überflüssig geworden, seit wir in den lateinischen Aufzeichnungen Eschenloers ihre Quellen grundlage besitzen. Aber für das Verständuis der inneren Zusammenhänge in der bürgerlichen Politik hat der deutsche Text darum an Wert uichts ein- gebüßt. Zwar muß der Forscher an der allgemeinen Auffassung des Chronisten die gleiche Kritik üben wie an seinen einzelnen Angaben. Das Werk enthält die persönlichen Denkwürdigkeiten eines Manues, der mitten in den Ereignissen gestanden hat; es verteidigt und klagt an und kann nicht objektiv sein. Aber seine Subjektivität ist zugleich sein hoher Vorzug. Eschenloer bringt hier ein lebendiges Empfinden und Anschauen gestaltungskräftig und phrasenlos zur Aussprache. Er sieht die Menschen leibhaft, deren Handlungen er erzählt, namentlich die Bürger und Geistlichen seiner Stadt. Wir lernen sie mit seinen Augen sehen, und das Bild, das wir damit erhalten, ist das Iebendigste, das wir überhaupt von ihnen erhalten können; so wie sie hier erscheinen, müssen wir sie vor allem zu verstehen suchen. Daneben führt uns das politische Deuken und Empfinden Eschenloers selbst, das wir erst in dem deutschen Werke
Vorwort. —o begrenzt in ihrer Auswirkung die Taten und Schicksale der Breslauer Bürgerschaft in der Epoche Georgs von Podiebrad auch geblieben sind, so gehören sie doch nicht allein der Heimatchronik an; sie gehören zum Gesamt bilde der Geschichte des politischen Geistes im deutschen Bürgertum. Die folgende Darstellung will vor allem der Vorbereitung von Untersuchungen dienen, die diesem größeren Gegenstande gelten. Das Stück städtebürgerlichen politischen Lebens, das sie übermitteln hilft, ist zwar nicht durch innere Größe anziehend, wohl aber durch seiue innere Vielgestaltigkeit besonders aufschlußreich. Eine vortreffliche Überlieferung hat dafür gesorgt, daß uns nicht allein der äußere Verlauf der Ereignisse, sondern gerade auch der geistige Inhalt dieses Abschnitts der Stadtgeschichte durchsichtig wird. Die Hauptmasse dieser Überlieferung liegt beschlossen in den beiden Folianten der Breslauer Stadt- bibliothek und der Breslaner Universitätsbibliothek, die das Werk Peter Eschen- loers: seine Sammlung von Briefen und Urkunden, seine lateinische und seine deutsche Geschichtserzählung, enthalten. Den Inhalt der Iateinischen Nieder- schrift hat Markgraf mit anderen Quellen in den Bänden VII bis IX der Scriptores rerum Silesiacarum der Forschung erschlossen. Was diese Ver öffentlichung für die Keuntnis der Geschichte Podiebrads bedeutet hat, das brauche ich hier nicht mehr auszuführen. Auch meine Untersuchungen haben in ihr eine gesicherte Grundlage gefunden. Aber ich möchte nicht versäumen, zugleich die Bedeutung zu betonen, die neben diesem Material immer noch das deutsche Werk Eschenloers in Anspruch nehmen darf. Die Forschungen Palackys und Markgrafs haben zwar die Unzuverlässigkeit dieser Schrift erwiesen, und sie ist auch auf weite Strecken für unsere Keuntnis des Einzelnen überflüssig geworden, seit wir in den lateinischen Aufzeichnungen Eschenloers ihre Quellen grundlage besitzen. Aber für das Verständuis der inneren Zusammenhänge in der bürgerlichen Politik hat der deutsche Text darum an Wert uichts ein- gebüßt. Zwar muß der Forscher an der allgemeinen Auffassung des Chronisten die gleiche Kritik üben wie an seinen einzelnen Angaben. Das Werk enthält die persönlichen Denkwürdigkeiten eines Manues, der mitten in den Ereignissen gestanden hat; es verteidigt und klagt an und kann nicht objektiv sein. Aber seine Subjektivität ist zugleich sein hoher Vorzug. Eschenloer bringt hier ein lebendiges Empfinden und Anschauen gestaltungskräftig und phrasenlos zur Aussprache. Er sieht die Menschen leibhaft, deren Handlungen er erzählt, namentlich die Bürger und Geistlichen seiner Stadt. Wir lernen sie mit seinen Augen sehen, und das Bild, das wir damit erhalten, ist das Iebendigste, das wir überhaupt von ihnen erhalten können; so wie sie hier erscheinen, müssen wir sie vor allem zu verstehen suchen. Daneben führt uns das politische Deuken und Empfinden Eschenloers selbst, das wir erst in dem deutschen Werke
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VI Vorwort. vollständig übersehen, in die Politik des Breslaner Rates ein, an der er handelnd mitgewirkt hat. Und endlich bedenten anch die Veränderungen, die der deutsche Text an den Einzelheiten der lateinischen Fassung vornimmt, nicht durchweg eine Verfälschung der Wahrheit; Eschensoer hat hier manches frei ausgesprochen, was er früher verschweigen oder mildern mußte. Man wird dem Werke uicht gerecht, wenn man es uur als schriftstellerisches Deuk mal würdigt; Eschenloer ist ein guter Erzähler uur darum, weil er inhaltlich etwas zu geben hat. Markgraf hat diese Tatsachen bei seiner soust gewiß zutreffenden Beurteilung der Schrift wohl nicht bestreiten wollen, aber auch nicht hervortreten lassen. Und seit seiner Kritik ist das Buch, wie es scheint, einer ungerechten Geringschätzung anheimgefallen; allerdings hat Ottokar Lorenz mit seiner völlig verzerrenden Charakteristik wohl uur bei wenigen Lesern Eschenloers Zustimmung gefunden. Hoffentlich findet die Wertschätzung, die das Buch verdient, bald einmal in einer würdigen nenen Ausgabe ihren Ausdruck. Wer Eschenloer von den Breslanern erzählen hört, der fühlt sich selbst zum Erzählen angeregt; der Umstand, daß man an dem Werte seiner Schilderungen irre wurde, hat wohl viel dazu beigetragen, daß der Widerstand Breslaus gegen Podiebrad in neuerer Zeit noch kanm ein Gegenstand ausführlicherer, zusammenhängender Darstellnng geworden ist. Nur die volkstümliche Chronik der Stadt Breslau von F. A. Weiß hat sich dieser Aufgabe unterzogen, und der Verfasser hat es auch verstanden, etwas von der Wärme des dentschen Eschenloertextes auf seine Erzählung zu übertragen, die freilich die übrigen Quellen nicht genug zu Rate zieht. Die wesentlichsten darstellerischen Arbeiten zu unserm Gegenstande werden wiederum Markgraf verdankt. Von allen Forschern, die sich mit der Geschichte Podiebrads beschäftigt haben, hat er den Kampf der Stadt Breslan am eingehendsten behandelt. Jndessen galt sein Interesse in seinen Abhandlungen zur Geschichte der Epoche — abgesehen von dem Anfsatz über die Geschichte Schlesiens unter Ladislaus — doch vorwiegend dem Gegner der Stadt, dem Könige; der innere Charakter des Kampfes der Breslauer blieb im Hintergrunde. Mir kam es ungefehrt uur darauf an, zur Klärung dieser letzteren Frage beizutragen; damit möge man es auch entschuldigen, wenn die einzelnen Momente des Kampfes mit sehr ungleicher Ausführlichkeit und namentlich die letzten Jahre uur zusammenfassend behandelt sind. Herr Archivdirektor Professor Dr. Wendt hat diese Arbeit von ihrer Ent stehung bis zum Abschluß der Korrektur durch seine hingebende und beständige, persönliche Teilnahme wie auch durch sachliche Hinweise gefördert. Ich spreche ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dauk aus und gedenke zugleich der freundlichen Hilfsbereitschaft, der meine verschiedenartigen Wünsche und An- fragen bei Herrn Professor Dr. iur. et phil. Jecht in Görlitz, bei den Herren am Staats und am Diözesauarchiv in Breslau und bei der Schriftleitung des Geschichtsvereins begegnet sind. Breslau, Juli 1916. Richard Koebner.
VI Vorwort. vollständig übersehen, in die Politik des Breslaner Rates ein, an der er handelnd mitgewirkt hat. Und endlich bedenten anch die Veränderungen, die der deutsche Text an den Einzelheiten der lateinischen Fassung vornimmt, nicht durchweg eine Verfälschung der Wahrheit; Eschensoer hat hier manches frei ausgesprochen, was er früher verschweigen oder mildern mußte. Man wird dem Werke uicht gerecht, wenn man es uur als schriftstellerisches Deuk mal würdigt; Eschenloer ist ein guter Erzähler uur darum, weil er inhaltlich etwas zu geben hat. Markgraf hat diese Tatsachen bei seiner soust gewiß zutreffenden Beurteilung der Schrift wohl nicht bestreiten wollen, aber auch nicht hervortreten lassen. Und seit seiner Kritik ist das Buch, wie es scheint, einer ungerechten Geringschätzung anheimgefallen; allerdings hat Ottokar Lorenz mit seiner völlig verzerrenden Charakteristik wohl uur bei wenigen Lesern Eschenloers Zustimmung gefunden. Hoffentlich findet die Wertschätzung, die das Buch verdient, bald einmal in einer würdigen nenen Ausgabe ihren Ausdruck. Wer Eschenloer von den Breslanern erzählen hört, der fühlt sich selbst zum Erzählen angeregt; der Umstand, daß man an dem Werte seiner Schilderungen irre wurde, hat wohl viel dazu beigetragen, daß der Widerstand Breslaus gegen Podiebrad in neuerer Zeit noch kanm ein Gegenstand ausführlicherer, zusammenhängender Darstellnng geworden ist. Nur die volkstümliche Chronik der Stadt Breslau von F. A. Weiß hat sich dieser Aufgabe unterzogen, und der Verfasser hat es auch verstanden, etwas von der Wärme des dentschen Eschenloertextes auf seine Erzählung zu übertragen, die freilich die übrigen Quellen nicht genug zu Rate zieht. Die wesentlichsten darstellerischen Arbeiten zu unserm Gegenstande werden wiederum Markgraf verdankt. Von allen Forschern, die sich mit der Geschichte Podiebrads beschäftigt haben, hat er den Kampf der Stadt Breslan am eingehendsten behandelt. Jndessen galt sein Interesse in seinen Abhandlungen zur Geschichte der Epoche — abgesehen von dem Anfsatz über die Geschichte Schlesiens unter Ladislaus — doch vorwiegend dem Gegner der Stadt, dem Könige; der innere Charakter des Kampfes der Breslauer blieb im Hintergrunde. Mir kam es ungefehrt uur darauf an, zur Klärung dieser letzteren Frage beizutragen; damit möge man es auch entschuldigen, wenn die einzelnen Momente des Kampfes mit sehr ungleicher Ausführlichkeit und namentlich die letzten Jahre uur zusammenfassend behandelt sind. Herr Archivdirektor Professor Dr. Wendt hat diese Arbeit von ihrer Ent stehung bis zum Abschluß der Korrektur durch seine hingebende und beständige, persönliche Teilnahme wie auch durch sachliche Hinweise gefördert. Ich spreche ihm auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dauk aus und gedenke zugleich der freundlichen Hilfsbereitschaft, der meine verschiedenartigen Wünsche und An- fragen bei Herrn Professor Dr. iur. et phil. Jecht in Görlitz, bei den Herren am Staats und am Diözesauarchiv in Breslau und bei der Schriftleitung des Geschichtsvereins begegnet sind. Breslau, Juli 1916. Richard Koebner.
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Inhaltsverzeichnis. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel. Voraussetzungen . . . I. Das Königtum Georgs von Podiebrad . . . . . . . II. Der Widerstand der Stadt Breslau . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Die positischen Kräfte der Stadt 2. Kapitel. Der Widerstand gegen den Gubernator (1454—1457) 22—41 22 I. Der Streit um die Huldigung an König Ladislaus . . 36 II. Beharrung der Gegensätze. — Tod des Königs Ladislaus . 3. Kapitel. Der Kampf gegen die Anerkennung König Georgs 41—84 . . . . . . . . . . . . . (1458—1460) . . 41 I. Die Erhebung Podiebrads und der schlesische Bund . . II. Der Kampf der Parteien um den Papst (Frühjahr bis Herbst 1459). Vorherrschaft der Prediger in Breslau. Die Stadt . . im Verteidigungskriege . . . . . III. Die Vermittlung der Legaten. Theologisch-politische Kontro- versen. Der Friedensvertrag vom 13. Jannar 1460. . . VIII 1—22 53 69 4. Kapitel. Die Ernenerung des Angriffs im Buude mit der Kurie (1461—1464) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rückkehr zur Feindschaft . II. Bruch zwischen Pius und Georg. Aufhebung des Vertrages von 1460. Wechselnde Erfolge der Breslauer an der Kurie . . . . . 5. Kapitel. Der Entscheidungskampf (1466—1471) I. Vorbereitungen. — Der Vermittlungsversuch des Protas . von Olmütz . . . . . . . . . . . . II. Die Katastrophe Breslaus und der Ausgang Georgs. . . III. Nachwirkungen und Ergebuisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang. . . . I. Die Quellen zum Huldigungsstreit von 1454 . . . . . II. Allgemeine Bemerkung über die beiden Fassungen der Er- . . . . . zählung Eschenloers. . . . . . . . . III. Die Stärke des Breslauer Aufgebots . . . . . . . . IV. Beilagen (Nachträge zu Script. rer. Sil. VIII) . (1—3. Zum Huldigungsstreit. — 4. Heinrich von Rosen- berg als Laudeshauptmann. — 5. Die Streitschrift des Predigers Bartholomaeus.) 85—115 85 97 116—145 116 123 139 146—170 146 155 158 163 Druckjehler . . . Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 171
Inhaltsverzeichnis. Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel. Voraussetzungen . . . I. Das Königtum Georgs von Podiebrad . . . . . . . II. Der Widerstand der Stadt Breslau . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Die positischen Kräfte der Stadt 2. Kapitel. Der Widerstand gegen den Gubernator (1454—1457) 22—41 22 I. Der Streit um die Huldigung an König Ladislaus . . 36 II. Beharrung der Gegensätze. — Tod des Königs Ladislaus . 3. Kapitel. Der Kampf gegen die Anerkennung König Georgs 41—84 . . . . . . . . . . . . . (1458—1460) . . 41 I. Die Erhebung Podiebrads und der schlesische Bund . . II. Der Kampf der Parteien um den Papst (Frühjahr bis Herbst 1459). Vorherrschaft der Prediger in Breslau. Die Stadt . . im Verteidigungskriege . . . . . III. Die Vermittlung der Legaten. Theologisch-politische Kontro- versen. Der Friedensvertrag vom 13. Jannar 1460. . . VIII 1—22 53 69 4. Kapitel. Die Ernenerung des Angriffs im Buude mit der Kurie (1461—1464) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rückkehr zur Feindschaft . II. Bruch zwischen Pius und Georg. Aufhebung des Vertrages von 1460. Wechselnde Erfolge der Breslauer an der Kurie . . . . . 5. Kapitel. Der Entscheidungskampf (1466—1471) I. Vorbereitungen. — Der Vermittlungsversuch des Protas . von Olmütz . . . . . . . . . . . . II. Die Katastrophe Breslaus und der Ausgang Georgs. . . III. Nachwirkungen und Ergebuisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang. . . . I. Die Quellen zum Huldigungsstreit von 1454 . . . . . II. Allgemeine Bemerkung über die beiden Fassungen der Er- . . . . . zählung Eschenloers. . . . . . . . . III. Die Stärke des Breslauer Aufgebots . . . . . . . . IV. Beilagen (Nachträge zu Script. rer. Sil. VIII) . (1—3. Zum Huldigungsstreit. — 4. Heinrich von Rosen- berg als Laudeshauptmann. — 5. Die Streitschrift des Predigers Bartholomaeus.) 85—115 85 97 116—145 116 123 139 146—170 146 155 158 163 Druckjehler . . . Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 171
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Abkürzungen. Bachmann II = A. Bachmann, Geschichte Böhmens; Band II (1905). Esch. D I, II = Peter Eschenloer, Geschichten der Stadt Breslau, herausg. von J. G. Kunisch (2 Bde. 1827/8). Esch. L = Peter Eschenloer, Historia Wratislaviensis, herausg. von H. Mark graf (Scriptores rerum Silesiacarum, Bd. VII. 1872). Korr. = Volitische Korrespondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podiebrad, herausg. von H. Markgraf (Scriptores rerum Silesiacarum, Bd. VIII, IX. 1873/4). Markgraf, Verhältnis I = H. Markgraf, Das Verhältnis des Königs Georg von Böhmen zu Papst Pius II., 1458—1462 (1867; auch Programm des Friedrichs-Gymnasiums zu Breslan). Markgraf, Verhältnis II = H. Markgraf, Das Verhältnis des Königs Georg von Böhmen zu Papst Pius II., 1462—1464 (Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. IX, S. 219—258. 1869). Urk. Beitr. = Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbar- länder im Zeitalter Georgs von Podiebrad, herausg. von F. Palacky (Fontes rerum Austriacarum, Bd. XX. 1860). Zeitschr. = Zeitschrift des Vereius für Geschichte Schlesiens.
Abkürzungen. Bachmann II = A. Bachmann, Geschichte Böhmens; Band II (1905). Esch. D I, II = Peter Eschenloer, Geschichten der Stadt Breslau, herausg. von J. G. Kunisch (2 Bde. 1827/8). Esch. L = Peter Eschenloer, Historia Wratislaviensis, herausg. von H. Mark graf (Scriptores rerum Silesiacarum, Bd. VII. 1872). Korr. = Volitische Korrespondenz Breslaus im Zeitalter Georgs von Podiebrad, herausg. von H. Markgraf (Scriptores rerum Silesiacarum, Bd. VIII, IX. 1873/4). Markgraf, Verhältnis I = H. Markgraf, Das Verhältnis des Königs Georg von Böhmen zu Papst Pius II., 1458—1462 (1867; auch Programm des Friedrichs-Gymnasiums zu Breslan). Markgraf, Verhältnis II = H. Markgraf, Das Verhältnis des Königs Georg von Böhmen zu Papst Pius II., 1462—1464 (Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. IX, S. 219—258. 1869). Urk. Beitr. = Urkundliche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbar- länder im Zeitalter Georgs von Podiebrad, herausg. von F. Palacky (Fontes rerum Austriacarum, Bd. XX. 1860). Zeitschr. = Zeitschrift des Vereius für Geschichte Schlesiens.
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1. Kapitel. Voraussetzungen. I. Das Königtum Georgs von Podiebrad. Auf die ermattenden Mächte des Deutschen Reiches, der deutschen Nation und der Kirche, hat im 15. Jahrhundert eine von ihnen umschlossene und ursprünglich beherrschte Nation, das Tschechentum, den schwersten Druck aus- geübt. Zunächst hatten sie von ihr den furchtbaren, gewaltsamen Angriff der Hussitenkriege zu ertragen. Als dann die Volksbewegung, die diesen Vorstoß trug, abgeflntet war, blieben die Böhmen ein mächtiger Faktor in der Politik. Es schien eine Zeit lang, als ob sie auch ohne Volkskrieg die nationale und politische Gestaltung Mitteleuropas beherrschend verändern und die Allgeltung der römischen Kirche in Europa brechen sollten. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten sie unter der Führung eines Edelmannes aus ihrer Mitte, Georgs von Podiebrad, der von 1452—1457 Gubernator von Böhmen, von 1458 bis 1471 Träger der böhmischen Krone war. Die böhmische Nationalbewegung ist in dieser Zeit nicht mehr auf tief gehende Kirchen- und Sozialreform gerichtet. Als politisch einflußreiche Partei ist aus dem Hussitentum nur die gemäßigte Richtnng, der Utraquismus, übrig geblieben. Ihm war es gesungen, dem allgemeinen Konzil der Kirche für Böhmen eine Reihe kirchlicher Privilegien abzugewinnen, die einen Teil der hussitischen Forderungen festhielten: so namentlich den Laienkelch und die Predigt in der Landessprache. Diese Zngeständnisse, die „Kompaktaten“, waren geeignet, gerade das nationale Moment in der hussitischen Bewegung zu kräfti- gen und, für eine Zeit wenigstens, das ganze Land, soweit es tschechisch war, um den national-böhmischen Gedanken zu vereinigen. Denn sie wirkten — in der weitherzigen Auslegung, die sie erfuhren — allmählich versöhnend auf die Massen des niederen Volkes, obwohl dort das radikale Hussitentum auch nach seiner blntigen Niederwerfung noch fortlebte. Und andrerseits waren es Zugeständnisse der Kirche selbst, die für den katholischen Teil der Bevölkerung, namentlich für die Familien des hochadligen Herrenstandes, den Gegensatz Darstellungen und Quellen XXII. 1
1. Kapitel. Voraussetzungen. I. Das Königtum Georgs von Podiebrad. Auf die ermattenden Mächte des Deutschen Reiches, der deutschen Nation und der Kirche, hat im 15. Jahrhundert eine von ihnen umschlossene und ursprünglich beherrschte Nation, das Tschechentum, den schwersten Druck aus- geübt. Zunächst hatten sie von ihr den furchtbaren, gewaltsamen Angriff der Hussitenkriege zu ertragen. Als dann die Volksbewegung, die diesen Vorstoß trug, abgeflntet war, blieben die Böhmen ein mächtiger Faktor in der Politik. Es schien eine Zeit lang, als ob sie auch ohne Volkskrieg die nationale und politische Gestaltung Mitteleuropas beherrschend verändern und die Allgeltung der römischen Kirche in Europa brechen sollten. Den Höhepunkt ihrer Macht erreichten sie unter der Führung eines Edelmannes aus ihrer Mitte, Georgs von Podiebrad, der von 1452—1457 Gubernator von Böhmen, von 1458 bis 1471 Träger der böhmischen Krone war. Die böhmische Nationalbewegung ist in dieser Zeit nicht mehr auf tief gehende Kirchen- und Sozialreform gerichtet. Als politisch einflußreiche Partei ist aus dem Hussitentum nur die gemäßigte Richtnng, der Utraquismus, übrig geblieben. Ihm war es gesungen, dem allgemeinen Konzil der Kirche für Böhmen eine Reihe kirchlicher Privilegien abzugewinnen, die einen Teil der hussitischen Forderungen festhielten: so namentlich den Laienkelch und die Predigt in der Landessprache. Diese Zngeständnisse, die „Kompaktaten“, waren geeignet, gerade das nationale Moment in der hussitischen Bewegung zu kräfti- gen und, für eine Zeit wenigstens, das ganze Land, soweit es tschechisch war, um den national-böhmischen Gedanken zu vereinigen. Denn sie wirkten — in der weitherzigen Auslegung, die sie erfuhren — allmählich versöhnend auf die Massen des niederen Volkes, obwohl dort das radikale Hussitentum auch nach seiner blntigen Niederwerfung noch fortlebte. Und andrerseits waren es Zugeständnisse der Kirche selbst, die für den katholischen Teil der Bevölkerung, namentlich für die Familien des hochadligen Herrenstandes, den Gegensatz Darstellungen und Quellen XXII. 1
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2 Das nationale Königtum Georgs. zwischen strengen Katholiken und Utraquisten seines feindseligen Charakters entkleideten. Die religiösen Gegensätze im Lande waren jürs erste soweit be schwichtigt, daß die Aufgaben nationaler Politik, deren man sich im Glaubens- kriege bewußt geworden war, selbständig hervortreten kounten. Die Herrschaft der tschechischen Nation im Lande Böhmen und in der Krone Böhmen wurde ein Ziel für alle. Man kämpfte darnm, daß das Land nicht einfach Herrschafts- gebiet eines Fürsten sein, sondern zunächst der Nation selbst gehören sollte. Dieser Gedanke gewann stetig wachsende Geltung. Schon bei dem Übergang der Krone von den Luxemburgern auf den Habsburger Albrecht wurde das Wahlrecht der böhmischen Stände von einer mächtigen Partei proklamiert, und nach seinem frühen Tode erklärte sich das Land aller Verpflichtungen gegen die Dynastie ledig. Endlich richtete, nachdem Albrechts nachgeborener Sohn Ladislaus als erwählter König eine kurze, einflußlose Herrschaft geführt hatte, die Erhebung des Landesverwesers Podiebrad zum Könige ein boden ständiges und von Haus aus tschechisch nationales Regiment auf. Alle dieje “ Schritte begriffen in sich eine politische Vergewaltignng der „Nebeuländer“ die mit dem Lande Böhmen unter der Krone Böhmen vereinigt waren; es waren dies, abgesehen von dem national gemischten Mähren, Länder, in denen die deutsche Bevölkerung das Übergewicht hatte: Schlesien und die Lausitzen. Sie waren jetzt gegenüber der tschechischen Nation auf lange Jahre hilflos und wurden ihr selbst dienstbar. Diese Vergewaltigung war aber zu- gleich ein natürliches Ziel der Bewegung: das kleine tschechische Volk strebte danach, als Herrschervolk eine wirkliche Macht darzustellen. Nur durch die utraquistische Partei war dieser Anfstieg der Böhmen möglich, und aus ihr ging auch der nationale Führer und Fürst, Georg von Podiebrad, hervor. Ihn förderte zugleich seine Abstammung aus einer Fa milie des Herrenstandes, die ihn mit den Katholiken in natürlichen Zusammen- hang brachte. Er war auch durchaus der Mann dazu, in unabhängigen Böhmen für die notwendigen, geordneten Verhältnisse, Landessicherheit und ständige finanzielle und militärische Machtmittel, zu sorgen. Und er hatte dabei genug persönlichen Ehrgeiz, um seiner Herrschaft, und damit seinem Lande, nach außen hin die notwendige Geltnng zu verschaffen. Dennoch bedentete seine Herrschaft mit dem Höhepunkt zugleich die Krisis der böhmischen National- macht. Der Gegensatz gegen die Fremdherrschaft hatte das Volk geeinigt. Nachdem dieser Gegensatz durch die Erhebung eines inländischen Fürsten be- seitigt war, stand dieser selbst wieder den einzelnen Parteien im Lande gegen-- über und war vor die Aufgabe gestellt, dem uationalen Gedanken nach den Krästen der Abwehr auch die der Selbsterhaltung abzugewinnen. Für diese
2 Das nationale Königtum Georgs. zwischen strengen Katholiken und Utraquisten seines feindseligen Charakters entkleideten. Die religiösen Gegensätze im Lande waren jürs erste soweit be schwichtigt, daß die Aufgaben nationaler Politik, deren man sich im Glaubens- kriege bewußt geworden war, selbständig hervortreten kounten. Die Herrschaft der tschechischen Nation im Lande Böhmen und in der Krone Böhmen wurde ein Ziel für alle. Man kämpfte darnm, daß das Land nicht einfach Herrschafts- gebiet eines Fürsten sein, sondern zunächst der Nation selbst gehören sollte. Dieser Gedanke gewann stetig wachsende Geltung. Schon bei dem Übergang der Krone von den Luxemburgern auf den Habsburger Albrecht wurde das Wahlrecht der böhmischen Stände von einer mächtigen Partei proklamiert, und nach seinem frühen Tode erklärte sich das Land aller Verpflichtungen gegen die Dynastie ledig. Endlich richtete, nachdem Albrechts nachgeborener Sohn Ladislaus als erwählter König eine kurze, einflußlose Herrschaft geführt hatte, die Erhebung des Landesverwesers Podiebrad zum Könige ein boden ständiges und von Haus aus tschechisch nationales Regiment auf. Alle dieje “ Schritte begriffen in sich eine politische Vergewaltignng der „Nebeuländer“ die mit dem Lande Böhmen unter der Krone Böhmen vereinigt waren; es waren dies, abgesehen von dem national gemischten Mähren, Länder, in denen die deutsche Bevölkerung das Übergewicht hatte: Schlesien und die Lausitzen. Sie waren jetzt gegenüber der tschechischen Nation auf lange Jahre hilflos und wurden ihr selbst dienstbar. Diese Vergewaltigung war aber zu- gleich ein natürliches Ziel der Bewegung: das kleine tschechische Volk strebte danach, als Herrschervolk eine wirkliche Macht darzustellen. Nur durch die utraquistische Partei war dieser Anfstieg der Böhmen möglich, und aus ihr ging auch der nationale Führer und Fürst, Georg von Podiebrad, hervor. Ihn förderte zugleich seine Abstammung aus einer Fa milie des Herrenstandes, die ihn mit den Katholiken in natürlichen Zusammen- hang brachte. Er war auch durchaus der Mann dazu, in unabhängigen Böhmen für die notwendigen, geordneten Verhältnisse, Landessicherheit und ständige finanzielle und militärische Machtmittel, zu sorgen. Und er hatte dabei genug persönlichen Ehrgeiz, um seiner Herrschaft, und damit seinem Lande, nach außen hin die notwendige Geltnng zu verschaffen. Dennoch bedentete seine Herrschaft mit dem Höhepunkt zugleich die Krisis der böhmischen National- macht. Der Gegensatz gegen die Fremdherrschaft hatte das Volk geeinigt. Nachdem dieser Gegensatz durch die Erhebung eines inländischen Fürsten be- seitigt war, stand dieser selbst wieder den einzelnen Parteien im Lande gegen-- über und war vor die Aufgabe gestellt, dem uationalen Gedanken nach den Krästen der Abwehr auch die der Selbsterhaltung abzugewinnen. Für diese
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Innere Schwierigkeiten der böhmischen nationalen Idee. 3 Aufgabe fehlten dem Lande die geistigen Grundlagen. Dem nationalen Ge- danken einen Vorrang vor dem religiösen zu erhalten, waren die Böhmen, wenn sie ihn auch an sich klar erfaßten, damals ebensowenig imstande wie irgend eine andere Nation. Er hatte zwei Möglichkeiten zu einer Zukunft. Entweder mußte der Gegensatz gegen die übrige katholische Welt überhaupt aufhören; dann wäre die böhmische Nation in ihrem einigen Machtwillen als ein selbständiges Glied der katholischen Völkergemeinschaft erschienen. Oder aber der Reformgedanke hätte zu seinen alten, revolntionären, religiösen Ideen zurückkehren und die große Masse des Landes aufs neue begeistern müssen. Es hätten sich dann Führer finden müssen, die seinem Programm auch bei anderen Völkern Anhänger warben. Damit hätte die böhmische Nation gerade als diejenige, die die katholische Welt reformierte, ihre Einheit und ihre Unab- hängigkeit gesichert. Der nationale Gedanke hatte also nur dann eine Zukunft, wenn sich entweder alle religiösen Probleme von selbst ausschalteten, oder wenn er selbst aus einer religiösen Idee geistige Kräfte gewinnen konnte. Dagegen konnte er gegen die religiösen Gegensätze im Lande selbst auf die Dauer seine einigende Kraft uicht behaupten. Der Friede, der ihm zunächst eine einigende Kraft gab, war uur ein Kompromiß. Es kam hinzu, daß dem Königtum Podiebrads auch Widerstände ungeistigen, ständisch-eigensüchtigen Ursprungs entgegentraten. Die katholischen Hochadligen hatten sich ihrem ehemaligen Standesgenossen in der Erwartung unterworfen, daß er ihre ständischen An- sprüche anf Mitregierung und anf die finanzielle Ausbeutung des Staates unterstützen werde. Diese Forderungen gerieten notwendig mit Podiebrads fürstlichem Selbstbewußtsein in Kouflikt, — nicht minder freilich mit seinem Streben nach eigenem Besitz. Es zeigte Jich also in zweifacher Weise, daß der national-böhmische Ge danfe nicht rein bleiben kounte. Er war auf der hussitischen wie anf der katholischen Seite zu fest mit Parteiwünschen verbunden; diese wirkten dort aus Spaltung des Landes; hier entzweiten sie die Untertanen mit dem nationalen König. Für die Hussiten, anch für die herrschende gemäßigte Richtung, be- deutete die Freiheit der Nation immer in der Hauptsache die Bewahrung und Ausgestaltung der kirchlichen Errungenschaft; diese Idee aber war nicht zu befreien von der Tendenz auf Allgemeingültigkeit: sie forderte trotz des Friedens schluses mit der Kirche den Kampf gegen sie und damit den inneren Kamps im Lande. So gering der resigiöse Eigenbesitz der Utraquisten gegenüber dem gemeinsamen katholischen Lehrbestande war, so konnte doch ein innerer Grund dafür, daß er uur für eine Gruppe in böhmischen Volke gelten sollte, uicht gefunden werden. Die Utraquisten kounten uicht anders lehren, als daß der 1*
Innere Schwierigkeiten der böhmischen nationalen Idee. 3 Aufgabe fehlten dem Lande die geistigen Grundlagen. Dem nationalen Ge- danken einen Vorrang vor dem religiösen zu erhalten, waren die Böhmen, wenn sie ihn auch an sich klar erfaßten, damals ebensowenig imstande wie irgend eine andere Nation. Er hatte zwei Möglichkeiten zu einer Zukunft. Entweder mußte der Gegensatz gegen die übrige katholische Welt überhaupt aufhören; dann wäre die böhmische Nation in ihrem einigen Machtwillen als ein selbständiges Glied der katholischen Völkergemeinschaft erschienen. Oder aber der Reformgedanke hätte zu seinen alten, revolntionären, religiösen Ideen zurückkehren und die große Masse des Landes aufs neue begeistern müssen. Es hätten sich dann Führer finden müssen, die seinem Programm auch bei anderen Völkern Anhänger warben. Damit hätte die böhmische Nation gerade als diejenige, die die katholische Welt reformierte, ihre Einheit und ihre Unab- hängigkeit gesichert. Der nationale Gedanke hatte also nur dann eine Zukunft, wenn sich entweder alle religiösen Probleme von selbst ausschalteten, oder wenn er selbst aus einer religiösen Idee geistige Kräfte gewinnen konnte. Dagegen konnte er gegen die religiösen Gegensätze im Lande selbst auf die Dauer seine einigende Kraft uicht behaupten. Der Friede, der ihm zunächst eine einigende Kraft gab, war uur ein Kompromiß. Es kam hinzu, daß dem Königtum Podiebrads auch Widerstände ungeistigen, ständisch-eigensüchtigen Ursprungs entgegentraten. Die katholischen Hochadligen hatten sich ihrem ehemaligen Standesgenossen in der Erwartung unterworfen, daß er ihre ständischen An- sprüche anf Mitregierung und anf die finanzielle Ausbeutung des Staates unterstützen werde. Diese Forderungen gerieten notwendig mit Podiebrads fürstlichem Selbstbewußtsein in Kouflikt, — nicht minder freilich mit seinem Streben nach eigenem Besitz. Es zeigte Jich also in zweifacher Weise, daß der national-böhmische Ge danfe nicht rein bleiben kounte. Er war auf der hussitischen wie anf der katholischen Seite zu fest mit Parteiwünschen verbunden; diese wirkten dort aus Spaltung des Landes; hier entzweiten sie die Untertanen mit dem nationalen König. Für die Hussiten, anch für die herrschende gemäßigte Richtung, be- deutete die Freiheit der Nation immer in der Hauptsache die Bewahrung und Ausgestaltung der kirchlichen Errungenschaft; diese Idee aber war nicht zu befreien von der Tendenz auf Allgemeingültigkeit: sie forderte trotz des Friedens schluses mit der Kirche den Kampf gegen sie und damit den inneren Kamps im Lande. So gering der resigiöse Eigenbesitz der Utraquisten gegenüber dem gemeinsamen katholischen Lehrbestande war, so konnte doch ein innerer Grund dafür, daß er uur für eine Gruppe in böhmischen Volke gelten sollte, uicht gefunden werden. Die Utraquisten kounten uicht anders lehren, als daß der 1*
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4 Die Kirche als entscheidende Gewalt. Laienkelch zum Heile der Seele notwendig sei. Um diese Frage ernenerte sich der innere Zwiespalt; der Streit über das Symbol der nationalen Freiheit verdarb das Bewußtsein der nationalen Einheit. Für den fatholischen Hoch¬ adel war die utraquistische Auffassnug der böhmischen Sache auf die Dauer unannehmbar. Andrerseits aber vertrat er in seinen oben erwähnten Ausprüchen auf ständische Vorrechte und Vorteile offenbar ein gut Teil von dem, was ihm selbst der nationale Gedanke bedeutete: die Freiheit des Landes als die Freiheit der ständischen Oberschicht gegenüber der Krone; der erwählte König der Nation war ihm uur so lange von Wert, als er mit der Nation — das hieß: mit dem Herrenstande — regierte. Die Erhebung des Herrenstandes hat schließlich die Herrschaft Georgs über sein Land zersprengt. Aber sie ist unter der Mithilfe der römischen Kirche zustande gekommen, und sie hätte ohne diese Unterstützung überhaupt nicht erfolgen können. Es lag in der Hand der Kirche, ob sie das Geschent des Konzils, die Kompaktaten, gelten lassen wollte. Hätte sie dies getan, so wäre es sür die strengen Katholiken im Lande schwierig gewesen, gegen die Utraquisten zu Worte zu kommen, und auch den ständischen Ansprüchen des Hochadels hätte der ideelle Rückhalt gefehlt, der die Rebellion rechtfertigte. Die Kirche aber handelte unter einer inneren Notwendigkeit, wenn sie die Kompaktaten zurückzog und damit zur inneren Auflösung der nationalböhmischen Einheit das Zeichen gab. Denn das Friedenswerk des Konzils, die Gewährung eines nationalen Kult-Privilegs, war ein unhaltbares Kompromiß. Die kirchliche Lehr-Einheit ließ sich auf die Dauer nicht national differenzieren, jedenfalls uicht in der Frage nach dem heilsnotwendigen Kelchgebrauch: so lange das Privileg galt, war es uicht zu verhindern, daß sich an diese Frage ein dauernder Meinungs-- streit anknüpfte, in dem die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Kirchensehre immer wieder in Zweifel gezogen wurde. Anch bestand die Gefahr, daß der Erfolg in der Kelchfrage die Böhmen zu weiteren Angriffen gegen die Antorität er mutigte und die radikalen Richtungen wieder erstarken ließ. Es war Papst Pius II., der sich zu dem notwendigen Schritt der Zurücknahme entschloß, der gleiche Papst, der die konziliare Lehre von dem Vorrang des allgemeinen Konzils gegenüber dem Papste vernichtete: mit diesen beiden Entscheidungen stellte er noch kurz vor der endgültigen Auflösnng der kirchlichen Einheit Enropas das System der in Lehre und Autorität einheitlichen Papstfirche wieder her. Und indem er mit der Aufhebung der Kompaktaten zugleich den Sturz Podie brads und des nationalen Königtums der Böhmen bewirkte, ließ er zugleich die Papstkirche zum letzten Male in ihrer weltlichen Machtstellnng über den enropäischen Staaten erscheinen. Der böhmische Nationalstaat stand, wie in
4 Die Kirche als entscheidende Gewalt. Laienkelch zum Heile der Seele notwendig sei. Um diese Frage ernenerte sich der innere Zwiespalt; der Streit über das Symbol der nationalen Freiheit verdarb das Bewußtsein der nationalen Einheit. Für den fatholischen Hoch¬ adel war die utraquistische Auffassnug der böhmischen Sache auf die Dauer unannehmbar. Andrerseits aber vertrat er in seinen oben erwähnten Ausprüchen auf ständische Vorrechte und Vorteile offenbar ein gut Teil von dem, was ihm selbst der nationale Gedanke bedeutete: die Freiheit des Landes als die Freiheit der ständischen Oberschicht gegenüber der Krone; der erwählte König der Nation war ihm uur so lange von Wert, als er mit der Nation — das hieß: mit dem Herrenstande — regierte. Die Erhebung des Herrenstandes hat schließlich die Herrschaft Georgs über sein Land zersprengt. Aber sie ist unter der Mithilfe der römischen Kirche zustande gekommen, und sie hätte ohne diese Unterstützung überhaupt nicht erfolgen können. Es lag in der Hand der Kirche, ob sie das Geschent des Konzils, die Kompaktaten, gelten lassen wollte. Hätte sie dies getan, so wäre es sür die strengen Katholiken im Lande schwierig gewesen, gegen die Utraquisten zu Worte zu kommen, und auch den ständischen Ansprüchen des Hochadels hätte der ideelle Rückhalt gefehlt, der die Rebellion rechtfertigte. Die Kirche aber handelte unter einer inneren Notwendigkeit, wenn sie die Kompaktaten zurückzog und damit zur inneren Auflösung der nationalböhmischen Einheit das Zeichen gab. Denn das Friedenswerk des Konzils, die Gewährung eines nationalen Kult-Privilegs, war ein unhaltbares Kompromiß. Die kirchliche Lehr-Einheit ließ sich auf die Dauer nicht national differenzieren, jedenfalls uicht in der Frage nach dem heilsnotwendigen Kelchgebrauch: so lange das Privileg galt, war es uicht zu verhindern, daß sich an diese Frage ein dauernder Meinungs-- streit anknüpfte, in dem die Rechtmäßigkeit der allgemeinen Kirchensehre immer wieder in Zweifel gezogen wurde. Anch bestand die Gefahr, daß der Erfolg in der Kelchfrage die Böhmen zu weiteren Angriffen gegen die Antorität er mutigte und die radikalen Richtungen wieder erstarken ließ. Es war Papst Pius II., der sich zu dem notwendigen Schritt der Zurücknahme entschloß, der gleiche Papst, der die konziliare Lehre von dem Vorrang des allgemeinen Konzils gegenüber dem Papste vernichtete: mit diesen beiden Entscheidungen stellte er noch kurz vor der endgültigen Auflösnng der kirchlichen Einheit Enropas das System der in Lehre und Autorität einheitlichen Papstfirche wieder her. Und indem er mit der Aufhebung der Kompaktaten zugleich den Sturz Podie brads und des nationalen Königtums der Böhmen bewirkte, ließ er zugleich die Papstkirche zum letzten Male in ihrer weltlichen Machtstellnng über den enropäischen Staaten erscheinen. Der böhmische Nationalstaat stand, wie in
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Georgs Politik der Anpassung. 5 anderer Hinsicht, so auch in dieser noch unter den Bedingungen des mittel alterlichen Staates überhaupt, und konnte schon darum seine Unabhängigkeit Über den inneren Parteien uicht aufrecht erhalten, weil er sich von der geist- lichen Weltherrschaft uicht befreien konnte. Georg von Podiebrad hat gegen die Gewalten, die seine Herrschaft be drohten, nicht die geistigen Mächte aufgeboten, die ihren Gegensatz bildeten. Sein Königtum schien dazn berufen, die Weltlichkeit der uationalen Idee gegen die resigiöse Formuliernng der nationalen Aufgabe, die Toleranz gegen das kirchliche Zwangssystem, die Unabhängigkeit der Staatsgewalt gegen die päpst- liche Antorität, das Staatsinteresse gegen die ständischen Ausprüche zu vertreten. Und gelegentlich hat König Georg anch eins oder das andere dieser Prinzipien proflamiert; in bedrängter Stunde hat er seinen Baronen gesagt, daß er eine Verletzung der staatlichen Untertaneupflicht und des nationalen Friedens durch die Kirche uicht dulden werde und hat sie daran gemahnt, daß sie ihm mehr als dem Papste verpflichtet seien 1). Anch den Papst hat er hören lassen, daß er seine königliche Ehre uicht unter dem Vorgeben des Glaubenseifers antasten lassen könne2). In solchen Sätzen mochte der König seine innerste Auffassung von seiner Herrschaft aussprechen. Aber jene Gedanken waren doch uicht die leitenden Ideen, nach denen er seine Politik ausrichtete. Den großen, religiösen Gegensätzen gegenüber suchte er sich an die bestehenden Machtverhältnisse an zuschmiegen, uicht die Macht der religiösen Richtung grundsätzlich zu brechen. Er begünstigte zeitweise die Rücktehr des Volkes zur katholischen Kirche und hat auch später noch lange Zeit dem Papste und dem Hochadel Hoffnung darauf gemacht, daß er selbst den strengen Ritus wieder annehmen wolle. Andrerseits ließ er die Utraquisten stets bei der Meinung, daß er ihren Sieg wolle, und hinderte sie uicht daran, den römischen Kelchgebranch mit Gewaltmitteln zu betämpfen. Seine „Toleranz-Politik“ gipfelte darin, daß er es solange wie möglich mit beiden Parteien hielt. Er mußte voraussehen, daß diese zweideutige Haltung feine Lösung bringen konnte. Er sah aber in den inneren religiösen Gegensätzen des Laudes mit vollem Recht nicht die Haupt- schwierigkeit, er wußte, daß die kirchliche Spaltung für seine Herrschaft gleich¬ gültig war, solange uicht der Papst selbst gegenüber den böhmischen Katholiken seine Antorität geltend machte, und so wurde es sein hauptsächliches Bemühen, den Papst durch die Künste der änszeren Politik in Schach zu halten. Seine immer wieder erneuerte Freundschaft mit dem deutschen Kaiser diente diesem 1) So in der Ansprache auf dem Brünner Landtage vom Juli 1463. (Vgl. den Bericht 2) Korr. 143, Script. rer. der Breslauer, Korr. 180, Script. rer. Siles. VIII, 258 f.) Siles. VIII, 171 (3. März 1463).
Georgs Politik der Anpassung. 5 anderer Hinsicht, so auch in dieser noch unter den Bedingungen des mittel alterlichen Staates überhaupt, und konnte schon darum seine Unabhängigkeit Über den inneren Parteien uicht aufrecht erhalten, weil er sich von der geist- lichen Weltherrschaft uicht befreien konnte. Georg von Podiebrad hat gegen die Gewalten, die seine Herrschaft be drohten, nicht die geistigen Mächte aufgeboten, die ihren Gegensatz bildeten. Sein Königtum schien dazn berufen, die Weltlichkeit der uationalen Idee gegen die resigiöse Formuliernng der nationalen Aufgabe, die Toleranz gegen das kirchliche Zwangssystem, die Unabhängigkeit der Staatsgewalt gegen die päpst- liche Antorität, das Staatsinteresse gegen die ständischen Ausprüche zu vertreten. Und gelegentlich hat König Georg anch eins oder das andere dieser Prinzipien proflamiert; in bedrängter Stunde hat er seinen Baronen gesagt, daß er eine Verletzung der staatlichen Untertaneupflicht und des nationalen Friedens durch die Kirche uicht dulden werde und hat sie daran gemahnt, daß sie ihm mehr als dem Papste verpflichtet seien 1). Anch den Papst hat er hören lassen, daß er seine königliche Ehre uicht unter dem Vorgeben des Glaubenseifers antasten lassen könne2). In solchen Sätzen mochte der König seine innerste Auffassung von seiner Herrschaft aussprechen. Aber jene Gedanken waren doch uicht die leitenden Ideen, nach denen er seine Politik ausrichtete. Den großen, religiösen Gegensätzen gegenüber suchte er sich an die bestehenden Machtverhältnisse an zuschmiegen, uicht die Macht der religiösen Richtung grundsätzlich zu brechen. Er begünstigte zeitweise die Rücktehr des Volkes zur katholischen Kirche und hat auch später noch lange Zeit dem Papste und dem Hochadel Hoffnung darauf gemacht, daß er selbst den strengen Ritus wieder annehmen wolle. Andrerseits ließ er die Utraquisten stets bei der Meinung, daß er ihren Sieg wolle, und hinderte sie uicht daran, den römischen Kelchgebranch mit Gewaltmitteln zu betämpfen. Seine „Toleranz-Politik“ gipfelte darin, daß er es solange wie möglich mit beiden Parteien hielt. Er mußte voraussehen, daß diese zweideutige Haltung feine Lösung bringen konnte. Er sah aber in den inneren religiösen Gegensätzen des Laudes mit vollem Recht nicht die Haupt- schwierigkeit, er wußte, daß die kirchliche Spaltung für seine Herrschaft gleich¬ gültig war, solange uicht der Papst selbst gegenüber den böhmischen Katholiken seine Antorität geltend machte, und so wurde es sein hauptsächliches Bemühen, den Papst durch die Künste der änszeren Politik in Schach zu halten. Seine immer wieder erneuerte Freundschaft mit dem deutschen Kaiser diente diesem 1) So in der Ansprache auf dem Brünner Landtage vom Juli 1463. (Vgl. den Bericht 2) Korr. 143, Script. rer. der Breslauer, Korr. 180, Script. rer. Siles. VIII, 258 f.) Siles. VIII, 171 (3. März 1463).
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6 Georgs Staatskunst und ihr Erfolg. Zwecke am besten; aber sie war nicht seine einzige Stütze. Georg verstand es, vielen Interessen zugleich zu schmeicheln. Er griff die mannigfaltigsten Verbindungen auf, und gewann kleine und große Fürsten teils durch augen- blickliche Hilfe, teils durch weiter ausschanende und oft abenteuerliche Bündnis- projekte. Namentlich nutzte er die kämpfenden Juteressen der deutschen Reichs- fürsten aus, um mit den streitenden Parteien abwechselud oder auch gleichzeitig enge Beziehungen anzuknüpfen. Er lockte selbst den schon Entfremdeten wieder an. Er vermochte durch sein auswärtiges Ansehen den Angriff der Kirche freilich nur hinauszuschieben; aber er blieb noch ein geschätztes Mitglied der enropäischen Fürstengesellschaft, als der Papst ihn als Ketzer verurteilt und seine Absetzung ausgesprochen hatte. Das war um so wichtiger, als der inuere Aufruhr, den die Kirche in Böhmen förderte, die Herrschaft Georgs zwar zerriß, aber uicht beseitigen konute; man branchte gegen ihn die Mitwirkung einer auswärtigen Übermacht. Es wurde nun auch ein Mouarch gewonnen, der begehrlich genug war und sich stark genug fühlte, um die kriegerische Über windung Georgs zu versuchen: Matthias von Ungarn, sein erster, seither freilich zeitweise verleugneter Bundesgenosse, der gleichzeitig mit ihm zu einer nationalen Königsherrschaft aufgestiegen war. Aber auch die Macht des Mathias reichte nicht aus, um Georg aus Böhmen zu verdrängen, und während er mit ihm einen unentschiedenen Kampf führte, konnte Georg uicht ohne Aussicht aufs neue Verbindungen mit andern Fürsten betreiben. — In ihrem inneren Zu- sammenhang war seine Bündnispolitik so widerspruchsvoll, untreu und unauf- richtig wie seine Kirchenpolitik. Aber sie war nach dem Geiste der damaligen Staatskunst, und wenn sie uns heute in ihren Spekulationen plump und haltlos erscheint, so war sie doch kräftig genug, um zu bewirken, daß er unbesiegt starb und daß noch kurz vor seinem Tode sein Hauptgegner, der Papst, zu ermatten drohte. Diese Politik, die unermüdlich für den nächsten Angenblick arbeitete, konnte aber freilich nur der persönlichen Macht des Königs dieuen: dem national böhmischen Reiche konnte sie keine Unabhängigkeit und Dauer geben. Georg vermochte keine Dynastie zu begründen; sein Ansehen hing uur an seiner Person. Auch fielen schon nach dem päpstlichen Absetzungsspruche die deutschen Neben länder von seiner Regierung ab. Die Errungenschaften, die die ersten Schritte zu einer Nationalmacht darstellten, wurden hinfällig, als die Nation selbst uneinig geworden war und die Kirche den Kampf gegen ihre führende Kraft aufgenommen hatte. Ob dem Könige dieses Schicksal in aller Schwere zum Bewußtsein gekommen ist, wissen wir nicht. Gewiß ist aber, daß die Erhaltung dieser nationalen Macht für ihn gar nicht das höchste Ziel seiner Regierung
6 Georgs Staatskunst und ihr Erfolg. Zwecke am besten; aber sie war nicht seine einzige Stütze. Georg verstand es, vielen Interessen zugleich zu schmeicheln. Er griff die mannigfaltigsten Verbindungen auf, und gewann kleine und große Fürsten teils durch augen- blickliche Hilfe, teils durch weiter ausschanende und oft abenteuerliche Bündnis- projekte. Namentlich nutzte er die kämpfenden Juteressen der deutschen Reichs- fürsten aus, um mit den streitenden Parteien abwechselud oder auch gleichzeitig enge Beziehungen anzuknüpfen. Er lockte selbst den schon Entfremdeten wieder an. Er vermochte durch sein auswärtiges Ansehen den Angriff der Kirche freilich nur hinauszuschieben; aber er blieb noch ein geschätztes Mitglied der enropäischen Fürstengesellschaft, als der Papst ihn als Ketzer verurteilt und seine Absetzung ausgesprochen hatte. Das war um so wichtiger, als der inuere Aufruhr, den die Kirche in Böhmen förderte, die Herrschaft Georgs zwar zerriß, aber uicht beseitigen konute; man branchte gegen ihn die Mitwirkung einer auswärtigen Übermacht. Es wurde nun auch ein Mouarch gewonnen, der begehrlich genug war und sich stark genug fühlte, um die kriegerische Über windung Georgs zu versuchen: Matthias von Ungarn, sein erster, seither freilich zeitweise verleugneter Bundesgenosse, der gleichzeitig mit ihm zu einer nationalen Königsherrschaft aufgestiegen war. Aber auch die Macht des Mathias reichte nicht aus, um Georg aus Böhmen zu verdrängen, und während er mit ihm einen unentschiedenen Kampf führte, konnte Georg uicht ohne Aussicht aufs neue Verbindungen mit andern Fürsten betreiben. — In ihrem inneren Zu- sammenhang war seine Bündnispolitik so widerspruchsvoll, untreu und unauf- richtig wie seine Kirchenpolitik. Aber sie war nach dem Geiste der damaligen Staatskunst, und wenn sie uns heute in ihren Spekulationen plump und haltlos erscheint, so war sie doch kräftig genug, um zu bewirken, daß er unbesiegt starb und daß noch kurz vor seinem Tode sein Hauptgegner, der Papst, zu ermatten drohte. Diese Politik, die unermüdlich für den nächsten Angenblick arbeitete, konnte aber freilich nur der persönlichen Macht des Königs dieuen: dem national böhmischen Reiche konnte sie keine Unabhängigkeit und Dauer geben. Georg vermochte keine Dynastie zu begründen; sein Ansehen hing uur an seiner Person. Auch fielen schon nach dem päpstlichen Absetzungsspruche die deutschen Neben länder von seiner Regierung ab. Die Errungenschaften, die die ersten Schritte zu einer Nationalmacht darstellten, wurden hinfällig, als die Nation selbst uneinig geworden war und die Kirche den Kampf gegen ihre führende Kraft aufgenommen hatte. Ob dem Könige dieses Schicksal in aller Schwere zum Bewußtsein gekommen ist, wissen wir nicht. Gewiß ist aber, daß die Erhaltung dieser nationalen Macht für ihn gar nicht das höchste Ziel seiner Regierung
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Der Widerstand der Stadt Breslau. gewesen ist. In der Zeit, in der er an seine Erfolge die größten Hoffnungen kuüpjen durfte, hat er für sich selbst eine Herrschaft erstrebt, die keinen inneren Zusammenhang mit der böhmischen Nation mehr haben konnte: die Würde eines römischen Königs 1). Daß die böhmische Nationalmacht uur ein Schein- gebilde war, erwies sich anch an der Art, wie ihr persönlicher Träger zu ihren Grundlagen und zu ihrer Zuknuft innerlich Stellung nahm. II. Der Widerstand der Stadt Breslau. Podiebrad hat als Gubernator und König fast zwei Jahrzehute regiert, und erst in der zweiten Hälfte dieser Epoche sind nacheinander die großen natürlichen Gegensätze wach geworden, die sein böhmisches Nationalreich zer- stückesten. Insbesondere blieben auch die Gebiete, für die der Erfolg der Böhmen zu allererst eine Niederlage bedeutete, die deutschen Nebenländer, im allgemeinen ruhig, bis der Papst sein letztes Machtwort gegen den König ge- sprochen hatte. Nur ein Gemeinwesen hat hier fast von den Anfängen der Regierung Podiebrads an einen zähen Kampf gegen ihn unterhalten; das war die Stadt Breslan. Für sie war die Persönlichkeit des Gewaltinhabers, dessen Gewandtheit und Euergie die enropäischen Fürsten und zu Zeiten selbst den Papst auzog, ein beständiger Gegenstand des Hasses, und für sie allein be dentete der Eindruck seiner Übermacht niemals einen Grund, sich ihm anzu- schließen. Der positive Beitrag, den sie zum Kampfe der größeren Mächte lieferte, war nicht allzu bedentend; ihre wesentlichste Leistung war hier, daß sie der Kirche Handlangerdienste tat, den Papst stetig über die kirchlichen Verhältnisse Böhmens aufklärte und ihm durch ihre besonderen Beschwerden Gelegenheit zum Eingreijen bot. Im Zusammenhange der Geschichte Podiebrads ist ihr Widerstand gegen ihn immer nur als eine Episode aufgefaßt worden. Aber ihre Kämpfe und Schicksale sind uns in einem anderen Zusammenhange von höherem Belang; sie stellen ein Stück der Geschichte des deutschen Bürger- tums dar. Eine Stadt sieht sich vor die Aufgabe gestellt, sich und das Land, dem sie angehört, gegen eine andringende Macht zu verteidigen. Sie muß ihren engen provinziellen Gesichtskreis überschreiten und selbst als Macht auf- treten, un ihrer Ehre genug zu tun. Sie muß also die politischen Kräfte entfalten, die ihr und ihrer Bürgerschaft innewohnen. Diese Entfaltung ver jolgen wir, indem wir uns den Widerstand Breslaus gegen Georg von Podie- brad in seinem Verlaufe zur Auschanung bringen. 1) Dagegen geschah es erst in der Zeit schwerster Gefahr, daß er den deutschen Reichs- fürsten mit dem Austritt Böhmens aus dem deutschen Reichsverbande drohte (Urk. Beitr. 505, S. 614 u. Januar 1470).
Der Widerstand der Stadt Breslau. gewesen ist. In der Zeit, in der er an seine Erfolge die größten Hoffnungen kuüpjen durfte, hat er für sich selbst eine Herrschaft erstrebt, die keinen inneren Zusammenhang mit der böhmischen Nation mehr haben konnte: die Würde eines römischen Königs 1). Daß die böhmische Nationalmacht uur ein Schein- gebilde war, erwies sich anch an der Art, wie ihr persönlicher Träger zu ihren Grundlagen und zu ihrer Zuknuft innerlich Stellung nahm. II. Der Widerstand der Stadt Breslau. Podiebrad hat als Gubernator und König fast zwei Jahrzehute regiert, und erst in der zweiten Hälfte dieser Epoche sind nacheinander die großen natürlichen Gegensätze wach geworden, die sein böhmisches Nationalreich zer- stückesten. Insbesondere blieben auch die Gebiete, für die der Erfolg der Böhmen zu allererst eine Niederlage bedeutete, die deutschen Nebenländer, im allgemeinen ruhig, bis der Papst sein letztes Machtwort gegen den König ge- sprochen hatte. Nur ein Gemeinwesen hat hier fast von den Anfängen der Regierung Podiebrads an einen zähen Kampf gegen ihn unterhalten; das war die Stadt Breslan. Für sie war die Persönlichkeit des Gewaltinhabers, dessen Gewandtheit und Euergie die enropäischen Fürsten und zu Zeiten selbst den Papst auzog, ein beständiger Gegenstand des Hasses, und für sie allein be dentete der Eindruck seiner Übermacht niemals einen Grund, sich ihm anzu- schließen. Der positive Beitrag, den sie zum Kampfe der größeren Mächte lieferte, war nicht allzu bedentend; ihre wesentlichste Leistung war hier, daß sie der Kirche Handlangerdienste tat, den Papst stetig über die kirchlichen Verhältnisse Böhmens aufklärte und ihm durch ihre besonderen Beschwerden Gelegenheit zum Eingreijen bot. Im Zusammenhange der Geschichte Podiebrads ist ihr Widerstand gegen ihn immer nur als eine Episode aufgefaßt worden. Aber ihre Kämpfe und Schicksale sind uns in einem anderen Zusammenhange von höherem Belang; sie stellen ein Stück der Geschichte des deutschen Bürger- tums dar. Eine Stadt sieht sich vor die Aufgabe gestellt, sich und das Land, dem sie angehört, gegen eine andringende Macht zu verteidigen. Sie muß ihren engen provinziellen Gesichtskreis überschreiten und selbst als Macht auf- treten, un ihrer Ehre genug zu tun. Sie muß also die politischen Kräfte entfalten, die ihr und ihrer Bürgerschaft innewohnen. Diese Entfaltung ver jolgen wir, indem wir uns den Widerstand Breslaus gegen Georg von Podie- brad in seinem Verlaufe zur Auschanung bringen. 1) Dagegen geschah es erst in der Zeit schwerster Gefahr, daß er den deutschen Reichs- fürsten mit dem Austritt Böhmens aus dem deutschen Reichsverbande drohte (Urk. Beitr. 505, S. 614 u. Januar 1470).
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8 Die Schwäche der Nebenländer. Wir gewinnen ein Verständuis für die Haltung der Stadt nur, wenn wir sie an der Aufgabe messen, die den Breslanern gestellt war. Es gist darum zunächst diese Aufgabe näher zu bestimmen. Wir sagten, daß die Ehre der Stadt den Widerstand forderte. Die gleiche Forderung galt grundsätzlich uicht minder für die andern Nebenländer, namentlich für die deutschen. Ihre Verbindung mit dem Königreich Böhmen hatte bis zur nationalböhmischen Bewegnng uicht mehr bedentet als eine Personal- union. Nur der König war den Ländern der Krone gemeinsam, sie bildeten keine Verwaltungseinheit, und zumal hatte das Hauptland feine Gewalt über die Nebenländer. Dieses Prinzip wurde durch die böhmischen Königswahlen, die im Zusammenhange der Bewegung einseitig von den böhmischen Stäuden vollzogen wurden, angetastet. Schon dies war ein empfindlicher Ehrenpuukt. Es kam hinzu, daß eine fremde Nationalität und ein minderwertiger Glaube dadurch zu einer Vorrangstellung gelangte. Fürsten, Städte und Länder Schlesiens und der Lausitz wurden einem Herrenvolke unterstellt, und zwar einem Volke, das ihnen schon seinen nationalen Stolz und nationalen Haß bewiesen hatte. Führer dieses Volkes war ein Utraquist, der zwar auf Grund der Konzilsentscheidung keiner Ketzerei schuldig sein wollte, dessen Glaube aber doch für keinen Katholiken als der echte Christenglanbe gelten konnte. Die Erhebung der böhmischen Nation und Georgs von Podiebrad fehrte alle Werte um, die bis dahin das Staatsrecht der Krone Böhmen aufgebaut hatten. Wenn anßerhalb Breslaus ein kräjtiger Widerspruch gegen diese Ehr- verletzung uicht erhoben wurde — abgesehen von einigen kleinen mährischen Städten — so trug hieran die Enge der Verhältnisse, in denen das politische Leben sich abspielte, die Hauptschuld. Die kleinen Teilfürsten Schlesiens uud die dentschen Städte in Schlesien und der Lausitz waren jeder für sich, im Be- wußtsein der eigenen Schwäche, geneigt, die Verantwortung von sich abzuwälzen. Zu einem kräftigen Zusammenschluß, zu einer Organisation der zersplitterten Laudschaften fehlte die Energie: ein einheitliches Gebilde ist ja Schlesien auch später nur durch mouarchischen Zwang geworden 1). Der laudsässige Adel hegte in dem Lande, in dem er das meiste selbständige Gewicht hatte und auch der Zahl nach eine ansehnliche Macht darstellte, im Fürstentum Schweidnitz Jauer, ausgesprochene Vorliebe für Böhmen. Offenbar zog ihn hier das ge- bieterische ständische Auftreten des böhmischen Adels an; anch legte er einen hohen Wert darauf, nicht als Glied Schlesiens, sondern als Vertretung eines besonderen Landes angesehen zu werden, und er betoute gern in der Zugehörig- 1) Durch Mathias Corvinus. Vgl. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaats. verwaltung Schlestens . .. (1894), S. 14 ff.
8 Die Schwäche der Nebenländer. Wir gewinnen ein Verständuis für die Haltung der Stadt nur, wenn wir sie an der Aufgabe messen, die den Breslanern gestellt war. Es gist darum zunächst diese Aufgabe näher zu bestimmen. Wir sagten, daß die Ehre der Stadt den Widerstand forderte. Die gleiche Forderung galt grundsätzlich uicht minder für die andern Nebenländer, namentlich für die deutschen. Ihre Verbindung mit dem Königreich Böhmen hatte bis zur nationalböhmischen Bewegnng uicht mehr bedentet als eine Personal- union. Nur der König war den Ländern der Krone gemeinsam, sie bildeten keine Verwaltungseinheit, und zumal hatte das Hauptland feine Gewalt über die Nebenländer. Dieses Prinzip wurde durch die böhmischen Königswahlen, die im Zusammenhange der Bewegung einseitig von den böhmischen Stäuden vollzogen wurden, angetastet. Schon dies war ein empfindlicher Ehrenpuukt. Es kam hinzu, daß eine fremde Nationalität und ein minderwertiger Glaube dadurch zu einer Vorrangstellung gelangte. Fürsten, Städte und Länder Schlesiens und der Lausitz wurden einem Herrenvolke unterstellt, und zwar einem Volke, das ihnen schon seinen nationalen Stolz und nationalen Haß bewiesen hatte. Führer dieses Volkes war ein Utraquist, der zwar auf Grund der Konzilsentscheidung keiner Ketzerei schuldig sein wollte, dessen Glaube aber doch für keinen Katholiken als der echte Christenglanbe gelten konnte. Die Erhebung der böhmischen Nation und Georgs von Podiebrad fehrte alle Werte um, die bis dahin das Staatsrecht der Krone Böhmen aufgebaut hatten. Wenn anßerhalb Breslaus ein kräjtiger Widerspruch gegen diese Ehr- verletzung uicht erhoben wurde — abgesehen von einigen kleinen mährischen Städten — so trug hieran die Enge der Verhältnisse, in denen das politische Leben sich abspielte, die Hauptschuld. Die kleinen Teilfürsten Schlesiens uud die dentschen Städte in Schlesien und der Lausitz waren jeder für sich, im Be- wußtsein der eigenen Schwäche, geneigt, die Verantwortung von sich abzuwälzen. Zu einem kräftigen Zusammenschluß, zu einer Organisation der zersplitterten Laudschaften fehlte die Energie: ein einheitliches Gebilde ist ja Schlesien auch später nur durch mouarchischen Zwang geworden 1). Der laudsässige Adel hegte in dem Lande, in dem er das meiste selbständige Gewicht hatte und auch der Zahl nach eine ansehnliche Macht darstellte, im Fürstentum Schweidnitz Jauer, ausgesprochene Vorliebe für Böhmen. Offenbar zog ihn hier das ge- bieterische ständische Auftreten des böhmischen Adels an; anch legte er einen hohen Wert darauf, nicht als Glied Schlesiens, sondern als Vertretung eines besonderen Landes angesehen zu werden, und er betoute gern in der Zugehörig- 1) Durch Mathias Corvinus. Vgl. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaats. verwaltung Schlestens . .. (1894), S. 14 ff.
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Die politische Verantwortung Breslaus. 9 keit zu Böhmen den Gegensatz zu der Zugehörigkeit zu Schlesien 1). Völlig gleichgültig gegen die schlesische Landesehre waren auch die oberschlesischen Fürsten. In der Oberlausitz saß noch viel slavisches Landvolk, das von der tschechisch-hussitischen Bewegung mitgezogen wurde2). Was aber die andern Glieder der Nebenländer leiden mußten oder wollten, war für die Stadt Breslan aus mehr als einem Grunde unerträglich. Das schärfere politische Empfinden wohnte wohl überall bei den Bürgern. Die Breslaner Bürgerschaft war die stärtste und reichste in diesen Ländern. Sie befand sich anszerdem in einer einzigartigen verfassungsrechtlichen Stellung. Während die kleineren Städte unter einem Teilfürsten stauden oder — wie im Fürstentum Schweiduitz-Jauer — in einem unmittelbar unter dem König stehenden Erbfürstentum uur einen Teil bildeten, beherrschte die Stadt Breslau das gleichnamige Fürstentum, dem sie angehörte. In dem kleinen Gebiet hatte sie von Natur das Übergewicht; dazu war ein großer Teil des ländlichen Grund= besitzes in bürgerlichen Händen. Endlich verwaltete die Stadt im Fürstentum die landesherrlichen Rechte. Der Breslaner Rat hatte hier seit Kaiser Sig- mund die Hauptmaunschaft inne3), und diese gab ihm unter gewöhnlichen Verhältuissen eine bedentende Macht über die nichtbürgerlichen Mannen, namentlich, weil der Hauptmann den Gerichtsherrn vertrat. Ebenso gefügig war den Breslauern naturgemäß das kleine Nenmarkt, die einzige Stadt, die neben Breslan dem Fürstentum angehörte. Die Stadt Breslau hatte also in allen engeren Landesangelegenheiten nach keines andern Willen zu fragen; sie stand allen andern Gliedern der Krone Böhmen als ein Glied für sich gegenüber. Das steigerte ihre Verantwortung. Dazu war Breslan nach seinem eigenen übersieferten Anspruch die Haupt- stadt Schlesiens. Es war der Mittelpnukt des Handels; es war Sitz des Bischofs. Es war Ausgangspunkt der Besitzergreifung Schlesiens durch die Krone Böhmen gewesen. Das Bewußtsein von der Einheit Schlesiens wirkte fort, obwohl diese Einheit keine danernde verjassungsrechtliche Ausprägung von sachlicher Bedeutung fand. Und in diesem Gesantschlesien durfte sich Breslau in ge- wissem Sinne als Sitz der Herrschaft und Vertretung des Landes betrachten 4). 1) G. Croon, Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer (Cod. dipl. Sil. 2) Korr. 140, Script. rer. Siles. VIII, 169. 3) Vgl. Mark- XXVII, 1912), S. 27 ff. graf in „Breslauer Stadtbuch“, Cod. dipl. Sil. XI, S. XXXVIII ff. 4) Das Breslauer Stadtarchiv enthält (Hs. A 4) ein „liber annalium devolutionis Slesie ad regnum et coronam Bohemie“, 92 Urknudenkopien, Ende des 14. Jahrhunderts aufgezeichnet. Der Katalog (Mark- grafs) bemertt hierzu: „Die Handschrift ist schon im Mittelalter im Breslauer Archiv gewesen und wahrscheinlich hier entstanden. Es ist möglich, daß die urkundlichen Besitztitel der Krone Böhmen auf die schlesischen Fürstentümer damals noch in Breslau aufbewahrt wurden..
Die politische Verantwortung Breslaus. 9 keit zu Böhmen den Gegensatz zu der Zugehörigkeit zu Schlesien 1). Völlig gleichgültig gegen die schlesische Landesehre waren auch die oberschlesischen Fürsten. In der Oberlausitz saß noch viel slavisches Landvolk, das von der tschechisch-hussitischen Bewegung mitgezogen wurde2). Was aber die andern Glieder der Nebenländer leiden mußten oder wollten, war für die Stadt Breslan aus mehr als einem Grunde unerträglich. Das schärfere politische Empfinden wohnte wohl überall bei den Bürgern. Die Breslaner Bürgerschaft war die stärtste und reichste in diesen Ländern. Sie befand sich anszerdem in einer einzigartigen verfassungsrechtlichen Stellung. Während die kleineren Städte unter einem Teilfürsten stauden oder — wie im Fürstentum Schweiduitz-Jauer — in einem unmittelbar unter dem König stehenden Erbfürstentum uur einen Teil bildeten, beherrschte die Stadt Breslau das gleichnamige Fürstentum, dem sie angehörte. In dem kleinen Gebiet hatte sie von Natur das Übergewicht; dazu war ein großer Teil des ländlichen Grund= besitzes in bürgerlichen Händen. Endlich verwaltete die Stadt im Fürstentum die landesherrlichen Rechte. Der Breslaner Rat hatte hier seit Kaiser Sig- mund die Hauptmaunschaft inne3), und diese gab ihm unter gewöhnlichen Verhältuissen eine bedentende Macht über die nichtbürgerlichen Mannen, namentlich, weil der Hauptmann den Gerichtsherrn vertrat. Ebenso gefügig war den Breslauern naturgemäß das kleine Nenmarkt, die einzige Stadt, die neben Breslan dem Fürstentum angehörte. Die Stadt Breslau hatte also in allen engeren Landesangelegenheiten nach keines andern Willen zu fragen; sie stand allen andern Gliedern der Krone Böhmen als ein Glied für sich gegenüber. Das steigerte ihre Verantwortung. Dazu war Breslan nach seinem eigenen übersieferten Anspruch die Haupt- stadt Schlesiens. Es war der Mittelpnukt des Handels; es war Sitz des Bischofs. Es war Ausgangspunkt der Besitzergreifung Schlesiens durch die Krone Böhmen gewesen. Das Bewußtsein von der Einheit Schlesiens wirkte fort, obwohl diese Einheit keine danernde verjassungsrechtliche Ausprägung von sachlicher Bedeutung fand. Und in diesem Gesantschlesien durfte sich Breslau in ge- wissem Sinne als Sitz der Herrschaft und Vertretung des Landes betrachten 4). 1) G. Croon, Die landständische Verfassung von Schweidnitz-Jauer (Cod. dipl. Sil. 2) Korr. 140, Script. rer. Siles. VIII, 169. 3) Vgl. Mark- XXVII, 1912), S. 27 ff. graf in „Breslauer Stadtbuch“, Cod. dipl. Sil. XI, S. XXXVIII ff. 4) Das Breslauer Stadtarchiv enthält (Hs. A 4) ein „liber annalium devolutionis Slesie ad regnum et coronam Bohemie“, 92 Urknudenkopien, Ende des 14. Jahrhunderts aufgezeichnet. Der Katalog (Mark- grafs) bemertt hierzu: „Die Handschrift ist schon im Mittelalter im Breslauer Archiv gewesen und wahrscheinlich hier entstanden. Es ist möglich, daß die urkundlichen Besitztitel der Krone Böhmen auf die schlesischen Fürstentümer damals noch in Breslau aufbewahrt wurden..
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10 Die politische Verantwortung als religiöse Verautwortung. In Breslau nahmen vor allem seit Generationen die böhmischen Könige die Huldigung aller schlesischen Fürsten eutgegen. Auch diese hauptstädtische Stellung begründete für die Stadt eine eigne Verantwortung. Das nahe Verhältnis zur Krone trug ein persönliches Gepräge; die Stadt Breslau wußte sich mit dem böhmischen Herrscherhanse besonders eng verbunden. Diese traditiouelle Anhänglichkeit ging zumal auf die ersten luxem- burgischen Könige Johann und Karl IV. zurück, die Breslau stets günstig ge wesen waren. Selbst die härtesten Machteingriffe Wenzels hatten die Bürger in dieser Treue nicht irre werden lassen. Sie übertrugen sie auf die habs- burgische Linie uud schickten für Albrechts Witwe und nachgeborenen Sohn Ladislaus ihre Söldner gegen die Polen. Auch ihre dynastische Gesinnung wurde beleidigt, indem die böhmische Nation sich die Rechte des augestammten Königs anmaßte. Damit sind die Momente hervorgehoben, die es der Stadt Breslau auf- erlegten, in der Ehre der Krone ihre eigene zu sehen und die Rechte, die sie mit den anderen Schlesiern gegenüber den Böhmen teilte, mit besonderer Ent- schiedenheit zu verteidigen. Diese Ehre und diese Rechte konnten uicht schlimmer verletzt werden, als wenn die Böhmen sie verletzten, an deren Ketzerei man nicht zweifelte und unter deren Verwüstungen das Land vor wenigen Jahr- zehnten gelitten hatte. Trotzdem ist es irreführend, wenn man den Widerstand Breslaus in seinen Grundmotiven als einen resigiösen oder einen nationalen Kampf auffaßt. Glaubenseifer und Nationalhaß legten in das politische Ge- wissen danernd einen Stachel; sie gaben der Bürgerschaft erst ein Bewußtsein davon, welche Schande dem Reiche und der Stadt durch die Böhmen geschah. Aber bei den Breslauern — wenigstens bei den Laien — kam doch uicht eine rein religiöse Leidenschaft zum Ausbruch; sondern der katholische Gedanke sprach im wesentlichen als Teilinhalt des bürgerlichen Selbstbewußtseins: es ging den Bürgern gegen die Ehre, den Ketzern zu gehorchen. Und noch enger ist die Bedeutung zu ugrenzen, die in diesen Zu- sammenhängen dem nationalen Moment zukommt. Man hat es gern als das Hauptmotiv des Widerstandes gegen Podiebrad hervorgehoben und hat dabei bald die höchste und bald die niedrigste Form des Nationalbewnßtseins im Ange gehabt. Es erscheint entweder als blinder Nationalhaß1) oder, ganz und daß die Abschriften von den Originalen genommen sind." — Über ältere Bestrebungen der Stadt, die Befugnisse ihrer hauptstädtischen Stellung auszudehnen, vgl. J. Kopietz: Die böhmische Landeshauptmannschaft in Breslau unter dem Könige Johann und dem Kaiser Karl IV., Bresl. Diss. 1907, S. 52 ff. Schulte, Darst. u. Quellen I, 207 ff. 1) So am entschiedensten bei Palacky, Geschichte von Böhmen IV 2, S. 106 ff.
10 Die politische Verantwortung als religiöse Verautwortung. In Breslau nahmen vor allem seit Generationen die böhmischen Könige die Huldigung aller schlesischen Fürsten eutgegen. Auch diese hauptstädtische Stellung begründete für die Stadt eine eigne Verantwortung. Das nahe Verhältnis zur Krone trug ein persönliches Gepräge; die Stadt Breslau wußte sich mit dem böhmischen Herrscherhanse besonders eng verbunden. Diese traditiouelle Anhänglichkeit ging zumal auf die ersten luxem- burgischen Könige Johann und Karl IV. zurück, die Breslau stets günstig ge wesen waren. Selbst die härtesten Machteingriffe Wenzels hatten die Bürger in dieser Treue nicht irre werden lassen. Sie übertrugen sie auf die habs- burgische Linie uud schickten für Albrechts Witwe und nachgeborenen Sohn Ladislaus ihre Söldner gegen die Polen. Auch ihre dynastische Gesinnung wurde beleidigt, indem die böhmische Nation sich die Rechte des augestammten Königs anmaßte. Damit sind die Momente hervorgehoben, die es der Stadt Breslau auf- erlegten, in der Ehre der Krone ihre eigene zu sehen und die Rechte, die sie mit den anderen Schlesiern gegenüber den Böhmen teilte, mit besonderer Ent- schiedenheit zu verteidigen. Diese Ehre und diese Rechte konnten uicht schlimmer verletzt werden, als wenn die Böhmen sie verletzten, an deren Ketzerei man nicht zweifelte und unter deren Verwüstungen das Land vor wenigen Jahr- zehnten gelitten hatte. Trotzdem ist es irreführend, wenn man den Widerstand Breslaus in seinen Grundmotiven als einen resigiösen oder einen nationalen Kampf auffaßt. Glaubenseifer und Nationalhaß legten in das politische Ge- wissen danernd einen Stachel; sie gaben der Bürgerschaft erst ein Bewußtsein davon, welche Schande dem Reiche und der Stadt durch die Böhmen geschah. Aber bei den Breslauern — wenigstens bei den Laien — kam doch uicht eine rein religiöse Leidenschaft zum Ausbruch; sondern der katholische Gedanke sprach im wesentlichen als Teilinhalt des bürgerlichen Selbstbewußtseins: es ging den Bürgern gegen die Ehre, den Ketzern zu gehorchen. Und noch enger ist die Bedeutung zu ugrenzen, die in diesen Zu- sammenhängen dem nationalen Moment zukommt. Man hat es gern als das Hauptmotiv des Widerstandes gegen Podiebrad hervorgehoben und hat dabei bald die höchste und bald die niedrigste Form des Nationalbewnßtseins im Ange gehabt. Es erscheint entweder als blinder Nationalhaß1) oder, ganz und daß die Abschriften von den Originalen genommen sind." — Über ältere Bestrebungen der Stadt, die Befugnisse ihrer hauptstädtischen Stellung auszudehnen, vgl. J. Kopietz: Die böhmische Landeshauptmannschaft in Breslau unter dem Könige Johann und dem Kaiser Karl IV., Bresl. Diss. 1907, S. 52 ff. Schulte, Darst. u. Quellen I, 207 ff. 1) So am entschiedensten bei Palacky, Geschichte von Böhmen IV 2, S. 106 ff.
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Kein Streben nach Trennung von der Krone. 11 gegenteilig, als der Wille, das Deutschtum zu retten oder selbständig zu machen 1). Die erste Auffassung ist zu arm, um den Geist der Geschehnisse in sich begreifen zu können. Die zweite legt dem nationalen Gedanken eine Selbständigkeit und Durchbildung bei, die er in jener Zeit jedenfalls bei den Schlefiern uicht besessen hat. Die Grenzen, innerhalb deren der Kampf als „nationaler“ gelten darf, werden gerade dadurch bezeichnet, daß die Breslaner durchaus uicht in dem Bewußtsein lebten, sie hätten eine nationale, eine dentsche Sache gegen die Böhmen zu vertreten. Daß die Böhmen in ihrer Erhebung auch gegen das Deutschtum fochten, war in Breslan wenigstens Männern von größerem Weitblick wohlbekannt2). Aber der nationale Gedanke der Böhmen regte die Gegner nicht an, nun ihrerseits den Gedanken der nationalen Ver- teidigung zu erfassen. Hierfür ist folgendes bezeichnend: 1. Sehr mit Unrecht hat man den Breslauern die Absicht zugeschrieben, sich von der Krone Böhmens loszusagen und sich fester mit Innerdentschland zu verbinden3). Als Untertanen der Krone wurden sie gekränkt, und Unter- tanen der Krone wollten sie bleiben, wenn anch der König, dem sie damit unterworsen waren, immer zunächst König des stammfremden Böhmenvolkes sein mußte. Als sie sich der Anerkennung Podiebrads versagten, betonten sie, daß diese ihre Stellungnahme ihrer Zugehörigkeit zum böhmischen Reiche keinen Abbruch tun solle4). Sie haben diese Erklärung häufig wiederholt5), und namentlich ist ihre Trene gegen die Krone in der jährlichen Eidesleistung von Rat und Gemeinde zum Ausdruck gekommen. Man konnte nicht — wie es der Gewohuheit entsprach — schwören, daß man dem König gehorchen wolle; 1) Die populäre Chronik der Stadt Breslau von I. A. Weiß spricht mit kühner Mo- dernisierung von einer „deutsch-klerikalen Partei“. — Vorsichtiger will Grünhagen (Geschichte Schlesiens I, S. 322) das deutsche Nationalbewußtsein der Breslauer im Kampfe als ein „vielleicht uur instinktmäßig enrpfundenes Bewußtsein“ verstanden wissen. Aber diese Deutung entbehrt der psychologischen Klarheit. 2) Vgl. Tempelfelds Bericht über Rokyzanas tschechisch¬ nationalistisch-deutschfeindliche Propaganda. Großer Traktat (vgl. unten S. ). herausgeg. von Loserth, Arch. f. öst. Gesch. 61, S. 168 ff. 3) So Jordan, Das Königtum Georgs von Podiebrad (1860), S. 19 — ursprünglich auch Markgraf, Verhältnis usw. I, S. 8 n., II, S. 251 o. — neuerdings Seppelt: Des Bischofs Jodocus von Breslau Romfahrt. (Aus: Kirchengesch. Festgabe, Anton de Waal gewidmet, 1913), S. 274. Markgraf hat später seine Auffassung geändert; vgl. Script. rer. Siles. VII, S. VII: Die Bewegung habe kein praktisches Ziel, „wie es etwa die Losreißung Schlesiens von Böhmen . . . gewesen wäre“, vor Augen gehabt. 4) Esch. L 24 u. 5) In einem Schreiben an den Papst (Korr. 24, Script. rer. Siles. VIII, 25) nennen sich die Breslauer nos ... ab eo (Georgio) separatos licet illi regno incorporatos. Esch. L 72 u: „corona Bohemie, cui hec civitas inviscerata est“. D I, 342 läßt Eschenloer den Rat sagen: adir Breslow das furstentumb .. ist . zum konigreich zu Behem komen und eingeleibet, dovon nymmermer abgescheiden sal werden, auch keinen andirn herren haben, denn einen konig zu Behem.
Kein Streben nach Trennung von der Krone. 11 gegenteilig, als der Wille, das Deutschtum zu retten oder selbständig zu machen 1). Die erste Auffassung ist zu arm, um den Geist der Geschehnisse in sich begreifen zu können. Die zweite legt dem nationalen Gedanken eine Selbständigkeit und Durchbildung bei, die er in jener Zeit jedenfalls bei den Schlefiern uicht besessen hat. Die Grenzen, innerhalb deren der Kampf als „nationaler“ gelten darf, werden gerade dadurch bezeichnet, daß die Breslaner durchaus uicht in dem Bewußtsein lebten, sie hätten eine nationale, eine dentsche Sache gegen die Böhmen zu vertreten. Daß die Böhmen in ihrer Erhebung auch gegen das Deutschtum fochten, war in Breslan wenigstens Männern von größerem Weitblick wohlbekannt2). Aber der nationale Gedanke der Böhmen regte die Gegner nicht an, nun ihrerseits den Gedanken der nationalen Ver- teidigung zu erfassen. Hierfür ist folgendes bezeichnend: 1. Sehr mit Unrecht hat man den Breslauern die Absicht zugeschrieben, sich von der Krone Böhmens loszusagen und sich fester mit Innerdentschland zu verbinden3). Als Untertanen der Krone wurden sie gekränkt, und Unter- tanen der Krone wollten sie bleiben, wenn anch der König, dem sie damit unterworsen waren, immer zunächst König des stammfremden Böhmenvolkes sein mußte. Als sie sich der Anerkennung Podiebrads versagten, betonten sie, daß diese ihre Stellungnahme ihrer Zugehörigkeit zum böhmischen Reiche keinen Abbruch tun solle4). Sie haben diese Erklärung häufig wiederholt5), und namentlich ist ihre Trene gegen die Krone in der jährlichen Eidesleistung von Rat und Gemeinde zum Ausdruck gekommen. Man konnte nicht — wie es der Gewohuheit entsprach — schwören, daß man dem König gehorchen wolle; 1) Die populäre Chronik der Stadt Breslau von I. A. Weiß spricht mit kühner Mo- dernisierung von einer „deutsch-klerikalen Partei“. — Vorsichtiger will Grünhagen (Geschichte Schlesiens I, S. 322) das deutsche Nationalbewußtsein der Breslauer im Kampfe als ein „vielleicht uur instinktmäßig enrpfundenes Bewußtsein“ verstanden wissen. Aber diese Deutung entbehrt der psychologischen Klarheit. 2) Vgl. Tempelfelds Bericht über Rokyzanas tschechisch¬ nationalistisch-deutschfeindliche Propaganda. Großer Traktat (vgl. unten S. ). herausgeg. von Loserth, Arch. f. öst. Gesch. 61, S. 168 ff. 3) So Jordan, Das Königtum Georgs von Podiebrad (1860), S. 19 — ursprünglich auch Markgraf, Verhältnis usw. I, S. 8 n., II, S. 251 o. — neuerdings Seppelt: Des Bischofs Jodocus von Breslau Romfahrt. (Aus: Kirchengesch. Festgabe, Anton de Waal gewidmet, 1913), S. 274. Markgraf hat später seine Auffassung geändert; vgl. Script. rer. Siles. VII, S. VII: Die Bewegung habe kein praktisches Ziel, „wie es etwa die Losreißung Schlesiens von Böhmen . . . gewesen wäre“, vor Augen gehabt. 4) Esch. L 24 u. 5) In einem Schreiben an den Papst (Korr. 24, Script. rer. Siles. VIII, 25) nennen sich die Breslauer nos ... ab eo (Georgio) separatos licet illi regno incorporatos. Esch. L 72 u: „corona Bohemie, cui hec civitas inviscerata est“. D I, 342 läßt Eschenloer den Rat sagen: adir Breslow das furstentumb .. ist . zum konigreich zu Behem komen und eingeleibet, dovon nymmermer abgescheiden sal werden, auch keinen andirn herren haben, denn einen konig zu Behem.
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12 aber man gelobte doch, zu tun „alle dinge, was zur cron von Behem noch alder gewonheit cristlichen sich geburt“ 1). 2. Während Podiebrad vom Volke zu Prag zum König ausgernjen wurde mit der Losung: „Wir wollen einen Tschechen zum Könige und niemand anders“2), haben die Breslaner uiemals Wert darauf gelegt, von einem Deutschen beherrscht zu werden. Sie haben ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, den König von Polen anzunehmen3), und haben schließlich dem Ungarn Matthias Hunyadi zugejnbelt. Sie haben, als der Streit mit Podiebrad schon im Gange war, gegen einen böhmischen Landeshauptmann ans dem Hause der Rosenberg und gegen einen böhmischen Bischof, Jodocus (Jost), den Bruder des Haupt manns, anfänglich kein Bedenken gehabt. Sie haben sich anch leidenschaftlich gegen die Unterstellung gewehrt, daß sie Georg uur darum uicht zum Herrn annehmen wollten, weil er ein Tscheche sei. Als Bischof Jost in seinem böhmisch-nationalen Eiser einmal vor der Gemeinde behauptete, ihr Unwille gegen Georgs Ketzerei sei uur Vorwand, der Haß gegen die Böhmen sei der wahre Beweggrund ihres Widerstaudes, rief er einen Sturm der Entrüstung hervor 4). 3. Es versteht sich, daß die Breslaner eine Zurückdrängnng des Deutsch¬ tums in Schlesien durch die Böhmen uicht geduldet hätten. In der späteren Zeit des Kampfes haben sie vielleicht eine solche Befürchtung gesegentlich an- gedenfet 5). Daß sie aber ursprünglich uicht bestand, ersehen wir schon aus ihrem eben erwähnten Wohlwollen gegen die beiden Rosenberge. Irgendwelche dentschen Interessen sind also von den Breslauern uicht vertreten worden. „National“ ist der Kampj uur insofern, als er gegen ein Volk, gegen die Böhmen und ihre nationalen Ausprüche gerichtet ist. Die Böhmen führten einen Kampf für nationale Rechte; gegen diese revolutionäre Nenerung verfochten die Breslaner die alten Rechte der Krone, des Landes und der Stadt, nicht die einer Nation. Keine nationale Verantwortung. 1) Cod. dipl. Sil. XI, S. 189. 2) Bachmann II, 477. 3) Vgl. Johann Weinrichs Unterhaltung mit dem Papste. Korr. 185, Script. rer. Siles. IX, 7. (Bericht vont 7. Sept. 1463.) 4) Esch. L 60 (= D 1 144; vgl. auch D 1 65). — Bezeichnend ist auch die Steſlungnahme Eschenloers und der Bürgerschaft zum Frieden von Thorn; man freute sich über ihn (wohl besonders in der Hoffnung, daß uun der Polenkönig für den Kampf gegen Georg freie Hand bekommen würde) und auch Eschenloer ist davon befriedigt, „das dis be trübte vatirland Preussen wider zu trost und rue solde komnen“ (D I 348). Aus dieser Sympathie spricht gewiß ein nationales Mitempfinden; aber die Sicherstellung der polnischen Herrschaft im deutschen Ordensgebiet, die zum Teil durch den Verrat deutscher Städte zu stande gekommen war, hätte doch für ein strenger nationales Denken eine ganz andere Be- dentung gehabt. 5) An 4. August 1463 schreiben die Breslaner dem Papste, Georg wolle seine Herrschaft heimlich ausdehnen „signanter in Slesia, in qua Bohemi prius nunquam fuerunt inhabitatores“. (Korr. 180, Script. rer. Siles. VIII, S. 259.)
12 aber man gelobte doch, zu tun „alle dinge, was zur cron von Behem noch alder gewonheit cristlichen sich geburt“ 1). 2. Während Podiebrad vom Volke zu Prag zum König ausgernjen wurde mit der Losung: „Wir wollen einen Tschechen zum Könige und niemand anders“2), haben die Breslaner uiemals Wert darauf gelegt, von einem Deutschen beherrscht zu werden. Sie haben ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, den König von Polen anzunehmen3), und haben schließlich dem Ungarn Matthias Hunyadi zugejnbelt. Sie haben, als der Streit mit Podiebrad schon im Gange war, gegen einen böhmischen Landeshauptmann ans dem Hause der Rosenberg und gegen einen böhmischen Bischof, Jodocus (Jost), den Bruder des Haupt manns, anfänglich kein Bedenken gehabt. Sie haben sich anch leidenschaftlich gegen die Unterstellung gewehrt, daß sie Georg uur darum uicht zum Herrn annehmen wollten, weil er ein Tscheche sei. Als Bischof Jost in seinem böhmisch-nationalen Eiser einmal vor der Gemeinde behauptete, ihr Unwille gegen Georgs Ketzerei sei uur Vorwand, der Haß gegen die Böhmen sei der wahre Beweggrund ihres Widerstaudes, rief er einen Sturm der Entrüstung hervor 4). 3. Es versteht sich, daß die Breslaner eine Zurückdrängnng des Deutsch¬ tums in Schlesien durch die Böhmen uicht geduldet hätten. In der späteren Zeit des Kampfes haben sie vielleicht eine solche Befürchtung gesegentlich an- gedenfet 5). Daß sie aber ursprünglich uicht bestand, ersehen wir schon aus ihrem eben erwähnten Wohlwollen gegen die beiden Rosenberge. Irgendwelche dentschen Interessen sind also von den Breslauern uicht vertreten worden. „National“ ist der Kampj uur insofern, als er gegen ein Volk, gegen die Böhmen und ihre nationalen Ausprüche gerichtet ist. Die Böhmen führten einen Kampf für nationale Rechte; gegen diese revolutionäre Nenerung verfochten die Breslaner die alten Rechte der Krone, des Landes und der Stadt, nicht die einer Nation. Keine nationale Verantwortung. 1) Cod. dipl. Sil. XI, S. 189. 2) Bachmann II, 477. 3) Vgl. Johann Weinrichs Unterhaltung mit dem Papste. Korr. 185, Script. rer. Siles. IX, 7. (Bericht vont 7. Sept. 1463.) 4) Esch. L 60 (= D 1 144; vgl. auch D 1 65). — Bezeichnend ist auch die Steſlungnahme Eschenloers und der Bürgerschaft zum Frieden von Thorn; man freute sich über ihn (wohl besonders in der Hoffnung, daß uun der Polenkönig für den Kampf gegen Georg freie Hand bekommen würde) und auch Eschenloer ist davon befriedigt, „das dis be trübte vatirland Preussen wider zu trost und rue solde komnen“ (D I 348). Aus dieser Sympathie spricht gewiß ein nationales Mitempfinden; aber die Sicherstellung der polnischen Herrschaft im deutschen Ordensgebiet, die zum Teil durch den Verrat deutscher Städte zu stande gekommen war, hätte doch für ein strenger nationales Denken eine ganz andere Be- dentung gehabt. 5) An 4. August 1463 schreiben die Breslaner dem Papste, Georg wolle seine Herrschaft heimlich ausdehnen „signanter in Slesia, in qua Bohemi prius nunquam fuerunt inhabitatores“. (Korr. 180, Script. rer. Siles. VIII, S. 259.)
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Die Feindschaft gegen die böhmische Nation als religiöse Pflicht. 13 Die leitende Gesellschaftsidee, die alle politischen Verhältnisse belebt, ist noch durchaus die mittelalterliche, die der Christenheit. Die Ehre der Krone ist gebunden an ihre unzweifelhafte Zugehörigkeit zur katholischen Welt; darum ist der Hussit Podiebrad als Machthaber und König unannehmbar. Aber anch der Kampf gegen die böhmische Nation und uationale Bewegung erschien als eine Sache des Glaubens. Zwar war diese Nation nicht völlig hussitisch, und gerade der Herrenstand, der in der ersten Hälfte der Epoche Podiebrads die Rechte der Böhmen nach außen hin mit besonderer Energie vertrat, war gut katholisch gesinnt. Aber für die Breslauer wurden Böhmen und Hussiten allmählich völlig eins. Hierin wirkte zunächst die Er- innerung an die alte hussitische Bewegung nach, in der Nation und Religions- partei in der Tat eine Einheit gebildet hatten; auch hielt der Utraquismus, so wie ihn beispielsweise sein geistlicher Führer Rokyzana vertrat, an dieser Einheit ideell fest. Daueben aber vollzogen die Breslaner die Gleichsetzung von Böhmen und Hussiten noch in ihrer eigenen Weise. Die Ketzerei mit allen ihren Greneln galt ihnen schlechthin als das Erzengnis des bösen Volks- willens der Böhmen. Wir finden diese Überzeugung bei so verschiedenen Geistern wie dem firchlichen Eiferer Tempelfeld und dem milden und vor- sichtigen Stadtschreiber Eschenloer. Tempeljeld hat im Eingang einer Ab- haudlung über die Unrechtmäßzigkeit der Wahl Georgs weitschweifig ausgeführt, wie das regnum Bohemiae von Generation zu Geueration immer mehr in Ketzerei verfallen sei 1). Mit dem „regnum Bohemiae“ sind hier die Böhmen nebst den Mähren gemeint: diese Völker hätten die Kompaktaten uur erworben, um ihre Irrtümer zu bemänteln; sie hätten die katholische Einheit und Gläubig- keit nicht angenommen2). Eschenloer gab in seiner Denkschrift von 14593) den päpstlichen Legaten zu bedenken, wie unendliche Mühe sich Päpste und Konzilien „mit dem grausamen Volke der Böhmen iu Hoffnung auf seine Be- kehrung“ gegeben hätten, — wie groß der Unterschied zwischen dem Glauben „der Böhmen“ und „ihrem“, der Breslauer, Glauben sei. „Denn seit Böhmen die falschen Propheten ins Land gelassen hat, hat es sich mit allen Ketzereien befleckt und vernnehrt, die pestbringende Geister seit Anbegiun der Kirche ausgestrent haben.“ — „Wie kommen die Böhmen zur Herrschaft über die Breslaner? Die Böhmen schmähen den apostolischen Stuhl und den Papst und alle Würdenträger der Kirche; wir aber verehren sie . . .4)“ — Im Zu 1) Archiv f. öst. Gesch. 61, S. 134—149 (assertio 6—12). 2) a. a. D. S. 141 f. 3) Die er gemeinsam mit dem zweiten Stadtschreiber, Jakob Haselberg, verfaßte. Vgl. unten S. . Überhaupt sind in diesem Dokument die gedanklichen Grundmotive des Widerstandes am besten zusammengefaßt. 4) Esch. L 74 f.
Die Feindschaft gegen die böhmische Nation als religiöse Pflicht. 13 Die leitende Gesellschaftsidee, die alle politischen Verhältnisse belebt, ist noch durchaus die mittelalterliche, die der Christenheit. Die Ehre der Krone ist gebunden an ihre unzweifelhafte Zugehörigkeit zur katholischen Welt; darum ist der Hussit Podiebrad als Machthaber und König unannehmbar. Aber anch der Kampf gegen die böhmische Nation und uationale Bewegung erschien als eine Sache des Glaubens. Zwar war diese Nation nicht völlig hussitisch, und gerade der Herrenstand, der in der ersten Hälfte der Epoche Podiebrads die Rechte der Böhmen nach außen hin mit besonderer Energie vertrat, war gut katholisch gesinnt. Aber für die Breslauer wurden Böhmen und Hussiten allmählich völlig eins. Hierin wirkte zunächst die Er- innerung an die alte hussitische Bewegung nach, in der Nation und Religions- partei in der Tat eine Einheit gebildet hatten; auch hielt der Utraquismus, so wie ihn beispielsweise sein geistlicher Führer Rokyzana vertrat, an dieser Einheit ideell fest. Daueben aber vollzogen die Breslaner die Gleichsetzung von Böhmen und Hussiten noch in ihrer eigenen Weise. Die Ketzerei mit allen ihren Greneln galt ihnen schlechthin als das Erzengnis des bösen Volks- willens der Böhmen. Wir finden diese Überzeugung bei so verschiedenen Geistern wie dem firchlichen Eiferer Tempelfeld und dem milden und vor- sichtigen Stadtschreiber Eschenloer. Tempeljeld hat im Eingang einer Ab- haudlung über die Unrechtmäßzigkeit der Wahl Georgs weitschweifig ausgeführt, wie das regnum Bohemiae von Generation zu Geueration immer mehr in Ketzerei verfallen sei 1). Mit dem „regnum Bohemiae“ sind hier die Böhmen nebst den Mähren gemeint: diese Völker hätten die Kompaktaten uur erworben, um ihre Irrtümer zu bemänteln; sie hätten die katholische Einheit und Gläubig- keit nicht angenommen2). Eschenloer gab in seiner Denkschrift von 14593) den päpstlichen Legaten zu bedenken, wie unendliche Mühe sich Päpste und Konzilien „mit dem grausamen Volke der Böhmen iu Hoffnung auf seine Be- kehrung“ gegeben hätten, — wie groß der Unterschied zwischen dem Glauben „der Böhmen“ und „ihrem“, der Breslauer, Glauben sei. „Denn seit Böhmen die falschen Propheten ins Land gelassen hat, hat es sich mit allen Ketzereien befleckt und vernnehrt, die pestbringende Geister seit Anbegiun der Kirche ausgestrent haben.“ — „Wie kommen die Böhmen zur Herrschaft über die Breslaner? Die Böhmen schmähen den apostolischen Stuhl und den Papst und alle Würdenträger der Kirche; wir aber verehren sie . . .4)“ — Im Zu 1) Archiv f. öst. Gesch. 61, S. 134—149 (assertio 6—12). 2) a. a. D. S. 141 f. 3) Die er gemeinsam mit dem zweiten Stadtschreiber, Jakob Haselberg, verfaßte. Vgl. unten S. . Überhaupt sind in diesem Dokument die gedanklichen Grundmotive des Widerstandes am besten zusammengefaßt. 4) Esch. L 74 f.
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14 Wandlungen des Kampfzieles. sammenhange einer solchen Denkweise konnten die Katholiken uuter den Böhmen nur als Ausnahme-Erscheinungen aufgefaßt werden. Und das Breslauer Volk z0g auch sie in das allgemeine Verdikt hinein. Man sagte, „ein Böhme sei wie der andere“: auf Bischof Jost wurde, seit er für Podiebrad Partei ergriff, das Wort besonders gern angewendet 1). In dieser Gedankenverbindung zeigt sich einerseits die instinktive Gewalt des Nationalhasses, andrerseits die herrschende Macht der kirchlichen Idee über die Bildung der Gedanken. Der Widerwille gegen die andrängende Nation empfing seine Rechtfertigung durch die Überzeugnng von dem tiefinnerlichen Ketzertum dieser Nation. Aber er bedurste anch einer solchen Rechtfertigung: nur der Feind der Kirche war letztlich wert, ewiger Feind zu heißzen. Die Breslauer fochten gegen ein Volk, das sich von der Christenheit lossagte. Die Nation bildet hier einen Gegensatz zur Christenheit, wie sie einen Gegensatz gegen die Krone darstellt. Wir haben damit die ideellen Gegenstände gekennzeichnet, um die die Stadt kämpfen, die Werte, denen sie dienen mußte. Diese Werte behielten Gültigkeit während des ganzen Kampfes. Wie ihnen aber Genüge geschehen sollte, welche praktischen Aufgaben an sie zu knüpfen waren — das ließ sich nicht ein für allemal festlegen: die näheren Ziele des politischen Handelus wurden notwendig durch den Wechsel der äußeren Lage mitbestimnt. Zu Anfang herrschte im böhmischen Reiche noch ein legitimer König, den es uur gegen die böhmische Nation zu stützen und für Breslan zu gewinnen galt; die Möglichkeit, das alte Recht herzustellen, lag noch in greifbarer Nähe. Zu- gleich aber erschien die Beseitigung des böhmischen und hussitischen Gewalt habers im Reiche als die notwendige Voranssetzung der Erfüllung jener Aufgabe und als ein Trieb des Kampjes selbst; gegen ihn, den „Girsif“, sammelte sich ein tiefer persönlicher Haß an. Mit dem Augenblicke aber, wo er von seiner Nation zum Könige erhoben war, wurde der Verwirklichung des ursprünglichen Zieles, der Herstellnng des alten Rechts, die notwendige Grund- lage entzogen. Die Aufgabe der Stadt erhielt jetzt durch den Gang der Ereignisse einen vorzugsweise negativen Jnhalt; die Vernichtung Podiebrads wurde das Hauptziel. Sie konnte uicht auf einen Schlag erreicht werden, und die Stadt hatte darum noch einen anderen, näher liegenden Erfolg sicher zu stellen: sie mußte darum kämpfen, daß sie selbst der Gewalt des Königs entzogen blieb. Das war ein Gebot nicht uur der Ehre, soudern auch der Selbsterhaltung. Sobald sich Breslau einmal dem Mächtigen entgegengestellt 1) Eſch. D I 113, 341.
14 Wandlungen des Kampfzieles. sammenhange einer solchen Denkweise konnten die Katholiken uuter den Böhmen nur als Ausnahme-Erscheinungen aufgefaßt werden. Und das Breslauer Volk z0g auch sie in das allgemeine Verdikt hinein. Man sagte, „ein Böhme sei wie der andere“: auf Bischof Jost wurde, seit er für Podiebrad Partei ergriff, das Wort besonders gern angewendet 1). In dieser Gedankenverbindung zeigt sich einerseits die instinktive Gewalt des Nationalhasses, andrerseits die herrschende Macht der kirchlichen Idee über die Bildung der Gedanken. Der Widerwille gegen die andrängende Nation empfing seine Rechtfertigung durch die Überzeugnng von dem tiefinnerlichen Ketzertum dieser Nation. Aber er bedurste anch einer solchen Rechtfertigung: nur der Feind der Kirche war letztlich wert, ewiger Feind zu heißzen. Die Breslauer fochten gegen ein Volk, das sich von der Christenheit lossagte. Die Nation bildet hier einen Gegensatz zur Christenheit, wie sie einen Gegensatz gegen die Krone darstellt. Wir haben damit die ideellen Gegenstände gekennzeichnet, um die die Stadt kämpfen, die Werte, denen sie dienen mußte. Diese Werte behielten Gültigkeit während des ganzen Kampfes. Wie ihnen aber Genüge geschehen sollte, welche praktischen Aufgaben an sie zu knüpfen waren — das ließ sich nicht ein für allemal festlegen: die näheren Ziele des politischen Handelus wurden notwendig durch den Wechsel der äußeren Lage mitbestimnt. Zu Anfang herrschte im böhmischen Reiche noch ein legitimer König, den es uur gegen die böhmische Nation zu stützen und für Breslan zu gewinnen galt; die Möglichkeit, das alte Recht herzustellen, lag noch in greifbarer Nähe. Zu- gleich aber erschien die Beseitigung des böhmischen und hussitischen Gewalt habers im Reiche als die notwendige Voranssetzung der Erfüllung jener Aufgabe und als ein Trieb des Kampjes selbst; gegen ihn, den „Girsif“, sammelte sich ein tiefer persönlicher Haß an. Mit dem Augenblicke aber, wo er von seiner Nation zum Könige erhoben war, wurde der Verwirklichung des ursprünglichen Zieles, der Herstellnng des alten Rechts, die notwendige Grund- lage entzogen. Die Aufgabe der Stadt erhielt jetzt durch den Gang der Ereignisse einen vorzugsweise negativen Jnhalt; die Vernichtung Podiebrads wurde das Hauptziel. Sie konnte uicht auf einen Schlag erreicht werden, und die Stadt hatte darum noch einen anderen, näher liegenden Erfolg sicher zu stellen: sie mußte darum kämpfen, daß sie selbst der Gewalt des Königs entzogen blieb. Das war ein Gebot nicht uur der Ehre, soudern auch der Selbsterhaltung. Sobald sich Breslau einmal dem Mächtigen entgegengestellt 1) Eſch. D I 113, 341.
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Die politischen Kräfte der Stadt. 15 hatte, mußte es gewärtig sein, daß er versuchen werde, den feindseligen Untertan zu strafen und unschädlich zu machen. Vorübergehend ist jenes Ziel der Selbstbehauptung als das nähere von den Bürgern in seiner Eigenbedentung erjaßt und zweckentsprechend verfolgt worden; dieser Ausrichtung ihrer Politik verdaukten sie das eine Jahr vollkommenen Friedens, das ihnen mitten in der unruhigen Epoche Podiebrads gewährt wurde. Jedoch uur ein äußerer Zwang hat sie damals (Ende 1459) genötigt, sich zu bescheiden, und binnen kurzem vermochten sie in ihren Eutschlüssen uicht mehr das nähere und das weitere Ziel klar zu trennen. Dies ist ein Teil des Verhängnisses, das sie schließlich um den Erfolg ihres Ringens brachte. III. Die politischen Kräfte der Stadt. Die Schwierigfeiten, die der Bürgerschaft aus den wechselnden Be- dingungen der Lage erwuchsen, vermehrten das Gewicht der stetigen Hemmungen, die auf allen ihren politischen Handlungen lasten mußzten. Diese Hemmungen treten im Verlauf des Kampjes fortgesetzt ans Licht. Wir versuchen, sie an dieser Stesle im allgemeinen zu bezeichnen und damit zugleich eine Übersicht über die politischen Kräste der Stadt zu gewinnen. Jene Hemmungen sind teils äußerer, teils innerer Natur. Das äußere Moment der Schwäche ist die Vereinsamung, in die sich die Stadt innerhalb Schlesiens gedrängt sah. Junerlich aber stand sie unter einem Schicksal, das sich dem deutschen Bürgertum dieser Zeit und der folgenden Jahrhunderte in mannigfacher Weise mitgeteilt hat. Der Geist, der im bürgerlichen Alltags- leben heranwuchs, trat in einen Gegensatz zu den Aufgaben, die die Idee des bürgerlichen Gemeinwesens vorzeichnete. Dieser Gegensatz prägte sich in Breslau an zwei verschiedenen Stellen aus. Die soziale Entfremdung der Massen gegen die Ratsaristokratie verminderte die Fähigkeit und Willigkeit des Volkes, sich den Erfordernissen des städtischen Ganzen unterzuordnen. Die Rats- aristokratie aber, der die Führung des Gemeinwesens überlassen blieb, konute sich nicht leicht von einer Enge und Trübheit des Blickes befreien, die ihr von Natur anzuhaften schien. Diese lähmenden Einflüsse machten sich geltend, ob wohl beide Parteien, Rat und Gemeine, das entschiedenste Bewußtsein von der Größe der Stadt und ihrer heiligen Aufgabe hatten. 1. Es bestand ein eigentümlicher Widerspruch zwischen dem hauptstädtischen Geltungsanspruch, auf Grund dessen die Stadt den Kampf gegen Podiebrad unternahm, und der geringen politischen Geltung, die sie in Wirklichkeit besaß. Die Bürgerschaft wußte sich als die Seele des schlesischen Landes, als die Stütze der Krone Böhmen, und doch ging ihr Machtbereich wenig über ihre
Die politischen Kräfte der Stadt. 15 hatte, mußte es gewärtig sein, daß er versuchen werde, den feindseligen Untertan zu strafen und unschädlich zu machen. Vorübergehend ist jenes Ziel der Selbstbehauptung als das nähere von den Bürgern in seiner Eigenbedentung erjaßt und zweckentsprechend verfolgt worden; dieser Ausrichtung ihrer Politik verdaukten sie das eine Jahr vollkommenen Friedens, das ihnen mitten in der unruhigen Epoche Podiebrads gewährt wurde. Jedoch uur ein äußerer Zwang hat sie damals (Ende 1459) genötigt, sich zu bescheiden, und binnen kurzem vermochten sie in ihren Eutschlüssen uicht mehr das nähere und das weitere Ziel klar zu trennen. Dies ist ein Teil des Verhängnisses, das sie schließlich um den Erfolg ihres Ringens brachte. III. Die politischen Kräfte der Stadt. Die Schwierigfeiten, die der Bürgerschaft aus den wechselnden Be- dingungen der Lage erwuchsen, vermehrten das Gewicht der stetigen Hemmungen, die auf allen ihren politischen Handlungen lasten mußzten. Diese Hemmungen treten im Verlauf des Kampjes fortgesetzt ans Licht. Wir versuchen, sie an dieser Stesle im allgemeinen zu bezeichnen und damit zugleich eine Übersicht über die politischen Kräste der Stadt zu gewinnen. Jene Hemmungen sind teils äußerer, teils innerer Natur. Das äußere Moment der Schwäche ist die Vereinsamung, in die sich die Stadt innerhalb Schlesiens gedrängt sah. Junerlich aber stand sie unter einem Schicksal, das sich dem deutschen Bürgertum dieser Zeit und der folgenden Jahrhunderte in mannigfacher Weise mitgeteilt hat. Der Geist, der im bürgerlichen Alltags- leben heranwuchs, trat in einen Gegensatz zu den Aufgaben, die die Idee des bürgerlichen Gemeinwesens vorzeichnete. Dieser Gegensatz prägte sich in Breslau an zwei verschiedenen Stellen aus. Die soziale Entfremdung der Massen gegen die Ratsaristokratie verminderte die Fähigkeit und Willigkeit des Volkes, sich den Erfordernissen des städtischen Ganzen unterzuordnen. Die Rats- aristokratie aber, der die Führung des Gemeinwesens überlassen blieb, konute sich nicht leicht von einer Enge und Trübheit des Blickes befreien, die ihr von Natur anzuhaften schien. Diese lähmenden Einflüsse machten sich geltend, ob wohl beide Parteien, Rat und Gemeine, das entschiedenste Bewußtsein von der Größe der Stadt und ihrer heiligen Aufgabe hatten. 1. Es bestand ein eigentümlicher Widerspruch zwischen dem hauptstädtischen Geltungsanspruch, auf Grund dessen die Stadt den Kampf gegen Podiebrad unternahm, und der geringen politischen Geltung, die sie in Wirklichkeit besaß. Die Bürgerschaft wußte sich als die Seele des schlesischen Landes, als die Stütze der Krone Böhmen, und doch ging ihr Machtbereich wenig über ihre
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16 Vereinsamte Stellung Breslaus in Schlesien. Mauern hinaus. In einer — wie sich zeigen sollte — nicht durchaus zu- verlässigen Abhängigkeit hielt sie die Mannschaft des Fürstentums und die Stadt Nenmarkt. Treu zu ihr hielt stets die Stadt Namslan, die nebst dem zugehörigen ländlichen Weichbild den Schutz der Breslauer Hauptmannschaft genoß1). In den andern Fürstentümern besaß Breslan kein höheres An- sehen. In den Hussitenkriegen hatte die Stadt zwar Eifer gezeigt2); als aber nach der Beendigung der Kämpje ein Bund der Fürstentümer gestiftet wurde, wurde Breslau nur ein Mitglied wie alle andern3). Ein Gesandter König Abrechts, der im Jahre 1438 in Schlesien Rüstungen gegen den be- vorstehenden Angriff der Polen betrieb, hatte den Anftrag, sich besonders um die Hilfe der Fürsten zu bemühen; von den Breslauern war in seiner In- struktion nicht die Rede 4). Es ist nicht genauer zu ermessen, wie weit dieser Mangel an Geltung selbst schon von den Breslauern verschuldet war. Auch änßere Umstände, an denen sich uichts ändern ließ, wirkten in dieser Richtung. Vor allem konnte die Stadt mit den kleineren schlesischen Städten kaum in ein engeres Verhältuis kommen. Ihre Monopolstellung im Handel — sie nahm das Niederlagsrecht für Schlesien als ihr altes Privileg in Anspruch — bewirkte, daß sie mit keinem dieser Gemeinwesen in einer eigentlichen Interessengemeinschaft stand. Sie lebte in kühler, mißtrauischer Abgeschlossenheit; sie hatte den Schlesiern nicht genug zu geben, um allseitig gute Beziehungen zu ihnen unterhalten zu können. Dabei aber war sie wirtschaftlich in hohem Maße von dem guten Willen des Landes abhängig. Sie war allseitig von fremden Fürstentümern umschlossen; wurden ihr dort die Straßen verlegt, so litt ihr Handel und auf die Dauer sogar ihre Verpflegung; denn der ländliche Bezirk, der näher zu ihr gehörte, war nur klein. — Die Bürger hatten also bei einem selbständigen Vorgehen keine Unterstützung von ihren Landslenten zu erwarten; sie mußten vielmehr jürchten, daß diese eine wirtschaftliche Bedrückung der Stadt und im Kriegsfalle sogar ihre Aushungerung geschehen lassen würden 5). 2. Innerlich fremd aber standen sich auch Oberschicht und Unterschicht der Breslauer Bürgerschaft selbst gegenüber. Die Zeit der eigentlichen „Zunft kämpfe“, des gewalttätigen Ringens um das Regiment der Stadt, war zwar in Breslau damals schon abgelaujen; aber der Gegensatz hatte eine nene Gestalt 1) Bobertag, Die Gerichte und Gerichtsbücher des Fürstentums Breslan, Zeitschr. VII, S. 135. 2) Grünhagen, Die Hussitenkämpfe der Schlesier. 3) Rachfahl, Gesamt- 4) Cod. dipl. Lusatiae superioris IV (ed. R. Jecht), staatsverwaltung a. a. D. S. 90. S. 41. 5) Dieses Moment erklärt und rechtfertigt zu einem Teile die Scheu des Breslauer Rates vor einem längeren Kriege.
16 Vereinsamte Stellung Breslaus in Schlesien. Mauern hinaus. In einer — wie sich zeigen sollte — nicht durchaus zu- verlässigen Abhängigkeit hielt sie die Mannschaft des Fürstentums und die Stadt Nenmarkt. Treu zu ihr hielt stets die Stadt Namslan, die nebst dem zugehörigen ländlichen Weichbild den Schutz der Breslauer Hauptmannschaft genoß1). In den andern Fürstentümern besaß Breslan kein höheres An- sehen. In den Hussitenkriegen hatte die Stadt zwar Eifer gezeigt2); als aber nach der Beendigung der Kämpje ein Bund der Fürstentümer gestiftet wurde, wurde Breslau nur ein Mitglied wie alle andern3). Ein Gesandter König Abrechts, der im Jahre 1438 in Schlesien Rüstungen gegen den be- vorstehenden Angriff der Polen betrieb, hatte den Anftrag, sich besonders um die Hilfe der Fürsten zu bemühen; von den Breslauern war in seiner In- struktion nicht die Rede 4). Es ist nicht genauer zu ermessen, wie weit dieser Mangel an Geltung selbst schon von den Breslauern verschuldet war. Auch änßere Umstände, an denen sich uichts ändern ließ, wirkten in dieser Richtung. Vor allem konnte die Stadt mit den kleineren schlesischen Städten kaum in ein engeres Verhältuis kommen. Ihre Monopolstellung im Handel — sie nahm das Niederlagsrecht für Schlesien als ihr altes Privileg in Anspruch — bewirkte, daß sie mit keinem dieser Gemeinwesen in einer eigentlichen Interessengemeinschaft stand. Sie lebte in kühler, mißtrauischer Abgeschlossenheit; sie hatte den Schlesiern nicht genug zu geben, um allseitig gute Beziehungen zu ihnen unterhalten zu können. Dabei aber war sie wirtschaftlich in hohem Maße von dem guten Willen des Landes abhängig. Sie war allseitig von fremden Fürstentümern umschlossen; wurden ihr dort die Straßen verlegt, so litt ihr Handel und auf die Dauer sogar ihre Verpflegung; denn der ländliche Bezirk, der näher zu ihr gehörte, war nur klein. — Die Bürger hatten also bei einem selbständigen Vorgehen keine Unterstützung von ihren Landslenten zu erwarten; sie mußten vielmehr jürchten, daß diese eine wirtschaftliche Bedrückung der Stadt und im Kriegsfalle sogar ihre Aushungerung geschehen lassen würden 5). 2. Innerlich fremd aber standen sich auch Oberschicht und Unterschicht der Breslauer Bürgerschaft selbst gegenüber. Die Zeit der eigentlichen „Zunft kämpfe“, des gewalttätigen Ringens um das Regiment der Stadt, war zwar in Breslau damals schon abgelaujen; aber der Gegensatz hatte eine nene Gestalt 1) Bobertag, Die Gerichte und Gerichtsbücher des Fürstentums Breslan, Zeitschr. VII, S. 135. 2) Grünhagen, Die Hussitenkämpfe der Schlesier. 3) Rachfahl, Gesamt- 4) Cod. dipl. Lusatiae superioris IV (ed. R. Jecht), staatsverwaltung a. a. D. S. 90. S. 41. 5) Dieses Moment erklärt und rechtfertigt zu einem Teile die Scheu des Breslauer Rates vor einem längeren Kriege.
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Sinnesveränderung des denokratischen Gedankens seit dem Abschluß der Zuuftkämpfe. 17 angenommen. Unter der Regierung König Wenzels hatte die Handwerkerschaft, die „Gemeine“, mit der faufmännischen Ratsaristokratie un die Teilnahme am Rate, um die Bestätignng der Ratswahlen durch die Zünfte, un die Selbst¬ verwaltung der Zünfte und um wirtschaftliche Privilegien gestritten. Wechselnd hatten die Parteien die Gunst des Königs erkanft; die Finanzuot der Stadt war gerade dadurch hoch gesteigert worden und hatte die Massen noch mehr gegen die Regierenden erbittert, anch zu den Zeiten, wo dem Begehren der Zünfte nach Teilnahme am Rat genüge geschah. Der blutige Anfstand von 1418 hatte die Massen eine Zeit lang an die Herrschaft gebracht; im über- nächsten Jahre aber hatte das Schreckensurteil König Sigmunds die Führer des Aufruhrs beseitigt. Damit war der Geist der Empörnng ausgerottet. Die Bürgerschaft ertrug uinmehr bis zum Tode Sigmunds ein streng oli- garchisches Regiment, dessen Mitglieder im regelmäßigen Turuus wiederkehrten. Die drückende und unordentliche Gewalt dieser „Viernndzwanzig“ abzuschaffen, blieb König Albrecht überlassen; er gab im Jahre 1438 eine neue Rats- orduung, die auch den Zünften wieder einen Anteil an der Verwaltung verlieh, und zwar saßen fortan zwei Zunftmitglieder unter den 8 Ratmannen und zwei unter den 11 Schöffen, deren Kollegium uicht uur gerichtliche Funktion hatte, sondern auch an den Handlungen des Rates teilnahm. Die Verfassungs- kämpse waren jetzt endgültig geschlichtet 1). Und überhaupt trat in dieser Zeit bei der Menge ein Wechsel der Anschannng von der Verfassnng ein; die Vertretung im Rate schien gar nicht mehr ein wichtiges Volksrecht zu bedeuten. Die Zünfte versuchten nicht durch ihre Standesgenossen, die unter den Ratmannen und Schöffen saßen, bestimmend auf diese Körperschaften einzuwirken. Diese Ratszünjtler entglitten sogar den Massen vöslig; sie wurden eines Sinnes mit ihren patrizischen Kollegen: in der Zeit der Kämpje mit Podiebrad hat sich der Rat niemals nach ständischen Gruppen gespalten. Die Zünfte legten nur noch Wert darauf, als Gesamtheit des Volkes, als „Gemeine“, den Rat zu über- wachen. Seit alters hatten Rat und Schöffen bei wichtigen Anlässen eine Vertretung der Gesamtbürgerschaft einzuberujen, um mit ihr gemeinsam die Beschlüsse zu fassen. Die Mitglieder dieser Gemeindevertretung wurden zu einem Teise von der Kaujmanuschaft, zum andern von den Zünften gestellt2). „Der Kanfmann“, die Vertretung der Kaufmannschaft, stand dem Rate und den Schöffen sozial und zum Teil sogar verwandtschaftlich nahe und schloß sich ihnen anch in der Regel an: er wurde von keiner Seite mehr als wirk- 1) Die Geschichte der Breslauer Verfassungskämpfe ist von Markgraf im „Breslauer Stadtbuch“ (Cod. dipl. Sil. XI, S. XXII—XLIII), dargestellt worden. 2) Markgraf a. a. D. S. XIII—XVI. Darstellungen und Duellen XXII. 2
Sinnesveränderung des denokratischen Gedankens seit dem Abschluß der Zuuftkämpfe. 17 angenommen. Unter der Regierung König Wenzels hatte die Handwerkerschaft, die „Gemeine“, mit der faufmännischen Ratsaristokratie un die Teilnahme am Rate, um die Bestätignng der Ratswahlen durch die Zünfte, un die Selbst¬ verwaltung der Zünfte und um wirtschaftliche Privilegien gestritten. Wechselnd hatten die Parteien die Gunst des Königs erkanft; die Finanzuot der Stadt war gerade dadurch hoch gesteigert worden und hatte die Massen noch mehr gegen die Regierenden erbittert, anch zu den Zeiten, wo dem Begehren der Zünfte nach Teilnahme am Rat genüge geschah. Der blutige Anfstand von 1418 hatte die Massen eine Zeit lang an die Herrschaft gebracht; im über- nächsten Jahre aber hatte das Schreckensurteil König Sigmunds die Führer des Aufruhrs beseitigt. Damit war der Geist der Empörnng ausgerottet. Die Bürgerschaft ertrug uinmehr bis zum Tode Sigmunds ein streng oli- garchisches Regiment, dessen Mitglieder im regelmäßigen Turuus wiederkehrten. Die drückende und unordentliche Gewalt dieser „Viernndzwanzig“ abzuschaffen, blieb König Albrecht überlassen; er gab im Jahre 1438 eine neue Rats- orduung, die auch den Zünften wieder einen Anteil an der Verwaltung verlieh, und zwar saßen fortan zwei Zunftmitglieder unter den 8 Ratmannen und zwei unter den 11 Schöffen, deren Kollegium uicht uur gerichtliche Funktion hatte, sondern auch an den Handlungen des Rates teilnahm. Die Verfassungs- kämpse waren jetzt endgültig geschlichtet 1). Und überhaupt trat in dieser Zeit bei der Menge ein Wechsel der Anschannng von der Verfassnng ein; die Vertretung im Rate schien gar nicht mehr ein wichtiges Volksrecht zu bedeuten. Die Zünfte versuchten nicht durch ihre Standesgenossen, die unter den Ratmannen und Schöffen saßen, bestimmend auf diese Körperschaften einzuwirken. Diese Ratszünjtler entglitten sogar den Massen vöslig; sie wurden eines Sinnes mit ihren patrizischen Kollegen: in der Zeit der Kämpje mit Podiebrad hat sich der Rat niemals nach ständischen Gruppen gespalten. Die Zünfte legten nur noch Wert darauf, als Gesamtheit des Volkes, als „Gemeine“, den Rat zu über- wachen. Seit alters hatten Rat und Schöffen bei wichtigen Anlässen eine Vertretung der Gesamtbürgerschaft einzuberujen, um mit ihr gemeinsam die Beschlüsse zu fassen. Die Mitglieder dieser Gemeindevertretung wurden zu einem Teise von der Kaujmanuschaft, zum andern von den Zünften gestellt2). „Der Kanfmann“, die Vertretung der Kaufmannschaft, stand dem Rate und den Schöffen sozial und zum Teil sogar verwandtschaftlich nahe und schloß sich ihnen anch in der Regel an: er wurde von keiner Seite mehr als wirk- 1) Die Geschichte der Breslauer Verfassungskämpfe ist von Markgraf im „Breslauer Stadtbuch“ (Cod. dipl. Sil. XI, S. XXII—XLIII), dargestellt worden. 2) Markgraf a. a. D. S. XIII—XVI. Darstellungen und Duellen XXII. 2
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18 Der Doppelfinn der Idee des „Volfs“ in der Geuteine. liche „Gemeinde“-Vertretung aufgefaßt. Schon seit dem Ausgang des 14. Jahr- hunderts wird der Ausdruck „Gemeine“ oft allein auf die Zünfte angewendet 1); die „Geschworenen der Handwerke“, die sie zur Gemeindevertretung abordneten, stellten gegenüber den Rate die Bürgerschaft dar. Durch diese Geschworenen und daneben durch die allgemeinen Volksversamulungen, die in Breslan wie anderwärts gelegentlich als weiteste Darstellnng des Bürgerwillens auf Rats- beschluß zusammentraten, suchten die Zünfte jetzt nachdrücklich ihre Stimme zur Geltung zu bringen. Zugleich aber erlaubten sie, daß sich der Kreis der „Gemeine“ nach unten erweiterte. Die Zünfte bildeten an und für sich immer noch eine privilegierte Schicht gegenüber dem unzünftigen uiederen Volfe, das zum großen Teil nicht einmal Bürgerrecht hatte. Dieser „ungesessene ledige Pöbel“ wollte jetzt gleichfalls eine Stimme haben und zur Gemeine gehören, und die Zünfte ließen es zu; er erwarb sich Einfluß anf die Geschworenen, wenn auch einzelne unter diesen sich gegen ihn zur Wehr setzten. Es fam so zu einer öffentlichen Meinung; gebildet wurde diese in den Versammlungen der einzelnen Zünfte, die trotz Kaiser Sigmnuds Verbot wieder anffanten2). Daneben aber wurde das politische Gespräch eifrig im Schweiduitzer Keller und in den Kretschamhäusern gepflegt, und hier hatten auch jene Ungesessenen Gelegenheit, sich an die zünftigen Handwerker heranzudrängen. Die Gesinnung dieser städtischen Gemeine gehorchte uun in eigener Weise bereits dem inneren Gesetz, das in neneren Zeiten der politisch erwachten bürgerlichen Masse größerer Körperschaften wiederholt eine doppelte Richtung gab — jeuem Gesetz, das sich in der zwiespältigen Bedeutung des Wortes „Volk“ spiegelt2). Einesteils ist die Gemeine von einem starken Gemeinwillen erfüllt, der sich für die Stadt einsetzt; sie bringt im Kampf gegen Podiebrad das bürgerliche Selbstbewußtsein leidenschaftlich zum Ausdruck. Aber dieses Selbstbewußtsein ist getrübt durch den Klassengeist, der die Masse zusammen- schließt, und diesem Geiste entspricht hier eine Richtung auf bloßze Verneinung. Die Gemeine strebt uach der Macht, aber nicht nach der Regierung; sie will keine Verautwortung tragen. Ihr Denken kehrt leicht auf einen Punkt zurück: sie weiß sich als das arme Volk, das von den Mächtigen verraten wird und doch das wahre, große Volk ist; sie berauscht sich an ihrem Haß und strebt leidenschaftlich nach der Gelegenheit, sich eine Genugtnung zu verschaffen, die Unterdrücker gedemütigt zu sehen. Ist eine solche Demonstration gelungen, hat 1) Innungsgelöbnis von 1389 („Breslauer Stadtbuch“ a. a. O., Urk. 17, S. 157): „gesworn der hantwerker der zechen und gemeine der stad zue Breslau“. — Die Bedeutung „gesamte Bürgerschaft“ bleibt daneben bestehen; vgl. z. B. Urt. 19. §. 159, Urk. 29, S. 166. sowie unten Beilage 3. 2) Esch. D I87. 3) Das Wort „Gemeine“ gewinnt im späteren Mittelalter einen ganz ähnlichen Doppelsinn.
18 Der Doppelfinn der Idee des „Volfs“ in der Geuteine. liche „Gemeinde“-Vertretung aufgefaßt. Schon seit dem Ausgang des 14. Jahr- hunderts wird der Ausdruck „Gemeine“ oft allein auf die Zünfte angewendet 1); die „Geschworenen der Handwerke“, die sie zur Gemeindevertretung abordneten, stellten gegenüber den Rate die Bürgerschaft dar. Durch diese Geschworenen und daneben durch die allgemeinen Volksversamulungen, die in Breslan wie anderwärts gelegentlich als weiteste Darstellnng des Bürgerwillens auf Rats- beschluß zusammentraten, suchten die Zünfte jetzt nachdrücklich ihre Stimme zur Geltung zu bringen. Zugleich aber erlaubten sie, daß sich der Kreis der „Gemeine“ nach unten erweiterte. Die Zünfte bildeten an und für sich immer noch eine privilegierte Schicht gegenüber dem unzünftigen uiederen Volfe, das zum großen Teil nicht einmal Bürgerrecht hatte. Dieser „ungesessene ledige Pöbel“ wollte jetzt gleichfalls eine Stimme haben und zur Gemeine gehören, und die Zünfte ließen es zu; er erwarb sich Einfluß anf die Geschworenen, wenn auch einzelne unter diesen sich gegen ihn zur Wehr setzten. Es fam so zu einer öffentlichen Meinung; gebildet wurde diese in den Versammlungen der einzelnen Zünfte, die trotz Kaiser Sigmnuds Verbot wieder anffanten2). Daneben aber wurde das politische Gespräch eifrig im Schweiduitzer Keller und in den Kretschamhäusern gepflegt, und hier hatten auch jene Ungesessenen Gelegenheit, sich an die zünftigen Handwerker heranzudrängen. Die Gesinnung dieser städtischen Gemeine gehorchte uun in eigener Weise bereits dem inneren Gesetz, das in neneren Zeiten der politisch erwachten bürgerlichen Masse größerer Körperschaften wiederholt eine doppelte Richtung gab — jeuem Gesetz, das sich in der zwiespältigen Bedeutung des Wortes „Volk“ spiegelt2). Einesteils ist die Gemeine von einem starken Gemeinwillen erfüllt, der sich für die Stadt einsetzt; sie bringt im Kampf gegen Podiebrad das bürgerliche Selbstbewußtsein leidenschaftlich zum Ausdruck. Aber dieses Selbstbewußtsein ist getrübt durch den Klassengeist, der die Masse zusammen- schließt, und diesem Geiste entspricht hier eine Richtung auf bloßze Verneinung. Die Gemeine strebt uach der Macht, aber nicht nach der Regierung; sie will keine Verautwortung tragen. Ihr Denken kehrt leicht auf einen Punkt zurück: sie weiß sich als das arme Volk, das von den Mächtigen verraten wird und doch das wahre, große Volk ist; sie berauscht sich an ihrem Haß und strebt leidenschaftlich nach der Gelegenheit, sich eine Genugtnung zu verschaffen, die Unterdrücker gedemütigt zu sehen. Ist eine solche Demonstration gelungen, hat 1) Innungsgelöbnis von 1389 („Breslauer Stadtbuch“ a. a. O., Urk. 17, S. 157): „gesworn der hantwerker der zechen und gemeine der stad zue Breslau“. — Die Bedeutung „gesamte Bürgerschaft“ bleibt daneben bestehen; vgl. z. B. Urt. 19. §. 159, Urk. 29, S. 166. sowie unten Beilage 3. 2) Esch. D I87. 3) Das Wort „Gemeine“ gewinnt im späteren Mittelalter einen ganz ähnlichen Doppelsinn.
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Die Atmosphäre des Mistrauens. 19 die Gemeine einen Angeublick lang den Triumph der Anerkennung ihrer wahren Größe genossen, so ist ihr Eijer am Ziese: Genanere Vorstellungen über die Politik, die die Stadt einzuschlagen habe, hat sie sich nicht gebildet. Es ist dentlich, wie dieser — man darf wohl sagen: tückische — Geist der Rache geeignet war, den Widerstand gegen Podiebräd, den Unterdrücker der Stadt, rege zu erhalten. Aber das natürliche und beständige Objekt des Volks- hasses war doch der innere Volksfeind: der Rat. Der politische Gemeingeist, der Wille, dem Gemeinwesen zu seiner Ehre zu verhelfen, verbleibt in innerer Abhängigfeit gegenüber dem Klassengedanken der „Gemeine“. In den Haupt- fragen der äußeren Politik konnte die Verwebung der Tendenzen nicht eigent- lich hemnend wirken: hier hatte die Gemeine uur als die Partei des scharfen und entschiedenen Widerstandes anfzutreten, uud der Rat vertrug — wenigstens jahrelang — eine solche Beeifernng. Um so lähmender wirkte der ständige Widerspruch gegen den Rat in der militärischen Attion: dem Rate zu gehorchen, schien einem rechten Volksmann so viel, wie ins offene Verderben zu rennen; sich selbst zu organisieren, hatte man auch feine Lust: so wurde ein Breslaner Bürgeraufgebot zu einem schwer lösbaren Problem. 3. Wir sehen, wie die politische Atmosphäre Breslaus gleichsam mit Mistrauen gesättigt war: Mistranen der Stadt gegen die übrigen Schlesier, der Gemeine gegen den Rat und uaturgemäß auch des Rates gegen die unzuverlässige und widerwillige Gemeine. Mißtranen wird deun auch bei dem Breslauer Rat in der Epoche Podiebrads die eigentliche Grnndmaxime seiner äußeren Politik. Wir gewinnen des öfteren in jeiner zweideutig und widerspruchsvoll scheinenden Haltung erst den festen Gesichtspunkt, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der Breslaner Rat beständig durch ein euges Mißtrauen gefesselt ist. Es ist in seiner Seele nicht so gewalttätig brütend wie in den Massen; es zeigt sich mehr als Zaghajtigfeit und Befangenheit. Der Rat hat einen natürlichen Hang dazu, schwierigen Sitnationen lieber zu entschlüpfen, als zu begegnen. Er möchte dabei doch auch seinerseits nichts von der Würde der Stadt aufgeben; städtebürgerlicher Stolz und Trotz und kleinbürgerliche Schen stehen bei der Breslaner Ratsaristokratie beständig im Widerstreit und im Wechsel — oder sie treten auch in Verbindung und bringen ein halb verwegenes, halb hinterhaltiges und bedächtiges Handeln zustande. Die Befangenheit des Breslauer Rates minderte also nicht das Bewußt- sein von seiner Verantwortung; ja, sie wurzelte in diesem Bewnßtsein. Ego- istische Klasseuinteressen haben uur einen verhältuismäßig geringen Anteil daran. Hätten diese Jnteressen ein Übergewicht besessen, so hätte die Rats- aristokratie jede Politik, die uur irgend den Handel und die Handelswege in 2*
Die Atmosphäre des Mistrauens. 19 die Gemeine einen Angeublick lang den Triumph der Anerkennung ihrer wahren Größe genossen, so ist ihr Eijer am Ziese: Genanere Vorstellungen über die Politik, die die Stadt einzuschlagen habe, hat sie sich nicht gebildet. Es ist dentlich, wie dieser — man darf wohl sagen: tückische — Geist der Rache geeignet war, den Widerstand gegen Podiebräd, den Unterdrücker der Stadt, rege zu erhalten. Aber das natürliche und beständige Objekt des Volks- hasses war doch der innere Volksfeind: der Rat. Der politische Gemeingeist, der Wille, dem Gemeinwesen zu seiner Ehre zu verhelfen, verbleibt in innerer Abhängigfeit gegenüber dem Klassengedanken der „Gemeine“. In den Haupt- fragen der äußeren Politik konnte die Verwebung der Tendenzen nicht eigent- lich hemnend wirken: hier hatte die Gemeine uur als die Partei des scharfen und entschiedenen Widerstandes anfzutreten, uud der Rat vertrug — wenigstens jahrelang — eine solche Beeifernng. Um so lähmender wirkte der ständige Widerspruch gegen den Rat in der militärischen Attion: dem Rate zu gehorchen, schien einem rechten Volksmann so viel, wie ins offene Verderben zu rennen; sich selbst zu organisieren, hatte man auch feine Lust: so wurde ein Breslaner Bürgeraufgebot zu einem schwer lösbaren Problem. 3. Wir sehen, wie die politische Atmosphäre Breslaus gleichsam mit Mistrauen gesättigt war: Mistranen der Stadt gegen die übrigen Schlesier, der Gemeine gegen den Rat und uaturgemäß auch des Rates gegen die unzuverlässige und widerwillige Gemeine. Mißtranen wird deun auch bei dem Breslauer Rat in der Epoche Podiebrads die eigentliche Grnndmaxime seiner äußeren Politik. Wir gewinnen des öfteren in jeiner zweideutig und widerspruchsvoll scheinenden Haltung erst den festen Gesichtspunkt, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß der Breslaner Rat beständig durch ein euges Mißtrauen gefesselt ist. Es ist in seiner Seele nicht so gewalttätig brütend wie in den Massen; es zeigt sich mehr als Zaghajtigfeit und Befangenheit. Der Rat hat einen natürlichen Hang dazu, schwierigen Sitnationen lieber zu entschlüpfen, als zu begegnen. Er möchte dabei doch auch seinerseits nichts von der Würde der Stadt aufgeben; städtebürgerlicher Stolz und Trotz und kleinbürgerliche Schen stehen bei der Breslaner Ratsaristokratie beständig im Widerstreit und im Wechsel — oder sie treten auch in Verbindung und bringen ein halb verwegenes, halb hinterhaltiges und bedächtiges Handeln zustande. Die Befangenheit des Breslauer Rates minderte also nicht das Bewußt- sein von seiner Verantwortung; ja, sie wurzelte in diesem Bewnßtsein. Ego- istische Klasseuinteressen haben uur einen verhältuismäßig geringen Anteil daran. Hätten diese Jnteressen ein Übergewicht besessen, so hätte die Rats- aristokratie jede Politik, die uur irgend den Handel und die Handelswege in 2*
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20 Der Geist der Ratspolitik. Böhmen und Niederschlesien gefährdete, von der Hand weisen müssen. Die be dingte Rücksicht, die sie dieser Gefahr zuwandte, war durchaus in Jnteresse der Stadt begründet. Die Lage Breslaus inmitten der schsesischen Fürsteutümer konnte ihm, wie wir schon festgestellt haben, einen langen Krieg zum völligen Verderben werden lassen. Der stetige Wnnsch des Rates, die Stadt vor den Gefahren eines solchen Krieges zu bewahren, war an sich nicht ein Zeichen besonderer Schwachmütigkeit und er wurde anch nicht einseitig von einem engen Klassenegoismus bestimmt. Das wirtschaftliche Juteresse des Patriziers war bei dieser Frage von dem der Allgemeinheit nicht verschieden. Überhaupt aber macht die Eigensucht der Reichen uur vorübergehend einen politischen Einfluß geltend, und auch dann trifft dieser Vorwurf uicht die Mehrheit des Rates 1). Bezeichnender für die kleinbürgerliche Befaugenheit der Breslauer Rats- aristokratie ist die objektive Enge ihres politischen Gesichtsfreises. Die Breslaner Patrizier wurden uicht zu größeren politischen Anfgaben erzogen. Trotz ihrer instinktiven Vorsicht zeigen sie wiederholt einen Mangel an Voraussicht; trotz ihrer pflichttrenen Fürsorge für die Verteidigung der Stadt lernen sie erst durch Schaden, was zur militärischen Organisation gehört. Wenn auch po- litische und kanfnännische Interessen uicht verwechselt werden, so wirkt die provinzielle Abgeschlossenheit doch ernüchternd und uivellierend auf die Cha-- raktere. In den Kämpfen der Stadt tritt die patrizische Jngend in keinem Sinne hervor. Und ebenso fehlt es an hervorstechenden Persönsichkeiten. Nur gelegentlich werden in der Überlieferung Eutschlüsse und Handlungen an einzelne Namen geknüpft. So scheint Georg Steinkeller der Kriegsmann des Patriziats gewesen zu sein. Im Rate vertreten Valentin Haunolt und Anton Hornig die energische Richtnng; sie werden anch zeitweise aus den hohen Kollegien entjernt und verbinden sich mit der Gemeine, um wieder hinein zu gelangen. Entschiedener als die Individnalität der einzelnen Ratmannen tritt die ihres Stadtschreibers hervor: Peter Eschensoer. In ihm hatte der Rat seit 1455 nicht iur einen fleißigen Mann, sondern anch einen keineswegs alltäglichen Kopf im Dienste. Seine Stärke ist vor allem das Verständuis für die grundsätzsichen Fragen der politischen Stellnng Breslaus. Das beweist namentlich der Friedensvertrag, mit dem er 1459 eine Einignng zwischen der Stadt und dem König herzustellen suchte. Hier gelang es ihm, für die 1) Patrizier, die von der allgemeinen Sache abtrünnig wurden, suchten in der Kriegs- gefahr des August 1459 die Stadt an Podiebrad auszuliefern. Vgl. unten Kap. 3, II. — Von dem damaligen Einkreisungskriege wurde übrigens nicht nur der Handel, sondern auch ein anderes materielles Interesse der Patrizier empfindlich getroffen. Der Wohlstand dieser Familien war zum großen Teil in ländlichem Grundbesitz angelegt, der vor den Toren der Stadt im Fürstentum ausgebreitet war: diese Güter standen der Verwüstung offen.
20 Der Geist der Ratspolitik. Böhmen und Niederschlesien gefährdete, von der Hand weisen müssen. Die be dingte Rücksicht, die sie dieser Gefahr zuwandte, war durchaus in Jnteresse der Stadt begründet. Die Lage Breslaus inmitten der schsesischen Fürsteutümer konnte ihm, wie wir schon festgestellt haben, einen langen Krieg zum völligen Verderben werden lassen. Der stetige Wnnsch des Rates, die Stadt vor den Gefahren eines solchen Krieges zu bewahren, war an sich nicht ein Zeichen besonderer Schwachmütigkeit und er wurde anch nicht einseitig von einem engen Klassenegoismus bestimmt. Das wirtschaftliche Juteresse des Patriziers war bei dieser Frage von dem der Allgemeinheit nicht verschieden. Überhaupt aber macht die Eigensucht der Reichen uur vorübergehend einen politischen Einfluß geltend, und auch dann trifft dieser Vorwurf uicht die Mehrheit des Rates 1). Bezeichnender für die kleinbürgerliche Befaugenheit der Breslauer Rats- aristokratie ist die objektive Enge ihres politischen Gesichtsfreises. Die Breslaner Patrizier wurden uicht zu größeren politischen Anfgaben erzogen. Trotz ihrer instinktiven Vorsicht zeigen sie wiederholt einen Mangel an Voraussicht; trotz ihrer pflichttrenen Fürsorge für die Verteidigung der Stadt lernen sie erst durch Schaden, was zur militärischen Organisation gehört. Wenn auch po- litische und kanfnännische Interessen uicht verwechselt werden, so wirkt die provinzielle Abgeschlossenheit doch ernüchternd und uivellierend auf die Cha-- raktere. In den Kämpfen der Stadt tritt die patrizische Jngend in keinem Sinne hervor. Und ebenso fehlt es an hervorstechenden Persönsichkeiten. Nur gelegentlich werden in der Überlieferung Eutschlüsse und Handlungen an einzelne Namen geknüpft. So scheint Georg Steinkeller der Kriegsmann des Patriziats gewesen zu sein. Im Rate vertreten Valentin Haunolt und Anton Hornig die energische Richtnng; sie werden anch zeitweise aus den hohen Kollegien entjernt und verbinden sich mit der Gemeine, um wieder hinein zu gelangen. Entschiedener als die Individnalität der einzelnen Ratmannen tritt die ihres Stadtschreibers hervor: Peter Eschensoer. In ihm hatte der Rat seit 1455 nicht iur einen fleißigen Mann, sondern anch einen keineswegs alltäglichen Kopf im Dienste. Seine Stärke ist vor allem das Verständuis für die grundsätzsichen Fragen der politischen Stellnng Breslaus. Das beweist namentlich der Friedensvertrag, mit dem er 1459 eine Einignng zwischen der Stadt und dem König herzustellen suchte. Hier gelang es ihm, für die 1) Patrizier, die von der allgemeinen Sache abtrünnig wurden, suchten in der Kriegs- gefahr des August 1459 die Stadt an Podiebrad auszuliefern. Vgl. unten Kap. 3, II. — Von dem damaligen Einkreisungskriege wurde übrigens nicht nur der Handel, sondern auch ein anderes materielles Interesse der Patrizier empfindlich getroffen. Der Wohlstand dieser Familien war zum großen Teil in ländlichem Grundbesitz angelegt, der vor den Toren der Stadt im Fürstentum ausgebreitet war: diese Güter standen der Verwüstung offen.
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Eschenloer. Die Prediger. 21 Sichernug der Stadt und ihrer Ehre unter schwierigen Verhältuissen eine be- friedigende Formel zu finden. Als Diplomat zeigt er uicht die gleiche Geistes- gegenwart; er hat alle Schwenfungen und Schwanknugen der Ratspolitik uit- gemacht. Es bedurfte der Erfahrungen der ganzen Epoche, damit seine Auschannngen darüber, wie die Stadt hätte handeln sollen, sich befestigten. Er hat sie in jeiner dentschen Chrouik niedergesegt, und dieses Werk rückschauender, langsam gereifter Staatsweisheit ist seine bedeutendste Leistung. In seiner empfindlichen und etwas schwermütigen Besorguis um die Ehre und das Wohl der Stadt, in seinem jeinfühligen Abschen gegen alle Demagogie und plebejische Wildheit, in seiner Bedeuklichfeit gegen alle vorschnellen und übermütigen Hand- lungen erscheint er hier als der vergeistigte Repräsentant der Ratsgesinnung1). Da es in der Ratsaristofratie wie in der Gemeine an wirtlich führenden Köpfen jehlte, so wurde es höchst bedeutsam, daß in der Stadt ueben der Bürgerschaft uoch eine audere politische Macht ihren Sitz hatte: die Geistlichfeit — oder vielmehr eine Partei in ihr, die Escheuloer kurz als „die Prediger“ zusammenjaßt. Die Bezeichnnng weist auf die Geistlichkeit an den Kirchen des Stadtbezirks im engeren Sinne. Die Prälaten am Dome und die dem Dome beuachbarten Stifter von Heiligen Krenz und von Maria auf dem Sande sind in der Mehrzahl feine zuversässigen Mitkämpjer. Auch in der Geistlichkeit sondert sich die uiedere Schicht von der höheren als die Partei der eutschiedenen Aktion ab, und dabei ist die Bedeutlichfeit auf der einen, der Kampjeifer auf der andern Seite uoch entschiedener ausgeprägt als in der Bürgerschaft. Der Führer der radikalen Bewegung, Nikolans Tempelfeld, ist jedoch zugleich Stadt und Domgeistlicher, Prediger zu St. Elisabeth und Kantor am Dome. — Tempelfeld und die Seinen vertraten letzten Endes nicht das Interesse der Stadt; sie standen uur mit ihu im Bunde. Sie führten ihren eigenen klerikalen Kampf gegen den Utraquismus; sie hatten den Ehrgeiz, einen zweiten Hussiteu krieg zu erregen und die Kirche vor der Gejahr eines danernden Schismas und des damit verbundenen Verlustes an Autorität zu bewahren. Von hoher Bedentung für ihr geistiges Leben und ihren politischen Willen wurde für sie die Begegnung mit einem anderen glühenden Prediger der Kirche. Johann von Capistrano, der letzte der großen mittelalterlichen Bußs und Bekehrungs- prediger — und freilich ein recht derber Vertreter seiner Gattung — weiste im Jahre 1453 zu Breslau2), also gerade in der Zeit, da der Konflikt zwischen 1) Von Geburt ist er lbrigens kein Breslauer, sondern ein Nürnberger. Vgl. über seine Lebensverhältnisse Markgrafs Einleitung zu Script. rer. Siles. VII. 2) Vgl. Mark- graf, Zeitschr. XI, 240—246; Jacob, Johann von Capistrano I (1903), 77—99. Über die Persönlichkeit vgl. noch den älteren Aufsatz von Voigt, Histor. Zeitschr. 10.
Eschenloer. Die Prediger. 21 Sichernug der Stadt und ihrer Ehre unter schwierigen Verhältuissen eine be- friedigende Formel zu finden. Als Diplomat zeigt er uicht die gleiche Geistes- gegenwart; er hat alle Schwenfungen und Schwanknugen der Ratspolitik uit- gemacht. Es bedurfte der Erfahrungen der ganzen Epoche, damit seine Auschannngen darüber, wie die Stadt hätte handeln sollen, sich befestigten. Er hat sie in jeiner dentschen Chrouik niedergesegt, und dieses Werk rückschauender, langsam gereifter Staatsweisheit ist seine bedeutendste Leistung. In seiner empfindlichen und etwas schwermütigen Besorguis um die Ehre und das Wohl der Stadt, in seinem jeinfühligen Abschen gegen alle Demagogie und plebejische Wildheit, in seiner Bedeuklichfeit gegen alle vorschnellen und übermütigen Hand- lungen erscheint er hier als der vergeistigte Repräsentant der Ratsgesinnung1). Da es in der Ratsaristofratie wie in der Gemeine an wirtlich führenden Köpfen jehlte, so wurde es höchst bedeutsam, daß in der Stadt ueben der Bürgerschaft uoch eine audere politische Macht ihren Sitz hatte: die Geistlichfeit — oder vielmehr eine Partei in ihr, die Escheuloer kurz als „die Prediger“ zusammenjaßt. Die Bezeichnnng weist auf die Geistlichkeit an den Kirchen des Stadtbezirks im engeren Sinne. Die Prälaten am Dome und die dem Dome beuachbarten Stifter von Heiligen Krenz und von Maria auf dem Sande sind in der Mehrzahl feine zuversässigen Mitkämpjer. Auch in der Geistlichkeit sondert sich die uiedere Schicht von der höheren als die Partei der eutschiedenen Aktion ab, und dabei ist die Bedeutlichfeit auf der einen, der Kampjeifer auf der andern Seite uoch entschiedener ausgeprägt als in der Bürgerschaft. Der Führer der radikalen Bewegung, Nikolans Tempelfeld, ist jedoch zugleich Stadt und Domgeistlicher, Prediger zu St. Elisabeth und Kantor am Dome. — Tempelfeld und die Seinen vertraten letzten Endes nicht das Interesse der Stadt; sie standen uur mit ihu im Bunde. Sie führten ihren eigenen klerikalen Kampf gegen den Utraquismus; sie hatten den Ehrgeiz, einen zweiten Hussiteu krieg zu erregen und die Kirche vor der Gejahr eines danernden Schismas und des damit verbundenen Verlustes an Autorität zu bewahren. Von hoher Bedentung für ihr geistiges Leben und ihren politischen Willen wurde für sie die Begegnung mit einem anderen glühenden Prediger der Kirche. Johann von Capistrano, der letzte der großen mittelalterlichen Bußs und Bekehrungs- prediger — und freilich ein recht derber Vertreter seiner Gattung — weiste im Jahre 1453 zu Breslau2), also gerade in der Zeit, da der Konflikt zwischen 1) Von Geburt ist er lbrigens kein Breslauer, sondern ein Nürnberger. Vgl. über seine Lebensverhältnisse Markgrafs Einleitung zu Script. rer. Siles. VII. 2) Vgl. Mark- graf, Zeitschr. XI, 240—246; Jacob, Johann von Capistrano I (1903), 77—99. Über die Persönlichkeit vgl. noch den älteren Aufsatz von Voigt, Histor. Zeitschr. 10.
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22 Die Prediger als die stärksten politischen Köpfe der Stadt. den Böhmen und den Nebenländern infolge der Erhebung Podiebrads zum Gubernator ohnedies innner notwendiger zu werden schien. Capistrano hatte soeben vergebliche Anstrengungen gemacht, die Böhmen zu bekehren; er übertrug jetzt seinen leidenschaftlichen Ketzerhaß und den Willen, die Kirche zu reinigen, anf die Breslaner Prediger. Diese stellten in den Dienst der Idee eine harte Energie und Folgerichtigkeit des Denkeus und zugleich die hohe Gabe, die Massen an sich zu ziehen. Jedem Außschub, jeder Verständigung treten sie entgegen; unbedenklich treiben sie die Stadt in den Krieg hinein. Aber anf diplomatischem Gebiete ist ihre Fähigfeit uicht geringer: sie erst haben die Stadt gelehrt, daß und wie sie in Rom Hilfe suchen müßte, und sie haben andrerseits bewirkt, daß der Papst gezwungen wurde, mitten in seinen welt- politischen Entwürfen den religiösen Besorguissen und störenden firchenpolitischen Wünschen einer einzelnen Stadt und ihrer Geistlichfeit in etwas entgegen- zukommen. — Um die Massen zu beherrschen, schenen sie kein Mittel: Verhetzung der Unteren gegen die Oberen, Erweckung der wildesten Instintte, Ansstrenung abenteuerlicher Gerüchte über den Gegner. Keine ihrer Hetzpredigten ist uns überliefert; ihre literarische Hinterlassenschaft besteht unr aus einigen Denfschriften für die Kurie, weltpolitisch-theologischen Traktaten, namentlich denen Tempelfelds. Den weitschweifigen und oft gelehrten Vortrag dieser Ansarbeitungen konnten sie kaum für die Volkspredigt verwenden. Dennoch gibt uns der literarische Charakter dieser Schriften eine Vorstellung von der Art, wie sie predigen mochten: wir hören das monotone Pathos der dränenden Klage, die aufreizende Sprache ahnnngsvoller Verkündignng heraus. — Jhre Agitation ist in der ersten Epoche des Widerstandes von beherrschendem Einflnß, und sie leitet den Kampf sogar ein: sie hat ihn in einem Angenblick zur Entflammung gebracht, da er noch zu vermeiden schien. 2. Kapitel. Der Widerstand gegen den Gubernator (1454—1457). I. Der Streit um die Huldigung an König Ladislaus. Den Kämpfen der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad geht ein langjähriger staatsrechtlicher Konflikt zwischen den böhmischen Ständen und den Nebenländern der Krone voraus 1). Nach dem Tode König Albrechts (1439) erkannten die böhmischen Stände weder dessen Witwe Elisabeth — die als Tochter Sigmunds die Krone an 1) Zum Folgenden vgl. Bachmann II, 377—436, Ermisch, Zeitschr. XIII, S. 1 ff., Markgraf, Zeitschr. XI, 239.
22 Die Prediger als die stärksten politischen Köpfe der Stadt. den Böhmen und den Nebenländern infolge der Erhebung Podiebrads zum Gubernator ohnedies innner notwendiger zu werden schien. Capistrano hatte soeben vergebliche Anstrengungen gemacht, die Böhmen zu bekehren; er übertrug jetzt seinen leidenschaftlichen Ketzerhaß und den Willen, die Kirche zu reinigen, anf die Breslaner Prediger. Diese stellten in den Dienst der Idee eine harte Energie und Folgerichtigkeit des Denkeus und zugleich die hohe Gabe, die Massen an sich zu ziehen. Jedem Außschub, jeder Verständigung treten sie entgegen; unbedenklich treiben sie die Stadt in den Krieg hinein. Aber anf diplomatischem Gebiete ist ihre Fähigfeit uicht geringer: sie erst haben die Stadt gelehrt, daß und wie sie in Rom Hilfe suchen müßte, und sie haben andrerseits bewirkt, daß der Papst gezwungen wurde, mitten in seinen welt- politischen Entwürfen den religiösen Besorguissen und störenden firchenpolitischen Wünschen einer einzelnen Stadt und ihrer Geistlichfeit in etwas entgegen- zukommen. — Um die Massen zu beherrschen, schenen sie kein Mittel: Verhetzung der Unteren gegen die Oberen, Erweckung der wildesten Instintte, Ansstrenung abenteuerlicher Gerüchte über den Gegner. Keine ihrer Hetzpredigten ist uns überliefert; ihre literarische Hinterlassenschaft besteht unr aus einigen Denfschriften für die Kurie, weltpolitisch-theologischen Traktaten, namentlich denen Tempelfelds. Den weitschweifigen und oft gelehrten Vortrag dieser Ansarbeitungen konnten sie kaum für die Volkspredigt verwenden. Dennoch gibt uns der literarische Charakter dieser Schriften eine Vorstellung von der Art, wie sie predigen mochten: wir hören das monotone Pathos der dränenden Klage, die aufreizende Sprache ahnnngsvoller Verkündignng heraus. — Jhre Agitation ist in der ersten Epoche des Widerstandes von beherrschendem Einflnß, und sie leitet den Kampf sogar ein: sie hat ihn in einem Angenblick zur Entflammung gebracht, da er noch zu vermeiden schien. 2. Kapitel. Der Widerstand gegen den Gubernator (1454—1457). I. Der Streit um die Huldigung an König Ladislaus. Den Kämpfen der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad geht ein langjähriger staatsrechtlicher Konflikt zwischen den böhmischen Ständen und den Nebenländern der Krone voraus 1). Nach dem Tode König Albrechts (1439) erkannten die böhmischen Stände weder dessen Witwe Elisabeth — die als Tochter Sigmunds die Krone an 1) Zum Folgenden vgl. Bachmann II, 377—436, Ermisch, Zeitschr. XIII, S. 1 ff., Markgraf, Zeitschr. XI, 239.
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Die böhmische Throufolgefrage. 23 den Habsburger Albrecht gebracht hatte — als Regentin noch ihren Sohn Ladislaus, den sie wenige Monate nach dem Tode Albrechts gebar, als König an. Sie wollten an die Erbfolge uicht gebunden sein und versuchten, einen anderen Herrscher zu gewinnen, der als erwählter König von Anfang an ihren Wünschen gefügig wäre. Sie sagten sich damit von der Throufolgeordnung Karls IV. los, nach der die Krone bei der luxemburgischen Nachkommenschaft bleiben und erst nach ihrem Anssterben in männlicher und weiblicher Linie durch die Wahl der Untertanen vergeben werden sollte. Und auch wenn fein rechter Erbe mehr vorhanden gewesen wäre, hätten sie nach jenem Gesetz uicht einseitig zur Wahl schreiten dürfen, sondern nur mit allen Ländern und Lehnsträgern der Krone gemeinsam. Die Nebenländer — Mähren, Lausitz und Schlesien — waren in ihren dynastischen Gefühlen wie in ihrem Rechte bedroht; sie erhoben Einspruch gegen eine böhmische Königswahl. Auch Breslau hat an diesen Protesten teilgenommen. Indessen, der Streit wurde zunächst gegenstandslos. Die Böhmen fanden keinen Fürsten, der ihre Krone genommen hätte; auch der Plan, nunmehr Ladislaus als König anzuerkennen und während seiner Minderjährigkeit seinem Oheim, Kaiser Friedrich, die Regentschaft zu übertragen, scheiterte, da anch dieser die ohumächtige Herrschaft uicht antreten wollte. Die Frage der Thron- folge blieb unentschieden. Jndessen danerte der Kampf der böhmischen Adels- parteien an. Georg von Podiebrad, der Hauptmann der utraquistischen Partei, ging ans ihm als Sieger hervor. Er brachte die hussitischen Gruppen zur Einigfeit, gewann Prag durch Überrumpelung und fand schließlich auch im kathosischen Lager so viel Anhänger seines Glückes, daß er trotz der Neider, die ihm immer wieder erstanden, die Führung Böhmens in die Hand bekam. Er wußte das schwer mitgenommene Land zu befrieden. Auch die Breslaner wußten ihm dies Dank. Sie gaben ihm ihre Sölduer zur Unterstützung und sandten ihm Ehrengeschenke 1). Aber Podiebrad war als Vertranensmann des böhmischen Adels emporgekommen und hatte darum bald den gleichen Streit mit den Nebenländern, wie der böhmische Adel ein Jahrzehut zuvor. Er setzte in Jahre 1452 einen Beschluß des böhmischen Landtags durch, in dem das Erbrecht in der Krone Böhmen für nichtig erklärt, das Wahlrecht der böhmischen Stände proklamiert wurde. Er unter- handelte danach mit Ladislaus' Wiener Vormündern über die Einführung des Kuaben als gewählten Königs in sein Reich. Der Wahl sollte die Au- erkennung wichtiger nationaler, ständischer und kirchenpolitischer Forderungen 1) Esch. L 4.
Die böhmische Throufolgefrage. 23 den Habsburger Albrecht gebracht hatte — als Regentin noch ihren Sohn Ladislaus, den sie wenige Monate nach dem Tode Albrechts gebar, als König an. Sie wollten an die Erbfolge uicht gebunden sein und versuchten, einen anderen Herrscher zu gewinnen, der als erwählter König von Anfang an ihren Wünschen gefügig wäre. Sie sagten sich damit von der Throufolgeordnung Karls IV. los, nach der die Krone bei der luxemburgischen Nachkommenschaft bleiben und erst nach ihrem Anssterben in männlicher und weiblicher Linie durch die Wahl der Untertanen vergeben werden sollte. Und auch wenn fein rechter Erbe mehr vorhanden gewesen wäre, hätten sie nach jenem Gesetz uicht einseitig zur Wahl schreiten dürfen, sondern nur mit allen Ländern und Lehnsträgern der Krone gemeinsam. Die Nebenländer — Mähren, Lausitz und Schlesien — waren in ihren dynastischen Gefühlen wie in ihrem Rechte bedroht; sie erhoben Einspruch gegen eine böhmische Königswahl. Auch Breslau hat an diesen Protesten teilgenommen. Indessen, der Streit wurde zunächst gegenstandslos. Die Böhmen fanden keinen Fürsten, der ihre Krone genommen hätte; auch der Plan, nunmehr Ladislaus als König anzuerkennen und während seiner Minderjährigkeit seinem Oheim, Kaiser Friedrich, die Regentschaft zu übertragen, scheiterte, da anch dieser die ohumächtige Herrschaft uicht antreten wollte. Die Frage der Thron- folge blieb unentschieden. Jndessen danerte der Kampf der böhmischen Adels- parteien an. Georg von Podiebrad, der Hauptmann der utraquistischen Partei, ging ans ihm als Sieger hervor. Er brachte die hussitischen Gruppen zur Einigfeit, gewann Prag durch Überrumpelung und fand schließlich auch im kathosischen Lager so viel Anhänger seines Glückes, daß er trotz der Neider, die ihm immer wieder erstanden, die Führung Böhmens in die Hand bekam. Er wußte das schwer mitgenommene Land zu befrieden. Auch die Breslaner wußten ihm dies Dank. Sie gaben ihm ihre Sölduer zur Unterstützung und sandten ihm Ehrengeschenke 1). Aber Podiebrad war als Vertranensmann des böhmischen Adels emporgekommen und hatte darum bald den gleichen Streit mit den Nebenländern, wie der böhmische Adel ein Jahrzehut zuvor. Er setzte in Jahre 1452 einen Beschluß des böhmischen Landtags durch, in dem das Erbrecht in der Krone Böhmen für nichtig erklärt, das Wahlrecht der böhmischen Stände proklamiert wurde. Er unter- handelte danach mit Ladislaus' Wiener Vormündern über die Einführung des Kuaben als gewählten Königs in sein Reich. Der Wahl sollte die Au- erkennung wichtiger nationaler, ständischer und kirchenpolitischer Forderungen 1) Esch. L 4.
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24 Streitfragen bei der Huldigung der Nebenländer. vorangehen. Die Vertreter der Nebenlande, unter denen anch Abgesandte Breslaus waren, protestierten lebhaft gegen diese Auffassung. Die Ver-- handlungen Podiebrads mit der Wiener Regiernng famen jedoch im nächsten Frühjahr im Sinne der böhmischen Forderungen zum Abschluß. Gleichzeitig wurde Podiebrad als Laudesverweser — Gubernator — auf 6 Jahre, d. h. ür die Zeit der Minderjährigkeit des Königs, anerkannt. Podiebrads Stellung in der Throufolgefrage hat bei den Breslanern ge- wiß den ersten Uuwillen gegen ihn geschaffen. Die eutschiedene Feindschaft aber knüpfte an einen andern Rechtsstreit an. Dieser stand mit der Thronfolge- frage in nahem Zusammenhang, schien aber ein weit weniger gewichtiges Problem des böhuischen Staatsrechts zu betreffen: die Förmlichfeit der Huldignng. Den Nebenländern lag es nahe, ihre Vergewaltignng in der Thronfolge frage durch demonstrative Ertlärungen zu eutfräften. Die Huldigung war hier- für die gebotene Gelegenheit; sie kounte von ihnen als Erbhuldignng, mit aus drücklicher Bezugnahme auf das Erbrecht des Königs, geseistet werden. Die Stände der Markgrafschaft Mähren gaben, von Ladislaus selbst begünstigt, dieser Auffassung besonderen Nachdruck; sie huldigten ihm zu Brünn im Somer 1453, noch ehe er nach Prag zur Krönnng gezogen war1). Den anderen Untertanen, den schlesischen Fürsten als Lehusträgern und den direkten Kronländern Ober und Niederlausitz, Breslan und Schweiduitz-Janer blieb uur die Möglichkeit, uach der Krönung, die im Oktober stattfand, den erbrecht- lichen Standpunkt zu betonen. Die böhmischen Machthaber bemühten sich nach Kräften, dies zu verhindern. Als die Oberlansitzer Bevollmächtigten im November vor dem Könige zu Prag erschienen, wurde ihnen dort eine Huldignngsformel vorgesegt, die dem erbrechtsichen Standpunkt uur sehr beschräntt genüge tat. Erst als die Stände des Landes ein Jahr später in Görlitz die Huldigung wiederholten, konnten sie ihrer Rechtsauffassnng gemäß Ladislaus als ihrem Erbherrn und zugleich allen seinen Leibeserben männlichen wie weiblichen Ge- schlechts die Treue schwören2). Eine Gegenüberstellung der mährischen und der oberlausitzischen Huldigung des Jahres 1453 zeigte deutlich, wie vorteilhaft es für die Nebenländer war, den Akt daheim vollziehen und die Reise uach Prag vermeiden zu fönnen. Gegen Mitte Jannar 1454 trat die Frage an die Breslaner heran. Der König entbot sie für den 22. Februar nach Prag zur Huldigung3). Schon die 2) Vgl. Knothe, Urkundliche Grundlagen zu einer Rechts- 1) Bachmann II, 438. geschichte der Oberlausitz. Neues Laus. Mag. 53, 295. — Die Prager Formel in Urk. Beitr. 3) Für den ganzen Huldigungskonflikt enthält der Anhang dieser Schrift Nr. 57, S. 67.
24 Streitfragen bei der Huldigung der Nebenländer. vorangehen. Die Vertreter der Nebenlande, unter denen anch Abgesandte Breslaus waren, protestierten lebhaft gegen diese Auffassung. Die Ver-- handlungen Podiebrads mit der Wiener Regiernng famen jedoch im nächsten Frühjahr im Sinne der böhmischen Forderungen zum Abschluß. Gleichzeitig wurde Podiebrad als Laudesverweser — Gubernator — auf 6 Jahre, d. h. ür die Zeit der Minderjährigkeit des Königs, anerkannt. Podiebrads Stellung in der Throufolgefrage hat bei den Breslanern ge- wiß den ersten Uuwillen gegen ihn geschaffen. Die eutschiedene Feindschaft aber knüpfte an einen andern Rechtsstreit an. Dieser stand mit der Thronfolge- frage in nahem Zusammenhang, schien aber ein weit weniger gewichtiges Problem des böhuischen Staatsrechts zu betreffen: die Förmlichfeit der Huldignng. Den Nebenländern lag es nahe, ihre Vergewaltignng in der Thronfolge frage durch demonstrative Ertlärungen zu eutfräften. Die Huldigung war hier- für die gebotene Gelegenheit; sie kounte von ihnen als Erbhuldignng, mit aus drücklicher Bezugnahme auf das Erbrecht des Königs, geseistet werden. Die Stände der Markgrafschaft Mähren gaben, von Ladislaus selbst begünstigt, dieser Auffassung besonderen Nachdruck; sie huldigten ihm zu Brünn im Somer 1453, noch ehe er nach Prag zur Krönnng gezogen war1). Den anderen Untertanen, den schlesischen Fürsten als Lehusträgern und den direkten Kronländern Ober und Niederlausitz, Breslan und Schweiduitz-Janer blieb uur die Möglichkeit, uach der Krönung, die im Oktober stattfand, den erbrecht- lichen Standpunkt zu betonen. Die böhmischen Machthaber bemühten sich nach Kräften, dies zu verhindern. Als die Oberlansitzer Bevollmächtigten im November vor dem Könige zu Prag erschienen, wurde ihnen dort eine Huldignngsformel vorgesegt, die dem erbrechtsichen Standpunkt uur sehr beschräntt genüge tat. Erst als die Stände des Landes ein Jahr später in Görlitz die Huldigung wiederholten, konnten sie ihrer Rechtsauffassnng gemäß Ladislaus als ihrem Erbherrn und zugleich allen seinen Leibeserben männlichen wie weiblichen Ge- schlechts die Treue schwören2). Eine Gegenüberstellung der mährischen und der oberlausitzischen Huldigung des Jahres 1453 zeigte deutlich, wie vorteilhaft es für die Nebenländer war, den Akt daheim vollziehen und die Reise uach Prag vermeiden zu fönnen. Gegen Mitte Jannar 1454 trat die Frage an die Breslaner heran. Der König entbot sie für den 22. Februar nach Prag zur Huldigung3). Schon die 2) Vgl. Knothe, Urkundliche Grundlagen zu einer Rechts- 1) Bachmann II, 438. geschichte der Oberlausitz. Neues Laus. Mag. 53, 295. — Die Prager Formel in Urk. Beitr. 3) Für den ganzen Huldigungskonflikt enthält der Anhang dieser Schrift Nr. 57, S. 67.
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Die besondere Bedeutung der Breslaner Huldigung. 25 Erfahruugen der Lausitzer fonnten die Stadt veranlassen, sich dieser Ladung zu entziehen. Und noch gewichtiger sprachen andere rechtliche Bedeuken; mit ihnen beschäftigte sich alsbald die öffentliche Meinung anfs leidenschaftlichste. Dem Breslaner Herkommen war eine Huldigung durch Vertreter un- bekannt; die Zeremonie hatte immer erst stattgehabt, wemn der König selbst nach Breslau kam und dort die Untertanen um sich versammelte. Hätte es sich jedoch allein um die Huldignng des Fürstentums Breslau gehandelt, so hätte die Stadt fanm einen zwingenden Rechtsgrund für eine Gehorsamsverweigerung behaupten fönnen. Eine Huldignng durch Vertreter hatte uur die Bedeutung eines provisorischen Aktes; sie mußte — der Idee der Landeshuldigung ent- sprechend — im Lande von den Untertanen des Landes selbst wiederholt werden. Hierüber bestand uirgends ein Zweifel; die böhmische Regierung selbst legte Wert anf die Veranstaltung einer zweiten Huldignng, einer „gemeinen Huldigung" im Lande. Sie hatte für den König eine solche Wiederholung des Aktes ans- drücklich ansbedungen, als die Oberlausitzer zu Prag ihre vorläufige Huldigung durch Bevollmächtigte leisteten 1). In der Ober-Lausitz war auch die zweimalige Huldignng schon eine alte Gewohnheit2). Wenn in Breslau dieses Herkommen nicht bestand, so hatte dies eigene Gründe. Jn Breslan wurde nämlich nicht uur die Huldignng des Fürstentums und der Stadt Breslan, soudern zugleich die Huldigung sämtlicher schlesischer Fürstentümer vollzogen: die Einheit Gesaut- schsesiens kam in gewisser Weije zum Ansdruck; Breslau erschien als „der ander stul des konigreichs zu Behem“ 3). Diese schlesische Gesanthuldignng ließ sich nun nicht mehr wiederherstellen, wenn sich die Breslaner anf eine vorsäufige Huldigung in Prag einließen und damit das Herkommen preisgaben. Es war zu erwarten, daß die andern Schlesier ihnen nach Prag folgen würden; die Lehnshuldigung, die die Fürsten dort aussprachen, kounte dann aber nicht noch einmal in Breslau wiederholt werden. — Gegeuwärtig war nun aber für die Breslaner die schlesische Gesamthuldigung zu Breslau von besouderem Wert. Sie betonte, wie gesagt, die hauptstädtische Steslnng der Stadt und die Ein- heit Schlesiens. Diese zweite Bedeutung war in positischer Hinsicht die wichtigste. Die Gleichberechtigung Schlesiens, die die Böhmen leugneten, konnte sich uur dann in einiger Geltung erhalten, wenn zugleich die Idee der Einheit des Laudes gewahrt blieb. Daß diese Einheit tatsächsich soust nie recht fräftig die Quellenbelege. Hier wird auch über die Abweichungen der Darstellung von Markgrafs „Ge schichte Schlesieus und namentlich Breslaus unter Ladislaus“ (Zeitschr. XI) Auskunft gegeben. 1) Urk. Beitr. a. a. O. 2) Knothe a. a. O. 290 ff. — Eschenloers „private“ und „gemeine“ Huldignng (D 1 20) gehen offenbar auf die oberlausitzischen Gewohnheiten zurück; zur Zeit des Huldignngskonfliktes lebte Esch. ja noch in Görlitz (Markgraf, Script. rer. 3) Esch. D 1 18. Siles. VII, S. VI).
Die besondere Bedeutung der Breslaner Huldigung. 25 Erfahruugen der Lausitzer fonnten die Stadt veranlassen, sich dieser Ladung zu entziehen. Und noch gewichtiger sprachen andere rechtliche Bedeuken; mit ihnen beschäftigte sich alsbald die öffentliche Meinung anfs leidenschaftlichste. Dem Breslaner Herkommen war eine Huldigung durch Vertreter un- bekannt; die Zeremonie hatte immer erst stattgehabt, wemn der König selbst nach Breslau kam und dort die Untertanen um sich versammelte. Hätte es sich jedoch allein um die Huldignng des Fürstentums Breslau gehandelt, so hätte die Stadt fanm einen zwingenden Rechtsgrund für eine Gehorsamsverweigerung behaupten fönnen. Eine Huldignng durch Vertreter hatte uur die Bedeutung eines provisorischen Aktes; sie mußte — der Idee der Landeshuldigung ent- sprechend — im Lande von den Untertanen des Landes selbst wiederholt werden. Hierüber bestand uirgends ein Zweifel; die böhmische Regierung selbst legte Wert anf die Veranstaltung einer zweiten Huldignng, einer „gemeinen Huldigung" im Lande. Sie hatte für den König eine solche Wiederholung des Aktes ans- drücklich ansbedungen, als die Oberlausitzer zu Prag ihre vorläufige Huldigung durch Bevollmächtigte leisteten 1). In der Ober-Lausitz war auch die zweimalige Huldignng schon eine alte Gewohnheit2). Wenn in Breslau dieses Herkommen nicht bestand, so hatte dies eigene Gründe. Jn Breslan wurde nämlich nicht uur die Huldignng des Fürstentums und der Stadt Breslan, soudern zugleich die Huldigung sämtlicher schlesischer Fürstentümer vollzogen: die Einheit Gesaut- schsesiens kam in gewisser Weije zum Ansdruck; Breslau erschien als „der ander stul des konigreichs zu Behem“ 3). Diese schlesische Gesanthuldignng ließ sich nun nicht mehr wiederherstellen, wenn sich die Breslaner anf eine vorsäufige Huldigung in Prag einließen und damit das Herkommen preisgaben. Es war zu erwarten, daß die andern Schlesier ihnen nach Prag folgen würden; die Lehnshuldigung, die die Fürsten dort aussprachen, kounte dann aber nicht noch einmal in Breslau wiederholt werden. — Gegeuwärtig war nun aber für die Breslaner die schlesische Gesamthuldigung zu Breslau von besouderem Wert. Sie betonte, wie gesagt, die hauptstädtische Steslnng der Stadt und die Ein- heit Schlesiens. Diese zweite Bedeutung war in positischer Hinsicht die wichtigste. Die Gleichberechtigung Schlesiens, die die Böhmen leugneten, konnte sich uur dann in einiger Geltung erhalten, wenn zugleich die Idee der Einheit des Laudes gewahrt blieb. Daß diese Einheit tatsächsich soust nie recht fräftig die Quellenbelege. Hier wird auch über die Abweichungen der Darstellung von Markgrafs „Ge schichte Schlesieus und namentlich Breslaus unter Ladislaus“ (Zeitschr. XI) Auskunft gegeben. 1) Urk. Beitr. a. a. O. 2) Knothe a. a. O. 290 ff. — Eschenloers „private“ und „gemeine“ Huldignng (D 1 20) gehen offenbar auf die oberlausitzischen Gewohnheiten zurück; zur Zeit des Huldignngskonfliktes lebte Esch. ja noch in Görlitz (Markgraf, Script. rer. 3) Esch. D 1 18. Siles. VII, S. VI).
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26 Die Stellung des Rates zur Huldigungsfrage. zum Ausdruck gelangte, das gab der förmlichen Handlnng in Breslau nur einen höheren Wert. Die Breslauer — wie die Schlesier überhaupt — wurden aujs nene von den Böhmen gedemütigt, wenn jetzt uach ihrer Niederlage in der Throufolgefrage die Selbständigkeit Schlesiens als eines wesentlichen Reichsgliedes sich auch formell auflöste, — wenn Schlesien keine Hauptstadt mehr hatte, in der der König das Land in Besitz uahm, sonderu die einzelnen Fürstentümer getrennt in Prag, der Hauptstadt des Landes Böhmen, huldigten. In Prag war der König umgeben von den böhmischen Machthabern; sie trimphierten, wenn die Schlesier sich gegen das Herkommen in ihre Mitte bemühen mußten. Und das hieß nach der Empfindung der Breslaner so viel, wie daß die Ketzerei über die Rechtglänbigkeit triumphierte. Über den Wert des Rechtes, das man preisgeben sollte, über die Wieder- wärtigkeit des königlichen Gebots, Gesandte nach Prag zu schicken, kounte in Breslan bei Rat und Gemeine, bei Laien und Geistlichen uur eine Meinung bestehen. Dennoch gingen über die Frage, wie man sich zu dem Befehl stellen solle, die Anschauungen auseinander. Der Rat wollte trotz aller Bedeuken gehorchen. Seine natürliche Abneignng gegen beschwerliche Händel wirkte hier wohl mit; aber seine Haltung ließ sich in dieser Frage anch durch gute sachliche Gründe verteidigen. Ein lohnender Erfolg der Widersetzlichkeit war von vorn- herein unwahrscheinlich. Die Huldigung in Breslau erhielt ihren vollen Sinn erst durch die Teilnahme der schlesischen Fürsten. Nur wenn diese in ihrer Gesamtheit oder doch in ihrer Mehrzahl sich mit der Stadt solidarisch erklärten, kounte die Weigerung Breslaus wirtsam werden, kounte man die Prager Re- gierung zur Annahme der alten Huldigungssitte zwingen. Aber der Breslauer Rat wußte wohl, daß er über die schlesischen Teilfürsten uichts vermochte und daß auch auf eine energische Vertretung der gesamtschlesischen Sache bei ihnen nicht zu rechnen war. Es war also für Breslan wenig zu gewinnen; um so mehr war zu verlieren. Die Aufforderung zur Huldignng ging von dem angestanimten König aus. Er war zwar erst ein Knabe, und der Befehl entstammte nicht seiner eigenen Eingebung; aber es war doch se in Wunsch. Bei Gelegenheit der Huldigung konnten ihm jerner die Breslaner Gesandten persönlich näher treten und Beziehungen zwischen ihm und der Stadt anknüpfen; schließlich führten er und sie doch eine gemeinsame Sache gegen die Böhmen. Wurde das Gebot aber nicht beachtet, so bestand die Gefahr, daß er den Ungehorsam, obgleich er als Widerstand gegen die Böhmen gemeint war, anf sich persönlich bezog; man gab seinen böhmischen Ratgebern, namentlich Podiebrad, eine Gelegenheit, ihn den Breslauern abgünstig zu machen und dafür näher an sich zu ketten.
26 Die Stellung des Rates zur Huldigungsfrage. zum Ausdruck gelangte, das gab der förmlichen Handlnng in Breslau nur einen höheren Wert. Die Breslauer — wie die Schlesier überhaupt — wurden aujs nene von den Böhmen gedemütigt, wenn jetzt uach ihrer Niederlage in der Throufolgefrage die Selbständigkeit Schlesiens als eines wesentlichen Reichsgliedes sich auch formell auflöste, — wenn Schlesien keine Hauptstadt mehr hatte, in der der König das Land in Besitz uahm, sonderu die einzelnen Fürstentümer getrennt in Prag, der Hauptstadt des Landes Böhmen, huldigten. In Prag war der König umgeben von den böhmischen Machthabern; sie trimphierten, wenn die Schlesier sich gegen das Herkommen in ihre Mitte bemühen mußten. Und das hieß nach der Empfindung der Breslaner so viel, wie daß die Ketzerei über die Rechtglänbigkeit triumphierte. Über den Wert des Rechtes, das man preisgeben sollte, über die Wieder- wärtigkeit des königlichen Gebots, Gesandte nach Prag zu schicken, kounte in Breslan bei Rat und Gemeine, bei Laien und Geistlichen uur eine Meinung bestehen. Dennoch gingen über die Frage, wie man sich zu dem Befehl stellen solle, die Anschauungen auseinander. Der Rat wollte trotz aller Bedeuken gehorchen. Seine natürliche Abneignng gegen beschwerliche Händel wirkte hier wohl mit; aber seine Haltung ließ sich in dieser Frage anch durch gute sachliche Gründe verteidigen. Ein lohnender Erfolg der Widersetzlichkeit war von vorn- herein unwahrscheinlich. Die Huldigung in Breslau erhielt ihren vollen Sinn erst durch die Teilnahme der schlesischen Fürsten. Nur wenn diese in ihrer Gesamtheit oder doch in ihrer Mehrzahl sich mit der Stadt solidarisch erklärten, kounte die Weigerung Breslaus wirtsam werden, kounte man die Prager Re- gierung zur Annahme der alten Huldigungssitte zwingen. Aber der Breslauer Rat wußte wohl, daß er über die schlesischen Teilfürsten uichts vermochte und daß auch auf eine energische Vertretung der gesamtschlesischen Sache bei ihnen nicht zu rechnen war. Es war also für Breslan wenig zu gewinnen; um so mehr war zu verlieren. Die Aufforderung zur Huldignng ging von dem angestanimten König aus. Er war zwar erst ein Knabe, und der Befehl entstammte nicht seiner eigenen Eingebung; aber es war doch se in Wunsch. Bei Gelegenheit der Huldigung konnten ihm jerner die Breslaner Gesandten persönlich näher treten und Beziehungen zwischen ihm und der Stadt anknüpfen; schließlich führten er und sie doch eine gemeinsame Sache gegen die Böhmen. Wurde das Gebot aber nicht beachtet, so bestand die Gefahr, daß er den Ungehorsam, obgleich er als Widerstand gegen die Böhmen gemeint war, anf sich persönlich bezog; man gab seinen böhmischen Ratgebern, namentlich Podiebrad, eine Gelegenheit, ihn den Breslauern abgünstig zu machen und dafür näher an sich zu ketten.
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Die Stellung der Prediger zur Huldigungsfrage. 27 Alles das mochte den Rat in seiner Mehrheit zu dem Entschlusse be- stimmen, aus der Huldigungsfrage keinen Streitfall zu machen. Ihm aber trat eine Bewegnng entgegen, die den strengen Rechtsstaudpunkt wahren und die Huldigung verweigert wissen wollte. Die Führer dieser Bewegung waren die Prediger, unter denen schon damals Nikolans Tempeljeld hervortrat. Sie erhielten bereitwillig Gehör bei der Gemeine; anch im Rate haben sie nach und nach Anhänger gefunden. Es gelang ihnen andrerseits damals, auch die Prälaten und für einige Zeit sogar den Bischof, Peter Nowag, für die Unter- stütznng des Protestes zu gewinnen. Das war besonders darmm wichtig, weil der Bischof schlesischer Landesfürst, Landesherr von Neiße, war. Die Prediger handelten unter dem Bewußtsein höchster Notwendigkeit; sie griffen in den staatsrechtlichen Konflikt ein, um die Kirche ans dringender Gefahr zu retten. Bei seiner Anerkennnng als König hatte Ladislans den Böhmen nicht uur politische, soudern auch kirchliche Zugeständuisse machen müssen. Er hatte die Kompaktaten bestätigt, und noch mehr: er hatte ver sprochen, sich dafür zu verweuden, daß Rokyzana, der Führer der strengen Kelchner, vom Papste als Erzbischof von Prag anerkannt würde 1). Es eröffuete sich die Anssicht, daß die utraquistische Sonderkirche sich unter einem streng katholischen Herrscher völlig festsetzte; der Monarch hatte ja ihre Interessen auf sich genommen. Man sprach schon davon, daß Ladislaus zu Podiebrad wie der Sohn zum Vater stünde. Es war an der Zeit, daß den Hussiten Argernisse bereitet würden, daß es zwischen ihnen und den Katholiken des Reiches zum offenen Zwist käme. Die Breslaner Huldigungsfrage schien eine gute Handhabe zu bieten. Die Prediger verwandten sich darum uachdrücklich für das Breslaner Herkommen und erklärten seine Bewahrung für eine heilige Sache. Sie erweckten das Ehrgefühl der Bürger, indem sie betonten, es werde so scheinen, als huldigten sie den Ketzern. Und um die Gemüter vollends in Erregnng zu halten, verbreiteten sie über Podiebrads Verhalten gegen den König fabelhafte, beuuruhigende Gerüchte. Der Gubernator halte den König gefangen: die Krone oder das Leben oder doch die Glaubenstrene des jungen Ladislaus stünden in Gefahr. Es sei die Aufgabe der Breslaner, ihu zu retten, und mit dem Widerspruch in der Huldigungsfrage vermöchten sie das. Den Rat verdroß die in jeder Hinsicht ungewisse Unternehmung, in die man ihn hineinreißen wollte; ihn verdroß wohl auch die unberufene Mitarbeit der Prediger. Seine Absicht scheint gewesen zu sein, der Bewegung kurzerhand die Spitze zu nehmen. Zeitiger, als es uach dem töniglichen Gebot uotwendig 1) Bachmann II, 435.
Die Stellung der Prediger zur Huldigungsfrage. 27 Alles das mochte den Rat in seiner Mehrheit zu dem Entschlusse be- stimmen, aus der Huldigungsfrage keinen Streitfall zu machen. Ihm aber trat eine Bewegnng entgegen, die den strengen Rechtsstaudpunkt wahren und die Huldigung verweigert wissen wollte. Die Führer dieser Bewegung waren die Prediger, unter denen schon damals Nikolans Tempeljeld hervortrat. Sie erhielten bereitwillig Gehör bei der Gemeine; anch im Rate haben sie nach und nach Anhänger gefunden. Es gelang ihnen andrerseits damals, auch die Prälaten und für einige Zeit sogar den Bischof, Peter Nowag, für die Unter- stütznng des Protestes zu gewinnen. Das war besonders darmm wichtig, weil der Bischof schlesischer Landesfürst, Landesherr von Neiße, war. Die Prediger handelten unter dem Bewußtsein höchster Notwendigkeit; sie griffen in den staatsrechtlichen Konflikt ein, um die Kirche ans dringender Gefahr zu retten. Bei seiner Anerkennnng als König hatte Ladislans den Böhmen nicht uur politische, soudern auch kirchliche Zugeständuisse machen müssen. Er hatte die Kompaktaten bestätigt, und noch mehr: er hatte ver sprochen, sich dafür zu verweuden, daß Rokyzana, der Führer der strengen Kelchner, vom Papste als Erzbischof von Prag anerkannt würde 1). Es eröffuete sich die Anssicht, daß die utraquistische Sonderkirche sich unter einem streng katholischen Herrscher völlig festsetzte; der Monarch hatte ja ihre Interessen auf sich genommen. Man sprach schon davon, daß Ladislaus zu Podiebrad wie der Sohn zum Vater stünde. Es war an der Zeit, daß den Hussiten Argernisse bereitet würden, daß es zwischen ihnen und den Katholiken des Reiches zum offenen Zwist käme. Die Breslaner Huldigungsfrage schien eine gute Handhabe zu bieten. Die Prediger verwandten sich darum uachdrücklich für das Breslaner Herkommen und erklärten seine Bewahrung für eine heilige Sache. Sie erweckten das Ehrgefühl der Bürger, indem sie betonten, es werde so scheinen, als huldigten sie den Ketzern. Und um die Gemüter vollends in Erregnng zu halten, verbreiteten sie über Podiebrads Verhalten gegen den König fabelhafte, beuuruhigende Gerüchte. Der Gubernator halte den König gefangen: die Krone oder das Leben oder doch die Glaubenstrene des jungen Ladislaus stünden in Gefahr. Es sei die Aufgabe der Breslaner, ihu zu retten, und mit dem Widerspruch in der Huldigungsfrage vermöchten sie das. Den Rat verdroß die in jeder Hinsicht ungewisse Unternehmung, in die man ihn hineinreißen wollte; ihn verdroß wohl auch die unberufene Mitarbeit der Prediger. Seine Absicht scheint gewesen zu sein, der Bewegung kurzerhand die Spitze zu nehmen. Zeitiger, als es uach dem töniglichen Gebot uotwendig 1) Bachmann II, 435.
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28 Beginu des Streites. gewesen wäre, schickte er die Gesandten nach Prag; die längere Frist, die ihnen bis zum Termin der Huldigung blieb, konnten sie ja benutzen, um den König und den Hof fennen zu lernen. — Aber bei diesem raschen Verfahren hatte der Rat die Energie der Prediger und die Wucht des Volkswilleus falsch eingeschätzt. Gerade jetzt, da die Zusage bereits erfolgt war, schwoll die Be wegung gewaltig an — so gewaltig, daß der Rat alsbald seinen Schritt zurück ziehen mußte. Er sah sich genötigt, durch eine zweite Botschaft nach Prag die Zusage der Gesandten zu widerrujen. Man habe es sich genauer überlegt; die Huldignng durch Bevollmächtigte sei wider das Recht. Der König jei der rechte Erbherr Breslaus und solle schon jetzt als soscher gelten; aber die Huldignng könne er erst empfangen, wenn er uach Breslan zu seinen Schlesiern fäme 1). Zum ersten Male standen sich die Stadt Breslau und die böhmische Regierung, das heißt Georg von Podiebrad, als Feinde gegenüber. Eine plötzliche unbesonnene Aujwühlung der Massenleidenschaften hatte die Herans- forderung veraulaßt; dem Rate war die feindselige Miene uur aufgezwungen. Aber es danerte uicht lange, so mußte er sich anch innerlich zu der Feindschajt befennen; er hatte an einem tiefen Gegensatze vorbeisehen wollen, der eine Aussprache forderte und den der verworrene Ansturm des Volkes an den Tag brachte. Der Gubernator und seine Anhänger haben ohne Zweijel der Huldignngs frage von vornherein den gleichen grundsätzlichen Wert beigemessen wie die Breslauer. Sie haben durch das Verlangen einer Huldignng in Prag in der Tat dem Anspruch der Schlesier anf Gleichberechtigung einen neuen Schlag versetzen wollen; das beweist schon ihr entsprechendes Verhalten gegen die Oberlausitz. Zwar gab es noch andere gewichtige Gründe dafür, daß man den König jetzt nicht nach Breslan zur Huldigung ziehen ließ. Seine Au- wesenheit in Prag war für Podiebrad wichtig; dieser mßte alles tun, um sich den Knaben vertrant zu machen. Aber hätte man uicht gleichzeitig das wohlbekannie Breslaner Herkommen brechen wollen, so hätte sich leicht eine Übereinkunft finden lassen: man branchte uur die Huldigung anf einige Zeit zu vertagen und vorerst keine Werbungen an die Schlesier ansgehen zu lassen. — Der plötzliche Protest der Stadt Breslan aber konnte sür Podiebrad die Huldigungsfrage uur noch wesentlicher werden lassen. Sobald sie von den Breslanern offen als staatsrechtliche Grundfrage angesprochen wurde, mußte 1) Der Inhalt der Breslauer Erklärung von Februar 1454 ergibt sich aus der etwa gleichzeitigen Namslauer Ertlärung und aus der gemeinsamen Antwort an die Gesandien vom Mai. Vgl. den Anhaug-
28 Beginu des Streites. gewesen wäre, schickte er die Gesandten nach Prag; die längere Frist, die ihnen bis zum Termin der Huldigung blieb, konnten sie ja benutzen, um den König und den Hof fennen zu lernen. — Aber bei diesem raschen Verfahren hatte der Rat die Energie der Prediger und die Wucht des Volkswilleus falsch eingeschätzt. Gerade jetzt, da die Zusage bereits erfolgt war, schwoll die Be wegung gewaltig an — so gewaltig, daß der Rat alsbald seinen Schritt zurück ziehen mußte. Er sah sich genötigt, durch eine zweite Botschaft nach Prag die Zusage der Gesandten zu widerrujen. Man habe es sich genauer überlegt; die Huldignng durch Bevollmächtigte sei wider das Recht. Der König jei der rechte Erbherr Breslaus und solle schon jetzt als soscher gelten; aber die Huldignng könne er erst empfangen, wenn er uach Breslan zu seinen Schlesiern fäme 1). Zum ersten Male standen sich die Stadt Breslau und die böhmische Regierung, das heißt Georg von Podiebrad, als Feinde gegenüber. Eine plötzliche unbesonnene Aujwühlung der Massenleidenschaften hatte die Herans- forderung veraulaßt; dem Rate war die feindselige Miene uur aufgezwungen. Aber es danerte uicht lange, so mußte er sich anch innerlich zu der Feindschajt befennen; er hatte an einem tiefen Gegensatze vorbeisehen wollen, der eine Aussprache forderte und den der verworrene Ansturm des Volkes an den Tag brachte. Der Gubernator und seine Anhänger haben ohne Zweijel der Huldignngs frage von vornherein den gleichen grundsätzlichen Wert beigemessen wie die Breslauer. Sie haben durch das Verlangen einer Huldignng in Prag in der Tat dem Anspruch der Schlesier anf Gleichberechtigung einen neuen Schlag versetzen wollen; das beweist schon ihr entsprechendes Verhalten gegen die Oberlausitz. Zwar gab es noch andere gewichtige Gründe dafür, daß man den König jetzt nicht nach Breslan zur Huldigung ziehen ließ. Seine Au- wesenheit in Prag war für Podiebrad wichtig; dieser mßte alles tun, um sich den Knaben vertrant zu machen. Aber hätte man uicht gleichzeitig das wohlbekannie Breslaner Herkommen brechen wollen, so hätte sich leicht eine Übereinkunft finden lassen: man branchte uur die Huldigung anf einige Zeit zu vertagen und vorerst keine Werbungen an die Schlesier ansgehen zu lassen. — Der plötzliche Protest der Stadt Breslan aber konnte sür Podiebrad die Huldigungsfrage uur noch wesentlicher werden lassen. Sobald sie von den Breslanern offen als staatsrechtliche Grundfrage angesprochen wurde, mußte 1) Der Inhalt der Breslauer Erklärung von Februar 1454 ergibt sich aus der etwa gleichzeitigen Namslauer Ertlärung und aus der gemeinsamen Antwort an die Gesandien vom Mai. Vgl. den Anhaug-
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Unsicherheit der Lage für beide Parteien. 29 auch er sie in diesem Sine behandeln. Er konnte sich vor dem Könige uicht bloßstellen. Es kam hinzn, daß ihm uicht unbekaunt blieb 1), von welcher Seite der Widerstand der Bürgerschaft seinen Ansgang genommen hatte. Er sah die klerifale Gegnerschaft, die die Souderkirche der Böhmen bedrohte; er mochte ihr keinen Trinmph gönnen. Als Antwort der königlichen Regierung gegen die ungehorsamen Untertanen ergingen also strenge Verweise. Ihnen gegenüber verharrte die Stadt zunächst auf dem einmal gefaßten Beschlusse. Dennoch wurde im Frühjahr noch einmal beiderseits der Wunsch rege, sich in der schwebenden Frage entgegen zu kommen. Für die Aussichten der beiden Parteien war, wie wir wissen, die Haltung der übrigen Schlesier maß- gebend. Von diesen hatten sich uur einzelne Parteien entschieden. Daß sich Namslan, Stadt und Mannschajt, der Weigerung der Breslauer anschloß2), verstand sich von selbst. Ferner unterstützten zunächst der Bischof und das Kapitel die Stadt; von seiten des Fürstentums Neiße und der Herrschaft Grottkau, die Bischof und Kapitel gemeinsam innehatten, war also fürs erste gleichfalls aus Huldigung nicht zu rechnen. Anch die Stände von Schweiduitz-Jauer schickten nicht die verlangten Bevollmächtigten; in Schweidnitz wirkte, wie in Breslan, eine geistliche Agitation3); doch scheint es nicht, daß man sich mit Breslau über ein gemeinsames Vorgehen verständigte. Vou den weltlichen Fürsten Schlesieus hatte einer bereits Anfang Februar in Prag gehuldigt, Herzog Heinrich von Krossen-Freistadt-Großglogan; die übrigen hielten wenigstens in der Mehrzahl noch zurück. Podiebrad hatte Aulaß, sie vorsichtig zu behandeln. So energielos diese kleinen Teilfürsten in allen gesamtschlesischen Angelegenheiten auch waren, so war es doch uicht geraten, sie so hestig zu reizen, daß ihr Ehrgefühl empfindlich wurde. Wenn Podiebrad auf seiner Forderung an Breslan bestand, so wurden sie vielleicht doch stutzig und besannen sich auf ihr eigenes Huldigungsrecht. — Daß sie sich gelegentlich zu einem Protest aufraffen konnten, hatten sie schon früher in der Thronfolgefrage und erst jüngst im Liegnitzer Lehusstreit erwiesen. In der setzteren Frage war vielleicht sogar auch jetzt noch ein Eingreifen von ihnen zu befürchten. Im Fürstentum Liegnitz war der regierende Stanm ausgestorben, und es war umstritten, ob das Fürsteutum an eine Nebenlinie übergehen oder der Krone heimfallen sollte. Während die Ritterschaft und die Stadt Goldberg die Erbfolge an- erkannten und die Herzogin Hedwig von Haynau-Lüben und ihren unmündigen 1) Jedenfalls später im Mai ist man in Prag über die geistlichen Umtriebe unterrichtet. Vgl. die Antwort des Königs auf die Schweiduitzer Huldigung: Schmidt, Geschichte von Schweidnitz I, 158; Markgraf, Zeitschr. XI. 251. 2) Bescheid an den König vom 14. Februar, vgl. Beilage 1 und Anhang. 3) Schmidt und Markgraf a. a. O.
Unsicherheit der Lage für beide Parteien. 29 auch er sie in diesem Sine behandeln. Er konnte sich vor dem Könige uicht bloßstellen. Es kam hinzn, daß ihm uicht unbekaunt blieb 1), von welcher Seite der Widerstand der Bürgerschaft seinen Ansgang genommen hatte. Er sah die klerifale Gegnerschaft, die die Souderkirche der Böhmen bedrohte; er mochte ihr keinen Trinmph gönnen. Als Antwort der königlichen Regierung gegen die ungehorsamen Untertanen ergingen also strenge Verweise. Ihnen gegenüber verharrte die Stadt zunächst auf dem einmal gefaßten Beschlusse. Dennoch wurde im Frühjahr noch einmal beiderseits der Wunsch rege, sich in der schwebenden Frage entgegen zu kommen. Für die Aussichten der beiden Parteien war, wie wir wissen, die Haltung der übrigen Schlesier maß- gebend. Von diesen hatten sich uur einzelne Parteien entschieden. Daß sich Namslan, Stadt und Mannschajt, der Weigerung der Breslauer anschloß2), verstand sich von selbst. Ferner unterstützten zunächst der Bischof und das Kapitel die Stadt; von seiten des Fürstentums Neiße und der Herrschaft Grottkau, die Bischof und Kapitel gemeinsam innehatten, war also fürs erste gleichfalls aus Huldigung nicht zu rechnen. Anch die Stände von Schweiduitz-Jauer schickten nicht die verlangten Bevollmächtigten; in Schweidnitz wirkte, wie in Breslan, eine geistliche Agitation3); doch scheint es nicht, daß man sich mit Breslau über ein gemeinsames Vorgehen verständigte. Vou den weltlichen Fürsten Schlesieus hatte einer bereits Anfang Februar in Prag gehuldigt, Herzog Heinrich von Krossen-Freistadt-Großglogan; die übrigen hielten wenigstens in der Mehrzahl noch zurück. Podiebrad hatte Aulaß, sie vorsichtig zu behandeln. So energielos diese kleinen Teilfürsten in allen gesamtschlesischen Angelegenheiten auch waren, so war es doch uicht geraten, sie so hestig zu reizen, daß ihr Ehrgefühl empfindlich wurde. Wenn Podiebrad auf seiner Forderung an Breslan bestand, so wurden sie vielleicht doch stutzig und besannen sich auf ihr eigenes Huldigungsrecht. — Daß sie sich gelegentlich zu einem Protest aufraffen konnten, hatten sie schon früher in der Thronfolgefrage und erst jüngst im Liegnitzer Lehusstreit erwiesen. In der setzteren Frage war vielleicht sogar auch jetzt noch ein Eingreifen von ihnen zu befürchten. Im Fürstentum Liegnitz war der regierende Stanm ausgestorben, und es war umstritten, ob das Fürsteutum an eine Nebenlinie übergehen oder der Krone heimfallen sollte. Während die Ritterschaft und die Stadt Goldberg die Erbfolge an- erkannten und die Herzogin Hedwig von Haynau-Lüben und ihren unmündigen 1) Jedenfalls später im Mai ist man in Prag über die geistlichen Umtriebe unterrichtet. Vgl. die Antwort des Königs auf die Schweiduitzer Huldigung: Schmidt, Geschichte von Schweidnitz I, 158; Markgraf, Zeitschr. XI. 251. 2) Bescheid an den König vom 14. Februar, vgl. Beilage 1 und Anhang. 3) Schmidt und Markgraf a. a. O.
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30 Versuch einer Einigung: die Entsendung der böhmischen Herren. Sohn Friedrich anfnahmen, betrieb das Lieguitzer Patriziat den Heinjall an die Krone und fand hierbei die Unterstiützung Podiebrads. Die schlesischen Fürsten hatten auch in dieser Frage nicht entschieden Partei ergriffen; aber sie hatten doch vor einigen Monaten dagegen Einsprache erhoben, daß die Krone die aufsässige Bürgerschaft von Liegnitz unterstütze1). Podiebrad mußte ver hüten, daß die Breslauer Huldigungssache zwischen ihm und den Fürsten einen neuen Streitfall schuf. Aber auch die Breslauer konnten zu den Fürsten kein Vertranen haben. Sie erfuhren aus Schlesien keineswegs den begeisterten Zuspruch, dessen sie bedurften, und schließlich entzog ihnen sogar ihr einziger mächtiger Bundes- genosse, der Bischof, seine Unterstützung; er hat vielleicht auch schon damals in Prag gehuldigt. — Bei Podiebrad wie in den Kreisen des Breslauer Rates bestand diesen Verhältnissen gemäß die Neigung, zu einer Verständigung zu gelangen, bei der sich beide Teile nichts vergaben. Ein solches Kompromiß kam — im April — anch zustande. Eine Gesandtschaft katholischer böhmischer Herren unter Führung des Zdenko von Sternberg ging nach Breslau und Schweidnitz und sollte dort, wie der König ankündigen ließ2), anstatt seiner die Huldigung in Empfang nehmen. Dieses Verfahren hatte weder zu dem böhmischen Anspruch auf hauptländische Stellung einen symbolischen Bezug, noch stellte es andrerseits die schlesische Gesamthuldigung wieder her. Es ging der staatsrechtlichen Grundfrage aus dem Wege; dajür schien es schmeichel- haft für das Selbstbewußtsein der Breslauer und schonte auch ihre resigiöse Empfindlichkeit. Der Breslauer Rat hat das Kompromiß gebilligt, wenn uicht selbst in Anregung gebrachts). Wiederum handelte er in der Hoffnnug, daß das Volk sich mit der vollendeten Tatsache abfinden würde. Aber wiederum täuschte er sich, und er verlernte es diesmal für lange Zeit, hinter dem Rücken der Gemeine zu handeln. Die Prediger waren empört über die neue Durch¬ krenzung ihrer Pläne; sie erregten einen nenen Ansturm. Sie hatten es beim Volke namentlich darum leicht, weil sie ihm ja die Mission zuerteilt hatten, den König von Podiebrads Tyrannei zu befreien; es war dentlich, daß die vermittelnde Beilegung des Zwistes uichts für diesen Zweck leistete. Die Gemeine fiel den Predigern bei; auch im Rate hatten sie jetzt schon sicheren Anhang; der Rat gab um des innern Friedens willen nach4). Es gelang der 1) Grünhagen, Geschichte Schlesiens I, 285. — Im übrigen vgl. Markgraf, Der Liegnitzer 2) Brief vom Lehnsstreit. Abhandlungen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur, Heft 10. 3) Über diese schwierige Frage vgl. den Anhang. 4) Ein 22. April, vgl. Beilage 1. Teil des Rates war vielleicht durch die Pfandsetzungs-Angelegenheit erbittert, die die Erklärung
30 Versuch einer Einigung: die Entsendung der böhmischen Herren. Sohn Friedrich anfnahmen, betrieb das Lieguitzer Patriziat den Heinjall an die Krone und fand hierbei die Unterstiützung Podiebrads. Die schlesischen Fürsten hatten auch in dieser Frage nicht entschieden Partei ergriffen; aber sie hatten doch vor einigen Monaten dagegen Einsprache erhoben, daß die Krone die aufsässige Bürgerschaft von Liegnitz unterstütze1). Podiebrad mußte ver hüten, daß die Breslauer Huldigungssache zwischen ihm und den Fürsten einen neuen Streitfall schuf. Aber auch die Breslauer konnten zu den Fürsten kein Vertranen haben. Sie erfuhren aus Schlesien keineswegs den begeisterten Zuspruch, dessen sie bedurften, und schließlich entzog ihnen sogar ihr einziger mächtiger Bundes- genosse, der Bischof, seine Unterstützung; er hat vielleicht auch schon damals in Prag gehuldigt. — Bei Podiebrad wie in den Kreisen des Breslauer Rates bestand diesen Verhältnissen gemäß die Neigung, zu einer Verständigung zu gelangen, bei der sich beide Teile nichts vergaben. Ein solches Kompromiß kam — im April — anch zustande. Eine Gesandtschaft katholischer böhmischer Herren unter Führung des Zdenko von Sternberg ging nach Breslau und Schweidnitz und sollte dort, wie der König ankündigen ließ2), anstatt seiner die Huldigung in Empfang nehmen. Dieses Verfahren hatte weder zu dem böhmischen Anspruch auf hauptländische Stellung einen symbolischen Bezug, noch stellte es andrerseits die schlesische Gesamthuldigung wieder her. Es ging der staatsrechtlichen Grundfrage aus dem Wege; dajür schien es schmeichel- haft für das Selbstbewußtsein der Breslauer und schonte auch ihre resigiöse Empfindlichkeit. Der Breslauer Rat hat das Kompromiß gebilligt, wenn uicht selbst in Anregung gebrachts). Wiederum handelte er in der Hoffnnug, daß das Volk sich mit der vollendeten Tatsache abfinden würde. Aber wiederum täuschte er sich, und er verlernte es diesmal für lange Zeit, hinter dem Rücken der Gemeine zu handeln. Die Prediger waren empört über die neue Durch¬ krenzung ihrer Pläne; sie erregten einen nenen Ansturm. Sie hatten es beim Volke namentlich darum leicht, weil sie ihm ja die Mission zuerteilt hatten, den König von Podiebrads Tyrannei zu befreien; es war dentlich, daß die vermittelnde Beilegung des Zwistes uichts für diesen Zweck leistete. Die Gemeine fiel den Predigern bei; auch im Rate hatten sie jetzt schon sicheren Anhang; der Rat gab um des innern Friedens willen nach4). Es gelang der 1) Grünhagen, Geschichte Schlesiens I, 285. — Im übrigen vgl. Markgraf, Der Liegnitzer 2) Brief vom Lehnsstreit. Abhandlungen der Schles. Gesellsch. f. vaterl. Kultur, Heft 10. 3) Über diese schwierige Frage vgl. den Anhang. 4) Ein 22. April, vgl. Beilage 1. Teil des Rates war vielleicht durch die Pfandsetzungs-Angelegenheit erbittert, die die Erklärung
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Der Bescheid vonr 7. Mai 1454. 31 Partei Tempelfelds, den Nachteil, in den ihre Politik zu geraten schien, in vollen Sieg umzuwandeln und die Stadt zu einem gewalttätigen verwegenen Vorstoß fortzureißen. Als die böhmischen Gesandten Aufang Mai nach Breslau kamen, wurde ihnen von den Ständen von Breslan und Namslau der Bescheid gegeben, sie seien umsoust gekommen. Man habe doch erkannt, daß die Huldigung an Mittler uicht augängig sei; der König müsse selbst uach Breslau kommnen. In einer ansführlichen Erklärung1), die die Breslauer den Gesandten einhändigten, wird diese Antwort gerechtfertigt. Die Breslauer verweisen hier nochmals auf das alte Herkommen. Sie sprechen die Erwartung aus, daß der König selbst, wenn er erst zu seinen Jahren gekommen sei, ihr Verhalten billigen werde; es geschehe zu seinem Besten. Auch vor den schlesischen Fürsten könnten sie eine Preisgabe ihres Rechtes uicht verantworten; denn in Breslau zu huldigen sei auch jür diese ein Vorrecht, und sie hätten die Stadt auch schon darnm gemahut. Schließlich hätten die Breslaner auch das Zengnis ihrer Prediger und Prälaten für sich; diese machten sich anheischig, die Recht- mäßigfeit der Forderung ans der heiligen Schrijt und aus dem heiligen Rechte zu beweisen. Der heiligen römischen Kirche wolle man gehorchen und den Könige; mögen Seine Königlichen Gnaden uur ja keiner anderen üblen Aus- legung Glauben schenken. Treue Untertanen wollten sie ihm auch jetzt schon ohne Huldigung sein. Der Sinn dieser Worte ist deutlich. Die Antwort an die föniglichen Gesandten vom 7. Mai sah aus wie eine Herausforderung Podiebrads nud konnte nicht anders gemeint sein. Die Breslauer erklärten, sie wollten dem Könige gehorchen und versagten sich doch seinem Huldigungs- gebote; sie erkannten dieses also nicht als das seinige an. Die Breslauer getrösteten sich bei dem Könige eines reijeren Alters; sie sprachen also offen aus, daß er jetzt schlecht beraten sei. Die Breslauer verwiesen endlich auf die Autorität ihrer Geistlichkeit; sie erklärten damit jeden Widerspruch gegen ihr Verhalten als glaubensfeindlich und sprachen dem Christentum des Utraquisten Podiebrad ihr Mißtranen aus. Kurzum: dieser Bescheid war die Erklärung, daß Podiebrad der Feind des Königs und der Kirche und darum auch der vom 7. Mai (vgl. unten Anm. 1) am Schlusse berihrt. Bei der Vereinbarung eines Ver- löbnisses zwischen dem König von Polen und der Schwester des Königs Ladislaus war dieser eine Mitgift von 100000 Gulden verschrieben und dem polnischen Könige die Voll- macht gegeben worden, sich, im Falle die Auszahlung unterbliebe, an den königlichen Landen schadlos zu halten. Das Fürstentum Breslau, das Polen am nächsten lag, konnte, wenn die vorgesehene Möglichfeit eintrat, auch zuerst in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Ver- trag verletzte die Sicherheit des Landes, und da er ohne Befragung der Stände geschlossen war, auch die Rechtsanspriiche der Breslauer. 1) Korr. 2, Script. rer. Siles. VIII, 1 ff.
Der Bescheid vonr 7. Mai 1454. 31 Partei Tempelfelds, den Nachteil, in den ihre Politik zu geraten schien, in vollen Sieg umzuwandeln und die Stadt zu einem gewalttätigen verwegenen Vorstoß fortzureißen. Als die böhmischen Gesandten Aufang Mai nach Breslau kamen, wurde ihnen von den Ständen von Breslan und Namslau der Bescheid gegeben, sie seien umsoust gekommen. Man habe doch erkannt, daß die Huldigung an Mittler uicht augängig sei; der König müsse selbst uach Breslau kommnen. In einer ansführlichen Erklärung1), die die Breslauer den Gesandten einhändigten, wird diese Antwort gerechtfertigt. Die Breslauer verweisen hier nochmals auf das alte Herkommen. Sie sprechen die Erwartung aus, daß der König selbst, wenn er erst zu seinen Jahren gekommen sei, ihr Verhalten billigen werde; es geschehe zu seinem Besten. Auch vor den schlesischen Fürsten könnten sie eine Preisgabe ihres Rechtes uicht verantworten; denn in Breslau zu huldigen sei auch jür diese ein Vorrecht, und sie hätten die Stadt auch schon darnm gemahut. Schließlich hätten die Breslaner auch das Zengnis ihrer Prediger und Prälaten für sich; diese machten sich anheischig, die Recht- mäßigfeit der Forderung ans der heiligen Schrijt und aus dem heiligen Rechte zu beweisen. Der heiligen römischen Kirche wolle man gehorchen und den Könige; mögen Seine Königlichen Gnaden uur ja keiner anderen üblen Aus- legung Glauben schenken. Treue Untertanen wollten sie ihm auch jetzt schon ohne Huldigung sein. Der Sinn dieser Worte ist deutlich. Die Antwort an die föniglichen Gesandten vom 7. Mai sah aus wie eine Herausforderung Podiebrads nud konnte nicht anders gemeint sein. Die Breslauer erklärten, sie wollten dem Könige gehorchen und versagten sich doch seinem Huldigungs- gebote; sie erkannten dieses also nicht als das seinige an. Die Breslauer getrösteten sich bei dem Könige eines reijeren Alters; sie sprachen also offen aus, daß er jetzt schlecht beraten sei. Die Breslauer verwiesen endlich auf die Autorität ihrer Geistlichkeit; sie erklärten damit jeden Widerspruch gegen ihr Verhalten als glaubensfeindlich und sprachen dem Christentum des Utraquisten Podiebrad ihr Mißtranen aus. Kurzum: dieser Bescheid war die Erklärung, daß Podiebrad der Feind des Königs und der Kirche und darum auch der vom 7. Mai (vgl. unten Anm. 1) am Schlusse berihrt. Bei der Vereinbarung eines Ver- löbnisses zwischen dem König von Polen und der Schwester des Königs Ladislaus war dieser eine Mitgift von 100000 Gulden verschrieben und dem polnischen Könige die Voll- macht gegeben worden, sich, im Falle die Auszahlung unterbliebe, an den königlichen Landen schadlos zu halten. Das Fürstentum Breslau, das Polen am nächsten lag, konnte, wenn die vorgesehene Möglichfeit eintrat, auch zuerst in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Ver- trag verletzte die Sicherheit des Landes, und da er ohne Befragung der Stände geschlossen war, auch die Rechtsanspriiche der Breslauer. 1) Korr. 2, Script. rer. Siles. VIII, 1 ff.
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32 Entschiedener Kampf gegen Podiebrad. Stadt Breslan sei. Die Breslauer waren zum Eutschluß gekommen, ihn zu verdrängen und hielten es jür gut, diesen Wuusch offen zu zeigen, damit der König sich danach richten könnte. Dies ist der eigentliche Sinn der Erklärnug. Die Huldigungsfrage selbst wird zwar aufs ansführlichste in ihr erörtet; aber sie ist deutlich uur noch ein Bestandteil in dem allgemeiner aufgefaßten Konflikt. — Die Erklärung erwähnt beisänfig, daß die Könige bisher die Huldigung immer erst „in eren bestendigen volkommen jahren“ entgegengenommen haben. Sie rechnet also mit der Möglich- keit, daß der König nicht so bald nach Breslan kommt; sie will ihn dieses falls für die Zukunft vor Podiebrad warnen. Die Verweigernng der Huldigung soll ihm in Erinnerung bleiben als ein Zeichen dajür, daß sich christliche und trene Untertanen von seinem Günstling und Machtwalter beschwert fühlen. Um dieses Zieles willen nahm die Stadt eine hohe Gefahr auf sich. Denn dem Gubernator, den man verdrängen wollte, wurde mun noch bessere Gelegenheit gegeben, die Stadt mit dem Könige zu verfeinden. Eine Zusage, man werde diesmal den Gesandten huldigen, war zwar im April kanm in aller Form gegeben worden; aber immerhin hatte man die Entsendung im guten Glauben an die Bereitwilligkeit der Bürger vornehmen können: es sah aus, als wollten die Breslaner jetzt mit dem König ihr Spiel treiben. Zun mindesten aber lehnten sie ein königliches Zugeständnis hochmütig ab und kränkten zugleich den katholischen Herrenadel Böhmens, dem die Gesandten angehörten. — Vorlänfig herrschte Podiebrad am Hoje; es war fürs erste eine Verschärfung des Koufliktes zu erwarten. Die Prediger waren damit wohl ganz einverstauden; denn sie hofften, aus diesem Kampi trotz aller un- günstigen Umstände den Resigionskrieg erzengen zu können. Auch die Bürger- schaft, wenigsteus die Gemeine, war von soschen anfgeregten Erwartungen nicht mehr ganz fern. Drei Wochen nach dem Abgang der Gesandtschaft kam nach Breslau wieder der Mann, der vor allem geeignet war, diese Gesinnung zu befestigen: Johann von Capistrano. Schon seine Anwesenheit im vergangenen Jahre hatte Wesent- liches zur Vorbereitung des Widerstandes gegen die Böhmen getan 1). Zwar vermochte das Volk seine lateinischen Reden uicht zu verstehen. Aber, was er wollte, war bekannt und leicht genug zu begreifen. Weun er auf offenem Martte lebhaft gestikulierte und wetterte und von Zeit zu Zeit Resiquien und 1) Vgl. oben S. 21. — Ob Capistrano bei seinem ersten Aufenthalt in Breslau öffentlich gegen die Böhmen predigte, ist zweifelhaft. Die von Jacobs (Johann von Capistrano II, 3) veröffentlichten Predigthandschr. der Breslauer Univers.-Bibl. enthalten keine Hussitenpredigten und kommen nur gelegentlich auf Rokyzana zu sprechen.
32 Entschiedener Kampf gegen Podiebrad. Stadt Breslan sei. Die Breslauer waren zum Eutschluß gekommen, ihn zu verdrängen und hielten es jür gut, diesen Wuusch offen zu zeigen, damit der König sich danach richten könnte. Dies ist der eigentliche Sinn der Erklärnug. Die Huldigungsfrage selbst wird zwar aufs ansführlichste in ihr erörtet; aber sie ist deutlich uur noch ein Bestandteil in dem allgemeiner aufgefaßten Konflikt. — Die Erklärung erwähnt beisänfig, daß die Könige bisher die Huldigung immer erst „in eren bestendigen volkommen jahren“ entgegengenommen haben. Sie rechnet also mit der Möglich- keit, daß der König nicht so bald nach Breslan kommt; sie will ihn dieses falls für die Zukunft vor Podiebrad warnen. Die Verweigernng der Huldigung soll ihm in Erinnerung bleiben als ein Zeichen dajür, daß sich christliche und trene Untertanen von seinem Günstling und Machtwalter beschwert fühlen. Um dieses Zieles willen nahm die Stadt eine hohe Gefahr auf sich. Denn dem Gubernator, den man verdrängen wollte, wurde mun noch bessere Gelegenheit gegeben, die Stadt mit dem Könige zu verfeinden. Eine Zusage, man werde diesmal den Gesandten huldigen, war zwar im April kanm in aller Form gegeben worden; aber immerhin hatte man die Entsendung im guten Glauben an die Bereitwilligkeit der Bürger vornehmen können: es sah aus, als wollten die Breslaner jetzt mit dem König ihr Spiel treiben. Zun mindesten aber lehnten sie ein königliches Zugeständnis hochmütig ab und kränkten zugleich den katholischen Herrenadel Böhmens, dem die Gesandten angehörten. — Vorlänfig herrschte Podiebrad am Hoje; es war fürs erste eine Verschärfung des Koufliktes zu erwarten. Die Prediger waren damit wohl ganz einverstauden; denn sie hofften, aus diesem Kampi trotz aller un- günstigen Umstände den Resigionskrieg erzengen zu können. Auch die Bürger- schaft, wenigsteus die Gemeine, war von soschen anfgeregten Erwartungen nicht mehr ganz fern. Drei Wochen nach dem Abgang der Gesandtschaft kam nach Breslau wieder der Mann, der vor allem geeignet war, diese Gesinnung zu befestigen: Johann von Capistrano. Schon seine Anwesenheit im vergangenen Jahre hatte Wesent- liches zur Vorbereitung des Widerstandes gegen die Böhmen getan 1). Zwar vermochte das Volk seine lateinischen Reden uicht zu verstehen. Aber, was er wollte, war bekannt und leicht genug zu begreifen. Weun er auf offenem Martte lebhaft gestikulierte und wetterte und von Zeit zu Zeit Resiquien und 1) Vgl. oben S. 21. — Ob Capistrano bei seinem ersten Aufenthalt in Breslau öffentlich gegen die Böhmen predigte, ist zweifelhaft. Die von Jacobs (Johann von Capistrano II, 3) veröffentlichten Predigthandschr. der Breslauer Univers.-Bibl. enthalten keine Hussitenpredigten und kommen nur gelegentlich auf Rokyzana zu sprechen.
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Capistrano. Kriegerische Stimmung und Kriegsgefahr. 33 Symbole vorzeigte, so fühlte sich die Menge vom Hauche des Heiligsten be- rührt. Sie brachte nach seinem Geheiß Zierat und Spielgerät, die Werk zeuge des sündhaften Vergnügens auf den Scheiterhaufen, und vor allem war sie gern bereit, ihre Haßinstinkte gegen die Feinde der Kirche zu wenden, die er verfolgte. Unter seiner Leitung war im Mai und Juni 1453 der große Hostienprozeß geführt worden, der mit der Hinrichtung mehrerer Juden, der Austreibung der ganzen Judenschaft und der Konfiskation des jüdischen Eigen- tums uebst allen Schuldverschreibungen geendet hatte. — Gegen die Böhmen durfte Capistrano diesmal, im Sommer 1454, nicht laut predigen; vorsorglich hatte man von Prag aus den Bischof angewiesen, heftige Hetzreden des Mannes gegen die Kelchner zu verhindern. Aber es konnte ihm doch nicht verboten werden, den Breslauern in ihrem frommen Beginnen Zuspruch und Hilfe zuteil werden zu lassen. Auch er bemühte sich damals, Ladislaus durch briefliche Kundgebungen gegen die Utraquisten zu hetzen. Er uahm hierbei jetzt zugleich die Angelegenheit der Breslaner unter den Schutz seiner Autorität und bat den König, den Bürgern Gehör zu geben. Als er dann Breslau verließ, war noch die Erinnerung an seine heilige Erscheinung den Breslanern eine Zuflucht: eine Gruppe von Bürgern, die ihm nahe getreten waren, stellte ihm als ihrem Vater klagend und flehend dar, wie die Stadt von den Bösen verfolgt werde 1). In der Tat schien die Lage der Breslauer bedrohlich. Mit unverhohlenem Zorn waren die Gesandten abgezogen, und die Erklärung der Breslauer, die sie nach Prag mitbrachten, erweckte dort den schlechtesten Eindruck. Im Namen des Königs erhielten die Breslauer und Namslaner eine scharfe Zur�ckweisung; sie wurden darüber zur Rede gestellt, daß sie ihn als unmündig und regierungsuntüchtig erklärt hätten2): das war die Antwort auf ihren Ausspruch, sie getrösteten sich seiner reiferen Jahre. Schließlich erging ein königliches Aufgebot gegen sie; in Böhmen wurden Truppen gesammelt, die die Stadt zum Gehorsam zwingen sollten. Die Breslaner beobachteten dies mit ängstlicher Spannung. Aber sie blieben diesmal standhaft; zur Gegen- rüstung bauten sie ihre Befestignngeu aus. Der Rat fügte sich schweigend ins Unvermeidliche. Bischof Peter suchte zu vermitteln und begab sich im Juli nach Prag; aber als er heimkehrte und den Breslauern den Rat gab, dem Könige zu gehorchen, erhielt er eine runde Ablehnung 3). Die Prälaten und Prediger stützten auch diesmal wieder die Stadt gegen den Bischof Bald danach schlossen die Körperschaften der Stadt, Rat, Kaufleute und 1) Amandus Hermann, Capistranus triumphans (1700) S. 397, 443. 2) Froben Bl. 33, vgl. Beilage 2. 3) Korr. 3, Script. rer. Siles. VIII, 4. Darstellungen und Quellen XXII. 3
Capistrano. Kriegerische Stimmung und Kriegsgefahr. 33 Symbole vorzeigte, so fühlte sich die Menge vom Hauche des Heiligsten be- rührt. Sie brachte nach seinem Geheiß Zierat und Spielgerät, die Werk zeuge des sündhaften Vergnügens auf den Scheiterhaufen, und vor allem war sie gern bereit, ihre Haßinstinkte gegen die Feinde der Kirche zu wenden, die er verfolgte. Unter seiner Leitung war im Mai und Juni 1453 der große Hostienprozeß geführt worden, der mit der Hinrichtung mehrerer Juden, der Austreibung der ganzen Judenschaft und der Konfiskation des jüdischen Eigen- tums uebst allen Schuldverschreibungen geendet hatte. — Gegen die Böhmen durfte Capistrano diesmal, im Sommer 1454, nicht laut predigen; vorsorglich hatte man von Prag aus den Bischof angewiesen, heftige Hetzreden des Mannes gegen die Kelchner zu verhindern. Aber es konnte ihm doch nicht verboten werden, den Breslauern in ihrem frommen Beginnen Zuspruch und Hilfe zuteil werden zu lassen. Auch er bemühte sich damals, Ladislaus durch briefliche Kundgebungen gegen die Utraquisten zu hetzen. Er uahm hierbei jetzt zugleich die Angelegenheit der Breslaner unter den Schutz seiner Autorität und bat den König, den Bürgern Gehör zu geben. Als er dann Breslau verließ, war noch die Erinnerung an seine heilige Erscheinung den Breslanern eine Zuflucht: eine Gruppe von Bürgern, die ihm nahe getreten waren, stellte ihm als ihrem Vater klagend und flehend dar, wie die Stadt von den Bösen verfolgt werde 1). In der Tat schien die Lage der Breslauer bedrohlich. Mit unverhohlenem Zorn waren die Gesandten abgezogen, und die Erklärung der Breslauer, die sie nach Prag mitbrachten, erweckte dort den schlechtesten Eindruck. Im Namen des Königs erhielten die Breslauer und Namslaner eine scharfe Zur�ckweisung; sie wurden darüber zur Rede gestellt, daß sie ihn als unmündig und regierungsuntüchtig erklärt hätten2): das war die Antwort auf ihren Ausspruch, sie getrösteten sich seiner reiferen Jahre. Schließlich erging ein königliches Aufgebot gegen sie; in Böhmen wurden Truppen gesammelt, die die Stadt zum Gehorsam zwingen sollten. Die Breslaner beobachteten dies mit ängstlicher Spannung. Aber sie blieben diesmal standhaft; zur Gegen- rüstung bauten sie ihre Befestignngeu aus. Der Rat fügte sich schweigend ins Unvermeidliche. Bischof Peter suchte zu vermitteln und begab sich im Juli nach Prag; aber als er heimkehrte und den Breslauern den Rat gab, dem Könige zu gehorchen, erhielt er eine runde Ablehnung 3). Die Prälaten und Prediger stützten auch diesmal wieder die Stadt gegen den Bischof Bald danach schlossen die Körperschaften der Stadt, Rat, Kaufleute und 1) Amandus Hermann, Capistranus triumphans (1700) S. 397, 443. 2) Froben Bl. 33, vgl. Beilage 2. 3) Korr. 3, Script. rer. Siles. VIII, 4. Darstellungen und Quellen XXII. 3
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34 Podiebrad gewinnt die Fürsten und siegt kampflos in der Hauptsrage. Zünfte eine Verbrüderung, in der sie sich verpflichteten, in dieser Sache für einen Mann zu stehen, keine weiteren Erwägungen über die Huldigung mehr zuzulassen und nicht zu dulden, daß einer aus der Stadt in persönliche Ver- handlungen mit der Gegenpartei eintrete 1). Die Stadt war jetzt völlig einig in ihrem Willen. Podiebrad war indessen klug genug, es uicht zum Kriege kommen zu lassen. Rasch kounte die feste Stadt uicht überwältigt werden, und ein längerer Kampf konnte leicht auch außerhalb Breslaus den gehässigen Eindruck eines zweiten Hussiteneinfalls machen; er hätte den Plänen der Breslaner Geistlich¬ keit geradezu in die Hände gearbeitet. Schon empörte sich eine zweite schlesische Bürgerschaft gegen ihn. In Liegnitz fiel im Inni das Volk von der Rats- partei ab, die für den Anschluß an die Krone gearbeitet und ein enges Bünduis mit Podiebrad geschlossen hatte. Der piastische Anwärter, der unmündige Herzog Friedrich von Haynau-Lüben und seine Mutter, Herzogin Hedwig, wurden anerkannt und in die Stadt gerujen; der böhmische Statt- halter, den Podiebrad der Stadt gegeben hatte, wurde verjagt, der Stadt- schreiber Bitschen, das Haupt der böhmischen Partei, hingerichtet. Die Er- hebung war sicherlich durch die Aufsässigkeit der Breslaner ermutigt worden; sie bedeutete für Podiebrad eine genügende Warnung. Er handelte staats, männisch. Seine Hauptsorge war, daß die Fürsten uicht dem Beispiese der Städte folgten, daß sich die Bewegung gegen die Böhmen uicht auf ganz Schlesien ausdehnte. Und er brauchte die Fürsten uur uicht weiter zu reizen, um ihrer Untätigkeit in den Angelegenheiten Gesamtschlesiens sicher zu sein. Er gewaun so, ohne Breslau zu bekriegen, einen Vorteil über die Stadt; die Fürsten in ihrer Mehrheit und die Stände von Schweidnitz-Janer leisteten im Laufe des Jahres die Huldigung in der von Prag aus verlangten Form2). Die Huldigung zu Breslan, die die Breslaner forderten, konnte, weun sie zustande kam, im wesentlichen nur noch eine Huldignng der Breslaner werden, keine gesamtschlesische. Damit hatte die ganze Frage das höhere politische Interesse verloren. 1) Vgl. Beilage 3. (28. VIII. 1457.) 2) Schweiduitz huldigte an die böhmischen Gesandten vom Mai. Markgraf, Zeitschr. XI, 251. Korr. 1, Script. rer. Siles. VIII, 1. — Daß auch die Fürsten alle, soweit sie überhaupt huldigten, den Akt bereits vor der Anwesenheit des Königs in Breslau vollzogen hatten, wird zwar uirgends erzählt. Aber Rosicz und Eschenloer erwähnen in ihren Berichten über den königlichen Besuch beide übereinstummend nichts davon, daß die Fürsten in Breslau gehuldigt hätten. Ein solches Ereignis wäre zu wichtig gewesen, als daß die gewissenhaften Chronisten es hätten vergessen können: man muß also annehmen, daß die Fürsten schon vorher gehuldigt haben. — Von Herzog Bolko von Oppeln hieß es, er habe Ladislaus überhaupt nie gehuldigt. (Esch. L 39.)
34 Podiebrad gewinnt die Fürsten und siegt kampflos in der Hauptsrage. Zünfte eine Verbrüderung, in der sie sich verpflichteten, in dieser Sache für einen Mann zu stehen, keine weiteren Erwägungen über die Huldigung mehr zuzulassen und nicht zu dulden, daß einer aus der Stadt in persönliche Ver- handlungen mit der Gegenpartei eintrete 1). Die Stadt war jetzt völlig einig in ihrem Willen. Podiebrad war indessen klug genug, es uicht zum Kriege kommen zu lassen. Rasch kounte die feste Stadt uicht überwältigt werden, und ein längerer Kampf konnte leicht auch außerhalb Breslaus den gehässigen Eindruck eines zweiten Hussiteneinfalls machen; er hätte den Plänen der Breslaner Geistlich¬ keit geradezu in die Hände gearbeitet. Schon empörte sich eine zweite schlesische Bürgerschaft gegen ihn. In Liegnitz fiel im Inni das Volk von der Rats- partei ab, die für den Anschluß an die Krone gearbeitet und ein enges Bünduis mit Podiebrad geschlossen hatte. Der piastische Anwärter, der unmündige Herzog Friedrich von Haynau-Lüben und seine Mutter, Herzogin Hedwig, wurden anerkannt und in die Stadt gerujen; der böhmische Statt- halter, den Podiebrad der Stadt gegeben hatte, wurde verjagt, der Stadt- schreiber Bitschen, das Haupt der böhmischen Partei, hingerichtet. Die Er- hebung war sicherlich durch die Aufsässigkeit der Breslaner ermutigt worden; sie bedeutete für Podiebrad eine genügende Warnung. Er handelte staats, männisch. Seine Hauptsorge war, daß die Fürsten uicht dem Beispiese der Städte folgten, daß sich die Bewegung gegen die Böhmen uicht auf ganz Schlesien ausdehnte. Und er brauchte die Fürsten uur uicht weiter zu reizen, um ihrer Untätigkeit in den Angelegenheiten Gesamtschlesiens sicher zu sein. Er gewaun so, ohne Breslau zu bekriegen, einen Vorteil über die Stadt; die Fürsten in ihrer Mehrheit und die Stände von Schweidnitz-Janer leisteten im Laufe des Jahres die Huldigung in der von Prag aus verlangten Form2). Die Huldigung zu Breslan, die die Breslaner forderten, konnte, weun sie zustande kam, im wesentlichen nur noch eine Huldignng der Breslaner werden, keine gesamtschlesische. Damit hatte die ganze Frage das höhere politische Interesse verloren. 1) Vgl. Beilage 3. (28. VIII. 1457.) 2) Schweiduitz huldigte an die böhmischen Gesandten vom Mai. Markgraf, Zeitschr. XI, 251. Korr. 1, Script. rer. Siles. VIII, 1. — Daß auch die Fürsten alle, soweit sie überhaupt huldigten, den Akt bereits vor der Anwesenheit des Königs in Breslau vollzogen hatten, wird zwar uirgends erzählt. Aber Rosicz und Eschenloer erwähnen in ihren Berichten über den königlichen Besuch beide übereinstummend nichts davon, daß die Fürsten in Breslau gehuldigt hätten. Ein solches Ereignis wäre zu wichtig gewesen, als daß die gewissenhaften Chronisten es hätten vergessen können: man muß also annehmen, daß die Fürsten schon vorher gehuldigt haben. — Von Herzog Bolko von Oppeln hieß es, er habe Ladislaus überhaupt nie gehuldigt. (Esch. L 39.)
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Außerer Erfolg der Breslauer. Der königliche Besuch. 35 Jnzwischen ging der Anfenthalt des Königs in Prag ohnedies zu Ende. Ladislaus mußte wieder in seine österreichischen und ungarischen Lande zurückkehren, und Podiebrad hatte kein Jnteresse daran, ihn länger zu halten. Es ergab sich von selbst, daß der König, ehe er nach Wien ging, den Neben- ländern der böhmischen Krone einen Besuch abstattete und, wie in der Lausitz und in Schweiduitz-Janer, so auch in Breslau die Landeshuldigung entgegennahm. Podiebrad selbst begleitete ihn auf seinem Zuge. Am 6. De zember kamen sie nach Breslan, und nun erhielten die Bürger das große Festgepränge anzuschanen, das sie sich gewünscht hatten. Die Markgrafen von Braudenburg und zwei Herzöge von Bayern besuchten den König hier; dazu fanden sich anch die schlesischen Fürsten ein. Es gab Turniere und andere Feste. Am 11. Dezember huldigte die Stadt dem Könige; sie huldigte ihm ausdrücklich als ihrem angeborenen Erbherrn. Das alles schien höchst ehren- voll. Aber die Stadt hatte die Ehre tener zu bezahlen. Der fast zwei Monate lange Aufenthalt des Hoses verschlang große Kosten, und diese waren uicht die einzigen Leistungen, die die Stadt aufwenden mußte. Podiebrad nahm jetzt seine Rache: er ließ sich vom Könige die Erlaubuis geben, den Breslauern eine Schatzung anfzuerlegen. Er beschied die Stadthäupter vor sich und ver- traute ihnen in gelassenem, ja freundlichem Tone an, sie hätten den König nun einmal schwer beseidigt; sie müßten jetzt viel Geld geben, um ihn zu versöhnen. Mit Mühe brachte man seine Forderungen auf die Summe von 18000 Gulden herunter; sie war immer noch höher als die höchste Kontribution, die einst Wenzel verlaugt hatte. — Des weiteren wurde der Stadt ein wich¬ tiges Vorrecht aberkannt: sie mußte die Hauptmannschaft über das Herzogtum zurückgeben: der König verlieh sie an einen der katholischen böhmischen Hoch¬- adligen, Heinrich von Rosenberg. Auch geistliches Argeruis brachte der königliche Besuch. Denn Podiebrad und andere Ketzer waren beständig um den König. Sie verunehrten die Kirchen mit ihrer Auwesenheit und hielten sogar Messe nach ihrer Irrlehre 1). — Soweit diese Miszhelligfeiten das Volk überhaupt berührten, enttäuschten sie doch nicht die Gemüter der Menge. Über alles eutzückte die unbefangene Leutseligkeit des Kuaben Ladislaus. Die Liebe, die man ihm schon entgegenbrachte, wurde gefestigt — nnd damit auch der Haß gegen seine Lenker und Unter- drücker. Als es auf einem Turnier zwischen böhmischen und bayrischen Rittern zu einer Irrung kam, hätten Breslauer Gewappnete beinahe blutig eingegriffen2). 2) Zum Breslauer Hoflager von 1454/55 vgl. Esch. L 7 f. und 1) Esch. D I, 19. die ausführliche Darstellung Markgrafs in dem häusiger zitierten Aufsatz, Zeitschr. XI. 3*
Außerer Erfolg der Breslauer. Der königliche Besuch. 35 Jnzwischen ging der Anfenthalt des Königs in Prag ohnedies zu Ende. Ladislaus mußte wieder in seine österreichischen und ungarischen Lande zurückkehren, und Podiebrad hatte kein Jnteresse daran, ihn länger zu halten. Es ergab sich von selbst, daß der König, ehe er nach Wien ging, den Neben- ländern der böhmischen Krone einen Besuch abstattete und, wie in der Lausitz und in Schweiduitz-Janer, so auch in Breslau die Landeshuldigung entgegennahm. Podiebrad selbst begleitete ihn auf seinem Zuge. Am 6. De zember kamen sie nach Breslan, und nun erhielten die Bürger das große Festgepränge anzuschanen, das sie sich gewünscht hatten. Die Markgrafen von Braudenburg und zwei Herzöge von Bayern besuchten den König hier; dazu fanden sich anch die schlesischen Fürsten ein. Es gab Turniere und andere Feste. Am 11. Dezember huldigte die Stadt dem Könige; sie huldigte ihm ausdrücklich als ihrem angeborenen Erbherrn. Das alles schien höchst ehren- voll. Aber die Stadt hatte die Ehre tener zu bezahlen. Der fast zwei Monate lange Aufenthalt des Hoses verschlang große Kosten, und diese waren uicht die einzigen Leistungen, die die Stadt aufwenden mußte. Podiebrad nahm jetzt seine Rache: er ließ sich vom Könige die Erlaubuis geben, den Breslauern eine Schatzung anfzuerlegen. Er beschied die Stadthäupter vor sich und ver- traute ihnen in gelassenem, ja freundlichem Tone an, sie hätten den König nun einmal schwer beseidigt; sie müßten jetzt viel Geld geben, um ihn zu versöhnen. Mit Mühe brachte man seine Forderungen auf die Summe von 18000 Gulden herunter; sie war immer noch höher als die höchste Kontribution, die einst Wenzel verlaugt hatte. — Des weiteren wurde der Stadt ein wich¬ tiges Vorrecht aberkannt: sie mußte die Hauptmannschaft über das Herzogtum zurückgeben: der König verlieh sie an einen der katholischen böhmischen Hoch¬- adligen, Heinrich von Rosenberg. Auch geistliches Argeruis brachte der königliche Besuch. Denn Podiebrad und andere Ketzer waren beständig um den König. Sie verunehrten die Kirchen mit ihrer Auwesenheit und hielten sogar Messe nach ihrer Irrlehre 1). — Soweit diese Miszhelligfeiten das Volk überhaupt berührten, enttäuschten sie doch nicht die Gemüter der Menge. Über alles eutzückte die unbefangene Leutseligkeit des Kuaben Ladislaus. Die Liebe, die man ihm schon entgegenbrachte, wurde gefestigt — nnd damit auch der Haß gegen seine Lenker und Unter- drücker. Als es auf einem Turnier zwischen böhmischen und bayrischen Rittern zu einer Irrung kam, hätten Breslauer Gewappnete beinahe blutig eingegriffen2). 2) Zum Breslauer Hoflager von 1454/55 vgl. Esch. L 7 f. und 1) Esch. D I, 19. die ausführliche Darstellung Markgrafs in dem häusiger zitierten Aufsatz, Zeitschr. XI. 3*
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36 Erneuerung der Parteigegensätze in Breslau. II. Beharrung der Gegensätze. — Tod des Königs Ladislaus. Der Huldigungsstreit des Jahres 1454 hat die Gegensätze festgelegt, deren Spannung und Austrag der politischen Geschichte Breslans im nächsten Jahr- zehnt und darüber hinaus ihren Jnhalt gibt. In den drei Jahren der Regierung des Ladislaus, die der Huldigung in Breslan noch solgten, beharrten diese Gegensätze, ohne sich leidenschaftlich zu änßern 1). Zunächst lebte der innere Gegensatz zwischen der Partei der Prediger und der Partei des Rates, der seit der böhmischen Gesandtschaft unterdrückt worden war, bald nach der Abreise des Königs (30. Januar 1455) mit nener Stärke auf. Der äußerlich glänzende Ansgang der Aktion konnte den Rat über ihren Mißerfolg nicht täuschen. Der Federkrieg mit Prag hatte der Stadt die Lasten einer Rüstung aufgebürdet, dann den hohen Sühnetribut; um den Forderungen Podiebrads zu genügen, mußte man nene Stenern erheben, alle städtischen Zinseinkünste verausgaben und schließlich doch noch Schulden machen. Der Besuch des Königs war demgegenüber kaum als ein Erfolg zu verzeichnen. Er wäre der Stadt auch sicher gewesen, wenn sie vorher durch oder an Ge- sandte gehuldigt hätte; eine staatsrechtliche Bedentung hatte er uicht mehr, da er mit keiner gesamtschlesischen Huldignng verbunden war. Die Ratsmehrheit gab ihrer Kritik an dem Geschehenen offen Ausdruck. Die Schöffen Anton Hornig und Valentin Haunolt, die sich besonders für die Politik der Prediger eingesetzt hatten, erhielten bei der nächsten Rats und Schöffenwahl am Ascher mittwoch 1455 kein Amt. Auch das Volk mag zum Teil ernüchtert worden sein und die Auffassung des Rates gebilligt haben. Aber die treue Gefolgschaft der Prediger glaubte alles erreicht zu haben, was sie gewollt hatte, und spann die Phantasie von der Gefaugensetzung des Königs durch Podiebrad und seiner Befreinng durch die Breslauer zu einem glücklichen Ausgang der Fabel fort: wären die Breslauer uicht so standhaft gewesen, so hätte Podiebrad den König uiemals aus seinen Händen gelassen 2). Gern wollte man um dieses Erfolges willen das viele Geld bezahlt haben. Die Prediger behiesten ihren Einflnß auf die Gemeine; als nach einigen Jahren Ladislaus starb, trat sofort die alte Parteiung wieder deutlich hervor. Fürs erste konnte der Rat die Stadt in seinem Sinne leuken. Dieser innere Umschwung trug nun aber uichts dazu bei, den zweiten und größeren Gegeusatz abzuschwächen, den der Huldigungskonflikt gezeitigt hatte: die Feind- schaft der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad. 1) Zum folgenden Abschnitt vgl. Markgraf, Zeitschr. XI, 260 ff. Eschenloer L 9—15. 2) Eſch. D I, 21.
36 Erneuerung der Parteigegensätze in Breslau. II. Beharrung der Gegensätze. — Tod des Königs Ladislaus. Der Huldigungsstreit des Jahres 1454 hat die Gegensätze festgelegt, deren Spannung und Austrag der politischen Geschichte Breslans im nächsten Jahr- zehnt und darüber hinaus ihren Jnhalt gibt. In den drei Jahren der Regierung des Ladislaus, die der Huldigung in Breslan noch solgten, beharrten diese Gegensätze, ohne sich leidenschaftlich zu änßern 1). Zunächst lebte der innere Gegensatz zwischen der Partei der Prediger und der Partei des Rates, der seit der böhmischen Gesandtschaft unterdrückt worden war, bald nach der Abreise des Königs (30. Januar 1455) mit nener Stärke auf. Der äußerlich glänzende Ansgang der Aktion konnte den Rat über ihren Mißerfolg nicht täuschen. Der Federkrieg mit Prag hatte der Stadt die Lasten einer Rüstung aufgebürdet, dann den hohen Sühnetribut; um den Forderungen Podiebrads zu genügen, mußte man nene Stenern erheben, alle städtischen Zinseinkünste verausgaben und schließlich doch noch Schulden machen. Der Besuch des Königs war demgegenüber kaum als ein Erfolg zu verzeichnen. Er wäre der Stadt auch sicher gewesen, wenn sie vorher durch oder an Ge- sandte gehuldigt hätte; eine staatsrechtliche Bedentung hatte er uicht mehr, da er mit keiner gesamtschlesischen Huldignng verbunden war. Die Ratsmehrheit gab ihrer Kritik an dem Geschehenen offen Ausdruck. Die Schöffen Anton Hornig und Valentin Haunolt, die sich besonders für die Politik der Prediger eingesetzt hatten, erhielten bei der nächsten Rats und Schöffenwahl am Ascher mittwoch 1455 kein Amt. Auch das Volk mag zum Teil ernüchtert worden sein und die Auffassung des Rates gebilligt haben. Aber die treue Gefolgschaft der Prediger glaubte alles erreicht zu haben, was sie gewollt hatte, und spann die Phantasie von der Gefaugensetzung des Königs durch Podiebrad und seiner Befreinng durch die Breslauer zu einem glücklichen Ausgang der Fabel fort: wären die Breslauer uicht so standhaft gewesen, so hätte Podiebrad den König uiemals aus seinen Händen gelassen 2). Gern wollte man um dieses Erfolges willen das viele Geld bezahlt haben. Die Prediger behiesten ihren Einflnß auf die Gemeine; als nach einigen Jahren Ladislaus starb, trat sofort die alte Parteiung wieder deutlich hervor. Fürs erste konnte der Rat die Stadt in seinem Sinne leuken. Dieser innere Umschwung trug nun aber uichts dazu bei, den zweiten und größeren Gegeusatz abzuschwächen, den der Huldigungskonflikt gezeitigt hatte: die Feind- schaft der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad. 1) Zum folgenden Abschnitt vgl. Markgraf, Zeitschr. XI, 260 ff. Eschenloer L 9—15. 2) Eſch. D I, 21.
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Allgemeine stille Feindschaft gegen Podiebrad. 37 Der Rat bewies, daß er über das bestehende und zukünftige Verhältnis zu dem böhmischen Gubernator im Grunde mit den Predigern einer Meinung war — trotz aller Unterschiede in den treibenden Beweggründen und in dem politischen Vorgehen. Die sachlichen Gegensätze, die zwischen der böhmischen Nation und den Breslanern bestanden, waren in der Huldigungsfrage mit zweifelloser Deutlichkeit an den Tag getreten; der Verlauf des Konflikts und das Breslaner Hoflager hatten noch persönlichen Groll hinzugefügt. Die freundliche Miene, die Podiebrad bei den Verhandlungen um den Tribut ge- zeigt hatte, erweckte kein Vertrauen; man erfuhr bald, daß das erpreßte Geld großenteils ihm selbst zugute kam 1). Vor allem aber bedeutete die persönliche Macht, die er sich erworben hatte, gerade für die Stadt Breslan eine Gefahr. Er hatte im Mai 1454 das Herzogtum Münsterberg und die Grafschaft Glatz, die seit langem der Krone heimgefallen waren, in Pfandbesitz erhalten. Weiter- hin schien er sich der Stadt Liegnitz bemächtigen zu wollen. Die politische Zugehörigkeit dieser Stadt war rechtlich noch ungeklärt. Die böhmische Re gierung hatte sich zwar gehütet, gegen die Herzogin-Regentin selbst einzuschreiten, hatte andererseits aber anch uicht anf Liegnitz verzichtet. Während des Hoj-- lagers in Breslau war zudem die Stadt vor Gericht gezogen und der Empörung schuldig gesprochen worden. Podiebrad drohte in den folgenden Jahren beständig, sie gewaltsam zu züchtigen. Es lag nahe zu glauben, daß er hierbei in seinem eigenen Interesse vorgehen wollte. Schon der böhmische Statthalter, den die Liegnitzer im Juni 1454 verjagt hatten, war sein Vetter gewesen. So lag Podiebrads Machtgebiet schon an den Grenzen des Fürsten tums Breslau und schien es umfassen zu wollen. Der Breslaner Rat wußte sich gegen Podiebrad in geheimem Kriegs, zustande. Er tat keine Schritte, dieses Verhältnis in eine offene Fehde zu verwandeln; er sah weder eine Gelegenheit hierfür, noch fand er überhaupt Lust am Kriege. Er machte aber seinem gepreßten Haß in kleinen Unfreundlich¬ keiten Luft; wo sich die Gelegenheit bot, dem Nachbar zu begegnen, gab er der Neigung nach, ihm ein böses Gesicht zu zeigen. Eschenloer, der eben um diese Zeit in den Dienst der Stadt Breslan trat, erzählt drei Fälle dieser Art. Als Podiebrad seine Herrschaft Glatz besuchte, versagten ihm die Breslauer den nachbarlichen Ehrenbesuch, den ihn die anderen Schlesier abstatteten. Einen Münzvertrag, den die Stadt mit ihm in Breslau geschlossen hatte, hielt sie nicht inne; sie brachte die Münze in Verruf. Noch vor wenigen Jahren hatten die Breslaner ihm Söldner geschickt, damit er Friedensstörer besser bezwingen 1) Markgraf, Verhältnis usw. I, 24, Anm.
Allgemeine stille Feindschaft gegen Podiebrad. 37 Der Rat bewies, daß er über das bestehende und zukünftige Verhältnis zu dem böhmischen Gubernator im Grunde mit den Predigern einer Meinung war — trotz aller Unterschiede in den treibenden Beweggründen und in dem politischen Vorgehen. Die sachlichen Gegensätze, die zwischen der böhmischen Nation und den Breslanern bestanden, waren in der Huldigungsfrage mit zweifelloser Deutlichkeit an den Tag getreten; der Verlauf des Konflikts und das Breslaner Hoflager hatten noch persönlichen Groll hinzugefügt. Die freundliche Miene, die Podiebrad bei den Verhandlungen um den Tribut ge- zeigt hatte, erweckte kein Vertrauen; man erfuhr bald, daß das erpreßte Geld großenteils ihm selbst zugute kam 1). Vor allem aber bedeutete die persönliche Macht, die er sich erworben hatte, gerade für die Stadt Breslan eine Gefahr. Er hatte im Mai 1454 das Herzogtum Münsterberg und die Grafschaft Glatz, die seit langem der Krone heimgefallen waren, in Pfandbesitz erhalten. Weiter- hin schien er sich der Stadt Liegnitz bemächtigen zu wollen. Die politische Zugehörigkeit dieser Stadt war rechtlich noch ungeklärt. Die böhmische Re gierung hatte sich zwar gehütet, gegen die Herzogin-Regentin selbst einzuschreiten, hatte andererseits aber anch uicht anf Liegnitz verzichtet. Während des Hoj-- lagers in Breslau war zudem die Stadt vor Gericht gezogen und der Empörung schuldig gesprochen worden. Podiebrad drohte in den folgenden Jahren beständig, sie gewaltsam zu züchtigen. Es lag nahe zu glauben, daß er hierbei in seinem eigenen Interesse vorgehen wollte. Schon der böhmische Statthalter, den die Liegnitzer im Juni 1454 verjagt hatten, war sein Vetter gewesen. So lag Podiebrads Machtgebiet schon an den Grenzen des Fürsten tums Breslau und schien es umfassen zu wollen. Der Breslaner Rat wußte sich gegen Podiebrad in geheimem Kriegs, zustande. Er tat keine Schritte, dieses Verhältnis in eine offene Fehde zu verwandeln; er sah weder eine Gelegenheit hierfür, noch fand er überhaupt Lust am Kriege. Er machte aber seinem gepreßten Haß in kleinen Unfreundlich¬ keiten Luft; wo sich die Gelegenheit bot, dem Nachbar zu begegnen, gab er der Neigung nach, ihm ein böses Gesicht zu zeigen. Eschenloer, der eben um diese Zeit in den Dienst der Stadt Breslan trat, erzählt drei Fälle dieser Art. Als Podiebrad seine Herrschaft Glatz besuchte, versagten ihm die Breslauer den nachbarlichen Ehrenbesuch, den ihn die anderen Schlesier abstatteten. Einen Münzvertrag, den die Stadt mit ihm in Breslau geschlossen hatte, hielt sie nicht inne; sie brachte die Münze in Verruf. Noch vor wenigen Jahren hatten die Breslaner ihm Söldner geschickt, damit er Friedensstörer besser bezwingen 1) Markgraf, Verhältnis usw. I, 24, Anm.
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38 Die Breslauer suchen Freundschaft beim Könige. könne; als er jetzt in einem ähulichen Unternehmen gegen die Burg Nachod die Breslauer bat, ihm ihr Geschütz zu leihen, schlugen sie die Bitte ab1). Wenn Eschenloer recht erzählt, hat der Rat im letztgenannten Falle hinter dem Ansuchen Podiebrads den hinterlistigen Wunsch vermutet, die Stadt ihres Geschützes zu berauben und so ihre Verteidigung zu schwächen. Ob diese Befürchtung von so entscheidendem Gewicht war, muß dahingestellt bleiben; jedenfalls aber war der Rat von einem tiefen Argwohn besessen, wenn er mit Podiebrad zu schaffen haben sollte — und dieser Argwohn lastete so- dumpf auf der Seele der Ratsherren, daß sie ihn uicht in die diplomatische Vorsicht umsetzen kounten, die doch eigentlich ein Gesetz ihres Handelns war. Bedenkt man, daß Podiebrad immer noch der mächtigste Mann in der Krone Böhmen war, so muß man urteilen, daß der Rat sich in jenen unfreundlichen Akten nicht minder unvorsichtig bloßstellte wie in Huldigungskonflikt die Ge- meine. Aber der Rat ließ den Trieben des Hasses und der Rache wohl uur darum den Lauf, weil er zugleich über die Zukuuft getrost war. Er baute auf den König. Die Breslauer warteten auf den Tag, da er alt genug sein würde, um an der Gewalt seines Gubernators Anstoß zu nehmen. Auf die Daner konnten nicht zwei Herrscher im Lande sein; einmal muste es zwischen ihnen zur Auseinandersetzung kommen. Daun sollte Ladislaus wissen, wo seine Bundesgenossen seien. Dann wollten die Breslauer sich für ihre treue Wachsamkeit seinen Dank verdienen. Vorerst weilte der König fern von den Ländern der Krone; seit 1456 hielt ihn der Türkenkrieg fest. Die Stadt war eifrig bemüht, sich bei ihm in Erinnerung zu halten, und sie erhielt von ihm freundliche und vertrauensvolle Briefe. Auch die ansehuliche Zahl Krieger, die in Breslan für das Krenzheer geworben und von der Stadt ausgerüstet wurden (800 Mann), mußzte den König erfrenen. Den nenen Landeshauptmann, Heinrich von Rosenberg, behandelte die Stadt mit der ehrfürchtigen Höflichkeit, die sie dem christlichen Beamten des Königs schuldig zu sein glaubte. Daß er ein Böhme war und daß seine Ein setzung eine Strafe für die Stadt hatte bedeuten sollen, fiel nicht ins Gewicht. Als im Jahre 1455 Bischof Peter Nowag starb, bemühte sich der Hauptmann, dessen Würde seinem jüngeren Bruder Jodocus zu verschaffen. Er bat Ratmannen und Schöffen um ihre Fürsprache beim Kapitel; sie willfahrten der Bitte, und Jodoens wurde in der Tat erwählt. — Sachsiche Mißhelligkeiten zwischen der Stadt und dem Landeshauptmann blieben freilich uur darum vermieden, weil 1) Esch. L 9.
38 Die Breslauer suchen Freundschaft beim Könige. könne; als er jetzt in einem ähulichen Unternehmen gegen die Burg Nachod die Breslauer bat, ihm ihr Geschütz zu leihen, schlugen sie die Bitte ab1). Wenn Eschenloer recht erzählt, hat der Rat im letztgenannten Falle hinter dem Ansuchen Podiebrads den hinterlistigen Wunsch vermutet, die Stadt ihres Geschützes zu berauben und so ihre Verteidigung zu schwächen. Ob diese Befürchtung von so entscheidendem Gewicht war, muß dahingestellt bleiben; jedenfalls aber war der Rat von einem tiefen Argwohn besessen, wenn er mit Podiebrad zu schaffen haben sollte — und dieser Argwohn lastete so- dumpf auf der Seele der Ratsherren, daß sie ihn uicht in die diplomatische Vorsicht umsetzen kounten, die doch eigentlich ein Gesetz ihres Handelns war. Bedenkt man, daß Podiebrad immer noch der mächtigste Mann in der Krone Böhmen war, so muß man urteilen, daß der Rat sich in jenen unfreundlichen Akten nicht minder unvorsichtig bloßstellte wie in Huldigungskonflikt die Ge- meine. Aber der Rat ließ den Trieben des Hasses und der Rache wohl uur darum den Lauf, weil er zugleich über die Zukuuft getrost war. Er baute auf den König. Die Breslauer warteten auf den Tag, da er alt genug sein würde, um an der Gewalt seines Gubernators Anstoß zu nehmen. Auf die Daner konnten nicht zwei Herrscher im Lande sein; einmal muste es zwischen ihnen zur Auseinandersetzung kommen. Daun sollte Ladislaus wissen, wo seine Bundesgenossen seien. Dann wollten die Breslauer sich für ihre treue Wachsamkeit seinen Dank verdienen. Vorerst weilte der König fern von den Ländern der Krone; seit 1456 hielt ihn der Türkenkrieg fest. Die Stadt war eifrig bemüht, sich bei ihm in Erinnerung zu halten, und sie erhielt von ihm freundliche und vertrauensvolle Briefe. Auch die ansehuliche Zahl Krieger, die in Breslan für das Krenzheer geworben und von der Stadt ausgerüstet wurden (800 Mann), mußzte den König erfrenen. Den nenen Landeshauptmann, Heinrich von Rosenberg, behandelte die Stadt mit der ehrfürchtigen Höflichkeit, die sie dem christlichen Beamten des Königs schuldig zu sein glaubte. Daß er ein Böhme war und daß seine Ein setzung eine Strafe für die Stadt hatte bedeuten sollen, fiel nicht ins Gewicht. Als im Jahre 1455 Bischof Peter Nowag starb, bemühte sich der Hauptmann, dessen Würde seinem jüngeren Bruder Jodocus zu verschaffen. Er bat Ratmannen und Schöffen um ihre Fürsprache beim Kapitel; sie willfahrten der Bitte, und Jodoens wurde in der Tat erwählt. — Sachsiche Mißhelligkeiten zwischen der Stadt und dem Landeshauptmann blieben freilich uur darum vermieden, weil 1) Esch. L 9.
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Der drohende Streit mit dem Landeshauptmann bleibt vermieden. 39 Rosenberg das Fürstentum während seiner kurzen Amtszeit — er starb im Januar 1457 und wurde durch seinen Bruder Johannes ersetzt — uur wenig mit seiner Anwesenheit behelligte. An und für sich konnte ihn seine Stellung leicht in Streitigkeiten mit der Stadt verwickeln; namentlich aber enthielten die besonderen Vollmachten, die Rosenberg gegeben worden waren, Aulaß zur Beunruhignng. Er war auch zum Vogt der Sechsstädte und zum Hauptmann von Schweidnitz-Jauer ernaunt und führte den Titel eines Hauptmanus von gauz Schlesien. Er sollte in diesem Amte den materiellen Besitzstand der Krone in ihren Landen wiederherstellen. Rosenberg erließ auch frühzeitig die Ver-- fügnng, ein jeder, der königliche Einkünfte besitze, solle sich über die Rechtstitel der Erwerbung ausweisen 1). Als er dann Anfang des Jahres 1456 selbst in Breslan für längere Zeit amveseud war, brachte er eine noch schärfere könig liche Verordunng mit: wer für seine Erwerbung keinen genügenden Ausweis habe, müsse sie ihm ausliefern; wo ein gutes Recht an Pfandschaften und anderen Verschreibungen nachweisbar war, hatte Rosenberg die Vollmacht, sie wieder einzulösen2). Beide Anssichten mußten die Breslauer peinlich berühren. Als 20 Jahre später Matthias Corvinus eine ähnliche Wiedereinbringnng des königlichen Gutes im Fürstentum Breslau versuchte, hat es sich offen gezeigt, wie un- angenehm den Landbesitzern, die ja großenteils Breslauer Bürger waren, eine Nachprüfung ihrer Rechte war; zu Ladislans' Zeit dürfte es damit nicht besser gestanden haben. Aber anch der Rückkauf berechtigter Erwerbungen kounte den Breslanern schädlich werden: Besitzungen, die bisher in ihrer Hand waren, konnten nun an unfreundliche Nachbarn übergehen: die Vormacht der Bres- laner im Fürstentun drohte immer weiter eingeengt zu werden. Für diesmal gelangten die geplanten Maßnahmen nicht zur Ausführung. Die Stadt blieb mit der Krone in gntem Einvernehmen; uur mit Podiebrad lebte sie in Feindschaft. — Im dritten Jahre nach der Huldigung, im Jahre 1457, sahen die Bres- lauer die Erfüllnng ihrer tiefsten Wünsche mit einem Male in greifbarer Nähe vor sich. Ladislaus und Podiebrad waren wirklich in Zwiespalt ge- raten; ein Umschwung in der Regierung schien bevorzustehen. Der König be tonte gern seine streng römisch katholische Gesinnung. Vor allem aber stand er als Beherrscher Österreichs und Ungarns mit Podiebrad in Konflikt; er kämpste hier gegen die ständischen Landesmächte, mit denen Podiebrad in einem natürlichen Bünduis stand. Die Energie des Knaben war frühzeitig 1) Froben, Ann. Namsl., Bl. 40. — Vgl. Beilage 4. 2) Palacky, Urk. Beitr. 99, S. 101.
Der drohende Streit mit dem Landeshauptmann bleibt vermieden. 39 Rosenberg das Fürstentum während seiner kurzen Amtszeit — er starb im Januar 1457 und wurde durch seinen Bruder Johannes ersetzt — uur wenig mit seiner Anwesenheit behelligte. An und für sich konnte ihn seine Stellung leicht in Streitigkeiten mit der Stadt verwickeln; namentlich aber enthielten die besonderen Vollmachten, die Rosenberg gegeben worden waren, Aulaß zur Beunruhignng. Er war auch zum Vogt der Sechsstädte und zum Hauptmann von Schweidnitz-Jauer ernaunt und führte den Titel eines Hauptmanus von gauz Schlesien. Er sollte in diesem Amte den materiellen Besitzstand der Krone in ihren Landen wiederherstellen. Rosenberg erließ auch frühzeitig die Ver-- fügnng, ein jeder, der königliche Einkünfte besitze, solle sich über die Rechtstitel der Erwerbung ausweisen 1). Als er dann Anfang des Jahres 1456 selbst in Breslan für längere Zeit amveseud war, brachte er eine noch schärfere könig liche Verordunng mit: wer für seine Erwerbung keinen genügenden Ausweis habe, müsse sie ihm ausliefern; wo ein gutes Recht an Pfandschaften und anderen Verschreibungen nachweisbar war, hatte Rosenberg die Vollmacht, sie wieder einzulösen2). Beide Anssichten mußten die Breslauer peinlich berühren. Als 20 Jahre später Matthias Corvinus eine ähnliche Wiedereinbringnng des königlichen Gutes im Fürstentum Breslau versuchte, hat es sich offen gezeigt, wie un- angenehm den Landbesitzern, die ja großenteils Breslauer Bürger waren, eine Nachprüfung ihrer Rechte war; zu Ladislans' Zeit dürfte es damit nicht besser gestanden haben. Aber anch der Rückkauf berechtigter Erwerbungen kounte den Breslanern schädlich werden: Besitzungen, die bisher in ihrer Hand waren, konnten nun an unfreundliche Nachbarn übergehen: die Vormacht der Bres- laner im Fürstentun drohte immer weiter eingeengt zu werden. Für diesmal gelangten die geplanten Maßnahmen nicht zur Ausführung. Die Stadt blieb mit der Krone in gntem Einvernehmen; uur mit Podiebrad lebte sie in Feindschaft. — Im dritten Jahre nach der Huldigung, im Jahre 1457, sahen die Bres- lauer die Erfüllnng ihrer tiefsten Wünsche mit einem Male in greifbarer Nähe vor sich. Ladislaus und Podiebrad waren wirklich in Zwiespalt ge- raten; ein Umschwung in der Regierung schien bevorzustehen. Der König be tonte gern seine streng römisch katholische Gesinnung. Vor allem aber stand er als Beherrscher Österreichs und Ungarns mit Podiebrad in Konflikt; er kämpste hier gegen die ständischen Landesmächte, mit denen Podiebrad in einem natürlichen Bünduis stand. Die Energie des Knaben war frühzeitig 1) Froben, Ann. Namsl., Bl. 40. — Vgl. Beilage 4. 2) Palacky, Urk. Beitr. 99, S. 101.
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40 Der plötzliche Tod des Köuigs. erwacht; sein rasches und durchgreifendes Vorgehen gegen die Hunyadis, die Söhne des Türkenbesiegers Johann, machte Podiebrad um seine Zukuust be- sorgt. — Die Breslauer schöpften Zuversicht. Es war ganz uach ihrem Sinne, daß ihnen Ladislaus von der Gefangensetznng der Hunyadis und ihres An- hangs mit der Versicherung Kenntnis gab: „Wir seyn auch frisch und gesunt und ein freier, regirender konig“ 1). Bald darauf erhielten sie Gelegenheit, selbst vor ihn zu treten und zu prüfen, wie weit sie schon in seiner persön- lichen Gunst waren. Nach Prag, wo Ladislaus, noch einmal dem Einfluß Podiebrads folgend, seinen Hof hielt, wurden Gesaudte Breslaus beschieden, um dem Könige in einer Zollstreitigkeit, die seit Jahren zwischen der Stadt und Görlitz bestand, Vortrag zu tun. Die Sache selbst konnte nicht mehr zum Austrag kommen. Aber der König empfing die Gesandten der Stadt sehr gnädig, während Podiebrad, der daneruden Uufrenudlichfeit Breslaus ein- gedenk, ihnen ein finsteres Gesicht zeigte, und tschechische Edellente am Hofe sie verspotteten. Es kam zu dem peinlichen Auftritt, daß der König den Ge- sandten die Hand zum Gruße hinstreckte und Podiebrad die ansgestreckte Hand festhielt und wegzog2). Die Breslauer Männer waren verlegen; sür den Augen- blick war Podiebrad doch noch mächtig genng; sie hielten es für zweckmäßig, ihu mit einem Geschenke zu versöhnen. Aber jür die Zufunst hatten sie die frohe Gewißheit dessen, daß Ladislaus uicht völlig das Werkzeng Podiebrads sein würde. Aber wenige Tage darauf, noch während die Breslaner in Prag waren, starb König Ladislaus, auf dessen Mannesalter sie gebaut hatten, achtzehn- jährig binnen wenigen Stunden an der Beulenpest. Von dem Ereiguis ging nicht uur das Erschreckende des frühen Todes aus; die Vermutung eines Verbrechens kuüpfte sich daran. Die Eifersucht, die zwischen Ladislans und Podiebrad in den letzten Mouaten bestanden hatte, ließ das Gerücht aufkommen, Podiebrad habe den König vergiftet. Namentlich die deutschen Arzte des Königs verbreiteten es. Die Breslaner Gesandten nahmen den Verdacht mit Überzeugung anf. Sie hatten ja den König soeben erst in blühender Gesundheit gesehen; sie hatten dabei beobachtet, wie seine Selbständigkeit dem Gubernator unbequem wurde, und sie erzitterten noch vor der herrischen Leidenschaftlichkeit, mit der Podiebrad sie jüngst empfangen hatte. Sie fühlten ein lähmendes Granen und waren froh, als Podiebrad sie nach dem Begräbnis mit andern Besuchern des Hofes nach Hanse entließ. „Ich habe is mit gefulet die engste und die freude“, bekenut Eschenloer, der unter den Gesandten war 3). 1) Palacky, Urk. Beitr. Nr. 108, S. 108. 3) Esch. L 15, D I, 39—41. 3) D I, 41.
40 Der plötzliche Tod des Köuigs. erwacht; sein rasches und durchgreifendes Vorgehen gegen die Hunyadis, die Söhne des Türkenbesiegers Johann, machte Podiebrad um seine Zukuust be- sorgt. — Die Breslauer schöpften Zuversicht. Es war ganz uach ihrem Sinne, daß ihnen Ladislaus von der Gefangensetznng der Hunyadis und ihres An- hangs mit der Versicherung Kenntnis gab: „Wir seyn auch frisch und gesunt und ein freier, regirender konig“ 1). Bald darauf erhielten sie Gelegenheit, selbst vor ihn zu treten und zu prüfen, wie weit sie schon in seiner persön- lichen Gunst waren. Nach Prag, wo Ladislaus, noch einmal dem Einfluß Podiebrads folgend, seinen Hof hielt, wurden Gesaudte Breslaus beschieden, um dem Könige in einer Zollstreitigkeit, die seit Jahren zwischen der Stadt und Görlitz bestand, Vortrag zu tun. Die Sache selbst konnte nicht mehr zum Austrag kommen. Aber der König empfing die Gesandten der Stadt sehr gnädig, während Podiebrad, der daneruden Uufrenudlichfeit Breslaus ein- gedenk, ihnen ein finsteres Gesicht zeigte, und tschechische Edellente am Hofe sie verspotteten. Es kam zu dem peinlichen Auftritt, daß der König den Ge- sandten die Hand zum Gruße hinstreckte und Podiebrad die ansgestreckte Hand festhielt und wegzog2). Die Breslauer Männer waren verlegen; sür den Augen- blick war Podiebrad doch noch mächtig genng; sie hielten es für zweckmäßig, ihu mit einem Geschenke zu versöhnen. Aber jür die Zufunst hatten sie die frohe Gewißheit dessen, daß Ladislaus uicht völlig das Werkzeng Podiebrads sein würde. Aber wenige Tage darauf, noch während die Breslaner in Prag waren, starb König Ladislaus, auf dessen Mannesalter sie gebaut hatten, achtzehn- jährig binnen wenigen Stunden an der Beulenpest. Von dem Ereiguis ging nicht uur das Erschreckende des frühen Todes aus; die Vermutung eines Verbrechens kuüpfte sich daran. Die Eifersucht, die zwischen Ladislans und Podiebrad in den letzten Mouaten bestanden hatte, ließ das Gerücht aufkommen, Podiebrad habe den König vergiftet. Namentlich die deutschen Arzte des Königs verbreiteten es. Die Breslaner Gesandten nahmen den Verdacht mit Überzeugung anf. Sie hatten ja den König soeben erst in blühender Gesundheit gesehen; sie hatten dabei beobachtet, wie seine Selbständigkeit dem Gubernator unbequem wurde, und sie erzitterten noch vor der herrischen Leidenschaftlichkeit, mit der Podiebrad sie jüngst empfangen hatte. Sie fühlten ein lähmendes Granen und waren froh, als Podiebrad sie nach dem Begräbnis mit andern Besuchern des Hofes nach Hanse entließ. „Ich habe is mit gefulet die engste und die freude“, bekenut Eschenloer, der unter den Gesandten war 3). 1) Palacky, Urk. Beitr. Nr. 108, S. 108. 3) Esch. L 15, D I, 39—41. 3) D I, 41.
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Erneuerung der Throufolgefrage. 41 Nirgeuds aber kounte das Gerücht vom Giftmord so festen Glauben finden wie bei ihnen daheim, beim gemeinen Manne zu Breslau. Hier hatte man ja längst ein bevorstehendes Verbrechen geahnt; man erhielt nun die Gewißheit, daß diese Sorgen berechtigt gewesen waren. Das Volk erging sich in lauten Schmähreden; die Prediger klagten auf der Kanzel Georg als Mörder an. — Der Rat war in Verlegenheit. Er konnte die Gerüchte nicht Lügen strafen. Aber angesichts der offenen Empörung kehrten seine alten scheuen Angste wieder. Er versuchte die Anklagen gegen Podiebrad im Umlauf zu hemmen und die Aufregung zu dämpfen; doch es war vergeblich. 3. Kapitel. Der Kampf gegen die Anerkennung König Georgs (1458—1460). I. Die Erhebung Podiebrads und der schlesische Bund. Mit dem Hingang des Königs Ladislaus kehrte die Frage des böhmischen Thronfolgerechts wieder, und sie stand von vornherein für den Erbrechtsge- danken und die Nebenländer ungünstig. Vom erbrechtlichen Standpunkte ans war gemäß der Thronfolgeordunng Karls IV. die ältere Schwester des kinder los Verstorbenen in erster Linie zu berücksichtigen: sie war mit dem Herzog Wilhelm von Sachsen-Thüringen vermählt, so daß diesem die Regierung zu- gefallen wäre. Aber seine Persönlichkeit kounte den Erbrechtsgedanken uicht stärken. Wilhelm hatte als ein ferustehender Landesherr auch bei den dynastisch Fühlenden uicht die herzlichen Empfindungen für sich, die dem Kinde Ladislaus in Erinnerung an seinen Vater und die Schicksale seiner Mutter angehangen hatten. Wenn der sächsische Herzog sich Anerkennung verschaffen wollte, so konnte es uur anf Grund gütlicher Übereinkunft mit den Fürsten und Ständen im böhmischen Reiche geschehen. Neben ihm machten die Habsburger, die nächsten männlichen Verwandten des Verstorbenen, die sich zudem auf eine alte öster reichisch-böhmische Erbverbrüderung stützten, ihre Forderungen geltend. Sie stritten jedoch zur Zeit selbst untereinander über die österreichische Hinterlassen schaft des Königs und kounten darum ihre gemeinsamen Rechte auf Böhmen uicht tatkräftig wahrnehmen. Die mannigfachen dynastischen Ansprüche kreuzten uyd lähnten einander; schon dies reizte die Böhmen, das Wahlrecht in Anspruch zu nehmen — und zwar für sich allein. Die Nebenländer aber taten nichts dazu, um einer solchen Wendung entgegen zu arbeiten. Den Breslauern hätte die Bemühung um einen Zusammenschluß der
Erneuerung der Throufolgefrage. 41 Nirgeuds aber kounte das Gerücht vom Giftmord so festen Glauben finden wie bei ihnen daheim, beim gemeinen Manne zu Breslau. Hier hatte man ja längst ein bevorstehendes Verbrechen geahnt; man erhielt nun die Gewißheit, daß diese Sorgen berechtigt gewesen waren. Das Volk erging sich in lauten Schmähreden; die Prediger klagten auf der Kanzel Georg als Mörder an. — Der Rat war in Verlegenheit. Er konnte die Gerüchte nicht Lügen strafen. Aber angesichts der offenen Empörung kehrten seine alten scheuen Angste wieder. Er versuchte die Anklagen gegen Podiebrad im Umlauf zu hemmen und die Aufregung zu dämpfen; doch es war vergeblich. 3. Kapitel. Der Kampf gegen die Anerkennung König Georgs (1458—1460). I. Die Erhebung Podiebrads und der schlesische Bund. Mit dem Hingang des Königs Ladislaus kehrte die Frage des böhmischen Thronfolgerechts wieder, und sie stand von vornherein für den Erbrechtsge- danken und die Nebenländer ungünstig. Vom erbrechtlichen Standpunkte ans war gemäß der Thronfolgeordunng Karls IV. die ältere Schwester des kinder los Verstorbenen in erster Linie zu berücksichtigen: sie war mit dem Herzog Wilhelm von Sachsen-Thüringen vermählt, so daß diesem die Regierung zu- gefallen wäre. Aber seine Persönlichkeit kounte den Erbrechtsgedanken uicht stärken. Wilhelm hatte als ein ferustehender Landesherr auch bei den dynastisch Fühlenden uicht die herzlichen Empfindungen für sich, die dem Kinde Ladislaus in Erinnerung an seinen Vater und die Schicksale seiner Mutter angehangen hatten. Wenn der sächsische Herzog sich Anerkennung verschaffen wollte, so konnte es uur anf Grund gütlicher Übereinkunft mit den Fürsten und Ständen im böhmischen Reiche geschehen. Neben ihm machten die Habsburger, die nächsten männlichen Verwandten des Verstorbenen, die sich zudem auf eine alte öster reichisch-böhmische Erbverbrüderung stützten, ihre Forderungen geltend. Sie stritten jedoch zur Zeit selbst untereinander über die österreichische Hinterlassen schaft des Königs und kounten darum ihre gemeinsamen Rechte auf Böhmen uicht tatkräftig wahrnehmen. Die mannigfachen dynastischen Ansprüche kreuzten uyd lähnten einander; schon dies reizte die Böhmen, das Wahlrecht in Anspruch zu nehmen — und zwar für sich allein. Die Nebenländer aber taten nichts dazu, um einer solchen Wendung entgegen zu arbeiten. Den Breslauern hätte die Bemühung um einen Zusammenschluß der
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42 Die Erhebung Podiebrads zum Könige. Nebenländer am ehesten angelegen sein müssen: aber auch sie blieben untätig. Die Erregung der Stadt war, wie im Huldigungsstreit, so auch jetzt, politisch un- Fruchtbar; sie blieb in den Stadtmauern gefangen. Die Massen in ihren lauten Bekundungen, die Stadthänpter in ihren heimlichen Seelenuöten schienen aus irgend ein äußeres Ereignis zu warten, das das Verbrechen sühnen und die Ordnung im Reiche herstellen sollte 1). Moralische Einwirkungen anf die Außen- welt, die die Stadt als geistige Einheit und als Sitz politischen Willens dar- gestellt hätten, hätten ihr wohl angestanden und wären auch imstande gewesen, ihr inmitten der Mächte, die die Wendung der Dinge betraf, eine Stimme zu geben. Aber man schätzte wohl in Breslan, wie überall in den deutschen Neben- ländern, die wirklichen Gefahren der Lage uicht richtig ein, und trotz all der Eifersucht, die man gegen die böhmische Nation empfand, ahute man uichts von der Wucht, die der böhmische Nationalgedanke gerade jetzt entfalten sollte. Bald nach Ladislaus' Tode war Podiebrad mit der ungarischen National partei und Matthias Hunyadi (Corvinus) in ein nahes Einverständuis getreten; fast auf einen Schlag erklärten dann mit Beginn des Jahres 1458 die beiden uichtdentschen Nationen, die unter der habsburgischen Hansmacht gestanden hatten, ihre Unabhängigkeit. Am 24. Jannar wurde Matthias zum nugarischen Könige erhoben. Gleichzeitig wurde in Podiebrads Umgebnng der Entschluß gefaßt, die verbrieften Rechte der erblichen Ansprecher und die der Nebenländer zu übergehen, auch die Anerbietungen anderer fremder Fürsten uicht zu achten, sondern ein national-böhmisches Königtum in der Person Podiebrads zu be gründen. Ein Landtag, nicht des Gesamtreiches, sondern uur der böhmischen Stände wurde berufen. Angeblich sollte er uur über die Aufrechterhaltung vorläufiger Orduungen in Böhmen beschließen: in Wahrheit diente er der end- gültigen Erledigung der Königsfrage. Am 2. März 1458 umdrängte eine Volksmenge das Prager Rathaus und verlangte einen Böhmen zum König; die versammelten Stände erwählten den, den das Volk meinte. Ein Teil freilich gehorchte uur Drohungen und Bestechungen. — So wehrlos sich anch bis jetzt die Nebenländer gegen die Böhmen gezeigt hatten, so löste doch dieser Staatsstreich, der sie alle den Böhmen unterjochte, einen allgemeinen Wider- spruch aus. Jetzt endlich fanden die Breslauer in den Ländern der Krone, und zwar bei ihren engeren Landesgenossen Verbündete, die wie sie selbst ihr Recht gegen die Böhmen wahruehmen wollten. Die uiederschlesischen Fürsten, in ihrem Standesgefühl herausgefordert, leiteten sesbst die Aufrichtung eines Bundes ein. Der Bischof und das Kapitel von Breslan und die Stände der 1) Eschenloer sagt (D I, 38), er habe damals fest geglaubt, das Prager Volk werde an Girsik Rache nehmen.
42 Die Erhebung Podiebrads zum Könige. Nebenländer am ehesten angelegen sein müssen: aber auch sie blieben untätig. Die Erregung der Stadt war, wie im Huldigungsstreit, so auch jetzt, politisch un- Fruchtbar; sie blieb in den Stadtmauern gefangen. Die Massen in ihren lauten Bekundungen, die Stadthänpter in ihren heimlichen Seelenuöten schienen aus irgend ein äußeres Ereignis zu warten, das das Verbrechen sühnen und die Ordnung im Reiche herstellen sollte 1). Moralische Einwirkungen anf die Außen- welt, die die Stadt als geistige Einheit und als Sitz politischen Willens dar- gestellt hätten, hätten ihr wohl angestanden und wären auch imstande gewesen, ihr inmitten der Mächte, die die Wendung der Dinge betraf, eine Stimme zu geben. Aber man schätzte wohl in Breslan, wie überall in den deutschen Neben- ländern, die wirklichen Gefahren der Lage uicht richtig ein, und trotz all der Eifersucht, die man gegen die böhmische Nation empfand, ahute man uichts von der Wucht, die der böhmische Nationalgedanke gerade jetzt entfalten sollte. Bald nach Ladislaus' Tode war Podiebrad mit der ungarischen National partei und Matthias Hunyadi (Corvinus) in ein nahes Einverständuis getreten; fast auf einen Schlag erklärten dann mit Beginn des Jahres 1458 die beiden uichtdentschen Nationen, die unter der habsburgischen Hansmacht gestanden hatten, ihre Unabhängigkeit. Am 24. Jannar wurde Matthias zum nugarischen Könige erhoben. Gleichzeitig wurde in Podiebrads Umgebnng der Entschluß gefaßt, die verbrieften Rechte der erblichen Ansprecher und die der Nebenländer zu übergehen, auch die Anerbietungen anderer fremder Fürsten uicht zu achten, sondern ein national-böhmisches Königtum in der Person Podiebrads zu be gründen. Ein Landtag, nicht des Gesamtreiches, sondern uur der böhmischen Stände wurde berufen. Angeblich sollte er uur über die Aufrechterhaltung vorläufiger Orduungen in Böhmen beschließen: in Wahrheit diente er der end- gültigen Erledigung der Königsfrage. Am 2. März 1458 umdrängte eine Volksmenge das Prager Rathaus und verlangte einen Böhmen zum König; die versammelten Stände erwählten den, den das Volk meinte. Ein Teil freilich gehorchte uur Drohungen und Bestechungen. — So wehrlos sich anch bis jetzt die Nebenländer gegen die Böhmen gezeigt hatten, so löste doch dieser Staatsstreich, der sie alle den Böhmen unterjochte, einen allgemeinen Wider- spruch aus. Jetzt endlich fanden die Breslauer in den Ländern der Krone, und zwar bei ihren engeren Landesgenossen Verbündete, die wie sie selbst ihr Recht gegen die Böhmen wahruehmen wollten. Die uiederschlesischen Fürsten, in ihrem Standesgefühl herausgefordert, leiteten sesbst die Aufrichtung eines Bundes ein. Der Bischof und das Kapitel von Breslan und die Stände der 1) Eschenloer sagt (D I, 38), er habe damals fest geglaubt, das Prager Volk werde an Girsik Rache nehmen.
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Widerspruch der Schlesier. Gritndung des schlesischen Bundes. 43 Erbfürstentümer Breslan und Schweidnitz-Jauer traten mit ihnen in die Einung. Am 17. und 19. April gaben die genannten Fürsten und Stände den Ge sandten Georgs sowie Bevollmächtigten des Herzogs von Sachsen und der österreichischen Herzöge Gehör. Sie verkündeten ihnen allen den Beschluß, niemand in seinem Rechte zu stören, aber anch „uymandis vor eynen konig zu dirkennen noch ufzunemen, bissolange is erkant were an geburlichen steten, wen sie billichen mit got, eren, glich und recht als einen cristlichen herrn und konig uffnemen sullen"1). In einem förmlichen Verbündnis gelobten sie darauf einander, diesen Beschluß getrenlich zu halten und sich gegenseitig vor An- griffen zu schützen, die ihnen dieserhalb widerfahren würden. Als Bundesmitglieder zeichneten diesen Beschluß die Herzöge Heinrich von Krossen- Freistadt -Großglogan, Balthasar und Johann von Sagan, Kourad „der Weiße“ von Öls, Wlodko von Teschen-Großglogau, die Herzogin von Liegnitz für ihren Sohn Friedrich, Bischof und Kapitel von Breslau, Mannschaft und Städte von Schweidnitz-Jauer, Manuschaft und Städte Breslan, Neumarkt und Namslan. Auch die Städte Lieguitz, Bunzlan und Löwenberg gaben neben ihrer Landesherrin, der Herzogin von Liegnitz, be- sonders Unterschrift und Siegel. Die oberschlesischen Fürsten, mit Ausnahme Wlodkos von Teschen, der jedoch kein zuverlässiges Mitglied war2), hielten sich jern, ebeuso der nächste Nachbar der Stadt Breslau, Konrad „der Schwarze von Öls, der Bruder des „weißen" Herzogs. Das Programm des Bundes war eigentümlich uuklar gehalten. Es wurde gefordert, daß der echte König „an gebührenden Stätten“ erkannt werde; es wurde aber uicht gesagt, wie diese Prüjung der Rechtsausprüche vor sich gehen solle. Die Schlesier betouten allerdings, daß der König ein „christlicher Herr“ sein müsse, und danach könnte man meinen, sie hätten den Papst zum Schiedsrichter anrufen wollen. Aber Monate sind vergangen, ehe der Bund eine Frage uach Rom richtete. Die Schlesier behandelten den Streitfall als eine Frage des Rechtes und trafen doch keine Anstalten, um ihn als eine solche zu lösen. In Wahrheit ließ sich die böhmische Thronfolgefrage nur als Macht- frage lösen. Das wußten die Schlesier; aber sie wollten zunächst auch nicht selbst als Macht auftreten. Sie ließen den Fürsten, die auf Grund des Erb- rechts nach der Krone strebten, das erste Wort. Daneben wollten sie auch abwarten, ob der Papst sich einmischen werde. Auf ihn richtete namentlich Bischof Jodocns sein Ange; er vertrat mit Bewußtsein 3) den tschechischen 1) Esch. L 25. 2) Er gab sich zwar als Mitglied des Bundes aus und nahn auch später eine Zeit lang an seinen Beratungen teil, unterließ aber, den Bundesvertrag zu be- siegeln. 3) „ex fideli corde bohemico“. (An seinen Bruder Johann. Korr. 160, Script. rer. Siles. VIII, 206, Mai 1463.)
Widerspruch der Schlesier. Gritndung des schlesischen Bundes. 43 Erbfürstentümer Breslan und Schweidnitz-Jauer traten mit ihnen in die Einung. Am 17. und 19. April gaben die genannten Fürsten und Stände den Ge sandten Georgs sowie Bevollmächtigten des Herzogs von Sachsen und der österreichischen Herzöge Gehör. Sie verkündeten ihnen allen den Beschluß, niemand in seinem Rechte zu stören, aber anch „uymandis vor eynen konig zu dirkennen noch ufzunemen, bissolange is erkant were an geburlichen steten, wen sie billichen mit got, eren, glich und recht als einen cristlichen herrn und konig uffnemen sullen"1). In einem förmlichen Verbündnis gelobten sie darauf einander, diesen Beschluß getrenlich zu halten und sich gegenseitig vor An- griffen zu schützen, die ihnen dieserhalb widerfahren würden. Als Bundesmitglieder zeichneten diesen Beschluß die Herzöge Heinrich von Krossen- Freistadt -Großglogan, Balthasar und Johann von Sagan, Kourad „der Weiße“ von Öls, Wlodko von Teschen-Großglogau, die Herzogin von Liegnitz für ihren Sohn Friedrich, Bischof und Kapitel von Breslau, Mannschaft und Städte von Schweidnitz-Jauer, Manuschaft und Städte Breslan, Neumarkt und Namslan. Auch die Städte Lieguitz, Bunzlan und Löwenberg gaben neben ihrer Landesherrin, der Herzogin von Liegnitz, be- sonders Unterschrift und Siegel. Die oberschlesischen Fürsten, mit Ausnahme Wlodkos von Teschen, der jedoch kein zuverlässiges Mitglied war2), hielten sich jern, ebeuso der nächste Nachbar der Stadt Breslau, Konrad „der Schwarze von Öls, der Bruder des „weißen" Herzogs. Das Programm des Bundes war eigentümlich uuklar gehalten. Es wurde gefordert, daß der echte König „an gebührenden Stätten“ erkannt werde; es wurde aber uicht gesagt, wie diese Prüjung der Rechtsausprüche vor sich gehen solle. Die Schlesier betouten allerdings, daß der König ein „christlicher Herr“ sein müsse, und danach könnte man meinen, sie hätten den Papst zum Schiedsrichter anrufen wollen. Aber Monate sind vergangen, ehe der Bund eine Frage uach Rom richtete. Die Schlesier behandelten den Streitfall als eine Frage des Rechtes und trafen doch keine Anstalten, um ihn als eine solche zu lösen. In Wahrheit ließ sich die böhmische Thronfolgefrage nur als Macht- frage lösen. Das wußten die Schlesier; aber sie wollten zunächst auch nicht selbst als Macht auftreten. Sie ließen den Fürsten, die auf Grund des Erb- rechts nach der Krone strebten, das erste Wort. Daneben wollten sie auch abwarten, ob der Papst sich einmischen werde. Auf ihn richtete namentlich Bischof Jodocns sein Ange; er vertrat mit Bewußtsein 3) den tschechischen 1) Esch. L 25. 2) Er gab sich zwar als Mitglied des Bundes aus und nahn auch später eine Zeit lang an seinen Beratungen teil, unterließ aber, den Bundesvertrag zu be- siegeln. 3) „ex fideli corde bohemico“. (An seinen Bruder Johann. Korr. 160, Script. rer. Siles. VIII, 206, Mai 1463.)
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44 Die Zurlckhaltung des Bundes und die Ratlosigkeit der Stadt. Nationalgedanken und wünschte uichts Besseres, als daß Podiebrad mit der römischen Kirche ins Einvernehmen käme. — Im ganzen wollten die Schlesier Lediglich ihre Neutralität wahren, bis sich herausstellte, ob und von wem das Königtum Podiebrads mit Erfolg angefochten würde. Daß die Bundesmehrheit uur diesen Zweck verfolgte, keine positive Politik treiben wollte, trat sehr offen sichtlich hervor: der Bund hielt nach seiner Gründnng zwei Monate lang überhaupt keine Tagungen ab. Die Breslauer waren freilich ganz anders gesinnt. Für sie hatte der Widerspruch gegen die Erwählung Georgs nicht die Bedentung eines Vor- behalts, sondern die einer endgültigen Entscheidung. Georg hatte gleich nach seiner Erhebung in einer besonderen Botschaft bei ihnen un Versöhnung ge- worben. Das Volk hatte zur Antwort seine Gesandten beschimpft1). Auf der Breslauer Tagung der Schlesier waren seine Vertreter ihres Lebens nicht sicher; der Rat mußte an ihrer Herberge Wachen stellen, um einen Bruch des Geleits zu verhüten. — Die Gemeine versicherte sich dessen, daß der Rat fest bliebe. Am 25. Juni schlossen, ähnlich wie einst im Huldigungskonflikt, Ratmannen, Schöffen, Kaufmaunschaft und „alle geswornen der ganczen gemeine“ ein feier- liches Sonderverbündnis, das jeden Bürger verpflichtete, für die Sache des Ganzen einzustehen: „das wir mit der hulfe des almechtigen gotes hern Girzik von Podiebrad vor einen kunig ader erbherren nymmermer haben noch ufnemen wellen in keynerley weize“2). — Der Rat war sicherlich anch ohne den Zwang dieser förmlichen Verpflichtung entschlossen, Podiebrad nicht anzuerkennen. Aber bis zum Sommer sah er noch immer keinen Weg, um etwas Positives für den Widerstand zu leisten. Er wirkte vorerst anch auf die schlesischen Bundes- genossen nicht ein; er verhielt sich abwartend wie sie und erfuhr um so größere Überraschungen. Georg zeigte sich bald allen seinen Gegnern überlegen. Das erste war, daß er der Kirche eine Rückkehr der Böhmen zum treu katholischen Glauben in Aussicht stellte. Der nenerwählte König von Ungarn, Matthias, dem Georg zur Herrschaft verholfen hatte, half jetzt ihm für die nächste Zeit die schwierige Grundfrage seiner Herrschaft zu lösen. Zwei ungarische Bischöfe krönten Georg am 6. Mai im Prager Wenzelsdom zum böhmischen Könige. In ihre Hände legte er heimlich das Gelöbnis ab, dem Papste Gehorsam zu Leisten, die Einheit der katholischen Kirche zu bewahren und sein Volk nach Krästen vom Irrglauben abzuwenden. Ob mit dem Irrglauben auch das 1) Esch. D I, 52; die Botschaft auch L 20. Daß L die Beschimpfung nicht erwähnt, entspricht der Tendenz dieser Abfassung, die die Gemeine nach Kräften schont. Vgl. unten 2) Cod. dipl. Sil. XI, 189. Anhang.
44 Die Zurlckhaltung des Bundes und die Ratlosigkeit der Stadt. Nationalgedanken und wünschte uichts Besseres, als daß Podiebrad mit der römischen Kirche ins Einvernehmen käme. — Im ganzen wollten die Schlesier Lediglich ihre Neutralität wahren, bis sich herausstellte, ob und von wem das Königtum Podiebrads mit Erfolg angefochten würde. Daß die Bundesmehrheit uur diesen Zweck verfolgte, keine positive Politik treiben wollte, trat sehr offen sichtlich hervor: der Bund hielt nach seiner Gründnng zwei Monate lang überhaupt keine Tagungen ab. Die Breslauer waren freilich ganz anders gesinnt. Für sie hatte der Widerspruch gegen die Erwählung Georgs nicht die Bedentung eines Vor- behalts, sondern die einer endgültigen Entscheidung. Georg hatte gleich nach seiner Erhebung in einer besonderen Botschaft bei ihnen un Versöhnung ge- worben. Das Volk hatte zur Antwort seine Gesandten beschimpft1). Auf der Breslauer Tagung der Schlesier waren seine Vertreter ihres Lebens nicht sicher; der Rat mußte an ihrer Herberge Wachen stellen, um einen Bruch des Geleits zu verhüten. — Die Gemeine versicherte sich dessen, daß der Rat fest bliebe. Am 25. Juni schlossen, ähnlich wie einst im Huldigungskonflikt, Ratmannen, Schöffen, Kaufmaunschaft und „alle geswornen der ganczen gemeine“ ein feier- liches Sonderverbündnis, das jeden Bürger verpflichtete, für die Sache des Ganzen einzustehen: „das wir mit der hulfe des almechtigen gotes hern Girzik von Podiebrad vor einen kunig ader erbherren nymmermer haben noch ufnemen wellen in keynerley weize“2). — Der Rat war sicherlich anch ohne den Zwang dieser förmlichen Verpflichtung entschlossen, Podiebrad nicht anzuerkennen. Aber bis zum Sommer sah er noch immer keinen Weg, um etwas Positives für den Widerstand zu leisten. Er wirkte vorerst anch auf die schlesischen Bundes- genossen nicht ein; er verhielt sich abwartend wie sie und erfuhr um so größere Überraschungen. Georg zeigte sich bald allen seinen Gegnern überlegen. Das erste war, daß er der Kirche eine Rückkehr der Böhmen zum treu katholischen Glauben in Aussicht stellte. Der nenerwählte König von Ungarn, Matthias, dem Georg zur Herrschaft verholfen hatte, half jetzt ihm für die nächste Zeit die schwierige Grundfrage seiner Herrschaft zu lösen. Zwei ungarische Bischöfe krönten Georg am 6. Mai im Prager Wenzelsdom zum böhmischen Könige. In ihre Hände legte er heimlich das Gelöbnis ab, dem Papste Gehorsam zu Leisten, die Einheit der katholischen Kirche zu bewahren und sein Volk nach Krästen vom Irrglauben abzuwenden. Ob mit dem Irrglauben auch das 1) Esch. D I, 52; die Botschaft auch L 20. Daß L die Beschimpfung nicht erwähnt, entspricht der Tendenz dieser Abfassung, die die Gemeine nach Kräften schont. Vgl. unten 2) Cod. dipl. Sil. XI, 189. Anhang.
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Annäherung Georgs an die Kirche. Spaltung des Bundes. 45 Kelchnertum gemeint war, blieb ungewiß. Sicherlich wollte sich Podiebrad auf diese Auffassung uicht festlegen; aber er wollte sie doch begünstigen: das zeigt die Geheimhaltung des Gelöbuisses. Der Krönungseid versicherte ihn für die nächste Zeit des Wohlwollens und Vertraneus der Kirche. Seine Nebenbuhler hatten von Rom keine Unterstützung zu gewärtigen. Im übrigen waren sie insgesamt Zauderer; Georg kounte die dentschen Städte Mährens, die sich mit Gewalt gegen seine Auerkennnng sträubten, erfolgreich bekämpfen, ehe er sich gegen einen Fürsten zu wenden hatte. Der schlesische Bund erfuhr durch diese ersten Erfolge Georgs eine be- deutende Erschütternng. In ihm traten schon bei seiner ersten Tagung, die er Ende Juni abhielt, lähmende Gegensätze hervor1). Die Stände von Schweidnitz-Janer, unter denen ja der Adel stets eine eigentümliche Hinneigung zu den Böhmen zeigte, wünschten, daß man in direkte diplomatische Beziehungen zu Georg eintrete; der Bischof, auch das Kapitel von Breslan, zeigten sich damit einverstanden. Die Stadt Breslau, unterstützt von den Herzögen von Glogan und von Sagan, hatte Mühe, die Annähernng zu verhindern. Aus drei weiteren Tagungen in Jnli und Angust schritt der Zwiespalt fort. Die Herzöge von Krossen-Glogan und Sagan, die Herzogin von Liegnitz und die Stadt Breslan woslten jetzt die Uneutschiedenheit um ein Geringes aus geben; sie traten dajür ein, daß man mit Wilhelm von Sachsen Verhandlungen anknüpjen solle. Ihnen aber stellte sich die andere Bundeshälfte geschlossen gegenüber: Bischof und Kapitel von Breslan, die Stände von Schweidnitz- Janer, die Herzöge von Teschen und Öls lehnten den Antrag ab. Sie wollten also unentschieden bleiben, aber unr dem Anschein nach. Ihr Widerspruch lag im Interesse Georgs, und sie schenten sich uicht, für ihu auf eigene Faust vor- zugehen: als er Ende Juli nach Glatz kam, besuchten sie ihn oder schickten ihm Gesandte. Die sächsische Partei unternahm keinen ähulichen selbständigen Schritt. Innerhalb ihrer war die Tätigkeit der Breslauer Abgeordueten jetzt etwas reger; sie setzten sich am meisten für Wilhelm von Sachsen ein. Aber den rechten Aufschwnng fauden sie auch jetzt noch nicht. Wenn der Bischof ihnen den geistlichen Fürwitz vorhielt, den sie gegen seine Autorität bewiesen, so schwiegen sie und blickten ergeben vor sich hin2). — Ihre Mitbürger daheim machten ihnen, wie es scheint, keine Vorwürfe über die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen. Aber audrerseits kounte sich der Rat durch all sein standhaftes Dulden uicht das Vertrauen des Volkes erwerben. Die Gemeine drang darauf daß das Bürgergelöbnis vom Juni zu größerer Bekräftigung in das Stadt 1) Berichte über die Tagungen vom Juni bis August 1458 bei Esch. L 27—29. 2) Esch. L 29.
Annäherung Georgs an die Kirche. Spaltung des Bundes. 45 Kelchnertum gemeint war, blieb ungewiß. Sicherlich wollte sich Podiebrad auf diese Auffassung uicht festlegen; aber er wollte sie doch begünstigen: das zeigt die Geheimhaltung des Gelöbuisses. Der Krönungseid versicherte ihn für die nächste Zeit des Wohlwollens und Vertraneus der Kirche. Seine Nebenbuhler hatten von Rom keine Unterstützung zu gewärtigen. Im übrigen waren sie insgesamt Zauderer; Georg kounte die dentschen Städte Mährens, die sich mit Gewalt gegen seine Auerkennnng sträubten, erfolgreich bekämpfen, ehe er sich gegen einen Fürsten zu wenden hatte. Der schlesische Bund erfuhr durch diese ersten Erfolge Georgs eine be- deutende Erschütternng. In ihm traten schon bei seiner ersten Tagung, die er Ende Juni abhielt, lähmende Gegensätze hervor1). Die Stände von Schweidnitz-Janer, unter denen ja der Adel stets eine eigentümliche Hinneigung zu den Böhmen zeigte, wünschten, daß man in direkte diplomatische Beziehungen zu Georg eintrete; der Bischof, auch das Kapitel von Breslan, zeigten sich damit einverstanden. Die Stadt Breslau, unterstützt von den Herzögen von Glogan und von Sagan, hatte Mühe, die Annähernng zu verhindern. Aus drei weiteren Tagungen in Jnli und Angust schritt der Zwiespalt fort. Die Herzöge von Krossen-Glogan und Sagan, die Herzogin von Liegnitz und die Stadt Breslan woslten jetzt die Uneutschiedenheit um ein Geringes aus geben; sie traten dajür ein, daß man mit Wilhelm von Sachsen Verhandlungen anknüpjen solle. Ihnen aber stellte sich die andere Bundeshälfte geschlossen gegenüber: Bischof und Kapitel von Breslan, die Stände von Schweidnitz- Janer, die Herzöge von Teschen und Öls lehnten den Antrag ab. Sie wollten also unentschieden bleiben, aber unr dem Anschein nach. Ihr Widerspruch lag im Interesse Georgs, und sie schenten sich uicht, für ihu auf eigene Faust vor- zugehen: als er Ende Juli nach Glatz kam, besuchten sie ihn oder schickten ihm Gesandte. Die sächsische Partei unternahm keinen ähulichen selbständigen Schritt. Innerhalb ihrer war die Tätigkeit der Breslauer Abgeordueten jetzt etwas reger; sie setzten sich am meisten für Wilhelm von Sachsen ein. Aber den rechten Aufschwnng fauden sie auch jetzt noch nicht. Wenn der Bischof ihnen den geistlichen Fürwitz vorhielt, den sie gegen seine Autorität bewiesen, so schwiegen sie und blickten ergeben vor sich hin2). — Ihre Mitbürger daheim machten ihnen, wie es scheint, keine Vorwürfe über die Erfolglosigkeit ihrer Bemühungen. Aber audrerseits kounte sich der Rat durch all sein standhaftes Dulden uicht das Vertrauen des Volkes erwerben. Die Gemeine drang darauf daß das Bürgergelöbnis vom Juni zu größerer Bekräftigung in das Stadt 1) Berichte über die Tagungen vom Juni bis August 1458 bei Esch. L 27—29. 2) Esch. L 29.
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46 Befestigung Georgs. Rückzug der Bundesmehrheit. buch eingetragen würde. Bei seiner Ernenerung wurde der Beschluß noch ver- schärst. Wer sich irgend der Pflicht gegen die Stadt eutzöge, sollte nicht mehr zu ihr gehören; wer vor der Entscheidung ohne Wissen des Rates die Stadt verließe, sollte niemals wiederkommen dürfen. Der Rat gab die Eintragung nur widerwillig zu: trotz seiner schlechten Erfahrungen im Schlesischen Bunde war es seinem Gewissen peiulich, durch den städtischen Sonderbeschluß seine Verpflichtung zum gemeinsamen Vorgehen mit dem Bunde zu verletzen 1). Um dieselbe Zeit, im September, errang Georg einen vollends erschreckenden Erfolg; ein Krieg gegen den Kaiser und die österreichischen Herzöge brachte ihm vollen Sieg. Nunmehr konnten seine böhmischen Vasallen die Schlesier vor eine Entscheidung stellen; sie richteten aus dem Felde an den Bund die dringliche Aufforderung, sich endlich zu unterwerfen. Am 25. September wurde zu Lüben ein Bundestag gehalten, un über eine Antwort auf diese Aufforderung zu beschließen. Der Bischof fehlte auf dieser Tagung. Er hatte sich kurz zu- vor nach Rom begeben, um beim päpstlichen Stuhle genauere Weisnng über sein Verhalten einzuholen2). Zwischen den übrigen Verbündeten kam es in Lüben zum Bruche. Die Herzöge von Krossen und Liegnitz fielen von Breslan ab und gingen zur Gegenpartei über, die jetzt die Mehrheit bildete. Die Bundesmehrheit gab in Voranssicht weiterer Erfolge Georgs den böhmischen Herren eine entgegenkommende Antwort. Man bat un weiteren Verzug; es seien ja immer noch Ansprecher auf die böhmische Krone vorhauden; auch werde man erst durch Bischof Jodocus die endgültige Steslnugnahme des Papstes erfahren. Die Schlesier köunten den von den Böhmen gewählten König uicht anerkennen, es sei denn, daß diese sie von jenen Ansprüchen befreiten und der Papst die Wahl Georgs guthieße. Die Schlesier gaben damit den Böhmen die Zusicherung, daß sie Podiebrad, in seinem Bemtühen sich durchzusetzen, nicht stören wollten und sich uur das Recht vorbehiesten, ihn als letzte an zuerkennen. Damit wurde der einstmalige Beschluß, uur einen rechtmäßig anerkannten König anzunehmen, scheinbar noch anfrecht erhalten, aber dem Sinne nach beträchtlich zugunsten Podiebrads abgeändert. Breslau und die Saganer Herzöge traten der Antwort uicht bei; sie ließen in einer gesonderten Erwidernng die böhmischen Herren wissen, daß sie bei ihrer ersten Erklärung vom April bleiben müßten5). Über die Breslauer kam uun stärkere Uurnhe und Entschlossenheit. Als anf dem Lübener September- tage das Drängen der böhmischen Herren zur Beratnng stand, hatten die Breslauer Abgesandten den hoffnungslosen Versuch gemacht, der Bundespolitik 1) Esch. D I, 68. 2) Vgl. Seppelt, Des Bischof Jodocus . .. Romfahrt usw. 3) Eſch. L 30 f. (oben S. 11, Anm.).
46 Befestigung Georgs. Rückzug der Bundesmehrheit. buch eingetragen würde. Bei seiner Ernenerung wurde der Beschluß noch ver- schärst. Wer sich irgend der Pflicht gegen die Stadt eutzöge, sollte nicht mehr zu ihr gehören; wer vor der Entscheidung ohne Wissen des Rates die Stadt verließe, sollte niemals wiederkommen dürfen. Der Rat gab die Eintragung nur widerwillig zu: trotz seiner schlechten Erfahrungen im Schlesischen Bunde war es seinem Gewissen peiulich, durch den städtischen Sonderbeschluß seine Verpflichtung zum gemeinsamen Vorgehen mit dem Bunde zu verletzen 1). Um dieselbe Zeit, im September, errang Georg einen vollends erschreckenden Erfolg; ein Krieg gegen den Kaiser und die österreichischen Herzöge brachte ihm vollen Sieg. Nunmehr konnten seine böhmischen Vasallen die Schlesier vor eine Entscheidung stellen; sie richteten aus dem Felde an den Bund die dringliche Aufforderung, sich endlich zu unterwerfen. Am 25. September wurde zu Lüben ein Bundestag gehalten, un über eine Antwort auf diese Aufforderung zu beschließen. Der Bischof fehlte auf dieser Tagung. Er hatte sich kurz zu- vor nach Rom begeben, um beim päpstlichen Stuhle genauere Weisnng über sein Verhalten einzuholen2). Zwischen den übrigen Verbündeten kam es in Lüben zum Bruche. Die Herzöge von Krossen und Liegnitz fielen von Breslan ab und gingen zur Gegenpartei über, die jetzt die Mehrheit bildete. Die Bundesmehrheit gab in Voranssicht weiterer Erfolge Georgs den böhmischen Herren eine entgegenkommende Antwort. Man bat un weiteren Verzug; es seien ja immer noch Ansprecher auf die böhmische Krone vorhauden; auch werde man erst durch Bischof Jodocus die endgültige Steslnugnahme des Papstes erfahren. Die Schlesier köunten den von den Böhmen gewählten König uicht anerkennen, es sei denn, daß diese sie von jenen Ansprüchen befreiten und der Papst die Wahl Georgs guthieße. Die Schlesier gaben damit den Böhmen die Zusicherung, daß sie Podiebrad, in seinem Bemtühen sich durchzusetzen, nicht stören wollten und sich uur das Recht vorbehiesten, ihn als letzte an zuerkennen. Damit wurde der einstmalige Beschluß, uur einen rechtmäßig anerkannten König anzunehmen, scheinbar noch anfrecht erhalten, aber dem Sinne nach beträchtlich zugunsten Podiebrads abgeändert. Breslau und die Saganer Herzöge traten der Antwort uicht bei; sie ließen in einer gesonderten Erwidernng die böhmischen Herren wissen, daß sie bei ihrer ersten Erklärung vom April bleiben müßten5). Über die Breslauer kam uun stärkere Uurnhe und Entschlossenheit. Als anf dem Lübener September- tage das Drängen der böhmischen Herren zur Beratnng stand, hatten die Breslauer Abgesandten den hoffnungslosen Versuch gemacht, der Bundespolitik 1) Esch. D I, 68. 2) Vgl. Seppelt, Des Bischof Jodocus . .. Romfahrt usw. 3) Eſch. L 30 f. (oben S. 11, Anm.).
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Die Breslauer gehen selbständig vor. Neue Aussichten Wilhelms von Sachsen. 47 eine völlig nene, offensive Richtung zu geben. Sie hatten beantragt, der Bund möge sich jetzt auf den gleichen Rechtsboden stellen wie die Böhmen; wie diese einen König erwählt hätten, so sollten auch die Schlesier tun. Gemeint war offenbar, daß der Bund Herzog Wilhelm die Krone anbieten solle. Der An- trag war mit Hohulachen abgewiesen worden; das Ergebnis der Tagung ließ den Breslanern keinen Zweifel darüber, daß sie uur noch durch selbständiges Handeln zum Ziele kommen könnten. Das versuchten sie nunmehr und gingen zum ersten Male auf eigene Hand diplomatisch vor. Sie baten alle Mächtigen, die irgend an der Krone ein Jnteresse hatten, um ihren Schutz: den Kaiser, die österreichischen Herzöge, die sächsischen Fürsten. Auch wurde im Rate vor geschlagen, man solle einen geeigneten Vertreter der Stadt beim Papste halten; man lehnte aber den Gedanken ab, weil der Papst uzu fern sei“ 1). Diese Außerung ist sehr charakteristisch für die Auffassung der Ratsherren von den Anfgaben der Stadt. Daß die Angelegenheit für die Kirche und den Papst hohe Bedentung besaß, fonnten sie uicht bezweifeln: sie war für sie selbst schon lange eine Sache des Glaubens. Aber die Absicht der Bürger ging damals noch uicht darauf, die Frage des Reiches mit der böhmischen Kirchenfrage zu verknüpfen. Jhr Problem war nur, wie sie einen plötzlichen böhmischen An- griff-hinderten und vielleicht anch schon zu einem anderen König kämen; nach diesem Gesichtspuukte allein wurden die nächsten Schritte erwogen. Sie zeitigten einen für den ersten Augenblick hoffnungsreichen Erfolg. Einer der angerufenen Fürsten zeigte sich zur Anknüpfung bereit; es war der eigentlich legitime Prätendent, Wilhelm von Sachsen, mit dem die Breslauer ja auch am liebsten unterhandelten. Er bat die Stadt, in ihrem Widerstande gegen Georg auszuharren und seine Rechte uicht zu vergessen. Die Breslauer suchten ihn ihrerseits festzuhalten und sandten am 7. November ihren Stadt schreiber Eschenloer zu ihm; diesem sagte der Herzog zu, daß er eine Zu- sammenkunft mit dem schlesischen Bunde nachsuchen wolle2). Der schlesische Bund hatte uun freisich vor wenig Wochen in seiner Antwort an die böhmischen Herren schon den Übergang zu Podiebrad ange bahnt. Aber es fügte sich, daß er eben um diese Zeit doch wieder anderen Sinnes wurde und gleichfalls eine Verbindung mit dem sächsischen Herzog anstrebte. Die böhmischen Herren, die für Podiebrad bei den Schlesiern wirkten, waren selbst schuld daran 3). Die Zugeständnisse, die in dem Schreiben vom Lübener Septembertage enthalten waren, genügten ihnen uicht. Ihre Antwort darauf war die drohende Erklärung, die Schlesier hätten kein Recht 1) Esch. D I, 71. 2) Esch. L 32, 33. 3) Vgl. Markgraf, Verhältnis usw. I, 9.
Die Breslauer gehen selbständig vor. Neue Aussichten Wilhelms von Sachsen. 47 eine völlig nene, offensive Richtung zu geben. Sie hatten beantragt, der Bund möge sich jetzt auf den gleichen Rechtsboden stellen wie die Böhmen; wie diese einen König erwählt hätten, so sollten auch die Schlesier tun. Gemeint war offenbar, daß der Bund Herzog Wilhelm die Krone anbieten solle. Der An- trag war mit Hohulachen abgewiesen worden; das Ergebnis der Tagung ließ den Breslanern keinen Zweifel darüber, daß sie uur noch durch selbständiges Handeln zum Ziele kommen könnten. Das versuchten sie nunmehr und gingen zum ersten Male auf eigene Hand diplomatisch vor. Sie baten alle Mächtigen, die irgend an der Krone ein Jnteresse hatten, um ihren Schutz: den Kaiser, die österreichischen Herzöge, die sächsischen Fürsten. Auch wurde im Rate vor geschlagen, man solle einen geeigneten Vertreter der Stadt beim Papste halten; man lehnte aber den Gedanken ab, weil der Papst uzu fern sei“ 1). Diese Außerung ist sehr charakteristisch für die Auffassung der Ratsherren von den Anfgaben der Stadt. Daß die Angelegenheit für die Kirche und den Papst hohe Bedentung besaß, fonnten sie uicht bezweifeln: sie war für sie selbst schon lange eine Sache des Glaubens. Aber die Absicht der Bürger ging damals noch uicht darauf, die Frage des Reiches mit der böhmischen Kirchenfrage zu verknüpfen. Jhr Problem war nur, wie sie einen plötzlichen böhmischen An- griff-hinderten und vielleicht anch schon zu einem anderen König kämen; nach diesem Gesichtspuukte allein wurden die nächsten Schritte erwogen. Sie zeitigten einen für den ersten Augenblick hoffnungsreichen Erfolg. Einer der angerufenen Fürsten zeigte sich zur Anknüpfung bereit; es war der eigentlich legitime Prätendent, Wilhelm von Sachsen, mit dem die Breslauer ja auch am liebsten unterhandelten. Er bat die Stadt, in ihrem Widerstande gegen Georg auszuharren und seine Rechte uicht zu vergessen. Die Breslauer suchten ihn ihrerseits festzuhalten und sandten am 7. November ihren Stadt schreiber Eschenloer zu ihm; diesem sagte der Herzog zu, daß er eine Zu- sammenkunft mit dem schlesischen Bunde nachsuchen wolle2). Der schlesische Bund hatte uun freisich vor wenig Wochen in seiner Antwort an die böhmischen Herren schon den Übergang zu Podiebrad ange bahnt. Aber es fügte sich, daß er eben um diese Zeit doch wieder anderen Sinnes wurde und gleichfalls eine Verbindung mit dem sächsischen Herzog anstrebte. Die böhmischen Herren, die für Podiebrad bei den Schlesiern wirkten, waren selbst schuld daran 3). Die Zugeständnisse, die in dem Schreiben vom Lübener Septembertage enthalten waren, genügten ihnen uicht. Ihre Antwort darauf war die drohende Erklärung, die Schlesier hätten kein Recht 1) Esch. D I, 71. 2) Esch. L 32, 33. 3) Vgl. Markgraf, Verhältnis usw. I, 9.
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48 Zerwürfnis zwischen dem Bunde und den böhntischen Herren. darauf, sich um fremde Ansprecher zu bekümnnern; ihr rechtmäßiger Herr sei der in Böhmen erwählte; an den sollten sie sich halten. Diese Erklärung trat der Ehre der schlesischen Fürsten doch zu nahe; sie führte sie in das Breslauer Lager und zur Annähernng an den sächsischen Herzog. Das Breslauer Domkapitel nahm an dieser Schwenkung teil. Bei ihm machte sich offenbar geltend, daß der Bischof abwesend war; es folgte jetzt dem Drucke der öffentlichen Meinung in der Stadt. Die Stände von Schweiduitz-Jauer verhielten sich ablehnend, und der Herzog von Teschen hatte sich bereits vom Bunde gelöst. Die übrigen Bundesmitglieder verabredeten mit Herzog Wilhelm auf den zweiten Fastensountag des nächsten Jahres eine Tagnng, auf der über das weitere Zusammengehen beschlossen werde sollte 1). Diese Verbindung ist uicht von langer Daner gewesen; aber sie ist für die weitere Entwicklung der Breslauer Politik bedeutsam geworden; von ihr ans hat die Stadt in diesem Streite erstmalig Beziehungen zur Kurie an- geknüpft und damit den Kampf gegen die Ketzer zum Hauptschlagwort ihrer Politik erhoben. Die Anregung zu dieser Erweiternng des Kampffeldes ging freilich nicht von ihr aus, sondern von ihren Verbündeten: diese bewiesen, so sehr sie der Stadt an Entschlossenheit nachstanden, doch einen größeren Weitblick. Wie wir wissen, hatte der Breslaner Rat noch vor kurzem Verhandlungen mit dem Papste für unzweckmäßig erachtet. Anch die anderen Schlesier hatten uicht daran gedacht, auj ihn bestimmend einzuwirken. Jetzt, nachdem die Angriffslust der neu vereinigten Schsesier gestiegen war, rechneten sie auch erstmalig mit der Möglichkeit, den staatsrechtlichen Kouflikt zum kirchlichen zu erweitern. Sie mahuten die böhmischen Herren, sie sollten Ruhe geben; soust werde der Bund bei der heiligen Christenheit und allen christlichen Fürsten und Herren Hilfe und Rat suchen, damit er bei seiner Ehre und bei der heiigen römischen Kirche bleiben könne2). Die böhmischen Herren verstanden den Erust der Drohung; sie antworteten, religiöse Bedenfen gegen Georg seien ganz un- zulässig; denn Georg habe denselben rechten Glauben wie die Schlesier: würden diese sich uicht jügen, so würden jetzt vielmehr die Böhmen beim Papste wie auch bei Kaiser und Kurfürsten über sie Beschwerde führen3). Damit wurde den Schlesiern der Entschluß, den Papst in den Kouflikt hineinzuziehen, sörn- lich aufgedrängt. Zudem schickte gerade jetzt mit Beginn des Jahres 1459 Georg seine Gesandten an die Kurie, die dem Papste seinen Gehorsam melden sollten; er wollte ein für allemal die Widerstände, denen er noch begegnete, 1) Esch. L 33 f. 2) Schreiben vom 6. Dez., Esch. L 34 f. 3) Schreiben vom 27. Dez., Esch. L 35 f.
48 Zerwürfnis zwischen dem Bunde und den böhntischen Herren. darauf, sich um fremde Ansprecher zu bekümnnern; ihr rechtmäßiger Herr sei der in Böhmen erwählte; an den sollten sie sich halten. Diese Erklärung trat der Ehre der schlesischen Fürsten doch zu nahe; sie führte sie in das Breslauer Lager und zur Annähernng an den sächsischen Herzog. Das Breslauer Domkapitel nahm an dieser Schwenkung teil. Bei ihm machte sich offenbar geltend, daß der Bischof abwesend war; es folgte jetzt dem Drucke der öffentlichen Meinung in der Stadt. Die Stände von Schweiduitz-Jauer verhielten sich ablehnend, und der Herzog von Teschen hatte sich bereits vom Bunde gelöst. Die übrigen Bundesmitglieder verabredeten mit Herzog Wilhelm auf den zweiten Fastensountag des nächsten Jahres eine Tagnng, auf der über das weitere Zusammengehen beschlossen werde sollte 1). Diese Verbindung ist uicht von langer Daner gewesen; aber sie ist für die weitere Entwicklung der Breslauer Politik bedeutsam geworden; von ihr ans hat die Stadt in diesem Streite erstmalig Beziehungen zur Kurie an- geknüpft und damit den Kampf gegen die Ketzer zum Hauptschlagwort ihrer Politik erhoben. Die Anregung zu dieser Erweiternng des Kampffeldes ging freilich nicht von ihr aus, sondern von ihren Verbündeten: diese bewiesen, so sehr sie der Stadt an Entschlossenheit nachstanden, doch einen größeren Weitblick. Wie wir wissen, hatte der Breslaner Rat noch vor kurzem Verhandlungen mit dem Papste für unzweckmäßig erachtet. Anch die anderen Schlesier hatten uicht daran gedacht, auj ihn bestimmend einzuwirken. Jetzt, nachdem die Angriffslust der neu vereinigten Schsesier gestiegen war, rechneten sie auch erstmalig mit der Möglichkeit, den staatsrechtlichen Kouflikt zum kirchlichen zu erweitern. Sie mahuten die böhmischen Herren, sie sollten Ruhe geben; soust werde der Bund bei der heiligen Christenheit und allen christlichen Fürsten und Herren Hilfe und Rat suchen, damit er bei seiner Ehre und bei der heiigen römischen Kirche bleiben könne2). Die böhmischen Herren verstanden den Erust der Drohung; sie antworteten, religiöse Bedenfen gegen Georg seien ganz un- zulässig; denn Georg habe denselben rechten Glauben wie die Schlesier: würden diese sich uicht jügen, so würden jetzt vielmehr die Böhmen beim Papste wie auch bei Kaiser und Kurfürsten über sie Beschwerde führen3). Damit wurde den Schlesiern der Entschluß, den Papst in den Kouflikt hineinzuziehen, sörn- lich aufgedrängt. Zudem schickte gerade jetzt mit Beginn des Jahres 1459 Georg seine Gesandten an die Kurie, die dem Papste seinen Gehorsam melden sollten; er wollte ein für allemal die Widerstände, denen er noch begegnete, 1) Esch. L 33 f. 2) Schreiben vom 6. Dez., Esch. L 34 f. 3) Schreiben vom 27. Dez., Esch. L 35 f.
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Hilferuf des Bundes an den Papst. Erneuerter Einfluß Tempelfelds. 49 des religiösen Rechtsgrundes berauben. Am 26. Jannar tat der schlesische Bund den Gegenzug; von einer Tagnng aus, die, wie die meisten Bundes versammilungen, in Lüben stattfand, entsandte er seinerseits Bevollmächtigte nach Rom: den Domherrn Wartenberg und den Ritter Unruhe. Sie sollten dem Papste die Obedienz der Bundesmitglieder entgegenbringen; außerdem aber brachten sie eine Klagschrift mit, die den Papst bat, die Thronfolgefrage und den Streit der Schlesier mit den böhmischen Herren an sich zu ziehen. Die Klagschrift macht dem Papst hierüber sehr genaue Vorschläge: er möge die Wahl Georgs für ungültig erklären, er möge aussprechen, daß die Bundesmitglieder ihm zu keinerlei Gehorsam verpflichtet, und daß die Angriffe, die die böhmischen Herren dieserhalb gegen sie richteten, rechtswidrig seien; endlich und vor allem aber möge der Papst die Schlesier gegen Georg ansdrücklich in seinen Schutz nehmen 1). Die Klagschrift betont, daß die Schlesier immer in der Bekämpfung der Ketzer das beste geleistet hätten, daß andererseits Böhmen seit Jahrzehnten tief in Ketzerei versunken und Podiebrad selbst des Irrglaubens höchst ver- dächtig sei. Rein politische Erwägungen trieben, wie zu erkennen war, die Mehrheit der schlesischen Verbündeten dazu an, sich so plötzlich nach dreiviertel- jähriger Geduld anf ihre Gewissensnot zu besiunen. Aber indem der schlesische Bund jetzt einen Halt an der Kirche suchte, näherte er sich notwendig auch der Partei, die von Anfang an den Kampf gegen Podiebrad als einen Kamps für die Kirche hatte führen wollen: die Breslauer Prediger, Tempelfeld und die Seinen, verstärkten ihre Macht. Der Breslauer Rat hatte ihnen seit dem Ende des Huldigungskonflikts den Einfluß auf seine Handlungen verwehrt. Ihnen war innerhalb der Stadt nur die Agitation bei der Menge verblieben. Hier konnten sie die Gesinnungen befestigen, aber nicht tiefer anf die politische Eutwicklung einwirken. Tempelfeld hatte sich jedoch im Laufe des Jahres bereits ein weiteres Kampffeld ausgesucht; er hatte eine literarische Agitation gegen die Böhmen eingeleitet. Von ihm sind aus dieser Zeit drei Traktate gegen die Anerkennung Podiebrads erhalten2). Die ansführlichste dieser Schriften war offenbar für eine weite Verbreitung innerhalb der Kirche bestimmt; sie trug alles erdenkliche Material zusammen, um die hartuäckige Ketzerei der Böhmen, das Ketzertum und die Verbrechen Podiebrads und die Rechtswidrigkeit des Verfahrens, in dem er zum Könige erhoben worden war, zu erweisen 3). Eine andere Schrift Tempelfelds stand in engerer Beziehung zu 1) Korr. 19; Script. rer. Siles. VIII, 16. — Dazu Nr. 15, S. 12. 2) Loserth. Arch. f. österr. Gesch. 61, S. 89 ff., bes. S. 122. 3) Übersicht und Auszüge bei Loserth a. a. O. S. 96—115, 133—187. Die Autorschaft T.’s an dem anonym überlieferten Trakiat wird von Loserth, S. 117—119, erwiesen. Darstetlungen und Dueslen XXII.
Hilferuf des Bundes an den Papst. Erneuerter Einfluß Tempelfelds. 49 des religiösen Rechtsgrundes berauben. Am 26. Jannar tat der schlesische Bund den Gegenzug; von einer Tagnng aus, die, wie die meisten Bundes versammilungen, in Lüben stattfand, entsandte er seinerseits Bevollmächtigte nach Rom: den Domherrn Wartenberg und den Ritter Unruhe. Sie sollten dem Papste die Obedienz der Bundesmitglieder entgegenbringen; außerdem aber brachten sie eine Klagschrift mit, die den Papst bat, die Thronfolgefrage und den Streit der Schlesier mit den böhmischen Herren an sich zu ziehen. Die Klagschrift macht dem Papst hierüber sehr genaue Vorschläge: er möge die Wahl Georgs für ungültig erklären, er möge aussprechen, daß die Bundesmitglieder ihm zu keinerlei Gehorsam verpflichtet, und daß die Angriffe, die die böhmischen Herren dieserhalb gegen sie richteten, rechtswidrig seien; endlich und vor allem aber möge der Papst die Schlesier gegen Georg ansdrücklich in seinen Schutz nehmen 1). Die Klagschrift betont, daß die Schlesier immer in der Bekämpfung der Ketzer das beste geleistet hätten, daß andererseits Böhmen seit Jahrzehnten tief in Ketzerei versunken und Podiebrad selbst des Irrglaubens höchst ver- dächtig sei. Rein politische Erwägungen trieben, wie zu erkennen war, die Mehrheit der schlesischen Verbündeten dazu an, sich so plötzlich nach dreiviertel- jähriger Geduld anf ihre Gewissensnot zu besiunen. Aber indem der schlesische Bund jetzt einen Halt an der Kirche suchte, näherte er sich notwendig auch der Partei, die von Anfang an den Kampf gegen Podiebrad als einen Kamps für die Kirche hatte führen wollen: die Breslauer Prediger, Tempelfeld und die Seinen, verstärkten ihre Macht. Der Breslauer Rat hatte ihnen seit dem Ende des Huldigungskonflikts den Einfluß auf seine Handlungen verwehrt. Ihnen war innerhalb der Stadt nur die Agitation bei der Menge verblieben. Hier konnten sie die Gesinnungen befestigen, aber nicht tiefer anf die politische Eutwicklung einwirken. Tempelfeld hatte sich jedoch im Laufe des Jahres bereits ein weiteres Kampffeld ausgesucht; er hatte eine literarische Agitation gegen die Böhmen eingeleitet. Von ihm sind aus dieser Zeit drei Traktate gegen die Anerkennung Podiebrads erhalten2). Die ansführlichste dieser Schriften war offenbar für eine weite Verbreitung innerhalb der Kirche bestimmt; sie trug alles erdenkliche Material zusammen, um die hartuäckige Ketzerei der Böhmen, das Ketzertum und die Verbrechen Podiebrads und die Rechtswidrigkeit des Verfahrens, in dem er zum Könige erhoben worden war, zu erweisen 3). Eine andere Schrift Tempelfelds stand in engerer Beziehung zu 1) Korr. 19; Script. rer. Siles. VIII, 16. — Dazu Nr. 15, S. 12. 2) Loserth. Arch. f. österr. Gesch. 61, S. 89 ff., bes. S. 122. 3) Übersicht und Auszüge bei Loserth a. a. O. S. 96—115, 133—187. Die Autorschaft T.’s an dem anonym überlieferten Trakiat wird von Loserth, S. 117—119, erwiesen. Darstetlungen und Dueslen XXII.
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50 der besonderen Lage der Schlesier 1). Sie legte den Hauptwert anf den Be- weis der These, „daß es den rechtgläubigen Christen uicht erlaubt ist, den Häretikern zu huldigen oder ihren Geboten zu gehorchen" 2). Bei der Abjassung dieses Traktats stand Tempelfeld bereits in enger Verbindung mit dem schlesi¬ schen Bunde. Er kämpft hier ausdrücklich gegen das Drängen der böhmischen Barone; nach seiner Angabe hat er die Schrift sogar auf das Ersuchen schlesischer Fürsten und Geistlicher verfaßt, um ihnen gegen die Baroue zu helfen3). Er erwähnt nichts davon, daß anch die Stadt Breslau ein Gutachten vom ihm erbeten hätte. Und sein Stillschweigen weist dentlich auf das Mißstranen hin, das der Rat seinen geistlichen Nebenbuhlern immer noch entgegenbrachte. Diesem Übelwollen zum Trotz setzte Tempelfeld nun auch durch, daß er auf die Aktion bei der Kurie Einfluß erhielt. Stil und Inhalt der Eingabe des Bundes vom Jannar zeigen, daß Tempelfeld oder einer seiner Gesinnungsgenossen das Hilfsgesuch verfaßt hat4). Freilich, wenn der schlesische Bund durch den Mund seiner Gesandten Der Anteil Tempelfelds an der neuen Ausrichtung der Bundespolitik. 1) Veröffentlicht von Jordan, S. 372 ff. — Das Datum „1459 dic visit. Mariae“, das Jordan in der Leipziger Hdschr. gefunden hat, führt, wie schon die Einleitungsworte (siehe übernächste Anm.) zeigen, in die Irre. Es ist uicht gerade wahrscheinlich, daß Temp. das kleine Werk erst Anfang Inli 1459 abgeschlofsen haben sollte — zu einer Zeit, wo der 2) S. 377. schlestsche Bund, auf den die Einleitung Bezug nimut, uicht mehr bestand. 3) S. 372: Requisitus a quibusdam illustribus principibus, ecclesiarum rectoribus ac divini verbi praedicatoribus etc. ... Materia difficultatis . . . consistit in hiis quod ... requiruntur inportune illustres principes et barones, milites, nobiles, vasalli, civitates et communitates Slesiae ab aliquibus de Bohemia, quatenus ... Georgium 4) Nachgewiesen von Loserth, S. 116. — Bezeichnend de Podiebrat assumere debeant. ist auch, daß die Stadtschreiber auf diese Eingabe und die späteren vom Frühiahr und Sommer 1459 (vgl. den nächsten Abschnitt) bei der rückschanenden Würdigung der Ereignisse nur wenig Gewicht gelegt haben. Eschenloer erwähnt im erzähleuden Texte der lateinischen Darstellung die Gesandtschaft vom Januar und die folgende Korrespondenz mit dem Papste nur beisäufig und schreibt diesen Aktionen keinerlei Einfluß zu (L 41); an einer späteren Stelle rückt er zwar die ganze Korrespondenz ein (vgl. L 63), aber so, daß ihre geschichtlichen Z: sammen- hänge ganz undeutlich bleiben. Im deutschen Texte hört man von der Gesandtschaft so gut wie nichts (vgl. die Erwähnung D I 79, die ohne L völlig unverständlich bleibt) und von den Briesen der Breslauer an den Papst überhaupt nichts. — Im August 1462 nach dem Laurentiustage, auf dem Georg dem Papste offen den Gehorsam verweigerte, erinnerten die Breslauer Ratsherren (bzw. die Stadtschreiber) den Papst daran, daß sie immer schon die böse Meinung von Georg gehabt hätten, deren Richtigkeit ietzt offenbar werde; sie verwiesen dabei wohl auf die Denkschrift, die die Stadtschreiber im November 1459 den Legaten ein gehändigt hatten (vgl. unten S. 72), nicht aber auf jene voransgehenden Bittschreiben, die doch an den Papst direkt gerichtet gewesen waren (Korr. 105 A, Script. rer. Siles. VIII, 126). Diese Vernachlässigung der inhaltlich höchst ausführlichen und geschichtlich einflnßreichen Korre- spondenz versteht sich leicht, wenn wir die Art ihrer Entstehung im Auge behalten. Diese Schriftstüicke waren nicht das geistige Eigentum der Stadtschreiber, sondern Tempelfelds; für die Stadtschreiber war es immer eine unerfrenliche Erinnerung, wie sie bei dieser Korrespondenz ausgeschaltet gewesen waren: darum sprachen sie später möglichst wenig von ihr.
50 der besonderen Lage der Schlesier 1). Sie legte den Hauptwert anf den Be- weis der These, „daß es den rechtgläubigen Christen uicht erlaubt ist, den Häretikern zu huldigen oder ihren Geboten zu gehorchen" 2). Bei der Abjassung dieses Traktats stand Tempelfeld bereits in enger Verbindung mit dem schlesi¬ schen Bunde. Er kämpft hier ausdrücklich gegen das Drängen der böhmischen Barone; nach seiner Angabe hat er die Schrift sogar auf das Ersuchen schlesischer Fürsten und Geistlicher verfaßt, um ihnen gegen die Baroue zu helfen3). Er erwähnt nichts davon, daß anch die Stadt Breslau ein Gutachten vom ihm erbeten hätte. Und sein Stillschweigen weist dentlich auf das Mißstranen hin, das der Rat seinen geistlichen Nebenbuhlern immer noch entgegenbrachte. Diesem Übelwollen zum Trotz setzte Tempelfeld nun auch durch, daß er auf die Aktion bei der Kurie Einfluß erhielt. Stil und Inhalt der Eingabe des Bundes vom Jannar zeigen, daß Tempelfeld oder einer seiner Gesinnungsgenossen das Hilfsgesuch verfaßt hat4). Freilich, wenn der schlesische Bund durch den Mund seiner Gesandten Der Anteil Tempelfelds an der neuen Ausrichtung der Bundespolitik. 1) Veröffentlicht von Jordan, S. 372 ff. — Das Datum „1459 dic visit. Mariae“, das Jordan in der Leipziger Hdschr. gefunden hat, führt, wie schon die Einleitungsworte (siehe übernächste Anm.) zeigen, in die Irre. Es ist uicht gerade wahrscheinlich, daß Temp. das kleine Werk erst Anfang Inli 1459 abgeschlofsen haben sollte — zu einer Zeit, wo der 2) S. 377. schlestsche Bund, auf den die Einleitung Bezug nimut, uicht mehr bestand. 3) S. 372: Requisitus a quibusdam illustribus principibus, ecclesiarum rectoribus ac divini verbi praedicatoribus etc. ... Materia difficultatis . . . consistit in hiis quod ... requiruntur inportune illustres principes et barones, milites, nobiles, vasalli, civitates et communitates Slesiae ab aliquibus de Bohemia, quatenus ... Georgium 4) Nachgewiesen von Loserth, S. 116. — Bezeichnend de Podiebrat assumere debeant. ist auch, daß die Stadtschreiber auf diese Eingabe und die späteren vom Frühiahr und Sommer 1459 (vgl. den nächsten Abschnitt) bei der rückschanenden Würdigung der Ereignisse nur wenig Gewicht gelegt haben. Eschenloer erwähnt im erzähleuden Texte der lateinischen Darstellung die Gesandtschaft vom Januar und die folgende Korrespondenz mit dem Papste nur beisäufig und schreibt diesen Aktionen keinerlei Einfluß zu (L 41); an einer späteren Stelle rückt er zwar die ganze Korrespondenz ein (vgl. L 63), aber so, daß ihre geschichtlichen Z: sammen- hänge ganz undeutlich bleiben. Im deutschen Texte hört man von der Gesandtschaft so gut wie nichts (vgl. die Erwähnung D I 79, die ohne L völlig unverständlich bleibt) und von den Briesen der Breslauer an den Papst überhaupt nichts. — Im August 1462 nach dem Laurentiustage, auf dem Georg dem Papste offen den Gehorsam verweigerte, erinnerten die Breslauer Ratsherren (bzw. die Stadtschreiber) den Papst daran, daß sie immer schon die böse Meinung von Georg gehabt hätten, deren Richtigkeit ietzt offenbar werde; sie verwiesen dabei wohl auf die Denkschrift, die die Stadtschreiber im November 1459 den Legaten ein gehändigt hatten (vgl. unten S. 72), nicht aber auf jene voransgehenden Bittschreiben, die doch an den Papst direkt gerichtet gewesen waren (Korr. 105 A, Script. rer. Siles. VIII, 126). Diese Vernachlässigung der inhaltlich höchst ausführlichen und geschichtlich einflnßreichen Korre- spondenz versteht sich leicht, wenn wir die Art ihrer Entstehung im Auge behalten. Diese Schriftstüicke waren nicht das geistige Eigentum der Stadtschreiber, sondern Tempelfelds; für die Stadtschreiber war es immer eine unerfrenliche Erinnerung, wie sie bei dieser Korrespondenz ausgeschaltet gewesen waren: darum sprachen sie später möglichst wenig von ihr.
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Die Schlesier zerfallen mit Herzog Wilhelm. 51 in die Sprache der unversöhnlichsten Gegner Podiebrads einstimmte, so ging doch die große Mehrzahl seiner Mitglieder uicht zu ihrer Gesinnung über. Die Fürsten hofften lediglich durch ihre Anknüpfung mit dem sächsischen Herzog und mit dem Papste ein politisches System aufgerichtet zn haben, das ihnen eine beschämende Nachgiebigkeit gegenüber den böhmischen Zumutungen ersparte. Als dieses System aber zusammenstürzte, waren sie bereit, ihre religiösen Be- denken auf ein Mindestmaß zu beschränken. Und das System ließ sich nicht lange halten. Herzog Wilhelms Kandidatur war, als Kandidatur für das böhmische Gesantreich gedacht, gegenwärtig aussichtslos. Die tschechischen Landesteile, also die Hauptmasse der Bevölkerung Böhmens und Mährens standen tren zu Georg; die deutschen Städte in diesen Ländern hatte er sich gewaltsam unterworfen. Die Lausitzer hatten ihn zwar noch uicht anerkaunt; aber die oberlansitzischen Sechsstädte zeigten unverhohlen, daß Georgs Herrschaft ihnen immer noch lieber wäre als die eines Wettiners 1). Endlich hatte Wilhelm bei den anderen deutschen Reichsfürsten uicht den Rückhalt, der ihn zu einem entschiedenen Angriff auf Georg hätte ermutigen können2). Der Herzog wußte wohl, wie schlecht seine Sache stand. Er ließ sich, noch ehe er mit den Schlesiern getagt hatte, auf Unterhandlungen mit ihrem Geguer ein: er durfte auf Gebietsentschädigungen hoffen, die ihn für den Verlust der unsicheren Anwartschaft entschädigen konnten. — Gleichwohl hielt er dann am 18. Februar die verabredete Kottbuser Tagung mit den Schlesiern inne und machte dem Bunde ein klares Angebot. Die Schlesier sollten ihn schlecht- weg als ihren Herru anerkennen; wollten sie das tun, so versprach er ihnen seinen und seiner Bundesgenossen Beistand gegen Georg. Mit der Annahme dieses Vorschlags hätten die Schlesier endgültig die Grundlage ihres Wider- standes, die Forderung einer „Erkenntnis an gebührenden Stätten“ aufgegeben. Sie verwiesen anf diesen Punkt und erklärten einstimmig, bei ihrer ersten Erklärnng bleiben zu müssen; uur ein vorläufiges Bünduis mit Wilhelm sei ihnen möglich3). Der Herzog hat sich über diese Antwort sehr entrüstet und hat geänßert, daß es völlig unklar sei, wie sich die Schlesier die rechtmäßige „Erkenntnis“ über die Krone dächten 4). Dieser Einwand des Herzogs war uicht unberechtigt; aber da ein ernster Wille, mit Georg um die Krone zu kämpfen, bei ihm uicht zu erkennen war, da es schien, als wolle er die Freundschaft der Schlesier uur diplomatisch gegen Georg ausnützen, so war auch die Weigerung der Schlesier wohlbegründet. Die Breslauer waren in diesem Punkte mit den übrigen Schlesiern völlig einig 5) so deutlich es auch war, 1) Esch. L 35. 2) Bachmann II, 496. 3) Esch. L 36. 4) Esch. L 44. 5) Bgl. Eschenloers durchaus zustimmende Darstellung L 36; D I, 73. 4*
Die Schlesier zerfallen mit Herzog Wilhelm. 51 in die Sprache der unversöhnlichsten Gegner Podiebrads einstimmte, so ging doch die große Mehrzahl seiner Mitglieder uicht zu ihrer Gesinnung über. Die Fürsten hofften lediglich durch ihre Anknüpfung mit dem sächsischen Herzog und mit dem Papste ein politisches System aufgerichtet zn haben, das ihnen eine beschämende Nachgiebigkeit gegenüber den böhmischen Zumutungen ersparte. Als dieses System aber zusammenstürzte, waren sie bereit, ihre religiösen Be- denken auf ein Mindestmaß zu beschränken. Und das System ließ sich nicht lange halten. Herzog Wilhelms Kandidatur war, als Kandidatur für das böhmische Gesantreich gedacht, gegenwärtig aussichtslos. Die tschechischen Landesteile, also die Hauptmasse der Bevölkerung Böhmens und Mährens standen tren zu Georg; die deutschen Städte in diesen Ländern hatte er sich gewaltsam unterworfen. Die Lausitzer hatten ihn zwar noch uicht anerkaunt; aber die oberlansitzischen Sechsstädte zeigten unverhohlen, daß Georgs Herrschaft ihnen immer noch lieber wäre als die eines Wettiners 1). Endlich hatte Wilhelm bei den anderen deutschen Reichsfürsten uicht den Rückhalt, der ihn zu einem entschiedenen Angriff auf Georg hätte ermutigen können2). Der Herzog wußte wohl, wie schlecht seine Sache stand. Er ließ sich, noch ehe er mit den Schlesiern getagt hatte, auf Unterhandlungen mit ihrem Geguer ein: er durfte auf Gebietsentschädigungen hoffen, die ihn für den Verlust der unsicheren Anwartschaft entschädigen konnten. — Gleichwohl hielt er dann am 18. Februar die verabredete Kottbuser Tagung mit den Schlesiern inne und machte dem Bunde ein klares Angebot. Die Schlesier sollten ihn schlecht- weg als ihren Herru anerkennen; wollten sie das tun, so versprach er ihnen seinen und seiner Bundesgenossen Beistand gegen Georg. Mit der Annahme dieses Vorschlags hätten die Schlesier endgültig die Grundlage ihres Wider- standes, die Forderung einer „Erkenntnis an gebührenden Stätten“ aufgegeben. Sie verwiesen anf diesen Punkt und erklärten einstimmig, bei ihrer ersten Erklärnng bleiben zu müssen; uur ein vorläufiges Bünduis mit Wilhelm sei ihnen möglich3). Der Herzog hat sich über diese Antwort sehr entrüstet und hat geänßert, daß es völlig unklar sei, wie sich die Schlesier die rechtmäßige „Erkenntnis“ über die Krone dächten 4). Dieser Einwand des Herzogs war uicht unberechtigt; aber da ein ernster Wille, mit Georg um die Krone zu kämpfen, bei ihm uicht zu erkennen war, da es schien, als wolle er die Freundschaft der Schlesier uur diplomatisch gegen Georg ausnützen, so war auch die Weigerung der Schlesier wohlbegründet. Die Breslauer waren in diesem Punkte mit den übrigen Schlesiern völlig einig 5) so deutlich es auch war, 1) Esch. L 35. 2) Bachmann II, 496. 3) Esch. L 36. 4) Esch. L 44. 5) Bgl. Eschenloers durchaus zustimmende Darstellung L 36; D I, 73. 4*
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52 Der Papst ist bereits auf Georgs Seite getreten. daß die Absage an die Forderung des Herzogs ihrem Feinde Podiebrad einen Vorteil gab. So ging der Tag zu Kottbus ergebuislos auseinander. Es wurde zwar von beiden Parteien ein Vertragsentwurf vereinbart; aber das geschah uur der Form halber, um uicht alle Beziehungen abzubrechen; beiderseits wußte man sich ungebunden und ungesichert1). Der Adel von Schweiduitz-Jauer und der Herzog Konrad der Weiße von Öts waren schon geneigt, sich Podiebrad zu ergeben. Aber selbst im Breslauer Klerns bestand zur großen Erbitterung des Volkes eine Partei für eine solche Schwenkung. Von Böhmen her wurden die Bundesmitglieder dauernd beunruhigt. Die Adelsherren sandten neue und stärkere Verwarnungen, als sie von den Verhandlungen mit Wilhelm hörten. Dem Weißen Herzog von Öts ließ Georg mitteilen, sein Fürstentum sei nach Lehnrecht der Krone verfallen. Der Herzogin von Liegnitz wurde mit der Erneuerung des alten Prozesses um die Stadt Lieguitz gedroht; von den patri- zischen Anhängern der böhmischen Sache, die einst unter Ladislaus vertrieben worden waren, kehrten mehrere zurück und wirkten anfs nene für den Abfall vom Herzogshause. Die einzige Macht, die noch eine Lösung aus den Schwierigkeiten der Schlesier bringen konnte, war die Kurie. Aber zur Zeit, als der Bund sich an diese oberste Instauz gewandt hatte, hatte sie sich bereits gegen ihn aus- gesprochen. Die Schritte, die Podiebrad gleich im Beginn seiner Regierung für die Herstellung eines guten Einvernehmens mit der Kirche unternommen hatte, waren erfolgreich gewesen: man setzte an der Kurie das beste Vertrauen in seinen Willen, die kirchliche Einheit in Böhmen wieder herzustellen. Vor allem aber hatte Georg schon seit Jahren das gauze Wohlwollen des Kardinals Piccolomini, und dieser hatte im August als Pins II. die päpstliche Würde empfangen. Er begann soeben sein Pontifikat mit der Einleitnng eines großen europäischen Unternehmens zur Befreinng Konstantinopels; bei dieser Gelegenheit wollte er Georg gleichzeitig an sich ziehen und der Kirche verpflichten. Mit den anderen enropäischen Fürsten wurde Georg als „geliebter Sohn“ und „christlicher König“ von Pius zu dem glänzenden Kriegsrat, den er in Mantua zu halten gedachte, eingeladen. 1) Esch. L 36 faßt das Ergebnis der Kottbuser Tagung zusamen in den Worten ,re infecta dissoluta est convencio“. Roficz (Script. rer. Siles XII, 74) bertchtet dagegen, der Herzog von Sachsen habe zu Kottbus mit den Schlesiern gegen Georg ein Bünduis auf vier Jahre geschlossen; nur die endgültige Unterzeichuung sei auf den 2. Mai verschoben worden. Beide Nachrichten sind richtig, obwohl sie sich zu widersprechen scheinen. Den wahren, rein formellen Charakter der Vereinbarung kärt der Brief auf, den später (16. Mai) Herzog Wilhelm zu seiner Entlastung an die Amtleute und Näte von Weißenfels und Freiburg schreibt (L 44).
52 Der Papst ist bereits auf Georgs Seite getreten. daß die Absage an die Forderung des Herzogs ihrem Feinde Podiebrad einen Vorteil gab. So ging der Tag zu Kottbus ergebuislos auseinander. Es wurde zwar von beiden Parteien ein Vertragsentwurf vereinbart; aber das geschah uur der Form halber, um uicht alle Beziehungen abzubrechen; beiderseits wußte man sich ungebunden und ungesichert1). Der Adel von Schweiduitz-Jauer und der Herzog Konrad der Weiße von Öts waren schon geneigt, sich Podiebrad zu ergeben. Aber selbst im Breslauer Klerns bestand zur großen Erbitterung des Volkes eine Partei für eine solche Schwenkung. Von Böhmen her wurden die Bundesmitglieder dauernd beunruhigt. Die Adelsherren sandten neue und stärkere Verwarnungen, als sie von den Verhandlungen mit Wilhelm hörten. Dem Weißen Herzog von Öts ließ Georg mitteilen, sein Fürstentum sei nach Lehnrecht der Krone verfallen. Der Herzogin von Liegnitz wurde mit der Erneuerung des alten Prozesses um die Stadt Lieguitz gedroht; von den patri- zischen Anhängern der böhmischen Sache, die einst unter Ladislaus vertrieben worden waren, kehrten mehrere zurück und wirkten anfs nene für den Abfall vom Herzogshause. Die einzige Macht, die noch eine Lösung aus den Schwierigkeiten der Schlesier bringen konnte, war die Kurie. Aber zur Zeit, als der Bund sich an diese oberste Instauz gewandt hatte, hatte sie sich bereits gegen ihn aus- gesprochen. Die Schritte, die Podiebrad gleich im Beginn seiner Regierung für die Herstellung eines guten Einvernehmens mit der Kirche unternommen hatte, waren erfolgreich gewesen: man setzte an der Kurie das beste Vertrauen in seinen Willen, die kirchliche Einheit in Böhmen wieder herzustellen. Vor allem aber hatte Georg schon seit Jahren das gauze Wohlwollen des Kardinals Piccolomini, und dieser hatte im August als Pins II. die päpstliche Würde empfangen. Er begann soeben sein Pontifikat mit der Einleitnng eines großen europäischen Unternehmens zur Befreinng Konstantinopels; bei dieser Gelegenheit wollte er Georg gleichzeitig an sich ziehen und der Kirche verpflichten. Mit den anderen enropäischen Fürsten wurde Georg als „geliebter Sohn“ und „christlicher König“ von Pius zu dem glänzenden Kriegsrat, den er in Mantua zu halten gedachte, eingeladen. 1) Esch. L 36 faßt das Ergebnis der Kottbuser Tagung zusamen in den Worten ,re infecta dissoluta est convencio“. Roficz (Script. rer. Siles XII, 74) bertchtet dagegen, der Herzog von Sachsen habe zu Kottbus mit den Schlesiern gegen Georg ein Bünduis auf vier Jahre geschlossen; nur die endgültige Unterzeichuung sei auf den 2. Mai verschoben worden. Beide Nachrichten sind richtig, obwohl sie sich zu widersprechen scheinen. Den wahren, rein formellen Charakter der Vereinbarung kärt der Brief auf, den später (16. Mai) Herzog Wilhelm zu seiner Entlastung an die Amtleute und Näte von Weißenfels und Freiburg schreibt (L 44).
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Wilhelms Rücktritt von der Kandidatur. Auflösung des schlesischen Bundes. 53 Dieser Brief war für Georg das beste Mittel, um die Schlesier vollends mürbe zu machen. Mitte März ließ er ihn in Schlesien veröffentlichen 1). Er erreichte seinen Zweck; die huldvolle Behandlung, die der Papst dem Hussiten könig zuwandte, entmutigte von uenem fast alle, die nach dem Scheitern des Bündnisses mit Wilhelm von Sachsen uoch einigen Willen zum Widerstande gehabt hatten. Wenn der Papst Georg schon so hoch ansgezeichnet hatte, so war uicht zu erwarten, daß er seine Wahl jetzt wieder für nichtig erklären würde. Man wagte uicht mehr, den Bescheid auf das Hilfsgesuch vom Januar abzuwarten; man suchte wieder, wie im vergangenen Herbst, die Formel für eine ehrenvolle Übergabe. Inzwischen knüpste auch Wilhelm von Sachsen mit Georg neue Verhandlungen an; den Schlesiern kamen hierüber Gerüchte zu, die sie vollends davon überzengen mußten, daß ieder Widerstand verlorene Mühe war2). Nach mehrfachen Beratungen schrieben am 21. April die Herzöge von Glogan und Sagan und die Herzogin von Liegnitz den böhmischen Herren: da der Papst Podiebrad auf den Tag von Mantua beschieden habe, so bitte man, die Entscheidung über die Anerkennung Georgs bis dahin anstehen zu lassen; der Papst werde ja dort zu erkennen geben, wie Land und Städte sich zu dem Erwählten zu stellen hätten. Die Stände von Schweidnitz-Janer und der Weißze Herzog von Öls richteten die gleiche Bitte an Georg selbst und redeten ihn dabei in Demut mit dem Königstitel an. Die Schlesier ließen also jetzt den Papst die Jnstanz sein, die eine „rechtmäßige Erkenntnis“ aussprechen konnte; sie begaben sich endgültig ieder eigenen Willensmeinung. Wenige Tage vorher war Wilhelm von Sachsen von seiner Anwartschaft zurück getreten. Auf dem Tage von Eger war unter Vermittlung des Markgrafen Albrecht Achilles ein Vertrag zustande gekommen, in dem Georg an Wilhelm eine Anzahl Schlösser und Städte nördlich des Erzgebirges abtrat und dafür von Wilhelm als böhmischer König anerkannt wurde; Eheverabredungen zwischen ihren Häusern bekrästigten den Frieden 3). Es entsprach der Sachlage, wenn nunmehr der schlesische Bund sich auflöste; am 19. Mai hielt er seine letzte Versammlung4). II. Der Kampf der Parteien um den Papst (Frühjahr bis Herbst 1459). Vorherrschaft der Prediger in Breslau. Die Stadt im Verteidigungskriege. Nur die Breslauer schlossen sich abermals dem Beschlusse, der den Wider- stand preisgab, nicht an. Sie kounten ihm auch nicht beitreten, wenn sie ihrem 1) Esch. L 39. 2) Korr. 18; Script. rer. Siles. VIII, 15. 496—499. 4) Über die letzten Tagungen vgl. Esch. L 39—41. 3) Bachmann II,
Wilhelms Rücktritt von der Kandidatur. Auflösung des schlesischen Bundes. 53 Dieser Brief war für Georg das beste Mittel, um die Schlesier vollends mürbe zu machen. Mitte März ließ er ihn in Schlesien veröffentlichen 1). Er erreichte seinen Zweck; die huldvolle Behandlung, die der Papst dem Hussiten könig zuwandte, entmutigte von uenem fast alle, die nach dem Scheitern des Bündnisses mit Wilhelm von Sachsen uoch einigen Willen zum Widerstande gehabt hatten. Wenn der Papst Georg schon so hoch ansgezeichnet hatte, so war uicht zu erwarten, daß er seine Wahl jetzt wieder für nichtig erklären würde. Man wagte uicht mehr, den Bescheid auf das Hilfsgesuch vom Januar abzuwarten; man suchte wieder, wie im vergangenen Herbst, die Formel für eine ehrenvolle Übergabe. Inzwischen knüpste auch Wilhelm von Sachsen mit Georg neue Verhandlungen an; den Schlesiern kamen hierüber Gerüchte zu, die sie vollends davon überzengen mußten, daß ieder Widerstand verlorene Mühe war2). Nach mehrfachen Beratungen schrieben am 21. April die Herzöge von Glogan und Sagan und die Herzogin von Liegnitz den böhmischen Herren: da der Papst Podiebrad auf den Tag von Mantua beschieden habe, so bitte man, die Entscheidung über die Anerkennung Georgs bis dahin anstehen zu lassen; der Papst werde ja dort zu erkennen geben, wie Land und Städte sich zu dem Erwählten zu stellen hätten. Die Stände von Schweidnitz-Janer und der Weißze Herzog von Öls richteten die gleiche Bitte an Georg selbst und redeten ihn dabei in Demut mit dem Königstitel an. Die Schlesier ließen also jetzt den Papst die Jnstanz sein, die eine „rechtmäßige Erkenntnis“ aussprechen konnte; sie begaben sich endgültig ieder eigenen Willensmeinung. Wenige Tage vorher war Wilhelm von Sachsen von seiner Anwartschaft zurück getreten. Auf dem Tage von Eger war unter Vermittlung des Markgrafen Albrecht Achilles ein Vertrag zustande gekommen, in dem Georg an Wilhelm eine Anzahl Schlösser und Städte nördlich des Erzgebirges abtrat und dafür von Wilhelm als böhmischer König anerkannt wurde; Eheverabredungen zwischen ihren Häusern bekrästigten den Frieden 3). Es entsprach der Sachlage, wenn nunmehr der schlesische Bund sich auflöste; am 19. Mai hielt er seine letzte Versammlung4). II. Der Kampf der Parteien um den Papst (Frühjahr bis Herbst 1459). Vorherrschaft der Prediger in Breslau. Die Stadt im Verteidigungskriege. Nur die Breslauer schlossen sich abermals dem Beschlusse, der den Wider- stand preisgab, nicht an. Sie kounten ihm auch nicht beitreten, wenn sie ihrem 1) Esch. L 39. 2) Korr. 18; Script. rer. Siles. VIII, 15. 496—499. 4) Über die letzten Tagungen vgl. Esch. L 39—41. 3) Bachmann II,
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54 Die Prediger nehmen die Politik Breslaus in die Hand. feierlichen Gelöbnis treu bleiben wollten. Sie hatten sich nicht nur wie die Übrigen Schlesier verpflichtet, einen König nur nach geziemender Erkenntnis seiner Rechtmäßzigkeit anzuerkennen; sondern sie hatten sich weiterhin gegen Podiebrad persönlich verschworen; sie wollten ihn „als König nicht aufnehmen in keinerlei Weise". Durch den Zusammenbruch der Bundespolitik wurde eine Epoche ihres Vorgehens gegen Podiebrad abgeschlossen, eine andere eingeleitet. — Als das Einladungsschreiben des Papstes an Georg Aufsehen erregte, wurde es von der Kanzel herab für gefälscht erklärt 1). Man glanbte der Ver¬ mutung; die Not des Augenblicks ließ das Ansehen der Prediger ungemein wachsen. Sie gaben der Politik der Stadt von unn an wieder die entscheidenden Antriebe. Mit dem Augenblicke, da sie von nenem die Führung an sich nehmen, ändert sich der Charakter des Kampfes von Grund aus; an die Stelle saumseliger Bündnispolitik tritt ein ebeuso entschlossenes wie verschlagenes Handeln. In der Richtung, die die Partei Tempelfelds von jeher gewiesen hatte, in der Entzündung eines Glaubensfrieges, lag jetzt für die Stadt die einzige Möglichkeit, zum Ziele zu gelangen. Die westlichen Mächte, auf die sie gehofft, bei denen sie Schutz gesucht hatte, waren vom Kampfe zurückgetreten. Die Versuche, auf sie Einfluß zu gewinnen, waren auf die Dauer erfolglos geblieben; die Stadt besaß uicht die Macht, einen solchen Einsluß gestend zu machen. Auch der Papst schien ihren Wünschen fern zu stehen. Aber, wenn man die Fürsten nicht zwingen konnte, der Papst ließ sich vielleicht bezwingen. Die Bekämpfung Podiebrads galt den Breslanern als eine religiöse Gewissens sache; wenn sie dem Papste diese Aufgabe recht eindringlich vortrugen, fonnte er auf die Dauer nicht gleichgültig bleiben. Wenn er vielleicht uicht völlig überzeugt wurde, wenn er uicht selbst gegen Georg vorging, so mußte er doch den guten Willen der Breslauer anerkennen, und sie gegen Georg in Schutz nehmen. Ein Schritt zur Aufklärung des Papstes war schon geschehen; die Botschaft des Bundes vom Januar mußte eben in diesen Wochen vor ihm zur Verhandlung kommen. Jetzt, da der Bund in der Anflösung war, mußte Breslau das begonnene Werk fortsetzen und den Papst weiterhin rastlos be- stürmen. So richtete bald, nachdem die Berufung Podiebrads nach Mantua bekannt geworden war, die Stadt ein Mahuschreiben an Pins. Sie erklärte hier nochmals deutlich ihren Entschluß, sich Georg nicht zu unterwerfen; jie wiederholte ihre Anklagen gegen seine Ketzerei, und sie hielt dem Papst vor, welche Verwirrung mitten in dem heiligen Beginnen der Schlesier sein Bries gestiftet habe, der den Anschein erweckte, als wisse er uichts von dem offen- 1) Esch. D I, 77. — Im folgenden geht die Darstellung häufig allein auf den deutschen Text Eschenloers zurick. Zur Begründung vgl. den Anhang dieser Schrift.
54 Die Prediger nehmen die Politik Breslaus in die Hand. feierlichen Gelöbnis treu bleiben wollten. Sie hatten sich nicht nur wie die Übrigen Schlesier verpflichtet, einen König nur nach geziemender Erkenntnis seiner Rechtmäßzigkeit anzuerkennen; sondern sie hatten sich weiterhin gegen Podiebrad persönlich verschworen; sie wollten ihn „als König nicht aufnehmen in keinerlei Weise". Durch den Zusammenbruch der Bundespolitik wurde eine Epoche ihres Vorgehens gegen Podiebrad abgeschlossen, eine andere eingeleitet. — Als das Einladungsschreiben des Papstes an Georg Aufsehen erregte, wurde es von der Kanzel herab für gefälscht erklärt 1). Man glanbte der Ver¬ mutung; die Not des Augenblicks ließ das Ansehen der Prediger ungemein wachsen. Sie gaben der Politik der Stadt von unn an wieder die entscheidenden Antriebe. Mit dem Augenblicke, da sie von nenem die Führung an sich nehmen, ändert sich der Charakter des Kampfes von Grund aus; an die Stelle saumseliger Bündnispolitik tritt ein ebeuso entschlossenes wie verschlagenes Handeln. In der Richtung, die die Partei Tempelfelds von jeher gewiesen hatte, in der Entzündung eines Glaubensfrieges, lag jetzt für die Stadt die einzige Möglichkeit, zum Ziele zu gelangen. Die westlichen Mächte, auf die sie gehofft, bei denen sie Schutz gesucht hatte, waren vom Kampfe zurückgetreten. Die Versuche, auf sie Einfluß zu gewinnen, waren auf die Dauer erfolglos geblieben; die Stadt besaß uicht die Macht, einen solchen Einsluß gestend zu machen. Auch der Papst schien ihren Wünschen fern zu stehen. Aber, wenn man die Fürsten nicht zwingen konnte, der Papst ließ sich vielleicht bezwingen. Die Bekämpfung Podiebrads galt den Breslanern als eine religiöse Gewissens sache; wenn sie dem Papste diese Aufgabe recht eindringlich vortrugen, fonnte er auf die Dauer nicht gleichgültig bleiben. Wenn er vielleicht uicht völlig überzeugt wurde, wenn er uicht selbst gegen Georg vorging, so mußte er doch den guten Willen der Breslauer anerkennen, und sie gegen Georg in Schutz nehmen. Ein Schritt zur Aufklärung des Papstes war schon geschehen; die Botschaft des Bundes vom Januar mußte eben in diesen Wochen vor ihm zur Verhandlung kommen. Jetzt, da der Bund in der Anflösung war, mußte Breslau das begonnene Werk fortsetzen und den Papst weiterhin rastlos be- stürmen. So richtete bald, nachdem die Berufung Podiebrads nach Mantua bekannt geworden war, die Stadt ein Mahuschreiben an Pins. Sie erklärte hier nochmals deutlich ihren Entschluß, sich Georg nicht zu unterwerfen; jie wiederholte ihre Anklagen gegen seine Ketzerei, und sie hielt dem Papst vor, welche Verwirrung mitten in dem heiligen Beginnen der Schlesier sein Bries gestiftet habe, der den Anschein erweckte, als wisse er uichts von dem offen- 1) Esch. D I, 77. — Im folgenden geht die Darstellung häufig allein auf den deutschen Text Eschenloers zurick. Zur Begründung vgl. den Anhang dieser Schrift.
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Bittschreiben der Stadt an den Papst, Frühiahr 1459. 55 baren Frevelsinn ienes Meisters der Ketzerei. Der Papst möge seine Herde vor dem Wolfe schützen; er möge insbesondere Georg, bis der Streit aus- getragen sei, Frieden gebieten 1). Als dann im nächsten Monat der schlesische Bund erklärt hatte, die Entscheidung des Papstes in Mantua für endgültig ansehen zu wollen, gaben die Breslauer ihren Vorstellungen an Pius noch schärfere Form. In einem neuen Schreiben wiederholten sie die Forderung, Georgs Wahl müsse für ungültig erklärt werden; sie stellten dem Papste vor, sein eigenes Ansehen stehe auf dem Spiele, wenn er nicht bald gegen ihn vor gehe. Sie erzählten von den Zwangsmaßregeln, mit denen die Utraquisten gerade damals unter Führnng Rokyzanas gegen die rechten Katholiken in Böhmen vorgingen. Den Glänbigen werde in den Städten Grundbesitz und Innungsmitgliedschaft verboten. Schon verspreche sich Rokyzana vollen Sieg. Ganz Dentschland, Ungarn und Polen sei unwillig über den Schutz, den der Papst dem Ketzer angedeihen lasse. Und da es bekannt war, daß Pius aus dem Mantnaner Kongreß Georg zur Hilfe gegen die Türken gewinnen wollte, so hiesten die Breslaner für gut, ihn vor einem solchen Bündnis nachdrücklich zu warnen. Die Kriegstüchtigfeit der Böhmen helfe gar uichts, da ihr Glaube schlecht sei; ja, es sei zu bejürchten, daß ihre Mitwirkung den Zorn Gottes auf das christliche Heer herabziehen werde2). Mit der Stadt Breslau und den Mannen des Herzogtums hat auch das Donkapitel diese Briefe unterzeichnet. Die Prälaten haben sich gewiß nur ungern hierzu verstanden; sie hätten damals lieber im Sinne des Bischofs ge handelt nud sich den übrigen Schlesiern angeschlossen 3). Doch sie konnten der öffentlichen Meinnng in Breslan keinen Widerstand mehr leisten. — An der Abfassung der Briefe aber haben zweifellos wiederum Breslauer Prediger den Hauptanteil. Dem Papste zu sagen, daß er anf Irrwegen sei, hätte sich ein Breslaner Ratsherr oder Stadtschreiber aus eigenem Antriebe kaum er- kühnt. Auch das öde Pathos der Verhetzung, die endlosen Tiraden über das hussitische Gift atmen den Geist der Aufwiegelung, in dem Tempelfeld und seine Mitarbeiter wirkten. Ein lähmender Schrecken soll sich dem Leser mit- teilen; die Zukuuft der Kirche erscheint in furchtbarer Verzerrung; als ein neuer Christenverfolger, ein Nero und Decius wird Podiebrad geschildert. Die Predigerschaft erneuerte also mit stärkeren Mitteln den Versuch, den sie vor fünf Jahren im Huldigungskonflikte unternommen hatte. Wie damals Ladislaus, so sollte jetzt Pius durch moralische Mittel von Podiebrad losge treunt werden. Ein starrer, fanatischer Volkswille trat ihm entgegen, dem er 1) Korr. 17; Script. rer. Siles. VIII, 13 ff. (21. III. 1459). 2) Korr. 20; Script. 3) Eſch. L 38 u. rer. Siles. VIII, 20 ff. (30. IV. 1459).
Bittschreiben der Stadt an den Papst, Frühiahr 1459. 55 baren Frevelsinn ienes Meisters der Ketzerei. Der Papst möge seine Herde vor dem Wolfe schützen; er möge insbesondere Georg, bis der Streit aus- getragen sei, Frieden gebieten 1). Als dann im nächsten Monat der schlesische Bund erklärt hatte, die Entscheidung des Papstes in Mantua für endgültig ansehen zu wollen, gaben die Breslauer ihren Vorstellungen an Pius noch schärfere Form. In einem neuen Schreiben wiederholten sie die Forderung, Georgs Wahl müsse für ungültig erklärt werden; sie stellten dem Papste vor, sein eigenes Ansehen stehe auf dem Spiele, wenn er nicht bald gegen ihn vor gehe. Sie erzählten von den Zwangsmaßregeln, mit denen die Utraquisten gerade damals unter Führnng Rokyzanas gegen die rechten Katholiken in Böhmen vorgingen. Den Glänbigen werde in den Städten Grundbesitz und Innungsmitgliedschaft verboten. Schon verspreche sich Rokyzana vollen Sieg. Ganz Dentschland, Ungarn und Polen sei unwillig über den Schutz, den der Papst dem Ketzer angedeihen lasse. Und da es bekannt war, daß Pius aus dem Mantnaner Kongreß Georg zur Hilfe gegen die Türken gewinnen wollte, so hiesten die Breslaner für gut, ihn vor einem solchen Bündnis nachdrücklich zu warnen. Die Kriegstüchtigfeit der Böhmen helfe gar uichts, da ihr Glaube schlecht sei; ja, es sei zu bejürchten, daß ihre Mitwirkung den Zorn Gottes auf das christliche Heer herabziehen werde2). Mit der Stadt Breslau und den Mannen des Herzogtums hat auch das Donkapitel diese Briefe unterzeichnet. Die Prälaten haben sich gewiß nur ungern hierzu verstanden; sie hätten damals lieber im Sinne des Bischofs ge handelt nud sich den übrigen Schlesiern angeschlossen 3). Doch sie konnten der öffentlichen Meinnng in Breslan keinen Widerstand mehr leisten. — An der Abfassung der Briefe aber haben zweifellos wiederum Breslauer Prediger den Hauptanteil. Dem Papste zu sagen, daß er anf Irrwegen sei, hätte sich ein Breslaner Ratsherr oder Stadtschreiber aus eigenem Antriebe kaum er- kühnt. Auch das öde Pathos der Verhetzung, die endlosen Tiraden über das hussitische Gift atmen den Geist der Aufwiegelung, in dem Tempelfeld und seine Mitarbeiter wirkten. Ein lähmender Schrecken soll sich dem Leser mit- teilen; die Zukuuft der Kirche erscheint in furchtbarer Verzerrung; als ein neuer Christenverfolger, ein Nero und Decius wird Podiebrad geschildert. Die Predigerschaft erneuerte also mit stärkeren Mitteln den Versuch, den sie vor fünf Jahren im Huldigungskonflikte unternommen hatte. Wie damals Ladislaus, so sollte jetzt Pius durch moralische Mittel von Podiebrad losge treunt werden. Ein starrer, fanatischer Volkswille trat ihm entgegen, dem er 1) Korr. 17; Script. rer. Siles. VIII, 13 ff. (21. III. 1459). 2) Korr. 20; Script. 3) Eſch. L 38 u. rer. Siles. VIII, 20 ff. (30. IV. 1459).
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56 Pius verhält sich zweideutig. nicht ausweichen durfte. — Wie vordem, so mußte anch jetzt die Stadt dar auf gefaßt sein, daß der Gegner die Drohung erwiderte und Breslau mit Gewalt zum Gehorsam zu zwingen versuchte. Der Rat bereitete sich anj eine Belagerung vor; er war vor allem anf Vermehrung der mangelhaften Lebens- mittelvorräte bedacht1). Indessen Podiebrad kümmerte sich vorlänfig uicht um die aufsässige Stadt. Er vertrante offenbar darauf, daß ein huldvolles Schreiben des Papstes ihm bald bessere Vollmacht geben werde, sie sich zu unterwerfen. Diese Hoffnung erfüllte sich zunächst uicht völlig. Pius war Georg zwar persönlich sehr gewogen und war seiner auch für den Türkeukrieg sehr bedürftig; aber er wünschte doch, über die Zurückführung der Utraquisten zur katholischen Einheit bestimmtere Zusagen von ihm zu erhalten, ehe er ihn in aller Form anerkaunte. Die Beschwerde der Schlesier vom Januar kam ihm sehr erwünscht; sie gestattete ihm, Georg seine Macht fühlen zu lassen. So nahm er seine Gehorsamserklärung uicht an; er antwortete ihm anch nicht direkt, sonderu vermied, ihn als König anzureden uud richtete uur ein Schreiben an die katholischen Herren in Böhmen. Er tat in diesem Briefe, der vom 19. April datiert ist, dem Wnische der Schlesier genüge und verhieß, daß er die Throufolgefrage auf dem Mantuaner Kongreß erledigen wolle; bis dahin solle sich Georg „in allem, was Frieden und Eintracht des Reiches betreffe“, wie auch in allen Religionsfragen ruhig und friedfertig verhalten2). Dieser Wunsch bedeutete unter den gegenwärtigen Umständen eine Schutzerklärung für die Breslauer. Georg mußte fürs erste darauf verzichten, ihren Trotz zu strafen. Aber Georg konnte die kleine päpstliche Zurechtweisung ruhig hinnehmen. Deun andrerseits war es deutlich, daß die leidenschaftlichen Anklagen den Papst in seinem persönlichen Wohlwollen für ihn uicht erschüttert hatten3). Und dies blieb anch den Breslauern nicht verborgen. Zwar bedentete es für sie eine Genngtuung, daß Pius die Ehrung Podiebrads als eines christlichen Königs nicht wiederholt und gegenüber den Gesandten des schlesischen Buudes sogar ausdrücklich zurückgenommen hatte4). Auch ging ihnen selbst Anfang Juni ein eigenes Schreiben des Papstes zu; Pius pries hier mit hohen Worten den schlesischen Bund als eine Vereinigung zum Schutze des rechten Glanbens 5). Aber der Bund bestand uicht mehr, und die päpstliche Anerkennung kounte 1) Eschenloer D I, 75, 79. 2) Eschenloer L 41; vgl. Boigt, Enea Silvio III, 442. 3) Georgs Prokurator in Rom, Fantinus de Valle, versichert am 30. April dem Könige, die Botschaft der Schlesier habe im Grunde nichts an der Lage geändert, und nur der Form 4) Urk. Beitr. halber habe der Papst sie gütig beschieden. Urk. Beitr. Nr. 183, S. 180. 5) Esch. L 42 (Breve vom 13. Mai 1459). Nr. 181, S. 176.
56 Pius verhält sich zweideutig. nicht ausweichen durfte. — Wie vordem, so mußte anch jetzt die Stadt dar auf gefaßt sein, daß der Gegner die Drohung erwiderte und Breslau mit Gewalt zum Gehorsam zu zwingen versuchte. Der Rat bereitete sich anj eine Belagerung vor; er war vor allem anf Vermehrung der mangelhaften Lebens- mittelvorräte bedacht1). Indessen Podiebrad kümmerte sich vorlänfig uicht um die aufsässige Stadt. Er vertrante offenbar darauf, daß ein huldvolles Schreiben des Papstes ihm bald bessere Vollmacht geben werde, sie sich zu unterwerfen. Diese Hoffnung erfüllte sich zunächst uicht völlig. Pius war Georg zwar persönlich sehr gewogen und war seiner auch für den Türkeukrieg sehr bedürftig; aber er wünschte doch, über die Zurückführung der Utraquisten zur katholischen Einheit bestimmtere Zusagen von ihm zu erhalten, ehe er ihn in aller Form anerkaunte. Die Beschwerde der Schlesier vom Januar kam ihm sehr erwünscht; sie gestattete ihm, Georg seine Macht fühlen zu lassen. So nahm er seine Gehorsamserklärung uicht an; er antwortete ihm anch nicht direkt, sonderu vermied, ihn als König anzureden uud richtete uur ein Schreiben an die katholischen Herren in Böhmen. Er tat in diesem Briefe, der vom 19. April datiert ist, dem Wnische der Schlesier genüge und verhieß, daß er die Throufolgefrage auf dem Mantuaner Kongreß erledigen wolle; bis dahin solle sich Georg „in allem, was Frieden und Eintracht des Reiches betreffe“, wie auch in allen Religionsfragen ruhig und friedfertig verhalten2). Dieser Wunsch bedeutete unter den gegenwärtigen Umständen eine Schutzerklärung für die Breslauer. Georg mußte fürs erste darauf verzichten, ihren Trotz zu strafen. Aber Georg konnte die kleine päpstliche Zurechtweisung ruhig hinnehmen. Deun andrerseits war es deutlich, daß die leidenschaftlichen Anklagen den Papst in seinem persönlichen Wohlwollen für ihn uicht erschüttert hatten3). Und dies blieb anch den Breslauern nicht verborgen. Zwar bedentete es für sie eine Genngtuung, daß Pius die Ehrung Podiebrads als eines christlichen Königs nicht wiederholt und gegenüber den Gesandten des schlesischen Buudes sogar ausdrücklich zurückgenommen hatte4). Auch ging ihnen selbst Anfang Juni ein eigenes Schreiben des Papstes zu; Pius pries hier mit hohen Worten den schlesischen Bund als eine Vereinigung zum Schutze des rechten Glanbens 5). Aber der Bund bestand uicht mehr, und die päpstliche Anerkennung kounte 1) Eschenloer D I, 75, 79. 2) Eschenloer L 41; vgl. Boigt, Enea Silvio III, 442. 3) Georgs Prokurator in Rom, Fantinus de Valle, versichert am 30. April dem Könige, die Botschaft der Schlesier habe im Grunde nichts an der Lage geändert, und nur der Form 4) Urk. Beitr. halber habe der Papst sie gütig beschieden. Urk. Beitr. Nr. 183, S. 180. 5) Esch. L 42 (Breve vom 13. Mai 1459). Nr. 181, S. 176.
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Spannung und Parteizwist in Breslau. 57 ihn nicht wieder zusammensügen. Vor allem aber entsprach der gleichmütig gnädige Ton, in dem Pius ihnen schrieb, gar zu wenig den dringlichen Mahnungen, die sie an ihu gerichtet hatten. Die Breslaner konnten uicht hoffen, daß sein Urteil nach ihrem Willen ansfallen werde. Es war vielmehr zu erwarten, daß jetzt, wenn der Rücktritt Wilhelms von der böhmischen Kandidatur und die Auflösnng des schlesischen Buudes an der Kurie bekaunt wurden, die Neigung des Papstes zu einer gütlichen Verständigung mit Georg noch bedeutend steigen werde. Die einstigen Bundesgenossen Breslaus, die Fürsten, harrten schon mit Sehusucht auf den Angenblick, da sie mit päpstlicher Genehmigung zu Georg übergehen könnten; sie waren äußerst unwillig über die Querzüge der Breslaner und drohten ihnen schon. Mit Ausnahme Balthasars von Sagan kündigten sie den Bürgern auf einen Wink Georgs das Geleite. Herzog Wlodko von Teschen und Großglogan ging bereits ein wenig weiter und ließ Breslauer Kanfmannsgut auf seinen Straßen aufheben. Die Er- eignisse schienen einem Angenblick entgegenzutreiben, wo Breslau, von aller Welt verlassen, die Wahl hatte, sich zu ergeben oder sich einem allgemeinen Angriff auszusetzen. Gegenüber dieser Gefahr traten die alten Parteien in der Stadt, so sehr sie auf ein Zusammenwirken angewiesen waren, wiederum in Gegensatz. Der Rat hatte sich seit dem Winter der überlegenen Energie und Klugheit der Prediger anvertrauen müssen: sie allein kaunten ja einen Ausweg aus der politischen Enge und wußten ihn zu führen. Aber schon lange war die Kostspieligkeit der danernden Söldnerrüstung ärgerlich 1), und nun schien gar die von den Predigern geleitete Aktion an der Kurie vergeblich zu sein. Das war Grund genug — neben allen andern danernden Gründen für den Frieden — um den Rat einer Politik, die jetzt zum Kampfe führen kounte, innerlich abwendig zu machen. Die Prediger aber sahen den kritischen Ereignissen gefaßt ent- gegen. Wenn ihre Worte uichts über den Papst vermochten, so sollte die Stadt ein Martyrium leiden, damit ihm die Augen geöffuet würden. Es war uur dafür zu sorgen, daß er dann in Breslan ein einiges und entschlossenes christliches Volk vorfände. So taten sie das ihre, damit das Volk sich seiner heiligen Aufgabe bewußt blieb. Sie lehrten öffentlich, wer immer Georg als Herrn anfnehme, der sei ein Ketzer. Das Volk hielt sich in innerlicher Kriegs- bereitschaft. Eine gespaunte Erregnng wurde wach, und diese leidenschaftliche Bewegung schloß Triebe der Menge anf, die wenig geeignet waren, ein ziel volles Handeln zu fördern. Man begann überall Verräterei zu wittern und 1) Im Juli 1458 hatte Breslau Herzog Johann von Sagan mit 80 Berittenen in Dienst genommen, im März 1459 50 Söldner zum Schutze von Liegnitz unterhalten. Esch. L 29, 38.
Spannung und Parteizwist in Breslau. 57 ihn nicht wieder zusammensügen. Vor allem aber entsprach der gleichmütig gnädige Ton, in dem Pius ihnen schrieb, gar zu wenig den dringlichen Mahnungen, die sie an ihu gerichtet hatten. Die Breslaner konnten uicht hoffen, daß sein Urteil nach ihrem Willen ansfallen werde. Es war vielmehr zu erwarten, daß jetzt, wenn der Rücktritt Wilhelms von der böhmischen Kandidatur und die Auflösnng des schlesischen Buudes an der Kurie bekaunt wurden, die Neigung des Papstes zu einer gütlichen Verständigung mit Georg noch bedeutend steigen werde. Die einstigen Bundesgenossen Breslaus, die Fürsten, harrten schon mit Sehusucht auf den Angenblick, da sie mit päpstlicher Genehmigung zu Georg übergehen könnten; sie waren äußerst unwillig über die Querzüge der Breslaner und drohten ihnen schon. Mit Ausnahme Balthasars von Sagan kündigten sie den Bürgern auf einen Wink Georgs das Geleite. Herzog Wlodko von Teschen und Großglogan ging bereits ein wenig weiter und ließ Breslauer Kanfmannsgut auf seinen Straßen aufheben. Die Er- eignisse schienen einem Angenblick entgegenzutreiben, wo Breslau, von aller Welt verlassen, die Wahl hatte, sich zu ergeben oder sich einem allgemeinen Angriff auszusetzen. Gegenüber dieser Gefahr traten die alten Parteien in der Stadt, so sehr sie auf ein Zusammenwirken angewiesen waren, wiederum in Gegensatz. Der Rat hatte sich seit dem Winter der überlegenen Energie und Klugheit der Prediger anvertrauen müssen: sie allein kaunten ja einen Ausweg aus der politischen Enge und wußten ihn zu führen. Aber schon lange war die Kostspieligkeit der danernden Söldnerrüstung ärgerlich 1), und nun schien gar die von den Predigern geleitete Aktion an der Kurie vergeblich zu sein. Das war Grund genug — neben allen andern danernden Gründen für den Frieden — um den Rat einer Politik, die jetzt zum Kampfe führen kounte, innerlich abwendig zu machen. Die Prediger aber sahen den kritischen Ereignissen gefaßt ent- gegen. Wenn ihre Worte uichts über den Papst vermochten, so sollte die Stadt ein Martyrium leiden, damit ihm die Augen geöffuet würden. Es war uur dafür zu sorgen, daß er dann in Breslan ein einiges und entschlossenes christliches Volk vorfände. So taten sie das ihre, damit das Volk sich seiner heiligen Aufgabe bewußt blieb. Sie lehrten öffentlich, wer immer Georg als Herrn anfnehme, der sei ein Ketzer. Das Volk hielt sich in innerlicher Kriegs- bereitschaft. Eine gespaunte Erregnng wurde wach, und diese leidenschaftliche Bewegung schloß Triebe der Menge anf, die wenig geeignet waren, ein ziel volles Handeln zu fördern. Man begann überall Verräterei zu wittern und 1) Im Juli 1458 hatte Breslau Herzog Johann von Sagan mit 80 Berittenen in Dienst genommen, im März 1459 50 Söldner zum Schutze von Liegnitz unterhalten. Esch. L 29, 38.
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58 Der Papst erkennt Georg aberuals an. wollte dabei am liebsten gleich zu den Waffen greifen; als man von der Geleitsaufkündigung der Fürsten hörte, verlangte das gemeine Volk, die Tore sollten für alle, die vom Lande kämen, geschlossen werden. Das Mißztranen der Bürgerschaft kehrte sich in dieser Unruhe und Ungeduld naturgemäß auch wieder gegen den Rat; in die Schankstuben kam der Geist der Aufsässigkeit. In der allgemeinen Erhitzung ließ man sich von Geistern fortreißen, denen es noch mehr um das Unruhestiften überhaupt als um die Sache des Glaubeus und der Stadt zu tun war. „Trinker und Sänfer, Spieler und Lotter“, wie Eschenloer erzählt, beganuen neben den Predigern die öffentliche Meinung zu diktieren; auch unter den Predigern selbst gab es zum mindesten einen Wüstling dieser Art 1). Anfang Juli traf eine weitere Willenserklärnug des Papstes ein: die Schlesier, die Pins immer noch gegen Georg verbündet glaubte, wurden aufgefordert, Gesandte nach Mantna zu schicken. Er verhieß ihnen, die Eut- scheidung unbeschadet ihres Glanbens, ihrer Ehre und ihrer Rechte treffen zu wollen. Aber neben diesen beschwichtigenden Wendungen stand ein Wort in dem Briefe des Papstes, das die Breslaner in die tiefste Bestürzung ver setzte. Der Papst sprach von Georg jetzt doch wieder als von dem Könige von Böhmen. Und bald erfuhr man auch von einen anderen Briefe des Papstes; er hatte an Georg selbst geschrieben, hatte ihn wiederum seinen liebsten Sohn und „Hoheit“ genannt und ihn gebeten, persönlich in Mantua zu erscheinen und dort mit den anderen Fürsten der Christenheit über den Türkenkrieg zu beraten; er hatte ihm anch sein Bedanern über die Uurnh¬ stiftung „einiger Schlesier“ ansgesprochen und behandelte diesen Zwist wie eine rein innerpolitische Angelegenheit, die die Kirche nur insofern auging, als sie den Frieden störte. Davon, daß die Sache der Schlesier auch uur irgendwie eine Glaubenssache wäre, wollte er offenkundig uichts mehr wissen2). Die Erfolge Podiebrads, seine Freundschaftss und Schwägerschaftsbündnisse mit den dentschen Reichsfürsten hatten auf Pins bestimmend gewirkt; in einem Angenblicke, da er die europäischen Fürsten zu der großen Aufgabe der Ver- 1) Bartholomäus, von dem weiter unten noch die Rede sein wird. — Zur Stimmung in Breslau: Esch. D I, 80/81. 2) Texte der Breven vom 8. und 9. Juni: Eschenloer L 46 u. 47. Das Breve vom 8. Juni an Georg ist bei Esch. unvollständig wiedergegeben. Der Schluß lautet vollständig (nach L. v. Pastor: Ungedruckte Akten zur Geschichte der Päpste, 1904, Nr. 72, S. 104) . . . quod vero scribit Tua Serenitas, apud Slesitas nonnullos esse rerum tuarum turbatores, dolemus, notificantes tibi id non soluim iniussu nostro, sed etiam nobis insciis factum. Hortamur tamen, ne via facti experiri velis, sed in ea supersedeas .Scribimus enim Slesitis, ut oratores mittaut, cum quibus et celsi- tudine tua, si venies, alias cum oratoribus tuis rem Deo propitio componemus et ius coronae Bohemiae conservabimus.
58 Der Papst erkennt Georg aberuals an. wollte dabei am liebsten gleich zu den Waffen greifen; als man von der Geleitsaufkündigung der Fürsten hörte, verlangte das gemeine Volk, die Tore sollten für alle, die vom Lande kämen, geschlossen werden. Das Mißztranen der Bürgerschaft kehrte sich in dieser Unruhe und Ungeduld naturgemäß auch wieder gegen den Rat; in die Schankstuben kam der Geist der Aufsässigkeit. In der allgemeinen Erhitzung ließ man sich von Geistern fortreißen, denen es noch mehr um das Unruhestiften überhaupt als um die Sache des Glaubeus und der Stadt zu tun war. „Trinker und Sänfer, Spieler und Lotter“, wie Eschenloer erzählt, beganuen neben den Predigern die öffentliche Meinung zu diktieren; auch unter den Predigern selbst gab es zum mindesten einen Wüstling dieser Art 1). Anfang Juli traf eine weitere Willenserklärnug des Papstes ein: die Schlesier, die Pins immer noch gegen Georg verbündet glaubte, wurden aufgefordert, Gesandte nach Mantna zu schicken. Er verhieß ihnen, die Eut- scheidung unbeschadet ihres Glanbens, ihrer Ehre und ihrer Rechte treffen zu wollen. Aber neben diesen beschwichtigenden Wendungen stand ein Wort in dem Briefe des Papstes, das die Breslaner in die tiefste Bestürzung ver setzte. Der Papst sprach von Georg jetzt doch wieder als von dem Könige von Böhmen. Und bald erfuhr man auch von einen anderen Briefe des Papstes; er hatte an Georg selbst geschrieben, hatte ihn wiederum seinen liebsten Sohn und „Hoheit“ genannt und ihn gebeten, persönlich in Mantua zu erscheinen und dort mit den anderen Fürsten der Christenheit über den Türkenkrieg zu beraten; er hatte ihm anch sein Bedanern über die Uurnh¬ stiftung „einiger Schlesier“ ansgesprochen und behandelte diesen Zwist wie eine rein innerpolitische Angelegenheit, die die Kirche nur insofern auging, als sie den Frieden störte. Davon, daß die Sache der Schlesier auch uur irgendwie eine Glaubenssache wäre, wollte er offenkundig uichts mehr wissen2). Die Erfolge Podiebrads, seine Freundschaftss und Schwägerschaftsbündnisse mit den dentschen Reichsfürsten hatten auf Pins bestimmend gewirkt; in einem Angenblicke, da er die europäischen Fürsten zu der großen Aufgabe der Ver- 1) Bartholomäus, von dem weiter unten noch die Rede sein wird. — Zur Stimmung in Breslau: Esch. D I, 80/81. 2) Texte der Breven vom 8. und 9. Juni: Eschenloer L 46 u. 47. Das Breve vom 8. Juni an Georg ist bei Esch. unvollständig wiedergegeben. Der Schluß lautet vollständig (nach L. v. Pastor: Ungedruckte Akten zur Geschichte der Päpste, 1904, Nr. 72, S. 104) . . . quod vero scribit Tua Serenitas, apud Slesitas nonnullos esse rerum tuarum turbatores, dolemus, notificantes tibi id non soluim iniussu nostro, sed etiam nobis insciis factum. Hortamur tamen, ne via facti experiri velis, sed in ea supersedeas .Scribimus enim Slesitis, ut oratores mittaut, cum quibus et celsi- tudine tua, si venies, alias cum oratoribus tuis rem Deo propitio componemus et ius coronae Bohemiae conservabimus.
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Die Breslauer richten an Pius die entscheidende Forderung. 59 nichtung der Ungläubigen vereinigen wollte, durste er sich nicht den Mann zum Feinde machen, der der Mächtigste unter ihnen zu werden schien. Er verkündete zwar noch, daß er über Georgs Recht auf den Gehorsam der Schlesier entscheiden wolle; aber indem er ihn als christlichen König anredete, entschied er eigentlich schon jetzt; denn die Schlesier hatten ja immer erklärt, daß sie dem rechtmäßigen Könige von Böhmen untertänig sein wollen. Die schlesischen Fürsten und die Stände von Schweiduitz-Jauer konnten sich jetzt demgemäß den Weg nach Mantna ersparen; sie wurden einig, daß sie Georg bald anerkennen wollten 1). Nur Balthasar von Sagan schloß sich wiederum aus; er war, wie sich jetzt und später zeigte, ein Mann von einem höchst empfindlichen Ehrgefühl, dem keine Form der Unterwerfung unter Podiebrad schonend genug war2). Die Breslaner waren somit fast die einzigen in Schlesien, für die die Vorladung nach Mantna noch von Bedeutung war. Und sie konnten dieser Vorladung uicht answeichen. Sie mußten sich dem Papste anvertranen; sie hatten ihn ja selbst als obersten Richter angerufen. Über diese Einsicht kamen die Ratlente uicht hinweg, und sie hielten es für ihre Pflicht, ihre Mutlosigkeit offen zu bekennen. Als der neue Brief des Papstes an die Schlesier auf dem Rathause vor der Gemeine versesen wurde, fragte die Gemeine den Rat, was er zu tun gedenke. Die Koususn erwiderten, sie wüßten es uicht anders, als daß es gottlos sei, dem Papste nicht zu gehorchen; seiner Entscheidung werde man folgen müssen. Diese Erklärung brachte den Rat um den Rest seines Auseheus. Die Gemeine erwiderte stürmisch, sie werde sich Georg niemals unterwerfen, ob anch Papst und Kaiser gegen sie wären5). Und eben jetzt fand die Gemeine an den Predigern tatträftige und geistesgegenwärtige Hilfe. Sie ließen nicht ab, das Volk zu ermntigen, und sie hatten auch Grund zur Hoffnung. Denn ihre beharrliche Logik sah den schwachen Puukt in der Politik des Papstes und erfaßte die möglichen Vorteile eines weitergeführten Angriffs. Wenn Pius die Klage der Breslaner vor sein Gericht zog, so mußte er auch dem Kläger Rede stehen. Und der Kläger durfte vom Papste Rechenschaft darüber fordern, ob er denn für die Rechtglänbigkeit Georgs, die die Klage bestritt, wirkliche Beweise habe. Auf diese Frage legt ein neues Bittschreiben an den Papst, das wiederum den leidenschaftlichen Geist Tempelfelds atmet, das Hauptgewicht: alle Herrschaftsrechte seien ihren Trägern nur unter der Voraussetzung ihrer Rechtglänbigkeit verliehen; darum möge der Papst bei der Untersuchnng der Streitfrage eine Untersuchung der Stellung Georgs zum 1) Brief der Stände von Schweidnitz-Jauer, Esch. L 46 f., Fürstentag zu Wohlau, 3) Esch. L 46. 2) Esch. L 47, D I, 19. 25. Juli: L 48.
Die Breslauer richten an Pius die entscheidende Forderung. 59 nichtung der Ungläubigen vereinigen wollte, durste er sich nicht den Mann zum Feinde machen, der der Mächtigste unter ihnen zu werden schien. Er verkündete zwar noch, daß er über Georgs Recht auf den Gehorsam der Schlesier entscheiden wolle; aber indem er ihn als christlichen König anredete, entschied er eigentlich schon jetzt; denn die Schlesier hatten ja immer erklärt, daß sie dem rechtmäßigen Könige von Böhmen untertänig sein wollen. Die schlesischen Fürsten und die Stände von Schweiduitz-Jauer konnten sich jetzt demgemäß den Weg nach Mantna ersparen; sie wurden einig, daß sie Georg bald anerkennen wollten 1). Nur Balthasar von Sagan schloß sich wiederum aus; er war, wie sich jetzt und später zeigte, ein Mann von einem höchst empfindlichen Ehrgefühl, dem keine Form der Unterwerfung unter Podiebrad schonend genug war2). Die Breslaner waren somit fast die einzigen in Schlesien, für die die Vorladung nach Mantna noch von Bedeutung war. Und sie konnten dieser Vorladung uicht answeichen. Sie mußten sich dem Papste anvertranen; sie hatten ihn ja selbst als obersten Richter angerufen. Über diese Einsicht kamen die Ratlente uicht hinweg, und sie hielten es für ihre Pflicht, ihre Mutlosigkeit offen zu bekennen. Als der neue Brief des Papstes an die Schlesier auf dem Rathause vor der Gemeine versesen wurde, fragte die Gemeine den Rat, was er zu tun gedenke. Die Koususn erwiderten, sie wüßten es uicht anders, als daß es gottlos sei, dem Papste nicht zu gehorchen; seiner Entscheidung werde man folgen müssen. Diese Erklärung brachte den Rat um den Rest seines Auseheus. Die Gemeine erwiderte stürmisch, sie werde sich Georg niemals unterwerfen, ob anch Papst und Kaiser gegen sie wären5). Und eben jetzt fand die Gemeine an den Predigern tatträftige und geistesgegenwärtige Hilfe. Sie ließen nicht ab, das Volk zu ermntigen, und sie hatten auch Grund zur Hoffnung. Denn ihre beharrliche Logik sah den schwachen Puukt in der Politik des Papstes und erfaßte die möglichen Vorteile eines weitergeführten Angriffs. Wenn Pius die Klage der Breslaner vor sein Gericht zog, so mußte er auch dem Kläger Rede stehen. Und der Kläger durfte vom Papste Rechenschaft darüber fordern, ob er denn für die Rechtglänbigkeit Georgs, die die Klage bestritt, wirkliche Beweise habe. Auf diese Frage legt ein neues Bittschreiben an den Papst, das wiederum den leidenschaftlichen Geist Tempelfelds atmet, das Hauptgewicht: alle Herrschaftsrechte seien ihren Trägern nur unter der Voraussetzung ihrer Rechtglänbigkeit verliehen; darum möge der Papst bei der Untersuchnng der Streitfrage eine Untersuchung der Stellung Georgs zum 1) Brief der Stände von Schweidnitz-Jauer, Esch. L 46 f., Fürstentag zu Wohlau, 3) Esch. L 46. 2) Esch. L 47, D I, 19. 25. Juli: L 48.
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60 Georg beginut den Krieg. wahren Glauben vorangehen lassen. — Wenn Pius die Breslaner vor sein Gericht gefordert hatte, so unternahmen sie es unu in diesem Schreiben vom 23. Juli 14591), ihm den Gang seines Verfahrens vorzuschreiben, und es war schwer, ihre Forderung der Sache nach abzuweisen, so verwegen sie der Form nach war. Georg ahnte diese Wendung der Dinge. Wenn die Breslaner sich alle Mühe gaben, aus dem päpstlichen Schiedsgericht ein Glaubensgericht werden zu lassen, so widerstrebte er dem Schiedsgericht, weil er fürchtete, daß es ein Glaubensgericht werden könne. Nur zum Scheine, uur un den Papst in gnädiger Stimmng zu erhalten, war er auf den Plan, daß die schlesisch¬ böhmische Frage auf dem Mantuaner Kongreß entschieden werden sollte, ein gegangen. Daß der Papst durch sein huldvolles Schreiben an ihn und durch die öffentliche Anerkennung seiner Königswürde diese Eutscheidung überflüssig machte, mußte er freudig begrüßen. Die Breslaner waren die einzigen, die ihm uoch im Wege standen; er wollte sich nicht länger von ihnen verketzern lassen. So ging er jetzt zur Gewalt über; er vermochte es zu tun, ohne die päpstliche Mahnung zum Frieden direkt zu übertreten. Sein Hauptmann in Glatz und 200 Edelleute mit ihm sandten am 14. Jnli Fehdebriefe nach Breslau2). Die Fehde galt zunächst nicht der Stadt, sondern der Geistlichkeit. Georg wußte, daß Geistliche in Breslan die Erhebung gegen ihu leiteten; er wollte jetzt sie und ihre Standesgenossen Sorge um ihre Güter empfinden lassen und so zum Schweigen zwingen3). Aber die erhoffte Wirkung blieb aus. Die Prälaten ließen sich zwar ungern in den Kampf hineinziehen; aber sie wußten, daß sie über die Prediger und die Bürgerschaft nichts vermochten und hüteten sich, die Stadt zum Frieden zu mahnen: sie mahuten sie lediglich an ihre Pflicht zur Hilfe. Die Stadt entzog sich dieser Pflicht uicht. Sie erhob bei den böhmischen Herren gegen die Gewalttat Einspruch4); sie warb neue Söldnerreiter und schickte sie ins Feld; bald kam es zu täglichen Scharmützeln 5). In ihrem Briefe an den Papst aber kounten die Breslauer unn auch mit Entrüstung darauf hinweisen, daß Podiebrad den gebotenen Frieden gebrochen habe und die guten Christen mit Blutvergießen bedrohe6). Zwei Unternehmungen also waren gleichzeitig in Gange: die nene Werbung der Breslauer an den Papst, die die Stadt unter den Schutz des religiösen Gewissens der Kirche stellen sollte — und das gewaltsame Vorgehen Georgs gegen Breslau, das dieser Werbung den Boden zu entziehen versuchte. Es 1) Korr. 24 A. Script. rer. Siles. VIII, 28. 2) Esch. L 46, D 190 f. 3) „Zeitungen aus Breslau“ an den Görlitzer Stadtschreiber. Urk. Beitr. Nr. 188, S. 186. 4) Urk. 5) „Beitungen“ a. a. D.; Esch. L 50. 6) Korr. 24 a. a. D. S. 25 u. Beitr. Nr. 182.
60 Georg beginut den Krieg. wahren Glauben vorangehen lassen. — Wenn Pius die Breslaner vor sein Gericht gefordert hatte, so unternahmen sie es unu in diesem Schreiben vom 23. Juli 14591), ihm den Gang seines Verfahrens vorzuschreiben, und es war schwer, ihre Forderung der Sache nach abzuweisen, so verwegen sie der Form nach war. Georg ahnte diese Wendung der Dinge. Wenn die Breslaner sich alle Mühe gaben, aus dem päpstlichen Schiedsgericht ein Glaubensgericht werden zu lassen, so widerstrebte er dem Schiedsgericht, weil er fürchtete, daß es ein Glaubensgericht werden könne. Nur zum Scheine, uur un den Papst in gnädiger Stimmng zu erhalten, war er auf den Plan, daß die schlesisch¬ böhmische Frage auf dem Mantuaner Kongreß entschieden werden sollte, ein gegangen. Daß der Papst durch sein huldvolles Schreiben an ihn und durch die öffentliche Anerkennung seiner Königswürde diese Eutscheidung überflüssig machte, mußte er freudig begrüßen. Die Breslaner waren die einzigen, die ihm uoch im Wege standen; er wollte sich nicht länger von ihnen verketzern lassen. So ging er jetzt zur Gewalt über; er vermochte es zu tun, ohne die päpstliche Mahnung zum Frieden direkt zu übertreten. Sein Hauptmann in Glatz und 200 Edelleute mit ihm sandten am 14. Jnli Fehdebriefe nach Breslau2). Die Fehde galt zunächst nicht der Stadt, sondern der Geistlichkeit. Georg wußte, daß Geistliche in Breslan die Erhebung gegen ihu leiteten; er wollte jetzt sie und ihre Standesgenossen Sorge um ihre Güter empfinden lassen und so zum Schweigen zwingen3). Aber die erhoffte Wirkung blieb aus. Die Prälaten ließen sich zwar ungern in den Kampf hineinziehen; aber sie wußten, daß sie über die Prediger und die Bürgerschaft nichts vermochten und hüteten sich, die Stadt zum Frieden zu mahnen: sie mahuten sie lediglich an ihre Pflicht zur Hilfe. Die Stadt entzog sich dieser Pflicht uicht. Sie erhob bei den böhmischen Herren gegen die Gewalttat Einspruch4); sie warb neue Söldnerreiter und schickte sie ins Feld; bald kam es zu täglichen Scharmützeln 5). In ihrem Briefe an den Papst aber kounten die Breslauer unn auch mit Entrüstung darauf hinweisen, daß Podiebrad den gebotenen Frieden gebrochen habe und die guten Christen mit Blutvergießen bedrohe6). Zwei Unternehmungen also waren gleichzeitig in Gange: die nene Werbung der Breslauer an den Papst, die die Stadt unter den Schutz des religiösen Gewissens der Kirche stellen sollte — und das gewaltsame Vorgehen Georgs gegen Breslau, das dieser Werbung den Boden zu entziehen versuchte. Es 1) Korr. 24 A. Script. rer. Siles. VIII, 28. 2) Esch. L 46, D 190 f. 3) „Zeitungen aus Breslau“ an den Görlitzer Stadtschreiber. Urk. Beitr. Nr. 188, S. 186. 4) Urk. 5) „Beitungen“ a. a. D.; Esch. L 50. 6) Korr. 24 a. a. D. S. 25 u. Beitr. Nr. 182.
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Der Rat will einlenken. 61 sollte sich zeigen, daß die Breslauer oder vielmehr ihre geistlichen Politiker weit sicherer zielten. Aber znuächst hatte die Unternehmung Georgs den Vorteil, daß sie rascher zur Auswirkung gelangen konnte als die diplomatische Aktion der Breslaner, die den langen Weg über die Alpen ging. Wenn auch die Stadt selbst noch feine Kriegserklärung erhalten hatte, so geschah doch jetzt — Juli und August 1459 — schon genng, um sie einzuschüchtern. Die Fehde der Böhmen gegen die Prälaten machte die Handelswege und die Landgüter der wohlhabeuden Bürger unsicher. Und zu diesem wirtschaftlichen Druck trat ein neuer politischer. Georg hatte soeben eine enge Interessengemeinschaft mit Kaiser Friedrich begründet. Der Preis dieser Freundschaft war ein Verrat — und wohl der schwerste Verrat, den Georg je begangen hat: er opferte den Gefährten seines Aufstiegs, Mathias Corvinus, und versprach, dem Kaiser zur ungarischen Krone zu verhelfen 1). Dafür wurde ihm die reichsrechtliche Anerfennung seiner böhmischen Königswürde zugesichert. Am 3. August erhielt die Stadt Breslan ein Schreiben des Kaisers, worin dieser ihr mitteilte, daß er sich entschlossen habe, Georg die Belehnung zu erteilen2). Die nächste Gefahr, die von diesen neuen Widrigkeiten drohte, war die innere Zersetzung der Bewegnng. Die Prälaten und der Rat wurden des Kampfes müde. Sie brachten zu verschiedenen Malen vor der Gemeine in Vorschlag, man solle bei Georg einen befristeten Stillstand nachsuchen. Der schwarze Herzog von Öls bot ihnen auch schon seine Vermittlung beim Köuige an. Die Mehrheit des Rates mochte bei diesem Autrag — wie wenigstens Eschensoer versichert — uicht an Übergabe denken. Sie ging wohl von der Hoffnnng aus, daß bis zum Ablauf der Frist das Hilfsgesuch an den Papst seine Wirkung tun könnte. Man kann die Rechnung für den damaligen Zeit- punkt uicht richtig nennen — obwohl die Ereignisse später dazu geführt haben, daß in Ansschnb tatsächlich eine Lösung des Kouflikts gefnnden wurde. Ein Stilstand, der Georg und seine Bundesgenossen verpflichtete, die Stadt uicht zu schädigen, war zur Zeit nur denkbar unter der Voraussetzung, daß die Stadt sich verpflichtete, Georg zu huldigen, wenn der Papst sich für ihn aus, sprach. Durch ein solches Zugeständuis aber wurde der Druck aufgehoben, den die Stadt durch ihre letzten Forderungen auf den Papst ausüben wollte; da- gegen konnte sie durch standhaftes Ansharren und gerade auch durch die An- nahme eines friegerischen Angriffs dieser Forderung Nachdruck geben. Für die Gemeine war der Stillstand, den der Rat in Vorschlag brachte, eine empörende Zumntung, uicht weil sie die Kurzsichtigkeit des Planes einsah, 1) Bachmann II, 502. 2) Esch. L 50.
Der Rat will einlenken. 61 sollte sich zeigen, daß die Breslauer oder vielmehr ihre geistlichen Politiker weit sicherer zielten. Aber znuächst hatte die Unternehmung Georgs den Vorteil, daß sie rascher zur Auswirkung gelangen konnte als die diplomatische Aktion der Breslaner, die den langen Weg über die Alpen ging. Wenn auch die Stadt selbst noch feine Kriegserklärung erhalten hatte, so geschah doch jetzt — Juli und August 1459 — schon genng, um sie einzuschüchtern. Die Fehde der Böhmen gegen die Prälaten machte die Handelswege und die Landgüter der wohlhabeuden Bürger unsicher. Und zu diesem wirtschaftlichen Druck trat ein neuer politischer. Georg hatte soeben eine enge Interessengemeinschaft mit Kaiser Friedrich begründet. Der Preis dieser Freundschaft war ein Verrat — und wohl der schwerste Verrat, den Georg je begangen hat: er opferte den Gefährten seines Aufstiegs, Mathias Corvinus, und versprach, dem Kaiser zur ungarischen Krone zu verhelfen 1). Dafür wurde ihm die reichsrechtliche Anerfennung seiner böhmischen Königswürde zugesichert. Am 3. August erhielt die Stadt Breslan ein Schreiben des Kaisers, worin dieser ihr mitteilte, daß er sich entschlossen habe, Georg die Belehnung zu erteilen2). Die nächste Gefahr, die von diesen neuen Widrigkeiten drohte, war die innere Zersetzung der Bewegnng. Die Prälaten und der Rat wurden des Kampfes müde. Sie brachten zu verschiedenen Malen vor der Gemeine in Vorschlag, man solle bei Georg einen befristeten Stillstand nachsuchen. Der schwarze Herzog von Öls bot ihnen auch schon seine Vermittlung beim Köuige an. Die Mehrheit des Rates mochte bei diesem Autrag — wie wenigstens Eschensoer versichert — uicht an Übergabe denken. Sie ging wohl von der Hoffnnng aus, daß bis zum Ablauf der Frist das Hilfsgesuch an den Papst seine Wirkung tun könnte. Man kann die Rechnung für den damaligen Zeit- punkt uicht richtig nennen — obwohl die Ereignisse später dazu geführt haben, daß in Ansschnb tatsächlich eine Lösung des Kouflikts gefnnden wurde. Ein Stilstand, der Georg und seine Bundesgenossen verpflichtete, die Stadt uicht zu schädigen, war zur Zeit nur denkbar unter der Voraussetzung, daß die Stadt sich verpflichtete, Georg zu huldigen, wenn der Papst sich für ihn aus, sprach. Durch ein solches Zugeständuis aber wurde der Druck aufgehoben, den die Stadt durch ihre letzten Forderungen auf den Papst ausüben wollte; da- gegen konnte sie durch standhaftes Ansharren und gerade auch durch die An- nahme eines friegerischen Angriffs dieser Forderung Nachdruck geben. Für die Gemeine war der Stillstand, den der Rat in Vorschlag brachte, eine empörende Zumntung, uicht weil sie die Kurzsichtigkeit des Planes einsah, 1) Bachmann II, 502. 2) Esch. L 50.
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62 Aufläufe der Gemeine gegen den Rat. sondern weil iht schon ein jeder, der von Frieden sprach, als ein Ketzer und Verräter galt. Der Rat wurde nicht mehr anders augesehen; die verlegene Behutsamkeit, mit der er der Gemeine gegeuübertrat, zog uur noch mehr Ver- dacht auf ihu. Die Prediger taten das Ihre, um den Argwohn zu verstärken. Weun sie von den Kanzeln verkündeten, der Papst werde von Ketzern irre- geleitet, so konnte und sollte das Volk meinen, diese Worte zielten auf den Rat. Es kam so weit, daß die Ratsherren selbst den Predigern wegen ihrer verhetzenden Sprache Vorsteslungen machten; aber diese ließen deunoch von ihren Aufreizungen nicht ab 1). Es müssen auch in der Tat einige Mitglieder der Ratsaristokratie die Sache der Stadt preisgegeben nnd mit dem Feinde heimlich unterhandelt haben. Eschenloer versichert zwar, es sei uichts erwiesen worden; aber die Indizien lassen kaum einen anderen Schluß zu2). Doch blieben diese Umtriebe geheim; es bestanden höchstens verschwomnmene Gerüchte über sie. Sie steigerten die Erregung; unittelbar zündeud aber wirkte, im Verein mit ihnen, schließlich die Uurnhe des beginnenden Kriegszustaudes. Waren auch die gemeldeten Feinde immer uur plündernde Streifscharen, so sah doch das Volk innerhalb der Stadt wie auf seinen ungeordneten Auszügen stets das Gespenst eines verräterischen Überfalls neben sich. Im Anschluß an einen dieser uuruhigen Momente fam es um den Bartholomäustag mehrfach zu Anfläufen der Gemeine gegen den Rat. Die Aufrührer Iärmten gewaltig; ein blutrünstiges fliegendes Blatt drohte den Ratmannen Untergang; die entschlossensten Handwerker legten schon den Harnisch an. Es gelang jedoch, das aufgeregte Volk durch gute Worte zu überzeugen, daß es uicht verraten werde. Der Ratsälteste und ein zweiter Rats- herr — Friedrich Reichard und Bernhard Skal — wurden gleich zu Beginn der Unruhen flüchtig. Um künftigen Wiederholungen vorzubengen, nahmen die Ratsherren an ihrer Stelle zwei Vertranensmänner des Volkes unter sich auf: es waren dies jene beiden Kaufleute Hannolt und Hornig, die vordem im Huldigungskonflikt namentlich zu den Predigern gehalten hatten und darum aus dem Rate gestoßen worden waren. Die Ratsherren, die für ihr Leben bangten, wären auch zu weitergehenden Zugeständnissen bereit gewesen; sie 1) Esch. D I, 86, 88, 90. 2) Reichard und Skal (s. u.) werden durch ihre Flucht verdächtig — mehr noch dadurch, daß sie später bei Georg Schutz suchten (Korr. 36 B, Script. rer. Siles. VIII, 39 f.). Aber wenn sie selbst — oder doch Skal, vgl. Esch. L 52 f. — un- schuldig waren und die Stadt nur aus Angst vor der Gemeine verließen, so zeigt doch der große Scharfrichterkongreß, den man wenige Tage nach ihrer Flucht aufhob, daß von irgend einer Seite ein Handstreich gegen die Gemeine geplant und die gewaltsame Auslieferung der Stadt an Georg vorbereitet war. (Vgl. Esch. L 54, D I, 98 f. In L verschweigt Esch., daß wirklich 14 Scharfrichter beim Stadtprofossen gefunden wurden; erst in D berichtet er offen über den unglücklichen Vorfall.)
62 Aufläufe der Gemeine gegen den Rat. sondern weil iht schon ein jeder, der von Frieden sprach, als ein Ketzer und Verräter galt. Der Rat wurde nicht mehr anders augesehen; die verlegene Behutsamkeit, mit der er der Gemeine gegeuübertrat, zog uur noch mehr Ver- dacht auf ihu. Die Prediger taten das Ihre, um den Argwohn zu verstärken. Weun sie von den Kanzeln verkündeten, der Papst werde von Ketzern irre- geleitet, so konnte und sollte das Volk meinen, diese Worte zielten auf den Rat. Es kam so weit, daß die Ratsherren selbst den Predigern wegen ihrer verhetzenden Sprache Vorsteslungen machten; aber diese ließen deunoch von ihren Aufreizungen nicht ab 1). Es müssen auch in der Tat einige Mitglieder der Ratsaristokratie die Sache der Stadt preisgegeben nnd mit dem Feinde heimlich unterhandelt haben. Eschenloer versichert zwar, es sei uichts erwiesen worden; aber die Indizien lassen kaum einen anderen Schluß zu2). Doch blieben diese Umtriebe geheim; es bestanden höchstens verschwomnmene Gerüchte über sie. Sie steigerten die Erregung; unittelbar zündeud aber wirkte, im Verein mit ihnen, schließlich die Uurnhe des beginnenden Kriegszustaudes. Waren auch die gemeldeten Feinde immer uur plündernde Streifscharen, so sah doch das Volk innerhalb der Stadt wie auf seinen ungeordneten Auszügen stets das Gespenst eines verräterischen Überfalls neben sich. Im Anschluß an einen dieser uuruhigen Momente fam es um den Bartholomäustag mehrfach zu Anfläufen der Gemeine gegen den Rat. Die Aufrührer Iärmten gewaltig; ein blutrünstiges fliegendes Blatt drohte den Ratmannen Untergang; die entschlossensten Handwerker legten schon den Harnisch an. Es gelang jedoch, das aufgeregte Volk durch gute Worte zu überzeugen, daß es uicht verraten werde. Der Ratsälteste und ein zweiter Rats- herr — Friedrich Reichard und Bernhard Skal — wurden gleich zu Beginn der Unruhen flüchtig. Um künftigen Wiederholungen vorzubengen, nahmen die Ratsherren an ihrer Stelle zwei Vertranensmänner des Volkes unter sich auf: es waren dies jene beiden Kaufleute Hannolt und Hornig, die vordem im Huldigungskonflikt namentlich zu den Predigern gehalten hatten und darum aus dem Rate gestoßen worden waren. Die Ratsherren, die für ihr Leben bangten, wären auch zu weitergehenden Zugeständnissen bereit gewesen; sie 1) Esch. D I, 86, 88, 90. 2) Reichard und Skal (s. u.) werden durch ihre Flucht verdächtig — mehr noch dadurch, daß sie später bei Georg Schutz suchten (Korr. 36 B, Script. rer. Siles. VIII, 39 f.). Aber wenn sie selbst — oder doch Skal, vgl. Esch. L 52 f. — un- schuldig waren und die Stadt nur aus Angst vor der Gemeine verließen, so zeigt doch der große Scharfrichterkongreß, den man wenige Tage nach ihrer Flucht aufhob, daß von irgend einer Seite ein Handstreich gegen die Gemeine geplant und die gewaltsame Auslieferung der Stadt an Georg vorbereitet war. (Vgl. Esch. L 54, D I, 98 f. In L verschweigt Esch., daß wirklich 14 Scharfrichter beim Stadtprofossen gefunden wurden; erst in D berichtet er offen über den unglücklichen Vorfall.)
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Allgemeiner Krieg gegen Breslau. 63 boten der Gemeine an, sie möge selbst eine Neuordnung des Rates vornehmen; aber diese weigerte sich dessen. Sie war vollauf befriedigt von dem Eindruck, den sie erzielte; sie dachte uicht daran, aus ihrer Unverantwortlichkeit heraus zutreten. Durch ihre drohende Geberde wurde freilich auch allen Widersprüchen und Umtrieben ein Ende gemacht; es gab uur noch eine Politik der Stadt, die des Ausharrens 1). Es war anch an der Zeit; denn unmittelbar nach jenen Unruhen stand die Stadt mitten unter Feinden2). Am 28. Angust erhielt die Stadt einen Korb, gefüllt mit Entsagbriefen von böhmischen Städten nnd Adligen. Am 14. September folgte die Fehdeerklärung einiger der vornehmsten katholischen Herren Böhmens, am 26. die Absage Johanns von Rosenberg, des Landes- hauptmanns im Fürstentum Breslau. Georg erschien Ende August in Schlesien und empfing von allen Seiten die Huldigung. Am 7. und 14. September ließen die schlesischen Fürsten der Stadt letzte Verwarnungen zukommen. Als sie uicht antwortete, gab ihr am 20. September Heinrich von Krossen zu wissen, er werde uicht anders köunen, als seinem Herrn gegen sie beistehen. Am 28. und 29. September entsagten ihr ohne solche Höflichkeit die Stände von Schweiduitz-Janer und die übrigen Fürsten, mit Ausnahme derer von Lieguitz und Sagan. Anch die engeren Verbände, in denen Breslan stand, lösten sich anf. Am 7. September öffnete Neumarkt einem feindlichen Heer- haufen seine Tore. Bald danach fielen die Landsassen des Fürstentums ab und huldigten Georg, obwohl sie zum Teil Breslauer Kinder waren; nur Namslau blieb tren. — Der Prälaten war man nicht mehr sicher. Bischof Jost war von Mantua nach Schlesien — wenn anch nicht nach Breslan — zurückgefehrt; es war bekannt, daß der Bescheid, den er vom Papste mitbrachte, keine Unterstützung des Widerstandes bedentete. Die Prälaten gaben dem Druck der Lage nach. Manche flüchteten; die übrigen leisteten passiven Wider- stand gegen die Stadt: sie kündigten ihr das Söldnerkontingent, auf das sie sich verpflichtet hatten. Sie fanden für ihre Friedensneigung bei den Feinden ein freundliches Eutgegenfommen; die böhmischen Plünderungszüge schonten jetzt das geistliche Gut und richteten sich umsomehr auf die bürgerlichen Be- sitzungen 5). Selbst die Söldner der Stadt kamen in Verwirrung. Einige 1) Die Unruhen vom August 1459 schildert Eschenloer L 51—53 o, 53 u—54 o; D I, 95—97, 98 f. Das lebendige Bild der Ereignisse kann man nur aus Esch. selbst nehmnen; auf genaue Nacherzählung in einzelnen habe ich darum verzichtet. Das Gleiche gilt von den weiter unten erzählten Kriegsereignissen im September und Oktober. 2) Esch. L 54—55 o, 56 f. 3) Diese Nachricht nur bei Esch. D I, 105. Sie hat aber innere Wahr- scheinlichkeit; hier war wohl die Einwirkung des Bischofs mit im Spiele.
Allgemeiner Krieg gegen Breslau. 63 boten der Gemeine an, sie möge selbst eine Neuordnung des Rates vornehmen; aber diese weigerte sich dessen. Sie war vollauf befriedigt von dem Eindruck, den sie erzielte; sie dachte uicht daran, aus ihrer Unverantwortlichkeit heraus zutreten. Durch ihre drohende Geberde wurde freilich auch allen Widersprüchen und Umtrieben ein Ende gemacht; es gab uur noch eine Politik der Stadt, die des Ausharrens 1). Es war anch an der Zeit; denn unmittelbar nach jenen Unruhen stand die Stadt mitten unter Feinden2). Am 28. Angust erhielt die Stadt einen Korb, gefüllt mit Entsagbriefen von böhmischen Städten nnd Adligen. Am 14. September folgte die Fehdeerklärung einiger der vornehmsten katholischen Herren Böhmens, am 26. die Absage Johanns von Rosenberg, des Landes- hauptmanns im Fürstentum Breslau. Georg erschien Ende August in Schlesien und empfing von allen Seiten die Huldigung. Am 7. und 14. September ließen die schlesischen Fürsten der Stadt letzte Verwarnungen zukommen. Als sie uicht antwortete, gab ihr am 20. September Heinrich von Krossen zu wissen, er werde uicht anders köunen, als seinem Herrn gegen sie beistehen. Am 28. und 29. September entsagten ihr ohne solche Höflichkeit die Stände von Schweiduitz-Janer und die übrigen Fürsten, mit Ausnahme derer von Lieguitz und Sagan. Anch die engeren Verbände, in denen Breslan stand, lösten sich anf. Am 7. September öffnete Neumarkt einem feindlichen Heer- haufen seine Tore. Bald danach fielen die Landsassen des Fürstentums ab und huldigten Georg, obwohl sie zum Teil Breslauer Kinder waren; nur Namslau blieb tren. — Der Prälaten war man nicht mehr sicher. Bischof Jost war von Mantua nach Schlesien — wenn anch nicht nach Breslan — zurückgefehrt; es war bekannt, daß der Bescheid, den er vom Papste mitbrachte, keine Unterstützung des Widerstandes bedentete. Die Prälaten gaben dem Druck der Lage nach. Manche flüchteten; die übrigen leisteten passiven Wider- stand gegen die Stadt: sie kündigten ihr das Söldnerkontingent, auf das sie sich verpflichtet hatten. Sie fanden für ihre Friedensneigung bei den Feinden ein freundliches Eutgegenfommen; die böhmischen Plünderungszüge schonten jetzt das geistliche Gut und richteten sich umsomehr auf die bürgerlichen Be- sitzungen 5). Selbst die Söldner der Stadt kamen in Verwirrung. Einige 1) Die Unruhen vom August 1459 schildert Eschenloer L 51—53 o, 53 u—54 o; D I, 95—97, 98 f. Das lebendige Bild der Ereignisse kann man nur aus Esch. selbst nehmnen; auf genaue Nacherzählung in einzelnen habe ich darum verzichtet. Das Gleiche gilt von den weiter unten erzählten Kriegsereignissen im September und Oktober. 2) Esch. L 54—55 o, 56 f. 3) Diese Nachricht nur bei Esch. D I, 105. Sie hat aber innere Wahr- scheinlichkeit; hier war wohl die Einwirkung des Bischofs mit im Spiele.
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64 Gefahrvolle Augenblicke. Die schlechte Rüstung der Stadt. ertappte man, wie sie heimlich aus Breslau entweichen wollten; zwei geworbene Ritter gingen offen zum Feinde über. Zweimal uahmen die Scharmützel vor der Stadt einen gefahrvollen Umfang an. Am 8. September, also noch vor den Fehdeerklärnngen aus Schlesien versuchten die Breslauer und ihre Sölduer zu verhüten, daß sie von Hof und Schloß Lissa (halbwegs zwischen Breslan und Neumarkt) abgeschnitten wurden; sie entgingen dabei nur durch schlennigen Rückzig mit knapper Not einem Hinterhalt1). Drei Wochen später bildeten die Schlesier, unmittelbar nach ihrer Kriegserklärung, zwei starke Heerhanfen; diese vereinigten sich im Norden Breslaus, wo das Gebiet der Ölser Fürsten bis nahe an die Stadt heranreichte. Die Absicht der Feinde war, die geistlichen Vorstädte auf dem nördlichen Oderufer, das Vinzenzkloster und das Domgebiet, zu überrumpeln. Es war gewiß, daß die Geistlichkeit der Besetzung keinen Widerstand leisten würde; ein weiterer Angriff anf die Stadt selbst war dann dadurch erleichtert, daß die Oder in diesem Herbst sehr wasserarm war. Mit eilig zusammen- gerafften Haufen wurde dieser Angriff am 1. Oktober (Remigiustag) vor dem Vinzenzkloster abgeschlagen2). „Nach der gebrechlichen Art der Menschen hätte Breslan gebeugt werden müssen; sein Mut war nicht mehr menschlich." So rühmt Eschenloer; aber an anderer Stelle, bei der Erzählung von dem Kampf am Vinzenzkloster, hat er ein anderes Wunder zu preisen: „O glorreicher Gott; du verteidigst die Stadt, auch wenn die Bürger uichts dazu tun wollen“ 3). Es war in der Tat mertwürdig: so starrsinnig die Bürger waren und so hoch sie von ihrer Leistung dachten, so schlecht war ihre Verteidigung. Das Volk war zu keiner Ordnung zu bringen. Der Zug nach Lissa ging, allen Anweisungen der Führer zum Trotz, so regellos vor sich, daß schließlich von Breslan bis Lissa eine zusammhanglose Kolonne waffentragender Spaziergänger stand: ein Überfall hätte alles zersprengt oder uiedergemacht. Es war den Ratmannen nicht zu verargen, daß sie die bürgerliche Wehrmacht uur ungern zusammenriefen; sie hatten die Panik eines Alarms oft genug erlebt. Im übrigen aber hatten auch sie für die Verteidigung Breslaus nur unvollkommen gesorgt. Ihr Blick reichte gemeinhin nur soweit, als alles mit Geld zu leisten war: die Stadt war ver proviantiert; Geschütz und Streitwagen4) waren angeschafft. Söldner waren geworben, und auf ihre Kerntruppe, die „Hofeleute“, konnte man sich wohl verlassen. Aber es fehlte dem Rate —zunächst wenigstens — an Unternehmungs- geist — und an Willen, Zucht zu halten. Das Mistranen, das er in die 1) Esch. L 55, D I, 101 f. 2) Esch. L 57 u—58, D I, 106—110. 3) L 57, 58 0. 4) Curruagium, Wagenburg, L 61, D I, 115.
64 Gefahrvolle Augenblicke. Die schlechte Rüstung der Stadt. ertappte man, wie sie heimlich aus Breslau entweichen wollten; zwei geworbene Ritter gingen offen zum Feinde über. Zweimal uahmen die Scharmützel vor der Stadt einen gefahrvollen Umfang an. Am 8. September, also noch vor den Fehdeerklärnngen aus Schlesien versuchten die Breslauer und ihre Sölduer zu verhüten, daß sie von Hof und Schloß Lissa (halbwegs zwischen Breslan und Neumarkt) abgeschnitten wurden; sie entgingen dabei nur durch schlennigen Rückzig mit knapper Not einem Hinterhalt1). Drei Wochen später bildeten die Schlesier, unmittelbar nach ihrer Kriegserklärung, zwei starke Heerhanfen; diese vereinigten sich im Norden Breslaus, wo das Gebiet der Ölser Fürsten bis nahe an die Stadt heranreichte. Die Absicht der Feinde war, die geistlichen Vorstädte auf dem nördlichen Oderufer, das Vinzenzkloster und das Domgebiet, zu überrumpeln. Es war gewiß, daß die Geistlichkeit der Besetzung keinen Widerstand leisten würde; ein weiterer Angriff anf die Stadt selbst war dann dadurch erleichtert, daß die Oder in diesem Herbst sehr wasserarm war. Mit eilig zusammen- gerafften Haufen wurde dieser Angriff am 1. Oktober (Remigiustag) vor dem Vinzenzkloster abgeschlagen2). „Nach der gebrechlichen Art der Menschen hätte Breslan gebeugt werden müssen; sein Mut war nicht mehr menschlich." So rühmt Eschenloer; aber an anderer Stelle, bei der Erzählung von dem Kampf am Vinzenzkloster, hat er ein anderes Wunder zu preisen: „O glorreicher Gott; du verteidigst die Stadt, auch wenn die Bürger uichts dazu tun wollen“ 3). Es war in der Tat mertwürdig: so starrsinnig die Bürger waren und so hoch sie von ihrer Leistung dachten, so schlecht war ihre Verteidigung. Das Volk war zu keiner Ordnung zu bringen. Der Zug nach Lissa ging, allen Anweisungen der Führer zum Trotz, so regellos vor sich, daß schließlich von Breslan bis Lissa eine zusammhanglose Kolonne waffentragender Spaziergänger stand: ein Überfall hätte alles zersprengt oder uiedergemacht. Es war den Ratmannen nicht zu verargen, daß sie die bürgerliche Wehrmacht uur ungern zusammenriefen; sie hatten die Panik eines Alarms oft genug erlebt. Im übrigen aber hatten auch sie für die Verteidigung Breslaus nur unvollkommen gesorgt. Ihr Blick reichte gemeinhin nur soweit, als alles mit Geld zu leisten war: die Stadt war ver proviantiert; Geschütz und Streitwagen4) waren angeschafft. Söldner waren geworben, und auf ihre Kerntruppe, die „Hofeleute“, konnte man sich wohl verlassen. Aber es fehlte dem Rate —zunächst wenigstens — an Unternehmungs- geist — und an Willen, Zucht zu halten. Das Mistranen, das er in die 1) Esch. L 55, D I, 101 f. 2) Esch. L 57 u—58, D I, 106—110. 3) L 57, 58 0. 4) Curruagium, Wagenburg, L 61, D I, 115.
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Kurzsichtige und ungeregelte Verteidigung. 65 Disziplin der Gemeine setzte, hatte zur Folge, daß er so lange wie möglich — nichts geschehen ließ; auch wußte er nichts von organisatorischen Vorbereitungen. Gelegentliche Anordnungen der Söldnerführer oder des patrizischen Kriegs- sachverständigen Georg Steinkeller mußten den mangelnden Oberbefehl ersetzen. Erst nach dem Auszuge gegen Lissa wurde der Wachtdienst sorgfältiger ge- regelt 1). Die Abwehr des Angriffs auf das Vinzenzkloster zeugte an mehr als einem Punkte von Kurzsichtigkeit und Verwirrung. Man wußte von der Vereinigung der schlesischen Heere; für die Nacht vor dem 1. Oktober war schon ein Plan entworfen, nach dem man dem Angriff der Feinde durch einen Überfall anf ihr Lager zuvorkommen wollte. Dieser Plan wurde aufgegeben, weil ein Ratmann warnte, daß „die Nacht keines Menschen Freund“ sei. Ob diese Bedachtsamkeit wohl angebracht war, können wir schlecht beurteilen; doch meint selbst Eschenloer, der Ausfall hätte nichts schaden können2). Jeden falls aber war man genug gewarnt, um am nächsten Morgen einen feindlichen Überfall erwarten zu können. Trotzdem sah die Stadt am Morgen des 1. Ottober aus, als stünde sie nicht im Kriege. Die Handwerker gingen ihrer Arbeit nach, und der Rat ließ sie geflissentlich dabei, als der Feind schon heranrückte. Die Söldner, die sich beim Kloster aufhielten, wurden zunächst uur von einigen abentenerlustigen Bürgern unterstützt. Erst als der Anlaus der feindlichen Reisigen von den Söldnern zurückgeworfen war, zog man die Sturmglocke, und deren Schall hatte freilich die Wirkung, daß die Feinde in Verwirrung gerieten; hinter den Fliehenden aber trieben die Breslauer umher „wie Schafe ohne Hirten". Die Stadt hatte wohl großes Geschütz; aber als man es heranbrachte, war es uicht geladen, und als man Pulver holte, fiel dem Faß der Boden aus. — Vergleicht man die Rüstung der Breslauer etwa mit der, durch die sich zehn Jahre zuvor Nürnberg gegen Albrecht Achilles hiest, oder mit der Verteidignng von Neuß gegen Karl den Kühnen, so erkennt man, daß der friegerische Geist der Stadt weit unter der Höhe stand, die dem Bürgertum der Zeit noch zugänglich war. Wenn die Breslauer nicht unterlagen, so verdankten sie dies nicht zuletzt den eigentümlichen Umständen, unter denen ihre Feinde kämpften. Podiebrad war durch das päpstliche Friedensgebot verhindert, persönlich zu ihrer Be- strafung anszuziehen. Aber selbst wenn dieses Gebot nicht bestanden hätte, wäre es für ihn bedenklich gewesen, mit einer großen Streitmacht, wie sie zur Bezwingung der großen Stadt nötig war, im Felde vor Breslau zu erscheinen. Denn das umliegende Land, aus dem dies Heer hätte verpflegt werden müssen, 1) Esch. L 56 o und zumal D I, 103 o. 2) D I, 107. Darstellungen und Quellen XXII. 5
Kurzsichtige und ungeregelte Verteidigung. 65 Disziplin der Gemeine setzte, hatte zur Folge, daß er so lange wie möglich — nichts geschehen ließ; auch wußte er nichts von organisatorischen Vorbereitungen. Gelegentliche Anordnungen der Söldnerführer oder des patrizischen Kriegs- sachverständigen Georg Steinkeller mußten den mangelnden Oberbefehl ersetzen. Erst nach dem Auszuge gegen Lissa wurde der Wachtdienst sorgfältiger ge- regelt 1). Die Abwehr des Angriffs auf das Vinzenzkloster zeugte an mehr als einem Punkte von Kurzsichtigkeit und Verwirrung. Man wußte von der Vereinigung der schlesischen Heere; für die Nacht vor dem 1. Oktober war schon ein Plan entworfen, nach dem man dem Angriff der Feinde durch einen Überfall anf ihr Lager zuvorkommen wollte. Dieser Plan wurde aufgegeben, weil ein Ratmann warnte, daß „die Nacht keines Menschen Freund“ sei. Ob diese Bedachtsamkeit wohl angebracht war, können wir schlecht beurteilen; doch meint selbst Eschenloer, der Ausfall hätte nichts schaden können2). Jeden falls aber war man genug gewarnt, um am nächsten Morgen einen feindlichen Überfall erwarten zu können. Trotzdem sah die Stadt am Morgen des 1. Ottober aus, als stünde sie nicht im Kriege. Die Handwerker gingen ihrer Arbeit nach, und der Rat ließ sie geflissentlich dabei, als der Feind schon heranrückte. Die Söldner, die sich beim Kloster aufhielten, wurden zunächst uur von einigen abentenerlustigen Bürgern unterstützt. Erst als der Anlaus der feindlichen Reisigen von den Söldnern zurückgeworfen war, zog man die Sturmglocke, und deren Schall hatte freilich die Wirkung, daß die Feinde in Verwirrung gerieten; hinter den Fliehenden aber trieben die Breslauer umher „wie Schafe ohne Hirten". Die Stadt hatte wohl großes Geschütz; aber als man es heranbrachte, war es uicht geladen, und als man Pulver holte, fiel dem Faß der Boden aus. — Vergleicht man die Rüstung der Breslauer etwa mit der, durch die sich zehn Jahre zuvor Nürnberg gegen Albrecht Achilles hiest, oder mit der Verteidignng von Neuß gegen Karl den Kühnen, so erkennt man, daß der friegerische Geist der Stadt weit unter der Höhe stand, die dem Bürgertum der Zeit noch zugänglich war. Wenn die Breslauer nicht unterlagen, so verdankten sie dies nicht zuletzt den eigentümlichen Umständen, unter denen ihre Feinde kämpften. Podiebrad war durch das päpstliche Friedensgebot verhindert, persönlich zu ihrer Be- strafung anszuziehen. Aber selbst wenn dieses Gebot nicht bestanden hätte, wäre es für ihn bedenklich gewesen, mit einer großen Streitmacht, wie sie zur Bezwingung der großen Stadt nötig war, im Felde vor Breslau zu erscheinen. Denn das umliegende Land, aus dem dies Heer hätte verpflegt werden müssen, 1) Esch. L 56 o und zumal D I, 103 o. 2) D I, 107. Darstellungen und Quellen XXII. 5
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66 Die natürliche Ungunst in der Lage der Angreifer. gehörte ja im weiten Unkreise den Bundesgenossen des Königs, den schlesischen Fürsten und Adligen. Auch jetzt waren diese natürlich wenig geneigt, ihr eigenes Gebiet mit kriegerischen Lasten zu beschweren. Nur in kleinen Ab- teilungen, auf Höse und Städte verteilt, kounten die böhmischen und schlesischen Streitkräfte die Stadt und ihre Verbindungen beobachten. Es war schwer, diese Trupps zu größeren Massen zu vereinigen, und wenn dies einmal gelang, wie bei dem Angriff auf das Vinzenzkloster, so konnte doch das Heer uur wenige Tage im Felde zusammenbleiben. In gewisser Weise kam also der Stadt ihre eingeengte Lage militärisch zugute: sie hatte ringsum soviel Feinde und so wenig eigenes Vorgelände, daß der Feind keinen Boden fand. Nach dem Kampf am Kloster lernte auch der Rat, sich die Nachbarschaft der Feinde zunutze zu machen. Die Breslauer Söldner fielen plündernd in das Gebiet der Ölser Herzöge ein; diese baten alsbald um einen langen Stillstand und erhielten ihn 1). Dadurch wurde das Oderufer mit den geistlichen Vorstädten aus dem Kampje gezogen, und die Stadt gewann vor allem anch wieder freien Weg für ihre Zufuhren aus dem Königreich Polen. Die Kampfzone blieb von nun an wieder auf die Gegenden beschränkt, in denen sie vor der Kriegs: erklärung der Schlesier gelegen hatte: auf den nordwestlichen und den süd- lichen Landstrich des Fürstentums. Im Nordwesten hatte der Auszug nach Lissa vom 8. September trotz der „wunderbaren Rettung“ des Volkes einen Fehlschlag bedeutet: es war nicht gelungen, den Platz zu erreichen und zu sichern oder wenigstens abzubrennen. Das Schloß wurde bald darauf von seinem Besitzer den Feinden ausgeliefert, und im Laufe des Herbstes bildete sich in dieser Gegend durch den Anschluß der Höfe Gohlau und Goldschmieden ein zusammenhängendes Netz gegnerischer Ranbnester und Stützpuntte. Im Süden des Fürstentums, in der Richtung auf Münsterberg, blieben da- gegen die feindlichen Besatzungen in zerstreuter Lage, und so konnten die Breslauer Hofeleute und Bürger gelegentlich einmal einen raschen und erfolg reichen Handstreich gegen das besonders lästige Bohrau2) ausführen (15. Oktober). Während die Bürgertruppen sich früher bei ähnlichen Anszügen aus Mistrauen gegen ihre Führung leicht aufgesöst hatten, hielten sie diesmal bis zum Erfolg aus: der Rat rettete nämlich die Disziplin, indem er für die besten Sturm- leistungen abgestufte Preise aussetzte. Bei einem solchen vereinzelten Vorstoß muste es freilich sein Bewenden haben. Obwohl die Stadt wie bei diesem Angriff so bei jedem Vorstoß auj der Südseite des Fürstentums leicht die Oberhand gewinnen kounte, war es 1) L 58, 60 f., Korr. 30 (Script. rer. Siles. VIII, 35 f.). 2) Kreis Strehlen.
66 Die natürliche Ungunst in der Lage der Angreifer. gehörte ja im weiten Unkreise den Bundesgenossen des Königs, den schlesischen Fürsten und Adligen. Auch jetzt waren diese natürlich wenig geneigt, ihr eigenes Gebiet mit kriegerischen Lasten zu beschweren. Nur in kleinen Ab- teilungen, auf Höse und Städte verteilt, kounten die böhmischen und schlesischen Streitkräfte die Stadt und ihre Verbindungen beobachten. Es war schwer, diese Trupps zu größeren Massen zu vereinigen, und wenn dies einmal gelang, wie bei dem Angriff auf das Vinzenzkloster, so konnte doch das Heer uur wenige Tage im Felde zusammenbleiben. In gewisser Weise kam also der Stadt ihre eingeengte Lage militärisch zugute: sie hatte ringsum soviel Feinde und so wenig eigenes Vorgelände, daß der Feind keinen Boden fand. Nach dem Kampf am Kloster lernte auch der Rat, sich die Nachbarschaft der Feinde zunutze zu machen. Die Breslauer Söldner fielen plündernd in das Gebiet der Ölser Herzöge ein; diese baten alsbald um einen langen Stillstand und erhielten ihn 1). Dadurch wurde das Oderufer mit den geistlichen Vorstädten aus dem Kampje gezogen, und die Stadt gewann vor allem anch wieder freien Weg für ihre Zufuhren aus dem Königreich Polen. Die Kampfzone blieb von nun an wieder auf die Gegenden beschränkt, in denen sie vor der Kriegs: erklärung der Schlesier gelegen hatte: auf den nordwestlichen und den süd- lichen Landstrich des Fürstentums. Im Nordwesten hatte der Auszug nach Lissa vom 8. September trotz der „wunderbaren Rettung“ des Volkes einen Fehlschlag bedeutet: es war nicht gelungen, den Platz zu erreichen und zu sichern oder wenigstens abzubrennen. Das Schloß wurde bald darauf von seinem Besitzer den Feinden ausgeliefert, und im Laufe des Herbstes bildete sich in dieser Gegend durch den Anschluß der Höfe Gohlau und Goldschmieden ein zusammenhängendes Netz gegnerischer Ranbnester und Stützpuntte. Im Süden des Fürstentums, in der Richtung auf Münsterberg, blieben da- gegen die feindlichen Besatzungen in zerstreuter Lage, und so konnten die Breslauer Hofeleute und Bürger gelegentlich einmal einen raschen und erfolg reichen Handstreich gegen das besonders lästige Bohrau2) ausführen (15. Oktober). Während die Bürgertruppen sich früher bei ähnlichen Anszügen aus Mistrauen gegen ihre Führung leicht aufgesöst hatten, hielten sie diesmal bis zum Erfolg aus: der Rat rettete nämlich die Disziplin, indem er für die besten Sturm- leistungen abgestufte Preise aussetzte. Bei einem solchen vereinzelten Vorstoß muste es freilich sein Bewenden haben. Obwohl die Stadt wie bei diesem Angriff so bei jedem Vorstoß auj der Südseite des Fürstentums leicht die Oberhand gewinnen kounte, war es 1) L 58, 60 f., Korr. 30 (Script. rer. Siles. VIII, 35 f.). 2) Kreis Strehlen.
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Die Stadt hält sich. Pius muß endlich eingreifen. 67 nicht möglich, diese Gegend plannäßig zu reinigen und so ein sicherndes Vor- gelände zu schaffen. Man hätte die eroberten Plätze nicht alle besetzen können; man hätte sie, wie es mit Bohran geschah, niederbrennen müssen und durch solche Verwüstung die Verpflegung der Stadt, die doch nicht ganz auf dem aufgespeicherten Getreide und den polnischen Zufuhren beruhen konnte, höchst ungünstig beeinflußt. Weun die Feinde die ländliche Umgebung Breslaus in gewissem Umfange schonen musten, so mußten die Breslauer das nicht minder tun. Hier zeigte sich ihre Einengung von ihrer ungünstigen Seite. Der militärische Druck und die Absperrung im Süden und Westen waren also nicht aujzuheben. Für den Breslaner Handel hätten diese Verhältnisse wie der Kriegszustand überhaupt anj die Daner verderblich werden müssen. In einem zähen Kleinfrieg war die Stadt wohl zu überwinden. Für einen solchen Krieg aber war den Feinden feine Zeit gelassen. Denn während der Verteidigungskämpfe Breslaus gesangte die beste Gegenoperation der Stadt, ihre Arbeit an der päpstlichen Kurie, zu einem guten Erfolg. Das Schreiben der Stadt vom 23. Juli, das den Papst auf seine religiöse Verantwortung festnagelte und ihm zugleich die Gefahr einer kriegerischen Verwicklung dringlich darstellte, kam in ieder Hinsicht zur rechten Stunde. Gerade, als es in Mantna eintraj, sahen die Aussichten der Breslauer am päpstlichen Hoje so ungünstig wie möglich aus. Pius II. hat während seiner kurzen Regierung unermüdlich danach gestrebt, die Geltung des römischen Stuhles, die nach der Kirchenspaltung und der Kouzilsepoche erst seit kurzem wieder hergestellt war, durch glänzende Demoustrationen nud diktatorische Kundgebungen augenjällig und unbezweijel bar werden zu lassen. Jn späteren Jahren ist gerade der Kampj gegen Podiebrad und den Utraquismus für ihn eine Aufgabe hierarchischer Politik geworden. Damals aber, als seine Herrschaft noch in den Anfängen stand, trat alles zurück vor seinem Hauptplane: dem großen Krenzzuge gegen die Türten. Die westliche Macht Podiebrads sollte hierfür dienen; um ihrer sicher zu werden, stellte er seine Bedenken gegen die Kirchenpolitik des Königs zurück. Er ging darin noch weiter, als die Breslauer bei Abfassung ihrer letzten Bitt- schrift ahnen founten. Als er im Angust 1459 Klarheit darüber hatte, daß Georgs Herrschaft befestigt war, verzichtete er gern darauf, die Beschwerden der Schlesier einem Gericht anf dem Mantuaner Kongreß zu unterwerjen. Er ließ Georg vielmehr wissen, es liege ihm fern, sich zum Richter zwischen ihm und ihnen aufzuwerfen; er wünsche uichts sehulicher, als daß sie ihm gehorchten. Gleichzeitig gab er dem Bischof von Breslau, der sich soeben zur Abreise von Mautua rüstete, ein Schreiben an Stadt und Klerus mit, 5*
Die Stadt hält sich. Pius muß endlich eingreifen. 67 nicht möglich, diese Gegend plannäßig zu reinigen und so ein sicherndes Vor- gelände zu schaffen. Man hätte die eroberten Plätze nicht alle besetzen können; man hätte sie, wie es mit Bohran geschah, niederbrennen müssen und durch solche Verwüstung die Verpflegung der Stadt, die doch nicht ganz auf dem aufgespeicherten Getreide und den polnischen Zufuhren beruhen konnte, höchst ungünstig beeinflußt. Weun die Feinde die ländliche Umgebung Breslaus in gewissem Umfange schonen musten, so mußten die Breslauer das nicht minder tun. Hier zeigte sich ihre Einengung von ihrer ungünstigen Seite. Der militärische Druck und die Absperrung im Süden und Westen waren also nicht aujzuheben. Für den Breslaner Handel hätten diese Verhältnisse wie der Kriegszustand überhaupt anj die Daner verderblich werden müssen. In einem zähen Kleinfrieg war die Stadt wohl zu überwinden. Für einen solchen Krieg aber war den Feinden feine Zeit gelassen. Denn während der Verteidigungskämpfe Breslaus gesangte die beste Gegenoperation der Stadt, ihre Arbeit an der päpstlichen Kurie, zu einem guten Erfolg. Das Schreiben der Stadt vom 23. Juli, das den Papst auf seine religiöse Verantwortung festnagelte und ihm zugleich die Gefahr einer kriegerischen Verwicklung dringlich darstellte, kam in ieder Hinsicht zur rechten Stunde. Gerade, als es in Mantna eintraj, sahen die Aussichten der Breslauer am päpstlichen Hoje so ungünstig wie möglich aus. Pius II. hat während seiner kurzen Regierung unermüdlich danach gestrebt, die Geltung des römischen Stuhles, die nach der Kirchenspaltung und der Kouzilsepoche erst seit kurzem wieder hergestellt war, durch glänzende Demoustrationen nud diktatorische Kundgebungen augenjällig und unbezweijel bar werden zu lassen. Jn späteren Jahren ist gerade der Kampj gegen Podiebrad und den Utraquismus für ihn eine Aufgabe hierarchischer Politik geworden. Damals aber, als seine Herrschaft noch in den Anfängen stand, trat alles zurück vor seinem Hauptplane: dem großen Krenzzuge gegen die Türten. Die westliche Macht Podiebrads sollte hierfür dienen; um ihrer sicher zu werden, stellte er seine Bedenken gegen die Kirchenpolitik des Königs zurück. Er ging darin noch weiter, als die Breslauer bei Abfassung ihrer letzten Bitt- schrift ahnen founten. Als er im Angust 1459 Klarheit darüber hatte, daß Georgs Herrschaft befestigt war, verzichtete er gern darauf, die Beschwerden der Schlesier einem Gericht anf dem Mantuaner Kongreß zu unterwerjen. Er ließ Georg vielmehr wissen, es liege ihm fern, sich zum Richter zwischen ihm und ihnen aufzuwerfen; er wünsche uichts sehulicher, als daß sie ihm gehorchten. Gleichzeitig gab er dem Bischof von Breslau, der sich soeben zur Abreise von Mautua rüstete, ein Schreiben an Stadt und Klerus mit, 5*
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68 Entsendung zweier Legaten. in dem er sie aufforderte, dem Könige Georg zuzugestehen, was seines Rechtes sei, und sich mit ihm friedlich zu vertragen, ehe er sie mit den Waffen zwingen müsse1). Wäre Pius bei diesem Bescheid verblieben, so hätten die Breslauer verzweifeln müssen. Aber sie hatten, von ihren scharf denkenden geistlichen Führern geleitet, den rechten Gegenschritt schon unternommen; sie hatten dem Papst die Forderung gestellt, er müsse erst die religiöse Gewissensfrage unter suchen und über den Glauben Podiebrads volle Klarheit geben, ehe er sein Königtum anerkenne. Der Brief der Breslauer vom Juli, der dem Papste bald nach dem Abschied des Bischofs zugegangen sein muß, erwies sich als ein Hemmnis, das Pius nicht kurzerhand beiseite schieben konnte. Er erhielt durch dieses Mahnschreiben eine ernstere Auffassung von der Lage; er ent schloß sich zu einer wohlwollenden Behandlung der Beschwerde. Dem Verlangen der Breslauer zu folgen, ein Glanbensgericht über Georg zu verhängen, war für ihn unmöglich; die Gewifsensbedenken der Breslaner mußten so beschwichtigt werden, daß sie von dieser Forderung zurücktraten und sich Georg freiwillig unterwarfen. Diese Vermittlungsaktion mußte in Breslau selbst betrieben werden, wenn sie rasch zu einem Ziele führen sollte. Pius beauftragte demgemäßz Aufang September den Erzbischof von Kreta, Hieronymus Lando, sich mit dem Doktor Franz von Toledo nach Breslau zu begeben, um die Versöhnung der Stadt mit dem Könige zustande zu bringen. Ende des Monats wußten die Breslaner bereits von dieser Wendung2). Sie konnten freilich nicht erwarten, daß der Papst jetzt schon umgestimmt sei und durch die Legaten zu ihren Gunsten gegen den König entscheiden wolle. Aber sie zweifelten uicht, daß sie die beiden geistlichen Herren in persönlicher Aussprache bald von der Gerechtigkeit ihrer Sache überzengen würden. Sie gewannen mithin in demselben Augenblick, als die Schlesier ringsum ihnen Fehde ausagten, Aussicht auf mächtigen Schutz ans der Ferne. Ihre Ans- dauer wurde dadurch nicht wenig gefräftigt. Bald darauf, zwei Tage nach dem Kampf um St. Vinzenz, trat Bischof Jost vor Rat und Gemeine. Er zeigte ihnen jene Breven an die Breslauer und an Georg, die der Papst ihm im August mitgegeben hatte und die ungünstig für die Stadt lauteten; er drohte mit dem Interdikt, wenn sie uicht Frieden gäbe. Aber die päpstliche Botschaft hatte jetzt, da man die Legaten erwartete, keine Schrecken mehr. Man machte sich glauben, daß der Bischof die Meinung des Papstes falsch berichte, und der Stadtschreiber wollte dies sogar aus dem Wortlaut der Breven selbst, dem Bischof zur Schande, nachweisen 3). 1) Breven vom 18. und 19. August; L 59 f. 2) Bgl. Korr. 29, Script. rer. Siles. VIII, 35. Markgraf zu L 63. 3) Esch. L 59 u, 60 u. In der deutschen Darstellung
68 Entsendung zweier Legaten. in dem er sie aufforderte, dem Könige Georg zuzugestehen, was seines Rechtes sei, und sich mit ihm friedlich zu vertragen, ehe er sie mit den Waffen zwingen müsse1). Wäre Pius bei diesem Bescheid verblieben, so hätten die Breslauer verzweifeln müssen. Aber sie hatten, von ihren scharf denkenden geistlichen Führern geleitet, den rechten Gegenschritt schon unternommen; sie hatten dem Papst die Forderung gestellt, er müsse erst die religiöse Gewissensfrage unter suchen und über den Glauben Podiebrads volle Klarheit geben, ehe er sein Königtum anerkenne. Der Brief der Breslauer vom Juli, der dem Papste bald nach dem Abschied des Bischofs zugegangen sein muß, erwies sich als ein Hemmnis, das Pius nicht kurzerhand beiseite schieben konnte. Er erhielt durch dieses Mahnschreiben eine ernstere Auffassung von der Lage; er ent schloß sich zu einer wohlwollenden Behandlung der Beschwerde. Dem Verlangen der Breslauer zu folgen, ein Glanbensgericht über Georg zu verhängen, war für ihn unmöglich; die Gewifsensbedenken der Breslaner mußten so beschwichtigt werden, daß sie von dieser Forderung zurücktraten und sich Georg freiwillig unterwarfen. Diese Vermittlungsaktion mußte in Breslau selbst betrieben werden, wenn sie rasch zu einem Ziele führen sollte. Pius beauftragte demgemäßz Aufang September den Erzbischof von Kreta, Hieronymus Lando, sich mit dem Doktor Franz von Toledo nach Breslau zu begeben, um die Versöhnung der Stadt mit dem Könige zustande zu bringen. Ende des Monats wußten die Breslaner bereits von dieser Wendung2). Sie konnten freilich nicht erwarten, daß der Papst jetzt schon umgestimmt sei und durch die Legaten zu ihren Gunsten gegen den König entscheiden wolle. Aber sie zweifelten uicht, daß sie die beiden geistlichen Herren in persönlicher Aussprache bald von der Gerechtigkeit ihrer Sache überzengen würden. Sie gewannen mithin in demselben Augenblick, als die Schlesier ringsum ihnen Fehde ausagten, Aussicht auf mächtigen Schutz ans der Ferne. Ihre Ans- dauer wurde dadurch nicht wenig gefräftigt. Bald darauf, zwei Tage nach dem Kampf um St. Vinzenz, trat Bischof Jost vor Rat und Gemeine. Er zeigte ihnen jene Breven an die Breslauer und an Georg, die der Papst ihm im August mitgegeben hatte und die ungünstig für die Stadt lauteten; er drohte mit dem Interdikt, wenn sie uicht Frieden gäbe. Aber die päpstliche Botschaft hatte jetzt, da man die Legaten erwartete, keine Schrecken mehr. Man machte sich glauben, daß der Bischof die Meinung des Papstes falsch berichte, und der Stadtschreiber wollte dies sogar aus dem Wortlaut der Breven selbst, dem Bischof zur Schande, nachweisen 3). 1) Breven vom 18. und 19. August; L 59 f. 2) Bgl. Korr. 29, Script. rer. Siles. VIII, 35. Markgraf zu L 63. 3) Esch. L 59 u, 60 u. In der deutschen Darstellung
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Kampf der Geister und Grundsätze. 69 Am 11. November trafen danach die päpstlichen Legaten ein. Zu ihrer Begrüßung zogen die Bürger so vollzählig, so wohl gerüstet und wohl ge ordnet vor die Stadt, wie man sie im Kampfe nie gesehen hatte. Die Legaten hatten vorher in Prag von Georg Vollmacht erhalten, zwischen ihm und den Breslanern zu vermitteln. Der König konnte sich von ihnen ganz anderes versprechen, als die Breslaner erwarteten; er gab die kriegerischen Zwangs- mittel gern preis. Die Fehden hörten auf. In den Verhandlungen, die an ihre Stelle traten, schien die Entscheidung durch das Gewicht der päpstlichen Autorität vorherbestimmt. Aber ehe dieses Moment zu seiner Geltung kam, nahm die Attion noch einmal eine eigentümliche Wendung. Die individuellen politischen Fragen des Augenblicks traten zurück und ordneten sich den all- gemeinsten Gesichtspunkten unter; es entfaltete sich ein Kampf der Geister und Grundsätze, und in diesem kamen zwei Kulturwelten zur Auseinander- setzung. Dieses Zwischenspiel wurde durch die Sinnesart der Männer herbei geführt, denen Pius die Führung der Angelegenheit anvertraut hatte. III. Die Vermittlung der Legaten. Theologisch-politische Kontroversen. Der Friedensvertrag vom 13. Januar 1460. Den Legaten oder wenigstens dem Erzbischof von Kreta, ihrem Haupt- sprecher 1), war die nene rethorische Bildung des humanistischen Zeitalters nicht fremd. Sie legten Wert auf die sieghafte Dialektik des klarsichtigen Meuschen- verstandes; sie stellten sauber geordnet die Wirkungen menschlicher Handlungen dar und bewerteten die Handlungen danach als richtige und verkehrte. Sie entwickelten in gezierter Breite, wie den Breslauern der Trotz uur schaden, die Nachgiebigkeit nur uützen könne. Sie traten von vornherein mit einigem geistigen Hochmut anj, offensichtlich in der Überzeugung, daß sie berufen seien, in den entlegenen Erdenwinkel Breslan das Licht besseren Denkens zu tragen. Überdies fühlten sie sich als die Träger einer überlegenen politischen Gesinnung. Sie vermerkten anfangs mit Lächeln, sodaun mit wachsendem Unmut, daß eine kleine Stadt dem weltumsspannenden System des päpstlichen Stuhles ein besseres Wissen von dem, was der Kirche zieme, entgegenhielt, und setzten sich zur Aujgabe, diesem Volke die höhere kirchenpolitische Weisheit zu lehren, die (D I, 111—114) verheimlicht Esch. seine Deutungskünste, deren Fragwürdigkeit ihm wohl in- zwischen selbst zum Bewußtsein gekommen ist; statt dessen gibt er an, die Ratmannen hätten damals gern aufs neue einen „Ufslag“ befürwortet, wenn sie es nur vor der Gemeine hätten wagen dirfen. Die Angabe hat wenig innere Wahrscheinlichkeit. 1) Daß er in moralischer Hinsicht keinen guten Ruf hatte (vgl. Voigt, Enea Silvio III, 447, und die Warnung Johann Weinrichs an die Breslauer, Korr. 185, Script. rer. Siles. IX, 9), war für den Eindruck seines ersten Auftretens in Breslau wohl von geringerer Bedeutung.
Kampf der Geister und Grundsätze. 69 Am 11. November trafen danach die päpstlichen Legaten ein. Zu ihrer Begrüßung zogen die Bürger so vollzählig, so wohl gerüstet und wohl ge ordnet vor die Stadt, wie man sie im Kampfe nie gesehen hatte. Die Legaten hatten vorher in Prag von Georg Vollmacht erhalten, zwischen ihm und den Breslanern zu vermitteln. Der König konnte sich von ihnen ganz anderes versprechen, als die Breslaner erwarteten; er gab die kriegerischen Zwangs- mittel gern preis. Die Fehden hörten auf. In den Verhandlungen, die an ihre Stelle traten, schien die Entscheidung durch das Gewicht der päpstlichen Autorität vorherbestimmt. Aber ehe dieses Moment zu seiner Geltung kam, nahm die Attion noch einmal eine eigentümliche Wendung. Die individuellen politischen Fragen des Augenblicks traten zurück und ordneten sich den all- gemeinsten Gesichtspunkten unter; es entfaltete sich ein Kampf der Geister und Grundsätze, und in diesem kamen zwei Kulturwelten zur Auseinander- setzung. Dieses Zwischenspiel wurde durch die Sinnesart der Männer herbei geführt, denen Pius die Führung der Angelegenheit anvertraut hatte. III. Die Vermittlung der Legaten. Theologisch-politische Kontroversen. Der Friedensvertrag vom 13. Januar 1460. Den Legaten oder wenigstens dem Erzbischof von Kreta, ihrem Haupt- sprecher 1), war die nene rethorische Bildung des humanistischen Zeitalters nicht fremd. Sie legten Wert auf die sieghafte Dialektik des klarsichtigen Meuschen- verstandes; sie stellten sauber geordnet die Wirkungen menschlicher Handlungen dar und bewerteten die Handlungen danach als richtige und verkehrte. Sie entwickelten in gezierter Breite, wie den Breslauern der Trotz uur schaden, die Nachgiebigkeit nur uützen könne. Sie traten von vornherein mit einigem geistigen Hochmut anj, offensichtlich in der Überzeugung, daß sie berufen seien, in den entlegenen Erdenwinkel Breslan das Licht besseren Denkens zu tragen. Überdies fühlten sie sich als die Träger einer überlegenen politischen Gesinnung. Sie vermerkten anfangs mit Lächeln, sodaun mit wachsendem Unmut, daß eine kleine Stadt dem weltumsspannenden System des päpstlichen Stuhles ein besseres Wissen von dem, was der Kirche zieme, entgegenhielt, und setzten sich zur Aujgabe, diesem Volke die höhere kirchenpolitische Weisheit zu lehren, die (D I, 111—114) verheimlicht Esch. seine Deutungskünste, deren Fragwürdigkeit ihm wohl in- zwischen selbst zum Bewußtsein gekommen ist; statt dessen gibt er an, die Ratmannen hätten damals gern aufs neue einen „Ufslag“ befürwortet, wenn sie es nur vor der Gemeine hätten wagen dirfen. Die Angabe hat wenig innere Wahrscheinlichkeit. 1) Daß er in moralischer Hinsicht keinen guten Ruf hatte (vgl. Voigt, Enea Silvio III, 447, und die Warnung Johann Weinrichs an die Breslauer, Korr. 185, Script. rer. Siles. IX, 9), war für den Eindruck seines ersten Auftretens in Breslau wohl von geringerer Bedeutung.
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70 Weisheit, die nicht starre Rechte formuliert, sondern mit erhabenem Überblick das Gesamtwohl der Kirche überdenkt: Von diesem Standpunkte ans wollten sie Breslau überzeugen, daß es sich unterwerfen müsse. Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Breslauer, Geistliche wie Laien, dieser Erkeuntnis versagten, veranlaßte die Legaten dann noch zu besonderen Kraftstücken ihrer Disputier- kunst auf theologischem Gebiete, und erhitzte sie zu theoretischen Behanptungen, die sie zu anderer Stunde kaum mit gleichem Ernst vertreten hätten. In seiner ersten Ansprache an die Breslauer 1) deklamierte der Erzbischof von Kreta über das Thema: Friede sei mit euch. Das Gotteswort wurde eigentümlich verstandesnüchtern ausgelegt. Der Friede bringe den Völkern Segen, der Krieg Leid, — und darum müsten die Breslauer jetzt auf Frieden denken. Mit großem Mitleid gedachte der Legat der Vereinsamnng der Stadt: als Podiebrad erwählt worden sei, hätten viele Mächtige gegen ihn auf Breslaus Seite gestanden; jetzt stünden die Breslauer allein, bedrängt von einer Übermacht. Das sagte der Legat aber uicht, um hinzuzufügen, daß sich der Heilige Vater des frommen Heldentums der Breslauer annehmen wolle; nein, er zog den Schluß: in solcher Vereinsamung gegen Georg zu kämpfen, das sei wider alle Vernunft — und darum sei es der weise und gütige Be- schluß des Papstes, daß die Breslauer sich dem Könige zu unterwerfen hätten. Wenn der Legat auf Georg zu sprechen kam, so berührte er mit feinem Worte die Frage, wie es mit seinem und seines Volkes Glanben stünde. Er rühmte dagegen die Klngheit, die Staatss und Kriegskunst des Königs und verweilte vor allem mit Bewunderung bei seinen Erfolgen: wie ihm alles gelinge, was er in die Hand nehme. Hier sprach der Erzbischof anch davon, wie wichtig jetzt diese Macht Georgs sei, um die Türkengefahr abzuwenden, und wie sehnlich schon darum der Papst wünsche, daß Georg bei den Breslauern zu einem Frieden käme. Die Türtengefahr aber war der einzige Gegenstand in der Rede, bei dem auch nur von ungefähr die Idee der Kirche und der Glaubens pflicht gestreift wurde. Die Sache, die die Breslaner gegen Podiebrad ver- traten, schien selbst rein weltlich zu sein; es war, als hätten die Legaten nie etwas von Hussiten gehört. Eine so fremdartige Sprache wie diese war anf dem Breslauer Rathause faum je gesprochen worden. Rat, Gemeine und Priesterschaft waren ver sammelt, um den Abgesandten des Papstes zu vernehmen; sie hatten sich gegenseitig nur ihre Verwunderung mitzuteisen. Die Prediger fanden zuerst das Wort zur Entgegnung. Sie hielten mit Die Friedensrede des Erzbischofs von Kreta. 1) Esch. L 65—71.
70 Weisheit, die nicht starre Rechte formuliert, sondern mit erhabenem Überblick das Gesamtwohl der Kirche überdenkt: Von diesem Standpunkte ans wollten sie Breslau überzeugen, daß es sich unterwerfen müsse. Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Breslauer, Geistliche wie Laien, dieser Erkeuntnis versagten, veranlaßte die Legaten dann noch zu besonderen Kraftstücken ihrer Disputier- kunst auf theologischem Gebiete, und erhitzte sie zu theoretischen Behanptungen, die sie zu anderer Stunde kaum mit gleichem Ernst vertreten hätten. In seiner ersten Ansprache an die Breslauer 1) deklamierte der Erzbischof von Kreta über das Thema: Friede sei mit euch. Das Gotteswort wurde eigentümlich verstandesnüchtern ausgelegt. Der Friede bringe den Völkern Segen, der Krieg Leid, — und darum müsten die Breslauer jetzt auf Frieden denken. Mit großem Mitleid gedachte der Legat der Vereinsamnng der Stadt: als Podiebrad erwählt worden sei, hätten viele Mächtige gegen ihn auf Breslaus Seite gestanden; jetzt stünden die Breslauer allein, bedrängt von einer Übermacht. Das sagte der Legat aber uicht, um hinzuzufügen, daß sich der Heilige Vater des frommen Heldentums der Breslauer annehmen wolle; nein, er zog den Schluß: in solcher Vereinsamung gegen Georg zu kämpfen, das sei wider alle Vernunft — und darum sei es der weise und gütige Be- schluß des Papstes, daß die Breslauer sich dem Könige zu unterwerfen hätten. Wenn der Legat auf Georg zu sprechen kam, so berührte er mit feinem Worte die Frage, wie es mit seinem und seines Volkes Glanben stünde. Er rühmte dagegen die Klngheit, die Staatss und Kriegskunst des Königs und verweilte vor allem mit Bewunderung bei seinen Erfolgen: wie ihm alles gelinge, was er in die Hand nehme. Hier sprach der Erzbischof anch davon, wie wichtig jetzt diese Macht Georgs sei, um die Türkengefahr abzuwenden, und wie sehnlich schon darum der Papst wünsche, daß Georg bei den Breslauern zu einem Frieden käme. Die Türtengefahr aber war der einzige Gegenstand in der Rede, bei dem auch nur von ungefähr die Idee der Kirche und der Glaubens pflicht gestreift wurde. Die Sache, die die Breslaner gegen Podiebrad ver- traten, schien selbst rein weltlich zu sein; es war, als hätten die Legaten nie etwas von Hussiten gehört. Eine so fremdartige Sprache wie diese war anf dem Breslauer Rathause faum je gesprochen worden. Rat, Gemeine und Priesterschaft waren ver sammelt, um den Abgesandten des Papstes zu vernehmen; sie hatten sich gegenseitig nur ihre Verwunderung mitzuteisen. Die Prediger fanden zuerst das Wort zur Entgegnung. Sie hielten mit Die Friedensrede des Erzbischofs von Kreta. 1) Esch. L 65—71.
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Die Streitschrift des Predigers Bartholomäus. 71 den Legaten weitlänftige Disputationen 1). Sie erkannten deutlich, daß nicht uur eine feindliche politische Absicht, sondern auch eine fremde geistige Art gegen sie focht, und diese Erkenntnis verschärfte ihren Widerspruch. Im Zu- sammenhange mit jenen Disputationen hat einer der Prediger, Bartholomäus, der wie Tempelfeld bei St. Elisabeth amtierte, eine kleine Schrift verfaßt, in der dieses Bewußtsein von der tief inneren Verschiedenheit der kämpfenden Gesinnungen hervortritt2). In dem schwülstigen Tone umdüsterter Ahnung, mit dem die Breslauer Eiserer vornehmlich zu wirken strebten, wird hier ver- fündet, jetzt seien die jüngsten Tage gekommen, von denen die Schrift sage, die Zeiten, da die Angen der Weisesten verdunkelt werden. Und das sei dabei die eigentliche Finsternis, daß der Mensch seinen eigenen Verstand über die Lehren der heiligen Väter setze. In diesem Irrtum befänden sich alle, die Podiebrad huldigten oder die Huldigung an ihn guthießen. — Das ist ein böser Seitenblick anf die Legaten. Noch deutlicher wird die ungeistliche Ge- sinnung ihrer Darlegungen gebrandmarkt, wenn Bartholomäus später erklärt, er wundere sich, wie „einige“ jenen verruchten König einen Stifter des Friedens nennen tönnten; denn das Zeichen des wahren Friedens sei die Einigkeit, und Georgs Werk sei es gerade, die Uneinigkeit im Glauben zu fördern. Bartho somäns schließt mit einer scharfen Anklage gegen den Erzbischof von Kreta. In den Sätzen des verehrungswürdigen Vaters sei zwar viel die Rede von Nutz und Schaden des Staates, aber wenig von Heil und Verlust der Seelen; die Stärke der Breslaner in Glauben werde nicht gewürdigt, Podiebrads Ketzerei nicht erfaßt; die Legaten hätten parteilich gesprochen, und darum tue Wachsamfeit not. — Der Protest der Prediger schlug so in den Ton der offenen Aufreizung um. Nicht uur in schriftlicher und mündlicher Entgegnung, auch auf den Kanzeln vor dem Volke ergingen sie sich in verdächtigenden An- klagen. Das Volk stimmte ihnen völlig bei. Dem, was die Legaten verlangten, verschloß sich das Rechtsgefühl der Breslauer von vornherein, und die gewandte und glatte Redeweise der Fremdlinge nahmen sie in ihrer kleinbürgerlichen Schen uur mit Mißtrauen auf. Es hieß bald, man solle den Legaten nicht trauen; Georg habe sie bestochen; sie seien Wälsche, und die seien selten gute Christen. Die Stimmung der enttänschten Bürger gewann schon nach kurzem ein so bedrohliches Aussehen, daß die Legaten ernstlich verlangten, der Rat solle die Hanptschreier unter den Predigern und vor allem Bartholomäus ins Gefängnis setzen 1). Der Rat konnte dieser Forderung nicht Folge leisten; aber er war jetzt in 1) Esch. D I, 126. 2) Beilage 5. 3) Esch. L 71, D I, 125/127.
Die Streitschrift des Predigers Bartholomäus. 71 den Legaten weitlänftige Disputationen 1). Sie erkannten deutlich, daß nicht uur eine feindliche politische Absicht, sondern auch eine fremde geistige Art gegen sie focht, und diese Erkenntnis verschärfte ihren Widerspruch. Im Zu- sammenhange mit jenen Disputationen hat einer der Prediger, Bartholomäus, der wie Tempelfeld bei St. Elisabeth amtierte, eine kleine Schrift verfaßt, in der dieses Bewußtsein von der tief inneren Verschiedenheit der kämpfenden Gesinnungen hervortritt2). In dem schwülstigen Tone umdüsterter Ahnung, mit dem die Breslauer Eiserer vornehmlich zu wirken strebten, wird hier ver- fündet, jetzt seien die jüngsten Tage gekommen, von denen die Schrift sage, die Zeiten, da die Angen der Weisesten verdunkelt werden. Und das sei dabei die eigentliche Finsternis, daß der Mensch seinen eigenen Verstand über die Lehren der heiligen Väter setze. In diesem Irrtum befänden sich alle, die Podiebrad huldigten oder die Huldigung an ihn guthießen. — Das ist ein böser Seitenblick anf die Legaten. Noch deutlicher wird die ungeistliche Ge- sinnung ihrer Darlegungen gebrandmarkt, wenn Bartholomäus später erklärt, er wundere sich, wie „einige“ jenen verruchten König einen Stifter des Friedens nennen tönnten; denn das Zeichen des wahren Friedens sei die Einigkeit, und Georgs Werk sei es gerade, die Uneinigkeit im Glauben zu fördern. Bartho somäns schließt mit einer scharfen Anklage gegen den Erzbischof von Kreta. In den Sätzen des verehrungswürdigen Vaters sei zwar viel die Rede von Nutz und Schaden des Staates, aber wenig von Heil und Verlust der Seelen; die Stärke der Breslaner in Glauben werde nicht gewürdigt, Podiebrads Ketzerei nicht erfaßt; die Legaten hätten parteilich gesprochen, und darum tue Wachsamfeit not. — Der Protest der Prediger schlug so in den Ton der offenen Aufreizung um. Nicht uur in schriftlicher und mündlicher Entgegnung, auch auf den Kanzeln vor dem Volke ergingen sie sich in verdächtigenden An- klagen. Das Volk stimmte ihnen völlig bei. Dem, was die Legaten verlangten, verschloß sich das Rechtsgefühl der Breslauer von vornherein, und die gewandte und glatte Redeweise der Fremdlinge nahmen sie in ihrer kleinbürgerlichen Schen uur mit Mißtrauen auf. Es hieß bald, man solle den Legaten nicht trauen; Georg habe sie bestochen; sie seien Wälsche, und die seien selten gute Christen. Die Stimmung der enttänschten Bürger gewann schon nach kurzem ein so bedrohliches Aussehen, daß die Legaten ernstlich verlangten, der Rat solle die Hanptschreier unter den Predigern und vor allem Bartholomäus ins Gefängnis setzen 1). Der Rat konnte dieser Forderung nicht Folge leisten; aber er war jetzt in 1) Esch. D I, 126. 2) Beilage 5. 3) Esch. L 71, D I, 125/127.
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72 Die Denkschrift der Stadtschreiber. der Tat die einzige Partei, die der allgemeinen Verwirrung steuern konnte. Nachdem er lange Monate nur der öffeutlichen Meinnng hatte folgen dürfen, rückte er jetzt als Vertreter der Bürgerschaft an den Platz des berujenen Vermittlers zwischen den Abgesandten des Papstes und dem Volke. Ihm oder vielmehr seinen Beamten, den Stadtschreibern, fiel die Aufgabe zu, namens der Städte Breslau und Namslau, der Geistlichkeit und des Herzogs Balthasar von Sagan anf das Friedensgeheiß der Legaten eine Autwort zu geben. Doch versuchte der Rat zunächst noch uicht, wie er wohl früher getan hatte, die bestehenden Konflikte zu mildern. Vielmehr: es gab jetzt uur eine Partei gegen die Legaten; der Rat war mit Volk und Predigerschaft diesmal, wie jederzeit, wenn das Verhältnis zu Georg in Frage kam, einig. Die Denf schrift der Stadtschreiber begründet noch einmal, daß jür Breslau die Aner- kennung Georgs unmöglich sei, und es gibt kaum ein Dokiment der Zeit, das die leitenden Beweggründe des Widerstandes so vollzählig zusammenfaßt wie dieses. Die Dentschrift1) führt ans, daß Breslau inmer uur katholische Könige und Schützer des Glaubens zu Herren gehabt habe, — daß alle seine früheren Könige durch freie Anerkennnng seitens der Stadt oder durch Erb- gang die Herrschaft über sie erlangt hätten und Breslan als der zweite Sitz des Königtums besonders streng über die Rechtmäßigkeit der Throufolge wachen müsse, — daß Breslau sich eidlich der alten Herrscherfamilie verbunden habe und diese noch bestehe. Sie betont dann das Moment der „National feindschaft": die Grausamkeit, die die Böhmen selbst in ihrer Heimat bewiesen, werde sich noch gieriger gegen Breslau wenden, wein Georg über die Stadt Macht gewinne; denn Breslau und die Böhmen hätten so viele Kriege geführt, es sei aus diesen Kriegen so viel Haß enstanden, daß die Ketzer ohne Zweifel schwere Rache nehmen würden. Nach diesen Erklärungen, die die Sachlage vorzugsweise von Seiten der Rechte und Jnteressen Breslaus beleuchten, gehen die Stadtschreiber dazu über, den Legaten die Bedentung der Thronfolgefrage für die Kirche deutlich zu machen. Allen Bemühungen der Kirche zum Trotz habe sich die Ketzerei immer mehr in Böhmen eingenistet. Georg habe sie zwar abgeschworen, hänge ihr aber trotzdem an uud wirte für ihre Ansbreitung, — und wie groß sei der Unterschied zwischen der böhmischen Ketzerei und dem rechten Glauben, wie ihn die Breslaner hätten. Dieser Abschuitt der Deuk schrift will die Legaten an die Pflichten mahnen, die ihnen als Vertretern der Kirche vor allem am Herzen liegen mußten und die man von ihnen am wenigsten erfüllt fand. Für die religiös-moralische Entrüstung, die auch den 1) Esch. L 71—76.
72 Die Denkschrift der Stadtschreiber. der Tat die einzige Partei, die der allgemeinen Verwirrung steuern konnte. Nachdem er lange Monate nur der öffeutlichen Meinnng hatte folgen dürfen, rückte er jetzt als Vertreter der Bürgerschaft an den Platz des berujenen Vermittlers zwischen den Abgesandten des Papstes und dem Volke. Ihm oder vielmehr seinen Beamten, den Stadtschreibern, fiel die Aufgabe zu, namens der Städte Breslau und Namslau, der Geistlichkeit und des Herzogs Balthasar von Sagan anf das Friedensgeheiß der Legaten eine Autwort zu geben. Doch versuchte der Rat zunächst noch uicht, wie er wohl früher getan hatte, die bestehenden Konflikte zu mildern. Vielmehr: es gab jetzt uur eine Partei gegen die Legaten; der Rat war mit Volk und Predigerschaft diesmal, wie jederzeit, wenn das Verhältnis zu Georg in Frage kam, einig. Die Denf schrift der Stadtschreiber begründet noch einmal, daß jür Breslau die Aner- kennung Georgs unmöglich sei, und es gibt kaum ein Dokiment der Zeit, das die leitenden Beweggründe des Widerstandes so vollzählig zusammenfaßt wie dieses. Die Dentschrift1) führt ans, daß Breslau inmer uur katholische Könige und Schützer des Glaubens zu Herren gehabt habe, — daß alle seine früheren Könige durch freie Anerkennnng seitens der Stadt oder durch Erb- gang die Herrschaft über sie erlangt hätten und Breslan als der zweite Sitz des Königtums besonders streng über die Rechtmäßigkeit der Throufolge wachen müsse, — daß Breslau sich eidlich der alten Herrscherfamilie verbunden habe und diese noch bestehe. Sie betont dann das Moment der „National feindschaft": die Grausamkeit, die die Böhmen selbst in ihrer Heimat bewiesen, werde sich noch gieriger gegen Breslau wenden, wein Georg über die Stadt Macht gewinne; denn Breslau und die Böhmen hätten so viele Kriege geführt, es sei aus diesen Kriegen so viel Haß enstanden, daß die Ketzer ohne Zweifel schwere Rache nehmen würden. Nach diesen Erklärungen, die die Sachlage vorzugsweise von Seiten der Rechte und Jnteressen Breslaus beleuchten, gehen die Stadtschreiber dazu über, den Legaten die Bedentung der Thronfolgefrage für die Kirche deutlich zu machen. Allen Bemühungen der Kirche zum Trotz habe sich die Ketzerei immer mehr in Böhmen eingenistet. Georg habe sie zwar abgeschworen, hänge ihr aber trotzdem an uud wirte für ihre Ansbreitung, — und wie groß sei der Unterschied zwischen der böhmischen Ketzerei und dem rechten Glauben, wie ihn die Breslaner hätten. Dieser Abschuitt der Deuk schrift will die Legaten an die Pflichten mahnen, die ihnen als Vertretern der Kirche vor allem am Herzen liegen mußten und die man von ihnen am wenigsten erfüllt fand. Für die religiös-moralische Entrüstung, die auch den 1) Esch. L 71—76.
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Die Legaten versuchen eine Lösung durch die Theologie. 73 Rat gegenüber den fremden Herren beseelte, ist es bezeichnend, daß diese Denk- schrift Eschenloers, der die Prediger im Grunde wohl schon damals nicht liebte, hier doch dem Traktate des Bartholomäus gelegentlich einen Gedanken ent lehute 1). Die ganze Abhandlung betont mit möglichster Schärfe die Unversöhnlichkeit der zwischen Breslau und Georg bestehenden Gegensätze; sie betont nicht minder entschieden die Unvereinbarkeit der allgemeinen Gesichtspunkte, unter denen hier die Breslaner, dort die Legaten den Konflikt betrachteten. Auch die praktische Forderung, in der die Schrift gipfelte, beharrte in der entschiedenen Verneinung. Der Form nach scheint die Stadt hier freilich ihre Ansprüche etwas zu mildern. Sie erklärt nicht mehr, wie einst in dem Schwurverbündnis der Bürger, daß sie sich Georg niemals unterwerfen werde; sondern sie spricht die Erwartung aus, Seine päpstliche Heiligkeit werde von ihr für jetzt keinen Gehorsam gegen Georg verlangen und werde ihr andrerseits bei Georg Frieden ausmitteln bis zu dem Zeitpunkte, da dieser sich als treuer Sohn der Kirche bewährt habe. Der Sache nach aber war mit diesem Ersuchen nicht weniger verlangt, als daß der Papst Georg völlig preisgeben sollte; er sollte durch die Schutz¬ erklärung für Breslan mittelbar kundtun, daß Georg vorläufig noch nicht als rechter Sohn der Kirche anzusehen sei. Die Legaten wurden durch die städtische Denkschrift nachdrücklich auf die Aufgabe hingewiesen, die Pius anf sie abgewälzt hatte, indem er sie entsandte. Wenn sie zu einem Erfolge kommen wollten, so mußsten sie zuerst die Gewissens¬ bedenken der Bürger beheben. Aber in der Zeit, die sie bereits in Prag und Breslau zugebracht hatten, hatte ihnen auch die ganze Schwierigkeit dieser Aujgabe deutlich werden müssen. Es ließ sich uicht im Ernst leugnen, daß der Utraquismus in Böhmen blühte und daß Georg sich ihm durchaus uicht feindselig gegenüberstellte. Die Legaten konnten also wenig davon erwarten, daß sie den Breslauern versicherten, sie irrten sich; Georg sei ein so christlicher und kirchentreuer König, wie sie sich ihn uur wünschen könnten; er sei aus dem besten Wege, die Ketzerei völlig auszurotten. Die Gewissensbedenken der Breslauer ließzen sich uicht dadurch entkrästen, daß man die Tatsachen bestritt, an die sie antuüpften. Es gab grundsätzlich nur einen Weg, um diese Be- denfen völlig auszuschalten; man kounte die Bürger nur zum Schweigen bringen, wenn man ihnen das Recht bestritt, sich in der Frage der Anerkennung Georgs überhaupt anf Fordernugen des Glaubens zu berufen — weun man ihuen bewies, daß sie an der Duldung, die Georg den Ketzern zuteil werden 1) S. 75 Mitte: . . . argumentum fallax (eorum), quibus ab omnibus hic rex putatur pacem facere, cum tamen sub eo maxima sit dissensio. Vgl. unten Beilage 5.
Die Legaten versuchen eine Lösung durch die Theologie. 73 Rat gegenüber den fremden Herren beseelte, ist es bezeichnend, daß diese Denk- schrift Eschenloers, der die Prediger im Grunde wohl schon damals nicht liebte, hier doch dem Traktate des Bartholomäus gelegentlich einen Gedanken ent lehute 1). Die ganze Abhandlung betont mit möglichster Schärfe die Unversöhnlichkeit der zwischen Breslau und Georg bestehenden Gegensätze; sie betont nicht minder entschieden die Unvereinbarkeit der allgemeinen Gesichtspunkte, unter denen hier die Breslaner, dort die Legaten den Konflikt betrachteten. Auch die praktische Forderung, in der die Schrift gipfelte, beharrte in der entschiedenen Verneinung. Der Form nach scheint die Stadt hier freilich ihre Ansprüche etwas zu mildern. Sie erklärt nicht mehr, wie einst in dem Schwurverbündnis der Bürger, daß sie sich Georg niemals unterwerfen werde; sondern sie spricht die Erwartung aus, Seine päpstliche Heiligkeit werde von ihr für jetzt keinen Gehorsam gegen Georg verlangen und werde ihr andrerseits bei Georg Frieden ausmitteln bis zu dem Zeitpunkte, da dieser sich als treuer Sohn der Kirche bewährt habe. Der Sache nach aber war mit diesem Ersuchen nicht weniger verlangt, als daß der Papst Georg völlig preisgeben sollte; er sollte durch die Schutz¬ erklärung für Breslan mittelbar kundtun, daß Georg vorläufig noch nicht als rechter Sohn der Kirche anzusehen sei. Die Legaten wurden durch die städtische Denkschrift nachdrücklich auf die Aufgabe hingewiesen, die Pius anf sie abgewälzt hatte, indem er sie entsandte. Wenn sie zu einem Erfolge kommen wollten, so mußsten sie zuerst die Gewissens¬ bedenken der Bürger beheben. Aber in der Zeit, die sie bereits in Prag und Breslau zugebracht hatten, hatte ihnen auch die ganze Schwierigkeit dieser Aujgabe deutlich werden müssen. Es ließ sich uicht im Ernst leugnen, daß der Utraquismus in Böhmen blühte und daß Georg sich ihm durchaus uicht feindselig gegenüberstellte. Die Legaten konnten also wenig davon erwarten, daß sie den Breslauern versicherten, sie irrten sich; Georg sei ein so christlicher und kirchentreuer König, wie sie sich ihn uur wünschen könnten; er sei aus dem besten Wege, die Ketzerei völlig auszurotten. Die Gewissensbedenken der Breslauer ließzen sich uicht dadurch entkrästen, daß man die Tatsachen bestritt, an die sie antuüpften. Es gab grundsätzlich nur einen Weg, um diese Be- denfen völlig auszuschalten; man kounte die Bürger nur zum Schweigen bringen, wenn man ihnen das Recht bestritt, sich in der Frage der Anerkennung Georgs überhaupt anf Fordernugen des Glaubens zu berufen — weun man ihuen bewies, daß sie an der Duldung, die Georg den Ketzern zuteil werden 1) S. 75 Mitte: . . . argumentum fallax (eorum), quibus ab omnibus hic rex putatur pacem facere, cum tamen sub eo maxima sit dissensio. Vgl. unten Beilage 5.
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74 Die Toleranzlehre der Legaten. ließ. keinen Anstoß nehmen durften. Die Vertreter der höchsten geistlichen Autorität standen also vor der heiklen Anfgabe, den Breslanern darzulegen, daß sie die Strenge ihrer geistlichen Gesinnung zu mildern hätten. Diese Aufgabe bedeutete ein unnatürliches Wagnis; trotzdem nahmen sich die Legaten ihrer mit Eifer an. Sie hofften abermals, durch ihre überlegene Bildung die Breslaner zu beschämen. Diese Aussicht reizte sie so sehr, daß sie aus ihren Lehren sogleich die änßersten Folgerungen entwickelten und völlig den Takt vergaßen, den die allgemeine gegenwärtige Lage der Kirche von derartigen theoretischen Erörterungen verlangte. Auf einige Puukte der Denkschrift des Rates wurde ihnen die Antwort leicht; sie waren noch als Tatsachenfragen zu behandeln 1). Die rein staats- rechtlichen Beschwerden ließen die Legaten als nicht entscheidend beiseite. Für die persönliche Stellung Georgs zum Glauben verlangten sie volles Vertrauen. Er habe Treue gegen die Kirche und Gehorsam gegen den Papst geschworen. Der Papst halte ihn für aufrichtig; die Breslaner sollten sich nicht anmaßen, daß sie besser über den König Bescheid wüßten als der Heilige Vater. Mit dem gleichen Beweisgrund bekämpften sie nicht ohne Entrüstnug die Behauptnug, Georg fördere die Ketzerei. Wer den Breslanern das gesagt habe, der habe mit dem König zugleich seinen Gönner, den Papst, verlemmdet; die Breslaner sollten sich doch ja vor falschen Propheten in acht nehmen. Hier gaben die Legaten den Predigern ihre Anfeindungen zurück. Aber die Abweisung der äußersten Anklagen, die gegen Georg erhoben wurden, richtete noch uichts in der Hauptfrage aus. Wenn man Georgs Verhalten gegen den Utraquismus nicht als Begünstigung anslegen wollte, so war es doch zum mindesten Duldung. An diesem Puukte mußte der theologische Gegenzug einsetzen. — Die Legaten erkannten den religiösen Eifer der Breslauer hoch an; aber sie uannten ihn einen übermäßigen Eifer. Sie bekannten sich zum Prinzip der Toleranz. Georg übe uicht Ketzergöunerei, sondern weise Duldung, indem er uicht mit Gewalt gegen das hussitische Übel einschreite, und die gleiche Duldung sollten auch die Breslauer üben. Zahlreiche Antoritäten der Lehre und Geschichte wurden aufgeboten, um zu beweisen, daß solche Toleranz sich durchans mit dem rechten Glauben vertrage. Aber die Legaten wollten noch mehr beweisen. So eifrig sie daran festhielten, daßz Georg ein rechter Katholik sei, so fanden sie doch für notwendig, eine lange Schsußrede der Frage zu widmen, wie sich die Breslauer verhalten müßten, wenn Georg so wäre, wie sie sich ihn dächten, ein Ketzer und Förderer der Ketzerei. Anch in diesem Falle hätten sie seine 1) Text der Entgegnung der Legaten: Esch. L 76—86.
74 Die Toleranzlehre der Legaten. ließ. keinen Anstoß nehmen durften. Die Vertreter der höchsten geistlichen Autorität standen also vor der heiklen Anfgabe, den Breslanern darzulegen, daß sie die Strenge ihrer geistlichen Gesinnung zu mildern hätten. Diese Aufgabe bedeutete ein unnatürliches Wagnis; trotzdem nahmen sich die Legaten ihrer mit Eifer an. Sie hofften abermals, durch ihre überlegene Bildung die Breslaner zu beschämen. Diese Aussicht reizte sie so sehr, daß sie aus ihren Lehren sogleich die änßersten Folgerungen entwickelten und völlig den Takt vergaßen, den die allgemeine gegenwärtige Lage der Kirche von derartigen theoretischen Erörterungen verlangte. Auf einige Puukte der Denkschrift des Rates wurde ihnen die Antwort leicht; sie waren noch als Tatsachenfragen zu behandeln 1). Die rein staats- rechtlichen Beschwerden ließen die Legaten als nicht entscheidend beiseite. Für die persönliche Stellung Georgs zum Glauben verlangten sie volles Vertrauen. Er habe Treue gegen die Kirche und Gehorsam gegen den Papst geschworen. Der Papst halte ihn für aufrichtig; die Breslaner sollten sich nicht anmaßen, daß sie besser über den König Bescheid wüßten als der Heilige Vater. Mit dem gleichen Beweisgrund bekämpften sie nicht ohne Entrüstnug die Behauptnug, Georg fördere die Ketzerei. Wer den Breslanern das gesagt habe, der habe mit dem König zugleich seinen Gönner, den Papst, verlemmdet; die Breslaner sollten sich doch ja vor falschen Propheten in acht nehmen. Hier gaben die Legaten den Predigern ihre Anfeindungen zurück. Aber die Abweisung der äußersten Anklagen, die gegen Georg erhoben wurden, richtete noch uichts in der Hauptfrage aus. Wenn man Georgs Verhalten gegen den Utraquismus nicht als Begünstigung anslegen wollte, so war es doch zum mindesten Duldung. An diesem Puukte mußte der theologische Gegenzug einsetzen. — Die Legaten erkannten den religiösen Eifer der Breslauer hoch an; aber sie uannten ihn einen übermäßigen Eifer. Sie bekannten sich zum Prinzip der Toleranz. Georg übe uicht Ketzergöunerei, sondern weise Duldung, indem er uicht mit Gewalt gegen das hussitische Übel einschreite, und die gleiche Duldung sollten auch die Breslauer üben. Zahlreiche Antoritäten der Lehre und Geschichte wurden aufgeboten, um zu beweisen, daß solche Toleranz sich durchans mit dem rechten Glauben vertrage. Aber die Legaten wollten noch mehr beweisen. So eifrig sie daran festhielten, daßz Georg ein rechter Katholik sei, so fanden sie doch für notwendig, eine lange Schsußrede der Frage zu widmen, wie sich die Breslauer verhalten müßten, wenn Georg so wäre, wie sie sich ihn dächten, ein Ketzer und Förderer der Ketzerei. Anch in diesem Falle hätten sie seine 1) Text der Entgegnung der Legaten: Esch. L 76—86.
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Altkirchliche Gedanken. 75 Herrschaft zu ertragen; sie hätten sich zu verhalten wie die Juden im Exil, die Makkabäer nach dem Friedensschluß, die christlichen Soldaten Julians. Hätte doch uur auch die Stadt Konstantinopel diese Weisheit beherzigt und dem Sustan Tribut gezahlt! Dann müßte die Christenheit jetzt uicht so viel Mühe um sie haben 1). — Die Herrschaft des Unglaubens in der Welt sei als Strafe Gottes friedfertig anzuerkennen; die königliche Würde verlange auch in den Händen des Unglänbigen als Einrichtung kraft göttlichen Rechtes ehr- fürchtigen Dienst. „Wenn (der König) so böse ist, wie ihr sagt, so läßt der ihu herrschen, der nach dem Worte der Schrift die Heuchler herrschen läßt wegen der Sünden des Volfes. ... Es hat die Würde des Königs irgend etwas von einer geheimen Kraft, die auch die empfaugen und behalten können, die von Feinden Gottes geboren und selbst Feinde Gottes sind." In diesem Zusammenhange wiesen die Legaten die Breslauer noch einmal auf das Glück des Königs hin. Es zeige deutlich, daß bei seiner Herrschaft Gottes Anordnung auch anzuerkennen sein müste, wenn sie die Herrschaft eines Gottlosen wäre. Die Gedanken, die die Legaten in dieser Rede vortrugen, waren den überlieferten Lehren der Kirche durchaus uicht eutgegengesetzt2). Ihre Beweis führung fußte setzten Endes anf der alichristlichen Idee von dem ständigen Gegenjatze zwischen der christlichen Gemeinschaft und der Welt. Der Staat ist nach dieser Anschanung zwar göttlichen Ursprungs und berufen, durch seine Rechtsorduung den Zwecken des Gottesreichs zu dienen. Aber er ist der Christenheit gegenüber ein jremdartiges Gebilde einer andern Dajeinssphäre, selbst wenn er einen christlichen Herrscher hat; er gehört zur „Welt“, mit der sich die Gemeinschaft der Gläubigen uur äußerlich berührt. Die Christenheit ist ledigsich die Gemeinschaft der zu Gott hinstrebenden Einzelseelen, die aus Erden durch die Kirche vereinigt werden; sie ist uicht auch zu denken als eine Gemeinschaft von Völkern, die sich in ihrem staatlichen Leben als einheitliche Glieder des Gottesreiches ausweisen. Der christliche Untertan hat gegen den Staat unr die Pflichten, die aus seiner Unterordnung und gegebenenfalls aus seinem Amte fließen; diese Verbindlichkeiten dürfen mit seiner Treue gegen den Glauben uicht in Widerspruch geraten; aber seine Beziehungen zum Staate empfangen audrerseits keine eigenen Jnhalte dadurch, daß er Christ ist. Es kann uicht seine Aufgabe sein, deu Staat religiös zu reformieren; er kann 1) „Es ist zu bedenken, daß der Sprecher aus Venedig stanunte und früher Kaufmann gewesen war.“ Markgraf zu Esch. L 84. 2) Die folgenden Ansführungen über die Staats- ideen der christlichen Antike und des Mittelalters können sich notwendig uur in den äußersten Umrissen halten. Sie fußen auf den Darlegungen von Ernst Troeltsch in den beiden Schriften: „Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen“ (1912), S. 152 ff., und „Augustin, die christliche Antike und das Mittelalter“ (1915), namentlich S. 35—47, 130—137.
Altkirchliche Gedanken. 75 Herrschaft zu ertragen; sie hätten sich zu verhalten wie die Juden im Exil, die Makkabäer nach dem Friedensschluß, die christlichen Soldaten Julians. Hätte doch uur auch die Stadt Konstantinopel diese Weisheit beherzigt und dem Sustan Tribut gezahlt! Dann müßte die Christenheit jetzt uicht so viel Mühe um sie haben 1). — Die Herrschaft des Unglaubens in der Welt sei als Strafe Gottes friedfertig anzuerkennen; die königliche Würde verlange auch in den Händen des Unglänbigen als Einrichtung kraft göttlichen Rechtes ehr- fürchtigen Dienst. „Wenn (der König) so böse ist, wie ihr sagt, so läßt der ihu herrschen, der nach dem Worte der Schrift die Heuchler herrschen läßt wegen der Sünden des Volfes. ... Es hat die Würde des Königs irgend etwas von einer geheimen Kraft, die auch die empfaugen und behalten können, die von Feinden Gottes geboren und selbst Feinde Gottes sind." In diesem Zusammenhange wiesen die Legaten die Breslauer noch einmal auf das Glück des Königs hin. Es zeige deutlich, daß bei seiner Herrschaft Gottes Anordnung auch anzuerkennen sein müste, wenn sie die Herrschaft eines Gottlosen wäre. Die Gedanken, die die Legaten in dieser Rede vortrugen, waren den überlieferten Lehren der Kirche durchaus uicht eutgegengesetzt2). Ihre Beweis führung fußte setzten Endes anf der alichristlichen Idee von dem ständigen Gegenjatze zwischen der christlichen Gemeinschaft und der Welt. Der Staat ist nach dieser Anschanung zwar göttlichen Ursprungs und berufen, durch seine Rechtsorduung den Zwecken des Gottesreichs zu dienen. Aber er ist der Christenheit gegenüber ein jremdartiges Gebilde einer andern Dajeinssphäre, selbst wenn er einen christlichen Herrscher hat; er gehört zur „Welt“, mit der sich die Gemeinschaft der Gläubigen uur äußerlich berührt. Die Christenheit ist ledigsich die Gemeinschaft der zu Gott hinstrebenden Einzelseelen, die aus Erden durch die Kirche vereinigt werden; sie ist uicht auch zu denken als eine Gemeinschaft von Völkern, die sich in ihrem staatlichen Leben als einheitliche Glieder des Gottesreiches ausweisen. Der christliche Untertan hat gegen den Staat unr die Pflichten, die aus seiner Unterordnung und gegebenenfalls aus seinem Amte fließen; diese Verbindlichkeiten dürfen mit seiner Treue gegen den Glauben uicht in Widerspruch geraten; aber seine Beziehungen zum Staate empfangen audrerseits keine eigenen Jnhalte dadurch, daß er Christ ist. Es kann uicht seine Aufgabe sein, deu Staat religiös zu reformieren; er kann 1) „Es ist zu bedenken, daß der Sprecher aus Venedig stanunte und früher Kaufmann gewesen war.“ Markgraf zu Esch. L 84. 2) Die folgenden Ansführungen über die Staats- ideen der christlichen Antike und des Mittelalters können sich notwendig uur in den äußersten Umrissen halten. Sie fußen auf den Darlegungen von Ernst Troeltsch in den beiden Schriften: „Die Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen“ (1912), S. 152 ff., und „Augustin, die christliche Antike und das Mittelalter“ (1915), namentlich S. 35—47, 130—137.
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76 Widersprüche zwischen dem mittelalterlichen Kirchenbegriff und dem Toleranzgedanken. seinen Gehorsam gegen den Herrscher und die Eintracht, in der er mit seinen Mitbürgern steht, uicht davon abhängig machen, daß auch sie den rechten Glauben haben. Der Fürst dient Gott, weun er von seiner Macht Gebrauch macht, um die falschen Lehren und Gebränche auszurotten. Aber seine christ lichen Untertanen haben dies uicht von ihm zu fordern. Sie müssen abwarten, ob Gott sein Herz bewegen will; sie müssen seine Herrschaft als von Gott zu- gelassen oder gewollt und seine böse Gesinnung als Straje ihrer Sünden hinnehmen. Das ist namentlich auch die Auffassung des heiligen Augustinus vom Staate, und auf Worte dieses Lehrers griffen die Legaten vornehmlich zurück, als sie die Breslauer zur Duldung ermahnten und die Duldsamkeit Georgs verteidigten. Aber in dieser Anknüpjung an die altfirchlichen Lehren lag ein gefährliches theoretisches Waguis. Denn diese Lehren liefen den Interesjen der gegenwärtigen Kirche und vor allem denjenigen, die in der böhmischen Frage zu verteidigen waren, geradenwegs zuwider. Die Lehre von der Fremd- heit der christlichen Idee gegen das Staatsleben stand ja längst uicht mehr mit den tatsächlichen Verhältnissen und mit der Selbstauffassung der Hierarchie und der christlichen Völker imn Einklang. Sie hatte uur für das kirchliche Altertum gelten können, das den Staat als heidnischen überkam und erst all mählich mit dem Christentum in Verbindung setzte; und sie hatte uur gelten können für die Zeit, in der die Glieder der kirchlichen Hierarchie sich uur als Übermittler der Gnade und noch uicht als Träger einer höchsten Gewalt über die Welt wußten. Für die Christenheit des Mittelalters galt seit Jahrhunderten eine andere Auffassung über das Verhältuis des Gottesreiches zur Welt. Sie bildete eine Völfergemeinschaft unter der einheitlichen, geistlichen und weltlichen Autorität der Kirche und ihres päpstlichen Hauptes. Für jedes ihrer Völker und politischen Glieder war die Pflicht gegeben, an seinem Teise jür die Rein- haltung der christlichen Welt beizutragen; kein politisches Gemeinschaftsverhältuis konnte als völlig rechtmäßig gelten, das auf der Eintracht mit den Feinden der Kirche beruhte, und die Kirche nahm selbst das Recht jür sich in Auspruch, die Völker gegen das Regiment kirchenjeindlicher Herrscher zum Widerstand aufzurufen. Die Gewalt der kirchlichen Autorität war dabei freilich dem Ge- wissen des Einzelnen übergeordnet; dem Papste stand letztlich die Eutscheidung darüber zu, ob die Völker für den Glauben gegen den irrgläubigen Herrscher oder Volksteil kämpfen sollten. Er konnte es auch gutheißzen, daß sie mit den Ketzern und Heiden Frieden hielten. Aber für das Papsttum kam eine der- artige Bescheidung doch uur dann in Frage, wenn es galt, die Verhältuisse der Katholiken in den Grenzländern der katholischen Welt zu regeln. Ans den
76 Widersprüche zwischen dem mittelalterlichen Kirchenbegriff und dem Toleranzgedanken. seinen Gehorsam gegen den Herrscher und die Eintracht, in der er mit seinen Mitbürgern steht, uicht davon abhängig machen, daß auch sie den rechten Glauben haben. Der Fürst dient Gott, weun er von seiner Macht Gebrauch macht, um die falschen Lehren und Gebränche auszurotten. Aber seine christ lichen Untertanen haben dies uicht von ihm zu fordern. Sie müssen abwarten, ob Gott sein Herz bewegen will; sie müssen seine Herrschaft als von Gott zu- gelassen oder gewollt und seine böse Gesinnung als Straje ihrer Sünden hinnehmen. Das ist namentlich auch die Auffassung des heiligen Augustinus vom Staate, und auf Worte dieses Lehrers griffen die Legaten vornehmlich zurück, als sie die Breslauer zur Duldung ermahnten und die Duldsamkeit Georgs verteidigten. Aber in dieser Anknüpjung an die altfirchlichen Lehren lag ein gefährliches theoretisches Waguis. Denn diese Lehren liefen den Interesjen der gegenwärtigen Kirche und vor allem denjenigen, die in der böhmischen Frage zu verteidigen waren, geradenwegs zuwider. Die Lehre von der Fremd- heit der christlichen Idee gegen das Staatsleben stand ja längst uicht mehr mit den tatsächlichen Verhältnissen und mit der Selbstauffassung der Hierarchie und der christlichen Völker imn Einklang. Sie hatte uur für das kirchliche Altertum gelten können, das den Staat als heidnischen überkam und erst all mählich mit dem Christentum in Verbindung setzte; und sie hatte uur gelten können für die Zeit, in der die Glieder der kirchlichen Hierarchie sich uur als Übermittler der Gnade und noch uicht als Träger einer höchsten Gewalt über die Welt wußten. Für die Christenheit des Mittelalters galt seit Jahrhunderten eine andere Auffassung über das Verhältuis des Gottesreiches zur Welt. Sie bildete eine Völfergemeinschaft unter der einheitlichen, geistlichen und weltlichen Autorität der Kirche und ihres päpstlichen Hauptes. Für jedes ihrer Völker und politischen Glieder war die Pflicht gegeben, an seinem Teise jür die Rein- haltung der christlichen Welt beizutragen; kein politisches Gemeinschaftsverhältuis konnte als völlig rechtmäßig gelten, das auf der Eintracht mit den Feinden der Kirche beruhte, und die Kirche nahm selbst das Recht jür sich in Auspruch, die Völker gegen das Regiment kirchenjeindlicher Herrscher zum Widerstand aufzurufen. Die Gewalt der kirchlichen Autorität war dabei freilich dem Ge- wissen des Einzelnen übergeordnet; dem Papste stand letztlich die Eutscheidung darüber zu, ob die Völker für den Glauben gegen den irrgläubigen Herrscher oder Volksteil kämpfen sollten. Er konnte es auch gutheißzen, daß sie mit den Ketzern und Heiden Frieden hielten. Aber für das Papsttum kam eine der- artige Bescheidung doch uur dann in Frage, wenn es galt, die Verhältuisse der Katholiken in den Grenzländern der katholischen Welt zu regeln. Ans den
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Der Toleranzgedanke und die böhmische Frage. 77 Verhältnissen Spaniens und Bosniens konnten die Legaten den Breslauern Beispiele für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Ketzern in der Gegenwart vorhalten. Aber innerhalb ihres engeren Machtgebietes konnte die Kirche feine entsagende Toleranz üben. Jhre Zwangsgewalt, für die sie un bedingte politische Anerkennung verlungte, hatte schließlich ihren Sinn darin, daß sie der Reinhaltung des katholischen Glaubens diente; sie konnte sie nicht dazu gebrauchen, um den Völkern zu befehlen, der Ausbreitung der Ketzerei ruhig zuzuschauen. Vor allem aber galt dies für die böhmische Frage. Hätte hier die Idee der Toleranz Platz greisen sollen, so wären die Hussitenkriege überflüssig ge- wesen. Und daß auch die jetzt noch ungelöste Frage der utraquistischen Sonder kirche nicht im Sinne der Duldung gelöst werden sollte, das hatte der Papst vor kurzem selbst nachdrücklich dargetan: er hatte sich geweigert, Georgs Ge- horsamserklärung anzunehmen, so lange er uicht das Reich in den Gehorsam der Kirche zurückgebracht hätte. Er hatte sich das Recht vorbehalten, die Anerkennung, die er ihm vorlänfig im Vertrauen auf sein Wohlverhalten ge- währte, zurückzunehmen, wenn er Böhmen nicht zu einem völlig katholischen Lande machte; und damit hatte er sich auch das Recht vorbehalten, die Unter- tanen des Königs von ihren Verpflichtungen gegen ihn zu entbinden, wenn er jeinen Glaubenspflichten nicht nachkam. Es war der Handlungsfreiheit, die sich der Papst wahren mußte, höchst zuwider, wenn seine Abgesandten jetzt den Untertanen des Reiches erwiesen, daß sie Georg auch anerkennen müßzten, wenn er ein Ketzer wäre. Sehr zur Unzeit also knüpsten die Legaten an jene altchristlichen Lehren an; aus ihrer Beweisführung konnten uur die Feinde der Kirche, die Utra- quisten, selbst einen Nutzen ziehen. Die Legaten waren auch sicherlich selbst nicht gewillt, die letzten Folgerungen aus ihrer Lehre zu ziehen. Als später Pins gegen Georg einzuschreiten begann, war der Erzbischof von Kreta, der einstige Verfechter der Toleranz, sein eifriges Wertzeng, und als damals die katholischen Herren Böhmens für ihren König im Interesse des innerstaatlichen Friedens um Schonnng baten, hat er ihnen ernstlich zu bedenken gegeben, daß es Unrecht sei, den irdischen Frieden ohne Rücksicht anf den himmlischen zu suchen 1). Er besann sich nicht mehr darauf, daß er anderen christlichen Unter- tanen des Königs einmal gesehrt hatte, es schade dem Glauben uichts, wenn man mit einem fetzerischen König Frieden halte. Nur der Drang des Augen- blicks hatte ihn und den Genossen seiner Mission einst in Breslau veranlaßt, 1) Korr. 169; Script. rer. Siles. VIII, 237.
Der Toleranzgedanke und die böhmische Frage. 77 Verhältnissen Spaniens und Bosniens konnten die Legaten den Breslauern Beispiele für ein friedliches Zusammenleben von Christen und Ketzern in der Gegenwart vorhalten. Aber innerhalb ihres engeren Machtgebietes konnte die Kirche feine entsagende Toleranz üben. Jhre Zwangsgewalt, für die sie un bedingte politische Anerkennung verlungte, hatte schließlich ihren Sinn darin, daß sie der Reinhaltung des katholischen Glaubens diente; sie konnte sie nicht dazu gebrauchen, um den Völkern zu befehlen, der Ausbreitung der Ketzerei ruhig zuzuschauen. Vor allem aber galt dies für die böhmische Frage. Hätte hier die Idee der Toleranz Platz greisen sollen, so wären die Hussitenkriege überflüssig ge- wesen. Und daß auch die jetzt noch ungelöste Frage der utraquistischen Sonder kirche nicht im Sinne der Duldung gelöst werden sollte, das hatte der Papst vor kurzem selbst nachdrücklich dargetan: er hatte sich geweigert, Georgs Ge- horsamserklärung anzunehmen, so lange er uicht das Reich in den Gehorsam der Kirche zurückgebracht hätte. Er hatte sich das Recht vorbehalten, die Anerkennung, die er ihm vorlänfig im Vertrauen auf sein Wohlverhalten ge- währte, zurückzunehmen, wenn er Böhmen nicht zu einem völlig katholischen Lande machte; und damit hatte er sich auch das Recht vorbehalten, die Unter- tanen des Königs von ihren Verpflichtungen gegen ihn zu entbinden, wenn er jeinen Glaubenspflichten nicht nachkam. Es war der Handlungsfreiheit, die sich der Papst wahren mußte, höchst zuwider, wenn seine Abgesandten jetzt den Untertanen des Reiches erwiesen, daß sie Georg auch anerkennen müßzten, wenn er ein Ketzer wäre. Sehr zur Unzeit also knüpsten die Legaten an jene altchristlichen Lehren an; aus ihrer Beweisführung konnten uur die Feinde der Kirche, die Utra- quisten, selbst einen Nutzen ziehen. Die Legaten waren auch sicherlich selbst nicht gewillt, die letzten Folgerungen aus ihrer Lehre zu ziehen. Als später Pins gegen Georg einzuschreiten begann, war der Erzbischof von Kreta, der einstige Verfechter der Toleranz, sein eifriges Wertzeng, und als damals die katholischen Herren Böhmens für ihren König im Interesse des innerstaatlichen Friedens um Schonnng baten, hat er ihnen ernstlich zu bedenken gegeben, daß es Unrecht sei, den irdischen Frieden ohne Rücksicht anf den himmlischen zu suchen 1). Er besann sich nicht mehr darauf, daß er anderen christlichen Unter- tanen des Königs einmal gesehrt hatte, es schade dem Glauben uichts, wenn man mit einem fetzerischen König Frieden halte. Nur der Drang des Augen- blicks hatte ihn und den Genossen seiner Mission einst in Breslau veranlaßt, 1) Korr. 169; Script. rer. Siles. VIII, 237.
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78 Stillstand der Verhandlungen. Der Rat sucht eine neue Lösung. mit dem Toleranzgedauken und seinen altkirchlichen Motiven zu spielen; uur um die Breslauer einzuschüchtern, hatte er sich zu dieser gefährlichen Beweis- führung verstiegen. Aber auch in dieser Hinsicht war die Rede ein Fehsgriff. Die Breslauer zeigten sich uicht erschüttert; sie konnten uicht annehmen, daß die Duldung der Ketzer die letzte Weisheit der Kirche sein sollte. Die Gelehrsamkeit der fremden Herren hatte für sie uichts Überzeugendes. In Breslau hatte ja Tempelfeld vor kurzem mit einer nicht geringen Zahl scholastischer nud kirchen rechtlicher, aber auch biblischer und patristischer Autoritäten erwiesen, daß Gehorsam der Christen gegen die Ketzer uicht statthaft sei 1). Die Breslauer durften es uicht wagen, den hohen Abgesandten des Heiligen Vaters zu wider- sprechen; aber sie kounten ihrer Weisheit auch uicht folgen, — und so hatte die zweite Botschaft der Legaten an die Stadt zunächst den sichtbaren Erfolg, daß sie der geplanten Verständigung aujs nene den Weg abschuitt. Die Ver- handlungen kamen zum Stillstand. Aber im geheimen ging doch uoch eine andere Wirkung von diejer Kund- gebung aus; es hätte freilich des aufgebotenen Scharfsinus uicht bedurft, um sie zu erzielen. Der Breslauer Rat besann sich und betrachtete die Lage nach den wirklichen Verhältnissen. Die Beweisgründe der Legaten überzeugten ihn ebensowenig wie das Volk und die Predigerschaft; aber er war empfänglich für eine andere Sprache: er verstand, daß der Papst der Stadt im Wider- stande gegen Georg nicht heljen wollte, und er hielt sich andrerseits vor Augen, daß der Papst die einzige Macht war, die die Stadt uoch vor einer gewalt samen und unbedingten Unterwerjung irgendwie schützen konnte. Die Stadt hatte den Papst als Schiedsrichter angerujen; der Papst entschied, daß sie Georg anerkennen mußte: es half uichts, sich gegen dieses Urteil zu sträuben. Es konnte sich uur mehr darnm handeln, die Unterwerfung ehrenvoll zu gestalten und das Interesse der Stadt in ihr zu retten. Damit mußte freilich der große ideale Anspruch des Widerstandes anfgegeben werden: der Ketzer blieb unbestraft; die Krone Böhmen trug einen Makel. Aber der Kirche und der Krone war uicht mehr zu helfen, da sich die berufensten Vertreter ihrer nicht annahmen; jetzt mußte die Stadt vor allem an sich selbst denfen. Sie mußte ihr Verhältnis zur Krone Böhmen so einrichten, daß ihr Feind, der zeitige Träger der Krone, ihr weniger leicht schaden konnte. Und andrerseits mußte der Papst, der sie zu diesem Einlenken veraulaßte, auch die Verantwortung dafür übernehmen, daß der Stadt der Gehorsam aegen ihn nicht zum Schaden 1) Vgl. den Traktat bei Jordan, S. 377 u ff.
78 Stillstand der Verhandlungen. Der Rat sucht eine neue Lösung. mit dem Toleranzgedauken und seinen altkirchlichen Motiven zu spielen; uur um die Breslauer einzuschüchtern, hatte er sich zu dieser gefährlichen Beweis- führung verstiegen. Aber auch in dieser Hinsicht war die Rede ein Fehsgriff. Die Breslauer zeigten sich uicht erschüttert; sie konnten uicht annehmen, daß die Duldung der Ketzer die letzte Weisheit der Kirche sein sollte. Die Gelehrsamkeit der fremden Herren hatte für sie uichts Überzeugendes. In Breslau hatte ja Tempelfeld vor kurzem mit einer nicht geringen Zahl scholastischer nud kirchen rechtlicher, aber auch biblischer und patristischer Autoritäten erwiesen, daß Gehorsam der Christen gegen die Ketzer uicht statthaft sei 1). Die Breslauer durften es uicht wagen, den hohen Abgesandten des Heiligen Vaters zu wider- sprechen; aber sie kounten ihrer Weisheit auch uicht folgen, — und so hatte die zweite Botschaft der Legaten an die Stadt zunächst den sichtbaren Erfolg, daß sie der geplanten Verständigung aujs nene den Weg abschuitt. Die Ver- handlungen kamen zum Stillstand. Aber im geheimen ging doch uoch eine andere Wirkung von diejer Kund- gebung aus; es hätte freilich des aufgebotenen Scharfsinus uicht bedurft, um sie zu erzielen. Der Breslauer Rat besann sich und betrachtete die Lage nach den wirklichen Verhältnissen. Die Beweisgründe der Legaten überzeugten ihn ebensowenig wie das Volk und die Predigerschaft; aber er war empfänglich für eine andere Sprache: er verstand, daß der Papst der Stadt im Wider- stande gegen Georg nicht heljen wollte, und er hielt sich andrerseits vor Augen, daß der Papst die einzige Macht war, die die Stadt uoch vor einer gewalt samen und unbedingten Unterwerjung irgendwie schützen konnte. Die Stadt hatte den Papst als Schiedsrichter angerujen; der Papst entschied, daß sie Georg anerkennen mußte: es half uichts, sich gegen dieses Urteil zu sträuben. Es konnte sich uur mehr darnm handeln, die Unterwerfung ehrenvoll zu gestalten und das Interesse der Stadt in ihr zu retten. Damit mußte freilich der große ideale Anspruch des Widerstandes anfgegeben werden: der Ketzer blieb unbestraft; die Krone Böhmen trug einen Makel. Aber der Kirche und der Krone war uicht mehr zu helfen, da sich die berufensten Vertreter ihrer nicht annahmen; jetzt mußte die Stadt vor allem an sich selbst denfen. Sie mußte ihr Verhältnis zur Krone Böhmen so einrichten, daß ihr Feind, der zeitige Träger der Krone, ihr weniger leicht schaden konnte. Und andrerseits mußte der Papst, der sie zu diesem Einlenken veraulaßte, auch die Verantwortung dafür übernehmen, daß der Stadt der Gehorsam aegen ihn nicht zum Schaden 1) Vgl. den Traktat bei Jordan, S. 377 u ff.
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Erbitterung des Volkes und der Prediger gegen die Legaten. 79 diente. Nur freilich war es schwer, nach der heiligen Versicherung, daß die Stadt sich uiemals unter Georg beugen wolle, eine Formel zu finden, bei der der Rücktritt vom Widerstande noch ehrenvoll vor sich ging, — und eine Formel, die für die Masse der Gemeine überhaupt auch nur erträglich war. Daß eine solche Formel gefunden wurde, war, wie es scheint, das Verdieust des Stadtschreibers Eschenloer; daß sie aber den Legaten einerseits, der Gemeine andrerseits genehm wurde, das war das Werk besonderer unvorher- gesehener Ereignisse. — Zunächst blieb die Gemeine in ihrer Enttäuschung und Erbitterung jeder Vermittlung unzugänglich. Sie hatte nicht übel Lust, die Legaten unverrichteter Sache fortzuschicken. Das Orakel der Menge war mehr als je die Predigerschaft, und diese bestärkte das Volk auch jetzt in seinem Trotze. Wenn man die Prediger um ein bindendes Gutachten befragte, wagten sie zwar uicht, dentlich ihre Meinung zu sagen; sie deuteten nur an, daß der Papst, dem man soust in allem Guten gehorchen müsse, wohl unrecht unterrichtet sei, und erklärten im übrigen, es sei nicht ihre Sache, der Stadt Vorschriften zu machen. Heimlich aber gaben sie den bösen Gerüchten Vor- schub, die in den Zechen der Handwerker umliefen: die Legaten seien in der Tat unehrliche Unterhändler; sie hätten von Georg Geld genommen1). Diese Verdächtigungen famen aus ehrlicher Überzeugung; mit ihrer Toleranzlehre kounten die Legaten den Predigern uur als Antichristen gelten. Und die Prediger hatten Anlaß, alle Mittel der Verhetzung gegen diese innerfirchlichen Feinde anfzubieten. Sie sahen ihr Ausehen wie ihren Lebenszweck in änßerster Gefahr. Wenn sie jetzt von der Sache des Widerstandes abfielen, so hatten sie das Vertranen, das das Volk in ihre Führung setzte, getäuscht. Und wenn eine Einigung mit Podiebrad zustande fam, dann war auch fürs erste die Hoffnung zerstört, die sie in diesem Kampfe vor allem geleitet hatte, die Hoffnnng, Breslan würde der Ansgangspunkt einer großen kirchlichen Er- hebung gegen das Kelchnertum werden, sein Widerstand werde die Aufmerksam- keit der Christenheit auf sich ziehen und den Kampf gegen die Ketzerei zu einem allgemeinen machen. Der Papst, den die Prediger vor allem zu gewinnen gehofft hatten, stellte sich dem frommen Werke entgegen und war saumselig genug, Ketzergönner als Verkünder der heisigen Wahrheit zu entsenden; er sollte jetzt sehen, daß das christliche Volk von Breslau seine Freundschaft mit dem Ketzer uicht duldete. Unter den Einflüsterungen von geistlicher Seite wuchs in der Menge, der nach den Anfregungen des Sommers die Lust zum Kampfes lärm noch immer in den Gliedern steckte, die Bereitschaft, den Widerstand gegen die päpstlichen Abgesandten bis zum äußersten fortzusetzen. 1) Esch. D I, 149.
Erbitterung des Volkes und der Prediger gegen die Legaten. 79 diente. Nur freilich war es schwer, nach der heiligen Versicherung, daß die Stadt sich uiemals unter Georg beugen wolle, eine Formel zu finden, bei der der Rücktritt vom Widerstande noch ehrenvoll vor sich ging, — und eine Formel, die für die Masse der Gemeine überhaupt auch nur erträglich war. Daß eine solche Formel gefunden wurde, war, wie es scheint, das Verdieust des Stadtschreibers Eschenloer; daß sie aber den Legaten einerseits, der Gemeine andrerseits genehm wurde, das war das Werk besonderer unvorher- gesehener Ereignisse. — Zunächst blieb die Gemeine in ihrer Enttäuschung und Erbitterung jeder Vermittlung unzugänglich. Sie hatte nicht übel Lust, die Legaten unverrichteter Sache fortzuschicken. Das Orakel der Menge war mehr als je die Predigerschaft, und diese bestärkte das Volk auch jetzt in seinem Trotze. Wenn man die Prediger um ein bindendes Gutachten befragte, wagten sie zwar uicht, dentlich ihre Meinung zu sagen; sie deuteten nur an, daß der Papst, dem man soust in allem Guten gehorchen müsse, wohl unrecht unterrichtet sei, und erklärten im übrigen, es sei nicht ihre Sache, der Stadt Vorschriften zu machen. Heimlich aber gaben sie den bösen Gerüchten Vor- schub, die in den Zechen der Handwerker umliefen: die Legaten seien in der Tat unehrliche Unterhändler; sie hätten von Georg Geld genommen1). Diese Verdächtigungen famen aus ehrlicher Überzeugung; mit ihrer Toleranzlehre kounten die Legaten den Predigern uur als Antichristen gelten. Und die Prediger hatten Anlaß, alle Mittel der Verhetzung gegen diese innerfirchlichen Feinde anfzubieten. Sie sahen ihr Ausehen wie ihren Lebenszweck in änßerster Gefahr. Wenn sie jetzt von der Sache des Widerstandes abfielen, so hatten sie das Vertranen, das das Volk in ihre Führung setzte, getäuscht. Und wenn eine Einigung mit Podiebrad zustande fam, dann war auch fürs erste die Hoffnung zerstört, die sie in diesem Kampfe vor allem geleitet hatte, die Hoffnnng, Breslan würde der Ansgangspunkt einer großen kirchlichen Er- hebung gegen das Kelchnertum werden, sein Widerstand werde die Aufmerksam- keit der Christenheit auf sich ziehen und den Kampf gegen die Ketzerei zu einem allgemeinen machen. Der Papst, den die Prediger vor allem zu gewinnen gehofft hatten, stellte sich dem frommen Werke entgegen und war saumselig genug, Ketzergönner als Verkünder der heisigen Wahrheit zu entsenden; er sollte jetzt sehen, daß das christliche Volk von Breslau seine Freundschaft mit dem Ketzer uicht duldete. Unter den Einflüsterungen von geistlicher Seite wuchs in der Menge, der nach den Anfregungen des Sommers die Lust zum Kampfes lärm noch immer in den Gliedern steckte, die Bereitschaft, den Widerstand gegen die päpstlichen Abgesandten bis zum äußersten fortzusetzen. 1) Esch. D I, 149.
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80 Drohender Aufruhr. Einigung auf die neuen Vorschläge des Rates. Wiederum entlud sich die Aufregung in einem Tumult; aber dieser Tumult gab nicht dem Volke, sondern dem Rate die Lenkung der Dinge in die Hand. Die Legaten wurden nach vierwöchentlichem Verweilen ungeduldig; sie ließen den Rat wissen, wenn sich die Stadt nicht unverzüglich entschlösse, Georgs Herrschaft unter ihrer Vermittlung anzunehmen, müßzten sie über Breslau das Interdikt verhängen. Am 8. Dezember, dem Tage Mariä Empfängnis, wollten sie dem Volke dieses ihr letztes Wort auf dem Rathause verkünden. Im Volke erfuhr man von ihrer Absicht; das Gerücht wußte hinzuzusetzen, die Prediger und einige aus der Gemeine würden vom Rate auf Geheiß der Legaten ge- fangen gesetzt werden. In Erwartung dieser Gewalttat rüstete man sich zum Aufruhr; als der 8. Dezember anbrach, war ein Teil der Handwerkerschaft wiederum im Harnisch versammelt. Diesen Augenblick nahmen die Ratmannen wahr, um ihren vermittelnden Vorschlag beiderseits zur Geltung zu bringen. Der Ratsälteste und Eschenloer stellten den Legaten die Gefahr der Stunde vor; diese bewilligten erschreckt alles, was gefordert wurde; insbesondere wollten sie sich dafür einsetzen, daß die Stadt im nächsten Jahre Georg noch nicht zu huldigen brauche. Mit der Nachricht von diesem Zugeständnis trat der Rats- hauptmann vor die Gemeine; obwohl diese bisher von feinem Anfschub hatte wissen wollen, nahm sie jetzt das Angebot mit Jubel an 1). So wenig das Erwirkte noch den letzten Forderungen der Breslauer entsprach, in der Stimmung des Augenblicks sah man nur ungeheuren Triumph: die Legaten hatten vor dem Volke kapituliert. Der Erzbischof und der Doktor retteten ihrerseits ihre Würde; sie ent- wickelten in einer wohlgesetzten Ausprache, die Eschensoer dem Volke verdeutschte, noch einmal die allgemeinen und besonderen Motive der päpstlichen Ver- mittlungsabsicht; sie vergaßen dabei nicht, dem nunmehr beruhigten Volke deutlich zu machen, daß es sich dem Urteil des Papstes jügen müsse, und daß sie Kopien der Bittschriften bei sich trügen, in denen die Stadt den Papst zum Richter zwischen sich und Georg gesetzt hatte2). Die einzelnen Abmachungen über den Friedensschluß, die die Legaten mit dem Stadtschreiber verabredet hatten, fanden nun allgemeine Zustimmung. Die Legaten ertlärten, es sei wie von Gott selbst gekommen; ganz so wie der Rat hätten sie sich den Ver- trag auch gedacht. Georg hat diese Abmachungen angenommen; es genügte ihm, daß uun- mehr der einzige Feind, den er noch hatte, Ruhe halten mßte. Unter den Bedingungen, die am 8. Dezember 1459 dem Breslaner Volke verlesen wurden, 1) Esch. L 86f., D I, 143 f. (Im einzelnen widersprechend.) Wiederum kann die hier 2) Esch. L 88. gegebene Darstellung die bildliche Fülle der Chronik nicht erschöpfen.
80 Drohender Aufruhr. Einigung auf die neuen Vorschläge des Rates. Wiederum entlud sich die Aufregung in einem Tumult; aber dieser Tumult gab nicht dem Volke, sondern dem Rate die Lenkung der Dinge in die Hand. Die Legaten wurden nach vierwöchentlichem Verweilen ungeduldig; sie ließen den Rat wissen, wenn sich die Stadt nicht unverzüglich entschlösse, Georgs Herrschaft unter ihrer Vermittlung anzunehmen, müßzten sie über Breslau das Interdikt verhängen. Am 8. Dezember, dem Tage Mariä Empfängnis, wollten sie dem Volke dieses ihr letztes Wort auf dem Rathause verkünden. Im Volke erfuhr man von ihrer Absicht; das Gerücht wußte hinzuzusetzen, die Prediger und einige aus der Gemeine würden vom Rate auf Geheiß der Legaten ge- fangen gesetzt werden. In Erwartung dieser Gewalttat rüstete man sich zum Aufruhr; als der 8. Dezember anbrach, war ein Teil der Handwerkerschaft wiederum im Harnisch versammelt. Diesen Augenblick nahmen die Ratmannen wahr, um ihren vermittelnden Vorschlag beiderseits zur Geltung zu bringen. Der Ratsälteste und Eschenloer stellten den Legaten die Gefahr der Stunde vor; diese bewilligten erschreckt alles, was gefordert wurde; insbesondere wollten sie sich dafür einsetzen, daß die Stadt im nächsten Jahre Georg noch nicht zu huldigen brauche. Mit der Nachricht von diesem Zugeständnis trat der Rats- hauptmann vor die Gemeine; obwohl diese bisher von feinem Anfschub hatte wissen wollen, nahm sie jetzt das Angebot mit Jubel an 1). So wenig das Erwirkte noch den letzten Forderungen der Breslauer entsprach, in der Stimmung des Augenblicks sah man nur ungeheuren Triumph: die Legaten hatten vor dem Volke kapituliert. Der Erzbischof und der Doktor retteten ihrerseits ihre Würde; sie ent- wickelten in einer wohlgesetzten Ausprache, die Eschensoer dem Volke verdeutschte, noch einmal die allgemeinen und besonderen Motive der päpstlichen Ver- mittlungsabsicht; sie vergaßen dabei nicht, dem nunmehr beruhigten Volke deutlich zu machen, daß es sich dem Urteil des Papstes jügen müsse, und daß sie Kopien der Bittschriften bei sich trügen, in denen die Stadt den Papst zum Richter zwischen sich und Georg gesetzt hatte2). Die einzelnen Abmachungen über den Friedensschluß, die die Legaten mit dem Stadtschreiber verabredet hatten, fanden nun allgemeine Zustimmung. Die Legaten ertlärten, es sei wie von Gott selbst gekommen; ganz so wie der Rat hätten sie sich den Ver- trag auch gedacht. Georg hat diese Abmachungen angenommen; es genügte ihm, daß uun- mehr der einzige Feind, den er noch hatte, Ruhe halten mßte. Unter den Bedingungen, die am 8. Dezember 1459 dem Breslaner Volke verlesen wurden, 1) Esch. L 86f., D I, 143 f. (Im einzelnen widersprechend.) Wiederum kann die hier 2) Esch. L 88. gegebene Darstellung die bildliche Fülle der Chronik nicht erschöpfen.
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Der Vertrag vom 13. Januar 1460. 81 ist am 13. Jannar 1460 der Friede zwischen König und Stadt geschlossen und von den Legaten bestätigt worden. Dieser Friedensvertrag bedentet in seinem wesentlichsten Inhalt jene neuartige Ansrichtung der Breslauer Politik, zu der sich der Rat in den Tagen der höchsten Spannung zwischen der Stadt und den Legaten entschlossen hatte. Die Hauptfestsetzungen des Vertrages sind die folgenden 1): A. Breslan, Stadt und Klerus, sowie Namslau geloben, dem König Georg, wie der Papst geboten hat, Gehorsam zu leisten. B. dafür gewährt Georg: 1. Sofortigen Abbruch der Feindseligkeiten. Alle Kampfansagen seiner Bundesgenossen werden zurückgenommen; der Widerstand der Breslauer bleibt unbestrajt. 2. Bestätignng aller Herrschafts- und Besitzrechte, die den Städten Breslau und Namslan und ihren Bürgern nach Ausweis der Privilegien und Gewohnheiten zustehen. Im einzelnen wird betont, daß der König alle Bürger bei ihrem Gerichtsstande erhalten und niemals vor ein auswärtiges Gericht fordern oder fordern lassen wird, daß er ferner das Fürstentum Breslau ungeteilt bestehen lassen, die Freiheit der Ratswahlen nicht antasten, die Zollgerechtsame der Stadt erhalten und die Hauptmannschaft über das Fürstentum in ihren Händen belassen wird. 3. Wahrung des Besitzes der Geistlichkeit, Gültigkeit der geistlichen Zenjuren; Unterstützung ihrer Gebote wider die Ketzer. 4. Die Huldigung der Städte und der Geistlichkeit bleibt auf drei Jahre und einen Monat2) hinansgeschoben. Nach Ablauf dieser Frist geloben sie, dem Könige „als dem wahren und unzweifelhaften katholischen und christlichen Könige von Böhmen“ zu huldigen; aber auch schon bis dahin sollen sie ihm untertänig sein. Alle ihre Untertaneupflichten (z. B. Beschickung von Tagungen des Reiches) und seine Herrscherpflichten (z. B. Schutz gegen Feinde) sollen schon innerhalb der Frist gelten. Die letzte dieser Bestimmungen macht uns begreiflich, daß Georg den Vertrag so bereitwillig annahm. In der Hauptsache blieb er der Sieger: die Breslauer mnsßten von ihrem Gelübde, ihn nimmermehr aufzunehmen, zurück treten. Der Breslauer Rat hatte diese Niederlage nicht zu verhüllen vermocht. Nicht die Unterwerfung unter Georg, uur der feierliche Unterwerfungsakt, die Huldigung an ihn, wird aufgeschoben. Georg wird in dem Vertrage schon als der rechte König angesprochen. Das Siegesbewußtsein der Stadt scheint 1) L 95 f. 2) Den einen Monat hat Georg selbst in heiterer Laune zu den drei Jahren hinzugefügt. Esch. L 97, C II. Darüeslungen und Duellen XXII. 6
Der Vertrag vom 13. Januar 1460. 81 ist am 13. Jannar 1460 der Friede zwischen König und Stadt geschlossen und von den Legaten bestätigt worden. Dieser Friedensvertrag bedentet in seinem wesentlichsten Inhalt jene neuartige Ansrichtung der Breslauer Politik, zu der sich der Rat in den Tagen der höchsten Spannung zwischen der Stadt und den Legaten entschlossen hatte. Die Hauptfestsetzungen des Vertrages sind die folgenden 1): A. Breslan, Stadt und Klerus, sowie Namslau geloben, dem König Georg, wie der Papst geboten hat, Gehorsam zu leisten. B. dafür gewährt Georg: 1. Sofortigen Abbruch der Feindseligkeiten. Alle Kampfansagen seiner Bundesgenossen werden zurückgenommen; der Widerstand der Breslauer bleibt unbestrajt. 2. Bestätignng aller Herrschafts- und Besitzrechte, die den Städten Breslau und Namslan und ihren Bürgern nach Ausweis der Privilegien und Gewohnheiten zustehen. Im einzelnen wird betont, daß der König alle Bürger bei ihrem Gerichtsstande erhalten und niemals vor ein auswärtiges Gericht fordern oder fordern lassen wird, daß er ferner das Fürstentum Breslau ungeteilt bestehen lassen, die Freiheit der Ratswahlen nicht antasten, die Zollgerechtsame der Stadt erhalten und die Hauptmannschaft über das Fürstentum in ihren Händen belassen wird. 3. Wahrung des Besitzes der Geistlichkeit, Gültigkeit der geistlichen Zenjuren; Unterstützung ihrer Gebote wider die Ketzer. 4. Die Huldigung der Städte und der Geistlichkeit bleibt auf drei Jahre und einen Monat2) hinansgeschoben. Nach Ablauf dieser Frist geloben sie, dem Könige „als dem wahren und unzweifelhaften katholischen und christlichen Könige von Böhmen“ zu huldigen; aber auch schon bis dahin sollen sie ihm untertänig sein. Alle ihre Untertaneupflichten (z. B. Beschickung von Tagungen des Reiches) und seine Herrscherpflichten (z. B. Schutz gegen Feinde) sollen schon innerhalb der Frist gelten. Die letzte dieser Bestimmungen macht uns begreiflich, daß Georg den Vertrag so bereitwillig annahm. In der Hauptsache blieb er der Sieger: die Breslauer mnsßten von ihrem Gelübde, ihn nimmermehr aufzunehmen, zurück treten. Der Breslauer Rat hatte diese Niederlage nicht zu verhüllen vermocht. Nicht die Unterwerfung unter Georg, uur der feierliche Unterwerfungsakt, die Huldigung an ihn, wird aufgeschoben. Georg wird in dem Vertrage schon als der rechte König angesprochen. Das Siegesbewußtsein der Stadt scheint 1) L 95 f. 2) Den einen Monat hat Georg selbst in heiterer Laune zu den drei Jahren hinzugefügt. Esch. L 97, C II. Darüeslungen und Duellen XXII. 6
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82 Die Bedeutung des Vertrages für die Stadt: 1. Festsetzung der Untertanenrechte. auf den ersten Blick unberechtigt. In der Tat mag die Menge sich an das rein äußerliche Ergebnis gehalten haben, daß sie zunächst nicht förmlich zu huldigen branchte. Für die Ratsmannen aber, die diesen Vertrag entworfen haben, ist seine Bedentung eine andere gewesen. Der wesentliche politische Inhalt des Ab- kommens liegt nicht lediglich in der vierten Bedingung — dem Huldigungs- aufschub —, sondern ebensosehr in der zweiten. Diese Festsetzung gibt sich den Auschein, als bedinge sie uur die bei jeder Huldignug gewohnte Be stätigung der Privilegien; ihre eigentliche Absicht aber reicht weiter. Es werden hier zugnnsten der Stadt Breslan die Schranfen der landesherrlichen Gewalt im Fürstentum Breslan festgestellt. Die Stadt will einem scharfen Regiment Georgs entgegen arbeiten, wie sie es von ihm befürchten fonute. Der Rat läßt sich darum zunächst die Hauptmannschaft über das Fürsten- tum wiedergeben und die Erhaltung aller Besitzrechte im Fürstentum gewähr leisten. Wir wissen, daß der Hauptmaun, der ihr von Ladislaus anf Betreiben Podiebrads gesetzt worden war, einen umfassenden Versuch unternommen hatte, die Lehen und Kroneinkünfte im Fürstentum Breslan wieder unter die direkte Aufsicht der Krone zu bringen: eine Ernenerung dieses Versuches sollte für alle Zukunft verhindert werden. Anch gab ja der Besitz der Hauptmannschaft dem Rat einige, weun auch, wie die Kriegszeit erwiesen hatte, feine voll- kommene Macht über die Landbewohner 1). Eine Einschränkung der landes- herrlichen Gewalt bedentete ferner die ansdrückliche Ansschließnng des Rechts zuges von einem Breslaner Gerichte an ein auswärtiges. Ein derartiger Rechts- zug war freilich schon läugst uußer Übung; auch hatte schon König Johann iu seinen Privilegien für Breslan verfügt, daß Breslaner Bürger oder Land= sassen nicht vor ein answärtiges Gericht gezogen werden sollten2). Aber es war doch fraglich, ob durch dieses Recht auch die fönigliche Gerichtshoheit selbst beschränkt wurde, ob der König uicht die Möglichfeit hatte, die Breslaner Stadts und Fürstentumsobrigkeit selbst vor sein Gericht in Prag zu ziehen oder ihre Urteile aufzuheben: um solchen Bedrückungen vorzubengen, ließ man Georg auf eine Behauptung dieses Rechtes förnlich Verzicht leisten. Das Recht der freien Ratskur endlich war zwar in Prinzip imner anerkannt ge- wesen; aber die letzten drei Könige vor Ladislaus hatten sich durchaus uicht daran gehalten; darum ließ man sich von Georg auch dieses Recht ausdrücklich zusichern. 1) Tatsächlich hatte der Rat schon während des Konfliktes : Feuntmanuschaft wieder an sich gezogen. Vgl. Bobertag, Zeitschr. VIl, 159. 2) Schlepsche A.,"zurkunden I, 68. Vgl. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaatsverwattung Schlesieus vor dem dreißig- iährigen Kriege, S. 220 f.
82 Die Bedeutung des Vertrages für die Stadt: 1. Festsetzung der Untertanenrechte. auf den ersten Blick unberechtigt. In der Tat mag die Menge sich an das rein äußerliche Ergebnis gehalten haben, daß sie zunächst nicht förmlich zu huldigen branchte. Für die Ratsmannen aber, die diesen Vertrag entworfen haben, ist seine Bedentung eine andere gewesen. Der wesentliche politische Inhalt des Ab- kommens liegt nicht lediglich in der vierten Bedingung — dem Huldigungs- aufschub —, sondern ebensosehr in der zweiten. Diese Festsetzung gibt sich den Auschein, als bedinge sie uur die bei jeder Huldignug gewohnte Be stätigung der Privilegien; ihre eigentliche Absicht aber reicht weiter. Es werden hier zugnnsten der Stadt Breslan die Schranfen der landesherrlichen Gewalt im Fürstentum Breslan festgestellt. Die Stadt will einem scharfen Regiment Georgs entgegen arbeiten, wie sie es von ihm befürchten fonute. Der Rat läßt sich darum zunächst die Hauptmannschaft über das Fürsten- tum wiedergeben und die Erhaltung aller Besitzrechte im Fürstentum gewähr leisten. Wir wissen, daß der Hauptmaun, der ihr von Ladislaus anf Betreiben Podiebrads gesetzt worden war, einen umfassenden Versuch unternommen hatte, die Lehen und Kroneinkünfte im Fürstentum Breslan wieder unter die direkte Aufsicht der Krone zu bringen: eine Ernenerung dieses Versuches sollte für alle Zukunft verhindert werden. Anch gab ja der Besitz der Hauptmannschaft dem Rat einige, weun auch, wie die Kriegszeit erwiesen hatte, feine voll- kommene Macht über die Landbewohner 1). Eine Einschränkung der landes- herrlichen Gewalt bedentete ferner die ansdrückliche Ansschließnng des Rechts zuges von einem Breslaner Gerichte an ein auswärtiges. Ein derartiger Rechts- zug war freilich schon läugst uußer Übung; auch hatte schon König Johann iu seinen Privilegien für Breslan verfügt, daß Breslaner Bürger oder Land= sassen nicht vor ein answärtiges Gericht gezogen werden sollten2). Aber es war doch fraglich, ob durch dieses Recht auch die fönigliche Gerichtshoheit selbst beschränkt wurde, ob der König uicht die Möglichfeit hatte, die Breslaner Stadts und Fürstentumsobrigkeit selbst vor sein Gericht in Prag zu ziehen oder ihre Urteile aufzuheben: um solchen Bedrückungen vorzubengen, ließ man Georg auf eine Behauptung dieses Rechtes förnlich Verzicht leisten. Das Recht der freien Ratskur endlich war zwar in Prinzip imner anerkannt ge- wesen; aber die letzten drei Könige vor Ladislaus hatten sich durchaus uicht daran gehalten; darum ließ man sich von Georg auch dieses Recht ausdrücklich zusichern. 1) Tatsächlich hatte der Rat schon während des Konfliktes : Feuntmanuschaft wieder an sich gezogen. Vgl. Bobertag, Zeitschr. VIl, 159. 2) Schlepsche A.,"zurkunden I, 68. Vgl. Rachfahl, Die Organisation der Gesamtstaatsverwattung Schlesieus vor dem dreißig- iährigen Kriege, S. 220 f.
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2. Verpflichtung des Papstes zur Hilfe. 83 Der Breslaner Rat hatte schon wenige Wochen nach dem Abschlusse des Vertrages die Genngtnung, zu sehen, daß er klug daran gehandelt hatte, seine Unterwerfung an genau umschriebene Bedingungen zu knüpfen. In Nenmarkt war der Rat zu ernenern, und im Breslauer Hofgerichte mußten nene Mannen gesetzt werden. Ein Beamter Georgs, der Landeshauptmaun in Glatz, wollte diese Handlungen an sich ziehen und damit sowohl in die Wahlrechte der Mannen und Bürger wie in das Bestätigungsrecht der Breslauer Haupt- mannschajt eingreifen; gleichzeitig wollte er einen Unterhauptmann in Breslau einsetzen 1). Offenbar war er, ehe der Vertrag zustande gekommen war, von Georg zu diesen Gewalteingriffen ermächtigt worden. Die Breslauer führten bei Georg Beschwerde hierüber und verwiesen auj den eben geschlossenen Ver- trag, der ihnen die Hauptmannschaft überließ: der König mußte ihnen recht geben. Schon die Rücksicht auf den Papst uötigte ihn, die Stadt jetzt freundlich zu behandeln und sich genau an den Vertrag zu halten. Und dies war überhaupt die zweite Bedentung des Vertrages für die Partei, die sich unterwarf. Er sicherte nicht uur den Städten Breslan und Namslan und der Geistlichkeit besondere Rechte gegen den Landesherrn zu; sondern er stellte sie zugleich unter den Schutz des Papstes und knüpfte zwischen ihm und ihnen ein Bünduis. — Es war zweijelhaft, ob Georgs Wort allein genügende Gewähr dafür leistete, daß er sich an den Vertrag binden würde, ob er uicht doch den Versuch machen würde, an den Breslauern Rache zu nehmen und ihre ansbedungenen Freiheiten zu verletzen. Gegen einen solchen Versuch aber sah der Vertrag eine doppelte Schutzwehr vor. Erstlich gab der Aufschub der Huldigung anf drei Jahre eine Sicherheit dafür, daß Georg wenigstens innerhalb dieser Frist die Breslauer und ihre Rechte uicht antasten würde: er hatte sonst zu befürchten, daß sie die Huldigung verweigern und den Kampj gegen ihn ernenern würden. Jn einem solchen Falle aber — und das war das zweite Schutzuittel — hätten die Breslauer beim Papste Gehör finden müssen: denn auf seinen Wunsch hatten sie diesen Frieden geschlossen, und die Legaten hatten befräftigt, daß er gesteu solle. Eine weitere Festsetzung des Vertrages schützte nicht uur die Breslauer vor einer uenen Demütigung, sondern zog uoch insbesondere den Papst mit in ihr Interesse hinein. Der Vertrag trug den Charakter eines daneruden Friedeus. Denuoch war auch der ursprüngliche Wunsch des Rates, uur einen Stillstand abzuschließen, in gewisser Weise noch zu seinem Rechte gelaugt. Die H.Eianug wurde uicht allein aufgeschoben, sondern auch an eine besoudere 1) Esch. L 98. Korr. 36 B (Script. rer. Siles. VIII, 39. Brief der Legaten von 16. Februar 1460.) 6*
2. Verpflichtung des Papstes zur Hilfe. 83 Der Breslaner Rat hatte schon wenige Wochen nach dem Abschlusse des Vertrages die Genngtnung, zu sehen, daß er klug daran gehandelt hatte, seine Unterwerfung an genau umschriebene Bedingungen zu knüpfen. In Nenmarkt war der Rat zu ernenern, und im Breslauer Hofgerichte mußten nene Mannen gesetzt werden. Ein Beamter Georgs, der Landeshauptmaun in Glatz, wollte diese Handlungen an sich ziehen und damit sowohl in die Wahlrechte der Mannen und Bürger wie in das Bestätigungsrecht der Breslauer Haupt- mannschajt eingreifen; gleichzeitig wollte er einen Unterhauptmann in Breslau einsetzen 1). Offenbar war er, ehe der Vertrag zustande gekommen war, von Georg zu diesen Gewalteingriffen ermächtigt worden. Die Breslauer führten bei Georg Beschwerde hierüber und verwiesen auj den eben geschlossenen Ver- trag, der ihnen die Hauptmannschaft überließ: der König mußte ihnen recht geben. Schon die Rücksicht auf den Papst uötigte ihn, die Stadt jetzt freundlich zu behandeln und sich genau an den Vertrag zu halten. Und dies war überhaupt die zweite Bedentung des Vertrages für die Partei, die sich unterwarf. Er sicherte nicht uur den Städten Breslan und Namslan und der Geistlichkeit besondere Rechte gegen den Landesherrn zu; sondern er stellte sie zugleich unter den Schutz des Papstes und knüpfte zwischen ihm und ihnen ein Bünduis. — Es war zweijelhaft, ob Georgs Wort allein genügende Gewähr dafür leistete, daß er sich an den Vertrag binden würde, ob er uicht doch den Versuch machen würde, an den Breslauern Rache zu nehmen und ihre ansbedungenen Freiheiten zu verletzen. Gegen einen solchen Versuch aber sah der Vertrag eine doppelte Schutzwehr vor. Erstlich gab der Aufschub der Huldigung anf drei Jahre eine Sicherheit dafür, daß Georg wenigstens innerhalb dieser Frist die Breslauer und ihre Rechte uicht antasten würde: er hatte sonst zu befürchten, daß sie die Huldigung verweigern und den Kampj gegen ihn ernenern würden. Jn einem solchen Falle aber — und das war das zweite Schutzuittel — hätten die Breslauer beim Papste Gehör finden müssen: denn auf seinen Wunsch hatten sie diesen Frieden geschlossen, und die Legaten hatten befräftigt, daß er gesteu solle. Eine weitere Festsetzung des Vertrages schützte nicht uur die Breslauer vor einer uenen Demütigung, sondern zog uoch insbesondere den Papst mit in ihr Interesse hinein. Der Vertrag trug den Charakter eines daneruden Friedeus. Denuoch war auch der ursprüngliche Wunsch des Rates, uur einen Stillstand abzuschließen, in gewisser Weise noch zu seinem Rechte gelaugt. Die H.Eianug wurde uicht allein aufgeschoben, sondern auch an eine besoudere 1) Esch. L 98. Korr. 36 B (Script. rer. Siles. VIII, 39. Brief der Legaten von 16. Februar 1460.) 6*
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84 Aufschub der Huldigung. — Das Abkommen als Stillstand und als Frieden. Bedingung geknüpst. In dem Vertrage versprachen die Breslaner, daß sie Georg nach drei Jahren als einem katholischen und christlichen Könige huldigen wollten. Sie durften diesen Worten uach der Zurechtweijnng, die sie durch die Legaten erfahren hatten, uicht den Sinn geben, daß Georg vor- läufig noch kein katholischer und christlicher König sei. Aber sie sprachen da mit aus, daß sie sich an den Vertrag nicht mehr gebunden halten wollten, wenn inzwischen der Papst selbst Anlaß hätte, die Rechtgläubigkeit Georgs in Zweifel zu ziehen. Wie sie unter dem Schutze der Kirche sich Georg unter- werjen wollten, so behielten sie sich auch das Recht vor, den Vertrag zu ver- nichten und den Widerstand wieder aufzunehmen, wenn die Kirche selbst mit Georg in Streit geraten sollte. Sie dursten für diesen Fasl auf den Beistand des Papstes rechnen. Diese versteckte Klausel des Vertrages ist später seine wichtigste Bestimmung geworden. Zur Zeit des Abschlusses hat sie diese Bedeutung uicht gehabt. Die Breslauer, zum mindesten die Ratsherren, fanden sich mit der Tatsache ab, daß Georg ihr Herr werden würde. Als die Gesandten des Breslauer Rats im Dezember 1459 zu Prag vor König Georg traten, um mit ihm im Beisein der Legaten über den Frieden zu verhandeln, leiteten sie ihr Geschäft mit einer Ansprache ein, die an Unterwürfigkeit faum zu überbieten war; sie sprachen davon, „daß sie die Spuren seiner Füßze anbeten“ wollten 1). Die städtischen Gesandten, die dann im Jannar zum definitiven Abschluß des Vertrages nach Prag kamen, ließen sich herbei, den König kuiefällig um Verzeihung für alle Ausschreitungen der Stadt gegen ihn zu bitten. Das war eine schlimmere Demütigung, als eine Huldigung hätte sein können, und die Abgesandten hatten Mühe, der verbreiteten Meinung zu widersprechen, sie hätten wirtlich schon gehuldigt. Einige der anwesenden Ratsherren ließen sich anch vom Könige in persönliche Gespräche ziehen2). Nichts verriet, daß die Breslaner ihren Widerstand uur zu vertagen, uicht aufzugeben gedächten. Und wir haben keinen Anlaß, sie für Heuchler zu halten. Für das nächste Jahr wird das Verhältuis zwischen Georg und der Stadt durch Eschenloer dahin gekennzeichnet, daß Georg der Stadt alles Gnte angedeihen ließ, ihre Handelszüge und Handelsvorrechte schützte — und daß wiederum die Breslaner ihn geradezu lieb gewannen3). Das letztere ist freilich eine Übertreibung; aber eine Be- rnhignng der Gemüter trat doch ein. 1) Abgedruckt bei Jordan, Das Königtum Georg Podiebrads, S. 388. Der Zusamen- hang ergibt, daß diese Rede bei der Einleitung der Verhandlungen, uicht beim Abschluß des Vertrages gehalten ist; bei der letzieren Gelegenheit wurden uur die bei Eschenloer L 83 an 3) Esch. D I, 169. 2) Esch. L 89 f. geführten Worte gesprochen.
84 Aufschub der Huldigung. — Das Abkommen als Stillstand und als Frieden. Bedingung geknüpst. In dem Vertrage versprachen die Breslaner, daß sie Georg nach drei Jahren als einem katholischen und christlichen Könige huldigen wollten. Sie durften diesen Worten uach der Zurechtweijnng, die sie durch die Legaten erfahren hatten, uicht den Sinn geben, daß Georg vor- läufig noch kein katholischer und christlicher König sei. Aber sie sprachen da mit aus, daß sie sich an den Vertrag nicht mehr gebunden halten wollten, wenn inzwischen der Papst selbst Anlaß hätte, die Rechtgläubigkeit Georgs in Zweifel zu ziehen. Wie sie unter dem Schutze der Kirche sich Georg unter- werjen wollten, so behielten sie sich auch das Recht vor, den Vertrag zu ver- nichten und den Widerstand wieder aufzunehmen, wenn die Kirche selbst mit Georg in Streit geraten sollte. Sie dursten für diesen Fasl auf den Beistand des Papstes rechnen. Diese versteckte Klausel des Vertrages ist später seine wichtigste Bestimmung geworden. Zur Zeit des Abschlusses hat sie diese Bedeutung uicht gehabt. Die Breslauer, zum mindesten die Ratsherren, fanden sich mit der Tatsache ab, daß Georg ihr Herr werden würde. Als die Gesandten des Breslauer Rats im Dezember 1459 zu Prag vor König Georg traten, um mit ihm im Beisein der Legaten über den Frieden zu verhandeln, leiteten sie ihr Geschäft mit einer Ansprache ein, die an Unterwürfigkeit faum zu überbieten war; sie sprachen davon, „daß sie die Spuren seiner Füßze anbeten“ wollten 1). Die städtischen Gesandten, die dann im Jannar zum definitiven Abschluß des Vertrages nach Prag kamen, ließen sich herbei, den König kuiefällig um Verzeihung für alle Ausschreitungen der Stadt gegen ihn zu bitten. Das war eine schlimmere Demütigung, als eine Huldigung hätte sein können, und die Abgesandten hatten Mühe, der verbreiteten Meinung zu widersprechen, sie hätten wirtlich schon gehuldigt. Einige der anwesenden Ratsherren ließen sich anch vom Könige in persönliche Gespräche ziehen2). Nichts verriet, daß die Breslaner ihren Widerstand uur zu vertagen, uicht aufzugeben gedächten. Und wir haben keinen Anlaß, sie für Heuchler zu halten. Für das nächste Jahr wird das Verhältuis zwischen Georg und der Stadt durch Eschenloer dahin gekennzeichnet, daß Georg der Stadt alles Gnte angedeihen ließ, ihre Handelszüge und Handelsvorrechte schützte — und daß wiederum die Breslaner ihn geradezu lieb gewannen3). Das letztere ist freilich eine Übertreibung; aber eine Be- rnhignng der Gemüter trat doch ein. 1) Abgedruckt bei Jordan, Das Königtum Georg Podiebrads, S. 388. Der Zusamen- hang ergibt, daß diese Rede bei der Einleitung der Verhandlungen, uicht beim Abschluß des Vertrages gehalten ist; bei der letzieren Gelegenheit wurden uur die bei Eschenloer L 83 an 3) Esch. D I, 169. 2) Esch. L 89 f. geführten Worte gesprochen.
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Ein Jahr Frieden. — Rücktehr zur Feindschaft. 85 4. Kapitel. Die Erneuerung des Angriffs im Bunde mit der Kurie (1461—1464). I. Die Rückkehr zur Feindschaft. Der Vertrag vom 13. Jannar 1460 war, wie wir sahen, kein bloßer Waffenstillstand; er war dazu bestimmt, dauernde Verhältnisse zu be- gründen. Die Stadt Breslan erkannte das Königtum Georgs von Podiebrad an; sie erwarb sich unter ihm eine ehrenvolle und gesicherte Stellung. Neue Streitfälle kounten anftreten; aber die Behauptung, daß die Persönlichkeit Podiebrads selbst für die Stadt unerträglich sei, sollte keine Gültigkeit mehr haben. Dieses friedliche Grundverhältuis ist uun bereits im folgenden Jahre seitens der Stadt aufgegeben worden. Der Rat bevollmächtigte im Angust 1461 einen eigenen ständigen Gesandten an der Kurie, nachdem er schon einige Zeit auf den Papst brieflich einzuwirken gesucht hatte 1). Die Anfgabe des Prokurators, Johann Kitzing, war eine dreifache. Er sollte erstens die Frage der Huldigung wieder aufnehmen; die Stadt wollte darüber Gewißheit haben, ob sie nach dem Ablauf der dreijährigen Frist wirklich werde Georg als einem christlichen und fatholischen Könige huldigen können. Daneben aber sollte der Prokurator den Papst ständig darüber aufklären, wie wenig Georg die Hoffnnng erfüllte, die die Kirche auf ihn gesetzt hatte, wie er nach dem zuverlässigen Wissen der Breslaner sich durchaus als Hussitenkönig gebärdete. Und diese auftlärende und anklagende Arbeit des Prokurators, die durch häufige Briefe des Rates unterstützt wurde2), stand schon in engem Zusammenhange mit jeiner dritten und wichtigsten Aufgabe: er sollte dahin wirken, daß Pius und Georg sich eutzweiten, daß der Papst den König nicht mehr als katholischen 1) Eschenloer erzählt, daß der Papst die Anklagen der Breslauer zunächst mit Mißtrauen und Verwunderung aufnahm (D I, 172). Für die Zeit der Gesandtschaft Kitzings kann dies nicht miehr gelten; denn damals war der Papst über Georg schon zu gut unterrichtet, als daß er die Anklagen noch hätte ablehnen dürfen. Wir haben also an frühere Botschaften zu denken. — Für die Jahre 1460—1464 sind unsere wesentlichen Zeuguisse die von Martgraf ge sammelten Briefe und Urkunden (Script. rer. Siles. VIII. IX). Sie unterrichten uns voll- ständig über die Beziehungen zwischen Breslan und der Kurie. Dagegen lassen sie leider nur wenig vom inneren Leben der Stadt durchblicken. Eschenloer bietet hier nur geringen Ersatz. Die lateinische Erzählung hat hier eine Lücke; Eschenloer hat in L für diese Zeit im wesentlichen uur die urkundlichen Dokumente zusammengestellt (vgl. Markgraf, Script. rer. Siles. VIII, S. XV). In der deutschen Fassung bemüht er sich dann, auch von diesen Jahren ausiührlich zu erzählen. Aber es gelingt ihm schlecht; seine Darstellung wird sprunghaft und farblos und sticht sehr von den früheren und manchen späteren Abschnitten des Buches ab. die auf Grund der lateinischen Fassung ausgearbeitet sind. Das ist bezeichnend für seine Arbeitsweise. 2) „Tägliche Briefe“, Esch. D I, 177.
Ein Jahr Frieden. — Rücktehr zur Feindschaft. 85 4. Kapitel. Die Erneuerung des Angriffs im Bunde mit der Kurie (1461—1464). I. Die Rückkehr zur Feindschaft. Der Vertrag vom 13. Jannar 1460 war, wie wir sahen, kein bloßer Waffenstillstand; er war dazu bestimmt, dauernde Verhältnisse zu be- gründen. Die Stadt Breslan erkannte das Königtum Georgs von Podiebrad an; sie erwarb sich unter ihm eine ehrenvolle und gesicherte Stellung. Neue Streitfälle kounten anftreten; aber die Behauptung, daß die Persönlichkeit Podiebrads selbst für die Stadt unerträglich sei, sollte keine Gültigkeit mehr haben. Dieses friedliche Grundverhältuis ist uun bereits im folgenden Jahre seitens der Stadt aufgegeben worden. Der Rat bevollmächtigte im Angust 1461 einen eigenen ständigen Gesandten an der Kurie, nachdem er schon einige Zeit auf den Papst brieflich einzuwirken gesucht hatte 1). Die Anfgabe des Prokurators, Johann Kitzing, war eine dreifache. Er sollte erstens die Frage der Huldigung wieder aufnehmen; die Stadt wollte darüber Gewißheit haben, ob sie nach dem Ablauf der dreijährigen Frist wirklich werde Georg als einem christlichen und fatholischen Könige huldigen können. Daneben aber sollte der Prokurator den Papst ständig darüber aufklären, wie wenig Georg die Hoffnnng erfüllte, die die Kirche auf ihn gesetzt hatte, wie er nach dem zuverlässigen Wissen der Breslaner sich durchaus als Hussitenkönig gebärdete. Und diese auftlärende und anklagende Arbeit des Prokurators, die durch häufige Briefe des Rates unterstützt wurde2), stand schon in engem Zusammenhange mit jeiner dritten und wichtigsten Aufgabe: er sollte dahin wirken, daß Pius und Georg sich eutzweiten, daß der Papst den König nicht mehr als katholischen 1) Eschenloer erzählt, daß der Papst die Anklagen der Breslauer zunächst mit Mißtrauen und Verwunderung aufnahm (D I, 172). Für die Zeit der Gesandtschaft Kitzings kann dies nicht miehr gelten; denn damals war der Papst über Georg schon zu gut unterrichtet, als daß er die Anklagen noch hätte ablehnen dürfen. Wir haben also an frühere Botschaften zu denken. — Für die Jahre 1460—1464 sind unsere wesentlichen Zeuguisse die von Martgraf ge sammelten Briefe und Urkunden (Script. rer. Siles. VIII. IX). Sie unterrichten uns voll- ständig über die Beziehungen zwischen Breslan und der Kurie. Dagegen lassen sie leider nur wenig vom inneren Leben der Stadt durchblicken. Eschenloer bietet hier nur geringen Ersatz. Die lateinische Erzählung hat hier eine Lücke; Eschenloer hat in L für diese Zeit im wesentlichen uur die urkundlichen Dokumente zusammengestellt (vgl. Markgraf, Script. rer. Siles. VIII, S. XV). In der deutschen Fassung bemüht er sich dann, auch von diesen Jahren ausiührlich zu erzählen. Aber es gelingt ihm schlecht; seine Darstellung wird sprunghaft und farblos und sticht sehr von den früheren und manchen späteren Abschnitten des Buches ab. die auf Grund der lateinischen Fassung ausgearbeitet sind. Das ist bezeichnend für seine Arbeitsweise. 2) „Tägliche Briefe“, Esch. D I, 177.
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86 Die Breslauer wollen aufs neue die Vernichtung Georgs. Fürsten anerkenne und seinen Sturz vorbereite, daß zum mindesten das Unter- tanenverhältuis der Stadt Breslan zu Georg anfgehoben werde. Die Huldigungsfrage kounte nach außen hin zunächst als das Hauptanliegen erscheinen. Doch schon das Beglaubigungsschreiben für Kitzing betont mit dentlicher Absicht die hoffnungslose Böswilligkeit Georgs1). Und einer der ersten Briefe Kitzings an den Breslauer Rat spricht offenherzig aus, wohin die Wünsche gehen, die sich mit seiner Mission verbinden: „unn thu ich euch sunderlichen czu wissen, das dy hewptsache, dy euch am grosten ausiget, eyn gut ende ane ezweyfel nemen wirt, so der konig nicht thut noch gethon hat, was er dem romische stule gelobet hat, noch feyn hofnung daczu ist, das er is thun wolle“2). Es war der innigste Wunsch der Stadt Breslan, daß Georg uicht nur als ein unbußfertiger Sünder erkant werden, soudern auch ein solcher sein und bleiben sollte; sie verlangte aujs neue danach, sich un- widerruflich von ihm lösen zu dürfen. Sie hoffte schon auf einen Kreuzzug, durch den er vertilgt werden könnte. Als in diesem Jahre Bruder Gabriel von Verona in Breslan Freiwillige für den Türkenkrieg werben wollte, wurde ihm bedeutet, hier werde es bald uötiger sein, das Kreuz gegen die Ketzer zu predigen 8). Der Breslauer Rat leukte also wieder in die Bahnen ein, die er einst unter Führung der Predigerschaft im Jahre 1459 uur widerwillig beschritten und durch die Einigung mit den Legaten aufgegeben hatte. Ebenso plötzlich, wie die friedfertige Politik des Vertrages eingeleitet worden war, wurde sie auch wieder rückgängig gemacht. Wir stehen vor der Frage, wie wir diese Wandlung zu verstehen haben. Wir verstehen sie uur zu einem Teile als sachliche Notwendigkeit. In der Hauptsache war sie nicht dadurch erzwungen, daß tatsächliche Voraussetzungen des Vertragsverhältnisses sich auflösten, sondern die Gesinnung der Bürger schlug un: man gab die Idee des Vertrages auf und kehrte zu der alten, innerlich feindseligen Steslung zu Georg zurück. Sachlich begründet war uur soviel, daß die Stadt rechtzeitig ihre Vor- kehrungen für die vollkommene Innehaltung des Vertrages von 1460 treffen und andrerseits nenen Feindseligkeiten Georgs entgegeuwirken mußte. Beide Aufgaben erwiesen sich als dringend und waren uur im Verein mit der Kurie 1) Korr. 62, Script. rer. Siles. VIII, 62: Cum autem sufferencie pacis medium pene transierunt et nichil, ut speravimus, a parte altera sit attemptatum, sed ad deterius tendat, sunt nobis angustie undique. 2) Korr. 70, Script. rer. Siles VIII, 71. 3) Esch. D I, 170. Gabriel war auch vom Papste zum Jnquisitor gegen die hussitischen Ketzereien in Böhmen ernannt worden (vgl. Markgraf, Verhältnis usw. I, 23); aber in Breslau hatte er in dieser Eigenschaft kaum etwas zu tun, und darum darf man die Nachricht Esch.'s wohl mit Vertrauen aufnchmen.
86 Die Breslauer wollen aufs neue die Vernichtung Georgs. Fürsten anerkenne und seinen Sturz vorbereite, daß zum mindesten das Unter- tanenverhältuis der Stadt Breslan zu Georg anfgehoben werde. Die Huldigungsfrage kounte nach außen hin zunächst als das Hauptanliegen erscheinen. Doch schon das Beglaubigungsschreiben für Kitzing betont mit dentlicher Absicht die hoffnungslose Böswilligkeit Georgs1). Und einer der ersten Briefe Kitzings an den Breslauer Rat spricht offenherzig aus, wohin die Wünsche gehen, die sich mit seiner Mission verbinden: „unn thu ich euch sunderlichen czu wissen, das dy hewptsache, dy euch am grosten ausiget, eyn gut ende ane ezweyfel nemen wirt, so der konig nicht thut noch gethon hat, was er dem romische stule gelobet hat, noch feyn hofnung daczu ist, das er is thun wolle“2). Es war der innigste Wunsch der Stadt Breslan, daß Georg uicht nur als ein unbußfertiger Sünder erkant werden, soudern auch ein solcher sein und bleiben sollte; sie verlangte aujs neue danach, sich un- widerruflich von ihm lösen zu dürfen. Sie hoffte schon auf einen Kreuzzug, durch den er vertilgt werden könnte. Als in diesem Jahre Bruder Gabriel von Verona in Breslan Freiwillige für den Türkenkrieg werben wollte, wurde ihm bedeutet, hier werde es bald uötiger sein, das Kreuz gegen die Ketzer zu predigen 8). Der Breslauer Rat leukte also wieder in die Bahnen ein, die er einst unter Führung der Predigerschaft im Jahre 1459 uur widerwillig beschritten und durch die Einigung mit den Legaten aufgegeben hatte. Ebenso plötzlich, wie die friedfertige Politik des Vertrages eingeleitet worden war, wurde sie auch wieder rückgängig gemacht. Wir stehen vor der Frage, wie wir diese Wandlung zu verstehen haben. Wir verstehen sie uur zu einem Teile als sachliche Notwendigkeit. In der Hauptsache war sie nicht dadurch erzwungen, daß tatsächliche Voraussetzungen des Vertragsverhältnisses sich auflösten, sondern die Gesinnung der Bürger schlug un: man gab die Idee des Vertrages auf und kehrte zu der alten, innerlich feindseligen Steslung zu Georg zurück. Sachlich begründet war uur soviel, daß die Stadt rechtzeitig ihre Vor- kehrungen für die vollkommene Innehaltung des Vertrages von 1460 treffen und andrerseits nenen Feindseligkeiten Georgs entgegeuwirken mußte. Beide Aufgaben erwiesen sich als dringend und waren uur im Verein mit der Kurie 1) Korr. 62, Script. rer. Siles. VIII, 62: Cum autem sufferencie pacis medium pene transierunt et nichil, ut speravimus, a parte altera sit attemptatum, sed ad deterius tendat, sunt nobis angustie undique. 2) Korr. 70, Script. rer. Siles VIII, 71. 3) Esch. D I, 170. Gabriel war auch vom Papste zum Jnquisitor gegen die hussitischen Ketzereien in Böhmen ernannt worden (vgl. Markgraf, Verhältnis usw. I, 23); aber in Breslau hatte er in dieser Eigenschaft kaum etwas zu tun, und darum darf man die Nachricht Esch.'s wohl mit Vertrauen aufnchmen.
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Der Wendepunkt in der Regierung Georgs. 87 zu erfüllen. Die Eutsendung Kitzings wäre auch durch sie allein gerechtfertigt gewesen. Dies haben wir zunächst zu berücksichtigen. Der Vertrag von 1460 beruhte in einem wesentlichen Punkte auf einer brüchigen Voraussetzung. Die Kurie hatte ihn vermittelt in dem festen Glauben, daß Georg den Laienkelch preisgegeben habe und, so gnt er könne, auf die Rückführung Böhmens in die Einheit des kirchlichen Kultes hinwirken werde. Schon wenige Monate später geriet diese Hoffnung ins Wanken. Georg ent- täuschte den Papst. Weder hatte er den Mantnaner Kongreß beschickt, noch kam nachher die Botschajt, die der Papst von ihm verlangte: das Gelöbnis des firchlichen Gehorsams für den König uud sein Volk. Georg wußte, daß diese Erflärung, sollte sie in Rom angenommen werden, zugleich den Verzicht auf die Kompaktaten anssprechen mußzte; es war dentlich, daß er sie eben deshalb inmer wieder hinansschob. Während er den Papst mit Entschuldignngen hinhielt, erfolgten in Prag im Frühjahr 1461 Ereignisse, die die unlösliche Verkuüpjung Georgs mit dem Utraquismus völlig klarstellten. Am Grün- donnerstage hiest dort Bischof Jodocus von Breslau eine Predigt gegen die Sonderbränche der Böhmen; er richtete an die Utraquisten offen die Fordernng, vom Laienfelch zu lassen. Seine Worte erregten eine Empörung; man be- zichtigte den König des Einverständuisses mit dem Bischof — und am 15. Mai entlastete sich Georg von den Anschuldigungen vor den Ständen des Landes durch die feierliche Ertlärung, er wolle bei den Kompattaten leben und sterben. Die innere Verkuüpjnng dieser Vorfälle war uicht vor aller Welt deutlich. Georg hatte in der Tat den Kelch preisgeben wollen; Jodocus hatte wirklich im Einverständuis mit ihm gehandelt. Der König hatte den verzweifelten Versuch gewagt, sich durch sein Volk selbst von den Verpflichtnngen befreien zu lassen, die ihu darau hinderten, seine Versprechungen gegen Rom zu er- füllen. Wie sehr er damals wünschte, sich mit der Kirche zu einigen, zeigen noch andere Maßnahmen, die er damals ergriff: er ließ die althussitischen Sektierer verfolgen; er plante die Rückerstattung ehemaliger Kirchengüter. Der Versuch war unn gescheitert; Georg mußte erfennen, daß er uur als Kelchner König bleiben kounte. Und das hieß zugleich, daß er seine böhmische Herrschaft fortan dauernd gegen die Kirche verteidigen mußte. — Daß der geheime Anschlag anf den Utraquisms mißlang, war für Georg um so peinlicher, als er kurz zuvor seinen heißesten persönlichen Wunsch hatte aufgeben müssen, einen Wunsch, dessen Erfüslung zugleich eine glückliche Lösung der böhmisch¬ firchlichen Fragen bewirtt haben würde. Seine lange betriebenen Unter- handlungen mit den dentschen Fürsten, die ihm zur römischen Königswürde verhelfen sollten, waren durch den Widerspruch der Hohenzolleru zum Still¬
Der Wendepunkt in der Regierung Georgs. 87 zu erfüllen. Die Eutsendung Kitzings wäre auch durch sie allein gerechtfertigt gewesen. Dies haben wir zunächst zu berücksichtigen. Der Vertrag von 1460 beruhte in einem wesentlichen Punkte auf einer brüchigen Voraussetzung. Die Kurie hatte ihn vermittelt in dem festen Glauben, daß Georg den Laienkelch preisgegeben habe und, so gnt er könne, auf die Rückführung Böhmens in die Einheit des kirchlichen Kultes hinwirken werde. Schon wenige Monate später geriet diese Hoffnung ins Wanken. Georg ent- täuschte den Papst. Weder hatte er den Mantnaner Kongreß beschickt, noch kam nachher die Botschajt, die der Papst von ihm verlangte: das Gelöbnis des firchlichen Gehorsams für den König uud sein Volk. Georg wußte, daß diese Erflärung, sollte sie in Rom angenommen werden, zugleich den Verzicht auf die Kompaktaten anssprechen mußzte; es war dentlich, daß er sie eben deshalb inmer wieder hinansschob. Während er den Papst mit Entschuldignngen hinhielt, erfolgten in Prag im Frühjahr 1461 Ereignisse, die die unlösliche Verkuüpjung Georgs mit dem Utraquismus völlig klarstellten. Am Grün- donnerstage hiest dort Bischof Jodocus von Breslau eine Predigt gegen die Sonderbränche der Böhmen; er richtete an die Utraquisten offen die Fordernng, vom Laienfelch zu lassen. Seine Worte erregten eine Empörung; man be- zichtigte den König des Einverständuisses mit dem Bischof — und am 15. Mai entlastete sich Georg von den Anschuldigungen vor den Ständen des Landes durch die feierliche Ertlärung, er wolle bei den Kompattaten leben und sterben. Die innere Verkuüpjnng dieser Vorfälle war uicht vor aller Welt deutlich. Georg hatte in der Tat den Kelch preisgeben wollen; Jodocus hatte wirklich im Einverständuis mit ihm gehandelt. Der König hatte den verzweifelten Versuch gewagt, sich durch sein Volk selbst von den Verpflichtnngen befreien zu lassen, die ihu darau hinderten, seine Versprechungen gegen Rom zu er- füllen. Wie sehr er damals wünschte, sich mit der Kirche zu einigen, zeigen noch andere Maßnahmen, die er damals ergriff: er ließ die althussitischen Sektierer verfolgen; er plante die Rückerstattung ehemaliger Kirchengüter. Der Versuch war unn gescheitert; Georg mußte erfennen, daß er uur als Kelchner König bleiben kounte. Und das hieß zugleich, daß er seine böhmische Herrschaft fortan dauernd gegen die Kirche verteidigen mußte. — Daß der geheime Anschlag anf den Utraquisms mißlang, war für Georg um so peinlicher, als er kurz zuvor seinen heißesten persönlichen Wunsch hatte aufgeben müssen, einen Wunsch, dessen Erfüslung zugleich eine glückliche Lösung der böhmisch¬ firchlichen Fragen bewirtt haben würde. Seine lange betriebenen Unter- handlungen mit den dentschen Fürsten, die ihm zur römischen Königswürde verhelfen sollten, waren durch den Widerspruch der Hohenzolleru zum Still¬
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88 Die Forderungen der Sachlage für die Breslauer. stand gekommen. Im Besitz dieser Würde hätte er gewiß sowohl den Papst zu einer milden Behandlnng der böhmischen Kircheufrage, wie die Utraquisten zur Einschränkung ihrer Herrschaftsgelüste zwingen können. Jetzt aber stürmten auf ihn von beiden Seiten die härtesten Forderungen ein, und er kounte uur denen seines Volkes Genüge leisten 1). Den Breslauern war dieses Schicksal nicht sichtbar, nud seine Zusammen- hänge waren auch für sie nicht wesentlich. Dagegen war es für sie von höchstem Belang zu wissen, wie der Papst sich zu dem offenbaren Vertragsbruch Georgs stellte. Sie hatten von ihm eine Entscheidung darüber zu fordern, ob sie Georg noch als einem christlichen und katholischen Könige huldigen könnten. Erhielten sie diese Bestätigung nicht, so folgte für sie, daß die Huldigung Überhaupt unterblieb. Der Papst mußte diesesfalls ihren Entschluß mit seinem Machtwort decken. Aber auch, wenn er sich mit Georg aufs uene vertrug, wenn er etwa — was an sich unwahrscheinlich war — die Kompattaten bestätigte, bedurften sie seines Beistandes. Georg hatte in seiner großen Politik schon genng Beispiele seiner Trenlosigkeit gegeben, und ein Fall aus jüngster Zeit, der den Breslauern besouders uahe ging, zeigte, daß er auch rachsüchtig war. — Herzog Balthasar von Sagan hatte, wie wir wissen, der Stadt in ihrem Widerstande gegen Podiebrad bis zuletzt beigestauden, war dann aber dem Friedensvertrage uicht beigetreten. Offenbar war ihm die Unterwerfung uicht ehrenvoll genug er schienen; er hoffte, eine bessere Vermittlung finden zu können. Aber Georg ließ die Verständigung mit ihm nicht zustande kommen; er verband sich viel mehr mit dem anderen Saganer Herzog Johann, der die Gelegenheit gern wahrnahm, dem Bruder seinen Herrschaftsbesitz abzujagen. Im Sommer 1461 sahen die Breslauer dieses Schicksal sich vorbereiten2). Breslan mußte auj einen ähnlichen Angriff gefaßt sein; der Rat mußte sich die Frage vorlegen, wie er diesem Angriff begegnen sollte. Es war für ihn anch in dieser Hinsicht das Gegebene, daß er sich an den Papst wandte. Pins konnte der Verpflichtung, für Breslan gegen Georg einzutreten, kaum answeichen. Wenn die Stadt die Huldigungsfrage in Rom anhängig machte, und wenn sie sich des Rückhalts der kirchlichen Antorität versicherte, so handelte sie nur dem Inhalt und dem Geiste des Vertrages von 1460 gemäß. Ein solches Vorgehen schloß aber keineswegs den radikalen Schritt ein, den die 1) „Es war der tragische Moment in des Königs Geschicken“. Bachmann II, 522. Die genannten Zusammenhänge sind bei Bachmann II, 501—522 zusammeugefaßt, namentlich auf Grund seines früheren Werkes „Böhmen und seine Nachbarländer... 1458—1461“ (1878). 2) Vgl. Esch. L 99, D I, 175 f. Korr. 55, Script. rer. Siles. VIII, 54.
88 Die Forderungen der Sachlage für die Breslauer. stand gekommen. Im Besitz dieser Würde hätte er gewiß sowohl den Papst zu einer milden Behandlnng der böhmischen Kircheufrage, wie die Utraquisten zur Einschränkung ihrer Herrschaftsgelüste zwingen können. Jetzt aber stürmten auf ihn von beiden Seiten die härtesten Forderungen ein, und er kounte uur denen seines Volkes Genüge leisten 1). Den Breslauern war dieses Schicksal nicht sichtbar, nud seine Zusammen- hänge waren auch für sie nicht wesentlich. Dagegen war es für sie von höchstem Belang zu wissen, wie der Papst sich zu dem offenbaren Vertragsbruch Georgs stellte. Sie hatten von ihm eine Entscheidung darüber zu fordern, ob sie Georg noch als einem christlichen und katholischen Könige huldigen könnten. Erhielten sie diese Bestätigung nicht, so folgte für sie, daß die Huldigung Überhaupt unterblieb. Der Papst mußte diesesfalls ihren Entschluß mit seinem Machtwort decken. Aber auch, wenn er sich mit Georg aufs uene vertrug, wenn er etwa — was an sich unwahrscheinlich war — die Kompattaten bestätigte, bedurften sie seines Beistandes. Georg hatte in seiner großen Politik schon genng Beispiele seiner Trenlosigkeit gegeben, und ein Fall aus jüngster Zeit, der den Breslauern besouders uahe ging, zeigte, daß er auch rachsüchtig war. — Herzog Balthasar von Sagan hatte, wie wir wissen, der Stadt in ihrem Widerstande gegen Podiebrad bis zuletzt beigestauden, war dann aber dem Friedensvertrage uicht beigetreten. Offenbar war ihm die Unterwerfung uicht ehrenvoll genug er schienen; er hoffte, eine bessere Vermittlung finden zu können. Aber Georg ließ die Verständigung mit ihm nicht zustande kommen; er verband sich viel mehr mit dem anderen Saganer Herzog Johann, der die Gelegenheit gern wahrnahm, dem Bruder seinen Herrschaftsbesitz abzujagen. Im Sommer 1461 sahen die Breslauer dieses Schicksal sich vorbereiten2). Breslan mußte auj einen ähnlichen Angriff gefaßt sein; der Rat mußte sich die Frage vorlegen, wie er diesem Angriff begegnen sollte. Es war für ihn anch in dieser Hinsicht das Gegebene, daß er sich an den Papst wandte. Pins konnte der Verpflichtung, für Breslan gegen Georg einzutreten, kaum answeichen. Wenn die Stadt die Huldigungsfrage in Rom anhängig machte, und wenn sie sich des Rückhalts der kirchlichen Antorität versicherte, so handelte sie nur dem Inhalt und dem Geiste des Vertrages von 1460 gemäß. Ein solches Vorgehen schloß aber keineswegs den radikalen Schritt ein, den die 1) „Es war der tragische Moment in des Königs Geschicken“. Bachmann II, 522. Die genannten Zusammenhänge sind bei Bachmann II, 501—522 zusammeugefaßt, namentlich auf Grund seines früheren Werkes „Böhmen und seine Nachbarländer... 1458—1461“ (1878). 2) Vgl. Esch. L 99, D I, 175 f. Korr. 55, Script. rer. Siles. VIII, 54.
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Der Angriff keine sachliche Notwendigkeit. 89 Stadt vollzog. Sie kounte die Huldigung verweigern; sie kounte mit der Kurie ein Verteidigungsbündnis gegen Georg schließen — und sie brauchte doch nicht den Vertrag überhaupt zu vernichten. Sie konute das Untertauen- verhältuis zu Georg bestehen lassen und die Zukunft seines Königtums dem Spiel größerer Mächte überlassen; sie brauchte bei der Auseinandersetzung der Kurie mit ihm nicht Partei zu ergreifen, wenigstens solange nicht, als der Papst noch nicht seine Absetzung aussprach. Es war in keinem Sinne geboten, daß die Stadt selbst die Absetzung des Königs betrieb. Daß es rechtlich möglich war, die Huldigungsfrage von der Frage des Gesamtverhältnisses der Stadt zum Könige zu trennen, wissen wir durch den älteren Huldignngsstreit des Jahres 1454. Damals hatte die Stadt dem König Ladislaus die Huldigung in der Form, wie er sie verlaugte, verweigert, aber dabei betout, daß ihre Untertänigkeit durch diese Weigerung uicht berührt werde. Freilich war diesmal — 1461 — von vornherein nicht bloß die Huldigung in Frage gestellt. Nicht allein dieser förmliche Akt der Unter- werfung, sondern anch die Anerkennnng des Königs war an die Voraussetzung gebunden, daß er ein katholischer und christlicher König sei, und jederzeit kounte der Fall eintreten, daß diese Voranssetzung für unzutreffend erklärt werden mußte. Aber die Entscheidung hierüber hatten die Breslauer durch den Ver- trag ausdrücklich der Verantwortung des Papstes überlassen. „Wir legen ab unsere früheren Zweifel und Bedenfen, und nachdem Seine Heiligkeit uns ge- raten hat, dem gnädigen Herrn und König Georg untertänig zu sein, von dem sie glaubt, daß er ein christlicher und katholischer Fürst und dem päpst- lichen Stuhle gehorsam sei, nehmen wir ihren Ratschluß mit aller Ergebenheit und Verehrung an nud beugen ihm unser Haupt. . .."1) Die Stadt durste es jetzt dem Papste überlassen zu entscheiden, ob sie das Untertänigkeitsverhältuis zu Georg lösen solle oder uicht. Sie war um ihres Ansehens willen nicht verpftichtet, in dieser Frage eine Meinung und einen Wislen zu haben; sie hatte in Jahre 1459 geung getan, um den Papst zu warnen. Anch ihre Interessen aber forderten keineswegs die betriebsame Arbeit, die sie an der Kurie für die Anfhebung des Vertrages und jür die Baunnng Georgs eut faltete. Weun sie sich gegen einen Angriff Georgs rüsten mußte, so war es doch nicht geboten, ihm durch die Wühlarbeit an der Kurie zuvor zu kommen. Es war, wie sich in Jahre 1459 gezeigt hatte, nicht leicht, die Stadt zu be kriegen, und es war nicht anznuehmen, daß Georg dieses Wagnis plötzlich unternehmen würde. Freilich kounte er auch ohne einen eigentlichen Angriff, 1) Esch. L 94 u.
Der Angriff keine sachliche Notwendigkeit. 89 Stadt vollzog. Sie kounte die Huldigung verweigern; sie kounte mit der Kurie ein Verteidigungsbündnis gegen Georg schließen — und sie brauchte doch nicht den Vertrag überhaupt zu vernichten. Sie konute das Untertauen- verhältuis zu Georg bestehen lassen und die Zukunft seines Königtums dem Spiel größerer Mächte überlassen; sie brauchte bei der Auseinandersetzung der Kurie mit ihm nicht Partei zu ergreifen, wenigstens solange nicht, als der Papst noch nicht seine Absetzung aussprach. Es war in keinem Sinne geboten, daß die Stadt selbst die Absetzung des Königs betrieb. Daß es rechtlich möglich war, die Huldigungsfrage von der Frage des Gesamtverhältnisses der Stadt zum Könige zu trennen, wissen wir durch den älteren Huldignngsstreit des Jahres 1454. Damals hatte die Stadt dem König Ladislaus die Huldigung in der Form, wie er sie verlaugte, verweigert, aber dabei betout, daß ihre Untertänigkeit durch diese Weigerung uicht berührt werde. Freilich war diesmal — 1461 — von vornherein nicht bloß die Huldigung in Frage gestellt. Nicht allein dieser förmliche Akt der Unter- werfung, sondern anch die Anerkennnng des Königs war an die Voraussetzung gebunden, daß er ein katholischer und christlicher König sei, und jederzeit kounte der Fall eintreten, daß diese Voranssetzung für unzutreffend erklärt werden mußte. Aber die Entscheidung hierüber hatten die Breslauer durch den Ver- trag ausdrücklich der Verantwortung des Papstes überlassen. „Wir legen ab unsere früheren Zweifel und Bedenfen, und nachdem Seine Heiligkeit uns ge- raten hat, dem gnädigen Herrn und König Georg untertänig zu sein, von dem sie glaubt, daß er ein christlicher und katholischer Fürst und dem päpst- lichen Stuhle gehorsam sei, nehmen wir ihren Ratschluß mit aller Ergebenheit und Verehrung an nud beugen ihm unser Haupt. . .."1) Die Stadt durste es jetzt dem Papste überlassen zu entscheiden, ob sie das Untertänigkeitsverhältuis zu Georg lösen solle oder uicht. Sie war um ihres Ansehens willen nicht verpftichtet, in dieser Frage eine Meinung und einen Wislen zu haben; sie hatte in Jahre 1459 geung getan, um den Papst zu warnen. Anch ihre Interessen aber forderten keineswegs die betriebsame Arbeit, die sie an der Kurie für die Anfhebung des Vertrages und jür die Baunnng Georgs eut faltete. Weun sie sich gegen einen Angriff Georgs rüsten mußte, so war es doch nicht geboten, ihm durch die Wühlarbeit an der Kurie zuvor zu kommen. Es war, wie sich in Jahre 1459 gezeigt hatte, nicht leicht, die Stadt zu be kriegen, und es war nicht anznuehmen, daß Georg dieses Wagnis plötzlich unternehmen würde. Freilich kounte er auch ohne einen eigentlichen Angriff, 1) Esch. L 94 u.
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90 Der Angriff keine sachliche Notwendigkeit. durch einen versteckten Feldzug gegen ihren Handel, durch Ränbereien und Geleitsaufsage, Krieg gegen sie führen, und in einem soschen Kriege war sie verwundbar. Aber solche Schädigungen forderte sie ja uur noch mehr heraus, wenu sie Georg Anlaß gab, sie zu belästigen. — Der Papst verlangte später, im Dezember 1462, als erste tätige Hilfeleistung von der Stadt, sie möge dem Herzog Balthasar gegen seinen Bruder Johann — und damit indireft gegen Georg — Beistand leisten 1). Die Breslauer kounten diese Forderung nicht ablehnen; sie hatten hier ihren Eifer gegen den gemeinsamen Feind zu bezeugen. Aber sie gaben doch zu verstehen, daß sie sich sehr ungern auf die Hilfeleistung einließen und überhaupt an dem ganzen Saganer Streit ein Argernis nahmen: sie befürchteten schwere Schäden für ihren Handel2). Wie viel schlimmere Störung hatten sie zu erwarten, wenn sie das ganze böhmische Reich in Aufruhr brachten! Sie konnten nur dann anf eine rasche Beseitigung dieses Üvels hoffen, wenn Georgs Stellung nach der päpstlichen Ungnade- erklärung allenthalben zusammenbrach. Aber eine nüchterne Betrachtung mußte diese Erwartung als ungerechtfertigt erweisen. Weder im dentschen Reiche, noch in Böhmen oder den Nebenländern gab es eine Partei, die Georgs Sturz wollte. Es war auch vollkommen unklar, was ans der Krone Böhmen werden sollte, wenn sie nicht mehr das Reich Georgs war; noch streckte niemand die Hand danach ans. Daß die Stadt auj die Lösung des Vertrages von 1460 und auf den Bruch der Kurie mit Georg hindrängte, war also weder vom Standpunkte ihrer Ehre noch von dem ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen ans etwas Selbstverständliches; das Unternehmen bot zudem so wenig klare Aussicht auf Erfolg wie der frühere Widerstand. Wir fragen, was denn die Bürger unter diesen Umständen zum Angriff zwang. Der Kampf ist — das stellen wir zunächst fest — aus dem einmütigen Wollen der Stadt hervorgegangen. Der Papst hat uicht in ihre Entschlüsse eingegriffen. Pius hat vielmehr so lange wie möglich gezögert, ehe er ans seinem Zwist mit Georg politische Konsequenzen zog. Die Breslaner konnten ihm die Aufhebung des Vertrages und die weitergehenden Erflärungen, durch die er sie in seinen Schutz nahn und die Herrschaft Georgs von innen her erschütterte, lange Zeit nicht abringen. — Aber auch die flerikale Demagogie in Breslan hat diesmal keinen entscheidenden Einfluß ausgeübt. Die Prediger 1) Korr. 128; Script. rer. Siles. VIII, 152. 2) Korr. 140, Script. rer. Siles. VIII, 169 o: Vobis et mercatoribus timemus exinde inferri dampna et pericula. (An den Erzbischof von Kreta.) Das gleiche betonen sie dem Papste gegenüber: Korr. 147, Script. rer. Siles. VIII, 182 u.
90 Der Angriff keine sachliche Notwendigkeit. durch einen versteckten Feldzug gegen ihren Handel, durch Ränbereien und Geleitsaufsage, Krieg gegen sie führen, und in einem soschen Kriege war sie verwundbar. Aber solche Schädigungen forderte sie ja uur noch mehr heraus, wenu sie Georg Anlaß gab, sie zu belästigen. — Der Papst verlangte später, im Dezember 1462, als erste tätige Hilfeleistung von der Stadt, sie möge dem Herzog Balthasar gegen seinen Bruder Johann — und damit indireft gegen Georg — Beistand leisten 1). Die Breslauer kounten diese Forderung nicht ablehnen; sie hatten hier ihren Eifer gegen den gemeinsamen Feind zu bezeugen. Aber sie gaben doch zu verstehen, daß sie sich sehr ungern auf die Hilfeleistung einließen und überhaupt an dem ganzen Saganer Streit ein Argernis nahmen: sie befürchteten schwere Schäden für ihren Handel2). Wie viel schlimmere Störung hatten sie zu erwarten, wenn sie das ganze böhmische Reich in Aufruhr brachten! Sie konnten nur dann anf eine rasche Beseitigung dieses Üvels hoffen, wenn Georgs Stellung nach der päpstlichen Ungnade- erklärung allenthalben zusammenbrach. Aber eine nüchterne Betrachtung mußte diese Erwartung als ungerechtfertigt erweisen. Weder im dentschen Reiche, noch in Böhmen oder den Nebenländern gab es eine Partei, die Georgs Sturz wollte. Es war auch vollkommen unklar, was ans der Krone Böhmen werden sollte, wenn sie nicht mehr das Reich Georgs war; noch streckte niemand die Hand danach ans. Daß die Stadt auj die Lösung des Vertrages von 1460 und auf den Bruch der Kurie mit Georg hindrängte, war also weder vom Standpunkte ihrer Ehre noch von dem ihrer politischen und wirtschaftlichen Interessen ans etwas Selbstverständliches; das Unternehmen bot zudem so wenig klare Aussicht auf Erfolg wie der frühere Widerstand. Wir fragen, was denn die Bürger unter diesen Umständen zum Angriff zwang. Der Kampf ist — das stellen wir zunächst fest — aus dem einmütigen Wollen der Stadt hervorgegangen. Der Papst hat uicht in ihre Entschlüsse eingegriffen. Pius hat vielmehr so lange wie möglich gezögert, ehe er ans seinem Zwist mit Georg politische Konsequenzen zog. Die Breslaner konnten ihm die Aufhebung des Vertrages und die weitergehenden Erflärungen, durch die er sie in seinen Schutz nahn und die Herrschaft Georgs von innen her erschütterte, lange Zeit nicht abringen. — Aber auch die flerikale Demagogie in Breslan hat diesmal keinen entscheidenden Einfluß ausgeübt. Die Prediger 1) Korr. 128; Script. rer. Siles. VIII, 152. 2) Korr. 140, Script. rer. Siles. VIII, 169 o: Vobis et mercatoribus timemus exinde inferri dampna et pericula. (An den Erzbischof von Kreta.) Das gleiche betonen sie dem Papste gegenüber: Korr. 147, Script. rer. Siles. VIII, 182 u.
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Entschlußfreiheit des Rates. 91 scheinen nach der Niederlage, die sie mit dem Vertragsabschluß erlitten, ihre aufreizende Wirksamfeit einige Zeit lang gedämpft zu haben. Wenn sie aber noch im alten Geiste predigten, so bedurfte man doch jetzt ihres Ansporns nicht 1). Denn die nene Schwenkung der Politik vollzog der Rat aus freien Stücken. Er handelte in Übereinstimmung mit der Gemeine, aber ohne den Druck einer Massenbewegung zu erfahren. Bis ins Jahr 1466 hinein liegt kein Zengnis vor, das anf anhaltende innere Zwistigkeiten oder auf einen nenen Terrorismus der öffentlichen Meinung hinwiese2). Der Prokurator spricht sogar gelegentlich seine Frende über die Einmütigkeit der ganzen Stadt ans 3). Bezeichnend ist vor allem auch die Steslung, die Eschenloer in seiner dentschen Geschichtserzählung zu der Aktion der Jahre 1461—1463 eingenommen hat. Er tadelt zwar anfs schärfste die Fehler, die später den unheilvollen Krieg gegen die Böhmen notwendig machten. Aber er bemühte sich lebhaft, den Rat von der Schuld an dieser Unbesonnenheit zu eutlasten. Und er will vor allem nicht zugeben, daß dieje Fehler schon bei jenen ersten Anfängen des nenen Widerstandes begangen worden wären. Die damalige diplomatische Arbeit der Stadt bei der Kurie gilt ihm noch als etwas höchst Ehrenvolles und Zioeckmäßiges; mit Stolz erwähnt er den Anteil, den er selbst als Stadt- schreiber an dieser Arbeit genommen hat4). Den Stadtschreiber werden wir auch zuvörderst nach den Beweggründen befragen, die den Rat bei seinem Vorgehen im Jahre 1461 leiteten. Nach der Darstellung Eschenloers gründete sich dieses Vorgehen anf den Wunsch, den chriftlichen Glauben und die Glanbenslehre Breslaus gegen die Ketzer zu verteidigen, mid erstrebte allein dieses Ziel. Die Stadt habe verhindern 1) Unter den Ratsherren scheinen allerdings Balentin Haunolt und Anton Hornig, die schon 1454 auf der Seite der Prediger standen, in diesen Jahren besonders hervorgetreten zu sein. In ihren Händen liegt zum Teil der politische Briefwechsel der Stadt; auch itbernehmen sie gelegentlich persönliche Unterhandlungen. Namentlich stehen sie schon seit 1460 mit dem Erzbischof von Kreta in nahen Beziehungen (Korr. 42; Script. rer. Siles. VIII, 45). — Die Zeugnisse geben ütber ihren persönlichen Anteil an den Entschlüssen des Rates keine genügende Auskunft. Doch haben wir keinen Aulaß anzunchmen, daß die feindselige Haltung der Stadt vornehmlich auf sie zuritckzuführen sei und daß sie imner noch unter dem Einflusse der Prediger gestanden hätten. Beide haben übrigens 1459/60 an den Verhandlungen mit Georg und an den demütigenden Versöhnungsakten teilgenommen (L 89). 2) Eschentoer versichert (D I, 99), daß nach den Tumniten uu den Bartholomäustag „bei acht jaren nicht mer sulche mur- melung in der gemeine wurden gehöret“. — Von vorübergehenden Unstimmigkeiten hören wir allerdings. Beim Johanniablaß von 1461 gab die Furcht vor einem Überfall zu neuen Verdächtigungen gegen den Rat Anlaß (Esch. D I, 168, vgl. unten S. 93). 3) Korr. 102 (24. Juli 1462), Script. rer. Siles. VIII, 119: „Item das ir eyns seit arm und reich, ist mir eyn sunderlicher großer trost“. 4) D I, 344: Ich bin auch keczern uy holt worden, als das wol zu erkennen ist an den trejlichen vil großen schriften, die ich zum bobist und cardinalen habe geschriben und gemacht von der stat megen.
Entschlußfreiheit des Rates. 91 scheinen nach der Niederlage, die sie mit dem Vertragsabschluß erlitten, ihre aufreizende Wirksamfeit einige Zeit lang gedämpft zu haben. Wenn sie aber noch im alten Geiste predigten, so bedurfte man doch jetzt ihres Ansporns nicht 1). Denn die nene Schwenkung der Politik vollzog der Rat aus freien Stücken. Er handelte in Übereinstimmung mit der Gemeine, aber ohne den Druck einer Massenbewegung zu erfahren. Bis ins Jahr 1466 hinein liegt kein Zengnis vor, das anf anhaltende innere Zwistigkeiten oder auf einen nenen Terrorismus der öffentlichen Meinung hinwiese2). Der Prokurator spricht sogar gelegentlich seine Frende über die Einmütigkeit der ganzen Stadt ans 3). Bezeichnend ist vor allem auch die Steslung, die Eschenloer in seiner dentschen Geschichtserzählung zu der Aktion der Jahre 1461—1463 eingenommen hat. Er tadelt zwar anfs schärfste die Fehler, die später den unheilvollen Krieg gegen die Böhmen notwendig machten. Aber er bemühte sich lebhaft, den Rat von der Schuld an dieser Unbesonnenheit zu eutlasten. Und er will vor allem nicht zugeben, daß dieje Fehler schon bei jenen ersten Anfängen des nenen Widerstandes begangen worden wären. Die damalige diplomatische Arbeit der Stadt bei der Kurie gilt ihm noch als etwas höchst Ehrenvolles und Zioeckmäßiges; mit Stolz erwähnt er den Anteil, den er selbst als Stadt- schreiber an dieser Arbeit genommen hat4). Den Stadtschreiber werden wir auch zuvörderst nach den Beweggründen befragen, die den Rat bei seinem Vorgehen im Jahre 1461 leiteten. Nach der Darstellung Eschenloers gründete sich dieses Vorgehen anf den Wunsch, den chriftlichen Glauben und die Glanbenslehre Breslaus gegen die Ketzer zu verteidigen, mid erstrebte allein dieses Ziel. Die Stadt habe verhindern 1) Unter den Ratsherren scheinen allerdings Balentin Haunolt und Anton Hornig, die schon 1454 auf der Seite der Prediger standen, in diesen Jahren besonders hervorgetreten zu sein. In ihren Händen liegt zum Teil der politische Briefwechsel der Stadt; auch itbernehmen sie gelegentlich persönliche Unterhandlungen. Namentlich stehen sie schon seit 1460 mit dem Erzbischof von Kreta in nahen Beziehungen (Korr. 42; Script. rer. Siles. VIII, 45). — Die Zeugnisse geben ütber ihren persönlichen Anteil an den Entschlüssen des Rates keine genügende Auskunft. Doch haben wir keinen Aulaß anzunchmen, daß die feindselige Haltung der Stadt vornehmlich auf sie zuritckzuführen sei und daß sie imner noch unter dem Einflusse der Prediger gestanden hätten. Beide haben übrigens 1459/60 an den Verhandlungen mit Georg und an den demütigenden Versöhnungsakten teilgenommen (L 89). 2) Eschentoer versichert (D I, 99), daß nach den Tumniten uu den Bartholomäustag „bei acht jaren nicht mer sulche mur- melung in der gemeine wurden gehöret“. — Von vorübergehenden Unstimmigkeiten hören wir allerdings. Beim Johanniablaß von 1461 gab die Furcht vor einem Überfall zu neuen Verdächtigungen gegen den Rat Anlaß (Esch. D I, 168, vgl. unten S. 93). 3) Korr. 102 (24. Juli 1462), Script. rer. Siles. VIII, 119: „Item das ir eyns seit arm und reich, ist mir eyn sunderlicher großer trost“. 4) D I, 344: Ich bin auch keczern uy holt worden, als das wol zu erkennen ist an den trejlichen vil großen schriften, die ich zum bobist und cardinalen habe geschriben und gemacht von der stat megen.
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92 Die entscheidenden Beweggründe: 1. Die religiöse Verantwortung. wollen, daß Pius sich abermals von den Verstellnngsküusten Georgs täuschen ließ, daß er die Kompaktaten bestätigte und so der Ausbreituug der Ketzerei wider Willen Vorschub leistete. „Wenn grossire sorge den Breslern uicht was, denn sie förchten, das Girsik durch den keiser und andire fürsten seine compactata wurde bei creften zu bleiben erwerben“1). Hätte Georg, so sagt Eschenloer ein andermal, uur dem heiligen Vater seine Eide gehalten, er hätte mit den Breslanern keinen Krieg mehr zu haben brauchen und wäre ein mächtiger König geblieben; aber all das Wohlwollen, das er der Stadt nach dem Friedensschlusse von 1460 bewies, habe den Rat uicht von der berechtigten Furcht abbringen können, er werde seine Verpflichtnugen gegen den Papst brechen2). Danach war es also das Interesse des Glaubens, das die Breslauer leitete. Auch die Briefe des Rates an den Papst sagen dies wiederholt. Als Turm und Schwert und Schild des Glaubens rühmten die Ratsherren ihre Stadt in dem Schreiben, durch das sie Kitzing bei der Kurie beglanbigten3). Und als sie später einmal dieses Lob Breslaus wiederholten, erklärten sie außzerdem: nur um die Sache des Glaubens sei es ihnen zu tun; das allein bewege sie, daß sie dem Ketzermeister der Böhmen uicht gehorchen wollten 4). Wir haben keinen Anlaß, diese Betenerungen für bloße Redensarten zu halten. Sie heben uur jenes Motiv hervor, in dem wir von Anfang an einen Leitgedanken des Widerstandes gesehen haben, die Idee der religiösen Ver antwortlichkeit des Gemeinwesens. Die Breslauer wußten, daß Georg es innerlich uicht ernst mit der Treue zur katholischen Kirche meinte, und es ver- letzte sie, dem Ketzer untertan zu sein. Um dieser Schmach zu entgehen, wollten sie, daß über Georg Klarheit bestünde, daß er gezwungen würde, seine Ver- bindung mit der Ketzerei offen kund zu tun, und dahin drängie ihre Aktion an der Kurie. Wir hatten oben zwar zu betonen, daß das Ansehen der Stadt eine so gewissenhafte Auffassung der religiösen Pflicht uicht verlangte. Jetzt, da der Papst das Urteil über Georgs Rechtglänbigkeit ansdrücklich sich selbst vorbehalten hatte, vergab sich Breslau nach anßen hin uichts, wenn es sich um diese Frage nicht bekümmerte. Aber dem bürgerlichen Rechts- und Selbst- bewußtsein war es um mehr zu tun als um das äußere politische Ansehen des Gemeinwesens. Man besann sich darauf, daß die Stadt ein Untertanen verhältuis, das uur vorgeblich innerhalb der Kirche stand, uicht bestehen lassen konnte. Dieser Gedauke hatte sich verstecken müssen, als die Legaten die Stadt drängten, sich in irgend einer Form zu unterwerjen. Er bänmte sich wieder auf als man durch den Vertrag Zeit gewonnen hatte, um den Angriff zu ernenern. 1) D I, 187. 2) D I, 169; vgl. auch 195. 3) Korr. 62, Script. rer. Siles. VIII, 62. 4) Korr. 125 (26. Nov. 1462), Script. rer. Siles. VIII, 150.
92 Die entscheidenden Beweggründe: 1. Die religiöse Verantwortung. wollen, daß Pius sich abermals von den Verstellnngsküusten Georgs täuschen ließ, daß er die Kompaktaten bestätigte und so der Ausbreituug der Ketzerei wider Willen Vorschub leistete. „Wenn grossire sorge den Breslern uicht was, denn sie förchten, das Girsik durch den keiser und andire fürsten seine compactata wurde bei creften zu bleiben erwerben“1). Hätte Georg, so sagt Eschenloer ein andermal, uur dem heiligen Vater seine Eide gehalten, er hätte mit den Breslanern keinen Krieg mehr zu haben brauchen und wäre ein mächtiger König geblieben; aber all das Wohlwollen, das er der Stadt nach dem Friedensschlusse von 1460 bewies, habe den Rat uicht von der berechtigten Furcht abbringen können, er werde seine Verpflichtnugen gegen den Papst brechen2). Danach war es also das Interesse des Glaubens, das die Breslauer leitete. Auch die Briefe des Rates an den Papst sagen dies wiederholt. Als Turm und Schwert und Schild des Glaubens rühmten die Ratsherren ihre Stadt in dem Schreiben, durch das sie Kitzing bei der Kurie beglanbigten3). Und als sie später einmal dieses Lob Breslaus wiederholten, erklärten sie außzerdem: nur um die Sache des Glaubens sei es ihnen zu tun; das allein bewege sie, daß sie dem Ketzermeister der Böhmen uicht gehorchen wollten 4). Wir haben keinen Anlaß, diese Betenerungen für bloße Redensarten zu halten. Sie heben uur jenes Motiv hervor, in dem wir von Anfang an einen Leitgedanken des Widerstandes gesehen haben, die Idee der religiösen Ver antwortlichkeit des Gemeinwesens. Die Breslauer wußten, daß Georg es innerlich uicht ernst mit der Treue zur katholischen Kirche meinte, und es ver- letzte sie, dem Ketzer untertan zu sein. Um dieser Schmach zu entgehen, wollten sie, daß über Georg Klarheit bestünde, daß er gezwungen würde, seine Ver- bindung mit der Ketzerei offen kund zu tun, und dahin drängie ihre Aktion an der Kurie. Wir hatten oben zwar zu betonen, daß das Ansehen der Stadt eine so gewissenhafte Auffassung der religiösen Pflicht uicht verlangte. Jetzt, da der Papst das Urteil über Georgs Rechtglänbigkeit ansdrücklich sich selbst vorbehalten hatte, vergab sich Breslau nach anßen hin uichts, wenn es sich um diese Frage nicht bekümmerte. Aber dem bürgerlichen Rechts- und Selbst- bewußtsein war es um mehr zu tun als um das äußere politische Ansehen des Gemeinwesens. Man besann sich darauf, daß die Stadt ein Untertanen verhältuis, das uur vorgeblich innerhalb der Kirche stand, uicht bestehen lassen konnte. Dieser Gedauke hatte sich verstecken müssen, als die Legaten die Stadt drängten, sich in irgend einer Form zu unterwerjen. Er bänmte sich wieder auf als man durch den Vertrag Zeit gewonnen hatte, um den Angriff zu ernenern. 1) D I, 187. 2) D I, 169; vgl. auch 195. 3) Korr. 62, Script. rer. Siles. VIII, 62. 4) Korr. 125 (26. Nov. 1462), Script. rer. Siles. VIII, 150.
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2. Die Furcht. 93 Der neue Widerstand eutspringt also aus einer inneren Wiederbelebung der alten geistigen Grundtendenz, die in ihrer Gefühlsstärke aller selbsterrichteten Einschränfungen und Ableukungen uicht achtet. Vielleicht als noch mächtiger aber erweist sich eine zweite Gefühlsmacht: der Schrecken, der an Podiebrads Persönlichfeit gehajtet blieb, die Furcht, die man vor seiner Rache hegte. Seit dem Jahre 1461 wollte man in Breslau von teuflischen Plänen wissen, die Georg gegen die Stadt ersonnen habe. — Die Ängste tauchten in verschiedener Gestalt anf. Papst Pius hatte den Bürgern die Einkünste eines Ablasses geschenkt. Als dieser Ablaß am Johannistage zum ersten Male aus- geteist werden sollte, ging ein Murren durch die Gemeine. In dem großen Fremdenzustrom, der der Stadt das Geld bringen sollte, würden, so hieß es, verkappte Sendlinge Georgs mit einziehen; die würden dann Breslan über wältigen und an Georg ausliefern. Der Rat hegte keine so dringende Be- fürchtung und suchte die Gemeine zu beruhigen1). Aber als er sich beim Papste für den Ablaß bedankte, da flocht er doch auch die Bemerkung ein, das einkommende Geld werde zum Teil auf die besonders großen und starken Befestigungen gewandt werden, durch die die Stadt jetzt im Frieden sür den Krieg und „für zufünftige Gefahren“ Vorsorge tragen müsse2). Im nächsten Winter hieß es, Georg habe ein unerhört gefährliches Belagernugswerkzeug herstellen lassen, eine große bewegliche Brücke; mit dieser wolle er im Sommer seine Streitmacht über die Manern von Breslau führen 5). Diese Gerüchte waren uicht bloß in der Stadt selbst verbreitet; in ganz Schlesien sagte man, daß im Sommer 1462 der Rachezug Georgs gegen Breslan stattfinden werde 4). Daß die Befürchtungen berechtigt waren, ist sehr unwahrscheinlich; Georg hatte gerade damals wenig Anlaß, die Stadt anzutasten, die der Papst mit ihm ans- gesöhnt hatte. Aber wir verstehen leicht, wie die Augste zustande famen. Man nahm an, Georg wolle das ausführen, was er im Sommer und Herbst 1459 versucht hatte: er wolle die Stadt zur völligen Unterwerfung unter seinen Willen zwingen, ehe der Papst sich einmischen könne, und damit dem Papste in seinem Reiche die einzige zuverlässige weltliche Hilfe entziehen. Diese Sorge ijt haften geblieben, als der Sommer 1462 ohne einen Angriff Georgs vorüber gegangen war; sie durchzieht den ganzen Briefverkehr, den die Stadt mit Pius unterhielt. Eben weil die Bürger sich als die entschiedensten und opjerwilligsten 1) Esch. D I, 168. 2) Korr. 60, Script. rer. Siles. VIII, 60. 3) Korr. 75 (Kitzing an den Rat, März 1462), Script. rer. Siles. VIII, 79 o und u. — Esch. D 1, 177. 4) Kitzing erfährt es in Rom von Pilgern aus Preußen, Schlesien und Glatz. Korr. 71, Script. rer. Siles. VIII, 73 (Jan. 1462).
2. Die Furcht. 93 Der neue Widerstand eutspringt also aus einer inneren Wiederbelebung der alten geistigen Grundtendenz, die in ihrer Gefühlsstärke aller selbsterrichteten Einschränfungen und Ableukungen uicht achtet. Vielleicht als noch mächtiger aber erweist sich eine zweite Gefühlsmacht: der Schrecken, der an Podiebrads Persönlichfeit gehajtet blieb, die Furcht, die man vor seiner Rache hegte. Seit dem Jahre 1461 wollte man in Breslau von teuflischen Plänen wissen, die Georg gegen die Stadt ersonnen habe. — Die Ängste tauchten in verschiedener Gestalt anf. Papst Pius hatte den Bürgern die Einkünste eines Ablasses geschenkt. Als dieser Ablaß am Johannistage zum ersten Male aus- geteist werden sollte, ging ein Murren durch die Gemeine. In dem großen Fremdenzustrom, der der Stadt das Geld bringen sollte, würden, so hieß es, verkappte Sendlinge Georgs mit einziehen; die würden dann Breslan über wältigen und an Georg ausliefern. Der Rat hegte keine so dringende Be- fürchtung und suchte die Gemeine zu beruhigen1). Aber als er sich beim Papste für den Ablaß bedankte, da flocht er doch auch die Bemerkung ein, das einkommende Geld werde zum Teil auf die besonders großen und starken Befestigungen gewandt werden, durch die die Stadt jetzt im Frieden sür den Krieg und „für zufünftige Gefahren“ Vorsorge tragen müsse2). Im nächsten Winter hieß es, Georg habe ein unerhört gefährliches Belagernugswerkzeug herstellen lassen, eine große bewegliche Brücke; mit dieser wolle er im Sommer seine Streitmacht über die Manern von Breslau führen 5). Diese Gerüchte waren uicht bloß in der Stadt selbst verbreitet; in ganz Schlesien sagte man, daß im Sommer 1462 der Rachezug Georgs gegen Breslan stattfinden werde 4). Daß die Befürchtungen berechtigt waren, ist sehr unwahrscheinlich; Georg hatte gerade damals wenig Anlaß, die Stadt anzutasten, die der Papst mit ihm ans- gesöhnt hatte. Aber wir verstehen leicht, wie die Augste zustande famen. Man nahm an, Georg wolle das ausführen, was er im Sommer und Herbst 1459 versucht hatte: er wolle die Stadt zur völligen Unterwerfung unter seinen Willen zwingen, ehe der Papst sich einmischen könne, und damit dem Papste in seinem Reiche die einzige zuverlässige weltliche Hilfe entziehen. Diese Sorge ijt haften geblieben, als der Sommer 1462 ohne einen Angriff Georgs vorüber gegangen war; sie durchzieht den ganzen Briefverkehr, den die Stadt mit Pius unterhielt. Eben weil die Bürger sich als die entschiedensten und opjerwilligsten 1) Esch. D I, 168. 2) Korr. 60, Script. rer. Siles. VIII, 60. 3) Korr. 75 (Kitzing an den Rat, März 1462), Script. rer. Siles. VIII, 79 o und u. — Esch. D 1, 177. 4) Kitzing erfährt es in Rom von Pilgern aus Preußen, Schlesien und Glatz. Korr. 71, Script. rer. Siles. VIII, 73 (Jan. 1462).
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94 Die innere Begründung der Furcht. Vorkämpfer der Kirche wußten, fühlten sie auch die Augen Georgs ständig auf sich geheftet: sie meinten, nichts liege ihm so am Herzen als ihr Untergang; denn, habe er sie erst vernichtet, so könne er ungestraft seiner Ketzerei fröhnen1). Überdies aber hatten die ersten Kouflikte der Stadt mit Georg von Podiebrad schon die Umrisse des Bildes geschaffen, das man jetzt grell aufleuchten sah. Als der Böse, der auf der Laner liegt, war er in die Geschichte Breslaus eingetreten, und diese Züge hafteten ihm noch an, als man wieder den Blick zu ihm hin wandte. Eine bedeutende Verstärkung erfuhr die Furcht jedoch endlich auch durch das Bewußtsein davon, daß Georg auf Rache sinnen durfte. Die Breslauer wußten selbst, wie Feindseliges sie ihm zugedacht hatten, als sie ihm einst die Anerkennung verweigerten uid beim Papste gegen ihu Hilfe suchten. Vou der Feindschaft, die sie gewollt hatten, famen sie uicht los; die Erinnerung an sie wirkte notwendig auf die Erwartungen, die sie von Georgs Sinnesart hegten. — In jenem Briefe aus Rom, in dem der Pro- kurator seinen Auftraggebern jubelud verkündet, daß der Papst und der König jetzt eudgültig entzweit seien, mißt Johann Kitzing gerade diesem Gedanken ein entscheidendes Gewicht bei. Er mahnt die Ratsherren hier eindringlich, sich des hoffnungsreichen Angenblicks würdig zu erweisen und von der guten Sache, die sie verfolgen, nicht abzujallen. Er zeigt ihnen, wie sie durch ihre Beständigkeit ihr Seeleuheil, ihr Ansehen nnd ihren Nachruhm fördern werden. Aber dem Prokurator erscheint es nicht genug, auf das Ehrgefühl seiner Mit- bürger einzuwirken. Nach allen diesen Mahnungeu weckt er ihre Furcht; er erinnert sie daran, daß sie von Georg uichts auderes als Böses erwarten dürfen: „Domete vorgesset auch uicht, das sich der konig oft beklaget hat, wy er von euch sere gesmehet sey worden, wy wol er is euch nochgesossen hat yn der vorrichtnng, wenne in eynen vorsünten frunt keyu glaube czu haben ist"2). Zwei Aufgaben, so sahen wir vorhin, waren jür die Breslaner mit Not- wendigkeit durch ihre politische Lage gegeben: sie mußten darauf bestehen, daß Georg seine Steslnng zur Kirche klarstellte, ehe sie ihm huldigten, und sie mußten sich der päpstlichen Hilje versichern für den Fall, daß Georg sie augriff¬ Das eine gebot ihre Ehre; das andere lag im Juteresse ihrer Sicherheit. Daß sie das Uutertanenverhältuis überhaupt anfzusösen uud daß sie auf die Ver- uichtnng des Königs zu sinnen hatten, war uicht mit der gleichen Sicherheit aus ihrer Lage zu folgern. Die Beweggrüude, die sie auf diese weiteren Ziele hiuwiesen, lassen sich jedoch jeneu beiden engeren Aujgabestellungen uahe 1) Korr. 125, Script. rer. Siles. VIII, 149, 3. 10 ff. — Korr. 136 a. a. D. S. 165, 3. 6 ff. 2) Korr. 70, Script. rer. Siles. VIII, 72.
94 Die innere Begründung der Furcht. Vorkämpfer der Kirche wußten, fühlten sie auch die Augen Georgs ständig auf sich geheftet: sie meinten, nichts liege ihm so am Herzen als ihr Untergang; denn, habe er sie erst vernichtet, so könne er ungestraft seiner Ketzerei fröhnen1). Überdies aber hatten die ersten Kouflikte der Stadt mit Georg von Podiebrad schon die Umrisse des Bildes geschaffen, das man jetzt grell aufleuchten sah. Als der Böse, der auf der Laner liegt, war er in die Geschichte Breslaus eingetreten, und diese Züge hafteten ihm noch an, als man wieder den Blick zu ihm hin wandte. Eine bedeutende Verstärkung erfuhr die Furcht jedoch endlich auch durch das Bewußtsein davon, daß Georg auf Rache sinnen durfte. Die Breslauer wußten selbst, wie Feindseliges sie ihm zugedacht hatten, als sie ihm einst die Anerkennung verweigerten uid beim Papste gegen ihu Hilfe suchten. Vou der Feindschaft, die sie gewollt hatten, famen sie uicht los; die Erinnerung an sie wirkte notwendig auf die Erwartungen, die sie von Georgs Sinnesart hegten. — In jenem Briefe aus Rom, in dem der Pro- kurator seinen Auftraggebern jubelud verkündet, daß der Papst und der König jetzt eudgültig entzweit seien, mißt Johann Kitzing gerade diesem Gedanken ein entscheidendes Gewicht bei. Er mahnt die Ratsherren hier eindringlich, sich des hoffnungsreichen Angenblicks würdig zu erweisen und von der guten Sache, die sie verfolgen, nicht abzujallen. Er zeigt ihnen, wie sie durch ihre Beständigkeit ihr Seeleuheil, ihr Ansehen nnd ihren Nachruhm fördern werden. Aber dem Prokurator erscheint es nicht genug, auf das Ehrgefühl seiner Mit- bürger einzuwirken. Nach allen diesen Mahnungeu weckt er ihre Furcht; er erinnert sie daran, daß sie von Georg uichts auderes als Böses erwarten dürfen: „Domete vorgesset auch uicht, das sich der konig oft beklaget hat, wy er von euch sere gesmehet sey worden, wy wol er is euch nochgesossen hat yn der vorrichtnng, wenne in eynen vorsünten frunt keyu glaube czu haben ist"2). Zwei Aufgaben, so sahen wir vorhin, waren jür die Breslaner mit Not- wendigkeit durch ihre politische Lage gegeben: sie mußten darauf bestehen, daß Georg seine Steslnng zur Kirche klarstellte, ehe sie ihm huldigten, und sie mußten sich der päpstlichen Hilje versichern für den Fall, daß Georg sie augriff¬ Das eine gebot ihre Ehre; das andere lag im Juteresse ihrer Sicherheit. Daß sie das Uutertanenverhältuis überhaupt anfzusösen uud daß sie auf die Ver- uichtnng des Königs zu sinnen hatten, war uicht mit der gleichen Sicherheit aus ihrer Lage zu folgern. Die Beweggrüude, die sie auf diese weiteren Ziele hiuwiesen, lassen sich jedoch jeneu beiden engeren Aujgabestellungen uahe 1) Korr. 125, Script. rer. Siles. VIII, 149, 3. 10 ff. — Korr. 136 a. a. D. S. 165, 3. 6 ff. 2) Korr. 70, Script. rer. Siles. VIII, 72.
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Das Endziel der Vernichtung. 95 zuordnen. Das Gebot ihrer Ehre faßten die Breslauer so auf, daß sie mehr zu erstreben hätten als die Erfüllung der Bedingungen für die Huldigung, daß sie einen Mann, der in seinem Jnnern ein Ketzer blieb, überhaupt uicht zum König haben durften. Und die Gefahr, die ihrer Sicherheit drohte, er- schien ihnen so gewaltig, daß ihre Furcht uur Ruhe hatte, wenn die Macht Georgs von Grund aus zerstört war. Beide Gefühlsmächte, das Bewußtsein der Verantwortlichkeit und die Furcht drängten auf dasselbe Ziel, auj die gewalt- same Vernichtung Georgs. Es ist wichtig festzuhalten, daß dieses Ziel den Breslauern von Aujang an vorgeschwebt hat. Für einige Jahre — von 1462 bis 1466 — hat sich allerdings die Stadt mit einer andern, weniger durchgreifenden Lösung begnügen müssen. Georg blieb Köuig; dagegen wurde durch den Papst der Utraquismus als Ketzerei gebrand martt, und es wurde ferner durch päpstliches Gebot die Unterwerfung der Stadt aufgehoben, ihre Zugehörigkeit zum böhmischen Reiche vorläufig außer Kraft gesetzt. Gegen Ende dieses Zeitraums wurde ihr anch von einer Vermittluugspartei an- geboten, daß dieser Zwischenzustand bis zum Tode Georgs ausgedehut werden sollte. Diese Lösung ist Eschenloer und einigen Ratsmitgliedern annehmbar er- schienen, und Eschensoer hat es später tief beklagt, daß man sich nicht für sie eut- schieden hat. Er hat sie in seiner deutschen Geschichtserzählung für die einzige Lösung ertlärt, die den Geboten der Religion und den Kräften der Stadt ent- sprochen hätte. In langen theologischen Ausführungen suchte er hier darzulegen, daß der Glaube die Christen zur gewaltsamen Ansrottung der Ketzer nicht verbinde; er bekannte sich ausdrücklich zu der Toleranztheorie der Legaten von 14591). Und seine Darsteslung will auch glauben machen, daß sich der Rat dieser Wahrheit von Aujang an bewußt gewesen sei uud wohl die Aufhebung der Kompaktaten und des Vertrages von 1460, uicht aber den Krieg gegen Podiebrad gewollt habe. Aber wenn Eschensoer dies meinte, so täuschte ihu seine Er- innerung. Die Breslauer haben von vornherein uach der gewaltsamen Ver- drängung Gcorgs gestrebt. Wir sahen schon, daß sie sich auf einen Hussiten krieg gefaßt machten, und wir werden noch zu zeigen haben, wie sie den Papst immer wieder zur Anweudung der letzten geistlichen und weltlichen Mittel zu drängen suchten. Sie sind dabei mit unbesonnener Übereisung vorgegangen; aber man muß ihnen zugestehen, daß sie ihren Plan nicht grundsätzlich so eng begreuzen konnten, wie Eschensoer es später gern gesehen hätte. Der Trennung Breslaus vom Reiche Georgs mußten Schritte folgen, die dieses Reich wieder zu einem fatholischen Staate machten und der Stadt Breslau die Rücktehr in 1) Vgl. namentlich D II, 17—20 und die Fortsetzung dieser Stelle bei Jordan, 365 f.
Das Endziel der Vernichtung. 95 zuordnen. Das Gebot ihrer Ehre faßten die Breslauer so auf, daß sie mehr zu erstreben hätten als die Erfüllung der Bedingungen für die Huldigung, daß sie einen Mann, der in seinem Jnnern ein Ketzer blieb, überhaupt uicht zum König haben durften. Und die Gefahr, die ihrer Sicherheit drohte, er- schien ihnen so gewaltig, daß ihre Furcht uur Ruhe hatte, wenn die Macht Georgs von Grund aus zerstört war. Beide Gefühlsmächte, das Bewußtsein der Verantwortlichkeit und die Furcht drängten auf dasselbe Ziel, auj die gewalt- same Vernichtung Georgs. Es ist wichtig festzuhalten, daß dieses Ziel den Breslauern von Aujang an vorgeschwebt hat. Für einige Jahre — von 1462 bis 1466 — hat sich allerdings die Stadt mit einer andern, weniger durchgreifenden Lösung begnügen müssen. Georg blieb Köuig; dagegen wurde durch den Papst der Utraquismus als Ketzerei gebrand martt, und es wurde ferner durch päpstliches Gebot die Unterwerfung der Stadt aufgehoben, ihre Zugehörigkeit zum böhmischen Reiche vorläufig außer Kraft gesetzt. Gegen Ende dieses Zeitraums wurde ihr anch von einer Vermittluugspartei an- geboten, daß dieser Zwischenzustand bis zum Tode Georgs ausgedehut werden sollte. Diese Lösung ist Eschenloer und einigen Ratsmitgliedern annehmbar er- schienen, und Eschensoer hat es später tief beklagt, daß man sich nicht für sie eut- schieden hat. Er hat sie in seiner deutschen Geschichtserzählung für die einzige Lösung ertlärt, die den Geboten der Religion und den Kräften der Stadt ent- sprochen hätte. In langen theologischen Ausführungen suchte er hier darzulegen, daß der Glaube die Christen zur gewaltsamen Ansrottung der Ketzer nicht verbinde; er bekannte sich ausdrücklich zu der Toleranztheorie der Legaten von 14591). Und seine Darsteslung will auch glauben machen, daß sich der Rat dieser Wahrheit von Aujang an bewußt gewesen sei uud wohl die Aufhebung der Kompaktaten und des Vertrages von 1460, uicht aber den Krieg gegen Podiebrad gewollt habe. Aber wenn Eschensoer dies meinte, so täuschte ihu seine Er- innerung. Die Breslauer haben von vornherein uach der gewaltsamen Ver- drängung Gcorgs gestrebt. Wir sahen schon, daß sie sich auf einen Hussiten krieg gefaßt machten, und wir werden noch zu zeigen haben, wie sie den Papst immer wieder zur Anweudung der letzten geistlichen und weltlichen Mittel zu drängen suchten. Sie sind dabei mit unbesonnener Übereisung vorgegangen; aber man muß ihnen zugestehen, daß sie ihren Plan nicht grundsätzlich so eng begreuzen konnten, wie Eschensoer es später gern gesehen hätte. Der Trennung Breslaus vom Reiche Georgs mußten Schritte folgen, die dieses Reich wieder zu einem fatholischen Staate machten und der Stadt Breslau die Rücktehr in 1) Vgl. namentlich D II, 17—20 und die Fortsetzung dieser Stelle bei Jordan, 365 f.
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96 Die Furcht als inneres Verhänguis des Angriffs. seinen Verband ermöglichten. Hätte aber selbst diese Erwägung uicht gegolten, so hätte doch die Furcht, die die Breslaner beherrschte, ihren Wünschen die völlige Beseitigung Podiebrads immer wieder als das allein wesentliche Ziel gezeigt. Wie in den Anfängen der Kouflikte Breslaus mit der böhmischen Nation und Podiebrad, so sehen wir anch in diesem Stadium des Kampfes geistige Tendenzen innerlich gegensätzlicher Natur gleichzeitig wirksam; wir erkennen einen unabhängigen Sinn für die städtische Größe und die bürgerliche Ver- antwortung — daneben aber eine dumpfe, eingesponnene Schreckhaftigkeit, die dem Ungewöhnlichen und Unberechenbaren fassungslos gegenübersteht — gegen- sätzliche Tendenzen, die doch beide tief in den Grundmotiven bürgerlicher Geistes richtung haften. Sie haben bei der Erneuerung des Kampfes gegen Podiebrad nicht gegensätzlich, sondern in gleichem Sinne gewirtt. Und nach außen hin ist das Ansehen Breslaus zunächst uicht dadurch beeinträchtigt worden, daß seiner Aktion in der Furcht, die sie durchwirkte, ein kleingeistiger Zug inne- wohnte; Papst und Kardinäle bewunderten den hohen Opjermut der Bürger- schaft und zeigten für ihre Bedrängnisje ein herzliches, achtungsvolles Mitleid. Aber in der Politik der Stadt mußten doch die Spuren jener Kleingeistigkeit nach und nach selbständig ans Licht kommen und schließlich dem Gelingen und dem Ansehen ihres Unternehmens schädlich werden. — Wir greifen den Er- eignissen voraus, indem wir diese Wirkungen kennzeichnen; wir dürfen es tun, da sie bereits in den Anjängen der Attion vorausbedacht werden konnten. Wir haben schon hervorgehoben, daß ein Anlauf gegen Podiebrads Stellung keine günstigen Aussichten hatte: die politischen Beziehungen des Königs waren noch festgefügt; die Mittel, die die Stadt für sich allein gegen ihn aufbringen konnte, waren gering. Diesen Schwierigkeiten mußte man klar ins Auge sehen. Erstens: Es war notwendig, mit der Lösung des Vertrages anch zugleich den Sturz Georgs zu wollen; aber es war sinulos, dieses letzte Ziel schon für die nächste Zukuuft zu erstreben; fürs erste war uur das vorläufige Zwischenziel, die Aufhebung des Vertrages von 1460, erreichbar. Drängte die Stadt die Kurie jetzt gleich zu weitergehenden Schritten, so fiel das not- wendige Mißlingen auf die Stadt zurück. Ferner: Der Sturz des Königs war uur in einem Angriffskriege zu ver- wirklichen; ein kampfloses Weichen kounte von Georg uicht erwartet werden. Die Stadt mußte im Auge behalten, wie viel oder vielmehr wie wenig sie in einem Angriffskriege leisten kounte; sie durste auch den Papst darüber nicht im Ungewissen lassen. Die Breslauer Stadthäupter haben diese Rücksichten nicht ins Auge
96 Die Furcht als inneres Verhänguis des Angriffs. seinen Verband ermöglichten. Hätte aber selbst diese Erwägung uicht gegolten, so hätte doch die Furcht, die die Breslaner beherrschte, ihren Wünschen die völlige Beseitigung Podiebrads immer wieder als das allein wesentliche Ziel gezeigt. Wie in den Anfängen der Kouflikte Breslaus mit der böhmischen Nation und Podiebrad, so sehen wir anch in diesem Stadium des Kampfes geistige Tendenzen innerlich gegensätzlicher Natur gleichzeitig wirksam; wir erkennen einen unabhängigen Sinn für die städtische Größe und die bürgerliche Ver- antwortung — daneben aber eine dumpfe, eingesponnene Schreckhaftigkeit, die dem Ungewöhnlichen und Unberechenbaren fassungslos gegenübersteht — gegen- sätzliche Tendenzen, die doch beide tief in den Grundmotiven bürgerlicher Geistes richtung haften. Sie haben bei der Erneuerung des Kampfes gegen Podiebrad nicht gegensätzlich, sondern in gleichem Sinne gewirtt. Und nach außen hin ist das Ansehen Breslaus zunächst uicht dadurch beeinträchtigt worden, daß seiner Aktion in der Furcht, die sie durchwirkte, ein kleingeistiger Zug inne- wohnte; Papst und Kardinäle bewunderten den hohen Opjermut der Bürger- schaft und zeigten für ihre Bedrängnisje ein herzliches, achtungsvolles Mitleid. Aber in der Politik der Stadt mußten doch die Spuren jener Kleingeistigkeit nach und nach selbständig ans Licht kommen und schließlich dem Gelingen und dem Ansehen ihres Unternehmens schädlich werden. — Wir greifen den Er- eignissen voraus, indem wir diese Wirkungen kennzeichnen; wir dürfen es tun, da sie bereits in den Anjängen der Attion vorausbedacht werden konnten. Wir haben schon hervorgehoben, daß ein Anlauf gegen Podiebrads Stellung keine günstigen Aussichten hatte: die politischen Beziehungen des Königs waren noch festgefügt; die Mittel, die die Stadt für sich allein gegen ihn aufbringen konnte, waren gering. Diesen Schwierigkeiten mußte man klar ins Auge sehen. Erstens: Es war notwendig, mit der Lösung des Vertrages anch zugleich den Sturz Georgs zu wollen; aber es war sinulos, dieses letzte Ziel schon für die nächste Zukuuft zu erstreben; fürs erste war uur das vorläufige Zwischenziel, die Aufhebung des Vertrages von 1460, erreichbar. Drängte die Stadt die Kurie jetzt gleich zu weitergehenden Schritten, so fiel das not- wendige Mißlingen auf die Stadt zurück. Ferner: Der Sturz des Königs war uur in einem Angriffskriege zu ver- wirklichen; ein kampfloses Weichen kounte von Georg uicht erwartet werden. Die Stadt mußte im Auge behalten, wie viel oder vielmehr wie wenig sie in einem Angriffskriege leisten kounte; sie durste auch den Papst darüber nicht im Ungewissen lassen. Die Breslauer Stadthäupter haben diese Rücksichten nicht ins Auge
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Der Rat ahnt nicht, welche Pflicht er auf sich nimmt. 97 gefaßt. Sie fingen das Unternehmen an, ohne klar zu sehen, was zu leisten war, und was die Stadt leisten kounte. Sie trafen keine Vorkehrungen da- gegen, daß Breslau die Welt enttäuschte und seinen rasch erworbenen Ruhm rasch wieder einbüste. — Fragen wir nach der Ursache dieser Verblendung, so werden wir doch wieder auf iene Panik verwiesen, die den nenen Umtrieben von Anfang an innewohnte. Die Breslaner standen unter dem Bewußtsein, daß sie sich schlennigst retten müßsten; sie fühlten sich als die Angegriffenen. Darum waren die Ratsherren unbedenklich, wenn es galt, den Papst anzu treiben; sie sehnten sich nach einer baldigen, endgültigen Erlösung und gewannen leicht die Überzengung, der Papst könne alles für sie tun. Sie dachten freilich auch groß von dem Eifer, den sie selbst in dem künftigen Kampfe beweisen wollten. Aber alle ihre Vorbereitungen galten nur der Verteidigung. Sie trugen Sorge, Schäden der Stadtbefestigung auszubessern, die sich im Jahre 1459 fühlbar gemacht hatten: die Neustadt und die Dominsel erhielten neue Wehrbauten; Stadt und Dom wurden durch eine neue Brücke verbunden1). Daß die Rollen vertauscht werden könnten, daß die Stadt auch die Aufgabe übernahm, bei einem allgemeinen Angriff auf Georg angreifend mitzuwirken, das wurde den Ratsherren auf Jahre hinaus nicht deutlich. Der Kreuzzug, den sie ersehnten, stand ihnen im wesentlichen als ein allgemeiner Hilfszug vor Augen, bei dem das bedrängte Breslau zu retten war. — Erst spät er- kannten sie, was sie eigentlich begonnen, welche Verpflichtung sie der Stadt auferlegt hatten, und da bekaunten sie sich auch zögernd zu ihrer Pflicht; da aber hatten sie zugleich ihr kopfsoses Bangen und Drängen zu büßen: die Bürgerschaft ließ sie im Stich und gab die Stadt der allgemeinen Nicht achtung preis. II. Bruch zwischen Pius und Georg. Aufhebung des Vertrages von 1460. Wechselnde Erfolge der Breslauer an der Kurie. Die Erjolge, die die Stadt in den ersten Jahren des nenen Kampfes er- zielte, wurden mühevoll errungen und mit wachsenden Sorgen erkaujt. Die Anstrengungen, die sie gegen den Feind der Kirche anjwandte, steigerten ihr öffentliches Ausehen zeitweilig zu bedeutender Höhe. Sie konnten aber die uatürliche Schwäche der Stellung Breslaus uicht ausgleichen; sie führten sogar dazu, daß diese Schwäche uur noch mehr hervortrat, und daß die Geltung, die die Stadt gewounen hatte, sich bald wieder verminderte. Der Breslaner Rat hatte die Vertretnug der Stadt an der Kurie im Sommer 1461 in die besten Hände gelegt. Der Prokurator, Domherr Johannes 1) Korr. 129, Script. rer. Siles. VIII, 153. — Esch. D I, 177 ff. Dorstellungen und Muellen XXII.
Der Rat ahnt nicht, welche Pflicht er auf sich nimmt. 97 gefaßt. Sie fingen das Unternehmen an, ohne klar zu sehen, was zu leisten war, und was die Stadt leisten kounte. Sie trafen keine Vorkehrungen da- gegen, daß Breslau die Welt enttäuschte und seinen rasch erworbenen Ruhm rasch wieder einbüste. — Fragen wir nach der Ursache dieser Verblendung, so werden wir doch wieder auf iene Panik verwiesen, die den nenen Umtrieben von Anfang an innewohnte. Die Breslaner standen unter dem Bewußtsein, daß sie sich schlennigst retten müßsten; sie fühlten sich als die Angegriffenen. Darum waren die Ratsherren unbedenklich, wenn es galt, den Papst anzu treiben; sie sehnten sich nach einer baldigen, endgültigen Erlösung und gewannen leicht die Überzengung, der Papst könne alles für sie tun. Sie dachten freilich auch groß von dem Eifer, den sie selbst in dem künftigen Kampfe beweisen wollten. Aber alle ihre Vorbereitungen galten nur der Verteidigung. Sie trugen Sorge, Schäden der Stadtbefestigung auszubessern, die sich im Jahre 1459 fühlbar gemacht hatten: die Neustadt und die Dominsel erhielten neue Wehrbauten; Stadt und Dom wurden durch eine neue Brücke verbunden1). Daß die Rollen vertauscht werden könnten, daß die Stadt auch die Aufgabe übernahm, bei einem allgemeinen Angriff auf Georg angreifend mitzuwirken, das wurde den Ratsherren auf Jahre hinaus nicht deutlich. Der Kreuzzug, den sie ersehnten, stand ihnen im wesentlichen als ein allgemeiner Hilfszug vor Augen, bei dem das bedrängte Breslau zu retten war. — Erst spät er- kannten sie, was sie eigentlich begonnen, welche Verpflichtung sie der Stadt auferlegt hatten, und da bekaunten sie sich auch zögernd zu ihrer Pflicht; da aber hatten sie zugleich ihr kopfsoses Bangen und Drängen zu büßen: die Bürgerschaft ließ sie im Stich und gab die Stadt der allgemeinen Nicht achtung preis. II. Bruch zwischen Pius und Georg. Aufhebung des Vertrages von 1460. Wechselnde Erfolge der Breslauer an der Kurie. Die Erjolge, die die Stadt in den ersten Jahren des nenen Kampfes er- zielte, wurden mühevoll errungen und mit wachsenden Sorgen erkaujt. Die Anstrengungen, die sie gegen den Feind der Kirche anjwandte, steigerten ihr öffentliches Ausehen zeitweilig zu bedeutender Höhe. Sie konnten aber die uatürliche Schwäche der Stellung Breslaus uicht ausgleichen; sie führten sogar dazu, daß diese Schwäche uur noch mehr hervortrat, und daß die Geltung, die die Stadt gewounen hatte, sich bald wieder verminderte. Der Breslaner Rat hatte die Vertretnug der Stadt an der Kurie im Sommer 1461 in die besten Hände gelegt. Der Prokurator, Domherr Johannes 1) Korr. 129, Script. rer. Siles. VIII, 153. — Esch. D I, 177 ff. Dorstellungen und Muellen XXII.
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98 Johannes Kitzing. Die zurückhaltende Stellungnahme des Papstes. Kitzing, war den Ratsherren und dem Gemeinwesen treu ergeben1). In ihm lebte zugleich etwas von dem Geiste, der in der Ungebung Tempelfelds groß geworden war: er bewies einen glühenden, beharrlichen Willen. Dabei strömte der Eijer, den er für die Durchführung seiner Mission aufwandte, aus einem herzlichen, hingebungsvollen Empfinden. Kaum ein auderes Zenguis aus dieser Epoche spricht uns so warm an wie seine Briefe an den Rat; immer aufs neue sucht er hier die heitere Zuversicht, die ihn besebt, seinen angsterfüllten Auftraggebern mitzuteilen. Auf dem bescheidenen Posten eines städtischen Geschäftsträgers hat er ein wahres Heldentum entwickelt; dem Ge- lingen seiner Aufgabe opferte er buchstäblich sein Leben auf. — Neben ihm hatte der Rat noch einen wesentlich anders gearteten Vertrauensmaun an der der Kurie, den Erzbischof Hieronymus von Kreta, den Legaten von 1459, der seit seiner Rücktehr aus Breslan in der Umgebnng des Papstes weilte. Er hatte den Breslanern die feindselige Behaudlnug, die er bei ihnen erfahren hatte, uicht vergolten; ihre Hartnäckigfeit hatte eher dazu beigetragen, daß auch er die böhmische Frage ernster ansah. Mit zwei Ratsherren — und zwar mit den tatkräftigsten Gegnern Georgs im Rate, Valentin Hannold und Anton Hornig — war er nach dem Abschluß des Vertrages in Briefverkehr getreten. Der Erzbischof zeigte frühzeitig, daß die Bürger zu ihm Vertranen haben durften: er, der sich in Breslau jeden Zweifel an der guten Gesinnung des Königs verbeten hatte, war der erste, der ihnen von den Verstimmungen, die in Rom gegenüber Georg anfstiegen, Kenutnis gab2). Bei Pius selbst fanden die Breslaner lange Zeit hindurch nicht die er- wünschte Geneigtheit. Allerdings war ihre Furcht, er werde den Kampf gegen den Utraquismus preisgeben und die Kompaktaten bestätigen, unbegründet; daß er in der kirchlichen Frage nicht nachgeben dürfe, war für Pius ein Gesetz. Anch war in Herbst 1461, als Kitzing in Rom erschien, die Erregung gegen Georg dort aufs höchste gestiegen. Im Inni hatte man ihm noch einmal eine neuumouatliche Frist für die Leistnng der Obedieuz gestellt; von dieser Frist schien der König einen mehr als reichlichen Gebrauch machen zu wollen. Die Mineilungen der Breslaner über das Treiben der Utraquisten und das Be- kennnis, durch das sich Georg diesen verpflichtet hatte, bereiteten den Papst vollends auf den kirchlichen Konflikt vor. Die freundliche Gesinnung gegen Georg, die ihn einst zu den Breslauern in Gegensatz gestellt hatte, bestand nicht mehr. Dennoch widersprachen seine Absichten auch jetzt noch den Plänen 1) Seine Zugehörigkeit zum Domkapitel hinderte ihn nicht, im Zweifelsfalle die Inter- essen der Stadt gegen die des Kapitels zu vertreten. Vgl. seine Parteinahme im Streit um 2) Korr. 42, Script. rer. Siles. VIII, 45 (22. Juli 1460). den Ablaß: Korr. 102, S. 119.
98 Johannes Kitzing. Die zurückhaltende Stellungnahme des Papstes. Kitzing, war den Ratsherren und dem Gemeinwesen treu ergeben1). In ihm lebte zugleich etwas von dem Geiste, der in der Ungebung Tempelfelds groß geworden war: er bewies einen glühenden, beharrlichen Willen. Dabei strömte der Eijer, den er für die Durchführung seiner Mission aufwandte, aus einem herzlichen, hingebungsvollen Empfinden. Kaum ein auderes Zenguis aus dieser Epoche spricht uns so warm an wie seine Briefe an den Rat; immer aufs neue sucht er hier die heitere Zuversicht, die ihn besebt, seinen angsterfüllten Auftraggebern mitzuteilen. Auf dem bescheidenen Posten eines städtischen Geschäftsträgers hat er ein wahres Heldentum entwickelt; dem Ge- lingen seiner Aufgabe opferte er buchstäblich sein Leben auf. — Neben ihm hatte der Rat noch einen wesentlich anders gearteten Vertrauensmaun an der der Kurie, den Erzbischof Hieronymus von Kreta, den Legaten von 1459, der seit seiner Rücktehr aus Breslan in der Umgebnng des Papstes weilte. Er hatte den Breslanern die feindselige Behaudlnug, die er bei ihnen erfahren hatte, uicht vergolten; ihre Hartnäckigfeit hatte eher dazu beigetragen, daß auch er die böhmische Frage ernster ansah. Mit zwei Ratsherren — und zwar mit den tatkräftigsten Gegnern Georgs im Rate, Valentin Hannold und Anton Hornig — war er nach dem Abschluß des Vertrages in Briefverkehr getreten. Der Erzbischof zeigte frühzeitig, daß die Bürger zu ihm Vertranen haben durften: er, der sich in Breslau jeden Zweifel an der guten Gesinnung des Königs verbeten hatte, war der erste, der ihnen von den Verstimmungen, die in Rom gegenüber Georg anfstiegen, Kenutnis gab2). Bei Pius selbst fanden die Breslaner lange Zeit hindurch nicht die er- wünschte Geneigtheit. Allerdings war ihre Furcht, er werde den Kampf gegen den Utraquismus preisgeben und die Kompaktaten bestätigen, unbegründet; daß er in der kirchlichen Frage nicht nachgeben dürfe, war für Pius ein Gesetz. Anch war in Herbst 1461, als Kitzing in Rom erschien, die Erregung gegen Georg dort aufs höchste gestiegen. Im Inni hatte man ihm noch einmal eine neuumouatliche Frist für die Leistnng der Obedieuz gestellt; von dieser Frist schien der König einen mehr als reichlichen Gebrauch machen zu wollen. Die Mineilungen der Breslaner über das Treiben der Utraquisten und das Be- kennnis, durch das sich Georg diesen verpflichtet hatte, bereiteten den Papst vollends auf den kirchlichen Konflikt vor. Die freundliche Gesinnung gegen Georg, die ihn einst zu den Breslauern in Gegensatz gestellt hatte, bestand nicht mehr. Dennoch widersprachen seine Absichten auch jetzt noch den Plänen 1) Seine Zugehörigkeit zum Domkapitel hinderte ihn nicht, im Zweifelsfalle die Inter- essen der Stadt gegen die des Kapitels zu vertreten. Vgl. seine Parteinahme im Streit um 2) Korr. 42, Script. rer. Siles. VIII, 45 (22. Juli 1460). den Ablaß: Korr. 102, S. 119.
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Pius uimmt die Huldigungsfrage wieder auf. 99 der Breslauer. Denn Pius übertrug den Kampf nicht gern auj das politische Gebiet. Ihm war zwar bewußt, daß er einmal zu Bann und Absetzung greijen mußte, wenn Georg weiterhin den Utraquismns stützte. Aber er sah die Hemmngen vorans, die ein rücksichtsloses Vorgehen gegen den angesehensten Fürsten in Mitteleuropa bei den weltlichen Gewalten finden würde. Darum suchte er so lange wie möglich Georg selbst zu Zugeständuissen zu bewegen. Des leicht zu handhabenden Werkzeugs, das die Breslauer Angelegenheit ihm in die Hände gab, hat er sich so uur zögernd und anfangs nur ganz gelinde bedient. Er hätte es zunächst am liebsten gesehen, wenn ein Streit um den Breslauer Vertrag vermieden worden wäre. Hierfür war freisich das erste Erfordernis, daß Georg die Stadt uicht beuuruhigte; die Klagen der Breslauer über ihre Bedrohung mußten ein Ende nehmen. Im Dezember 1461 entsandte Pius den Erzbischof von Kreta auf eine nene Legation nach Deutschland und Polen. Er sollte auch Prag besuchen. Welche Aufträge der Papst ihm an den König mitgab, wissen wir nicht im einzelnen. Jedenfalls aber sollte er sich unter anderm der Breslaner annehmen, namentlich dadurch, daß er den König vor Feindseligkeiten und Einschüchterungs- versuchen warnte. Die Vollmachten des Legaten können in dieser Hinsicht ur- sprünglich uicht sehr weit gegangen sein. Der Erzbischof schrieb den Breslauern nur ganz unbestimmt, er werde alles, was ihm möglich sei, zu ihrem Besten tun, und verhieß ihnen auch, auf der Reise von Prag uach Polen bei ihnen persönlich vorzusprechen 1). Erst nach seiner Abreise schickte ihm Pins am 1. Jannar 1462 eine Anweisung, die ihn mit ausgedehnten Befugnissen aus- stattete2). Der Erzbischof sollte danach die Huldigung der Breslauer aus beliebige Zeit vertagen, so daß sie uicht eher zu huldigen brauchten, als bis über die Stellung Georgs zur Kirche völlige Klarheit bestände. Er sollte anbefehlen, daß inzwischen kein Zwang anf sie ausgeübt werde. Für den Fall aber, daß der König diesem Gebot nicht Folge leistete, erhielt Hieronymus die Vollmacht, zwischen Breslan und anderen weltlichen Gewalten, in Schlesien oder anderwärts, Bündnisse zum Schutze der Stadt zu stiften, sowohl gegen Georg wie gegen seine etwaigen Helfer. Alle Verpflichtungen, die diesen Bünduissen entgegenstehen fönnten, sollten ungültig sein; anch die Untertanen- pflicht der Verbündeten gegen Georg sollte als aufgehoben gelten. — Diese Verfügung klang sehr drohend; aber sie war anch nur als Drohung gemeint. Eine Anfhebung des Vertrages von 1460 war zunächst nicht beabsichtigt; als die eigentliche Obliegenheit des Legaten erschien uur die Erledigung der 1) Korr. 64 (S. 66), 67 (S. 68). 2) Korr. 69 (S. 71). 7*
Pius uimmt die Huldigungsfrage wieder auf. 99 der Breslauer. Denn Pius übertrug den Kampf nicht gern auj das politische Gebiet. Ihm war zwar bewußt, daß er einmal zu Bann und Absetzung greijen mußte, wenn Georg weiterhin den Utraquismns stützte. Aber er sah die Hemmngen vorans, die ein rücksichtsloses Vorgehen gegen den angesehensten Fürsten in Mitteleuropa bei den weltlichen Gewalten finden würde. Darum suchte er so lange wie möglich Georg selbst zu Zugeständuissen zu bewegen. Des leicht zu handhabenden Werkzeugs, das die Breslauer Angelegenheit ihm in die Hände gab, hat er sich so uur zögernd und anfangs nur ganz gelinde bedient. Er hätte es zunächst am liebsten gesehen, wenn ein Streit um den Breslauer Vertrag vermieden worden wäre. Hierfür war freisich das erste Erfordernis, daß Georg die Stadt uicht beuuruhigte; die Klagen der Breslauer über ihre Bedrohung mußten ein Ende nehmen. Im Dezember 1461 entsandte Pius den Erzbischof von Kreta auf eine nene Legation nach Deutschland und Polen. Er sollte auch Prag besuchen. Welche Aufträge der Papst ihm an den König mitgab, wissen wir nicht im einzelnen. Jedenfalls aber sollte er sich unter anderm der Breslaner annehmen, namentlich dadurch, daß er den König vor Feindseligkeiten und Einschüchterungs- versuchen warnte. Die Vollmachten des Legaten können in dieser Hinsicht ur- sprünglich uicht sehr weit gegangen sein. Der Erzbischof schrieb den Breslauern nur ganz unbestimmt, er werde alles, was ihm möglich sei, zu ihrem Besten tun, und verhieß ihnen auch, auf der Reise von Prag uach Polen bei ihnen persönlich vorzusprechen 1). Erst nach seiner Abreise schickte ihm Pins am 1. Jannar 1462 eine Anweisung, die ihn mit ausgedehnten Befugnissen aus- stattete2). Der Erzbischof sollte danach die Huldigung der Breslauer aus beliebige Zeit vertagen, so daß sie uicht eher zu huldigen brauchten, als bis über die Stellung Georgs zur Kirche völlige Klarheit bestände. Er sollte anbefehlen, daß inzwischen kein Zwang anf sie ausgeübt werde. Für den Fall aber, daß der König diesem Gebot nicht Folge leistete, erhielt Hieronymus die Vollmacht, zwischen Breslan und anderen weltlichen Gewalten, in Schlesien oder anderwärts, Bündnisse zum Schutze der Stadt zu stiften, sowohl gegen Georg wie gegen seine etwaigen Helfer. Alle Verpflichtungen, die diesen Bünduissen entgegenstehen fönnten, sollten ungültig sein; anch die Untertanen- pflicht der Verbündeten gegen Georg sollte als aufgehoben gelten. — Diese Verfügung klang sehr drohend; aber sie war anch nur als Drohung gemeint. Eine Anfhebung des Vertrages von 1460 war zunächst nicht beabsichtigt; als die eigentliche Obliegenheit des Legaten erschien uur die Erledigung der 1) Korr. 64 (S. 66), 67 (S. 68). 2) Korr. 69 (S. 71). 7*
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100 Die päpstliche Maßregel entspricht nicht den Wünschen der Breslauer. Huldignngsfrage. Auch in dieser Frage aber sollte er uicht sogleich einseitige Verfügungen treffen, sondern in persönlicher Unterhandlung eine friedliche Übereinkunft mit Georg selbst zu erzielen suchen. Die Vollmachterteilung eut- hielt hierüber den bedeutsamen Vermerk, die Verlängerung der Huldigungsfrist solle „de concordia partium sive alias“ erzielt werden. Die scharjen Maßnahmen, die Stiftung von Bündnissen, die Aufhebung der Untertanenpflicht der Verbündeten wurden also dem Könige nur augedroht für den Fall, daß er von den Breslauern die Huldigung erzwingen wollte. Die Instruktion an den Legaten war demgemäß fürs erste nicht zur Veröffentlichung bestimmt; selbst Kitzing bekam sie uicht zu lesen, sondern erhielt uur ungefähr eine Vorstellung davon, was sie enthielt 1). Für die Breslauer war der Jnhalt der Vollmacht allerdings von Wichtigkeit, und sie sollten darüber sicherlich nicht unnnterrichtet bleiben. Denn die eigentliche Absicht des Papstes war auch diesmal, sie zu beruhigen und sicher zu stellen. An und für sich war die Huldignngsfrage nicht dringlich; die im Vertrage von 1460 vorgesehene Frist lief noch über ein Jahr. Aber Pius zeigte, daß er die Befürchtungen der Breslaner, ihre Sorge vor einem gewaltsamen Vorgehen Georgs, ernst nahm. Auch er rechnete mit der Möglich¬- feit, daß Georg versuchen köunte, die Stadt zur Huldigung zu zwingen. Ein solcher Vorstoß konnte schon vor Ablauf der Frist erfolgen, und darum ent- schloß sich Pius zu diesem zeitigen Einschreiten. Andeutungen Kitzings 2) lassen erkennen, daß die Justruktion ihrem Inhalte nach anf die besonderen Wünsche des Prokurators selbst zurückging; Kitzing hatte den Papst gebeten, die Breslauer im Falle einer Verwicklung mit Georg für unantastbar zu erklären und für den gleichen Fall alle Verbindlichkeiten, die irgendwo gegen den König bestanden, aufzuheben. Jndem Puis den Legaten zu solchen Befehlen bevollmächtigte, tat er jedoch den Wünschen der Breslauer feineswegs Genüge. Kitzings Meinnng war, daß jene Drohungen uicht bloß in einer geheimen diplomatischen Instruttion vorgesehen, sondern sofort in einer Bulle offen ausgesprochen werden sollten: alle Welt sollte erfahren, daß Breslau unter dem Schutze des Papstes stehe 3). Auf diesen Wunsch wirkte wohl die 1) Das geht aus der unten (Anm. 3) angeführten Briefstelle hervor. 2) Vgl. die nächste Anmertung. — Kitzing spricht von den neuen Anordnungen des Papstes so, daß man annehmen muß, üver ihren Inhalt sei schon früher zwischen ihm und dem Rate korrespondiert worden. 3) Item das unsir heiliger vatir allen cristen lenten und czuvoraus yn der Slezien . .. vorbute, das sy wedir euch nicht czugen yn czukunftigen czeiten von wegen des konigs bey dem banne und bey gehorsam etc., item das sy auch seyne heyligkeit entpunde eynen iglichen von allerley globde huldigung und vorbindung des fonigs: vor dy und ander bullen ausczurichten gehort gelt ... und ap der herre Cretensis villeichte (nb.! vgl. oben
100 Die päpstliche Maßregel entspricht nicht den Wünschen der Breslauer. Huldignngsfrage. Auch in dieser Frage aber sollte er uicht sogleich einseitige Verfügungen treffen, sondern in persönlicher Unterhandlung eine friedliche Übereinkunft mit Georg selbst zu erzielen suchen. Die Vollmachterteilung eut- hielt hierüber den bedeutsamen Vermerk, die Verlängerung der Huldigungsfrist solle „de concordia partium sive alias“ erzielt werden. Die scharjen Maßnahmen, die Stiftung von Bündnissen, die Aufhebung der Untertanenpflicht der Verbündeten wurden also dem Könige nur augedroht für den Fall, daß er von den Breslauern die Huldigung erzwingen wollte. Die Instruktion an den Legaten war demgemäß fürs erste nicht zur Veröffentlichung bestimmt; selbst Kitzing bekam sie uicht zu lesen, sondern erhielt uur ungefähr eine Vorstellung davon, was sie enthielt 1). Für die Breslauer war der Jnhalt der Vollmacht allerdings von Wichtigkeit, und sie sollten darüber sicherlich nicht unnnterrichtet bleiben. Denn die eigentliche Absicht des Papstes war auch diesmal, sie zu beruhigen und sicher zu stellen. An und für sich war die Huldignngsfrage nicht dringlich; die im Vertrage von 1460 vorgesehene Frist lief noch über ein Jahr. Aber Pius zeigte, daß er die Befürchtungen der Breslaner, ihre Sorge vor einem gewaltsamen Vorgehen Georgs, ernst nahm. Auch er rechnete mit der Möglich¬- feit, daß Georg versuchen köunte, die Stadt zur Huldigung zu zwingen. Ein solcher Vorstoß konnte schon vor Ablauf der Frist erfolgen, und darum ent- schloß sich Pius zu diesem zeitigen Einschreiten. Andeutungen Kitzings 2) lassen erkennen, daß die Justruktion ihrem Inhalte nach anf die besonderen Wünsche des Prokurators selbst zurückging; Kitzing hatte den Papst gebeten, die Breslauer im Falle einer Verwicklung mit Georg für unantastbar zu erklären und für den gleichen Fall alle Verbindlichkeiten, die irgendwo gegen den König bestanden, aufzuheben. Jndem Puis den Legaten zu solchen Befehlen bevollmächtigte, tat er jedoch den Wünschen der Breslauer feineswegs Genüge. Kitzings Meinnng war, daß jene Drohungen uicht bloß in einer geheimen diplomatischen Instruttion vorgesehen, sondern sofort in einer Bulle offen ausgesprochen werden sollten: alle Welt sollte erfahren, daß Breslau unter dem Schutze des Papstes stehe 3). Auf diesen Wunsch wirkte wohl die 1) Das geht aus der unten (Anm. 3) angeführten Briefstelle hervor. 2) Vgl. die nächste Anmertung. — Kitzing spricht von den neuen Anordnungen des Papstes so, daß man annehmen muß, üver ihren Inhalt sei schon früher zwischen ihm und dem Rate korrespondiert worden. 3) Item das unsir heiliger vatir allen cristen lenten und czuvoraus yn der Slezien . .. vorbute, das sy wedir euch nicht czugen yn czukunftigen czeiten von wegen des konigs bey dem banne und bey gehorsam etc., item das sy auch seyne heyligkeit entpunde eynen iglichen von allerley globde huldigung und vorbindung des fonigs: vor dy und ander bullen ausczurichten gehort gelt ... und ap der herre Cretensis villeichte (nb.! vgl. oben
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Verwerfung der Kompaktaten, März 1462. 101 Hoffnnng, daß eine solche öffentliche Erklärung den Bruch des Papstes mit dem Könige als vollendete Tatsache erscheinen lassen würde. Eben dies aber wollte Pins vermeiden; er wollte sich uicht in den Ruj bringen, daß er die Untertanen des Königs aufwiegele; darum wählte er jene schonende Form der Jnstruktion. Die Zurückhaltung des Papstes in der Breslaner Frage blieb anch be- stehen, als sich Pius wenige Monate daranf entschloß, den Kampf mit Georg anfzunehmen und der utraquistischen Kirche das Todesurteil zu sprechen. Es kam zu den denfwürdigen römischen Verhandlungen des Mouats März 1462. Am 10. März traf die oft geforderte und oft verheißene Gesandi schajt, die die Obedienzertlärnng des Königs überbringen sollte, endlich ein. Jn den Unterredungen, die ihr von den Kardinälen und vom Papste selbst gewährt wurden, erjolgte die entscheidende Klärung. Die Gesandten leisteten die Obedienz für Georg und mit Zögern auch für sein Volk; aber sie erbaten zugleich die Bestätignng der Kompaktaten. Am 31. März verkündete der Papst im öffentlichen Konsistorium sein Machtwort. Die so verstandene Obedienz wurde verworjen; die Kompaktaten seien von den Böhmen nie in dem Sinne bejolgt worden, in dem das Konzil sie verliehen habe, und seien fortan nichtig. Dem König und seinen Reich wurde aubejohlen, nach Maßgabe dieses Be- schlusses, unter Abwendung von allen Souderbränchen, in den Schoß der Kirche zurückzukehren. Das Ringen zwischen Pins und Georg nahm seinen Aufang. Aber der Kaupf, den der Papst eröffnete, war doch uicht der Vernichtungskampf, den die Breslauer ersehnten. Pius meinte es erust mit seiner Mahnung an Georg; er wollte den König in die Kirche zurückführen. Hierfür verweudete er ein Mittel des schärfsten Druckes; er brachte die Dokumeute zur Veröffentlichung, in denen Georg versprochen hatte, der römischen Kirche willfährig zu sein. Daneben aber suchie der Papst, auch durch mildere Einwirkung den König umzustimmen; Fantinus a Valle, bis dahin Georgs Prokurator in Rom, wurde als Legat nach Prag geschickt, um erneute Verhandlungen mit ihm anzuknüpfen. Das Ausehen der Stadt Breslau stand damals an der Kurie in ungeahuter Glorie. In der Sitzung, in der die Böhmen die Obedienzleistung vorbrachten, erwähnte Pius vorwurjsvoll die Verfolgungen, deuen die Stadt ausgesetzt sei, und rühmte dabei, daß er auf dem Erdtreis keine frömmere Stadt kenne als diese 1). Kurz vor dem eutscheidenden Konsistorinm, am 25. März. wurde S. 100. Aum. 1) etlicher sulcher sachen yu bevelung hat, schatte is dennoch nicht, das man sulche sachen mit auderen klerlicher lisse ausdrucken. — Korr. 70, S. 72. 1) Korr. 80, S. 85; 86, S. 95.
Verwerfung der Kompaktaten, März 1462. 101 Hoffnnng, daß eine solche öffentliche Erklärung den Bruch des Papstes mit dem Könige als vollendete Tatsache erscheinen lassen würde. Eben dies aber wollte Pins vermeiden; er wollte sich uicht in den Ruj bringen, daß er die Untertanen des Königs aufwiegele; darum wählte er jene schonende Form der Jnstruktion. Die Zurückhaltung des Papstes in der Breslaner Frage blieb anch be- stehen, als sich Pius wenige Monate daranf entschloß, den Kampf mit Georg anfzunehmen und der utraquistischen Kirche das Todesurteil zu sprechen. Es kam zu den denfwürdigen römischen Verhandlungen des Mouats März 1462. Am 10. März traf die oft geforderte und oft verheißene Gesandi schajt, die die Obedienzertlärnng des Königs überbringen sollte, endlich ein. Jn den Unterredungen, die ihr von den Kardinälen und vom Papste selbst gewährt wurden, erjolgte die entscheidende Klärung. Die Gesandten leisteten die Obedienz für Georg und mit Zögern auch für sein Volk; aber sie erbaten zugleich die Bestätignng der Kompaktaten. Am 31. März verkündete der Papst im öffentlichen Konsistorium sein Machtwort. Die so verstandene Obedienz wurde verworjen; die Kompaktaten seien von den Böhmen nie in dem Sinne bejolgt worden, in dem das Konzil sie verliehen habe, und seien fortan nichtig. Dem König und seinen Reich wurde aubejohlen, nach Maßgabe dieses Be- schlusses, unter Abwendung von allen Souderbränchen, in den Schoß der Kirche zurückzukehren. Das Ringen zwischen Pins und Georg nahm seinen Aufang. Aber der Kaupf, den der Papst eröffnete, war doch uicht der Vernichtungskampf, den die Breslauer ersehnten. Pius meinte es erust mit seiner Mahnung an Georg; er wollte den König in die Kirche zurückführen. Hierfür verweudete er ein Mittel des schärfsten Druckes; er brachte die Dokumeute zur Veröffentlichung, in denen Georg versprochen hatte, der römischen Kirche willfährig zu sein. Daneben aber suchie der Papst, auch durch mildere Einwirkung den König umzustimmen; Fantinus a Valle, bis dahin Georgs Prokurator in Rom, wurde als Legat nach Prag geschickt, um erneute Verhandlungen mit ihm anzuknüpfen. Das Ausehen der Stadt Breslau stand damals an der Kurie in ungeahuter Glorie. In der Sitzung, in der die Böhmen die Obedienzleistung vorbrachten, erwähnte Pius vorwurjsvoll die Verfolgungen, deuen die Stadt ausgesetzt sei, und rühmte dabei, daß er auf dem Erdtreis keine frömmere Stadt kenne als diese 1). Kurz vor dem eutscheidenden Konsistorinm, am 25. März. wurde S. 100. Aum. 1) etlicher sulcher sachen yu bevelung hat, schatte is dennoch nicht, das man sulche sachen mit auderen klerlicher lisse ausdrucken. — Korr. 70, S. 72. 1) Korr. 80, S. 85; 86, S. 95.
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102 Breslauer Ruhmn und Bürde. dann Kitzing zur Audienz bei dem Heiligen Vater vorgelassen; er brachte noch¬ mals alle belastenden Dokumente gegen Georg vor: wie er sich den Utraquisten verpflichtet habe, wie er die Entrechtnng der trenen Katholifen in der Stadt und an der Universität Prag gutheiße, wie er die Verkünder des wahren Glaubens verfolge und die Güter des Klerus beraube. Dem Breslauer Domherrn wurde die Ehre zuteil, daß Pius ihn über alle diese Dinge ein schriftliches Memo- randum aufsetzen ließ. Kitzing versäumte uicht, darauf hinzuweisen, daß es nur das Verdienst der Breslauer sei, wenn Georg noch uicht gewagt habe, anch in Schlesien das Kirchengut zu brandschatzen, und daß alle die Antlagen, die er heute vorbringe, schon mit dem gleichen guten Grunde vor Jahren von den Breslauern erhoben worden seien 1). Dieser Ruhm, die Böhmen vor allen andern richtig erkannt zu haben, wurde der Bürgerschaft allseitig mit Eifer zugestauden. Der Kardinal von St. Peter, der große Nikolaus von Cusa, den uichts so erfreuen konnte wie die treue Hingabe an die Einheit der Kirche, gab dem Breslauer Rate persönlich kund, weschen tiefen Eindruck er durch die Eröffnungen Kitzings von der Treue und Seelenstärke der Stadt empjangen habe2). Und selbst der kaiserliche Gesandte, der die Böhmen nach Rom begleitete und ihr Gesuch mit seiner Fürsprache unterstützte, fand es für nötig, bei dem Prokurator die Erlasse, durch die Kaiser Friedrich die Breslauer vor drei Jahren hatte zur Unterwerfung zwingen wollen, nachträglich zu eutschuldigen, uud versicherte ihm, daß er die Stadt bei seinem Herru und allen Fürsten aufs beste empfehlen werde5). — Aber die reiche Genugtunng machte der Stadt die päpstliche Politik nicht schmackhafter. Pius übersandte ihr jene Dokumente, ans denen Georgs Untreue gegen den päpstlichen Stuhl hervor- ging 4). Sie sollte sie in den Ländern des Königs bekanut geben: Pius hoffte dadurch bei katholischen Untertanen der Krone einen Uuwillen gegen Georg wachzurufen und ihn so zur Umkehr geneigter zu machen. Die Breslauer aber kannten ihre Landsleute zu gut, ii zu erwarten, daß diese eine lebhafte Empörung gegen den König kund tun würden. Jn ihrer eigenen Angelegenheit erfuhren sie trotz des Trostes, den der Prokurator bei der Übermittlung ihrer Bekümmeruisse empfing, uicht die Förderung, die sie sich erwünschten. Pius ernenerte lediglich die Vollmacht an Hieronymus von Kreta, in der Huldigungs- Frage uach Belieben zu verfahren 5); es war aber, wie der Erzbischof später verriet, immer noch sein Wunsch, daß über die Verlängerung der Frist 1) Vgl. das Memorandum bei Jordan, S. 389 ff., zumal S. 392 und den Bericht Kitzings an die Stadt vom 6. April. (Korr. 81, Script. rer. Siles. VIII, 89.) 2) Korr. 84, 4) Korr. 86 a. a. O. Vgl. Markgrafs 3) Korr. 86, S. 93. S. 91 (15. April). 5) Korr. 83 A, S. 90. Bemertung, Script. rer. Siles. VIII, 8.
102 Breslauer Ruhmn und Bürde. dann Kitzing zur Audienz bei dem Heiligen Vater vorgelassen; er brachte noch¬ mals alle belastenden Dokumente gegen Georg vor: wie er sich den Utraquisten verpflichtet habe, wie er die Entrechtnng der trenen Katholifen in der Stadt und an der Universität Prag gutheiße, wie er die Verkünder des wahren Glaubens verfolge und die Güter des Klerus beraube. Dem Breslauer Domherrn wurde die Ehre zuteil, daß Pius ihn über alle diese Dinge ein schriftliches Memo- randum aufsetzen ließ. Kitzing versäumte uicht, darauf hinzuweisen, daß es nur das Verdienst der Breslauer sei, wenn Georg noch uicht gewagt habe, anch in Schlesien das Kirchengut zu brandschatzen, und daß alle die Antlagen, die er heute vorbringe, schon mit dem gleichen guten Grunde vor Jahren von den Breslauern erhoben worden seien 1). Dieser Ruhm, die Böhmen vor allen andern richtig erkannt zu haben, wurde der Bürgerschaft allseitig mit Eifer zugestauden. Der Kardinal von St. Peter, der große Nikolaus von Cusa, den uichts so erfreuen konnte wie die treue Hingabe an die Einheit der Kirche, gab dem Breslauer Rate persönlich kund, weschen tiefen Eindruck er durch die Eröffnungen Kitzings von der Treue und Seelenstärke der Stadt empjangen habe2). Und selbst der kaiserliche Gesandte, der die Böhmen nach Rom begleitete und ihr Gesuch mit seiner Fürsprache unterstützte, fand es für nötig, bei dem Prokurator die Erlasse, durch die Kaiser Friedrich die Breslauer vor drei Jahren hatte zur Unterwerfung zwingen wollen, nachträglich zu eutschuldigen, uud versicherte ihm, daß er die Stadt bei seinem Herru und allen Fürsten aufs beste empfehlen werde5). — Aber die reiche Genugtunng machte der Stadt die päpstliche Politik nicht schmackhafter. Pius übersandte ihr jene Dokumente, ans denen Georgs Untreue gegen den päpstlichen Stuhl hervor- ging 4). Sie sollte sie in den Ländern des Königs bekanut geben: Pius hoffte dadurch bei katholischen Untertanen der Krone einen Uuwillen gegen Georg wachzurufen und ihn so zur Umkehr geneigter zu machen. Die Breslauer aber kannten ihre Landsleute zu gut, ii zu erwarten, daß diese eine lebhafte Empörung gegen den König kund tun würden. Jn ihrer eigenen Angelegenheit erfuhren sie trotz des Trostes, den der Prokurator bei der Übermittlung ihrer Bekümmeruisse empfing, uicht die Förderung, die sie sich erwünschten. Pius ernenerte lediglich die Vollmacht an Hieronymus von Kreta, in der Huldigungs- Frage uach Belieben zu verfahren 5); es war aber, wie der Erzbischof später verriet, immer noch sein Wunsch, daß über die Verlängerung der Frist 1) Vgl. das Memorandum bei Jordan, S. 389 ff., zumal S. 392 und den Bericht Kitzings an die Stadt vom 6. April. (Korr. 81, Script. rer. Siles. VIII, 89.) 2) Korr. 84, 4) Korr. 86 a. a. O. Vgl. Markgrafs 3) Korr. 86, S. 93. S. 91 (15. April). 5) Korr. 83 A, S. 90. Bemertung, Script. rer. Siles. VIII, 8.
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Besorgnisse auf Grund der Glogauer Zusammenkunft. 103 eine Vereinbarnng zwischen dem Legaten und dem Könige erzielt werden sollte 1). Die Breslauer hatten zwar Gewißheit darüber, daß Pius das Ziel, das er erstrebte, und das ihnen nicht genügte, die Umkehr Georgs, uicht erreichen würde; aber sie hatten Grund zu der Befürchtung, daß Georg die Zeit, die ihm durch das langsame und verhästnismäßig nachsichtige Verfahren des Papstes gesassen war, benntzen würde, um die Kirche seinerseits zum Nachgeben zu zwingen. Damals gerade arbeitete der König vor den Angen der Breslauer an einem Unternehmen, das den Papst aufs nene entwaffnen sollte. Er ver suchte einen europäischen Fürstenbund zu stiften und sich zu seinem Führer aufzuschwingen. Als Hauptanfgabe des Bundes wurde der Krieg gegen die Türken bezeichnet. Dem Papste sollte das größte Werk der Christenheit durch eine Verbindung weltlicher Mächte aus den Händen genommen werden; wenn Georg an der Spitze dieser Verbindung stand, so mußte er trotz des Laien- felches wohl oder übel als christlicher Fürst gelten. Zu den Verbündeten, die er sich ausersah, gehörte auch der König von Polen; gegen Ende des Mai traf Georg mit diesem in einer Stadt Schlesiens, in Glogan, zusammen und schloß mit ihm ein Bünduis. Diese Zusammenkunft rief bei den Breslauern die verschiedensten Befürchtnngen wach. Zunächst schien die Gefahr einer Einkreisung abermals dringlich zu werden. Zwar war das Bündnis für den Fall, daß eine der Parteien mit dem Papste in Streit geriet, ausdrücklich außer Kraft gesetzt2); aber die Breslaner fürchteten doch, daß der König von Polen ihnen in Kriege mit Georg die Zufuhr sperren köunte: Kitzing mußte später den Papst um ein besonderes Breve bitten, das dem Polenkönig ein derartiges Vorgehen untersagte 3). Auch abgesehen von der poluischen Gefahr war die Gloganer Zusammen- kuuft stark benurnhigend. Die Breslauer wiesen den Erzbischof von Kreta ganz richtig darauf hin, daß Georg durch das Bündnis vor dem Papste glanzvoll erscheinen wolle4). Georg zeigte aller Welt, daß die römischen Drohungen seine Geltung uicht erschütterten. Insbesondere trat auch hervor, daß Schlesien ihm der Hauptsache uach treu anhing; der Bischof von Breslau nud andere Fürsten des Laudes waren bei der Beratung der Könige zugegen 5). Gerade dieser Umstand konnte den Papst einschüchtern. Überdies aber fürchteten 1) Korr. 115, S. 139 (30. April 1462): Mandat enim smus dominus noster, ut cum rege omni studio ad prestationis homagii prorogationem intendamus.... 2) Korr. 88, S. 98, Z. 4 v. u. — Damit steht wohl in Zusammenhang, daß der Breslauer Rat damals dem Erzbischof von Kreta versicherte, er habe zu dem Könige von Polen ein gutes Vertrauen 4) „ut aliqualiter — (Korr. 89, Nachtrag S. 102). 3) Korr. 102, S. 119, 3. 2 v. o. coram smo domino nostro gloriari posset“, Korr. 89, S. 102 u. 5) a. a. D. 3. 6 v. o.
Besorgnisse auf Grund der Glogauer Zusammenkunft. 103 eine Vereinbarnng zwischen dem Legaten und dem Könige erzielt werden sollte 1). Die Breslauer hatten zwar Gewißheit darüber, daß Pius das Ziel, das er erstrebte, und das ihnen nicht genügte, die Umkehr Georgs, uicht erreichen würde; aber sie hatten Grund zu der Befürchtung, daß Georg die Zeit, die ihm durch das langsame und verhästnismäßig nachsichtige Verfahren des Papstes gesassen war, benntzen würde, um die Kirche seinerseits zum Nachgeben zu zwingen. Damals gerade arbeitete der König vor den Angen der Breslauer an einem Unternehmen, das den Papst aufs nene entwaffnen sollte. Er ver suchte einen europäischen Fürstenbund zu stiften und sich zu seinem Führer aufzuschwingen. Als Hauptanfgabe des Bundes wurde der Krieg gegen die Türken bezeichnet. Dem Papste sollte das größte Werk der Christenheit durch eine Verbindung weltlicher Mächte aus den Händen genommen werden; wenn Georg an der Spitze dieser Verbindung stand, so mußte er trotz des Laien- felches wohl oder übel als christlicher Fürst gelten. Zu den Verbündeten, die er sich ausersah, gehörte auch der König von Polen; gegen Ende des Mai traf Georg mit diesem in einer Stadt Schlesiens, in Glogan, zusammen und schloß mit ihm ein Bünduis. Diese Zusammenkunft rief bei den Breslauern die verschiedensten Befürchtnngen wach. Zunächst schien die Gefahr einer Einkreisung abermals dringlich zu werden. Zwar war das Bündnis für den Fall, daß eine der Parteien mit dem Papste in Streit geriet, ausdrücklich außer Kraft gesetzt2); aber die Breslaner fürchteten doch, daß der König von Polen ihnen in Kriege mit Georg die Zufuhr sperren köunte: Kitzing mußte später den Papst um ein besonderes Breve bitten, das dem Polenkönig ein derartiges Vorgehen untersagte 3). Auch abgesehen von der poluischen Gefahr war die Gloganer Zusammen- kuuft stark benurnhigend. Die Breslauer wiesen den Erzbischof von Kreta ganz richtig darauf hin, daß Georg durch das Bündnis vor dem Papste glanzvoll erscheinen wolle4). Georg zeigte aller Welt, daß die römischen Drohungen seine Geltung uicht erschütterten. Insbesondere trat auch hervor, daß Schlesien ihm der Hauptsache uach treu anhing; der Bischof von Breslau nud andere Fürsten des Laudes waren bei der Beratung der Könige zugegen 5). Gerade dieser Umstand konnte den Papst einschüchtern. Überdies aber fürchteten 1) Korr. 115, S. 139 (30. April 1462): Mandat enim smus dominus noster, ut cum rege omni studio ad prestationis homagii prorogationem intendamus.... 2) Korr. 88, S. 98, Z. 4 v. u. — Damit steht wohl in Zusammenhang, daß der Breslauer Rat damals dem Erzbischof von Kreta versicherte, er habe zu dem Könige von Polen ein gutes Vertrauen 4) „ut aliqualiter — (Korr. 89, Nachtrag S. 102). 3) Korr. 102, S. 119, 3. 2 v. o. coram smo domino nostro gloriari posset“, Korr. 89, S. 102 u. 5) a. a. D. 3. 6 v. o.
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104 Kitzings neue Bemühungen, Somnner 1462. die Breslauer, daß die Schlesier von neuem mit dem Könige gegen sie feind selige Pläne machten. Sie sahen den gemeinsamen Angriff schou für die nächste Zukuuft voraus. Während der Tagung hielten sie eine verstärkte Söldnermacht1), und als die Tagung vorüber war, glanbten sie aufs nene zu wissen, daß Georg gegen sie in Schlesien Aufgebote erlasse2). Vergeblich sahen sie sich nach dem Beschützer um, den der Papst ihnen geschickt hatte. Der Legat Hieronynus verweilte in Ungarn und Steiermart, und man hörte uichts davon, daß er von seinen Instruktionen Gebrauch machte; immer wieder erinnerten ihu die Breslaner in demütig flehenden Briefen, daß das Ende des Trienniums näher und näher rücke3). Unter diesen Umständen hielt es Kitzing für geboten, den Papst aujs neue un bessere Masnahmen zum Schutze der Stadt zu bewegen. Er folgte der päpstsichen Hofhaltung, als Pius sich im Sommer, wie er gern tat, in die Einsamkeit des Toskanischen Berglandes zurückzog, und wachte eijersüchtig darüber, daß Papst und Kardinäle auch in dieser schönen Stille uicht die Stadt Breslan vergäßen 4). Es war damals schwierig, vor den Papst zu gelangen. Ju der italienischen Ebene wütete die Seuche; das Kastell S. Salvator, in dem Pius sich aufhielt, wurde streng von der Außenwelt abgesperrt. Es war beim Banne untersagt, daß Leute, die uicht ein besonders dringliches Geschäft brachten, vor den Papst träten, und den Audienzen wie auch dem Aufeuthalt der Fremden im Kastell wurde die kürzeste Zeit bemessen. Kitzing gesang es, zu Aufang Juli sich wenigstens eine Audienz zu erobern nud dem Papste alle Nöte und Wünsche der Breslauer vorzutragen. Seine Fordernng ging wiederum dahin, daß Pius selbst eine autoritative öffentliche Erklärnng über den Vertrag von 1460 abgeben und die Breslaner der Macht Georgs entziehen sollte 5). Es war das gleiche Ziel, auf das Kitzing im vergaugenen Winter hingedrängt hatte; er war noch um feinen Schritt weiter gekommen. Und dabei waren auch diesmal jene Wüusche uur seine Mindestforderungen, das, was er „us dis mole“ haben wollte. Wohin seine höheren Hoffnnngen gingen, das dentet er an, indem er erzählt, er habe für den Papst und den Kardinal Cusa eine genaue Beschreibung der Stadt Breslau entworfen, wie viel Kirchen, Klöster und geistliche Leute sie habe, und auch „wy gros und wy mechtig sy ist noch geduuken." Er hat also dem Papst einen hohen Begriff von der kirch¬ 1) Korr. 102, S. 119 Mitte. 2) Korr. 92, S. 104. 3) Korr. 89, S. 101 unten und S. 102, Schluß des eigentlichen Briefes. Korr. 103, S. 122 f. 4) Zum folgenden vgl. Kitzings Bericht Korr. 102, S. 117 ff. 5) S. 118 unten: „czu den ersten mole dy vor- lengerung des fredes, czu den andern mol dy vorbietung, das uymant weder euch czyhe von gebotis wegen des konigs etc.“ Außerden das Breve an den Polenkönig vgl. oben.
104 Kitzings neue Bemühungen, Somnner 1462. die Breslauer, daß die Schlesier von neuem mit dem Könige gegen sie feind selige Pläne machten. Sie sahen den gemeinsamen Angriff schou für die nächste Zukuuft voraus. Während der Tagung hielten sie eine verstärkte Söldnermacht1), und als die Tagung vorüber war, glanbten sie aufs nene zu wissen, daß Georg gegen sie in Schlesien Aufgebote erlasse2). Vergeblich sahen sie sich nach dem Beschützer um, den der Papst ihnen geschickt hatte. Der Legat Hieronynus verweilte in Ungarn und Steiermart, und man hörte uichts davon, daß er von seinen Instruktionen Gebrauch machte; immer wieder erinnerten ihu die Breslaner in demütig flehenden Briefen, daß das Ende des Trienniums näher und näher rücke3). Unter diesen Umständen hielt es Kitzing für geboten, den Papst aujs neue un bessere Masnahmen zum Schutze der Stadt zu bewegen. Er folgte der päpstsichen Hofhaltung, als Pius sich im Sommer, wie er gern tat, in die Einsamkeit des Toskanischen Berglandes zurückzog, und wachte eijersüchtig darüber, daß Papst und Kardinäle auch in dieser schönen Stille uicht die Stadt Breslan vergäßen 4). Es war damals schwierig, vor den Papst zu gelangen. Ju der italienischen Ebene wütete die Seuche; das Kastell S. Salvator, in dem Pius sich aufhielt, wurde streng von der Außenwelt abgesperrt. Es war beim Banne untersagt, daß Leute, die uicht ein besonders dringliches Geschäft brachten, vor den Papst träten, und den Audienzen wie auch dem Aufeuthalt der Fremden im Kastell wurde die kürzeste Zeit bemessen. Kitzing gesang es, zu Aufang Juli sich wenigstens eine Audienz zu erobern nud dem Papste alle Nöte und Wünsche der Breslauer vorzutragen. Seine Fordernng ging wiederum dahin, daß Pius selbst eine autoritative öffentliche Erklärnng über den Vertrag von 1460 abgeben und die Breslaner der Macht Georgs entziehen sollte 5). Es war das gleiche Ziel, auf das Kitzing im vergaugenen Winter hingedrängt hatte; er war noch um feinen Schritt weiter gekommen. Und dabei waren auch diesmal jene Wüusche uur seine Mindestforderungen, das, was er „us dis mole“ haben wollte. Wohin seine höheren Hoffnnngen gingen, das dentet er an, indem er erzählt, er habe für den Papst und den Kardinal Cusa eine genaue Beschreibung der Stadt Breslau entworfen, wie viel Kirchen, Klöster und geistliche Leute sie habe, und auch „wy gros und wy mechtig sy ist noch geduuken." Er hat also dem Papst einen hohen Begriff von der kirch¬ 1) Korr. 102, S. 119 Mitte. 2) Korr. 92, S. 104. 3) Korr. 89, S. 101 unten und S. 102, Schluß des eigentlichen Briefes. Korr. 103, S. 122 f. 4) Zum folgenden vgl. Kitzings Bericht Korr. 102, S. 117 ff. 5) S. 118 unten: „czu den ersten mole dy vor- lengerung des fredes, czu den andern mol dy vorbietung, das uymant weder euch czyhe von gebotis wegen des konigs etc.“ Außerden das Breve an den Polenkönig vgl. oben.
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Ausflüchte des Papstes. 105 lichen und weltlichen Bedentnng der Stadt geben wollen. Daß Kitzing dem Papste die Frömmigfeit Breslans augenfällig darstellte, ist dabei ohne weiteres verständlich. Bejremdlich scheint es dagegen im Zusammenhange der Mission Kitzings, daß er anch von der Kampffraft Breslaus viel Rühmens machte; denn diese Aufklärnng konnte dem Papste eher den Gedanken eingeben, daß er der Stadt nicht gar so eilig zu Hilfe zu kommen brauche, daß sie ganz wohl den Angriff Georgs abwarten könne. Jedenfalls stand diejer Teil der Dentschrift mit der Schutzbitte als solcher in keinem inneren Zusammenhang. Aber die Stadt wollte uicht bloß beschützt sein; sie wollte den Papst dazu ermntigen, daß er Georg stürzte, und damit er diesen Mut jaßte, sollte er zu der Hilje Breslans Vertrauen gewinnen. Die Stadt fürchtete den An- griff Georgs uur so lange, als sie fürchten nuste, allein zu bleiben; sie wollte darum, daß der Papst sich jür sie einsetzte. Aber von dem Augeublicke an, wo dies geschah, wollte sie den Krieg gegen Georg begonnen wissen. Darum mußte Kitzing gleichzeitig ihre Not klagen und ihre Stärke rühmen, den Papst um Schntz für sie bitten und ihm ihre Hilje antragen; in dieser scheinbar innerlich widerspruchsvoslen Haltnng ist der Breslaner Rat noch wiederholt vor den Papst getreten. Der Eindruck, den die Kurie von der Stärke der Stadt empfing, war, wie sich später verhäuguisvoll zeigen sollte, nicht gering. Mit seinem nächsten Auliegen, seiner Bitte um eine päpstliche Erklärung für Breslau, erreichte Kitzing dagegen jetzt so wenig wie bisher. Pius gab ihm ganz im allgemeinen die Zusichernng, es sei nie sein Wille gewesen, daß die Stadt dem Könige huldigen sollte, ehe dieser sein Reich wieder in den kirchlichen Gehorsam zurück- gebracht hätte. Im übrigen aber müsse Kitzing sein Gesuch anstehen lassen, bis der Papst die in dieser Angelegenheit zuständigen Kardinäle um sich ver samnneln könne. Das bedentete, wie Kitzing bald bemerkte, eine Vertagung auf Wochen hinaus. Er ritt eilends den weiten Weg uach Orvieto, wo sich Kardinal Cusa aufhiest — die Kardinäle und furialen Behörden saßen in diesem Sommer zwischen Siena und Orvieto verstreut —, und Cusa gab ihm ein Schreiben an den Papst, in dem er eine Beschlennignng des Verfahrens befürwortete. Aber der Papst ließ sich uicht unistimmen; es blieb bei dem Aufschnb. Die päpstliche Sommerresidenz des Jahres 1462 ist berühmt geworden 1). Wie Pins damals in der Umgebung des Kastells bald einsam, bald gesellig den Genuß der Landschajt anskostete und sich an dem wechselvollen Frieden 1) Jacob Burthardt. Die Kultur der Renaissance, 4. Abschnitt, 3. Kapitel.
Ausflüchte des Papstes. 105 lichen und weltlichen Bedentnng der Stadt geben wollen. Daß Kitzing dem Papste die Frömmigfeit Breslans augenfällig darstellte, ist dabei ohne weiteres verständlich. Bejremdlich scheint es dagegen im Zusammenhange der Mission Kitzings, daß er anch von der Kampffraft Breslaus viel Rühmens machte; denn diese Aufklärnng konnte dem Papste eher den Gedanken eingeben, daß er der Stadt nicht gar so eilig zu Hilfe zu kommen brauche, daß sie ganz wohl den Angriff Georgs abwarten könne. Jedenfalls stand diejer Teil der Dentschrift mit der Schutzbitte als solcher in keinem inneren Zusammenhang. Aber die Stadt wollte uicht bloß beschützt sein; sie wollte den Papst dazu ermntigen, daß er Georg stürzte, und damit er diesen Mut jaßte, sollte er zu der Hilje Breslans Vertrauen gewinnen. Die Stadt fürchtete den An- griff Georgs uur so lange, als sie fürchten nuste, allein zu bleiben; sie wollte darum, daß der Papst sich jür sie einsetzte. Aber von dem Augeublicke an, wo dies geschah, wollte sie den Krieg gegen Georg begonnen wissen. Darum mußte Kitzing gleichzeitig ihre Not klagen und ihre Stärke rühmen, den Papst um Schntz für sie bitten und ihm ihre Hilje antragen; in dieser scheinbar innerlich widerspruchsvoslen Haltnng ist der Breslaner Rat noch wiederholt vor den Papst getreten. Der Eindruck, den die Kurie von der Stärke der Stadt empfing, war, wie sich später verhäuguisvoll zeigen sollte, nicht gering. Mit seinem nächsten Auliegen, seiner Bitte um eine päpstliche Erklärung für Breslau, erreichte Kitzing dagegen jetzt so wenig wie bisher. Pius gab ihm ganz im allgemeinen die Zusichernng, es sei nie sein Wille gewesen, daß die Stadt dem Könige huldigen sollte, ehe dieser sein Reich wieder in den kirchlichen Gehorsam zurück- gebracht hätte. Im übrigen aber müsse Kitzing sein Gesuch anstehen lassen, bis der Papst die in dieser Angelegenheit zuständigen Kardinäle um sich ver samnneln könne. Das bedentete, wie Kitzing bald bemerkte, eine Vertagung auf Wochen hinaus. Er ritt eilends den weiten Weg uach Orvieto, wo sich Kardinal Cusa aufhiest — die Kardinäle und furialen Behörden saßen in diesem Sommer zwischen Siena und Orvieto verstreut —, und Cusa gab ihm ein Schreiben an den Papst, in dem er eine Beschlennignng des Verfahrens befürwortete. Aber der Papst ließ sich uicht unistimmen; es blieb bei dem Aufschnb. Die päpstliche Sommerresidenz des Jahres 1462 ist berühmt geworden 1). Wie Pins damals in der Umgebung des Kastells bald einsam, bald gesellig den Genuß der Landschajt anskostete und sich an dem wechselvollen Frieden 1) Jacob Burthardt. Die Kultur der Renaissance, 4. Abschnitt, 3. Kapitel.
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106 Aufopferung Kitzings. der Natur stärkte, das hat er selbst der Nachwelt zu schildern für wert ge- halten, und das ist ein Dokument für die neue Erschließung der West und des Gemüts geblieben, die mit ihm und seinem Zeitalter anhebt. Er vergaß bei dieser geistigen Einkehr uicht die Würde seines Pontifikats; auch in ihr spiegelte er sich. Aber er hielt sich in seiner Abgeschlossenheit mit Bedacht unberührt von den Nöten seiner geringen geistlichen Untertanen; er hatte das sichere Bewußtsein, daß es dem Glauze seiner Größe uicht schadete, wenn er sie bangen ließ, und daß die Stunde, wo er um dieses Glanzes willen ihnen zu Hilfe kommen mußte, noch nicht gekommen war. Mit dieser gelassenen Hoheit hatte der Breslauer Domherr zu kämpfen — und in diesem Kampje hetzte er unten in der fieberatmenden Ebene sein armseliges Leben in einen sicheren Tod. Ihn beschäftigte nur ein unruhvoller Gedanke: die Befreinng seiner Stadt von dem Druck des ketzerischen Tyrannen, und diese sollte ein Werk der Stunde, uicht laugsamer Vollendung sein; in der sicheren Erwartnng, daß sie so schnell gedeihen könnte, faßte er den Entschluß, sich für sie zum Opfer zu bringen. Seine Bemühungen versprachen so wenig, daß er ohne Schaden für die Sache seiner Stadt die ungesunde Gegend während der schsimmen Jahreszeit hätte verlassen dürfen. Aber er wollte sich das nicht eingestehen; er harrte aus, um den Augenblick uicht zu versänmen, wo er den Papst fassen und festhalten konnte. „Ir durft nicht czweyjel an meynem fleisse" — so schrieb er damals dem Rate — „wenne ich mir sunderlichen dirwelet habe, bey ench meyn lebetage czu bleyben, mit euch ubel und gut czu leyden und auch durch ewer und der ganczen gemeyn ere und redlichfeit willen, so is not were, yu den tod czu geen, nochdem ich yczunt yn dieser grossen hytze und sterben thu.“ Seines Erfolges hielt er sich so gewiß wie uur je: „... lasset euch unbekummert, ich ezweyfel uicht, ir werdet getrost werden mertlichen durch got den almechtigen czu voraus und dornach durch unsern heiligen vater, seynen vicarium". Er wurde noch einmal euttäuscht. Ob die angefündigte Beratung des Papstes mit den Kardinälen überhaupt stattfand, wissen wir uicht. Wenn sie stattfand, so hatte sie doch uicht das gewünschte Ergebuis; denn im September founte Kitzing wieder die gleichen Wünsche vortragen. Wohl aber erfolgte in den Tagen, die für die Beratung in Aussicht genommen waren, unmittelbar nach dem Laurentiusfeste, zu Prag ein Anftritt, der die päpstliche Politik in eine andere Richtung drängte und auch den Breslanern Hoffnnng brachte. Der König gab vor einem böhmischen Hoftage seine Antwort auf die Verwerfung der Kompaktaten. Er erhob Einsprache dagegen, daß der Papst nehmen wolle, was das Konzil gegeben habe; er bestritt leidenschaftlich, daß
106 Aufopferung Kitzings. der Natur stärkte, das hat er selbst der Nachwelt zu schildern für wert ge- halten, und das ist ein Dokument für die neue Erschließung der West und des Gemüts geblieben, die mit ihm und seinem Zeitalter anhebt. Er vergaß bei dieser geistigen Einkehr uicht die Würde seines Pontifikats; auch in ihr spiegelte er sich. Aber er hielt sich in seiner Abgeschlossenheit mit Bedacht unberührt von den Nöten seiner geringen geistlichen Untertanen; er hatte das sichere Bewußtsein, daß es dem Glauze seiner Größe uicht schadete, wenn er sie bangen ließ, und daß die Stunde, wo er um dieses Glanzes willen ihnen zu Hilfe kommen mußte, noch nicht gekommen war. Mit dieser gelassenen Hoheit hatte der Breslauer Domherr zu kämpfen — und in diesem Kampje hetzte er unten in der fieberatmenden Ebene sein armseliges Leben in einen sicheren Tod. Ihn beschäftigte nur ein unruhvoller Gedanke: die Befreinng seiner Stadt von dem Druck des ketzerischen Tyrannen, und diese sollte ein Werk der Stunde, uicht laugsamer Vollendung sein; in der sicheren Erwartnng, daß sie so schnell gedeihen könnte, faßte er den Entschluß, sich für sie zum Opfer zu bringen. Seine Bemühungen versprachen so wenig, daß er ohne Schaden für die Sache seiner Stadt die ungesunde Gegend während der schsimmen Jahreszeit hätte verlassen dürfen. Aber er wollte sich das nicht eingestehen; er harrte aus, um den Augenblick uicht zu versänmen, wo er den Papst fassen und festhalten konnte. „Ir durft nicht czweyjel an meynem fleisse" — so schrieb er damals dem Rate — „wenne ich mir sunderlichen dirwelet habe, bey ench meyn lebetage czu bleyben, mit euch ubel und gut czu leyden und auch durch ewer und der ganczen gemeyn ere und redlichfeit willen, so is not were, yu den tod czu geen, nochdem ich yczunt yn dieser grossen hytze und sterben thu.“ Seines Erfolges hielt er sich so gewiß wie uur je: „... lasset euch unbekummert, ich ezweyfel uicht, ir werdet getrost werden mertlichen durch got den almechtigen czu voraus und dornach durch unsern heiligen vater, seynen vicarium". Er wurde noch einmal euttäuscht. Ob die angefündigte Beratung des Papstes mit den Kardinälen überhaupt stattfand, wissen wir uicht. Wenn sie stattfand, so hatte sie doch uicht das gewünschte Ergebuis; denn im September founte Kitzing wieder die gleichen Wünsche vortragen. Wohl aber erfolgte in den Tagen, die für die Beratung in Aussicht genommen waren, unmittelbar nach dem Laurentiusfeste, zu Prag ein Anftritt, der die päpstliche Politik in eine andere Richtung drängte und auch den Breslanern Hoffnnng brachte. Der König gab vor einem böhmischen Hoftage seine Antwort auf die Verwerfung der Kompaktaten. Er erhob Einsprache dagegen, daß der Papst nehmen wolle, was das Konzil gegeben habe; er bestritt leidenschaftlich, daß
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Der Laurentiushoftag zu Prag. Pius hebt den Vertrag von 1460 auf. 107 er jemals die Abfehr vom Laienkelch zugesagt hätte. Er wiederholte seine Er- klärung, daß er bei den Kompaktaten leben und sterben wolle. Am solgenden Tage fam der Legat Fantinns zu Worte: er stritt mit dem Könige vor den Versammesten über seine Pflicht, dem Papste zu gehorchen und erhielt eine neue Ablehnung. War es unn der Zorn der Enttäuschung oder der ver- zweijelte Wunsch nach einer Großtat, was den Legaten antrieb — er begnügte sich nicht mit diesem Ergebuis, sondern schleuderte jetzt die härtesten persön- lichen Anflagen gegen Georg. Er bezichtigte ihn des Eidbruchs; ja, er forderte seine Untertanen auf, sich von ihm zu trennen und dem Papste zu folgen. — Der König kannte sich uicht mehr; fast hätte er Hand an den Legaten gelegt. Am folgenden Tage nahm er seine Rache: Fantinus wurde gefaugen gesetzt; auch die fatholischen Großen, die dem Könige deutlich machten, daß sie ihm in jeinem Widerstande gegen den Papst uicht folgen könnten, erfuhren die schwerste Ungnade. Die Breslauer waren sich dessen bewußt, was diese Ereignisse für sie bedeuten konnten. Als sie dem Papste über die Vorgänge in Prag berichteten, wagten sie schon, ihm ihre innersten Wünsche zu eutdecken. Er möge alle kirchentreuen Untertauen in den Nebenländern vom Untertaneneide entbinden und ihnen einen Anführer setzen; das sei der Wunsch aller Städte. Seine Heiligkeit möge auj etwaige Drohungen des Königs keinen Wert legen; freilich wüßten sie, wie das Schwert der Böhmen schneide; aber die Böhmen hätten auch das ihre kennen gelernt 1). — Noch ehe diese triegsmutigen Zeilen an den Papst gelaugten, hatte anch dieser die zwingende Forderung des Augen- blicks verstauden und endlich einmal entschieden in die Breslauer Angelegenheit eingegriffen. Er hatte die erste Kunde über die Prager Auftritte erhalten, als eben wieder ein neues Ansuchen des Breslauer Prokurators vorlag2). Anßer seinen früheren Forderungen hatte Kitzing diesmal noch zwei weiter gehende gestellt: Pius möge die Stadt ansdrücklich in den päpstlichen Schutz aujnehmen und den Vertrag von 1460 als erzwungen vernichten. Wiederum hatte man den Beschluß über die Anträge vertagt; aber bereits drei Tage uach der Andieuz, am 14. September, traj die erste Nachricht über den Laurentius-Hoftag ein, und nun war der Papst umgestimmt. Am 24. Sep tember erklärte eine Bulle den ganzen Vertrag der Stadt Breslau mit dem Könige bis anf weitere Eutschlüsse des päpstlichen Stuhles für aufgehoben 3). — Kitzing hatte noch kurz vor seinem Tode deu Trost, von der Entscheidung des 1) Korr. 105 A, S. 127. 2) Korr. 110 A und B, S. 131 f. 3) Korr. 113, S. 137.
Der Laurentiushoftag zu Prag. Pius hebt den Vertrag von 1460 auf. 107 er jemals die Abfehr vom Laienkelch zugesagt hätte. Er wiederholte seine Er- klärung, daß er bei den Kompaktaten leben und sterben wolle. Am solgenden Tage fam der Legat Fantinns zu Worte: er stritt mit dem Könige vor den Versammesten über seine Pflicht, dem Papste zu gehorchen und erhielt eine neue Ablehnung. War es unn der Zorn der Enttäuschung oder der ver- zweijelte Wunsch nach einer Großtat, was den Legaten antrieb — er begnügte sich nicht mit diesem Ergebuis, sondern schleuderte jetzt die härtesten persön- lichen Anflagen gegen Georg. Er bezichtigte ihn des Eidbruchs; ja, er forderte seine Untertanen auf, sich von ihm zu trennen und dem Papste zu folgen. — Der König kannte sich uicht mehr; fast hätte er Hand an den Legaten gelegt. Am folgenden Tage nahm er seine Rache: Fantinus wurde gefaugen gesetzt; auch die fatholischen Großen, die dem Könige deutlich machten, daß sie ihm in jeinem Widerstande gegen den Papst uicht folgen könnten, erfuhren die schwerste Ungnade. Die Breslauer waren sich dessen bewußt, was diese Ereignisse für sie bedeuten konnten. Als sie dem Papste über die Vorgänge in Prag berichteten, wagten sie schon, ihm ihre innersten Wünsche zu eutdecken. Er möge alle kirchentreuen Untertauen in den Nebenländern vom Untertaneneide entbinden und ihnen einen Anführer setzen; das sei der Wunsch aller Städte. Seine Heiligkeit möge auj etwaige Drohungen des Königs keinen Wert legen; freilich wüßten sie, wie das Schwert der Böhmen schneide; aber die Böhmen hätten auch das ihre kennen gelernt 1). — Noch ehe diese triegsmutigen Zeilen an den Papst gelaugten, hatte anch dieser die zwingende Forderung des Augen- blicks verstauden und endlich einmal entschieden in die Breslauer Angelegenheit eingegriffen. Er hatte die erste Kunde über die Prager Auftritte erhalten, als eben wieder ein neues Ansuchen des Breslauer Prokurators vorlag2). Anßer seinen früheren Forderungen hatte Kitzing diesmal noch zwei weiter gehende gestellt: Pius möge die Stadt ansdrücklich in den päpstlichen Schutz aujnehmen und den Vertrag von 1460 als erzwungen vernichten. Wiederum hatte man den Beschluß über die Anträge vertagt; aber bereits drei Tage uach der Andieuz, am 14. September, traj die erste Nachricht über den Laurentius-Hoftag ein, und nun war der Papst umgestimmt. Am 24. Sep tember erklärte eine Bulle den ganzen Vertrag der Stadt Breslau mit dem Könige bis anf weitere Eutschlüsse des päpstlichen Stuhles für aufgehoben 3). — Kitzing hatte noch kurz vor seinem Tode deu Trost, von der Entscheidung des 1) Korr. 105 A, S. 127. 2) Korr. 110 A und B, S. 131 f. 3) Korr. 113, S. 137.
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108 Georg gewinnt den Katser. Papstes zu erfahren. Er war schon krauk gewesen, als er sein letztes Gejuch überreicht hatte; er starb vor Ablauf des September 1). Das Königtum Georgs schien bereits der gewaltsamsten inneren Er- schütterung entgegenzugehen. Pius war entschlossen, einem religiösen Bürgerkrieg im böhmischen Reiche jetzt kein Hinderuis mehr zu bereiten. Im Dezember des Jahres richtete er an die Geistlichkeit und die Städte in Mähren Bot- schaften, die sie ermutigten, in der Treue gegen den apostolischen Stuhl aus- zuharren, wenn sie von den Gottlosen bedroht würden2); zugleich uahm er sich der Wiedereinsetzung Balthasars von Sagan an 3). Diese Kundgebungen waren bereits nach dem Sinne der höchsten Wünsche der Breslaner, und, wie Pius selbst erflärte, waren noch weitere Zensuren in Aussicht genommen 4). — Aber gleichzeitig hatte dem Könige das Glück den Helfer zugeführt, der ihu auf Jahre hinaus vor der änßzersten Gefahr beschützen sollte: den Kaiser5). Zu den unaufhörlichen Argernissen, die die Herrschaft Friedrichs III. in Österreich keunzeichneten — der Feindschaft seines Bruders Albrecht, den Brandschatzungen der unbezahlten Sölduer, dem Unwillen der Stände — war seit August 1462 die Aufsässigkeit der Stadt Wien getreten; in Oktober führte sie zum offenen Abfall. Die Bürgerschaft rief Erzherzog Albrecht zum Regenten aus; dessen Söldner, mit den Wienern vereinigt, begannen die Belagernng des Kaisers in seiner Burg. Friedrich stand bereits mit König Georg in Unter- handlung; jetzt rief er eilends nach seiner Hilfe, und Georg versagte sie uicht. Er erschien alsbald mit einer großen Übermacht im Felde vor Wien. Sein Heer war jetzt — wie gewöhnlich — uicht zu großen militärischen Taten bestimmt. Es sollte uur drohen. Aber die Drohnng rettete den Kaiser; die Wiener und Albrecht gaben Frieden; Friedrichs Herrschajt wurde wenigstens dem Namen nach wieder hergestellt. Der König aber hatte uun gleichfalls plötzlich einen sicheren Rückhalt. Der Kaiser dankte ihm mit einer glänzenden Anerkennung seiner Herrschaft. Georgs jüngere Söhne wurden Reichsfürsten, wie es sein ältester schon war; seinem Hause wurde eine Erbanwartschajt anf Friedrichs Länder zugesichert. Vor allem aber trat der Kaiser persönlich für den kirchlich Verfehnten ein; er machte zu Georgs Gunsten seinen Einfluß am päpstlichen Hofe gestend. Schon ehe er Georg nach Österreich rujen mußte, hatte er — am 1. Oktober — Pius brieflich vor übereisten Schritten gewarnt. Während der Belagerung der Burg schickte er dann seinen Kaplan uach Rom, uit der Bitte, daß der Papst seine Maßregeln gegen Georg schlennigst aus- 1) Korr. 110 A, S. 131 unten; Korr. 114, S. 137 f. 2) Urk. Beitr. 289, S. 284; 4) Urt. Beitr. 294, S. 288. Korr. 127, S. 152. 3) Korr. 128, S. 152. folgenden vgl. Bachmann I1, 546 ff. 5) Zum
108 Georg gewinnt den Katser. Papstes zu erfahren. Er war schon krauk gewesen, als er sein letztes Gejuch überreicht hatte; er starb vor Ablauf des September 1). Das Königtum Georgs schien bereits der gewaltsamsten inneren Er- schütterung entgegenzugehen. Pius war entschlossen, einem religiösen Bürgerkrieg im böhmischen Reiche jetzt kein Hinderuis mehr zu bereiten. Im Dezember des Jahres richtete er an die Geistlichkeit und die Städte in Mähren Bot- schaften, die sie ermutigten, in der Treue gegen den apostolischen Stuhl aus- zuharren, wenn sie von den Gottlosen bedroht würden2); zugleich uahm er sich der Wiedereinsetzung Balthasars von Sagan an 3). Diese Kundgebungen waren bereits nach dem Sinne der höchsten Wünsche der Breslaner, und, wie Pius selbst erflärte, waren noch weitere Zensuren in Aussicht genommen 4). — Aber gleichzeitig hatte dem Könige das Glück den Helfer zugeführt, der ihu auf Jahre hinaus vor der änßzersten Gefahr beschützen sollte: den Kaiser5). Zu den unaufhörlichen Argernissen, die die Herrschaft Friedrichs III. in Österreich keunzeichneten — der Feindschaft seines Bruders Albrecht, den Brandschatzungen der unbezahlten Sölduer, dem Unwillen der Stände — war seit August 1462 die Aufsässigkeit der Stadt Wien getreten; in Oktober führte sie zum offenen Abfall. Die Bürgerschaft rief Erzherzog Albrecht zum Regenten aus; dessen Söldner, mit den Wienern vereinigt, begannen die Belagernng des Kaisers in seiner Burg. Friedrich stand bereits mit König Georg in Unter- handlung; jetzt rief er eilends nach seiner Hilfe, und Georg versagte sie uicht. Er erschien alsbald mit einer großen Übermacht im Felde vor Wien. Sein Heer war jetzt — wie gewöhnlich — uicht zu großen militärischen Taten bestimmt. Es sollte uur drohen. Aber die Drohnng rettete den Kaiser; die Wiener und Albrecht gaben Frieden; Friedrichs Herrschajt wurde wenigstens dem Namen nach wieder hergestellt. Der König aber hatte uun gleichfalls plötzlich einen sicheren Rückhalt. Der Kaiser dankte ihm mit einer glänzenden Anerkennung seiner Herrschaft. Georgs jüngere Söhne wurden Reichsfürsten, wie es sein ältester schon war; seinem Hause wurde eine Erbanwartschajt anf Friedrichs Länder zugesichert. Vor allem aber trat der Kaiser persönlich für den kirchlich Verfehnten ein; er machte zu Georgs Gunsten seinen Einfluß am päpstlichen Hofe gestend. Schon ehe er Georg nach Österreich rujen mußte, hatte er — am 1. Oktober — Pius brieflich vor übereisten Schritten gewarnt. Während der Belagerung der Burg schickte er dann seinen Kaplan uach Rom, uit der Bitte, daß der Papst seine Maßregeln gegen Georg schlennigst aus- 1) Korr. 110 A, S. 131 unten; Korr. 114, S. 137 f. 2) Urk. Beitr. 289, S. 284; 4) Urt. Beitr. 294, S. 288. Korr. 127, S. 152. 3) Korr. 128, S. 152. folgenden vgl. Bachmann I1, 546 ff. 5) Zum
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Die Breslaner fühlen sich aufs neue verlassen. 109 setzen möge. Pius war dem Kaiser, in dessen Dienst er einst gestanden hatte, zu sehr verpflichtet, als daß er sich seinem Wunsche hätte entziehen können; er erteiste um die Jahreswende eine vollkommene Zusage. Freilich beklagte er zugleich aufs bitterste den elenden Zustand der Christenheit, deren kaiserliches Haupt gezwungen sei, zu einem Ketzer seine Zuflucht zu nehmen1) und wahrte, indem er Georg einen Ketzer nannte, den Standpunkt, von dem aus er trotz allem den König ansehen mußte. Aber jetzt mußte er zunächst den Kaiser, der seine Vermittlung anbot, gewähren lassen. Damit erhiest zugleich eine zweite Vermittlungspartei verstärkten Einfluß: zu Anfang des Jahres 1463 wurde der hohe Klerus Böhmens und Mährens in Rom vorstellig. Diese Herren hatten zwar Georg in der Frage der Kompaktaten ihre Gefolgschajt versagt. Aber sie wußten, daß das nationalböhmische Königtum an seiner Person hing, und sie wollten uichts unversucht lassen, um es zu erhalten; sie wünschten einen Ausgleich anch im Jnteresse des Friedens, den Georg dem Reiche erhalten hatte. Wiederum war Bischof Jost von Breslau mit besonderem Eifer in diesem Sinne tätig. Dieser Umschwung setzte so rasch ein, daß die Breslauer des obsiegenden Urteils, das sie soeben erst beim Papste erzielt hatten, der Anjhebung des Vertrages von 1460, kaum froh werden konnten. Sie hatten die Bulle vom 24. September noch uicht in ihren Händen, als sie schon von den Ver- haudlungen erfuhren, die zwischen Georg und der Kurie im Gange waren2). Im November janden sie vorübergehend einigen Trost. Der Erzbischof von Kreta erschien endlich in Breslan — allerdings nur auf kurze Zeit — und begann seine Mission auszuführen. Er richtete an die schlesischen Fürsten und Städte, sowie an die Städte der Oberlansitz ein Rundschreiben, das sie zur Treue gegen die Kirche, zur Einigkeit unter sich und zumal zur Freundschajt gegen die Breslaner ermahnute3). Dem Rate war viel an einem Verteidigungs bünduis mit den Schlesiern gesegen; er bat den Papst, die Bestrebungen des Legaten in diesem Sinne nachdrücklich zu unterstützen 4). Das Schwächegefühl, das in diesem Wunsche lag, hinderte ihn anch jetzt nicht, den Kampjesmut der Stadt hervorzuheben; wie beiläufig wies der Brief des Rates den Papst abermals darauf hin, daß die Stadt jetzt vorzüglich befestigt sei und uicht einmal die Türken, geschweige die Ketzer, fürchte 5). Aber die Sorgen der Breslauer erhielten in den nächsten Wochen und Monaten nur immer neue 1) Urk. Beitr. 294, S. 287. 2) Korr. 117, S. 141 (14. Oktober). Die Bulle wurde, da Kitzing sich nicht miehr mit ihrer Ausfertigung beschäftigen konnte, erst am 15. Oktober expediert. Markgraf zu Korr. 113, S. 137. 3) Vgl. Korr. 124, S. 147, und Markgraf, Verhältnis usw. II, 225. 5) a. a. O. S. 150 oben. 4) Korr. 125, S. 151.
Die Breslaner fühlen sich aufs neue verlassen. 109 setzen möge. Pius war dem Kaiser, in dessen Dienst er einst gestanden hatte, zu sehr verpflichtet, als daß er sich seinem Wunsche hätte entziehen können; er erteiste um die Jahreswende eine vollkommene Zusage. Freilich beklagte er zugleich aufs bitterste den elenden Zustand der Christenheit, deren kaiserliches Haupt gezwungen sei, zu einem Ketzer seine Zuflucht zu nehmen1) und wahrte, indem er Georg einen Ketzer nannte, den Standpunkt, von dem aus er trotz allem den König ansehen mußte. Aber jetzt mußte er zunächst den Kaiser, der seine Vermittlung anbot, gewähren lassen. Damit erhiest zugleich eine zweite Vermittlungspartei verstärkten Einfluß: zu Anfang des Jahres 1463 wurde der hohe Klerus Böhmens und Mährens in Rom vorstellig. Diese Herren hatten zwar Georg in der Frage der Kompaktaten ihre Gefolgschajt versagt. Aber sie wußten, daß das nationalböhmische Königtum an seiner Person hing, und sie wollten uichts unversucht lassen, um es zu erhalten; sie wünschten einen Ausgleich anch im Jnteresse des Friedens, den Georg dem Reiche erhalten hatte. Wiederum war Bischof Jost von Breslau mit besonderem Eifer in diesem Sinne tätig. Dieser Umschwung setzte so rasch ein, daß die Breslauer des obsiegenden Urteils, das sie soeben erst beim Papste erzielt hatten, der Anjhebung des Vertrages von 1460, kaum froh werden konnten. Sie hatten die Bulle vom 24. September noch uicht in ihren Händen, als sie schon von den Ver- haudlungen erfuhren, die zwischen Georg und der Kurie im Gange waren2). Im November janden sie vorübergehend einigen Trost. Der Erzbischof von Kreta erschien endlich in Breslan — allerdings nur auf kurze Zeit — und begann seine Mission auszuführen. Er richtete an die schlesischen Fürsten und Städte, sowie an die Städte der Oberlansitz ein Rundschreiben, das sie zur Treue gegen die Kirche, zur Einigkeit unter sich und zumal zur Freundschajt gegen die Breslaner ermahnute3). Dem Rate war viel an einem Verteidigungs bünduis mit den Schlesiern gesegen; er bat den Papst, die Bestrebungen des Legaten in diesem Sinne nachdrücklich zu unterstützen 4). Das Schwächegefühl, das in diesem Wunsche lag, hinderte ihn anch jetzt nicht, den Kampjesmut der Stadt hervorzuheben; wie beiläufig wies der Brief des Rates den Papst abermals darauf hin, daß die Stadt jetzt vorzüglich befestigt sei und uicht einmal die Türken, geschweige die Ketzer, fürchte 5). Aber die Sorgen der Breslauer erhielten in den nächsten Wochen und Monaten nur immer neue 1) Urk. Beitr. 294, S. 287. 2) Korr. 117, S. 141 (14. Oktober). Die Bulle wurde, da Kitzing sich nicht miehr mit ihrer Ausfertigung beschäftigen konnte, erst am 15. Oktober expediert. Markgraf zu Korr. 113, S. 137. 3) Vgl. Korr. 124, S. 147, und Markgraf, Verhältnis usw. II, 225. 5) a. a. O. S. 150 oben. 4) Korr. 125, S. 151.
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110 Ablauf der Huldigungsfrist. Höhepunkt der Besorguisse in Breslau. Nahrung. Die Schlesier, mit denen der Papst sie vereinigen sollte, gaben ihnen deutlich zu verstehen, daß sie anf ihre warme Unterstütznng uicht zu rechnen hätten. Auf das Rundschreiben des Legaten traj keine Antwort ein; Erzbischof Hieronymus mußte im Jannar 1463 seine Mahnnng dringlich wieder- holen 1). Dieses Schweigen war ebenso gut eine Vertraneuserflärung für Georg wie die gleichzeitigen Vermittlungshandlungen des Kaisers und der böhmischen Geistlichkeit. Das Bewußtsein der Unsicherheit wurde gesteigert durch den Um- stand, daß die Stadt nach Kitzings Tode zur Zeit in Rom keinen Vertreter hatte; der Prokurator, den sie an seiner Stelle in Dieust genommen hatte, Nikolaus Merboth, kounte dem Rate vorerst von der Reise nach Rom uur beuuruhigende Nachrichten senden2). Und alles dies traf uit dem Zeitpunkte zusammen, an dem die dreijährige Huldigungsfrist ablief; die Breslaner er- warteten stündlich, daß Georg nun energisch ihren Gehorsam verlangen und zu Gewaltmaßregeln schreiten würde. Jn einem Schreiben an den Papst vom 7. Februar kommt ihre Angst beweglich zum Ansdruck3). Ernent heben sie hervor, wie gefährlich eine Preisgebung Breslaus für die Kirche wäre. Die Suspension des Vertrages bedentet ihnen keine Beruhigung mehr; sie wollen diese Maßnahme ergänzt wissen durch eine Erklärnng, in der der Papst die Stadt — und ihren Handel — gegen Georg ansdrücklich in Schutz nehme. Anch solle er die Friedensmittler Georgs, sowie die Reichsfürsten und die Schlesier veraulassen, den Schutz durch besondere Verwarnungen an Georg wirksam zu machen. Die Breslaner wollten die ganze Welt zu ihrem Schutze in Bewegnng gesetzt sehen. So kläglich und dringlich war der Ton ihres Schreibens, daß der Papst mit einiger Empfindlichkeit herauslas, die Breslauer hätten ihn im Verdacht der Untreue4). Die höchste Krisis der Gemüter trat in Breslau ein, als Georg unn — am 1. März — in der Tat an den Papst einen Protest gegen den Ungehorsam der Breslauer richtete. Als der Rat hiervon erfuhr, hielt er es für geboten, dem Papste eine starke Drohung zuzuschicken. Er erklärte ihm die Entschlossen- heit der Stadt, gegebenenfalls ihn und die Kirche durch ein Martyrium zu beschämen. Wenn er die Bürger jetzt im Stiche lasse, und sie Georg uicht widerstehen köunten, dann wollten sie die Stadt verbrennen und mit Weib, Kind und Habe ins Elend wandern 5). Es hätte so großer Worte uicht bedurst; eben zu dieser Zeit lehute sich auch Pius gegen die Fesseln der Vermittlung auf. Er bemerkte, daß Georg unter ihrem Schutze eifrig an dem Plan des europäischen Fürstenbundes 1) Korr. 132, S. 157. 3) Korr. 136, S. 164. 2) Korr. 130 f., S. 155 f. 4) Markgraf zu Korr. 146, S. 180. 5) Korr. 147, S. 180.
110 Ablauf der Huldigungsfrist. Höhepunkt der Besorguisse in Breslau. Nahrung. Die Schlesier, mit denen der Papst sie vereinigen sollte, gaben ihnen deutlich zu verstehen, daß sie anf ihre warme Unterstütznng uicht zu rechnen hätten. Auf das Rundschreiben des Legaten traj keine Antwort ein; Erzbischof Hieronymus mußte im Jannar 1463 seine Mahnnng dringlich wieder- holen 1). Dieses Schweigen war ebenso gut eine Vertraneuserflärung für Georg wie die gleichzeitigen Vermittlungshandlungen des Kaisers und der böhmischen Geistlichkeit. Das Bewußtsein der Unsicherheit wurde gesteigert durch den Um- stand, daß die Stadt nach Kitzings Tode zur Zeit in Rom keinen Vertreter hatte; der Prokurator, den sie an seiner Stelle in Dieust genommen hatte, Nikolaus Merboth, kounte dem Rate vorerst von der Reise nach Rom uur beuuruhigende Nachrichten senden2). Und alles dies traf uit dem Zeitpunkte zusammen, an dem die dreijährige Huldigungsfrist ablief; die Breslaner er- warteten stündlich, daß Georg nun energisch ihren Gehorsam verlangen und zu Gewaltmaßregeln schreiten würde. Jn einem Schreiben an den Papst vom 7. Februar kommt ihre Angst beweglich zum Ansdruck3). Ernent heben sie hervor, wie gefährlich eine Preisgebung Breslaus für die Kirche wäre. Die Suspension des Vertrages bedentet ihnen keine Beruhigung mehr; sie wollen diese Maßnahme ergänzt wissen durch eine Erklärnng, in der der Papst die Stadt — und ihren Handel — gegen Georg ansdrücklich in Schutz nehme. Anch solle er die Friedensmittler Georgs, sowie die Reichsfürsten und die Schlesier veraulassen, den Schutz durch besondere Verwarnungen an Georg wirksam zu machen. Die Breslaner wollten die ganze Welt zu ihrem Schutze in Bewegnng gesetzt sehen. So kläglich und dringlich war der Ton ihres Schreibens, daß der Papst mit einiger Empfindlichkeit herauslas, die Breslauer hätten ihn im Verdacht der Untreue4). Die höchste Krisis der Gemüter trat in Breslau ein, als Georg unn — am 1. März — in der Tat an den Papst einen Protest gegen den Ungehorsam der Breslauer richtete. Als der Rat hiervon erfuhr, hielt er es für geboten, dem Papste eine starke Drohung zuzuschicken. Er erklärte ihm die Entschlossen- heit der Stadt, gegebenenfalls ihn und die Kirche durch ein Martyrium zu beschämen. Wenn er die Bürger jetzt im Stiche lasse, und sie Georg uicht widerstehen köunten, dann wollten sie die Stadt verbrennen und mit Weib, Kind und Habe ins Elend wandern 5). Es hätte so großer Worte uicht bedurst; eben zu dieser Zeit lehute sich auch Pius gegen die Fesseln der Vermittlung auf. Er bemerkte, daß Georg unter ihrem Schutze eifrig an dem Plan des europäischen Fürstenbundes 1) Korr. 132, S. 157. 3) Korr. 136, S. 164. 2) Korr. 130 f., S. 155 f. 4) Markgraf zu Korr. 146, S. 180. 5) Korr. 147, S. 180.
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Die Schutzbusle (März 1463). Eingreifen Bischof Josts. 111 arbeitete. Er fühlte, daß er der Betrogene sein sollte, und griff zornig nach der nächsten Waffe. Wie im vergangenen September kam seine Stimmung den Breslauern zugute. Ihr Gesuch vom 7. Februar wurde bald nach seinem Eintreffen bewilligt. Am 29. März nahm der Papst die Städte Breslau und Namslan in seinen Schutz auf. Niemand sollte Georg wider sie helfen, jeder sie vielmehr gegen ihn unterstützen. Gleichzeitig verbot er den beiden Städten, dem Könige Gehorsam zu leisten 1). — Die Bullen sollten den Beginn einer Anflösung der Herrschaft Georgs darstellen. Pius hat selbst geäußert, er habe den König, den er in der Schutzbulle einen hoffnungslosen Ketzer nannte, für „gleichsam tot“ erklären wollen2). Kardinal Cusa sagte damals dem Breslauer Prokurator, wenn der Kaiser jetzt noch für den König einzutreten wage, so werde dies uur zur Folge haben, daß es binnen kurzem einen neuen Kaiser und einen neuen König geben werde 3). Die Kurie überschätzte ihren Wagemnt bedentend. Der Vorstoß des Papstes hatte zur Folge, daß die Mächte, die sich des Königs angenommen hatten, ihre volle Kraft entfalteten. Die Bullen trafen zu Anfang Mai in Schlesien ein4). Wenige Tage darauf fehrte anch der Legat Hieronynns nach Breslan zurück; er bejahl sofort ihre Verkündigung. Er fand nur in beschränktem Umfange Gehorsam. Denn jetzt verlaugte das eigentliche geistliche Oberhaupt des Landes, der Führer der böhmisch-katholischen Vermittlung, Bischof Jost, die Einstellung der Publikation. Er setzte zugleich alle Kräfte in Bewegung, um den Erlaß unwirtsam zu machen. In persönlicher Unterredung mit Georg überzeugte er sich davon, daß den König der Angriff auf sein fürstliches Recht, den die Schntzbulle darstellte, aujs änßerste erbitterte; Georg drohte sogar mit der Berujung an ein Konzil. Jost hatte die Eigenwilligkeit seiner Bischofsstadt niemals mit freundlichen Angen angesehen; jetzt war sie der Erjüllung seiner politischen Lebensaufgabe, der Herstellung des Friedens zwischen seinem geist- lichen Oberherru und seinem nationalen Führer so störend im Wege, daß er beschloß, ihren Einfluß eudgültig auszuschalten. Er wollte dem Papste offeubar machen, daß die Katholiken des Reiches den Breslauern durchaus nicht die Würde zuerkanuten, die sie sich anmaßten. Der Bischof schrieb an Pius: die Breslauer seien uicht die einzigen oder die besten Christen der Krone; der Papst möge den Rat der andern kirchentreuen Untertanen des Reiches hören, ehe er seine weiteren Eutscheidungen treffe. Wenn inzwischen die weitere 1) Korr. 148, 149, S. 183 ff. 2) Korr. 156 B, S. 194 (An Kaiser Friedrich, 16. Mai 1463). 3) Korr. 146, S. 179. 4) Die folgenden Vorgänge sind zum Teil ausführlicher dargestellt bei Martgraf, Verhältnis usw. II, S. 234 ff.
Die Schutzbusle (März 1463). Eingreifen Bischof Josts. 111 arbeitete. Er fühlte, daß er der Betrogene sein sollte, und griff zornig nach der nächsten Waffe. Wie im vergangenen September kam seine Stimmung den Breslauern zugute. Ihr Gesuch vom 7. Februar wurde bald nach seinem Eintreffen bewilligt. Am 29. März nahm der Papst die Städte Breslau und Namslan in seinen Schutz auf. Niemand sollte Georg wider sie helfen, jeder sie vielmehr gegen ihn unterstützen. Gleichzeitig verbot er den beiden Städten, dem Könige Gehorsam zu leisten 1). — Die Bullen sollten den Beginn einer Anflösung der Herrschaft Georgs darstellen. Pius hat selbst geäußert, er habe den König, den er in der Schutzbulle einen hoffnungslosen Ketzer nannte, für „gleichsam tot“ erklären wollen2). Kardinal Cusa sagte damals dem Breslauer Prokurator, wenn der Kaiser jetzt noch für den König einzutreten wage, so werde dies uur zur Folge haben, daß es binnen kurzem einen neuen Kaiser und einen neuen König geben werde 3). Die Kurie überschätzte ihren Wagemnt bedentend. Der Vorstoß des Papstes hatte zur Folge, daß die Mächte, die sich des Königs angenommen hatten, ihre volle Kraft entfalteten. Die Bullen trafen zu Anfang Mai in Schlesien ein4). Wenige Tage darauf fehrte anch der Legat Hieronynns nach Breslan zurück; er bejahl sofort ihre Verkündigung. Er fand nur in beschränktem Umfange Gehorsam. Denn jetzt verlaugte das eigentliche geistliche Oberhaupt des Landes, der Führer der böhmisch-katholischen Vermittlung, Bischof Jost, die Einstellung der Publikation. Er setzte zugleich alle Kräfte in Bewegung, um den Erlaß unwirtsam zu machen. In persönlicher Unterredung mit Georg überzeugte er sich davon, daß den König der Angriff auf sein fürstliches Recht, den die Schntzbulle darstellte, aujs änßerste erbitterte; Georg drohte sogar mit der Berujung an ein Konzil. Jost hatte die Eigenwilligkeit seiner Bischofsstadt niemals mit freundlichen Angen angesehen; jetzt war sie der Erjüllung seiner politischen Lebensaufgabe, der Herstellung des Friedens zwischen seinem geist- lichen Oberherru und seinem nationalen Führer so störend im Wege, daß er beschloß, ihren Einfluß eudgültig auszuschalten. Er wollte dem Papste offeubar machen, daß die Katholiken des Reiches den Breslauern durchaus nicht die Würde zuerkanuten, die sie sich anmaßten. Der Bischof schrieb an Pius: die Breslauer seien uicht die einzigen oder die besten Christen der Krone; der Papst möge den Rat der andern kirchentreuen Untertanen des Reiches hören, ehe er seine weiteren Eutscheidungen treffe. Wenn inzwischen die weitere 1) Korr. 148, 149, S. 183 ff. 2) Korr. 156 B, S. 194 (An Kaiser Friedrich, 16. Mai 1463). 3) Korr. 146, S. 179. 4) Die folgenden Vorgänge sind zum Teil ausführlicher dargestellt bei Martgraf, Verhältnis usw. II, S. 234 ff.
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112 Allgemeine Fürsprache für Georg. Der Papst weicht zurick. Publikation der Bullen unterlassen werde, so dürje das uicht als Ungehorsam, sondern uur als Eifer für das beste der Sache ausgelegt werden. Er werde mit allen gleich gut Gesinnten dafür Sorge tragen, daß der Glanbe im Reiche keinen Schaden erfahre; er werde auch den König bestimmen, daß dieser Breslau nicht antaste. Dabei aber hoffe er dringlich. Pius werde die Breslauer uicht so sehr lieben, daß er die andern treuen Katholiken des Reiches darum leiden und in Gefahr des Abfalls kommen lasse 1). Die Vereinigung aller Katho- liken des Reiches zum Schutze des Friedens und des Glanbens, die der Bischos hier dem Papste ankündigte, leitete er auch alsbald in die Wege; er schlug vor, daß Abordnungen der böhmischen Herren und der Nebeuländer zusammen- treten sollten, um Beschlüsse zu fassen, die dem Reiche den Bürgerkrieg ersparen und dabei den Bestand des rechten Glaubens sichern könnten2). Um die Ver öffentlichung der päpstlichen Erlasse socht der Bischof im Juni einen harten Schriftens und Redekampf mit dem Legaten aus 3) und blieb Sieger; der Legat verstand sich dazu, seine Haltung von der Meinung der schlesischen Fürsten und der Stände von Schweidnitz-Jauer abhängig zu machen. Diese aber entschieden sich — am 29. Juni — nach dem Wunsche des Bischofs für die Einstellung der Publikation. Schon vorher konnte namens der schlesischen Fürsten Jodocus den Papst nochmals jörmlich um die vorläufige Zurückziehung der Schutzbulle ersuchen. Dieselbe Bitte sprachen etwa gleichzeitig die böhmischen Herren aus; sie erklärten sich auch gewiß, daß ihr König dem Papste den schuldigen Gehorsam erweijen werde. Um den Papst zum Rückzuge zu bewegen, waren diese Kundgebnugen bereits nicht mehr nötig: das hatte inzwischen schon Kaiser Friedrich vermocht. Mitte Juli erschien ein neuer kaiserlicher Gesandter vor Pius — und seine Bitten müssen zwingend gewesen sein; deun schon am 18. des Monats wies der Papst den Legaten an, die Prozesse zum Schutze der Stadt Breslau und des Herzogs Balthajar einzustellen. Doch sollte diese Verfügnng uur solange gelten, als Georg die Stadt und den Herzog uicht bedränge. Der päpstliche Schutz blieb den Breslauern tatsächlich erhalten; uur die Erklärung, die ihn ausgesprochen hatte, wurde aufgehoben, weil sie die kirchliche Verwerfung Georgs und die Aufforderung seiner Untertanen zur Gehorsamsverweigerung in sich geschlossen hätte. 1) Urk. Beitr. 304 A, S. 302 ff. Zur Chronologie Markgraf, Verhältnis II, 238. 2) Urk. Beitr. 304 D, S. 308. Zur Chronologie Markgraf a. a. O. 235 unten. 2) Korr. 161, S. 207 ff. Den Höhepunkt erreichte der Streit der beiden Würdenträger in dem Auftritt vom 6. Juni, dessen ebenso grobe wie gelehrte Wechselreden und peinliche Nebenumstände durch Eschenloers Erzählung (D I, 212) bekannt siud.
112 Allgemeine Fürsprache für Georg. Der Papst weicht zurick. Publikation der Bullen unterlassen werde, so dürje das uicht als Ungehorsam, sondern uur als Eifer für das beste der Sache ausgelegt werden. Er werde mit allen gleich gut Gesinnten dafür Sorge tragen, daß der Glanbe im Reiche keinen Schaden erfahre; er werde auch den König bestimmen, daß dieser Breslau nicht antaste. Dabei aber hoffe er dringlich. Pius werde die Breslauer uicht so sehr lieben, daß er die andern treuen Katholiken des Reiches darum leiden und in Gefahr des Abfalls kommen lasse 1). Die Vereinigung aller Katho- liken des Reiches zum Schutze des Friedens und des Glanbens, die der Bischos hier dem Papste ankündigte, leitete er auch alsbald in die Wege; er schlug vor, daß Abordnungen der böhmischen Herren und der Nebeuländer zusammen- treten sollten, um Beschlüsse zu fassen, die dem Reiche den Bürgerkrieg ersparen und dabei den Bestand des rechten Glaubens sichern könnten2). Um die Ver öffentlichung der päpstlichen Erlasse socht der Bischof im Juni einen harten Schriftens und Redekampf mit dem Legaten aus 3) und blieb Sieger; der Legat verstand sich dazu, seine Haltung von der Meinung der schlesischen Fürsten und der Stände von Schweidnitz-Jauer abhängig zu machen. Diese aber entschieden sich — am 29. Juni — nach dem Wunsche des Bischofs für die Einstellung der Publikation. Schon vorher konnte namens der schlesischen Fürsten Jodocus den Papst nochmals jörmlich um die vorläufige Zurückziehung der Schutzbulle ersuchen. Dieselbe Bitte sprachen etwa gleichzeitig die böhmischen Herren aus; sie erklärten sich auch gewiß, daß ihr König dem Papste den schuldigen Gehorsam erweijen werde. Um den Papst zum Rückzuge zu bewegen, waren diese Kundgebnugen bereits nicht mehr nötig: das hatte inzwischen schon Kaiser Friedrich vermocht. Mitte Juli erschien ein neuer kaiserlicher Gesandter vor Pius — und seine Bitten müssen zwingend gewesen sein; deun schon am 18. des Monats wies der Papst den Legaten an, die Prozesse zum Schutze der Stadt Breslau und des Herzogs Balthajar einzustellen. Doch sollte diese Verfügnng uur solange gelten, als Georg die Stadt und den Herzog uicht bedränge. Der päpstliche Schutz blieb den Breslauern tatsächlich erhalten; uur die Erklärung, die ihn ausgesprochen hatte, wurde aufgehoben, weil sie die kirchliche Verwerfung Georgs und die Aufforderung seiner Untertanen zur Gehorsamsverweigerung in sich geschlossen hätte. 1) Urk. Beitr. 304 A, S. 302 ff. Zur Chronologie Markgraf, Verhältnis II, 238. 2) Urk. Beitr. 304 D, S. 308. Zur Chronologie Markgraf a. a. O. 235 unten. 2) Korr. 161, S. 207 ff. Den Höhepunkt erreichte der Streit der beiden Würdenträger in dem Auftritt vom 6. Juni, dessen ebenso grobe wie gelehrte Wechselreden und peinliche Nebenumstände durch Eschenloers Erzählung (D I, 212) bekannt siud.
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Breslaus Einflußlosigkeit wird deutlich. 113 Dieses Zugeständnis in der Form war aber auch von sachlicher Bedeutung. Es besagte, daß der Papst den Entscheidungskampf gegen den König und den Utraquismus vorläufig preisgab, und daß die kurze Frist, in der die päpstliche Politik mit den Wünschen der Breslauer einig gewesen war, ihr Eude erreicht hatte. — Etwa gleichzeitig mit dem kaiserlichen Gesandten traf auch das Schreiben ein, in dem sich die Breslaner bei Pius für die Schutzbulle be- dankten1). Es war unter dem Drucke entstanden, der von der neuen Gegen- aktion des Bischofs ansging, und die Sorge, daß der eben errungene Erfolg rasch wieder verloren ginge, war selbst seiner Sprache anzumerken. Der Dank war mit knappen Worten ausgesprochen; dagegen hatte die Stadt diesmal noch mehr zu fordern und anzuraten als sonst. Apostolische Zensuren, so gaben die Bürger dem Heiligen Vater zu verstehen, seien ja gewiß recht nützlich; aber jetzt bedürfe man entschiedener Taten. Zunächst habe sich der Papst nach einem passenden Nachfolger in der Krone Böhmen umzusehen; ohne die Stütze eines Gegenkönigs würden viele Untertanen nicht wagen, von Georg abzufallen. Bis der Nachjolger gefunden sei, müsse ein legatus de latere den Katholiken zum Führer gesetzt werden; diesem sei Vollmacht für die Organisation eines Kreuz- zugs zu erteilen. Endlich aber seien alle Untertanen Georgs vom Eide zu entbinden. Höchste Eile sei nötig. „In hac re nil perniciosius mora.“ Die Breslaner sahen ganz genau, daß das dauernde Moment ihrer Schwäche, ihre vereinsamte Stellung in Schlesien, vor der Entdeckung stand. Ihre einzige Hoffnung war jetzt, daß ein rascher Besehl des Papstes die Widerstrebenden zur Buudesgenossenschaft zwingen würde. Aber der Papst erhielt einen gar zu klaren Einblick in die Lage, als daß er für einen solchen Gewaltstreich noch zu gewinnen gewesen wäre. Die Botschaften der Schlesier und Böhmen zeigten ihm, daß für die Stadt, die der Vorkämpfer der kirchentrenen Glieder der Krone sein wollte, feins dieser Glieder eintreten mochte. Weun freilich Bischof Jodocus verheißen hatte, daß die andern Katholiken des Reiches der Kirche einen besseren Dienst leisten würden als Breslau, so ging davon wenig in Erfüllung. Der geplante Delegiertentag des Gesamtreichs kam uicht zustaude. Statt seiner wurde im Juli zu Brünn eine böhmisch¬ mährische Ständeversammlung gehalten. Hier trat Georg ungebeugt auf; er beanspruchte in Reichsdingen einen Vorrang der königlichen Gewalt vor der kirchlichen und verlangte, daß Katholiken wie Utraquisten für die Kompaktaten eintreten sollten. Die Katholiken sehnten diese Forderung ab. Doch seine neue Zusichernng, er werde durch den Kaiser die Versöhnungsverhandlungen 1) Korr. 158 (23. Mai), vgl. bef. S. 203. Darstellungen und Quellen XXII.
Breslaus Einflußlosigkeit wird deutlich. 113 Dieses Zugeständnis in der Form war aber auch von sachlicher Bedeutung. Es besagte, daß der Papst den Entscheidungskampf gegen den König und den Utraquismus vorläufig preisgab, und daß die kurze Frist, in der die päpstliche Politik mit den Wünschen der Breslauer einig gewesen war, ihr Eude erreicht hatte. — Etwa gleichzeitig mit dem kaiserlichen Gesandten traf auch das Schreiben ein, in dem sich die Breslaner bei Pius für die Schutzbulle be- dankten1). Es war unter dem Drucke entstanden, der von der neuen Gegen- aktion des Bischofs ansging, und die Sorge, daß der eben errungene Erfolg rasch wieder verloren ginge, war selbst seiner Sprache anzumerken. Der Dank war mit knappen Worten ausgesprochen; dagegen hatte die Stadt diesmal noch mehr zu fordern und anzuraten als sonst. Apostolische Zensuren, so gaben die Bürger dem Heiligen Vater zu verstehen, seien ja gewiß recht nützlich; aber jetzt bedürfe man entschiedener Taten. Zunächst habe sich der Papst nach einem passenden Nachfolger in der Krone Böhmen umzusehen; ohne die Stütze eines Gegenkönigs würden viele Untertanen nicht wagen, von Georg abzufallen. Bis der Nachjolger gefunden sei, müsse ein legatus de latere den Katholiken zum Führer gesetzt werden; diesem sei Vollmacht für die Organisation eines Kreuz- zugs zu erteilen. Endlich aber seien alle Untertanen Georgs vom Eide zu entbinden. Höchste Eile sei nötig. „In hac re nil perniciosius mora.“ Die Breslaner sahen ganz genau, daß das dauernde Moment ihrer Schwäche, ihre vereinsamte Stellung in Schlesien, vor der Entdeckung stand. Ihre einzige Hoffnung war jetzt, daß ein rascher Besehl des Papstes die Widerstrebenden zur Buudesgenossenschaft zwingen würde. Aber der Papst erhielt einen gar zu klaren Einblick in die Lage, als daß er für einen solchen Gewaltstreich noch zu gewinnen gewesen wäre. Die Botschaften der Schlesier und Böhmen zeigten ihm, daß für die Stadt, die der Vorkämpfer der kirchentrenen Glieder der Krone sein wollte, feins dieser Glieder eintreten mochte. Weun freilich Bischof Jodocus verheißen hatte, daß die andern Katholiken des Reiches der Kirche einen besseren Dienst leisten würden als Breslau, so ging davon wenig in Erfüllung. Der geplante Delegiertentag des Gesamtreichs kam uicht zustaude. Statt seiner wurde im Juli zu Brünn eine böhmisch¬ mährische Ständeversammlung gehalten. Hier trat Georg ungebeugt auf; er beanspruchte in Reichsdingen einen Vorrang der königlichen Gewalt vor der kirchlichen und verlangte, daß Katholiken wie Utraquisten für die Kompaktaten eintreten sollten. Die Katholiken sehnten diese Forderung ab. Doch seine neue Zusichernng, er werde durch den Kaiser die Versöhnungsverhandlungen 1) Korr. 158 (23. Mai), vgl. bef. S. 203. Darstellungen und Quellen XXII.
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114 Ratlosigkeit des Papstes und der Stadt. Drohungen Georgs gegen Breslau. mit Rom fortsetzen lassen, geuügte, um die Versammlung zu bestimmen, daß sie den Papst abermals um die Unterbrechung der Prozesse anging1). — Das wesentlichste Hemmuis für einen Kampf gegen Georg lag darin, daß seine Untertanen bis anf Breslau zur Zeit feinen andern König begehrten; darau wurde der Papst immer wieder erinnert. Auch die Breslaner mnßten es ihm schließlich eingestehen. Als im September 1463 ein Spezialgesandier des Rates vor ihm erschien, war eine der Hauptfragen des Papstes, ob deun die Böhmen und Schlesier der Stadt beistehen würden — und jetzt sagte ihm Johann Weinrich die Wahrheit, die man der Kurie so lange verschwiegen hatte: „do sein etliche, die meinen so, aber meine herren haben in sie nicht glouben“ 2). Das Hiljsmittel, das die Breslaner vorgeschlagen hatten, die Aufstellung eines Gegenkönigs, wurde auch an der Kurie erwogen. Man dachte die Erbschaft den verschiedeusten Fürsten zu: dem König von Polen, dem Herzog Ludwig von Bayern, dem Kaiser; im folgenden Jahre hat der Erzbischof von Kreta dem Markgrajen Friedrich von Brandenburg augedentet, daß er der Erwählte werden könne3). Aber ernsthafte Ausgestaltung kounte feiner dieser Entwürfe finden. Der Angriff auj Georg mußte hinausgeschoben werden, — obwohl Georg die Zeit, die man ihm ließ, benntzen konnte, um jeiner aus- wärtigen Stellung durch nene Bündnisse und durch ein nenes großes politisches Projekt, den Plan einer Verfassungsreform im deutschen Reiche, Glanz zu geben. Für die Breslauer enthielt der Stillstand des Verjahreus feine geradezu dringliche Gejahr; sie blieben ja uuter dem Schutze des Papstes. Aber sie litten seelisch und wohl auch wirtschaftlich. Nach dem Brünner Tage sprach der Rat dem Papste die Befürchtung aus, Georg werde, währeud die Kirche zögere, seine Herrschajt über die Gläubigen und namentlich über Schlesien so ansdehnen, daß er nachher nicht zu verdrängen sei 4). Diese Voranssicht schien der König wahr machen zu wollen. Jn Böhmen, Schlesien und Lausitz brachte er bejestigte Plätze in seine Hand und setzte Utraquisten zu ihren Hanptlenten ein; er plante auch die Übertragung der Lausitzen an einen jeiner Söhne. Schon klagten die Breslauer über Unsicherheit der Handelswege. Um die Jahres¬ wende hörten sie gar davon, daß der König mit den Herzögen von Liegnitz, Oppeln und Öls in Unterhaudlungen stehe, um sich von ihnen die Breslau benachbarten Städte Lieguitz, Brieg und Auras abtreten zu lassen. Gelegentlich schien er Händel mit den Breslauern zu suchen; sein Hauptmann in Glatz preßte einem schlesischen Edelmann auj der Folter die Aussage ab, daß er 1) Korr. 178 A, Script. rer. Siles. VIII, 257. 2) Korr. 185; Script. rer. Siles. IX, 7. 3) Markgraf a. a. O. S. 245 f., 251. 4) Korr. 180, Script. rer. Siles. VIII, 259 u.
114 Ratlosigkeit des Papstes und der Stadt. Drohungen Georgs gegen Breslau. mit Rom fortsetzen lassen, geuügte, um die Versammlung zu bestimmen, daß sie den Papst abermals um die Unterbrechung der Prozesse anging1). — Das wesentlichste Hemmuis für einen Kampf gegen Georg lag darin, daß seine Untertanen bis anf Breslau zur Zeit feinen andern König begehrten; darau wurde der Papst immer wieder erinnert. Auch die Breslaner mnßten es ihm schließlich eingestehen. Als im September 1463 ein Spezialgesandier des Rates vor ihm erschien, war eine der Hauptfragen des Papstes, ob deun die Böhmen und Schlesier der Stadt beistehen würden — und jetzt sagte ihm Johann Weinrich die Wahrheit, die man der Kurie so lange verschwiegen hatte: „do sein etliche, die meinen so, aber meine herren haben in sie nicht glouben“ 2). Das Hiljsmittel, das die Breslaner vorgeschlagen hatten, die Aufstellung eines Gegenkönigs, wurde auch an der Kurie erwogen. Man dachte die Erbschaft den verschiedeusten Fürsten zu: dem König von Polen, dem Herzog Ludwig von Bayern, dem Kaiser; im folgenden Jahre hat der Erzbischof von Kreta dem Markgrajen Friedrich von Brandenburg augedentet, daß er der Erwählte werden könne3). Aber ernsthafte Ausgestaltung kounte feiner dieser Entwürfe finden. Der Angriff auj Georg mußte hinausgeschoben werden, — obwohl Georg die Zeit, die man ihm ließ, benntzen konnte, um jeiner aus- wärtigen Stellung durch nene Bündnisse und durch ein nenes großes politisches Projekt, den Plan einer Verfassungsreform im deutschen Reiche, Glanz zu geben. Für die Breslauer enthielt der Stillstand des Verjahreus feine geradezu dringliche Gejahr; sie blieben ja uuter dem Schutze des Papstes. Aber sie litten seelisch und wohl auch wirtschaftlich. Nach dem Brünner Tage sprach der Rat dem Papste die Befürchtung aus, Georg werde, währeud die Kirche zögere, seine Herrschajt über die Gläubigen und namentlich über Schlesien so ansdehnen, daß er nachher nicht zu verdrängen sei 4). Diese Voranssicht schien der König wahr machen zu wollen. Jn Böhmen, Schlesien und Lausitz brachte er bejestigte Plätze in seine Hand und setzte Utraquisten zu ihren Hanptlenten ein; er plante auch die Übertragung der Lausitzen an einen jeiner Söhne. Schon klagten die Breslauer über Unsicherheit der Handelswege. Um die Jahres¬ wende hörten sie gar davon, daß der König mit den Herzögen von Liegnitz, Oppeln und Öls in Unterhaudlungen stehe, um sich von ihnen die Breslau benachbarten Städte Lieguitz, Brieg und Auras abtreten zu lassen. Gelegentlich schien er Händel mit den Breslauern zu suchen; sein Hauptmann in Glatz preßte einem schlesischen Edelmann auj der Folter die Aussage ab, daß er 1) Korr. 178 A, Script. rer. Siles. VIII, 257. 2) Korr. 185; Script. rer. Siles. IX, 7. 3) Markgraf a. a. O. S. 245 f., 251. 4) Korr. 180, Script. rer. Siles. VIII, 259 u.
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Breslaus Ausehen sinkt. 115 Mitwisser eines geheimen Mordanschlags Breslaner Bürger gegen den König sei 1). Alles dies sollte die Breslaner einschüchtern und in ihrer Verlassenheit verzweifeln lassen2). Diese Erwartnng Georgs ging fehl. Es gelang ihm diesmal so wenig, wie früher in den Jahren 1454 und 1459, die Breslauer durch die Kriegs gefahr gefügig zu machen. Die dauernde Sorge verstärkte nur die Sehnsucht der Stadt nach seiner Beseitignng. Und diese Sehnsucht durfte hoffen. Der Angriff des Papstes war ja nur vertagt; er mußte eines Tages um des kirch¬ lichen Ansehens willen wieder aufgenommen werden. Aber die Stadt konnte jetzt uichts Wesentliches mehr zur Herbeikuujt dieses Angenblickes beitragen. Ihr Vertreter an der Kurie — seit März 1464 der Domherr Fabian Hanko — bekam es zu spüren, daß man in der Umgebung des Papstes Breslau uicht mehr als einen bedentsamen Bundesgenossen einschätzte. Eine Audienz, die ihm Pins gewährte, war von beabsichtigter Eilfertigkeit und wurde abgebrochen, ehe der Bittsteller mit seiner Rede zu Ende wars). Hanko mßte List an- wenden, um vor dem Papste ein ander Mal ansführlicher zu Worte zu kommen4). Kardinal Carvajal, dem er zugewiesen wurde, behandelte ihn fast unfreundlich. Daß das Vorgehen der Kurie gegen Georg seit dem Frühjahr 1464 wieder in Fluß kam, gab dem Ansehen der Stadt keine neue Kraft. Die Bittschrijten, die der Rat unermüdlich schickte, wurden dem Papste kaum mehr vorgelesen 5). Die Fähigkeit der Stadt, dem Kampje der Kirche gegen Podiebrad entscheidende Antriebe zu geben, war erschöpft, und auch der Höhepunkt ihres Ruhmes war überschritten. Ihr künftiges Ansehen aber hing davon ab, wie sie das Vertranen rechtjertigen würde, das die Kirche nach allem Vorhergegangenen in die Hingebung und Kraftentjaltung der Breslauer setzen mußte, wenn einmal wirtlich die triegerische Vernichtung Georgs unternommen wurde. 1) Markgraf a. a. O. 247—250. Der Legat erließ im Januar 1464 zum Schutze Breslaus ein Verbot gegen Veränderungen in Besitz von Städten und Burgen in Schlesien; er hatte mit Bischof Jodocus um die Geltung dieses Vertrages einen neuen heftigen Streit. 2) Esch. D I, 226. Diese Auffassung hegte man auch an der Kurie. Markgraf a. a. O. Vgl. Korr. 235, Script. rer. Siles. IX, 80 (Referat des advocatus ecclesiae 6. Juni 1464). 3) Korr. 233 B. Seript. rer. Siles. IX, 54 ff.; vgl. zumal die Randbemerkungen Hankos. Der Papst empfing ihn — März 1464 — kurz vor seiner Badestunde. 4) Korr. 245, S. 70. Es gelang ihm, neben die Sänfte zu treten, in der man Pius von Siena nach 5) a. a. O. S. 69 (Hanko an den Rat, Mai 1464). einem Kloster trug. 8*
Breslaus Ausehen sinkt. 115 Mitwisser eines geheimen Mordanschlags Breslaner Bürger gegen den König sei 1). Alles dies sollte die Breslaner einschüchtern und in ihrer Verlassenheit verzweifeln lassen2). Diese Erwartnng Georgs ging fehl. Es gelang ihm diesmal so wenig, wie früher in den Jahren 1454 und 1459, die Breslauer durch die Kriegs gefahr gefügig zu machen. Die dauernde Sorge verstärkte nur die Sehnsucht der Stadt nach seiner Beseitignng. Und diese Sehnsucht durfte hoffen. Der Angriff des Papstes war ja nur vertagt; er mußte eines Tages um des kirch¬ lichen Ansehens willen wieder aufgenommen werden. Aber die Stadt konnte jetzt uichts Wesentliches mehr zur Herbeikuujt dieses Angenblickes beitragen. Ihr Vertreter an der Kurie — seit März 1464 der Domherr Fabian Hanko — bekam es zu spüren, daß man in der Umgebung des Papstes Breslau uicht mehr als einen bedentsamen Bundesgenossen einschätzte. Eine Audienz, die ihm Pins gewährte, war von beabsichtigter Eilfertigkeit und wurde abgebrochen, ehe der Bittsteller mit seiner Rede zu Ende wars). Hanko mßte List an- wenden, um vor dem Papste ein ander Mal ansführlicher zu Worte zu kommen4). Kardinal Carvajal, dem er zugewiesen wurde, behandelte ihn fast unfreundlich. Daß das Vorgehen der Kurie gegen Georg seit dem Frühjahr 1464 wieder in Fluß kam, gab dem Ansehen der Stadt keine neue Kraft. Die Bittschrijten, die der Rat unermüdlich schickte, wurden dem Papste kaum mehr vorgelesen 5). Die Fähigkeit der Stadt, dem Kampje der Kirche gegen Podiebrad entscheidende Antriebe zu geben, war erschöpft, und auch der Höhepunkt ihres Ruhmes war überschritten. Ihr künftiges Ansehen aber hing davon ab, wie sie das Vertranen rechtjertigen würde, das die Kirche nach allem Vorhergegangenen in die Hingebung und Kraftentjaltung der Breslauer setzen mußte, wenn einmal wirtlich die triegerische Vernichtung Georgs unternommen wurde. 1) Markgraf a. a. O. 247—250. Der Legat erließ im Januar 1464 zum Schutze Breslaus ein Verbot gegen Veränderungen in Besitz von Städten und Burgen in Schlesien; er hatte mit Bischof Jodocus um die Geltung dieses Vertrages einen neuen heftigen Streit. 2) Esch. D I, 226. Diese Auffassung hegte man auch an der Kurie. Markgraf a. a. O. Vgl. Korr. 235, Script. rer. Siles. IX, 80 (Referat des advocatus ecclesiae 6. Juni 1464). 3) Korr. 233 B. Seript. rer. Siles. IX, 54 ff.; vgl. zumal die Randbemerkungen Hankos. Der Papst empfing ihn — März 1464 — kurz vor seiner Badestunde. 4) Korr. 245, S. 70. Es gelang ihm, neben die Sänfte zu treten, in der man Pius von Siena nach 5) a. a. O. S. 69 (Hanko an den Rat, Mai 1464). einem Kloster trug. 8*
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116 Paul II. 5. Kapitel. Der Entscheidungskampf (1466—1471). I. Vorbereitungen. — Der Vermittlungsversuch des Protas von Olmütz. Wie die Ereignisse sich gestalteten, die den entscheidenden Kampf um Georgs Herrschaft heraufführten, das haben wir im folgenden uur in den allgemeinsten Umrissen in Erinnerung zu bringen 1). Trotz der vielen Helfer, die sich ihm für die Aussöhnung mit Rom an- boten und trotz der langen Frist, die sie ihm answirkten, hat Georg keinen wirklich fruchtbaren Gedanken zu erkennen gegeben, der einer Lösung des für sein Königtum verderblichen Koufliktes hätte zur Grundlage dienen können. Er kannte nur den dürftigen Behelf, auf ieder Verständigungskonferenz eine nene Konferenz zu fordern; er erwartete alles von der Zeit. Diese Hinter hältigkeit legte seine Fürsprecher lahm und befreite den Papst. Im Juni 1464 wenige Tage, ehe er Rom verließ, um auf die Krenzfahrt gegen die Türken zu ziehen, gab Pius im öffentlichen Konsistorinm kund, daß er Georg vor den päpstlichen Stuhl zur Verantwortnng wegen seiner Irrtümer und Bosheiten lade, und ernannte die Kardinäle, die den Prozeß in seiner Abwesenheit führen sollten. Nur durch den Tod des Papstes gewann Georg jetzt eine neue Frist: Pius starb im August, ehe die Zitationsbulle, deren Wortlant bereits feststand, ansgehen konnte. Sein Nachfolger, Paul II., war von vornherein zur Strenge entschlossen. Indessen mußte er zunächst wenigstens seinen guten Willen zum Frieden bezeugen und ließ einige Monate über ergebuislosen Verhaudlungen verstreichen. Erst im Sommer 1465 wurde der Prozeß gegen Georg ein- geleitet; am 2. August erging die neue Vorladung, nach der er sich als „Ketzer und rückfälliger Ketzer, Eidbrecher, Schänder des Heiligen, Lästerer und Böse wicht“ binnen 180 Tagen vor dem Heiligen Stuhle verantworten sollte. Damit war ansgesprochen, daß die Kurie vor ihrem änßersten Mittel, der Absetzung des Empörers, uicht zurückschrecken wollte. Schon vorher hatte der Papst den Untertanen Georgs erklärt, daß dieser ihren Gehorsam uicht mehr verdiene2). Diesem Angriff der Kurie auf die Machtstellung Georgs in seinem Reiche kam eben damals eine Partei eutgegen, die früher ihr anßerordentliches Jnteresse an einer Verständigung bekundet hatte: der katholische Herrenadel Böhmeus. 1) Außer auf Bachmann II, 568 ff. ist namentlich auf Markgraf: Die Bildung der katholischen Liga gegen Georg von Podiebrad, Hist. Zeitschr. 38 (1877) zu verweisen. 2) Urk. Beitr. 330, iusbesondere S. 335 oben (Brief Pauls an die böhmischen Stände in der Sache Hinkos von Vöttau. 13. Mai 1465). — Esch. L 108 f. (An dieselben in der Breslauer An- gelegenheit Juli 1465.)
116 Paul II. 5. Kapitel. Der Entscheidungskampf (1466—1471). I. Vorbereitungen. — Der Vermittlungsversuch des Protas von Olmütz. Wie die Ereignisse sich gestalteten, die den entscheidenden Kampf um Georgs Herrschaft heraufführten, das haben wir im folgenden uur in den allgemeinsten Umrissen in Erinnerung zu bringen 1). Trotz der vielen Helfer, die sich ihm für die Aussöhnung mit Rom an- boten und trotz der langen Frist, die sie ihm answirkten, hat Georg keinen wirklich fruchtbaren Gedanken zu erkennen gegeben, der einer Lösung des für sein Königtum verderblichen Koufliktes hätte zur Grundlage dienen können. Er kannte nur den dürftigen Behelf, auf ieder Verständigungskonferenz eine nene Konferenz zu fordern; er erwartete alles von der Zeit. Diese Hinter hältigkeit legte seine Fürsprecher lahm und befreite den Papst. Im Juni 1464 wenige Tage, ehe er Rom verließ, um auf die Krenzfahrt gegen die Türken zu ziehen, gab Pius im öffentlichen Konsistorinm kund, daß er Georg vor den päpstlichen Stuhl zur Verantwortnng wegen seiner Irrtümer und Bosheiten lade, und ernannte die Kardinäle, die den Prozeß in seiner Abwesenheit führen sollten. Nur durch den Tod des Papstes gewann Georg jetzt eine neue Frist: Pius starb im August, ehe die Zitationsbulle, deren Wortlant bereits feststand, ansgehen konnte. Sein Nachfolger, Paul II., war von vornherein zur Strenge entschlossen. Indessen mußte er zunächst wenigstens seinen guten Willen zum Frieden bezeugen und ließ einige Monate über ergebuislosen Verhaudlungen verstreichen. Erst im Sommer 1465 wurde der Prozeß gegen Georg ein- geleitet; am 2. August erging die neue Vorladung, nach der er sich als „Ketzer und rückfälliger Ketzer, Eidbrecher, Schänder des Heiligen, Lästerer und Böse wicht“ binnen 180 Tagen vor dem Heiligen Stuhle verantworten sollte. Damit war ansgesprochen, daß die Kurie vor ihrem änßersten Mittel, der Absetzung des Empörers, uicht zurückschrecken wollte. Schon vorher hatte der Papst den Untertanen Georgs erklärt, daß dieser ihren Gehorsam uicht mehr verdiene2). Diesem Angriff der Kurie auf die Machtstellung Georgs in seinem Reiche kam eben damals eine Partei eutgegen, die früher ihr anßerordentliches Jnteresse an einer Verständigung bekundet hatte: der katholische Herrenadel Böhmeus. 1) Außer auf Bachmann II, 568 ff. ist namentlich auf Markgraf: Die Bildung der katholischen Liga gegen Georg von Podiebrad, Hist. Zeitschr. 38 (1877) zu verweisen. 2) Urk. Beitr. 330, iusbesondere S. 335 oben (Brief Pauls an die böhmischen Stände in der Sache Hinkos von Vöttau. 13. Mai 1465). — Esch. L 108 f. (An dieselben in der Breslauer An- gelegenheit Juli 1465.)
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Abfall des böhmischen Herrenadels. 117 Seine Beschwerden waren teils religiöser, teils ständischer Natur. Georg hatte im Kampfe mit der Kurie seine Solidarität mit dem Kelchnertum so entschieden anssprechen müssen, daß er dessen Führer an der Verunglimpjung der römischen Kirche uicht mehr zu hindern vermochte; der utraquistische Fana- tismus bedrohte und verletzte die katholischen Magnaten, obwohl sie von Haus aus uicht gerade uach der Vernichtung des Kelchnertums drängten 1). Georg hatte andererseits keinen Einfluß der Adelsherren auf seine Politik aufkommen lassen, seine Ratgeber aus anderen Kreisen gesucht, das adlige Standesgericht herab- gedrückt und namentlich auch in seinen Stenerforderungen und in der Ver- waltung der Kroneinkünfte die Erwartungen des Adels auf Entlastung und Bereicherung start enttäuscht. Zu alledem kam die Befürchtung, Georg, den die Gnust des Volkes erhoben hatte, wolle nun selbst eine Dynastie begründen und einen seiner Söhne noch bei seinen Lebzeiten zu seinem Nachfolger er- wählen lassen. Im Anfang des Jahres 1465 schlossen sich die Unzufriedenen zusammen; bald danach traten sie offen mit ihren Forderungen hervor. Beide Mächte, der Papst wie die böhmischen Herren, griffen auch die Sache Breslaus anf. Ein nener Legat, Bischof Rudolf von Lavant, den Paul II. zu seiner Vertretung in der böhmischen Frage zunächst an den kaiser- lichen Hof geschickt hatte, erhielt im Februar 1465 den besonderen Auftrag, sich der Stadt anzunehmen2). Um dieselbe Zeit unternahm Georg einen neuen Einschüchterungsversuch gegen Breslan. Er führte auf einem Landtage zu Prag laute Klage über die Bürgerschaft; sie allein sei schuldig an der Unversöhnlichkeit der Kirche; er beratschlagte mit den Anwesenden über die Möglichkeit, Breslau zur Untertänigkeit zu zwingen 3). Offenbar wollte Georg dem Papste zeigen, daß die große Mehrzahl seiner Untertanen sich mit ihm in seiner Meinnng über die Rebellen einig wußte, und in der Tat fand er dem Anscheine nach bei den Ständen allseitige Zustimmung. Aber die Un- zufriedenen unter den katholischen Herren wurden ihm durch diese Kundgebung noch mehr entfremdet; sie wünschten nicht, zum Kampfe gegen eine papsttreue Stadt gezwungen zu werden. Der Papst aber erteilte seinerseits, als die Breslauer ihm von der neuen Drohung Georgs Keuntuis gaben, dem Legaten die Weisung, nunmehr von seinen schärfsten Vollmachten Gebrauch zu machen 4); der Legat erklärte demgemäß den Untertanen Georgs, daß die Stadt un- antastbar und nur als Untertan des Papstes zu betrachten sei 5). 1) Markgraf, Die Bildung usw. a. a. O. S. 76. 2) Korr. 272, Script. rer. Siles. IX, 108. 3) Esch. L 104, Bachmann II, 574. 4) Korr. 286, Script. rer. Siles. IX, 122 (3. Mai 1465). 5) Urk. Beitr. 331, S. 357 (An die Lausitzer, 1. Juni 1465).
Abfall des böhmischen Herrenadels. 117 Seine Beschwerden waren teils religiöser, teils ständischer Natur. Georg hatte im Kampfe mit der Kurie seine Solidarität mit dem Kelchnertum so entschieden anssprechen müssen, daß er dessen Führer an der Verunglimpjung der römischen Kirche uicht mehr zu hindern vermochte; der utraquistische Fana- tismus bedrohte und verletzte die katholischen Magnaten, obwohl sie von Haus aus uicht gerade uach der Vernichtung des Kelchnertums drängten 1). Georg hatte andererseits keinen Einfluß der Adelsherren auf seine Politik aufkommen lassen, seine Ratgeber aus anderen Kreisen gesucht, das adlige Standesgericht herab- gedrückt und namentlich auch in seinen Stenerforderungen und in der Ver- waltung der Kroneinkünfte die Erwartungen des Adels auf Entlastung und Bereicherung start enttäuscht. Zu alledem kam die Befürchtung, Georg, den die Gnust des Volkes erhoben hatte, wolle nun selbst eine Dynastie begründen und einen seiner Söhne noch bei seinen Lebzeiten zu seinem Nachfolger er- wählen lassen. Im Anfang des Jahres 1465 schlossen sich die Unzufriedenen zusammen; bald danach traten sie offen mit ihren Forderungen hervor. Beide Mächte, der Papst wie die böhmischen Herren, griffen auch die Sache Breslaus anf. Ein nener Legat, Bischof Rudolf von Lavant, den Paul II. zu seiner Vertretung in der böhmischen Frage zunächst an den kaiser- lichen Hof geschickt hatte, erhielt im Februar 1465 den besonderen Auftrag, sich der Stadt anzunehmen2). Um dieselbe Zeit unternahm Georg einen neuen Einschüchterungsversuch gegen Breslan. Er führte auf einem Landtage zu Prag laute Klage über die Bürgerschaft; sie allein sei schuldig an der Unversöhnlichkeit der Kirche; er beratschlagte mit den Anwesenden über die Möglichkeit, Breslau zur Untertänigkeit zu zwingen 3). Offenbar wollte Georg dem Papste zeigen, daß die große Mehrzahl seiner Untertanen sich mit ihm in seiner Meinnng über die Rebellen einig wußte, und in der Tat fand er dem Anscheine nach bei den Ständen allseitige Zustimmung. Aber die Un- zufriedenen unter den katholischen Herren wurden ihm durch diese Kundgebung noch mehr entfremdet; sie wünschten nicht, zum Kampfe gegen eine papsttreue Stadt gezwungen zu werden. Der Papst aber erteilte seinerseits, als die Breslauer ihm von der neuen Drohung Georgs Keuntuis gaben, dem Legaten die Weisung, nunmehr von seinen schärfsten Vollmachten Gebrauch zu machen 4); der Legat erklärte demgemäß den Untertanen Georgs, daß die Stadt un- antastbar und nur als Untertan des Papstes zu betrachten sei 5). 1) Markgraf, Die Bildung usw. a. a. O. S. 76. 2) Korr. 272, Script. rer. Siles. IX, 108. 3) Esch. L 104, Bachmann II, 574. 4) Korr. 286, Script. rer. Siles. IX, 122 (3. Mai 1465). 5) Urk. Beitr. 331, S. 357 (An die Lausitzer, 1. Juni 1465).
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118 Der Herrenbund. Verschleppung des Angriffs. Noch ein weiterer wichtiger Bundesgenosse für die Sache des Papstes und der Breslauer wurde jetzt gewonnen: Bischof Jost. Ihm war unumehr, da Georg mit Krieg drohte und der katholische Adel Böhmens sich erhob, sein Platz an der Seite der Stadt und jeiner Standesgenossen angewiesen. Sein nächstes Bemühen war uaturgemäß, die Vermittlung fortzusetzen und den König zur Nachgiebigkeit gegen die Kirche und die Beschwerde des Adels zu veranlassen. Der Versuch mißlang; der König wies die Beschwerden schroff zurück. Es kam darauf — November 1465 — zur Bildung eines förmlichen Adelsbundes gegen den König1). Jost mußte ihm beitreten. Alsbald suchte er auch eine engere Verbindung zwischen Breslan und der Liga zustande zu bringen. So brachte das Jahr 1465 die Breslaner der Erfüllnng ihrer Wünsche beträchtlich näher. Die Kirche und der böhmische Adel standen ihr zur Seite, gerüstet zur gewalsamen Verdrängung ihres Feindes. Der große Krieg gegen Georg hat trotzdem noch über ein Jahr anf sich warten lassen. Die Kurie zögerte mit der endgültigen Verdammung Georgs, da sie feinen mächtigen Fürsten fand, der den Kampj in die Hand genommen hätte. Der Kaiser, ehedem sein vornehmster Beschützer, hieft sich freilich jetzt zurück, und Georg entfremdete sich ihn bald völlig, indem er seinen Feind und Verächter, Gregor Heimburg, in Dieust nahm. Aber an einer positiven Hilfe, die sich unbedingt in ihren Dienst stellte, fehlte es der Kirche noch immer. Die böhmischen Herren drängten nicht zum Kriege; sie hielten sich fürs erste immer noch den Weg zu einer Verständignng mit Georg frei2). An diese ungeklärte Lage konnte ein nener Vermittlungsversuch ankuüpjen. Wir haben seiner zu gedenken, weil er noch einmal für die Stadt Breslan die Gelegenheit bot, die Politik des Vertrages von 1460 zu ernenern und ihre sachlichen politischen Interessen gegen Georg wahrzunehmen, ohne sich in den Vernichtungskampf gegen ihn zu verbohren. Die Aktion nahm ihren Ansgang von Bischof Jost und von dem zweiten Bischof des Reiches: Protas von Olmütz. Die beiden Bischöfe dachten sehr mißtrauisch über die Anssichten der ver- einigten katholischen Gegner Georgs in einem Kriege. Sie waren jedoch anch überzeugt davon, daß der König gerade jetzt ein Bedürfuis nach Frieden empfinden müsse; so wenig auch die Mittel der Kirche gegenwärtig ansreichten, um ihn zu verdrängen, so mußzte ihu die Erwartung, daß er vor ihren Nach¬- stellungen nunmehr zeitlebens feine Ruhe finden würde, doch bedrücken. Die Bischöfe hofften demgemäß, ihn zu politischen Zugeständuissen gegen seine Widersacher im Reiche geneigt zu finden. Sie glaubten andererseits, daß sich 1) Vgl. den erwähnten Auffatz von Markgraf und Bachmann II, 579 ff. 2) Bach- mann II, 584—589; Markgraf S. 76 ff. (auch zum folgenden).
118 Der Herrenbund. Verschleppung des Angriffs. Noch ein weiterer wichtiger Bundesgenosse für die Sache des Papstes und der Breslauer wurde jetzt gewonnen: Bischof Jost. Ihm war unumehr, da Georg mit Krieg drohte und der katholische Adel Böhmens sich erhob, sein Platz an der Seite der Stadt und jeiner Standesgenossen angewiesen. Sein nächstes Bemühen war uaturgemäß, die Vermittlung fortzusetzen und den König zur Nachgiebigkeit gegen die Kirche und die Beschwerde des Adels zu veranlassen. Der Versuch mißlang; der König wies die Beschwerden schroff zurück. Es kam darauf — November 1465 — zur Bildung eines förmlichen Adelsbundes gegen den König1). Jost mußte ihm beitreten. Alsbald suchte er auch eine engere Verbindung zwischen Breslan und der Liga zustande zu bringen. So brachte das Jahr 1465 die Breslaner der Erfüllnng ihrer Wünsche beträchtlich näher. Die Kirche und der böhmische Adel standen ihr zur Seite, gerüstet zur gewalsamen Verdrängung ihres Feindes. Der große Krieg gegen Georg hat trotzdem noch über ein Jahr anf sich warten lassen. Die Kurie zögerte mit der endgültigen Verdammung Georgs, da sie feinen mächtigen Fürsten fand, der den Kampj in die Hand genommen hätte. Der Kaiser, ehedem sein vornehmster Beschützer, hieft sich freilich jetzt zurück, und Georg entfremdete sich ihn bald völlig, indem er seinen Feind und Verächter, Gregor Heimburg, in Dieust nahm. Aber an einer positiven Hilfe, die sich unbedingt in ihren Dienst stellte, fehlte es der Kirche noch immer. Die böhmischen Herren drängten nicht zum Kriege; sie hielten sich fürs erste immer noch den Weg zu einer Verständignng mit Georg frei2). An diese ungeklärte Lage konnte ein nener Vermittlungsversuch ankuüpjen. Wir haben seiner zu gedenken, weil er noch einmal für die Stadt Breslan die Gelegenheit bot, die Politik des Vertrages von 1460 zu ernenern und ihre sachlichen politischen Interessen gegen Georg wahrzunehmen, ohne sich in den Vernichtungskampf gegen ihn zu verbohren. Die Aktion nahm ihren Ansgang von Bischof Jost und von dem zweiten Bischof des Reiches: Protas von Olmütz. Die beiden Bischöfe dachten sehr mißtrauisch über die Anssichten der ver- einigten katholischen Gegner Georgs in einem Kriege. Sie waren jedoch anch überzeugt davon, daß der König gerade jetzt ein Bedürfuis nach Frieden empfinden müsse; so wenig auch die Mittel der Kirche gegenwärtig ansreichten, um ihn zu verdrängen, so mußzte ihu die Erwartung, daß er vor ihren Nach¬- stellungen nunmehr zeitlebens feine Ruhe finden würde, doch bedrücken. Die Bischöfe hofften demgemäß, ihn zu politischen Zugeständuissen gegen seine Widersacher im Reiche geneigt zu finden. Sie glaubten andererseits, daß sich 1) Vgl. den erwähnten Auffatz von Markgraf und Bachmann II, 579 ff. 2) Bach- mann II, 584—589; Markgraf S. 76 ff. (auch zum folgenden).
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Der Vermittlungsvorschlag des Vischofs Protes. 119 die Kirche vorlänfig mit einer Einschränkung seiner Macht zufrieden geben müsse. Es war allerdings fraglich, ob der Papst zur gleichen Überzengung zu bringen sein würde. Um ihn nachgiebig zu stimmen, war es vor allem nötig, die Klagen der Stadt Breslan zum Schweigen zu bringen. Die beiden Bischöfe ließen es sich darum besonders angelegen sein, die Breslauer jür ihre Ausgleichspläne zu gewinnen. Gleichzeitig suchten sie auf den Legaten zu wirken, der im Winter 1465/66 in Breslau seinen Sitz hielt, und von hier aus eine allgemeine katholische Bewegnng der Kronländer und Kronvasallen gegen Georg zu organisieren suchte. Jost legte am Weihnachtstage 1465 ihm sowie Vertretern des Domfapitels nud des Rates seine Auffassung der Lage dar; Protas erschien etwa zwei Monate später und hatte mit den Stadthäuptern eine gesonderte Unterredung. Wir sind uur über die Vorschläge des Protas genauer unterrichtet!1) Er wollte den böhmischen Adel und die Breslauer gütlich mit Georg einigen und diesem demgemäß geringere Zugeständuisse zumuten; er stand auch schon mit dem Könige in Verbindung. Den Breslauern sicherte er eine unabhängige Stellung zu. Er wollte ihnen zweierlei bei Georg aus wirken. Sie sollten ihm auf acht Jahre, oder sogar, so lange er lebte, uicht zu huldigen branchen, dabei aber überall in Böhmen sicher sein und ihren Handel frei treiben „als der Krone Untertanen“. Scheinbar brachte Protas also eine Ernenerung des Vertrages von 1460 in Vorschlag. Doch sollte, anstatt daß abermals eine furze Frist für die Huldigung ansbeduugen wurde, den Breslanern die Anerkennung Georgs überhaupt erspart bleiben. Diese letztere Bestimmung war gewiß nicht bloß als ein äußerliches Zugeständuis des Königs gedacht; vielmehr sollte offenbar zwischen Georg und Breslau überhaupt nicht mehr das eigentliche Verhältuis zwischen Herrscher und 1) Der Bischof von Breslau entwickelte, wenn Eschenloer (D I, 296) recht berichtet, ein weit ausschanendes Projekt, dessen Rechnung kaum zwingend war: er hoffte, Georg die Verständigung abzutrotzen. Die christlichen Untertanen der Krone sollten ein Bündnis eingehen; das würde Georg erschrecken; er würde mit den Verbündeten auf einen Schiedsrichter kompromittieren; dieser, vielleicht der Kaiser, sollte ihm dann anfersegen, daß er alle Aufständischen für die Zeit seiner Regierung von der Gehorsamspflicht gegen sich entbinden müsse. Dieser Vorschlag hatte also nichts Geringeres als eine zeitweilige Auflösung des böhmischen Reiches zum Ziele. — Die Angaben über die Verhaudlungen des Protas mit dem Rate beruhen auf Esch. L 111, D 1, 304—308. Der ausführliche Bericht des deutschen Textes ist, wie Markgraf mit Recht betont, chronologisch falsch eingeordnet (zum 2. März, statt zu Mitte Februar) und rednerisch ausgeschmückt. Eschensoer bemerkt selbst, daß er die große Rede des Protas frei rekonstruiert („eine schöne Rede, in Sinne also“, S. 304). Ob sich Protas wirklich auf die Toleranz- rede der Legaten berief, muß dahingestellt bleiben. Der sachliche Inhalt der Verhandlungen, den der Text im folgenden herausstellt, wird jedoch von diesen Bedenken nicht berührt, da D hier uur das ausführlicher wiedergibt, was sich nach den Tagebuchaufzeichnungen von L ohnehin erraten läßt.
Der Vermittlungsvorschlag des Vischofs Protes. 119 die Kirche vorlänfig mit einer Einschränkung seiner Macht zufrieden geben müsse. Es war allerdings fraglich, ob der Papst zur gleichen Überzengung zu bringen sein würde. Um ihn nachgiebig zu stimmen, war es vor allem nötig, die Klagen der Stadt Breslan zum Schweigen zu bringen. Die beiden Bischöfe ließen es sich darum besonders angelegen sein, die Breslauer jür ihre Ausgleichspläne zu gewinnen. Gleichzeitig suchten sie auf den Legaten zu wirken, der im Winter 1465/66 in Breslau seinen Sitz hielt, und von hier aus eine allgemeine katholische Bewegnng der Kronländer und Kronvasallen gegen Georg zu organisieren suchte. Jost legte am Weihnachtstage 1465 ihm sowie Vertretern des Domfapitels nud des Rates seine Auffassung der Lage dar; Protas erschien etwa zwei Monate später und hatte mit den Stadthäuptern eine gesonderte Unterredung. Wir sind uur über die Vorschläge des Protas genauer unterrichtet!1) Er wollte den böhmischen Adel und die Breslauer gütlich mit Georg einigen und diesem demgemäß geringere Zugeständuisse zumuten; er stand auch schon mit dem Könige in Verbindung. Den Breslauern sicherte er eine unabhängige Stellung zu. Er wollte ihnen zweierlei bei Georg aus wirken. Sie sollten ihm auf acht Jahre, oder sogar, so lange er lebte, uicht zu huldigen branchen, dabei aber überall in Böhmen sicher sein und ihren Handel frei treiben „als der Krone Untertanen“. Scheinbar brachte Protas also eine Ernenerung des Vertrages von 1460 in Vorschlag. Doch sollte, anstatt daß abermals eine furze Frist für die Huldigung ansbeduugen wurde, den Breslanern die Anerkennung Georgs überhaupt erspart bleiben. Diese letztere Bestimmung war gewiß nicht bloß als ein äußerliches Zugeständuis des Königs gedacht; vielmehr sollte offenbar zwischen Georg und Breslau überhaupt nicht mehr das eigentliche Verhältuis zwischen Herrscher und 1) Der Bischof von Breslau entwickelte, wenn Eschenloer (D I, 296) recht berichtet, ein weit ausschanendes Projekt, dessen Rechnung kaum zwingend war: er hoffte, Georg die Verständigung abzutrotzen. Die christlichen Untertanen der Krone sollten ein Bündnis eingehen; das würde Georg erschrecken; er würde mit den Verbündeten auf einen Schiedsrichter kompromittieren; dieser, vielleicht der Kaiser, sollte ihm dann anfersegen, daß er alle Aufständischen für die Zeit seiner Regierung von der Gehorsamspflicht gegen sich entbinden müsse. Dieser Vorschlag hatte also nichts Geringeres als eine zeitweilige Auflösung des böhmischen Reiches zum Ziele. — Die Angaben über die Verhaudlungen des Protas mit dem Rate beruhen auf Esch. L 111, D 1, 304—308. Der ausführliche Bericht des deutschen Textes ist, wie Markgraf mit Recht betont, chronologisch falsch eingeordnet (zum 2. März, statt zu Mitte Februar) und rednerisch ausgeschmückt. Eschensoer bemerkt selbst, daß er die große Rede des Protas frei rekonstruiert („eine schöne Rede, in Sinne also“, S. 304). Ob sich Protas wirklich auf die Toleranz- rede der Legaten berief, muß dahingestellt bleiben. Der sachliche Inhalt der Verhandlungen, den der Text im folgenden herausstellt, wird jedoch von diesen Bedenken nicht berührt, da D hier uur das ausführlicher wiedergibt, was sich nach den Tagebuchaufzeichnungen von L ohnehin erraten läßt.
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120 Zwiespältige Empfindungen des Rates. Untertanen in Kraft treten. Breslau sollte zur Krone Böhmen gehören und seine wirtschaftlichen Privilegien behalten; aber die herzogliche Gewalt der Krone im Fürstentum Breslan sollte für die Regiernngszeit Georgs still liegen. Dem Könige wäre durch die Annahme dieses Friedens zugemutet worden, den Zustand, den die Suspensionsbusle vom 24. September 1462 geschaffen hatte, als dauernd anzuerkennen. Als weltliche Schutzmacht sollte der König von Polen diesen Frieden garantieren. Als Gegenleistung wurde von den Breslauern verlangt, daß sie Georg ließen „einen Teujel sein, wollte er nicht ein Christ sein“, — d. h. daß sie aufhörten, gegen ihn den Papst anzurufen und seine Verdammung durch den heiligen Stuhl zu verlangen. Sie sollten vielmehr selbst den Papst bitten, gegenüber Georg Geduld zu bezeugen und das strenge Vorgehen gegen ihn zu vertagen. Die Breslaner wurden also anfgefordert, dem Papst ihren Beistand im Kampfe gegen die Kompaktaten zu entziehen, zum Danke dafür, daß sie ihrer Angst vor Georg ledig wurden. Die Breslauer Stadthäupter wurden durch Protas in einen argen Wider- streit der Gedanken geführt. Man bot ihnen abermals und mit besseren Ge- währleistungen als einst vor sechs Jahren die Gelegenheit, das politische Interesse, das im Hintergrunde ihrer ganzen Hetzpolitik stand, ausgiebig wahrzunehmen, ohne sich die Kosten eines schweren Krieges anfladen zu müssen. Dafür sollten sie freilich die hohe religiöse Prätention preisgeben, die sie in ihrer Werbung um den kirchlichen Beistand hochgehalten hatten, und der sie ihren Ruhm verdankten; sie konnten vom Augenblicke an, wo sie sich mit Georg vertrugen, nicht mehr als die unentwegten Verfechter der katholischen Sache, die treuesten und opfermutigsten Söhne der Kirche gelten. So offen sie auch ihre Angst vor Podiebrad gezeigt hatten, ihr Recht zum Widerstande hatten sie doch wenigstens in den letzten Jahren aus der Glaubenspflicht geschöpft: nur darum, weil sie sich für die Kirche einsetzen wollten, hatten sie den päpst- lichen Beistand in Anspruch nehmen dürfen. Sie sollten sich jetzt vor aller Welt zu dem Standpunkte bekehren, den ihnen vormals der Erzbischof von Kreta in seiner Toleranzrede aufdrängen wollte; sie sollten bekennen, daß man mit den Ketzern Frieden halten dürfe, nachdem sie durch ihren Friedensbruch das Recht der gegenteiligen Meinung lant verkündet hatten. Jn diesem Ge sinnungswechsel lag etwas Beschämendes: indessen die politische Lage empfahl ihu dringlich genug. Der Mißerfolg der päpstlichen Politik war deutlich. Außer der Stadt Breslau und den böhmischen Herren erhob sich noch immer kein Katholik im Reiche gegen den König. Am 19. November 1465 hatte der Legat die katholischen Untertanen Georgs von ihren Pflichten gegen ihn ent bunden, ja, ihnen die Unterlassung ihrer Pflichtleistungen heilig anbejohlen.
120 Zwiespältige Empfindungen des Rates. Untertanen in Kraft treten. Breslau sollte zur Krone Böhmen gehören und seine wirtschaftlichen Privilegien behalten; aber die herzogliche Gewalt der Krone im Fürstentum Breslan sollte für die Regiernngszeit Georgs still liegen. Dem Könige wäre durch die Annahme dieses Friedens zugemutet worden, den Zustand, den die Suspensionsbusle vom 24. September 1462 geschaffen hatte, als dauernd anzuerkennen. Als weltliche Schutzmacht sollte der König von Polen diesen Frieden garantieren. Als Gegenleistung wurde von den Breslauern verlangt, daß sie Georg ließen „einen Teujel sein, wollte er nicht ein Christ sein“, — d. h. daß sie aufhörten, gegen ihn den Papst anzurufen und seine Verdammung durch den heiligen Stuhl zu verlangen. Sie sollten vielmehr selbst den Papst bitten, gegenüber Georg Geduld zu bezeugen und das strenge Vorgehen gegen ihn zu vertagen. Die Breslaner wurden also anfgefordert, dem Papst ihren Beistand im Kampfe gegen die Kompaktaten zu entziehen, zum Danke dafür, daß sie ihrer Angst vor Georg ledig wurden. Die Breslauer Stadthäupter wurden durch Protas in einen argen Wider- streit der Gedanken geführt. Man bot ihnen abermals und mit besseren Ge- währleistungen als einst vor sechs Jahren die Gelegenheit, das politische Interesse, das im Hintergrunde ihrer ganzen Hetzpolitik stand, ausgiebig wahrzunehmen, ohne sich die Kosten eines schweren Krieges anfladen zu müssen. Dafür sollten sie freilich die hohe religiöse Prätention preisgeben, die sie in ihrer Werbung um den kirchlichen Beistand hochgehalten hatten, und der sie ihren Ruhm verdankten; sie konnten vom Augenblicke an, wo sie sich mit Georg vertrugen, nicht mehr als die unentwegten Verfechter der katholischen Sache, die treuesten und opfermutigsten Söhne der Kirche gelten. So offen sie auch ihre Angst vor Podiebrad gezeigt hatten, ihr Recht zum Widerstande hatten sie doch wenigstens in den letzten Jahren aus der Glaubenspflicht geschöpft: nur darum, weil sie sich für die Kirche einsetzen wollten, hatten sie den päpst- lichen Beistand in Anspruch nehmen dürfen. Sie sollten sich jetzt vor aller Welt zu dem Standpunkte bekehren, den ihnen vormals der Erzbischof von Kreta in seiner Toleranzrede aufdrängen wollte; sie sollten bekennen, daß man mit den Ketzern Frieden halten dürfe, nachdem sie durch ihren Friedensbruch das Recht der gegenteiligen Meinung lant verkündet hatten. Jn diesem Ge sinnungswechsel lag etwas Beschämendes: indessen die politische Lage empfahl ihu dringlich genug. Der Mißerfolg der päpstlichen Politik war deutlich. Außer der Stadt Breslau und den böhmischen Herren erhob sich noch immer kein Katholik im Reiche gegen den König. Am 19. November 1465 hatte der Legat die katholischen Untertanen Georgs von ihren Pflichten gegen ihn ent bunden, ja, ihnen die Unterlassung ihrer Pflichtleistungen heilig anbejohlen.
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Den Breslauern sind die Hände gebunden. 121 Am 8. Dezember hatte Papst Paul danach, ungebeten und übereilt, eine Bulle erlassen, die die gleichen Befehle enthielt 1). Aber der Legat wurde von den Vertretern der Nebenländer dringlich gebeten, sein Geheiß zurückzunehmen und die päpstliche Bulle vorerst außzer Kraft zu setzen, da sie jetzt durchaus nicht von Georg abfallen könnten2). Einst hätten sie ihn anerkannt, weil der Papst ihn seinen Sohn nanute; jetzt müßte der Papst ihnen erst Sicherheit schaffen, wenn sie sich gegen den König erheben sollten3). Der Legat konnte nicht anders, als den Bitten nachgeben. Die Breslaner, bei denen er weilte, mußten erfennen, wie wenig das Vorgehen der Kirche, zu dem sie gehetzt hatten, Aus sicht auf raschen Erfolg bot. Wenn es ihnen aber anstößig war, von ihrer fanatischen Fordernug der Vernichtung Podiebrads zurückzutreten, so durften sie sich sagen, daß die Einbuße an Ehre, die man ihnen hier zumutete, weit geringer war als die, die sie einst beim Abschlusse des Vertrages von 1460 angenommen hatten. Jetzt sollten sie doch wenigstens so viel erreichen, daß sie bei ihrem ersten Gelöbnis, Podiebrad nicht zum Herrn anzunehmen, bleiben durften. Die Versuchung, auf die Vorschläge des Bischofs von Olmütz einzugehen, war also groß. Aber nach allem, was wir von den Breslauern wissen, ist es uns von vornherein dentlich, daß sie der Versuchung nicht nachgeben konnten. Der Erzbischof von Kreta hatte sie einst durch ein hartes Nein zwingen können, von ihrer festgewurzelten, suggestiven Idee des Vernichtenmüssens zu weichen und dem nächsten praktischen Gewinn nachzugehen; die gegenwärtige Lage aber übte bei all dem Beängstigenden, das sie an sich hatte, doch nicht den Druck aus, der notwendig war, um die Gesinnung der Breslauer zu verändern. Um den Vorteil wahrnehmen zu können, den Protas in Aussicht stellte, hätten die Breslauer eine ungewöhnliche Rücksichtslosigkeit des politischen Wollens besitzen müssen. Wäre ihnen diese eigen gewesen, so wären sie niemals in die gegen- wärtige peinvolle Lage gekommen; sie hätten bei aller Vorsicht gegen Georg doch Sorge getragen, anch dem Papste gegenüber ihre Hände frei zu halten. Die innere Unabhängigkeit, die sie mit der Einleitung ihrer Intrigue bei der Kurie aufgegeben hatten, ließ sich jetzt nicht plötzlich wiedergewinnen. — Die Stadthäupter zeigten keine Entrüstung über die Zumutung, daß sie ihren heiligen Willen zur Veruichtung aufgeben sollten; sie gingen bedächtig über die Vorschläge des Protas zu Rate. Einige waren auch geneigt, auf den 1) Korr. 308, 311; Script. rer. Siles. IX, 143, 147. 2) Esch. L 111. 3) Esch. L 115. Die letztgenaunte Begründung der Bitte wird erst bei den Verhandlungen vom 2. März berichtet; doch war die Sachlage schon bei den früheren Verhandlungen zwischen dem Legaten und den Sechsstädten (L 111) deutlich.
Den Breslauern sind die Hände gebunden. 121 Am 8. Dezember hatte Papst Paul danach, ungebeten und übereilt, eine Bulle erlassen, die die gleichen Befehle enthielt 1). Aber der Legat wurde von den Vertretern der Nebenländer dringlich gebeten, sein Geheiß zurückzunehmen und die päpstliche Bulle vorerst außzer Kraft zu setzen, da sie jetzt durchaus nicht von Georg abfallen könnten2). Einst hätten sie ihn anerkannt, weil der Papst ihn seinen Sohn nanute; jetzt müßte der Papst ihnen erst Sicherheit schaffen, wenn sie sich gegen den König erheben sollten3). Der Legat konnte nicht anders, als den Bitten nachgeben. Die Breslaner, bei denen er weilte, mußten erfennen, wie wenig das Vorgehen der Kirche, zu dem sie gehetzt hatten, Aus sicht auf raschen Erfolg bot. Wenn es ihnen aber anstößig war, von ihrer fanatischen Fordernug der Vernichtung Podiebrads zurückzutreten, so durften sie sich sagen, daß die Einbuße an Ehre, die man ihnen hier zumutete, weit geringer war als die, die sie einst beim Abschlusse des Vertrages von 1460 angenommen hatten. Jetzt sollten sie doch wenigstens so viel erreichen, daß sie bei ihrem ersten Gelöbnis, Podiebrad nicht zum Herrn anzunehmen, bleiben durften. Die Versuchung, auf die Vorschläge des Bischofs von Olmütz einzugehen, war also groß. Aber nach allem, was wir von den Breslauern wissen, ist es uns von vornherein dentlich, daß sie der Versuchung nicht nachgeben konnten. Der Erzbischof von Kreta hatte sie einst durch ein hartes Nein zwingen können, von ihrer festgewurzelten, suggestiven Idee des Vernichtenmüssens zu weichen und dem nächsten praktischen Gewinn nachzugehen; die gegenwärtige Lage aber übte bei all dem Beängstigenden, das sie an sich hatte, doch nicht den Druck aus, der notwendig war, um die Gesinnung der Breslauer zu verändern. Um den Vorteil wahrnehmen zu können, den Protas in Aussicht stellte, hätten die Breslauer eine ungewöhnliche Rücksichtslosigkeit des politischen Wollens besitzen müssen. Wäre ihnen diese eigen gewesen, so wären sie niemals in die gegen- wärtige peinvolle Lage gekommen; sie hätten bei aller Vorsicht gegen Georg doch Sorge getragen, anch dem Papste gegenüber ihre Hände frei zu halten. Die innere Unabhängigkeit, die sie mit der Einleitung ihrer Intrigue bei der Kurie aufgegeben hatten, ließ sich jetzt nicht plötzlich wiedergewinnen. — Die Stadthäupter zeigten keine Entrüstung über die Zumutung, daß sie ihren heiligen Willen zur Veruichtung aufgeben sollten; sie gingen bedächtig über die Vorschläge des Protas zu Rate. Einige waren auch geneigt, auf den 1) Korr. 308, 311; Script. rer. Siles. IX, 143, 147. 2) Esch. L 111. 3) Esch. L 115. Die letztgenaunte Begründung der Bitte wird erst bei den Verhandlungen vom 2. März berichtet; doch war die Sachlage schon bei den früheren Verhandlungen zwischen dem Legaten und den Sechsstädten (L 111) deutlich.
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122 Ablehnung des Antrages. Erneute Tätigkeit Tempelfelds. Friedensgedanken einzugehen. Aber in der geheimen Unterredung, in der man über die Anerbietnngen des Bischofs beriet, ließen sie doch denjenigen das Wort, die hinter diesen Anerbietuugen lediglich ein verstecktes Verführungs- manöver Georgs sehen wollten. Es blieb also bei der alten Auffassung, daß der Friede mit Podiebrad der Weg in die Vernichtung der Stadt sei: die einen bekannten sich offen zu dieser Meinnng; die anderen wagten wenigstens uicht, gegen sie aufzutreten und die schützende Rache der Kirche in ihrem Laus zu hemmen. Die wirtliche Sachlage kam in der Antwort, mit der der Bischo) von Olmütz höflich abgewiesen wurde, zum richtigen Ausdruck: den Papst zu beraten, komme uicht der Stadt, soudern allein dem Legaten zu; im übrigen aber wolle man sich nach dem richten, was Seine Heiligkeit anbefehlen werde 1). Den Bürgern, die Bischof Protas ins Vertranen gezogen hatte, blieb die Unterredung mit ihm lebhaft im Gedächtuis; es wurde ihnen bewußt, daß sie damals vor einer Entscheidung von tiefster Bedentung gestanden hatten. Als später die endlose Verschleppung der böhmischen Kriege die Stadt hart be- drückte und der eudgültige Mißerfolg der Anfruhrpolitik offenbar war, haben die Bürger mit Seufzen an jenes Gespräch und an die vorangehenden Unter- handlungen mit Bischof Jost zurückgedacht und bedauert, daß sie die Rat- schläge der beiden Bischöfe des Reiches nicht befolgt hatten 2). Man war damals geneigt, den Predigern die Hauptschuld an dem verkehrten Hindrängen auf den Krieg zuzuschreiben; man meinte, daß die Stadt wohl zu einem ehrenhajten Frieden gekommen wäre, wenn sie uicht unter dem Einflusse der Geistlichkeit gestanden hätte. In der Tat haben sich in jenen Wochen Tempel- feld und die Seinen wieder bemerkbar gemacht. Sie scheinen vorher seit dem Vertrage von 1460 in der Öffentlichkeit wenig hervorgetreten zu sein; da der Rat ohnehin nach den Grundsätzen ihrer Hetzpolitik handelte, hatte auch feine Veraulassung für eine laute Agitation vorgesegen. Jetzt rief sie die nene Ge fährdung ihres Lebenszieles wieder auf den Plan. Sie gewannen das Ver- trauen des Legaten; sie mahuten den Rat daran, daß er die religiöse Pflicht übernommen habe, keinen Frieden zu schsießen. „Hette man sullen frid haben“, so ließ sich Tempelfeld vernehmen — „man were is langst und bas bekomen, denn iczunt; adir wie würden die keczer durch frid vortriben“ 3). Er und sein Freund, der Dompropst Düster, rüsteten sich wieder zum Ketzergeschrei; sie verdächtigten von nenem Jost als einen heimlichen Hussiten. Schon begannen diese Männer auch wieder, sich eine Partei in der Stadtregierung zu bilden; die Ratsherren, die gegen Protas sprachen, waren solche, „die gemeiniglich ir 1) Eich. D I, 306 f. 2) Esch. L 220, 221, 223; D II, 249. 3) Esch. D I, 295.
122 Ablehnung des Antrages. Erneute Tätigkeit Tempelfelds. Friedensgedanken einzugehen. Aber in der geheimen Unterredung, in der man über die Anerbietnngen des Bischofs beriet, ließen sie doch denjenigen das Wort, die hinter diesen Anerbietuugen lediglich ein verstecktes Verführungs- manöver Georgs sehen wollten. Es blieb also bei der alten Auffassung, daß der Friede mit Podiebrad der Weg in die Vernichtung der Stadt sei: die einen bekannten sich offen zu dieser Meinnng; die anderen wagten wenigstens uicht, gegen sie aufzutreten und die schützende Rache der Kirche in ihrem Laus zu hemmen. Die wirtliche Sachlage kam in der Antwort, mit der der Bischo) von Olmütz höflich abgewiesen wurde, zum richtigen Ausdruck: den Papst zu beraten, komme uicht der Stadt, soudern allein dem Legaten zu; im übrigen aber wolle man sich nach dem richten, was Seine Heiligkeit anbefehlen werde 1). Den Bürgern, die Bischof Protas ins Vertranen gezogen hatte, blieb die Unterredung mit ihm lebhaft im Gedächtuis; es wurde ihnen bewußt, daß sie damals vor einer Entscheidung von tiefster Bedentung gestanden hatten. Als später die endlose Verschleppung der böhmischen Kriege die Stadt hart be- drückte und der eudgültige Mißerfolg der Anfruhrpolitik offenbar war, haben die Bürger mit Seufzen an jenes Gespräch und an die vorangehenden Unter- handlungen mit Bischof Jost zurückgedacht und bedauert, daß sie die Rat- schläge der beiden Bischöfe des Reiches nicht befolgt hatten 2). Man war damals geneigt, den Predigern die Hauptschuld an dem verkehrten Hindrängen auf den Krieg zuzuschreiben; man meinte, daß die Stadt wohl zu einem ehrenhajten Frieden gekommen wäre, wenn sie uicht unter dem Einflusse der Geistlichkeit gestanden hätte. In der Tat haben sich in jenen Wochen Tempel- feld und die Seinen wieder bemerkbar gemacht. Sie scheinen vorher seit dem Vertrage von 1460 in der Öffentlichkeit wenig hervorgetreten zu sein; da der Rat ohnehin nach den Grundsätzen ihrer Hetzpolitik handelte, hatte auch feine Veraulassung für eine laute Agitation vorgesegen. Jetzt rief sie die nene Ge fährdung ihres Lebenszieles wieder auf den Plan. Sie gewannen das Ver- trauen des Legaten; sie mahuten den Rat daran, daß er die religiöse Pflicht übernommen habe, keinen Frieden zu schsießen. „Hette man sullen frid haben“, so ließ sich Tempelfeld vernehmen — „man were is langst und bas bekomen, denn iczunt; adir wie würden die keczer durch frid vortriben“ 3). Er und sein Freund, der Dompropst Düster, rüsteten sich wieder zum Ketzergeschrei; sie verdächtigten von nenem Jost als einen heimlichen Hussiten. Schon begannen diese Männer auch wieder, sich eine Partei in der Stadtregierung zu bilden; die Ratsherren, die gegen Protas sprachen, waren solche, „die gemeiniglich ir 1) Eich. D I, 306 f. 2) Esch. L 220, 221, 223; D II, 249. 3) Esch. D I, 295.
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Paul II. spricht die Absetzung des Königs aus. 123 gespreche und nochrete hatten in dem pfarrhoff zu sand Elisabeth mit doctor Tempilseld und mit den predigern "1). Trotzdem und trotz des späteren Urteils mancher Breslauer selbst können wir den Einfluß der Geistlichkeit uicht als die ansschlaggebende Ursache der Fortsetzung des Kampjes ansehen. Wir sahen, wie diese Politik der Vernichtung fünf Jahre vorher ohne Zutun der Prediger wieder anfgenommen worden ist; wir sahen anch, daß sich zur Zeit der Unter- handlungen mit Protas gegen die Kriegshetzer keine eigentliche Friedenspartei hervorwagte. Die Breslauer waren uicht mehr frei. — Gebunden durch seinen verzweifesten Entschluß, ging Breslan jetzt dem Kriege entgegen, den es gewollt hatte und den es doch nach seiner militärischen und moralischen Verfassung nicht mit Ehren und uicht mit Gewinn bestehen konnte. II. Die Katastrophe Breslaus und der Ausgang Georgs. Während die Führer des kirchlichen und des ständischen Kampjes gegen Georg in Rom wie im Norden noch ratlos vor den Schwierigkeiten einer Be zwingung des Königs standen, begann dieser im Sommer 1466 selbst mit dem friegerischen Vorgehen. Er machte die Drohung gegen Breslan wahr, die er ein Jahr zuvor ausgesprochen hatte. Einige der schlesischen Fürsteutümer, die es im Grunde lieber mit ihm als mit der Kirche hielten, leisteten ihm gern Beistand zu diesem Unternehmen, das den Hauptankläger gegen Georg zum Schweigen bringen sollte. Im Einverständuis mit ihnen schickte der König die böhmische Kriegerrotte der Zebraken in das Breslanische Nebenländchen Namslan. Die Breslauer stellten ihr eine kleine Streitmacht entgegen, deren undiszipsinierte Hanjen sich angesichts der feindlichen Übermacht rasch zurück¬ zogen; dennoch genügte ihr bloßzes Erscheinen, um anch die Zebraken in Schrecken zu setzen und in die Flucht zu schlagen2). Die Mitteilnng, die die Breslaner von diesen Nöten und Trinmphen nach Rom saudten, mahuten den Papst an seine Verbundenheit und gab ihm gleichzeitig Vertranen zu der Kriegstüchtigkeit Breslans; sie wirkte beschlennigend anf den Prozeß gegen Georg3). Am 23. Dezember 1466 wurde das Verfahren zum Abschluß ge- bracht; durch das Urteil des heiligen Stuhles wurde Georg mit seiner Familie der böhmischen Krone eudgültig verlustig erklärt. Nun fauden anch die böhmischen Herren den Mut, ihre wieder augekuüpften Verhandlungen mit Georg ab zubrechen. Breslan trat in ihre Liga ein. Und unn war überhaupt der Abfall 1) l. c. 306. 3) Esch. D I, 339; Brief der 2) Esch. L 116 f., D I, 337/9. Breslauer. Eich. L 118 (29. August); Antwort des Papstes Korr. 337, Script rer. Siles. IX, 198 (10. Oktober 1466).
Paul II. spricht die Absetzung des Königs aus. 123 gespreche und nochrete hatten in dem pfarrhoff zu sand Elisabeth mit doctor Tempilseld und mit den predigern "1). Trotzdem und trotz des späteren Urteils mancher Breslauer selbst können wir den Einfluß der Geistlichkeit uicht als die ansschlaggebende Ursache der Fortsetzung des Kampjes ansehen. Wir sahen, wie diese Politik der Vernichtung fünf Jahre vorher ohne Zutun der Prediger wieder anfgenommen worden ist; wir sahen anch, daß sich zur Zeit der Unter- handlungen mit Protas gegen die Kriegshetzer keine eigentliche Friedenspartei hervorwagte. Die Breslauer waren uicht mehr frei. — Gebunden durch seinen verzweifesten Entschluß, ging Breslan jetzt dem Kriege entgegen, den es gewollt hatte und den es doch nach seiner militärischen und moralischen Verfassung nicht mit Ehren und uicht mit Gewinn bestehen konnte. II. Die Katastrophe Breslaus und der Ausgang Georgs. Während die Führer des kirchlichen und des ständischen Kampjes gegen Georg in Rom wie im Norden noch ratlos vor den Schwierigkeiten einer Be zwingung des Königs standen, begann dieser im Sommer 1466 selbst mit dem friegerischen Vorgehen. Er machte die Drohung gegen Breslan wahr, die er ein Jahr zuvor ausgesprochen hatte. Einige der schlesischen Fürsteutümer, die es im Grunde lieber mit ihm als mit der Kirche hielten, leisteten ihm gern Beistand zu diesem Unternehmen, das den Hauptankläger gegen Georg zum Schweigen bringen sollte. Im Einverständuis mit ihnen schickte der König die böhmische Kriegerrotte der Zebraken in das Breslanische Nebenländchen Namslan. Die Breslauer stellten ihr eine kleine Streitmacht entgegen, deren undiszipsinierte Hanjen sich angesichts der feindlichen Übermacht rasch zurück¬ zogen; dennoch genügte ihr bloßzes Erscheinen, um anch die Zebraken in Schrecken zu setzen und in die Flucht zu schlagen2). Die Mitteilnng, die die Breslaner von diesen Nöten und Trinmphen nach Rom saudten, mahuten den Papst an seine Verbundenheit und gab ihm gleichzeitig Vertranen zu der Kriegstüchtigkeit Breslans; sie wirkte beschlennigend anf den Prozeß gegen Georg3). Am 23. Dezember 1466 wurde das Verfahren zum Abschluß ge- bracht; durch das Urteil des heiligen Stuhles wurde Georg mit seiner Familie der böhmischen Krone eudgültig verlustig erklärt. Nun fauden anch die böhmischen Herren den Mut, ihre wieder augekuüpften Verhandlungen mit Georg ab zubrechen. Breslan trat in ihre Liga ein. Und unn war überhaupt der Abfall 1) l. c. 306. 3) Esch. D I, 339; Brief der 2) Esch. L 116 f., D I, 337/9. Breslauer. Eich. L 118 (29. August); Antwort des Papstes Korr. 337, Script rer. Siles. IX, 198 (10. Oktober 1466).
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124 Kriegerische Erhebung des Bundes. Kriegsbegier in Breslau. der katholischen Untertanen nicht mehr anfzuhalten. Aus den Lausitzen wichen die Beamten Georgs. Zunächst standen jedoch, als im Frühjahr 1467 der Krieg losbrach, nur die böhmischen Adelsherren, Bischof Jost und die Stadt Breslau gegen den König im Felde. Der Stadt fiel insbesondere die Anf¬ gabe zu, sich in den Besitz des Herzogtums Münsterberg uud namentlich seiner festen Plätze, Münsterberg und Frankenstein, zu setzen. Die Breslauer sahen damit eine ganz andere kriegerische Aufgabe vor sich als sie erwartet hatten. Sie waren vorbereitet, ein kleines Söldner- kontingent zu einem Feldheere zu stellen und schlimmstenfalls ihre Stadt gegen einen feindlichen Angriff erfolgreich zu verteidigen. Jetzt wurde ihnen eine Hauptleistung im Angreifen zugewiesen. Die Ratmannen wurden sich der Schwierigkeit dieser Lage voll bewußt. Um den vorhandenen Sölduertrupp zu vergrößern, brauchten sie Geld und Zeit; um beides zu gewinnen, hätten sie gern den Johannijahrmarkt abgewartet 1). Auch der Kriegssachverständige, dem sie die Vorbereitung des Heerzuges überließen, Ritter Hans von Schlabren- dorff, riet zu einem solchen Aufschub; er setzte kein Vertrauen in die Bürger- truppen, auf die man fürs erste zur Ergänzung des Söldnerheeres angewiesen war2). Aber der Rat war für eine derartige Maßnahme nicht mehr frei. Die öffentliche Meinung widersetzte sich jeder Verzögerung. Die wieder erwachte Abentenerlust der Menge wurde diesmal durch eine prahlerische Großmanus- sucht gesteigert; das Breslaner Volk schwelgte in völlig phantastischen Vor stellungen von seiner Kraft. Man sprach davon, daß die Stadt 10000 Mann ins Feld stellen könne, während in Wirklichkeit angenblicklich uur etwa tansend Krieger zum Auszuge gerüstet bereit standen3). Nichts läßt uns den Zorn Eschenloers über das erneute Regiment der Bierhäuser besser verstehen als diese unklare Abschätzung der eigenen Stärke. Auch diesmal drängte neben der unruhigen Tatenbegier die Angst vor heimlichem Verrat zum Losschlagen, und auch diesmal bestärkten die Prediger das Volk in seinem Mißtrauen wie in seiner Ungeduld. Sie verkündeten ihrer Gemeinde, es würden Wunder geschehen in diesem Kriege; ein Christ werde zehn Ketzer erschlagen, und uur der Beistand der Breslaner sei von uöten, damit die ohnehin große Streitmacht der böhmischen Herren über Georg obsiege. Tempel- feld spornte seine Vertrauensmänner in der Gemeine an, auf die Kriegsvor- bereitungen genan Acht zu haben; die täppischen Späher gerieten bald in Streit mit dem Feldhauptmann und zögerten uicht, ihn als Ketzer und Verräter auszuschreien4). Wiederum arbeiteten also die Geistlichen mit den gefährlichsten 1) Eſch. D II, 29. 2) Esch. D II, 31. 3) Esch. D II, 23, 31 f. 4) Esch. a. a. O.
124 Kriegerische Erhebung des Bundes. Kriegsbegier in Breslau. der katholischen Untertanen nicht mehr anfzuhalten. Aus den Lausitzen wichen die Beamten Georgs. Zunächst standen jedoch, als im Frühjahr 1467 der Krieg losbrach, nur die böhmischen Adelsherren, Bischof Jost und die Stadt Breslau gegen den König im Felde. Der Stadt fiel insbesondere die Anf¬ gabe zu, sich in den Besitz des Herzogtums Münsterberg uud namentlich seiner festen Plätze, Münsterberg und Frankenstein, zu setzen. Die Breslauer sahen damit eine ganz andere kriegerische Aufgabe vor sich als sie erwartet hatten. Sie waren vorbereitet, ein kleines Söldner- kontingent zu einem Feldheere zu stellen und schlimmstenfalls ihre Stadt gegen einen feindlichen Angriff erfolgreich zu verteidigen. Jetzt wurde ihnen eine Hauptleistung im Angreifen zugewiesen. Die Ratmannen wurden sich der Schwierigkeit dieser Lage voll bewußt. Um den vorhandenen Sölduertrupp zu vergrößern, brauchten sie Geld und Zeit; um beides zu gewinnen, hätten sie gern den Johannijahrmarkt abgewartet 1). Auch der Kriegssachverständige, dem sie die Vorbereitung des Heerzuges überließen, Ritter Hans von Schlabren- dorff, riet zu einem solchen Aufschub; er setzte kein Vertrauen in die Bürger- truppen, auf die man fürs erste zur Ergänzung des Söldnerheeres angewiesen war2). Aber der Rat war für eine derartige Maßnahme nicht mehr frei. Die öffentliche Meinung widersetzte sich jeder Verzögerung. Die wieder erwachte Abentenerlust der Menge wurde diesmal durch eine prahlerische Großmanus- sucht gesteigert; das Breslaner Volk schwelgte in völlig phantastischen Vor stellungen von seiner Kraft. Man sprach davon, daß die Stadt 10000 Mann ins Feld stellen könne, während in Wirklichkeit angenblicklich uur etwa tansend Krieger zum Auszuge gerüstet bereit standen3). Nichts läßt uns den Zorn Eschenloers über das erneute Regiment der Bierhäuser besser verstehen als diese unklare Abschätzung der eigenen Stärke. Auch diesmal drängte neben der unruhigen Tatenbegier die Angst vor heimlichem Verrat zum Losschlagen, und auch diesmal bestärkten die Prediger das Volk in seinem Mißtrauen wie in seiner Ungeduld. Sie verkündeten ihrer Gemeinde, es würden Wunder geschehen in diesem Kriege; ein Christ werde zehn Ketzer erschlagen, und uur der Beistand der Breslaner sei von uöten, damit die ohnehin große Streitmacht der böhmischen Herren über Georg obsiege. Tempel- feld spornte seine Vertrauensmänner in der Gemeine an, auf die Kriegsvor- bereitungen genan Acht zu haben; die täppischen Späher gerieten bald in Streit mit dem Feldhauptmann und zögerten uicht, ihn als Ketzer und Verräter auszuschreien4). Wiederum arbeiteten also die Geistlichen mit den gefährlichsten 1) Eſch. D II, 29. 2) Esch. D II, 31. 3) Esch. D II, 23, 31 f. 4) Esch. a. a. O.
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Der Feldzug in Fürstentum Münsterberg, Mai 1467. 125 Mitteln, um alles zu tun, damit der endlich zustaude gebrachte Kreuzzug nicht noch in letzter Stunde vereitelt würde. Mitte Mai zogen die Breslaner Streitkräste ins Münsterberger Herzog- tum. Mit denen des Bischofs zählten sie etwas über 2000 Mann1): da- von gehörten etwa 400 dem Breslaner Bürgeraufgebot an2). Viele trugen zum Zeichen der heiligen Sache Krenzeszeichen angenäht. Ihr erster Erfolg schien alle Bedenken Lügen zu strafen: Stadt und Schloß Münsterberg, das Kloster Kamenz, die Stadt Frankenstein, ergaben sich rasch, teils nach den ersten Schüssen der Breslauer Geschütze, teils lediglich anf ihr Erscheinen hin. Die Siege gaben wiedermm noch kein ansreichendes Zeugnis über die Leistungs- fähigkeit des Heeres; sie brachten aber der Stadt weiteren verhängnisvollen Ruhm: das Gerücht schätzte die Breslauer Streitmacht jetzt gar auf 20000 Maun3). Auch die deutschen Städte in Mähren sagten jetzt dem Könige ab. Georg wurde auf die Gefahr in Schlesien aufmerksam: rasch machte er Kräfte frei, die sich mit der Belagerung böhmischer Herrenschlösser aufhielten, und ließ bei Glatz ein größeres Heer zusammenziehen. Indessen begannen die Breslauer das Schloß von Franfenstein zu belagern. Dieses hielt etwas länger ans als die anderen Plätze. Man mußzte aus Breslau das größte Geschütz der Stadt, das von 24 starken Pferden gezogen wurde, uebst einer Truppen- verstärkung von 200 Dieustknechten zum Belagerungsheere schicken. Und uun bereitete sich eine Katastrophe vor4). Nach Breslau gelangten Warnungen über das Herannahen der Feinde von Glatz her. Der Rat zog infolgedessen den Abbruch der Belagerung von Frankenstein in Erwägung; aber auf Betreiben der siegestrunkenen Gemeine, die jenen Meldungen uicht glauben mochte, gab er schließlich den Belagerern die Weisung, sie sollten aus Hilfe vertranen und ausharren. Als dann die Nachrichten immer bedrohlicher lauteten, eutschloß sich der Rat doch noch, den Rückzug auf Münsterberg an- zuorduen. Aber der Bote, der mit diesem Befehle am Abend des 28. Mai vor Frankenstein aulaugte, kam zu spät. Am Morgen hatte sich die Burg den Streitfräften des Bischofs und der Stadt Breslau übergeben, aber schon 1) Esch. D II, 35; auch L 132 gibt er die zu Frankenstein Eingeschlossenen auf etwa 2000 an. Die Streitkräfte, die die Stadt zu dem Zuge aufbot, scheinen etwas mehr als die Hälfte der Gesamtzahl betragen zu haben. L 131 Mitte: pedites quasi mille et equites expeditissimos. König Georg schätzte das Heer auf 5000 Fußgänger und 500—600 zu Pferde. (An Rosenberg, Juni 1467. Norbert Heermann, Rosenbergsche Chronik — herausgeg. von Klimesch 1897 — S. 138.) 2) Esch. D II 32: „So legten sie in den czechen an bei vierhundert mannen“. 3) Esch. D Il, 35. Auch Zdeuko von Sternberg, der Führer der böhmischen Herren, war dieser Meinung. Vgl. seinen Brief vom 31. Mai, Rosenbergsche 4) Zum folgenden: Esch. L 131—134, D II, 36—47. Chronik, a. a. O. S. 139.
Der Feldzug in Fürstentum Münsterberg, Mai 1467. 125 Mitteln, um alles zu tun, damit der endlich zustaude gebrachte Kreuzzug nicht noch in letzter Stunde vereitelt würde. Mitte Mai zogen die Breslaner Streitkräste ins Münsterberger Herzog- tum. Mit denen des Bischofs zählten sie etwas über 2000 Mann1): da- von gehörten etwa 400 dem Breslaner Bürgeraufgebot an2). Viele trugen zum Zeichen der heiligen Sache Krenzeszeichen angenäht. Ihr erster Erfolg schien alle Bedenken Lügen zu strafen: Stadt und Schloß Münsterberg, das Kloster Kamenz, die Stadt Frankenstein, ergaben sich rasch, teils nach den ersten Schüssen der Breslauer Geschütze, teils lediglich anf ihr Erscheinen hin. Die Siege gaben wiedermm noch kein ansreichendes Zeugnis über die Leistungs- fähigkeit des Heeres; sie brachten aber der Stadt weiteren verhängnisvollen Ruhm: das Gerücht schätzte die Breslauer Streitmacht jetzt gar auf 20000 Maun3). Auch die deutschen Städte in Mähren sagten jetzt dem Könige ab. Georg wurde auf die Gefahr in Schlesien aufmerksam: rasch machte er Kräfte frei, die sich mit der Belagerung böhmischer Herrenschlösser aufhielten, und ließ bei Glatz ein größeres Heer zusammenziehen. Indessen begannen die Breslauer das Schloß von Franfenstein zu belagern. Dieses hielt etwas länger ans als die anderen Plätze. Man mußzte aus Breslau das größte Geschütz der Stadt, das von 24 starken Pferden gezogen wurde, uebst einer Truppen- verstärkung von 200 Dieustknechten zum Belagerungsheere schicken. Und uun bereitete sich eine Katastrophe vor4). Nach Breslau gelangten Warnungen über das Herannahen der Feinde von Glatz her. Der Rat zog infolgedessen den Abbruch der Belagerung von Frankenstein in Erwägung; aber auf Betreiben der siegestrunkenen Gemeine, die jenen Meldungen uicht glauben mochte, gab er schließlich den Belagerern die Weisung, sie sollten aus Hilfe vertranen und ausharren. Als dann die Nachrichten immer bedrohlicher lauteten, eutschloß sich der Rat doch noch, den Rückzug auf Münsterberg an- zuorduen. Aber der Bote, der mit diesem Befehle am Abend des 28. Mai vor Frankenstein aulaugte, kam zu spät. Am Morgen hatte sich die Burg den Streitfräften des Bischofs und der Stadt Breslau übergeben, aber schon 1) Esch. D II, 35; auch L 132 gibt er die zu Frankenstein Eingeschlossenen auf etwa 2000 an. Die Streitkräfte, die die Stadt zu dem Zuge aufbot, scheinen etwas mehr als die Hälfte der Gesamtzahl betragen zu haben. L 131 Mitte: pedites quasi mille et equites expeditissimos. König Georg schätzte das Heer auf 5000 Fußgänger und 500—600 zu Pferde. (An Rosenberg, Juni 1467. Norbert Heermann, Rosenbergsche Chronik — herausgeg. von Klimesch 1897 — S. 138.) 2) Esch. D II 32: „So legten sie in den czechen an bei vierhundert mannen“. 3) Esch. D Il, 35. Auch Zdeuko von Sternberg, der Führer der böhmischen Herren, war dieser Meinung. Vgl. seinen Brief vom 31. Mai, Rosenbergsche 4) Zum folgenden: Esch. L 131—134, D II, 36—47. Chronik, a. a. O. S. 139.
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126 Katastrophe von Frankenstein. am Nachmittage hatten sich dieje selbst in Schloß und Stadt Franfenstein plötzlich von den Böhmen eingeschlossen gefunden. Die Befreiung des gefangenen Heeres schien uicht unmöglich, wenn sie rasch genug ins Werk gesetzt wurde. Die Stadt und der Bischof hatten bereits mit der Anjammlnng einer Hiljsmacht begonnen. Diese wurde jetzt eilends zu einem Eutsatzheer von 2200 Mann ausgestaltet; der Herzog Nikolaus von Oppeln gab noch an 850 Mann dazu. Von Münsterberg aus, wo diese Streit macht versammelt war, sollte sie am 3. Inni zur Entsetzung Frankensteins ausziehen. Sie war bereits auf dem Marsche; da erhielt der Führer, Herzog Balthasar, die Nachricht, er könne bei geringem Verweilen auf bedeutende weitere Verstärkung rechnen. Die Stände von Schweiduitz-Janer, die bisher immer zu Georg gehalten hatten, zeigten sich plötzlich der katholischen Sache geneigt und baten Balthasar, den Zug auf Frankenstein abzubrechen, um sich erst mit ihrem Heere zu vereinigen. Aus kleinmütigen Bedenfen nahm der Herzog das Anerbieten an und zog dem Bundesgenossen entgegen. Aber er wartete vergebens. Tagelang harrte das Heer Balthasars, erst bei Nimptsch, dann bei Reichenbach; inmer wieder verzögerte sich die vollständige Ver- sammlung des Schweidnitzer Heeres. Indessen hatten die Feinde neuen Zuzug erhalten; eine ihrer Abteilungen wandte sich gegen Reichenbach: vor ihr rannte das Entsatzheer anseinander. Franfenstein war noch dichter ein- geschlossen worden; die Belagerer hatten sich bedeutend verstärtt und begannen einen Graben um die Stadt zu ziehen; den Umzingelten drohte Hungersuot. Ein neues Entsatzheer stand uicht bereit. Die Bischöflichen mußten bald das eigene Gebiet gegen die Feinde verteidigen; die Breslauer musten um neue Söldner erst uach Polen schicken. Selbst Schloß und Stadt Münsterberg gingen verloren. Der Bischof und die Breslaner ließen sich herbei, mit Georgs Sohn Victorinus, der das böhmische Heer vor Frankenstein führte, zu unterhandeln und ihu zu bitten, er möge die Eingeschlossenen gegen eine große Geldsumme und die Überlassung alles Kriegsgerätes frei abziehen lassen. Aber Victorin erklärte, er könne den Abzug uur gewähren, wenn der Bischos und die Stadt sofort mit Georg Frieden schlössen und sich für ihu beim Papste verwendeten. Die einzige Rettung für die Belagerten lag in dem verzweifesten Versuch, ihr Gefänguis selbst zu brechen. Sie mußten ihu wagen, ehe die Feinde ihreu Umzingelungsgraben völlig ausgebaut hatten. Dem Bischof gelang es, ohne Wissen der Feinde, den Befehlshabern seiner eingeschlossenen Kriegsleute die schleunige Ausführnng dieses Waguisses anzubefehlen; die Nacht vom 15. zum 16. Juni wurde für den Ausbruch bestimmt. Die Führer der Breslauer
126 Katastrophe von Frankenstein. am Nachmittage hatten sich dieje selbst in Schloß und Stadt Franfenstein plötzlich von den Böhmen eingeschlossen gefunden. Die Befreiung des gefangenen Heeres schien uicht unmöglich, wenn sie rasch genug ins Werk gesetzt wurde. Die Stadt und der Bischof hatten bereits mit der Anjammlnng einer Hiljsmacht begonnen. Diese wurde jetzt eilends zu einem Eutsatzheer von 2200 Mann ausgestaltet; der Herzog Nikolaus von Oppeln gab noch an 850 Mann dazu. Von Münsterberg aus, wo diese Streit macht versammelt war, sollte sie am 3. Inni zur Entsetzung Frankensteins ausziehen. Sie war bereits auf dem Marsche; da erhielt der Führer, Herzog Balthasar, die Nachricht, er könne bei geringem Verweilen auf bedeutende weitere Verstärkung rechnen. Die Stände von Schweiduitz-Janer, die bisher immer zu Georg gehalten hatten, zeigten sich plötzlich der katholischen Sache geneigt und baten Balthasar, den Zug auf Frankenstein abzubrechen, um sich erst mit ihrem Heere zu vereinigen. Aus kleinmütigen Bedenfen nahm der Herzog das Anerbieten an und zog dem Bundesgenossen entgegen. Aber er wartete vergebens. Tagelang harrte das Heer Balthasars, erst bei Nimptsch, dann bei Reichenbach; inmer wieder verzögerte sich die vollständige Ver- sammlung des Schweidnitzer Heeres. Indessen hatten die Feinde neuen Zuzug erhalten; eine ihrer Abteilungen wandte sich gegen Reichenbach: vor ihr rannte das Entsatzheer anseinander. Franfenstein war noch dichter ein- geschlossen worden; die Belagerer hatten sich bedeutend verstärtt und begannen einen Graben um die Stadt zu ziehen; den Umzingelten drohte Hungersuot. Ein neues Entsatzheer stand uicht bereit. Die Bischöflichen mußten bald das eigene Gebiet gegen die Feinde verteidigen; die Breslauer musten um neue Söldner erst uach Polen schicken. Selbst Schloß und Stadt Münsterberg gingen verloren. Der Bischof und die Breslaner ließen sich herbei, mit Georgs Sohn Victorinus, der das böhmische Heer vor Frankenstein führte, zu unterhandeln und ihu zu bitten, er möge die Eingeschlossenen gegen eine große Geldsumme und die Überlassung alles Kriegsgerätes frei abziehen lassen. Aber Victorin erklärte, er könne den Abzug uur gewähren, wenn der Bischos und die Stadt sofort mit Georg Frieden schlössen und sich für ihu beim Papste verwendeten. Die einzige Rettung für die Belagerten lag in dem verzweifesten Versuch, ihr Gefänguis selbst zu brechen. Sie mußten ihu wagen, ehe die Feinde ihreu Umzingelungsgraben völlig ausgebaut hatten. Dem Bischof gelang es, ohne Wissen der Feinde, den Befehlshabern seiner eingeschlossenen Kriegsleute die schleunige Ausführnng dieses Waguisses anzubefehlen; die Nacht vom 15. zum 16. Juni wurde für den Ausbruch bestimmt. Die Führer der Breslauer
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Katastrophe von Frankenstein. 127 Streitmacht in Frankenstein ertlärten sich bereit, mit den Bischöflichen gemeinsam vorzugehen. Die Sorge, daß der Anschlag dem Feinde entdeckt werden könnte, veranlaßte sie unn zu einer Maßregel, die für den Ausgang des Unternehmens verhängnisvoll wurde. Die Franfensteiner Bürger durften über den Plau nichts erfahren; sie hätten ihn sonst den Belagerern entdeckt, um uicht selbst der Rache der Böhmen ausgeliefert zu werden. Um das Geheimuis besser zu wahren, ließen die Breslauer Anführer aber anch ihre Kriegsleute über die eigentliche Absicht im Unklaren; diese erhiesten nur die Weijung, sich für ein gelegentliches Ausfallscharmützel zu rüsten. Einer wohldisziplinierten Truppe gegenüber wäre diese Täuschung gefahrlos gewesen; aber die Breslauer Söldner und Bürgertruppen hiesten sich zum großen Teile nicht ohne weiteres für ver- pflichtet, diesem Befehl zu gehorchen. Vielen schien die kleine Krajtprobe unlohnend; sie zogen es vor, in ihren Betten oder beim Spiele dem Kampf¬ getümmel zuzuhören. So gelang der Durchstoß uur einem Teile der Besatzung; die übrigen wurden von den Feinden rechtzeitig aufgehalten und in die Stadt zurück verfolgt. Hier wurden dann auch die träge Zurückgebliebenen schmählich Überwältigt und gefangen genommen. Mit etwa 300 Kämpsern fiel eine Menge Kriegsmaterial: Wagen, Pferde, Büchsen, Rüstungen in die Hände der Böhmen. Die Katastrophe bedeutete einen empfindlichen Verlust für die katholische Sache; im besonderen aber war sie eine Niederlage der Breslauer. Sie war es nicht uur darum, weil die Stadt Einbußen an Kriegsgerät und Mannschaft erlitt, die sie uur langsam ausgleichen konnte, sondern noch mehr dadurch, daß nun klargestellt wurde, wie Breslan den Kampi, den es als Schild und Schwert der Christenheit in der Krone Böhmen verheißen hatte, uicht führte und uicht zu führen vermochte. Das hat Eschenloer anfrichtig und schmerzvoll bekaunt: „Wisset auch, ir Bresler, das alle obenberürte scheden nicht also hoch jein zu erachten als dis, nemlich, das man nu erkennen mocht offentliche deine swacheit, offenbar wart deine macht, die alleczeit bisher deinen nockborn vorborgen was, die dich groß und mechtig achteten, und dich dorumme forchten, nud un jahen, das du wenig tun vormochst zu der freiunge zu Franckenstein; alle deine heinilikeit wart offenbar aller werlt. Dis was meinem herczen der großten pein eine, obir alle empfangene scheden"1). Wie die Schwachheit Breslaus vor „aller Welt“ dentlich wurde, das werden wir später zu beobachten haben; zunächst gilt es zu erkennen, worin sie bestand und wie sie gerade in der Niederlage von Franfenstein zum Ausdruck kam. Indem Breslau „wenig zu tun vermochte zu der Befreinng in Franken- 1) D II, 49.
Katastrophe von Frankenstein. 127 Streitmacht in Frankenstein ertlärten sich bereit, mit den Bischöflichen gemeinsam vorzugehen. Die Sorge, daß der Anschlag dem Feinde entdeckt werden könnte, veranlaßte sie unn zu einer Maßregel, die für den Ausgang des Unternehmens verhängnisvoll wurde. Die Franfensteiner Bürger durften über den Plau nichts erfahren; sie hätten ihn sonst den Belagerern entdeckt, um uicht selbst der Rache der Böhmen ausgeliefert zu werden. Um das Geheimuis besser zu wahren, ließen die Breslauer Anführer aber anch ihre Kriegsleute über die eigentliche Absicht im Unklaren; diese erhiesten nur die Weijung, sich für ein gelegentliches Ausfallscharmützel zu rüsten. Einer wohldisziplinierten Truppe gegenüber wäre diese Täuschung gefahrlos gewesen; aber die Breslauer Söldner und Bürgertruppen hiesten sich zum großen Teile nicht ohne weiteres für ver- pflichtet, diesem Befehl zu gehorchen. Vielen schien die kleine Krajtprobe unlohnend; sie zogen es vor, in ihren Betten oder beim Spiele dem Kampf¬ getümmel zuzuhören. So gelang der Durchstoß uur einem Teile der Besatzung; die übrigen wurden von den Feinden rechtzeitig aufgehalten und in die Stadt zurück verfolgt. Hier wurden dann auch die träge Zurückgebliebenen schmählich Überwältigt und gefangen genommen. Mit etwa 300 Kämpsern fiel eine Menge Kriegsmaterial: Wagen, Pferde, Büchsen, Rüstungen in die Hände der Böhmen. Die Katastrophe bedeutete einen empfindlichen Verlust für die katholische Sache; im besonderen aber war sie eine Niederlage der Breslauer. Sie war es nicht uur darum, weil die Stadt Einbußen an Kriegsgerät und Mannschaft erlitt, die sie uur langsam ausgleichen konnte, sondern noch mehr dadurch, daß nun klargestellt wurde, wie Breslan den Kampi, den es als Schild und Schwert der Christenheit in der Krone Böhmen verheißen hatte, uicht führte und uicht zu führen vermochte. Das hat Eschenloer anfrichtig und schmerzvoll bekaunt: „Wisset auch, ir Bresler, das alle obenberürte scheden nicht also hoch jein zu erachten als dis, nemlich, das man nu erkennen mocht offentliche deine swacheit, offenbar wart deine macht, die alleczeit bisher deinen nockborn vorborgen was, die dich groß und mechtig achteten, und dich dorumme forchten, nud un jahen, das du wenig tun vormochst zu der freiunge zu Franckenstein; alle deine heinilikeit wart offenbar aller werlt. Dis was meinem herczen der großten pein eine, obir alle empfangene scheden"1). Wie die Schwachheit Breslaus vor „aller Welt“ dentlich wurde, das werden wir später zu beobachten haben; zunächst gilt es zu erkennen, worin sie bestand und wie sie gerade in der Niederlage von Franfenstein zum Ausdruck kam. Indem Breslau „wenig zu tun vermochte zu der Befreinng in Franken- 1) D II, 49.
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128 Die „Schwachheit“ Beslaus. stein“, wurde zunächst die zahlenmäßige Schwäche seiner Streitkräfte offen sichtlich, und dieser Mangel war wohl das Überraschendste für den Papst und die böhmischen Herren, die nach dem anspruchsvollen politischen Auftreten der Stadt erwartet hatten, sie würde zehntausend Mann oder mehr aufstellen. Eine so ungewöhnlich große Truppenmacht war indessen für die erforderte Leistung kaum nötig; König Georg selbst hielt ja nie mehr als 5000 Mann im Felde 1), und auf diese Höhe hätten die Breslaner und der Bischof ihre Streitmacht wohl rechtzeitig bringen können. Ob diese Kräste das Fürstentum Münsterberg gegen den Angriff Georgs gehalten hätten, können wir nicht be urteilen; die Zahl allein sicherte ja nicht den Sieg. Aber um die verlustreiche Niederlage zu vermeiden, langten die erreichbaren Mittel sicherlich aus. Und für diese Niederlage kann man auch uicht allein den „Verrat“ der Stände von Schweiduitz-Jauer verantwortlich machen. Daß die Stadt binnen eines Monats ihre ganze Streitmacht vergeudete, das war tiefer verschuldet durch die un- kriegerische Gesamtverfassung der Bürgerschaft; es war zu erfennen, daß der Geist des Gemeinwesens der Aufgabe uicht gewachsen war. Der Rat hatte aus den Erjahrungen des Verteidigungskampjes von 1459 für den jetzigen Angriffskrieg manche Lehren gezogen. Er hatte diesmal nicht nur Kriegsleute angeworben, sondern hatte sie auch reichlich ansgerüstet und Führer über sie gesetzt. Christian Skoppe, der sich in den preußischen Kämpfen hervorgetan hatte2), führte das Heer, das im Mai ins Fürstentum Münsterberg einfiel und dann in Frankenstein eingeschlossen wurde. Herzog Balthasar von Sagan hatte den Oberbefehl über das Eutsatzheer. Bei beiden Heerhaufen hielten sich außerdem Vertreter des Rates auf, Georg Steinkesler und Kaspar Kober beim Heere Skoppes, Nikolans Beyer beim Heere Balthasars. Aber die Gesamtleitung des Krieges blieb notwendig in den Händen des Rates selbst, und der Rat versagte bei der Durchführung dieser Aufgabe. Er wagte anch jetzt uicht, seinen Willen gegen die Gemeine nachdrücklich durchzusetzen; darum wurde die Belagerung Frankensteins uicht rechtzeitig abgebrochen. Aber der Rat besaß auch beim Feldheere uicht das genügende Ansehen; nur darum konnte Balthasar am 3. Juni seiner Zaghaftigfeit nachgeben und den Entsatz- feldzug im Augenblick, da sein Gelingen eben noch möglich war, abbrechen. Und vor allem wandte der Rat auch im Bereiche seiner tatsächlichen Macht- vollkommenheit nicht die nötige Tatkraft anf. Er hätte von Anfang an da- für sorgen müssen, daß die Streitkräfte Breslaus nach Möglichfeit gegen jeden Zufall gedeckt wurden. Um mit ihnen hauszuhalten — was ja bitter nötig 1) Bachmann II, 610. 2) Esch. D II, 34.
128 Die „Schwachheit“ Beslaus. stein“, wurde zunächst die zahlenmäßige Schwäche seiner Streitkräfte offen sichtlich, und dieser Mangel war wohl das Überraschendste für den Papst und die böhmischen Herren, die nach dem anspruchsvollen politischen Auftreten der Stadt erwartet hatten, sie würde zehntausend Mann oder mehr aufstellen. Eine so ungewöhnlich große Truppenmacht war indessen für die erforderte Leistung kaum nötig; König Georg selbst hielt ja nie mehr als 5000 Mann im Felde 1), und auf diese Höhe hätten die Breslaner und der Bischof ihre Streitmacht wohl rechtzeitig bringen können. Ob diese Kräste das Fürstentum Münsterberg gegen den Angriff Georgs gehalten hätten, können wir nicht be urteilen; die Zahl allein sicherte ja nicht den Sieg. Aber um die verlustreiche Niederlage zu vermeiden, langten die erreichbaren Mittel sicherlich aus. Und für diese Niederlage kann man auch uicht allein den „Verrat“ der Stände von Schweiduitz-Jauer verantwortlich machen. Daß die Stadt binnen eines Monats ihre ganze Streitmacht vergeudete, das war tiefer verschuldet durch die un- kriegerische Gesamtverfassung der Bürgerschaft; es war zu erfennen, daß der Geist des Gemeinwesens der Aufgabe uicht gewachsen war. Der Rat hatte aus den Erjahrungen des Verteidigungskampjes von 1459 für den jetzigen Angriffskrieg manche Lehren gezogen. Er hatte diesmal nicht nur Kriegsleute angeworben, sondern hatte sie auch reichlich ansgerüstet und Führer über sie gesetzt. Christian Skoppe, der sich in den preußischen Kämpfen hervorgetan hatte2), führte das Heer, das im Mai ins Fürstentum Münsterberg einfiel und dann in Frankenstein eingeschlossen wurde. Herzog Balthasar von Sagan hatte den Oberbefehl über das Eutsatzheer. Bei beiden Heerhaufen hielten sich außerdem Vertreter des Rates auf, Georg Steinkesler und Kaspar Kober beim Heere Skoppes, Nikolans Beyer beim Heere Balthasars. Aber die Gesamtleitung des Krieges blieb notwendig in den Händen des Rates selbst, und der Rat versagte bei der Durchführung dieser Aufgabe. Er wagte anch jetzt uicht, seinen Willen gegen die Gemeine nachdrücklich durchzusetzen; darum wurde die Belagerung Frankensteins uicht rechtzeitig abgebrochen. Aber der Rat besaß auch beim Feldheere uicht das genügende Ansehen; nur darum konnte Balthasar am 3. Juni seiner Zaghaftigfeit nachgeben und den Entsatz- feldzug im Augenblick, da sein Gelingen eben noch möglich war, abbrechen. Und vor allem wandte der Rat auch im Bereiche seiner tatsächlichen Macht- vollkommenheit nicht die nötige Tatkraft anf. Er hätte von Anfang an da- für sorgen müssen, daß die Streitkräfte Breslaus nach Möglichfeit gegen jeden Zufall gedeckt wurden. Um mit ihnen hauszuhalten — was ja bitter nötig 1) Bachmann II, 610. 2) Esch. D II, 34.
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Innere Ursachen der Niederlage: 1. Kleinliche Sparsaukeit des Rates. 129 war — mußte er sie so verstärken, für sie so viel Hilfskräste in Bereitschaft stellen, wie es das städtische Vermögen uur irgend vertrug. Nun hat der Rat ja nach dem Auszuge Skoppes die Werbungen nicht völlig eingestellt. 200 Mann begleiteten die große Büchse nach Frankeustein; an 400 Söldner standen bereit, als die Schreckensnachricht von der Einschließung nach Breslau gelangte1). Aber die Stadt hätte mehr zu leisten vermocht; wir können uns leicht davon überzengen. Wenige Tage uach der Einschließung stellten die Breslauer und der Bischof zusammen 2200 Mann. Nach der Zersprengung dieser Macht entschloß sich der Rat auf das Drängen der Gemeine, weitere 1000 Mann oder mehr in Polen auwerben zu lassen2), und zwar unter ganz ungewöhulichen Aufwendungen: die Söldner sollten uicht nur Sold beziehen, sondern auch für Verluste schadlos gehalten werden. 600 Söldner erhiest die Stadt bei dieser Werbung; ihre Unterhaltung kostete innerhalb eines Vierteljahrs 12000 Gulden s). In der gleichen Zeit wurden die in Franfenstein Überwältigten samt Rüstungen und Pferden jür etwa 2600 Gulden aus der böhmischen Gefangenschaft losgekanft4). Diese Leistungen zehrten freilich die flüssigen Geldmittel der Stadt völlig auf, und die Stenerfraft der Bürger mußte stark in Anspruch genommen werden 5). Aber immerhin zeigte sich nach der Katastrophe, daß die Stadt mehr Lasten tragen konnte, als der Rat zu Begiun des Feldzuges hatte zu- geben wollen. Anch die Entschnldignng, daß der Rat den Krieg vorzeitig er- öffnen mußte, entlastet ihn uicht vollständig. Er hätte uur einen Teil des Geldes, das er später nutzsos zersplittern mußte, während des Monats Mai auszugeben brauchen, um für das Heer Skoppes eine ansehnliche Hilfskraft bereitzustellen, die ihn gegen einen plötzsichen Angriff der Böhmen deckte. Es lag also doch am Rate, es lag an seiner kurzsichtigen Sparsamfeit, daß den Böhmen die Überrumpelung der Breslaner und Bischöflichen in Frankenstein gelang und daß das ganze kostbare Kriegsgerät der Breslauer dort verloren ging. — Wir sind gewiß uicht in der Lage, über die Tüchtigkeit der damaligen Ratmannen ein Urteil zu fällen; dazu fehlt uns die Keuntuis der Einzelheiten. Die Schuld, die wir ihnen beimessen, trifft uur zum Teil sie persönlich; hier wirkten die tleinen Verhältuisse fort, innerhalb deren sich die Breslauer Politik bisher bewegt hatte. Die triegerische Vergangenheit Breslaus war inhaltsarm; die Stadt hatte keine Erfahrnngen in der Führung eines Krieges, wie er ihr diesmal zugemnutet wurde. Aber eben dieser Mangel bezeugt die innere Un- natürlichkeit des Unternehmens, zu dem sich die Stadt durch ihre Politik verpflichtet hatte. 3) A. a. O. 49 f. 4) A. a. D. 46. 2) Esch. D II, 42. 1) Esch. D II, 38. 5) Die Breslauer an Paul II. (16. Juli 1467), Esch. L 137. Darstellungen und Quellen XXII. 9
Innere Ursachen der Niederlage: 1. Kleinliche Sparsaukeit des Rates. 129 war — mußte er sie so verstärken, für sie so viel Hilfskräste in Bereitschaft stellen, wie es das städtische Vermögen uur irgend vertrug. Nun hat der Rat ja nach dem Auszuge Skoppes die Werbungen nicht völlig eingestellt. 200 Mann begleiteten die große Büchse nach Frankeustein; an 400 Söldner standen bereit, als die Schreckensnachricht von der Einschließung nach Breslau gelangte1). Aber die Stadt hätte mehr zu leisten vermocht; wir können uns leicht davon überzengen. Wenige Tage uach der Einschließung stellten die Breslauer und der Bischof zusammen 2200 Mann. Nach der Zersprengung dieser Macht entschloß sich der Rat auf das Drängen der Gemeine, weitere 1000 Mann oder mehr in Polen auwerben zu lassen2), und zwar unter ganz ungewöhulichen Aufwendungen: die Söldner sollten uicht nur Sold beziehen, sondern auch für Verluste schadlos gehalten werden. 600 Söldner erhiest die Stadt bei dieser Werbung; ihre Unterhaltung kostete innerhalb eines Vierteljahrs 12000 Gulden s). In der gleichen Zeit wurden die in Franfenstein Überwältigten samt Rüstungen und Pferden jür etwa 2600 Gulden aus der böhmischen Gefangenschaft losgekanft4). Diese Leistungen zehrten freilich die flüssigen Geldmittel der Stadt völlig auf, und die Stenerfraft der Bürger mußte stark in Anspruch genommen werden 5). Aber immerhin zeigte sich nach der Katastrophe, daß die Stadt mehr Lasten tragen konnte, als der Rat zu Begiun des Feldzuges hatte zu- geben wollen. Anch die Entschnldignng, daß der Rat den Krieg vorzeitig er- öffnen mußte, entlastet ihn uicht vollständig. Er hätte uur einen Teil des Geldes, das er später nutzsos zersplittern mußte, während des Monats Mai auszugeben brauchen, um für das Heer Skoppes eine ansehnliche Hilfskraft bereitzustellen, die ihn gegen einen plötzsichen Angriff der Böhmen deckte. Es lag also doch am Rate, es lag an seiner kurzsichtigen Sparsamfeit, daß den Böhmen die Überrumpelung der Breslaner und Bischöflichen in Frankenstein gelang und daß das ganze kostbare Kriegsgerät der Breslauer dort verloren ging. — Wir sind gewiß uicht in der Lage, über die Tüchtigkeit der damaligen Ratmannen ein Urteil zu fällen; dazu fehlt uns die Keuntuis der Einzelheiten. Die Schuld, die wir ihnen beimessen, trifft uur zum Teil sie persönlich; hier wirkten die tleinen Verhältuisse fort, innerhalb deren sich die Breslauer Politik bisher bewegt hatte. Die triegerische Vergangenheit Breslaus war inhaltsarm; die Stadt hatte keine Erfahrnngen in der Führung eines Krieges, wie er ihr diesmal zugemnutet wurde. Aber eben dieser Mangel bezeugt die innere Un- natürlichkeit des Unternehmens, zu dem sich die Stadt durch ihre Politik verpflichtet hatte. 3) A. a. O. 49 f. 4) A. a. D. 46. 2) Esch. D II, 42. 1) Esch. D II, 38. 5) Die Breslauer an Paul II. (16. Juli 1467), Esch. L 137. Darstellungen und Quellen XXII. 9
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130 2. Unkriegerische Haltung des Volkes. Noch stärker jedoch trat dieser Widerspruch zwischen Geist und Aufgabe in dem Verhalten der bürgerlichen Massen, der Gemeine, hervor. Die vorhandenen Truppen wären bedeutend verstärkt worden, wenn man die Breslauer Bürger- schaft während der entscheidenden Wochen in größerem Maße hätte zum Kriegs- dienst heranziehen können. Bei dem Heere Skoppes befanden sich etwa 400 Breslauer Handwerker 1), und diese waren die ganze Macht, die die Gemeine Überhaupt stellte. Diese Zahl machte nur etwa den achten Teil der Truppenmacht aus, die die Stadt im Mai und Inni zusammenbrachte. Hier liegt ein Miß- verhältnis vor. Denn jene 400, die die Zünfte stellten, bildeten auch von der männlichen Bevölkerung Breslaus uur einen geringen Bruchteil; man bemißt die für Breslau erreichbare Anfgebotsstärke eher zu gering als zu hoch, wenn man annimmt, daß die Stadt etwa 1450 Handwerksmeister und Kaufleute zählte, die teils selbst ins Feld rücken, teils durch Gesellen und Unzünjtige in entsprechender Anzahl ersetzt werden konnten2). Anch hatten gerade die Un- zünftigen und das gewerbliche Dienstvolk allen Anlaß. sich tatkrästig am Kampje zu beteiligen, da sie ja stets die lautesten Verkünder der öffentlichen Meinung gewesen waren und die leidenschaftlichste Kriegslust bezeugt hatten. Die Be- teiligung der Bürgerschaft am Angriffskriege widersprach freilich dem Her- kommen; die Bürger jener Zeit zogen nur im änßersten Notfalle selbst zum Kampfe aus und pflegten dann mit Anbruch der Nacht heimzukehren3). Aber die Breslauer hatten für diesen Feldzug mehr erwarten lassen als eine bloße bürgerliche Durchschnittsleistung. Ihr Krieg gegen Podiebrad sollte ein Be- freinngskampf, ein Glaubens und Volkskrieg sein; man sollte die Bürgerschajt selbst im Kampje mit den Ketzern sehen. Für den ersten Auszug mochte die Beteiligung jener 400 genügen; bei der Fortsetzung des Kampjes hätten sie durch andere Wehrpflichtige abgelöst oder ergänzt werden müssen. Aber das Gegenteil trat ein; die Beteiligung der Gemeine am Kampfe, die von Anfang an gering war, versiegte allmählich fast vollständig. Von den 400 Bürgern, die mit Skoppe mitgezogen waren, sahen die meisten schon während der Belagerung von Frankenstein ein, daß das Kriegführen sich nicht für sie schicke; sie entwichen verstohlen aus dem Heere und fehrten heim zu Weib und Kind4). Die Hilfskräfte von 200 und später von 400 Mann, die der Rat zum Belagerungsheere sandte, waren in erster Linie dazu bestimmt, diese Abgänge zu ersetzen; sie bestanden aus Söldnern. Auch am Heere Balthasars hatte die Gemeine keinen Anteil: das Breslauer Volk tat nichts dazn, daß die Gefangenen 1) Esch. D I. 32. 2) Zu diesem Gegenstande vgl. Anhang 3. 3) H. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst III (1907), S. 381. — P. Sander, Die reichsstädtische Haus- 4) Esch. D II, 36. haltung Nürnbergs (1902), S. 145.
130 2. Unkriegerische Haltung des Volkes. Noch stärker jedoch trat dieser Widerspruch zwischen Geist und Aufgabe in dem Verhalten der bürgerlichen Massen, der Gemeine, hervor. Die vorhandenen Truppen wären bedeutend verstärkt worden, wenn man die Breslauer Bürger- schaft während der entscheidenden Wochen in größerem Maße hätte zum Kriegs- dienst heranziehen können. Bei dem Heere Skoppes befanden sich etwa 400 Breslauer Handwerker 1), und diese waren die ganze Macht, die die Gemeine Überhaupt stellte. Diese Zahl machte nur etwa den achten Teil der Truppenmacht aus, die die Stadt im Mai und Inni zusammenbrachte. Hier liegt ein Miß- verhältnis vor. Denn jene 400, die die Zünfte stellten, bildeten auch von der männlichen Bevölkerung Breslaus uur einen geringen Bruchteil; man bemißt die für Breslau erreichbare Anfgebotsstärke eher zu gering als zu hoch, wenn man annimmt, daß die Stadt etwa 1450 Handwerksmeister und Kaufleute zählte, die teils selbst ins Feld rücken, teils durch Gesellen und Unzünjtige in entsprechender Anzahl ersetzt werden konnten2). Anch hatten gerade die Un- zünftigen und das gewerbliche Dienstvolk allen Anlaß. sich tatkrästig am Kampje zu beteiligen, da sie ja stets die lautesten Verkünder der öffentlichen Meinung gewesen waren und die leidenschaftlichste Kriegslust bezeugt hatten. Die Be- teiligung der Bürgerschaft am Angriffskriege widersprach freilich dem Her- kommen; die Bürger jener Zeit zogen nur im änßersten Notfalle selbst zum Kampfe aus und pflegten dann mit Anbruch der Nacht heimzukehren3). Aber die Breslauer hatten für diesen Feldzug mehr erwarten lassen als eine bloße bürgerliche Durchschnittsleistung. Ihr Krieg gegen Podiebrad sollte ein Be- freinngskampf, ein Glaubens und Volkskrieg sein; man sollte die Bürgerschajt selbst im Kampje mit den Ketzern sehen. Für den ersten Auszug mochte die Beteiligung jener 400 genügen; bei der Fortsetzung des Kampjes hätten sie durch andere Wehrpflichtige abgelöst oder ergänzt werden müssen. Aber das Gegenteil trat ein; die Beteiligung der Gemeine am Kampfe, die von Anfang an gering war, versiegte allmählich fast vollständig. Von den 400 Bürgern, die mit Skoppe mitgezogen waren, sahen die meisten schon während der Belagerung von Frankenstein ein, daß das Kriegführen sich nicht für sie schicke; sie entwichen verstohlen aus dem Heere und fehrten heim zu Weib und Kind4). Die Hilfskräfte von 200 und später von 400 Mann, die der Rat zum Belagerungsheere sandte, waren in erster Linie dazu bestimmt, diese Abgänge zu ersetzen; sie bestanden aus Söldnern. Auch am Heere Balthasars hatte die Gemeine keinen Anteil: das Breslauer Volk tat nichts dazn, daß die Gefangenen 1) Esch. D I. 32. 2) Zu diesem Gegenstande vgl. Anhang 3. 3) H. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst III (1907), S. 381. — P. Sander, Die reichsstädtische Haus- 4) Esch. D II, 36. haltung Nürnbergs (1902), S. 145.
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Ursachen und Bedeutsamkeit der unkriegerischen Haltung des Volkes. 131 in Frankenstein gerettet würden. Dagegen waren die wenigen Breslauer, die beim Heere Skoppes verblieben waren, noch in die Tragikomödie verwickelt, die den Ansgang des Unternehmens besonders beschämend gestaltete. In Frankenstein fielen den Böhmen etwa 30 Breslaner Bürger in die Hände und dazu noch eine Anzahl Handwerksgeseslen und anderer Dienstleute; diesen vor allem wurde nachgesagt, man habe sie beim Spiele oder in den Betten gefunden 1). Um das Versagen der Wehrpflichtigen gerecht zu beurteilen, haben wir zu bedenken, daß es — im Gegensatze zu den Fehlern, die sich sonst an der Breslauer Kriegjührung zeigten, — doch uicht allein den besonderen Mängeln des Breslauer Gemeingeistes zur Last gelegt werden darf. Der Zusammen- bruch des Aufgebots hat seine tiefere Ursache in den Gewohnheiten des mittel- alterlichen Bürgertums überhaupt. Wir erwähnten schon, daß der wochen- lange Feldzug, den sich die Breslauer zugemutet hatten, auch für eine andere Stadt eine unerhörte Leistung bedentet hätte. Nur das Übermaß der selbst¬ gestellten Anjorderungen erklärt uus, daß der Krieg zu einem so außerordentlich kläglichen Ansgang führte. Weil der Feldzug sich länger hinzog, als es für Bürgersleute erträglich war, geriet das erste Anfgebot der 400 Mann in Auflösung; die übrige Bürgerschaft stand dann unter dem herabdrückenden moralischen Einfluß, der von der ruhmlosen Heimkuujt dieses ersten Aufgebots ausging. Diese Ernüchterung teilte sich notwendig anch den uiederen Elementen mit, den „Ungesessenen“, die sich mit dem bürgerlichen Leben wenig eng ver- bunden jühlten. Freunde eines freien Räuberlebens hatte man früher leicht unter ihnen gefunden2), und anch die Krenzjahrer, die einst zur Zeit des Königs Ladislaus gegen Belgrad ansgezogen waren3), hatten sich wohl größtenteils aus ihren Kreisen zusammengesetzt. Aber jetzt sahen sie erst aus der Nähe, was es hieß, gegen Burgen und Heere Krieg zu führen. Ihre Abenteuerlust ver- siegte; ihre uutriegerische Natur wurde offenbar. Dieser uatürliche Rückschlag aber enthielt zugleich eine Entscheidung von tiefer und furchtbarer Bedentsamkeit. Indem das Breslauer Volk seinen Kriegsmut verlor, gab es notwendig auch den Gedanfen, der dem Kampfe zugrunde lag, innerlich auf. Die Bewegung, die auf den Krieg hingedrängt hatte, verlor jetzt ihre innere Kraft, ja ihren Sinn. Die Gemeine konnte fortan unmöglich uoch eine wirtliche Begeisterung für die heilige Sache auf 1) Eich. D II, 46, L 134. (In Frankenstein quasi omnes servitores civium equos tenencium remanserant et perdiderant omnia bona, qui, postquam domum reversi sunt, communitatem incitaverunt ad mala verba.) 2) Vgl. Eschenloers Erzählung über die „böse Rotte“, die während des Krieges von 1459 „auf eigenes Abenteuer" Plünderungs- züge in Schlesien unternahin. D I, 117. 3) Oben S. 38. 9*32
Ursachen und Bedeutsamkeit der unkriegerischen Haltung des Volkes. 131 in Frankenstein gerettet würden. Dagegen waren die wenigen Breslauer, die beim Heere Skoppes verblieben waren, noch in die Tragikomödie verwickelt, die den Ansgang des Unternehmens besonders beschämend gestaltete. In Frankenstein fielen den Böhmen etwa 30 Breslaner Bürger in die Hände und dazu noch eine Anzahl Handwerksgeseslen und anderer Dienstleute; diesen vor allem wurde nachgesagt, man habe sie beim Spiele oder in den Betten gefunden 1). Um das Versagen der Wehrpflichtigen gerecht zu beurteilen, haben wir zu bedenken, daß es — im Gegensatze zu den Fehlern, die sich sonst an der Breslauer Kriegjührung zeigten, — doch uicht allein den besonderen Mängeln des Breslauer Gemeingeistes zur Last gelegt werden darf. Der Zusammen- bruch des Aufgebots hat seine tiefere Ursache in den Gewohnheiten des mittel- alterlichen Bürgertums überhaupt. Wir erwähnten schon, daß der wochen- lange Feldzug, den sich die Breslauer zugemutet hatten, auch für eine andere Stadt eine unerhörte Leistung bedentet hätte. Nur das Übermaß der selbst¬ gestellten Anjorderungen erklärt uus, daß der Krieg zu einem so außerordentlich kläglichen Ansgang führte. Weil der Feldzug sich länger hinzog, als es für Bürgersleute erträglich war, geriet das erste Anfgebot der 400 Mann in Auflösung; die übrige Bürgerschaft stand dann unter dem herabdrückenden moralischen Einfluß, der von der ruhmlosen Heimkuujt dieses ersten Aufgebots ausging. Diese Ernüchterung teilte sich notwendig anch den uiederen Elementen mit, den „Ungesessenen“, die sich mit dem bürgerlichen Leben wenig eng ver- bunden jühlten. Freunde eines freien Räuberlebens hatte man früher leicht unter ihnen gefunden2), und anch die Krenzjahrer, die einst zur Zeit des Königs Ladislaus gegen Belgrad ansgezogen waren3), hatten sich wohl größtenteils aus ihren Kreisen zusammengesetzt. Aber jetzt sahen sie erst aus der Nähe, was es hieß, gegen Burgen und Heere Krieg zu führen. Ihre Abenteuerlust ver- siegte; ihre uutriegerische Natur wurde offenbar. Dieser uatürliche Rückschlag aber enthielt zugleich eine Entscheidung von tiefer und furchtbarer Bedentsamkeit. Indem das Breslauer Volk seinen Kriegsmut verlor, gab es notwendig auch den Gedanfen, der dem Kampfe zugrunde lag, innerlich auf. Die Bewegung, die auf den Krieg hingedrängt hatte, verlor jetzt ihre innere Kraft, ja ihren Sinn. Die Gemeine konnte fortan unmöglich uoch eine wirtliche Begeisterung für die heilige Sache auf 1) Eich. D II, 46, L 134. (In Frankenstein quasi omnes servitores civium equos tenencium remanserant et perdiderant omnia bona, qui, postquam domum reversi sunt, communitatem incitaverunt ad mala verba.) 2) Vgl. Eschenloers Erzählung über die „böse Rotte“, die während des Krieges von 1459 „auf eigenes Abenteuer" Plünderungs- züge in Schlesien unternahin. D I, 117. 3) Oben S. 38. 9*32
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132 Zerstörungswut der ernüchterten Massen; neuer Aufruhr gegen den Rat. aufbringen. Erst später freilich hat sich das Breslauer Volk seine Eruüchterung eingestanden. Aber schon in den ersten Wochen nach der Niederlage zeigte sie ihre verheerende seelische Gewalt. Weil die Ernüchterung uneingestanden blieb, lastete sie um so schwerer auf den Gemütern des Volkes; sie brachte alle dunklen Leidenschaften der Masse zu einem verwirrten und tobenden Aus- bruch. Unter den Eindruck der Franfensteiner Ereiguisse erhob sich in der Stadt ein neuer Anfruhr der Gemeine gegen den Rat, und dieser Aufruhr lähmte vollends alle Kräfte, die etwa das Ansehen der Stadt noch wieder aufrichten konuten. Der Rat verstand die Pflicht, die ihm aus der Niederlage erwuchs. Er erließ ein Aufgebot im Fürstentum; er warb eifrig Sölduer1). Er suchte die Bürgerschaft zur Bewachung der Tore anzuhalten. Aber die Menge trat ihm in fassungsloser Zerstörungswut entgegen. Sie spielte jetzt die Rolle des armen verratenen Volkes, in der sie sich stets gefallen hatte, mit stärtster Leideuschaft. Bei ihr bildete sich die feste Überzengnug, daß der Rat uud die Hanptleute und Söldner der Feldtruppe die Frankensteiner Niederlage böswillig verschuldet hätten. Den Hofelenten, die sich in der Nacht des 15. Juni tapfer durch¬ geschlagen hatten, ließ die Gemeine entbieten, sie sollten sich nicht erfühuen, nach Breslau zurückzukehren2). Dem Rate aber verweigerte das Volk alles, was er zur Fortführung des Krieges für nötig hielt. Die Tore blieben un- bewacht; hätten die Böhmen damals einen Angriff auf Breslan gewagt, so wäre ihnen die Stadt ohne Widerstand in die Hände gefallen3). Und die Menge wußte selbst die Tätigkeit der Sölduertruppe zu hemmen. Weun von einer größeren Unternehmung dieser Streitfräfte die Rede war, so erhoben sich alsbald Gerüchte, jetzt solle Breslau schon wieder verraten werden, und die Söldner mußten ruhig liegen bleiben4). Der Kreuzzugsgedanke, auj den die Breslaner so stolz waren, verfiel in eine eigentümsiche Verkehrung. Der Krieg gegen die Ketzer wurde vernachlässigt; der heilige Zorn der Bürger wandte sich nur noch gegen die eigene Obrigfeit. Der Feind schante diesen Unruhen mit Behagen zu; er sandte gern die Gefangenen von Frankenstein zurück; diese beeisten sich, in das Verratsgeschrei einzustimmen 5). Die uiederen Schichten, denen diese heimgefehrten Gefangenen zumeist angehörten, „ungesessene, ledige pursche und pöfel, jung und alt“, gaben wiederum in der öffentlichen Meinnng den Tou an. „Der unendlichste, der uichtis hatte, deun teglich im Sweiduiczen keller gesoffen, wider hosen noch gancze schu anhabende, war obir den burgemeister, obir die ratmanne“ 6). 1) Esch. L 138 f. 2) Esch. D II, 47. 3) Esch. D II, 48. 4) Esch. L 138 f. 5) Esch. L 134 (oben S. 131, Anm. 1), D II, 80. 6) Eſch. D II, 48.
132 Zerstörungswut der ernüchterten Massen; neuer Aufruhr gegen den Rat. aufbringen. Erst später freilich hat sich das Breslauer Volk seine Eruüchterung eingestanden. Aber schon in den ersten Wochen nach der Niederlage zeigte sie ihre verheerende seelische Gewalt. Weil die Ernüchterung uneingestanden blieb, lastete sie um so schwerer auf den Gemütern des Volkes; sie brachte alle dunklen Leidenschaften der Masse zu einem verwirrten und tobenden Aus- bruch. Unter den Eindruck der Franfensteiner Ereiguisse erhob sich in der Stadt ein neuer Anfruhr der Gemeine gegen den Rat, und dieser Aufruhr lähmte vollends alle Kräfte, die etwa das Ansehen der Stadt noch wieder aufrichten konuten. Der Rat verstand die Pflicht, die ihm aus der Niederlage erwuchs. Er erließ ein Aufgebot im Fürstentum; er warb eifrig Sölduer1). Er suchte die Bürgerschaft zur Bewachung der Tore anzuhalten. Aber die Menge trat ihm in fassungsloser Zerstörungswut entgegen. Sie spielte jetzt die Rolle des armen verratenen Volkes, in der sie sich stets gefallen hatte, mit stärtster Leideuschaft. Bei ihr bildete sich die feste Überzengnug, daß der Rat uud die Hanptleute und Söldner der Feldtruppe die Frankensteiner Niederlage böswillig verschuldet hätten. Den Hofelenten, die sich in der Nacht des 15. Juni tapfer durch¬ geschlagen hatten, ließ die Gemeine entbieten, sie sollten sich nicht erfühuen, nach Breslau zurückzukehren2). Dem Rate aber verweigerte das Volk alles, was er zur Fortführung des Krieges für nötig hielt. Die Tore blieben un- bewacht; hätten die Böhmen damals einen Angriff auf Breslan gewagt, so wäre ihnen die Stadt ohne Widerstand in die Hände gefallen3). Und die Menge wußte selbst die Tätigkeit der Sölduertruppe zu hemmen. Weun von einer größeren Unternehmung dieser Streitfräfte die Rede war, so erhoben sich alsbald Gerüchte, jetzt solle Breslau schon wieder verraten werden, und die Söldner mußten ruhig liegen bleiben4). Der Kreuzzugsgedanke, auj den die Breslaner so stolz waren, verfiel in eine eigentümsiche Verkehrung. Der Krieg gegen die Ketzer wurde vernachlässigt; der heilige Zorn der Bürger wandte sich nur noch gegen die eigene Obrigfeit. Der Feind schante diesen Unruhen mit Behagen zu; er sandte gern die Gefangenen von Frankenstein zurück; diese beeisten sich, in das Verratsgeschrei einzustimmen 5). Die uiederen Schichten, denen diese heimgefehrten Gefangenen zumeist angehörten, „ungesessene, ledige pursche und pöfel, jung und alt“, gaben wiederum in der öffentlichen Meinnng den Tou an. „Der unendlichste, der uichtis hatte, deun teglich im Sweiduiczen keller gesoffen, wider hosen noch gancze schu anhabende, war obir den burgemeister, obir die ratmanne“ 6). 1) Esch. L 138 f. 2) Esch. D II, 47. 3) Esch. D II, 48. 4) Esch. L 138 f. 5) Esch. L 134 (oben S. 131, Anm. 1), D II, 80. 6) Eſch. D II, 48.
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Anderung der Ratsverfassung; fortdauernde Erregung. 133 Aber die wütende Erregnng ergriff auch die Züufte in weitem Umfang. Nur in einigen wenigen großen Zechen — Eschensoer macht in diesem Sinne die Schnhmacher, Mälzer und Kretschmer namhaft 1) — hielt es die Allgemeinheit ihrer uicht für würdig, an dem sinnlosen Ansturm teilzunehmen. Alle andern wurden mehr oder weniger von dem Tanmel ergriffen; namentlich die kleineren Zünfte standen im Anfruhr gegen den Rat. Wie vor acht Jahren, so ver suchten anch diesmal die Ratmannen, die Gemeine zu besäuftigen, indem sie ihren Einfluß auf die städtischen Geschäfte erweiterten; sie nahmen — neben einem Vertreter der Kanfmannschaft — neun Hauptwortführer aus den Zünften als Beisitzer anf2). Aber die Gemeine zeigte abermals, daß es ihr gar nicht so sehr auf die Teilnahme an der Regierung ankam. Sie war auf das An- erbieten des Rates uicht vorbereitet und hatte keine Vertraueusmänner an- zubieten; der Rat mußte jene Beisitzer allein aussuchen. Und die Beisitzer selbst machten wenig Gebrauch von ihrer Würde; sie hatten uichts zu raten und wurden bald ihres Amtes müde3). Die allgemeine Erregung aber wurde durch jene Maßregel uicht gestillt. Die Anfrührer steuerten in blinder Er- bitterung einem gauz andern Ziele zu als der Erweiterung der Volksrechte: sie lebten in dem Drange, die Schande der Stadt durch eine blutige Rache an den Ratsherren anszutilgen. Es wurden Pläne geschmiedet, wie man sie alle anj einmal umbringen fönne. Eschensoer behauptet, daß diese Absicht nur darum uicht ansgeführt wurde, weil das Geheimnis nicht bewahrt blieb4). Aber der tiefere Grund des Scheiterns war wohl ein anderer: die Menge zögerte selbst, den wüsten Traum zu zerreißen, in dem sie ihre Beschämung zu vergessen suchte. 1) Esch. L 208; die Trene eines Altesten der Schuster wird auch D II, 79 hervorgehoben. 2) Esch. L 136, D 11, 56 f. — Eine Urkunde des Rates, die die Mitwirkung dieser Beifitzer erwähnt, ist in Cod. dipl. Sil. Xl, Nr. 55, S. 190, erhalten. Zu der Aufnahme einer Schuld geben die „czehen erbere leute, die von des kouffmans und der ganczen gemeyne wegin uns — in disem swerin löufften zugegebin sint“, ihre Zustimmng. Esch. spricht in L wie in D nur von neun Aufgenommenen und nur von Vertretern der Gemeine; der zehnte vertritt also „den Kaufmann“. — Auch in dieser Urkunde verwendet der amtliche Sprachgebrauch in Übereinstimung mit dem voltstümlichen das Wort „gemeine“ in der eingeschränkten, sozialen Bedeutung. Vgl. oben S. 18, Anm. 1. 3) Eschenloer erwähnt (D II, 56), daß den Beifitzern ihre Amter schon darum lästig wurden, weil sie ihr Handwerk darüber versäumen mußten. Es ist wohl überhaupt ein wesentlicher Grund für den geringen politischen Ehrgeiz der Voltsmänner aus der Gemeine, daß ihnen die städtischen Ehrenämter zu kostspielig waren. 4) Esch. L 207 f.: „O quam incredibilis insolencia in commu- nitate preterito tempore“ usw. Daß die Stelle, die zum Jahre 1469 eingetragen ist, einen Rückblick auf die Vorgänge von 1467 darstellt, ist kaum zu bezweifeln. Über einen besonders blutgierigen Hetzer ergeht sich Eschenloer mehrfach in dunklen Anspielungen (L 142 Anm., 144, 205, 208; D II, 173).
Anderung der Ratsverfassung; fortdauernde Erregung. 133 Aber die wütende Erregnng ergriff auch die Züufte in weitem Umfang. Nur in einigen wenigen großen Zechen — Eschensoer macht in diesem Sinne die Schnhmacher, Mälzer und Kretschmer namhaft 1) — hielt es die Allgemeinheit ihrer uicht für würdig, an dem sinnlosen Ansturm teilzunehmen. Alle andern wurden mehr oder weniger von dem Tanmel ergriffen; namentlich die kleineren Zünfte standen im Anfruhr gegen den Rat. Wie vor acht Jahren, so ver suchten anch diesmal die Ratmannen, die Gemeine zu besäuftigen, indem sie ihren Einfluß auf die städtischen Geschäfte erweiterten; sie nahmen — neben einem Vertreter der Kanfmannschaft — neun Hauptwortführer aus den Zünften als Beisitzer anf2). Aber die Gemeine zeigte abermals, daß es ihr gar nicht so sehr auf die Teilnahme an der Regierung ankam. Sie war auf das An- erbieten des Rates uicht vorbereitet und hatte keine Vertraueusmänner an- zubieten; der Rat mußte jene Beisitzer allein aussuchen. Und die Beisitzer selbst machten wenig Gebrauch von ihrer Würde; sie hatten uichts zu raten und wurden bald ihres Amtes müde3). Die allgemeine Erregung aber wurde durch jene Maßregel uicht gestillt. Die Anfrührer steuerten in blinder Er- bitterung einem gauz andern Ziele zu als der Erweiterung der Volksrechte: sie lebten in dem Drange, die Schande der Stadt durch eine blutige Rache an den Ratsherren anszutilgen. Es wurden Pläne geschmiedet, wie man sie alle anj einmal umbringen fönne. Eschensoer behauptet, daß diese Absicht nur darum uicht ansgeführt wurde, weil das Geheimnis nicht bewahrt blieb4). Aber der tiefere Grund des Scheiterns war wohl ein anderer: die Menge zögerte selbst, den wüsten Traum zu zerreißen, in dem sie ihre Beschämung zu vergessen suchte. 1) Esch. L 208; die Trene eines Altesten der Schuster wird auch D II, 79 hervorgehoben. 2) Esch. L 136, D 11, 56 f. — Eine Urkunde des Rates, die die Mitwirkung dieser Beifitzer erwähnt, ist in Cod. dipl. Sil. Xl, Nr. 55, S. 190, erhalten. Zu der Aufnahme einer Schuld geben die „czehen erbere leute, die von des kouffmans und der ganczen gemeyne wegin uns — in disem swerin löufften zugegebin sint“, ihre Zustimmng. Esch. spricht in L wie in D nur von neun Aufgenommenen und nur von Vertretern der Gemeine; der zehnte vertritt also „den Kaufmann“. — Auch in dieser Urkunde verwendet der amtliche Sprachgebrauch in Übereinstimung mit dem voltstümlichen das Wort „gemeine“ in der eingeschränkten, sozialen Bedeutung. Vgl. oben S. 18, Anm. 1. 3) Eschenloer erwähnt (D II, 56), daß den Beifitzern ihre Amter schon darum lästig wurden, weil sie ihr Handwerk darüber versäumen mußten. Es ist wohl überhaupt ein wesentlicher Grund für den geringen politischen Ehrgeiz der Voltsmänner aus der Gemeine, daß ihnen die städtischen Ehrenämter zu kostspielig waren. 4) Esch. L 207 f.: „O quam incredibilis insolencia in commu- nitate preterito tempore“ usw. Daß die Stelle, die zum Jahre 1469 eingetragen ist, einen Rückblick auf die Vorgänge von 1467 darstellt, ist kaum zu bezweifeln. Über einen besonders blutgierigen Hetzer ergeht sich Eschenloer mehrfach in dunklen Anspielungen (L 142 Anm., 144, 205, 208; D II, 173).
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134 Teilnahme der Prediger ant Aufruhr. Prozeß gegen Steinkeller und Beyer. Seltsam berührt es uns, daß auch diesmal an dem allgemeinen Ansturm gegen den Rat die Prediger teilnahmen. Sie standen hier zwar in ihrer ge wohnten Umgebung, und sie waren schon oft die Widersacher des Rates ge wesen. Aber wenn sie jetzt noch erustlich den Kreuzzug wollten, so mußten sie dem Rate bei seinen Bemühungen um die Fortsetzung des Krieges zu Hilfe kommen. Doch auch die Prediger standen unter der zerrüttenden Wirkung des allgemeinen Zusammenbruches. Vielleicht wollten sie das Versagen des Volkes uicht sehen; vielleicht aber waren sie sich des Mißlingens bewußt und wollten sich uur dagegen wehren, daß die Bürgerschaft sich eines anderen besänne und ihren Haß gegen die Propheten des Kreuzzuges richtete. Der Bischof versuchte den Klerus zu bändigen; er setzte einen der Widerspenstigsten, den Dompropst Düster, gefangen1). Aber dieser Gewaltakt führte das Volk und die geistlichen Demagogen uur noch näher zusammen. Jn der allgemeinen Wut steigerte sich auch die Erregung der Predigt fast bis zum Wahnsinn. Ein Unterprediger zu St. Elisabeth pflegte seine Gemeinde aufzufordern: „Endet was ir furhabet, stroffet die vorreter.“ Ein anderer Kanzelreduer, ein Mönch im Kloster zu St. Beruhardin, das einst auf Veraulassung Capistraus ge- stiftet worden war, kam anf den Gedanken, die Erscheinung seines Heisigen nachzuahmen: wie dieser den Namen Jesn, so hielt er der Gemeinde ein großes Kreuz vor, „glichsam die Bresler vom creuz welden fallen“2). Die Mordpläne traten schließlich zurück; aber noch drei Monate nach der Niederlage wollte sich die Gemeine durch eine sörmliche Aburteilung der Ratsherren Genugtnung verschaffen. Insbesondere verlangte man die Bestrafung Georg Steinkellers und Nikolaus Beyers. Jener sollte die Einschließung des Skoppeschen Heerhaufens, dieser das Scheitern der Entsatzhilfe verschuldet haben. Der Legat wurde bestürmt, ihren Verrat zu bestätigen; er mußte über sie zu Gericht sitzen. Die Klage war haltlos. Nur die „geringen Leute“, die sich in Frankenstein hatten gefangen nehmen lassen, meldeten sich als Zeugen des Verrats; die Leute des Bischofs und die städtischen Söldner stellten den Angeklagten den besten Leumund aus. Der Legat urteilte dem- gemäß, daß er an ihnen keine Schuld finden könne. Aber anf seine Bitten legten jene beiden Ratsherren freiwillig ihr Amt nieder. Es geschah, um Schlimmeres zu vermeiden; denn die Menge verriet schon eine tolle Begierde, sehen zu dürfen, wie den Ratsherren am Pranger die Köpfe abgeschlagen würden 3). 1) Esch. L 134, D II, 51. 2) Esch. D II, 79, 58. L 136. 3) Esch. L 144, D II, 79 ff. Cod. dipl. Sil. XI, S. 33.
134 Teilnahme der Prediger ant Aufruhr. Prozeß gegen Steinkeller und Beyer. Seltsam berührt es uns, daß auch diesmal an dem allgemeinen Ansturm gegen den Rat die Prediger teilnahmen. Sie standen hier zwar in ihrer ge wohnten Umgebung, und sie waren schon oft die Widersacher des Rates ge wesen. Aber wenn sie jetzt noch erustlich den Kreuzzug wollten, so mußten sie dem Rate bei seinen Bemühungen um die Fortsetzung des Krieges zu Hilfe kommen. Doch auch die Prediger standen unter der zerrüttenden Wirkung des allgemeinen Zusammenbruches. Vielleicht wollten sie das Versagen des Volkes uicht sehen; vielleicht aber waren sie sich des Mißlingens bewußt und wollten sich uur dagegen wehren, daß die Bürgerschaft sich eines anderen besänne und ihren Haß gegen die Propheten des Kreuzzuges richtete. Der Bischof versuchte den Klerus zu bändigen; er setzte einen der Widerspenstigsten, den Dompropst Düster, gefangen1). Aber dieser Gewaltakt führte das Volk und die geistlichen Demagogen uur noch näher zusammen. Jn der allgemeinen Wut steigerte sich auch die Erregung der Predigt fast bis zum Wahnsinn. Ein Unterprediger zu St. Elisabeth pflegte seine Gemeinde aufzufordern: „Endet was ir furhabet, stroffet die vorreter.“ Ein anderer Kanzelreduer, ein Mönch im Kloster zu St. Beruhardin, das einst auf Veraulassung Capistraus ge- stiftet worden war, kam anf den Gedanken, die Erscheinung seines Heisigen nachzuahmen: wie dieser den Namen Jesn, so hielt er der Gemeinde ein großes Kreuz vor, „glichsam die Bresler vom creuz welden fallen“2). Die Mordpläne traten schließlich zurück; aber noch drei Monate nach der Niederlage wollte sich die Gemeine durch eine sörmliche Aburteilung der Ratsherren Genugtnung verschaffen. Insbesondere verlangte man die Bestrafung Georg Steinkellers und Nikolaus Beyers. Jener sollte die Einschließung des Skoppeschen Heerhaufens, dieser das Scheitern der Entsatzhilfe verschuldet haben. Der Legat wurde bestürmt, ihren Verrat zu bestätigen; er mußte über sie zu Gericht sitzen. Die Klage war haltlos. Nur die „geringen Leute“, die sich in Frankenstein hatten gefangen nehmen lassen, meldeten sich als Zeugen des Verrats; die Leute des Bischofs und die städtischen Söldner stellten den Angeklagten den besten Leumund aus. Der Legat urteilte dem- gemäß, daß er an ihnen keine Schuld finden könne. Aber anf seine Bitten legten jene beiden Ratsherren freiwillig ihr Amt nieder. Es geschah, um Schlimmeres zu vermeiden; denn die Menge verriet schon eine tolle Begierde, sehen zu dürfen, wie den Ratsherren am Pranger die Köpfe abgeschlagen würden 3). 1) Esch. L 134, D II, 51. 2) Esch. D II, 79, 58. L 136. 3) Esch. L 144, D II, 79 ff. Cod. dipl. Sil. XI, S. 33.
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Rücktritt Tempelfelds. Zusammenbruch des Befreiungskampfes. 135 Diese Stürme dauerten an, während im Breslauer und im Münster berger Gebiet die Söldner der Stadt fortgesetzt mit den feindlichen Heerhaufen Scharmützel hatten. Der Rat zeigte seinen guten Willen, dem Papste Wort zu halten; aber es war offenbar, daß das Breslauer Volk keinen heiligen Krieg mehr führte. Tempelfeld selbst gab dieser Tatsache den vollkommensten Ausdruck; er legte sein Predigtamt nieder und zog sich ganz auf seine Dom- kautorstelle zurück1). Es wird uns nicht überliefert, daß er an dem letzten wilden Anlanf gegen den Rat Anteil gehabt hätte. Nicht uur seine Lebensarbeit, anch das Werk, nach dessen Vollendung das Breslaner Volk seit Jahren gestrebt hatte, wurde in der Frankensteiner Katastrophe und den Unrnhen, die ihr solgten, dem Geiste nach zerstört. Der Wunsch nach der Vernichtung Georgs bestand noch weiter; aber er führte seit jenen Tagen uur mehr ein Scheinleben. Er war nicht mehr von einem starken Willen getragen, und selbst der Haß, der in ihm gelebt hatte, hatte sich gekühlt. — Die Unruhen des Sommers 1467 haben im einzelnen mit denen des Sommers 1459 viel Ahnlichkeit; aber in ihrem inneren Geiste sind die beiden Tumulte von einander tief verschieden. Damals, im ersten Kampfe gegen König Georg, hatte die Gemeine dem Rate ihren Willen zum Kriege aufzwingen wollen und anfgezwungen. Jetzt hatte sie keinen politischen Willen mehr und wollte nur noch verneinen. Sie verbiß sich zäher als je in ihren Widerspruch gegen die Ratsaristokratie. Aber dieser Haß wütete nur darum so rücksichtslos, weil er die Ernüchterung übertönen mußte, die in den Massen eingetreten war, weil der leidenschaftliche Wille zum Befreiungskampfe sich in einem kurzen Aufflackern verzehrt hatte. Nur damit, daß sie beständig über Verrat schrie, kounte die Gemeine ihre Waffenunlust vor sich selbst verdecken. Aber die Gemeine konnte ihren inneren Abfall von der Begeisterung für die heilige Sache kaum auch vor der Welt verheimlichen, und sie konnte die Enttäuschung, die die Stadt den Bundesgenossen durch die Niederlage von Frankenstein bereitet hatte, durch ihr unfruchtbares Toben nur vermehren. Seit der Papst und der Herrenbund den Krieg gegen Georg beschlossen hatten, hatte sich das Ansehen der kampfesmutigen und, wie es schien, auch kampj tüchtigen Stadt wieder bedentend gesteigert; jetzt verfiel es rettungslos. Der Unfähigkeit der Breslauer wurde zur Last gelegt, daß sich die Erhebung gegen Georg nicht, wie zu erwarten gewesen war, sogleich über ganz Schlesien und die Lansitz ausbreitete. Herzog Heinrich von Krossen und die Görlitzer hielten, erschreckt durch die Niederlage von Frankenstein, ihre versprochenen Hilfstruppen 1) Esch. D II, 83.
Rücktritt Tempelfelds. Zusammenbruch des Befreiungskampfes. 135 Diese Stürme dauerten an, während im Breslauer und im Münster berger Gebiet die Söldner der Stadt fortgesetzt mit den feindlichen Heerhaufen Scharmützel hatten. Der Rat zeigte seinen guten Willen, dem Papste Wort zu halten; aber es war offenbar, daß das Breslauer Volk keinen heiligen Krieg mehr führte. Tempelfeld selbst gab dieser Tatsache den vollkommensten Ausdruck; er legte sein Predigtamt nieder und zog sich ganz auf seine Dom- kautorstelle zurück1). Es wird uns nicht überliefert, daß er an dem letzten wilden Anlanf gegen den Rat Anteil gehabt hätte. Nicht uur seine Lebensarbeit, anch das Werk, nach dessen Vollendung das Breslaner Volk seit Jahren gestrebt hatte, wurde in der Frankensteiner Katastrophe und den Unrnhen, die ihr solgten, dem Geiste nach zerstört. Der Wunsch nach der Vernichtung Georgs bestand noch weiter; aber er führte seit jenen Tagen uur mehr ein Scheinleben. Er war nicht mehr von einem starken Willen getragen, und selbst der Haß, der in ihm gelebt hatte, hatte sich gekühlt. — Die Unruhen des Sommers 1467 haben im einzelnen mit denen des Sommers 1459 viel Ahnlichkeit; aber in ihrem inneren Geiste sind die beiden Tumulte von einander tief verschieden. Damals, im ersten Kampfe gegen König Georg, hatte die Gemeine dem Rate ihren Willen zum Kriege aufzwingen wollen und anfgezwungen. Jetzt hatte sie keinen politischen Willen mehr und wollte nur noch verneinen. Sie verbiß sich zäher als je in ihren Widerspruch gegen die Ratsaristokratie. Aber dieser Haß wütete nur darum so rücksichtslos, weil er die Ernüchterung übertönen mußte, die in den Massen eingetreten war, weil der leidenschaftliche Wille zum Befreiungskampfe sich in einem kurzen Aufflackern verzehrt hatte. Nur damit, daß sie beständig über Verrat schrie, kounte die Gemeine ihre Waffenunlust vor sich selbst verdecken. Aber die Gemeine konnte ihren inneren Abfall von der Begeisterung für die heilige Sache kaum auch vor der Welt verheimlichen, und sie konnte die Enttäuschung, die die Stadt den Bundesgenossen durch die Niederlage von Frankenstein bereitet hatte, durch ihr unfruchtbares Toben nur vermehren. Seit der Papst und der Herrenbund den Krieg gegen Georg beschlossen hatten, hatte sich das Ansehen der kampfesmutigen und, wie es schien, auch kampj tüchtigen Stadt wieder bedentend gesteigert; jetzt verfiel es rettungslos. Der Unfähigkeit der Breslauer wurde zur Last gelegt, daß sich die Erhebung gegen Georg nicht, wie zu erwarten gewesen war, sogleich über ganz Schlesien und die Lansitz ausbreitete. Herzog Heinrich von Krossen und die Görlitzer hielten, erschreckt durch die Niederlage von Frankenstein, ihre versprochenen Hilfstruppen 1) Esch. D II, 83.
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136 Breslan verliert alles Ansehen. zurück1); erst im Herbst griffen sie in den Kampf ein2). Noch widerwilliger verhielten sich die übrigen Schlesier. Der Adel von Schweiduitz-Janer hatte durch sein zweideutiges Verhalten schon den Feldzug von Franfenstein unheil- voll beeinflußt; jetzt versagten er und auch die Stadt Schweidnitz der päpst- lichen Partei alle Hilfe. Erst um die Jahreswende wurden sie durch Drohungen der Liga zum Beitritt gezwungen3). Noch länger und dringlicher mußte man die Herzöge von Lieguitz und Öls bestürmen, ehe sie offen von Georg ab fielen 4). — Die Breslaner waren so während des ersten Kriegsjahres uoch immer die zuverlässigsten Bundesgenossen des Papstes in Schlesien. Aber das, was sie leisteten 5), kam gegenüber dem, was sie verabsänmten und dem, was sie verschuldet hatten, kaum zur Geltung. Der Legat zeigte sich wenig dankbar; er fragte unwillig, wo denn die 10000 Mann blieben, die die Stadt angeblich ins Feld stellen könne, und äußerte ein Bedanern darüber, daß er sich auf sie verlassen habe. Der Rat verteidigte sich: die Einleitung dieses Krieges sei wider seinen Willen geschehen, und daß er sich und die Kirche über die Kräfte der Stadt uicht getänscht habe, gehe aus seinen stetigen Hilfs- gesuchen an den Papst hervor6). Aber der Legat konnte diese Rechtfertigung kaum gutheißen. Wenu die Breslaner immer geklagt hatten7), so hatten sie doch dem Papste auch ihren Beistand versprochen und hatten die höchste Opfer bereitschaft erwarten lassen. Sie hatten sich als eine Säule der Christenheit ge- priesen; sie hatten versichert, daß Georg sich vor ihnen jürchte, und daß ihnen mit päpstlicher Hilfe die Niederwerfung der Ketzer jetzt nicht minder gelingen werde als einst in den Hussitenkriegens). Wenn aber der Rat bei der Einleitung des Krieges vom Volke und von den Predigern überrmmpelt worden war, so erklärte dieses Mißgeschick noch nicht das danernde Versagen. Dem Legaten zeigten sich zudem im Verlauf des Aufruhrs vom Somner und Herbst 1467 diese inneren Zustände Breslaus von ihrer unerfrensichsten Seite. Durch die Tumulte gegen den Rat kam die Stadt uamentlich auch bei den slavischen Nachbarn in Verruf. Als im Winter eine große Liga-Tagung anberaumt werden sollte, war es das Nächstliegende, sie in Breslan abzuhalten; deun die verbündeten Gegner Georgs wollten auf dieser Tagung mit Polen verhandeln. Die böhmischen Herren und die polnischen Abgesandten weigerten 1) Esch. L 133, 139. 2) Esch. L 144 ff. Urk. Beitr. Nr. 423 f. (Forster Bündnis). 3) Esch. L 159 ff., 168 ff. 4) Esch. L 181, 188. Mahuschreiben des Kaisers an Friedrich von Liegnitz, 13. Juni 1463: Korr. 404. Script. rer. Siles. IX, 279. 5) Vgl. die Unter- 6) Esch. D II, 56 f. stützung für Herzog Balthasar. Esch. L 145 f., D II, 75—77. 7) So zuletzt namentlich über die Lasten ihrer Kriegsbereischaft (Korr. 314. Script. rer. 8) Vgl. oben S. 105, 107. Siles. IX, 155, L 118 f.).
136 Breslan verliert alles Ansehen. zurück1); erst im Herbst griffen sie in den Kampf ein2). Noch widerwilliger verhielten sich die übrigen Schlesier. Der Adel von Schweiduitz-Janer hatte durch sein zweideutiges Verhalten schon den Feldzug von Franfenstein unheil- voll beeinflußt; jetzt versagten er und auch die Stadt Schweidnitz der päpst- lichen Partei alle Hilfe. Erst um die Jahreswende wurden sie durch Drohungen der Liga zum Beitritt gezwungen3). Noch länger und dringlicher mußte man die Herzöge von Lieguitz und Öls bestürmen, ehe sie offen von Georg ab fielen 4). — Die Breslaner waren so während des ersten Kriegsjahres uoch immer die zuverlässigsten Bundesgenossen des Papstes in Schlesien. Aber das, was sie leisteten 5), kam gegenüber dem, was sie verabsänmten und dem, was sie verschuldet hatten, kaum zur Geltung. Der Legat zeigte sich wenig dankbar; er fragte unwillig, wo denn die 10000 Mann blieben, die die Stadt angeblich ins Feld stellen könne, und äußerte ein Bedanern darüber, daß er sich auf sie verlassen habe. Der Rat verteidigte sich: die Einleitung dieses Krieges sei wider seinen Willen geschehen, und daß er sich und die Kirche über die Kräfte der Stadt uicht getänscht habe, gehe aus seinen stetigen Hilfs- gesuchen an den Papst hervor6). Aber der Legat konnte diese Rechtfertigung kaum gutheißen. Wenu die Breslaner immer geklagt hatten7), so hatten sie doch dem Papste auch ihren Beistand versprochen und hatten die höchste Opfer bereitschaft erwarten lassen. Sie hatten sich als eine Säule der Christenheit ge- priesen; sie hatten versichert, daß Georg sich vor ihnen jürchte, und daß ihnen mit päpstlicher Hilfe die Niederwerfung der Ketzer jetzt nicht minder gelingen werde als einst in den Hussitenkriegens). Wenn aber der Rat bei der Einleitung des Krieges vom Volke und von den Predigern überrmmpelt worden war, so erklärte dieses Mißgeschick noch nicht das danernde Versagen. Dem Legaten zeigten sich zudem im Verlauf des Aufruhrs vom Somner und Herbst 1467 diese inneren Zustände Breslaus von ihrer unerfrensichsten Seite. Durch die Tumulte gegen den Rat kam die Stadt uamentlich auch bei den slavischen Nachbarn in Verruf. Als im Winter eine große Liga-Tagung anberaumt werden sollte, war es das Nächstliegende, sie in Breslan abzuhalten; deun die verbündeten Gegner Georgs wollten auf dieser Tagung mit Polen verhandeln. Die böhmischen Herren und die polnischen Abgesandten weigerten 1) Esch. L 133, 139. 2) Esch. L 144 ff. Urk. Beitr. Nr. 423 f. (Forster Bündnis). 3) Esch. L 159 ff., 168 ff. 4) Esch. L 181, 188. Mahuschreiben des Kaisers an Friedrich von Liegnitz, 13. Juni 1463: Korr. 404. Script. rer. Siles. IX, 279. 5) Vgl. die Unter- 6) Esch. D II, 56 f. stützung für Herzog Balthasar. Esch. L 145 f., D II, 75—77. 7) So zuletzt namentlich über die Lasten ihrer Kriegsbereischaft (Korr. 314. Script. rer. 8) Vgl. oben S. 105, 107. Siles. IX, 155, L 118 f.).
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Weitere Entwicklung des Krieges. König Matthias. 137 sich aber, wegen der „Ungebärde“, die das Volk in Breslau bewiesen hatte, die Versammlung dorthin zu legen; sie bestimmten Brieg zum Orte der Tagung. Die Ratmannen hatten alle Mühe, die Herren gnädig zu stimmen und schließlich doch noch nach Breslan zu ziehen 1). Aber die Anwesenheit der vornehmen Verbündeten war auch die einzige Ehre, die die Stadt von dieser Tagung davontrng; in den Verhandlungen selbst, die drei Wochen andauerten, standen ihre Vertreter völlig im Hintergrunde. Obwohl Breslau am frühesten die Sache vertreten hatte, die den Bund zusammeuschloß, galt es jetzt nur als ein untergeordnetes Mitglied des Bundes2). Inzwischen hatte eine politische Eutwicklnng eingesetzt, die die Bedentung Breslaus noch tiejer in den Schatten stellen mußte. Die Kirche und der Herreubund waren zu der Erkeuntnis gelangt, daß die bisher eingesetzten Kräfte zur Niederwerfung Georgs uicht ausreichten. Man bedurfte des Bei standes einer starken auswärtigen Macht, die sich zugleich zum Anwärter aus die böhmische Krone aufwerfen uußzte. Man hatte darum jene Beziehungen zu Polen angefnüpit. Aber König Kasimir war zu feiner entscheidenden Zu- sage zu bewegen; er hielt sich jetzt, wie anch späterhin, den Weg frei, das Reich durch Abmachungen mit Georg selbst für sein Haus zu erwerbens). Mehr Erfolg hatte die Liga im nächsten Jahre mit Matthias von Ungarn; dieser, der Georg seit langem eutfremdet war, begaun im Frühjahr 1468 in der Tat den Krieg gegen ihn. Die Stadt Breslau hätte nur durch die äußersten Anstreugungen neben einem solchen Bundesgenossen noch einige Geltnng behaupten können; jetzt vor allem hing ihr Ansehen davon ab, ob sie den verheißenen Volkstrieg ius Werk setzen wollte. Der Rat verstand dies und suchte das Aufgebot zu verstärken; aber bei der Bürgerschaft stieß er fort- gesetzt anf Weigerung4). So war das Ausehen Breslaus uicht mehr auj die alte Höhe zu bringen 5). Das Ziel, nach dem die Breslauer so lange gestrebt hatten, wurde freilich nun bald erreicht. Sie branchten sich Georg uicht wieder zu unterwerjen; am 3. Mai 1469 wurde Matthias in Olmütz von den katholischen Fürsten und Ständen des Reiches zum König von Böhmen erwählt; vier Wochen darauf huldigten ihm in Breslan die Stadt selbst und nach ihr die Schlesier und Lausitzer. Aber die Breslaner blieben dieses Erfolges uicht lange froh. 2) Vgl. die Verhandlungsberichte Eschenloers, 1) Esch. L 159, 162; D II, 94 f. L 163—175; D 11, 96—104, und des Görlitzer Stadtschreibers Frauenburg, Urk. Beitr. 5) Vgl. die 3) Bachmann II, 606. 4) Esch. L 180; D II, 123. Nr. 431. Klagen des Legaten Rudolf — ietzt Bischofs von Breslau — über die geringen Leistungen der Stadt; Esch. D II, 186 f.
Weitere Entwicklung des Krieges. König Matthias. 137 sich aber, wegen der „Ungebärde“, die das Volk in Breslau bewiesen hatte, die Versammlung dorthin zu legen; sie bestimmten Brieg zum Orte der Tagung. Die Ratmannen hatten alle Mühe, die Herren gnädig zu stimmen und schließlich doch noch nach Breslan zu ziehen 1). Aber die Anwesenheit der vornehmen Verbündeten war auch die einzige Ehre, die die Stadt von dieser Tagung davontrng; in den Verhandlungen selbst, die drei Wochen andauerten, standen ihre Vertreter völlig im Hintergrunde. Obwohl Breslau am frühesten die Sache vertreten hatte, die den Bund zusammeuschloß, galt es jetzt nur als ein untergeordnetes Mitglied des Bundes2). Inzwischen hatte eine politische Eutwicklnng eingesetzt, die die Bedentung Breslaus noch tiejer in den Schatten stellen mußte. Die Kirche und der Herreubund waren zu der Erkeuntnis gelangt, daß die bisher eingesetzten Kräfte zur Niederwerfung Georgs uicht ausreichten. Man bedurfte des Bei standes einer starken auswärtigen Macht, die sich zugleich zum Anwärter aus die böhmische Krone aufwerfen uußzte. Man hatte darum jene Beziehungen zu Polen angefnüpit. Aber König Kasimir war zu feiner entscheidenden Zu- sage zu bewegen; er hielt sich jetzt, wie anch späterhin, den Weg frei, das Reich durch Abmachungen mit Georg selbst für sein Haus zu erwerbens). Mehr Erfolg hatte die Liga im nächsten Jahre mit Matthias von Ungarn; dieser, der Georg seit langem eutfremdet war, begaun im Frühjahr 1468 in der Tat den Krieg gegen ihn. Die Stadt Breslau hätte nur durch die äußersten Anstreugungen neben einem solchen Bundesgenossen noch einige Geltnng behaupten können; jetzt vor allem hing ihr Ansehen davon ab, ob sie den verheißenen Volkstrieg ius Werk setzen wollte. Der Rat verstand dies und suchte das Aufgebot zu verstärken; aber bei der Bürgerschaft stieß er fort- gesetzt anf Weigerung4). So war das Ausehen Breslaus uicht mehr auj die alte Höhe zu bringen 5). Das Ziel, nach dem die Breslauer so lange gestrebt hatten, wurde freilich nun bald erreicht. Sie branchten sich Georg uicht wieder zu unterwerjen; am 3. Mai 1469 wurde Matthias in Olmütz von den katholischen Fürsten und Ständen des Reiches zum König von Böhmen erwählt; vier Wochen darauf huldigten ihm in Breslan die Stadt selbst und nach ihr die Schlesier und Lausitzer. Aber die Breslaner blieben dieses Erfolges uicht lange froh. 2) Vgl. die Verhandlungsberichte Eschenloers, 1) Esch. L 159, 162; D II, 94 f. L 163—175; D 11, 96—104, und des Görlitzer Stadtschreibers Frauenburg, Urk. Beitr. 5) Vgl. die 3) Bachmann II, 606. 4) Esch. L 180; D II, 123. Nr. 431. Klagen des Legaten Rudolf — ietzt Bischofs von Breslau — über die geringen Leistungen der Stadt; Esch. D II, 186 f.
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138 Die Ernüchterung Breslaus kommt an den Tag- Der Vernichtungskampf, den die Stadt gegen Georg geführt hatte, war zu einem Teile durch die drückende Angst vor möglichen Gefahren begründet gewesen; jetzt, da der Albdruck wich, wurde den Bürgern die Prüfung auf gedrungen, ob das Ziel so vieler Sorgen und Anstrengungen wert gewesen war. Die Antwort auf diese Frage lantete verneinend. Wie der hartnäckige Widerstand, den die Breslauer einem Frieden mit Georg eutgegengesetzt hatten, seine leidenschaftliche Stärke und den Schein der Größe schon eingebüßt hatte, so versor er für die Bürger selbst jetzt auch den Schein der Notwendigkeit. Die nächste Ursache dieser Wandlung lag in den Leiden des fortdauernden Krieges. Die Stadt mußte immer wieder Soldtruppen aufstellen. Noch empfindlicher als diese Belastung war die dauerude Störung des Breslauer Handels in Böhmen und auch in Schlesien selbst. Namentlich im Gebiete von Schweidnitz-Jauer plünderte der Adel die Kaufleute aus, während er mit den Böhmen trotz der Huldigung des Herzogtums an Matthias wieder freund- liche Beziehungen anknüpfte1). Eine weitere Schädigung drohte dem Breslauer Handel von Polen her; hier war die Anuäherung an Georg weiter vor- geschritten; der König und die Großen des Reiches sprachen die Absicht ans, den Breslauer Kaufleuten den Eintritt in das Land zu versagen2). Endlich wurde die Stadt durch die Verödung und Verarmung des schlesischen Landes in Mitleidenschaft gezogen, das durch die Streifzüge der Kriegsvölker schwer verwüstet wurde, so weit es sich nicht durch Bußen Schonung erkaufte. Natür- liche Unbilden, erst ein harter Winter, dann im Jahre 1470 regenreiche Frühlingss und Sommermonate, vermehrten dieses Unglück. Namentlich in den nahen Gebieten von Münsterberg und Glatz machten sich die Verheerungen geltend, aber auch im Fürstentum Breslau selbst. So erlitten uicht nur Handel und Handwerk, sondern auch die Erträgnisse, die die reichen Bürger aus ihren Landgütern zogen, die schwersten Einbußen 5). Die Nachbarn aber behielten im Gedächtnis, daß Breslau immer zum Kriege gereizt hatte und fluchten ihm darum4); auch die Polen begründeten ihre Drohungen mit diesem Vor- wurf. Man empfand mit Bitterkeit, daß die guten Katholiken in Schlesien den Hauptschaden von diesem Feldzug gegen die Ketzer hatten. Selbst der Legat sprach offen aus, er bereue diesen Krieg; er war 1468 uach dem Tode Josts zum Bischof von Breslau erwählt worden und hatte jetzt als geistlicher 2) Esch. L 218, 227; D II. 191 f. Script. rer. Siles. 1) Esch. L 232; D II, 210. XIII, S. 14, Nr. 20. Diese Absichten standen wohl zugleich mit der keimenden Handels- eifersucht der Polen in Verbindung. Vgl. H. Wendt, Darstellungen und Quellen XXI, S. 36. 3) Esch. L 219. 223, 229, 231; D II, 194, 209 f. 4) Eſch. L 224: Omnes in Slesia iterum crucifige! clamabant super Wratislavienses.
138 Die Ernüchterung Breslaus kommt an den Tag- Der Vernichtungskampf, den die Stadt gegen Georg geführt hatte, war zu einem Teile durch die drückende Angst vor möglichen Gefahren begründet gewesen; jetzt, da der Albdruck wich, wurde den Bürgern die Prüfung auf gedrungen, ob das Ziel so vieler Sorgen und Anstrengungen wert gewesen war. Die Antwort auf diese Frage lantete verneinend. Wie der hartnäckige Widerstand, den die Breslauer einem Frieden mit Georg eutgegengesetzt hatten, seine leidenschaftliche Stärke und den Schein der Größe schon eingebüßt hatte, so versor er für die Bürger selbst jetzt auch den Schein der Notwendigkeit. Die nächste Ursache dieser Wandlung lag in den Leiden des fortdauernden Krieges. Die Stadt mußte immer wieder Soldtruppen aufstellen. Noch empfindlicher als diese Belastung war die dauerude Störung des Breslauer Handels in Böhmen und auch in Schlesien selbst. Namentlich im Gebiete von Schweidnitz-Jauer plünderte der Adel die Kaufleute aus, während er mit den Böhmen trotz der Huldigung des Herzogtums an Matthias wieder freund- liche Beziehungen anknüpfte1). Eine weitere Schädigung drohte dem Breslauer Handel von Polen her; hier war die Anuäherung an Georg weiter vor- geschritten; der König und die Großen des Reiches sprachen die Absicht ans, den Breslauer Kaufleuten den Eintritt in das Land zu versagen2). Endlich wurde die Stadt durch die Verödung und Verarmung des schlesischen Landes in Mitleidenschaft gezogen, das durch die Streifzüge der Kriegsvölker schwer verwüstet wurde, so weit es sich nicht durch Bußen Schonung erkaufte. Natür- liche Unbilden, erst ein harter Winter, dann im Jahre 1470 regenreiche Frühlingss und Sommermonate, vermehrten dieses Unglück. Namentlich in den nahen Gebieten von Münsterberg und Glatz machten sich die Verheerungen geltend, aber auch im Fürstentum Breslau selbst. So erlitten uicht nur Handel und Handwerk, sondern auch die Erträgnisse, die die reichen Bürger aus ihren Landgütern zogen, die schwersten Einbußen 5). Die Nachbarn aber behielten im Gedächtnis, daß Breslau immer zum Kriege gereizt hatte und fluchten ihm darum4); auch die Polen begründeten ihre Drohungen mit diesem Vor- wurf. Man empfand mit Bitterkeit, daß die guten Katholiken in Schlesien den Hauptschaden von diesem Feldzug gegen die Ketzer hatten. Selbst der Legat sprach offen aus, er bereue diesen Krieg; er war 1468 uach dem Tode Josts zum Bischof von Breslau erwählt worden und hatte jetzt als geistlicher 2) Esch. L 218, 227; D II. 191 f. Script. rer. Siles. 1) Esch. L 232; D II, 210. XIII, S. 14, Nr. 20. Diese Absichten standen wohl zugleich mit der keimenden Handels- eifersucht der Polen in Verbindung. Vgl. H. Wendt, Darstellungen und Quellen XXI, S. 36. 3) Esch. L 219. 223, 229, 231; D II, 194, 209 f. 4) Eſch. L 224: Omnes in Slesia iterum crucifige! clamabant super Wratislavienses.
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Georg stirbt. Neuer Kampf um die Krone. 139 Oberhirt Schlesiens und als Landesherr von Neiße doppelt Anlaß, die Wendung der Dinge schwer zu empfinden; er begann, sich der friedjertigen Gesinnung seiner beiden Antsvorgänger zu nähern1). Unter diesem wirtschaftlichen und moralischen Druck wurde bald auch die Bürgerschaft von Breslau mürbe. Die Sehnsucht nach Frieden überwog alle anderen politischen Fordernngen. Man erkaunte, daß der Kampf gegen Georg und der Übergang zu Matthias gerade die Folgen gezeitigt hatte, die man von einer Herrschaft Georgs gefürchtet hatte — daß jetzt die Breslauer nirgends sicher ein und ausgehen kounten. Die Gemeine litt am meisten und ver- dammte den Krieg am lantesten. In ihren Kreisen wurde jetzt hart auf die Prediger gescholten2). Diese suchten ihrerseits die Schuld von sich abzuwälzen und begannen selbst, den Frieden zu predigens). Und auch die Ratmannen ermüdeten schließlich trotz ihrer Pflichttreue. Als es im Herbst 1470 schien, als wolle Matthias den Krieg gegen Georg einstellen, traten sie einem Be- schlusse der schlesischen Fürsten bei, mit Georg Friedensverhandlungen an- zuknüpfen. Nur das Wiederauftauchen des Königs Matthias im Kampfbereich veranlaßte, daß dieser Beschluß nicht zur Ausführung kam 4). Die Breslauer haben sich bei dieser beabsichtigten Anknüpfung gewiß nicht zu einer neuen Unterwerjung verstehen wollen; aber der Friede, den sie wünschten, hätte not wendig eingeschlossen, daß sie die Kirche und Matthias preisgaben und Georg sich in Böhmen wieder befestigen ließen. Die Breslauer wären also von dem Grundsatz abgefallen, von dem aus sie Georg befehdet hatten: daß mit ihm und mit den Ketzern fein Friede zu halten sei. Dieser Augenblick der Demütigung kounte nicht mehr wiederkehren: schon am 22. März 1471 ist Georg gestorben. III. Nachwirkungen und Ergebnisse. Die Frage der böhmischen Krone, die nun schon seit drei Jahrzehnten das Reich und die Nachbarmächte immer aufs neue in Anspruch nahm, erschien mit dem Hingang Georgs in verändeter Gestalt wieder. Gegen Matthias, der die östlichen Länder der Krone in Besitz hatte, trat das polnische Herrscher¬ haus auf. Schou Georg hatte sich eng mit ihm verbündet und Wladislaw, einem Sohne des Königs Kasimir, die Nachfolge im böhmischen Reiche zu- gesichert; jetzt einigte sich auch die überwältigende Mehrheit der böhmischen Stände, die dem ungarischen Machthaber kein Vertrauen entgegenbrachte, auf diesen Prinzen. 1) Esch. L 219; D II, 194 f. 2) Esch. L. 231 f. 3) Esch. L 235. 4) Esch. L 233 f.; D II, 211 f.
Georg stirbt. Neuer Kampf um die Krone. 139 Oberhirt Schlesiens und als Landesherr von Neiße doppelt Anlaß, die Wendung der Dinge schwer zu empfinden; er begann, sich der friedjertigen Gesinnung seiner beiden Antsvorgänger zu nähern1). Unter diesem wirtschaftlichen und moralischen Druck wurde bald auch die Bürgerschaft von Breslau mürbe. Die Sehnsucht nach Frieden überwog alle anderen politischen Fordernngen. Man erkaunte, daß der Kampf gegen Georg und der Übergang zu Matthias gerade die Folgen gezeitigt hatte, die man von einer Herrschaft Georgs gefürchtet hatte — daß jetzt die Breslauer nirgends sicher ein und ausgehen kounten. Die Gemeine litt am meisten und ver- dammte den Krieg am lantesten. In ihren Kreisen wurde jetzt hart auf die Prediger gescholten2). Diese suchten ihrerseits die Schuld von sich abzuwälzen und begannen selbst, den Frieden zu predigens). Und auch die Ratmannen ermüdeten schließlich trotz ihrer Pflichttreue. Als es im Herbst 1470 schien, als wolle Matthias den Krieg gegen Georg einstellen, traten sie einem Be- schlusse der schlesischen Fürsten bei, mit Georg Friedensverhandlungen an- zuknüpfen. Nur das Wiederauftauchen des Königs Matthias im Kampfbereich veranlaßte, daß dieser Beschluß nicht zur Ausführung kam 4). Die Breslauer haben sich bei dieser beabsichtigten Anknüpfung gewiß nicht zu einer neuen Unterwerjung verstehen wollen; aber der Friede, den sie wünschten, hätte not wendig eingeschlossen, daß sie die Kirche und Matthias preisgaben und Georg sich in Böhmen wieder befestigen ließen. Die Breslauer wären also von dem Grundsatz abgefallen, von dem aus sie Georg befehdet hatten: daß mit ihm und mit den Ketzern fein Friede zu halten sei. Dieser Augenblick der Demütigung kounte nicht mehr wiederkehren: schon am 22. März 1471 ist Georg gestorben. III. Nachwirkungen und Ergebnisse. Die Frage der böhmischen Krone, die nun schon seit drei Jahrzehnten das Reich und die Nachbarmächte immer aufs neue in Anspruch nahm, erschien mit dem Hingang Georgs in verändeter Gestalt wieder. Gegen Matthias, der die östlichen Länder der Krone in Besitz hatte, trat das polnische Herrscher¬ haus auf. Schou Georg hatte sich eng mit ihm verbündet und Wladislaw, einem Sohne des Königs Kasimir, die Nachfolge im böhmischen Reiche zu- gesichert; jetzt einigte sich auch die überwältigende Mehrheit der böhmischen Stände, die dem ungarischen Machthaber kein Vertrauen entgegenbrachte, auf diesen Prinzen. 1) Esch. L 219; D II, 194 f. 2) Esch. L. 231 f. 3) Esch. L 235. 4) Esch. L 233 f.; D II, 211 f.
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140 Die Stadt im Kriege von 1474. Die Stadt Breslau durfte gegenüber dieser Wendung nicht gleichgültig bleiben. Sie hatte Matthias Treue geschworen, und überdies hatten die Böhmen durch die Erhebung des Wladislaus bezeugt, daß sie an ihrem Au- spruch, allein über die Krone zu verfügen, festhielten. Aber die Breslauer sehnten sich uicht mehr danach, politische Gedanken zu vertreten. Ihnen war es genug, daß wenigstens auj die Ernenerung einer Ketzerherrschaft feine Aus- sicht mehr bestand. Jhrem tiefen Ruhebedürfnis konnte es uur widerwärtig sein, daß sie in dem neuen Kampf um die Krone Partei zu ergreifen hatten. Doch gerade dieser Kampf, der doch nur ein Nachspiel ihres Kampjes war, sollte sie noch viel stärker in Mitleidenschaft ziehen als die Reichsgeschichte der letzten Jahrzehute. Der Gegensatz zwischen Matthias nnd Polen mußte im Jahre 1474 kriegerisch ausgetragen werden. Zum Schauplatz des Krieges war Schlesien durch seine Lage vorherbestimmt, und hier war die Hauptstadt als der Ort, der die reichsten Hiljsmittel bot, der gegebene Stützpunkt für die Heeresmacht des Matthias. Unmittelbar vor den Mauern Breslaus schlug er sein Lager auf. Hierhin richteten sich die polnischen nnd böhmischen Scharen; wocheulang lagen sich im Herbste die Heere gegenüber — bis Hunger und Krankheit und die Bedränguisse, die Matthias den Polen im eigenen Lande bereitete, die Polen und Böhmen zum Waffeustillstand und Rückzug zwangen. Die Breslauer Bevölkerung hatte schwer an der Verpflegnng des ungarischen Heeres zu tragen. Sie wäre eigentlich auch verpflichtet gewesen, friegerisch mitzuhelfen und wenigstens die Bewachung der Stadttore zu übernehmen. Aber die Gemüter waren so tief herabgestimmt, daß die Lähmnng des militä¬ rischen Pflichtbewußtseins, die seit der Frankensteiner Katastrophe eingetreten war, auch gegenüber dieser dringenden Aufgabe noch anhielt: die Bürgerschaft tat uichts für die Verteidigung der Stadt1). Der Friede von Olmütz, der (1479) den böhmischen Throustreit schlichtete, beließ die Breslauer unter der Herrschaft des Königs, zu dem sie Zuflucht genommen hatten. Aber er befriedigte doch uur mangeshaft die Ausprüche, mit denen sie einst aufgetreten waren. Als König von Böhmen wurde Wla- dislaw anerkannt; er erhielt auch Böhmen. Die Nebenländer wurden vom Hauptlande abgetrennt. Matthias sollte sie lebenslänglich behalten; uach seinem Tode sollten sie gegen Erstattung einer Pfandsumme von der Krone Böhmen zurückgewonnen werden können2). Für die nächste Zeit wurde also die Einheit der Krone aufgelöst, die die Breslauer stets hochgehalten hatten; nach dem Tode des Matthias aber blieb entweder dieser Zustand erhalten, oder Breslau 1) Esch. D II, 311. 2) Grünhagen, Geschichte Schlesiens 1, 343.
140 Die Stadt im Kriege von 1474. Die Stadt Breslau durfte gegenüber dieser Wendung nicht gleichgültig bleiben. Sie hatte Matthias Treue geschworen, und überdies hatten die Böhmen durch die Erhebung des Wladislaus bezeugt, daß sie an ihrem Au- spruch, allein über die Krone zu verfügen, festhielten. Aber die Breslauer sehnten sich uicht mehr danach, politische Gedanken zu vertreten. Ihnen war es genug, daß wenigstens auj die Ernenerung einer Ketzerherrschaft feine Aus- sicht mehr bestand. Jhrem tiefen Ruhebedürfnis konnte es uur widerwärtig sein, daß sie in dem neuen Kampf um die Krone Partei zu ergreifen hatten. Doch gerade dieser Kampf, der doch nur ein Nachspiel ihres Kampjes war, sollte sie noch viel stärker in Mitleidenschaft ziehen als die Reichsgeschichte der letzten Jahrzehute. Der Gegensatz zwischen Matthias nnd Polen mußte im Jahre 1474 kriegerisch ausgetragen werden. Zum Schauplatz des Krieges war Schlesien durch seine Lage vorherbestimmt, und hier war die Hauptstadt als der Ort, der die reichsten Hiljsmittel bot, der gegebene Stützpunkt für die Heeresmacht des Matthias. Unmittelbar vor den Mauern Breslaus schlug er sein Lager auf. Hierhin richteten sich die polnischen nnd böhmischen Scharen; wocheulang lagen sich im Herbste die Heere gegenüber — bis Hunger und Krankheit und die Bedränguisse, die Matthias den Polen im eigenen Lande bereitete, die Polen und Böhmen zum Waffeustillstand und Rückzug zwangen. Die Breslauer Bevölkerung hatte schwer an der Verpflegnng des ungarischen Heeres zu tragen. Sie wäre eigentlich auch verpflichtet gewesen, friegerisch mitzuhelfen und wenigstens die Bewachung der Stadttore zu übernehmen. Aber die Gemüter waren so tief herabgestimmt, daß die Lähmnng des militä¬ rischen Pflichtbewußtseins, die seit der Frankensteiner Katastrophe eingetreten war, auch gegenüber dieser dringenden Aufgabe noch anhielt: die Bürgerschaft tat uichts für die Verteidigung der Stadt1). Der Friede von Olmütz, der (1479) den böhmischen Throustreit schlichtete, beließ die Breslauer unter der Herrschaft des Königs, zu dem sie Zuflucht genommen hatten. Aber er befriedigte doch uur mangeshaft die Ausprüche, mit denen sie einst aufgetreten waren. Als König von Böhmen wurde Wla- dislaw anerkannt; er erhielt auch Böhmen. Die Nebenländer wurden vom Hauptlande abgetrennt. Matthias sollte sie lebenslänglich behalten; uach seinem Tode sollten sie gegen Erstattung einer Pfandsumme von der Krone Böhmen zurückgewonnen werden können2). Für die nächste Zeit wurde also die Einheit der Krone aufgelöst, die die Breslauer stets hochgehalten hatten; nach dem Tode des Matthias aber blieb entweder dieser Zustand erhalten, oder Breslau 1) Esch. D II, 311. 2) Grünhagen, Geschichte Schlesiens 1, 343.
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Breslau und König Matthias. 141 kam unter die Herrschaft des Erwählten der böhmischen Nation. Beide Möglichkeiten widersprachen den Rechtsanschaunngen, die die Breslauer als gültig anerkannten. Aber ihnen mußte es genügen, daß die Lösung ihnen Ruhe brachte. Weniger leicht konnten sie sich damit abfinden, daß auch die Haltung ihres erkorenen Beherrschers uur wenig den Vorstellungen entsprach, die sich vom wahren Königtum gebildet hatten, als sie sich einst gegen Podiebrad wehrten. Matthias hatte keinen Anlaß. ihnen mit Achtung zu begegnen; in seiner unbedenflichen Härte sah er von Anjang an in der Stadt nur eine träge Bürgerschaft, die ihren Reichtum ängstlich verschloß und sich weigerte, die Aufgabe zu erfüslen, die ihr vor allem oblag: eine Hilfsquelle für die königliche Macht darzustellen. Die hohen Auflagen, die er eintrieb, wurden der ganzen Bürgerschaft fühlbar. Insbesondere aber hatte die Ratsaristokratie unter der Rücksichtslosigkeit seiner Maßregeln zu leiden. In der Hoffnung, die verborgenen Reichtümer der Stadt besser zu erschließen, richtete Matthias wiederholt seinen Angriff auf Gewohnheiten, die dem Patriziat teuer waren. Schon seinen Regiernngsantritt im Jahre 1469 begann er damit, daß er dem Rate die Hauptmaunschaft über das Fürstentum entzog1). Diese Maßregel blieb uicht lange bestehen; aber wenige Jahre darauf verletzte Matthias das Selbstbewußtsein der Ratsaristokratie noch tiefer. Nach dem Kriege mit Polen stieß er eigenmächtig die Freiheit der Ratswahlen und die gestende Rats- wahlordunng um; er setzte im Jahre 1475 selbst Rat und Schöffen ein und stelte für die Zuknuft die beiden Körperschaften unter die doppelte Aufsicht eines Ratsältesten, dessen Ernennnng er sich selbst vorbehielt, und eines Wähler kolleginms aus den Kaufleuten und der Gemeine. Die Anordnung war für die herrschenden Familien darnm besouders beleidigend, weil sie sich unschuldig wußten, und gerade durch die Gemeine die Stadt in dem soeben verflossenen Kriege abermals aujs schlimmste bloßgestellt worden war. In das gleiche Jahr 1475 fällt anch schon der erste Versuch des Königs, den Güterbesitz der Krone im Fürstentum wiederherzustellen. Die Schritte, die er in dieser Absicht unternehmen ließ, blieben freisich zunächst ebenso erfolglos wie vor zwanzig Jahren die verwandten Bestrebungen Heinrichs von Rosenberg, und erst in das nächste Jahrzehnt fallen die harten Kämpje um die Lehnsgüter, in denen sich die Mannschaft des Fürstentums, die ja großenteils mit der Ratsaristokratie 1) Über die Bedeutung der Hauptmannschaft für die Beherrschung des Landes durch die Stadt vgl. oben S. 9, 82. Es ist bezeichnend, daß gerade während der kurzen Zeit, in der die Hauptmannschaft dem Rate genommen war, die Landsassen der Stadt die militärische Hilfe verweigerten. Esch. L 228.
Breslau und König Matthias. 141 kam unter die Herrschaft des Erwählten der böhmischen Nation. Beide Möglichkeiten widersprachen den Rechtsanschaunngen, die die Breslauer als gültig anerkannten. Aber ihnen mußte es genügen, daß die Lösung ihnen Ruhe brachte. Weniger leicht konnten sie sich damit abfinden, daß auch die Haltung ihres erkorenen Beherrschers uur wenig den Vorstellungen entsprach, die sich vom wahren Königtum gebildet hatten, als sie sich einst gegen Podiebrad wehrten. Matthias hatte keinen Anlaß. ihnen mit Achtung zu begegnen; in seiner unbedenflichen Härte sah er von Anjang an in der Stadt nur eine träge Bürgerschaft, die ihren Reichtum ängstlich verschloß und sich weigerte, die Aufgabe zu erfüslen, die ihr vor allem oblag: eine Hilfsquelle für die königliche Macht darzustellen. Die hohen Auflagen, die er eintrieb, wurden der ganzen Bürgerschaft fühlbar. Insbesondere aber hatte die Ratsaristokratie unter der Rücksichtslosigkeit seiner Maßregeln zu leiden. In der Hoffnung, die verborgenen Reichtümer der Stadt besser zu erschließen, richtete Matthias wiederholt seinen Angriff auf Gewohnheiten, die dem Patriziat teuer waren. Schon seinen Regiernngsantritt im Jahre 1469 begann er damit, daß er dem Rate die Hauptmaunschaft über das Fürstentum entzog1). Diese Maßregel blieb uicht lange bestehen; aber wenige Jahre darauf verletzte Matthias das Selbstbewußtsein der Ratsaristokratie noch tiefer. Nach dem Kriege mit Polen stieß er eigenmächtig die Freiheit der Ratswahlen und die gestende Rats- wahlordunng um; er setzte im Jahre 1475 selbst Rat und Schöffen ein und stelte für die Zuknuft die beiden Körperschaften unter die doppelte Aufsicht eines Ratsältesten, dessen Ernennnng er sich selbst vorbehielt, und eines Wähler kolleginms aus den Kaufleuten und der Gemeine. Die Anordnung war für die herrschenden Familien darnm besouders beleidigend, weil sie sich unschuldig wußten, und gerade durch die Gemeine die Stadt in dem soeben verflossenen Kriege abermals aujs schlimmste bloßgestellt worden war. In das gleiche Jahr 1475 fällt anch schon der erste Versuch des Königs, den Güterbesitz der Krone im Fürstentum wiederherzustellen. Die Schritte, die er in dieser Absicht unternehmen ließ, blieben freisich zunächst ebenso erfolglos wie vor zwanzig Jahren die verwandten Bestrebungen Heinrichs von Rosenberg, und erst in das nächste Jahrzehnt fallen die harten Kämpje um die Lehnsgüter, in denen sich die Mannschaft des Fürstentums, die ja großenteils mit der Ratsaristokratie 1) Über die Bedeutung der Hauptmannschaft für die Beherrschung des Landes durch die Stadt vgl. oben S. 9, 82. Es ist bezeichnend, daß gerade während der kurzen Zeit, in der die Hauptmannschaft dem Rate genommen war, die Landsassen der Stadt die militärische Hilfe verweigerten. Esch. L 228.
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142 Ausklang. zusammenfiel, gegen die eigennützigen Handlanger des Königs, Georg von Stein und Heinrich Dompnig, zur Wehr setzte 1). Aber schon in den ersten Jahren der Regierung des Königs war zu erkennen, daß Matthias alle die Rechte gering achtete, die einst der Rat im Vertrage von 1460 vor König Georg in Sicherheit zu bringen gesucht hatte. So mußten die Ereignisse dieser Jahre den Breslauern allseitig die Er- innerung an ihren Widerstand gegen Podiebrad, die ihnen durch das Miß- geschick von 1467 schon verleidet war, noch mehr verleiden. Die Erhebung, die einst ruhmvoll erschienen war, trug ein verzerrtes Gesicht; sie sah aus wie das sinnlose und taumelnde Aufbegehren einer ohmmächtigen Bürgerschaft. Und die Leiden, die den Breslauern aus dem Kampf um die böhmische Krone entstanden waren, konnten als die Straje dieser Überhebung gelten. Wenn die Breslauer Ratsherren in der Zeit des Krieges mit Polen über ihre Lasten seufzten, dann bekamen sie von den Günstlingen des Königs Worte zu hören wie diese: „Ir habet den tancz gehegt, ir müsset den pfeufern und lauten- slahern lonen; man muß euch also anrichten, das ir fortmer sulche torstikeit nicht an euch nemet, mit konigen zu crigen, konigen uicht gehorsam zu sein, konige keczer zu heissen. Dem bobst gebürt, keczer zu erkennen und nicht euch panern von Breslow. Man sal mit euch machen, das andire stete leruen gehorsam halden, irer narunge warten, frides begeren und mit crigen un- vorworren sein" 2). Wir haben den Kampf der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad von seinen Anfängen an verfolgt und kennen den tragischen Inhalt des Schicksals, dem dieser Spott die lächerliche Seite abgewinnt. Wir sahen, wie sich die Stadt um ihrer Ehre willen nicht mit der Meinung bescheiden konnte, daß es dem Papste allein gebühre, Könige Ketzer zu nennen. Wir erfannten, wie der Kampf aus der bürgerlichen Verantwortung entsprang und sich aus diesem Bewußtsein von neuem belebte, als er schon beendigt schien. Aber es wurde uns auch deutlich, daß die Bedingungen, unter denen Breslau den Kampf führen mußte, die Stadt zur Schwäche und den Gedanfen ihrer Er- hebung zur inneren Auflösung verurteilten. In einer abschließenden Übersicht wollen wir uns noch einmal die inneren Zusammenhänge dieses Schicksals vergegenwärtigen. 1) Zur Regierung des Königs Matthias in Schlesien und Breslau vgl. Markgraf, Cod. dipl. Sil. XI, S. XLIV—XLVI; Rachfahl, Gesamtstaatsverwaltung, S. 109 ff., und besonders: H. Wendt, Die Stände des Fürstentums Breslau in Kampfe mit Matthias Corvinus, Zeitschr. 32. 2) Eſch. D II, 335.
142 Ausklang. zusammenfiel, gegen die eigennützigen Handlanger des Königs, Georg von Stein und Heinrich Dompnig, zur Wehr setzte 1). Aber schon in den ersten Jahren der Regierung des Königs war zu erkennen, daß Matthias alle die Rechte gering achtete, die einst der Rat im Vertrage von 1460 vor König Georg in Sicherheit zu bringen gesucht hatte. So mußten die Ereignisse dieser Jahre den Breslauern allseitig die Er- innerung an ihren Widerstand gegen Podiebrad, die ihnen durch das Miß- geschick von 1467 schon verleidet war, noch mehr verleiden. Die Erhebung, die einst ruhmvoll erschienen war, trug ein verzerrtes Gesicht; sie sah aus wie das sinnlose und taumelnde Aufbegehren einer ohmmächtigen Bürgerschaft. Und die Leiden, die den Breslauern aus dem Kampf um die böhmische Krone entstanden waren, konnten als die Straje dieser Überhebung gelten. Wenn die Breslauer Ratsherren in der Zeit des Krieges mit Polen über ihre Lasten seufzten, dann bekamen sie von den Günstlingen des Königs Worte zu hören wie diese: „Ir habet den tancz gehegt, ir müsset den pfeufern und lauten- slahern lonen; man muß euch also anrichten, das ir fortmer sulche torstikeit nicht an euch nemet, mit konigen zu crigen, konigen uicht gehorsam zu sein, konige keczer zu heissen. Dem bobst gebürt, keczer zu erkennen und nicht euch panern von Breslow. Man sal mit euch machen, das andire stete leruen gehorsam halden, irer narunge warten, frides begeren und mit crigen un- vorworren sein" 2). Wir haben den Kampf der Stadt Breslau gegen Georg von Podiebrad von seinen Anfängen an verfolgt und kennen den tragischen Inhalt des Schicksals, dem dieser Spott die lächerliche Seite abgewinnt. Wir sahen, wie sich die Stadt um ihrer Ehre willen nicht mit der Meinung bescheiden konnte, daß es dem Papste allein gebühre, Könige Ketzer zu nennen. Wir erfannten, wie der Kampf aus der bürgerlichen Verantwortung entsprang und sich aus diesem Bewußtsein von neuem belebte, als er schon beendigt schien. Aber es wurde uns auch deutlich, daß die Bedingungen, unter denen Breslau den Kampf führen mußte, die Stadt zur Schwäche und den Gedanfen ihrer Er- hebung zur inneren Auflösung verurteilten. In einer abschließenden Übersicht wollen wir uns noch einmal die inneren Zusammenhänge dieses Schicksals vergegenwärtigen. 1) Zur Regierung des Königs Matthias in Schlesien und Breslau vgl. Markgraf, Cod. dipl. Sil. XI, S. XLIV—XLVI; Rachfahl, Gesamtstaatsverwaltung, S. 109 ff., und besonders: H. Wendt, Die Stände des Fürstentums Breslau in Kampfe mit Matthias Corvinus, Zeitschr. 32. 2) Eſch. D II, 335.
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Rückblick. 143 An erster Stelle bringen wir hier einen Umstand in Erinnerung, der uns bei der Betrachtung der Handlungen und Unterlassungen der Stadt leicht aus den Augen kommt. Die Mühen der Breslauer konnten in keinem Falle durch einen Erfolg von fortwirkender Kraft belohnt werden. Denn das Ziel, um das sie kämpften, hatte, jedenjalls seit dem Tode des Königs Ladislaus, keinen eigentlich positiven Jnhalt; es war uur durch Verneinungen näher zu bestimmen. Sie kämpsten gegen den böhmischen Nationalgedanken, gegen die Ketzerherrschaft, gegen Podiebrad. Ihnen schwebte keineswegs eine innere Umgestaltung des böhmischen Reiches vor, durch die die dentschen Reichsteile und damit auch die Stadt Breslau eine höhere Bedentung hätten erlangen sollen, und ein solcher Gedanke hätte anch kaum Erfüllung finden können. Der Kampf der Stadt Breslau war zu Ende, wenn Podiebrad beseitigt war und ein Fürst an seiner Stelle stand, dem sie mit Ehren gehorchen konnte. Ihr politisches Wirken war nicht der Ausflnß aufstrebender Gedanken und Kräfte, sondern nur die Abwehrhandlung eines kleinen Gemeinwesens, das sich die überlieferten mora- lischen Bedingungen seines politischen Daseins erhalten und sich zugleich vor einem übermächtigen Feinde schützen wollte. Die Stadt mußte am Ende des Kampjes so klein erscheinen, wie sie wirklich war. Es war nur natürlich, daß die Mitwelt und auch die Stadt selbst alsdann einen gewissen Widerspruch zwischen ihrem eigenwisligen Anftreten und ihrer wirklichen Bedeutung emp- fanden. Eine Ernüchternug wäre auch eingetreteu, wenn Breslau nicht im gefährlichsten Augenblick versagt hätte. Die Ernüchterung wäre uur weniger grausam gewesen. Die Stadt wäre wohl in eine bescheidene Stellung zurückgesunken und hätte dies mit Trauer empjunden; aber sie hätte nicht vor sich sesbst und der Mitwelt in Nichtachtung geraten müssen. Diesen Sturz hat uur der Zusammenbruch ihrer Kräste im Jahre 1467 verschuldet. Wie wir diesen Zusammenbruch zu erklären haben, das fragen wir vor allem, weun wir das Schicksal der Stadt zu verstehen suchen. Gleich eingangs haben wir drei Momente der Schwäche des Gemein wesens aufgewiesen: seine vereinsamte Stellung in Schlesien, die Undiszipli¬ niertheit und Aufsässigkeit der aufgewühlten Massen, endlich die Enge des politischen Blicks, die die Bürgerschaft und namentlich den Rat verwirrte und unsicher machte. Diese Hemmnngen haben schon in den früheren Abschnitten des Kampfes ihre Bedentung bewiesen; es bestand damals die Gefahr, daß sie den Widerstand überhaupt zum Scheitern brachten. Diese Gefahr wurde überwunden. Die inneren Mängel des politischen Geistes der Stadt wurden aufgewogen durch ihre einheitliche, starre Unnachgiebigkeit. Ihrer Schwer-
Rückblick. 143 An erster Stelle bringen wir hier einen Umstand in Erinnerung, der uns bei der Betrachtung der Handlungen und Unterlassungen der Stadt leicht aus den Augen kommt. Die Mühen der Breslauer konnten in keinem Falle durch einen Erfolg von fortwirkender Kraft belohnt werden. Denn das Ziel, um das sie kämpften, hatte, jedenjalls seit dem Tode des Königs Ladislaus, keinen eigentlich positiven Jnhalt; es war uur durch Verneinungen näher zu bestimmen. Sie kämpsten gegen den böhmischen Nationalgedanken, gegen die Ketzerherrschaft, gegen Podiebrad. Ihnen schwebte keineswegs eine innere Umgestaltung des böhmischen Reiches vor, durch die die dentschen Reichsteile und damit auch die Stadt Breslau eine höhere Bedentung hätten erlangen sollen, und ein solcher Gedanke hätte anch kaum Erfüllung finden können. Der Kampf der Stadt Breslau war zu Ende, wenn Podiebrad beseitigt war und ein Fürst an seiner Stelle stand, dem sie mit Ehren gehorchen konnte. Ihr politisches Wirken war nicht der Ausflnß aufstrebender Gedanken und Kräfte, sondern nur die Abwehrhandlung eines kleinen Gemeinwesens, das sich die überlieferten mora- lischen Bedingungen seines politischen Daseins erhalten und sich zugleich vor einem übermächtigen Feinde schützen wollte. Die Stadt mußte am Ende des Kampjes so klein erscheinen, wie sie wirklich war. Es war nur natürlich, daß die Mitwelt und auch die Stadt selbst alsdann einen gewissen Widerspruch zwischen ihrem eigenwisligen Anftreten und ihrer wirklichen Bedeutung emp- fanden. Eine Ernüchternug wäre auch eingetreteu, wenn Breslau nicht im gefährlichsten Augenblick versagt hätte. Die Ernüchterung wäre uur weniger grausam gewesen. Die Stadt wäre wohl in eine bescheidene Stellung zurückgesunken und hätte dies mit Trauer empjunden; aber sie hätte nicht vor sich sesbst und der Mitwelt in Nichtachtung geraten müssen. Diesen Sturz hat uur der Zusammenbruch ihrer Kräste im Jahre 1467 verschuldet. Wie wir diesen Zusammenbruch zu erklären haben, das fragen wir vor allem, weun wir das Schicksal der Stadt zu verstehen suchen. Gleich eingangs haben wir drei Momente der Schwäche des Gemein wesens aufgewiesen: seine vereinsamte Stellung in Schlesien, die Undiszipli¬ niertheit und Aufsässigkeit der aufgewühlten Massen, endlich die Enge des politischen Blicks, die die Bürgerschaft und namentlich den Rat verwirrte und unsicher machte. Diese Hemmnngen haben schon in den früheren Abschnitten des Kampfes ihre Bedentung bewiesen; es bestand damals die Gefahr, daß sie den Widerstand überhaupt zum Scheitern brachten. Diese Gefahr wurde überwunden. Die inneren Mängel des politischen Geistes der Stadt wurden aufgewogen durch ihre einheitliche, starre Unnachgiebigkeit. Ihrer Schwer-
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144 Rückblick. fälligkeit kam überdies die Predigerschaft zu Hilfe; dieser verdautte sie letztlich den Auschluß an den Papst. Für die Teiluahmlosigfeit der Nachbarn aber — die sowohl in deren geringem Eijer für die gemeinsame Sache, wie in dem geringen Ansehen der Breslauer begründet war — bot eben die päpstliche Hilje einen ausreichenden Ersatz: der Gesamtverband der Christenheit gewährte den Breslauern den Rückhalt, den ihnen der engere Laudesverband, in dem sie standen, versagte. Der Papst konute zwar den Einflnß der Stadt in der Krone Böhmen nicht vergrößern; aber er konnte und mußte ihr doch dazu verhelfen, daß sie ihre Ehre und Sicherheit bewahrte. Der Breslauer Rat fand in Dezember 1459 die notwendige Geistesgegenwart, um diese Hilfe anzunehmen und auszunutzen. Der Vertrag, den er unter der Gewährleistung des Papstes damals mit Georg abschloß, bildete, so furze Zeit er anch Gültigkeit behielt, doch die Grnndlage für einen dauernden Erfolg der Stadt: auf Grund seiner Bedingungen und des päpstlichen Schutzes blieb den Breslauern die demütigende Unterwerfung unter Georg jür immer erspart. Aber jene änßeren und inneren Hemmungen ernenerten sich. Als die Bürgerschaft durch ihr starkes Verantwortungsgefühl gezwungen wurde, den Kampf fortzusetzen, verstand sie, verstand vor allem der Rat nicht, die weit- blickende Besonnenheit zu bewahren. Eine beschränfte Furcht gewann Macht über den Rat und ließ ihn die Stadt in ein Unternehmen hineinziehen, in dem sie ans einem Schützling des Papstes sein stark verpflichteter Schuldner werden mußte. Als aber diese Schuld eingefordert wurde, als es zum Kriege kam, da wirkten alle jene alten schädlichen Einflüsse zujammen, um die Stadt zu Falle zu bringen. Der Rat bereitete den Feldzug so tleinlich vor, daß die militärischen Mittel bald erschöpft waren; die Gemeine vergrößerte das übel durch ihre besinnnngslose Übereilung; die Nachbarn — die Stände von Schweidnitz-Jauer — ließen die Stadt im entscheidenden Angenblick allein. Die Gemeine aber besiegelte noch den Zusammenbruch der Stadt, indem sie nach der Niederlage allen Kampfgeist in einem Ausbruch der sozialen Rache- gefühle untergehen ließ, die stets in ihr gärten. Und dennoch ist die Vereinigung jener drei typischen Schäden uicht die tiefste Ursache des Zusammenbruchs. Diese Ursache — und zugleich das Wesen — des Zusammenbruchs erkannten wir vielmehr in der plötzlichen Waffenunlust der Bürgerschaft. Dem Breslauer Volke ging mit einem Male in der entscheidenden Stunde der zähe Wille zum Kampfe verloren, in dessen Bewußtsein es Jahre hindurch gelebt hatte. Wäre dieser Wandel nicht ein- getreten, so hätten die Mängel der Vorbereitung des Feldzuges überwunden werden können; man hätte der Nachbarn nicht bedurft: und schließlich hat auch
144 Rückblick. fälligkeit kam überdies die Predigerschaft zu Hilfe; dieser verdautte sie letztlich den Auschluß an den Papst. Für die Teiluahmlosigfeit der Nachbarn aber — die sowohl in deren geringem Eijer für die gemeinsame Sache, wie in dem geringen Ansehen der Breslauer begründet war — bot eben die päpstliche Hilje einen ausreichenden Ersatz: der Gesamtverband der Christenheit gewährte den Breslauern den Rückhalt, den ihnen der engere Laudesverband, in dem sie standen, versagte. Der Papst konute zwar den Einflnß der Stadt in der Krone Böhmen nicht vergrößern; aber er konnte und mußte ihr doch dazu verhelfen, daß sie ihre Ehre und Sicherheit bewahrte. Der Breslauer Rat fand in Dezember 1459 die notwendige Geistesgegenwart, um diese Hilfe anzunehmen und auszunutzen. Der Vertrag, den er unter der Gewährleistung des Papstes damals mit Georg abschloß, bildete, so furze Zeit er anch Gültigkeit behielt, doch die Grnndlage für einen dauernden Erfolg der Stadt: auf Grund seiner Bedingungen und des päpstlichen Schutzes blieb den Breslauern die demütigende Unterwerfung unter Georg jür immer erspart. Aber jene änßeren und inneren Hemmungen ernenerten sich. Als die Bürgerschaft durch ihr starkes Verantwortungsgefühl gezwungen wurde, den Kampf fortzusetzen, verstand sie, verstand vor allem der Rat nicht, die weit- blickende Besonnenheit zu bewahren. Eine beschränfte Furcht gewann Macht über den Rat und ließ ihn die Stadt in ein Unternehmen hineinziehen, in dem sie ans einem Schützling des Papstes sein stark verpflichteter Schuldner werden mußte. Als aber diese Schuld eingefordert wurde, als es zum Kriege kam, da wirkten alle jene alten schädlichen Einflüsse zujammen, um die Stadt zu Falle zu bringen. Der Rat bereitete den Feldzug so tleinlich vor, daß die militärischen Mittel bald erschöpft waren; die Gemeine vergrößerte das übel durch ihre besinnnngslose Übereilung; die Nachbarn — die Stände von Schweidnitz-Jauer — ließen die Stadt im entscheidenden Angenblick allein. Die Gemeine aber besiegelte noch den Zusammenbruch der Stadt, indem sie nach der Niederlage allen Kampfgeist in einem Ausbruch der sozialen Rache- gefühle untergehen ließ, die stets in ihr gärten. Und dennoch ist die Vereinigung jener drei typischen Schäden uicht die tiefste Ursache des Zusammenbruchs. Diese Ursache — und zugleich das Wesen — des Zusammenbruchs erkannten wir vielmehr in der plötzlichen Waffenunlust der Bürgerschaft. Dem Breslauer Volke ging mit einem Male in der entscheidenden Stunde der zähe Wille zum Kampfe verloren, in dessen Bewußtsein es Jahre hindurch gelebt hatte. Wäre dieser Wandel nicht ein- getreten, so hätten die Mängel der Vorbereitung des Feldzuges überwunden werden können; man hätte der Nachbarn nicht bedurft: und schließlich hat auch
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Allgemeine bürgerliche Schicksalszüge. 145 zu dem Aufruhr gegen den Rat erst die innere Abtrünnigkeit der Gemeine den unmittelbaren seelischen Anstoß gegeben. Diesen inneren Zusammenbruch nun haben wir nicht eigentlich mehr als einen bezeichnenden Zug des Breslauer Gemeingeistes verstanden, sondern wir verstanden ihn als eine Auswirkung des bürgerlichen Geistes jener Zeit überhaupt. Ein Volkskrieg, wie ihn die Breslauer hier auf sich genommen hatten, widersprach den Gewohnheiten und Fähigkeiten des Bürgertums. Die eigentümlichen inneren Verhältnisse Breslaus treten hier uur insofern hervor, als der Rat in seiner Kurzsichtigkeit nicht bedachte, daß er die Stadt zu einem solchen Feldzug verpflichtete — und als das Volk in seinem blinden Taumel sich zu einem solchen Feldzug jähig glaubte. Im übrigen aber scheiterte die Durchführung der bürgerlichen Ehren- pflicht am Geiste des bürgerlichen Lebens. Und auch in den inneren und äußeren Hemmnissen, die wir vorher ins Auge faßten, treten uns zu einem Teile allgemeine bürgerliche Verhältuisse des späteren Mittelalters entgegen. Die Fremdheit, in der die Stadt den Fürsten und dem Adel des Landes gegenübersteht, die Eifersucht der niederen Schichten gegen die städtische Aristokratie und das Überhandnehmen der wilden Masseuinstiukte in ihnen, das sind weitverbreitete Erscheinungen des städtischen Lebens. Auch findet die Schwerfälligkeit des Breslauer Rates an der Un- behilflichkeit, die die deutschen Reichsstädte in den Fragen der nationalen Politik bewiesen, ein Gegenstück. Durch diese Züge gewiunt das Schicksal der Breslauer innerhalb der Geschichte des deutschen Bürgertums eine allgemeinere Bedeutung. Die be sonderen Aulässe und Ziele des Kampjes der Stadt Breslau liegen außerhalb des Gesichtskreises der übrigen größeren deutschen Städte; sie sind nur aus den besonderen Verhältnissen der Kroue Böhmen zu verstehen, mit der sich die Stadt enger verbunden fühlte als mit dem deutschen Reiche. Aber die Hemmnisse, die die Stadt verhinderten, im böhmischen Reiche die Aufgabe voll durchzuführen, die ihrer städtischen Ehre entsprach, haben auf der poli tischen Handlungsfähigkeit des deutschen Bürgertums überhaupt gelastet. Und das deutsche Bürgertum hat seinen politischen Aufschwung erst gefunden, als sich sein bürgerliches Selbstbewußtsein innerlich mit dem Gedanken der Nation vereinigte, — jenem Gedanken, der dem Kampfe der Breslauer fern blieb, und der ihm doch so nahe zu liegen schien und ihm allein innerlichen Halt und fortwirkende Kraft hätte geben können. Darsielluugen und Quellen XXII. 10
Allgemeine bürgerliche Schicksalszüge. 145 zu dem Aufruhr gegen den Rat erst die innere Abtrünnigkeit der Gemeine den unmittelbaren seelischen Anstoß gegeben. Diesen inneren Zusammenbruch nun haben wir nicht eigentlich mehr als einen bezeichnenden Zug des Breslauer Gemeingeistes verstanden, sondern wir verstanden ihn als eine Auswirkung des bürgerlichen Geistes jener Zeit überhaupt. Ein Volkskrieg, wie ihn die Breslauer hier auf sich genommen hatten, widersprach den Gewohnheiten und Fähigkeiten des Bürgertums. Die eigentümlichen inneren Verhältnisse Breslaus treten hier uur insofern hervor, als der Rat in seiner Kurzsichtigkeit nicht bedachte, daß er die Stadt zu einem solchen Feldzug verpflichtete — und als das Volk in seinem blinden Taumel sich zu einem solchen Feldzug jähig glaubte. Im übrigen aber scheiterte die Durchführung der bürgerlichen Ehren- pflicht am Geiste des bürgerlichen Lebens. Und auch in den inneren und äußeren Hemmnissen, die wir vorher ins Auge faßten, treten uns zu einem Teile allgemeine bürgerliche Verhältuisse des späteren Mittelalters entgegen. Die Fremdheit, in der die Stadt den Fürsten und dem Adel des Landes gegenübersteht, die Eifersucht der niederen Schichten gegen die städtische Aristokratie und das Überhandnehmen der wilden Masseuinstiukte in ihnen, das sind weitverbreitete Erscheinungen des städtischen Lebens. Auch findet die Schwerfälligkeit des Breslauer Rates an der Un- behilflichkeit, die die deutschen Reichsstädte in den Fragen der nationalen Politik bewiesen, ein Gegenstück. Durch diese Züge gewiunt das Schicksal der Breslauer innerhalb der Geschichte des deutschen Bürgertums eine allgemeinere Bedeutung. Die be sonderen Aulässe und Ziele des Kampjes der Stadt Breslau liegen außerhalb des Gesichtskreises der übrigen größeren deutschen Städte; sie sind nur aus den besonderen Verhältnissen der Kroue Böhmen zu verstehen, mit der sich die Stadt enger verbunden fühlte als mit dem deutschen Reiche. Aber die Hemmnisse, die die Stadt verhinderten, im böhmischen Reiche die Aufgabe voll durchzuführen, die ihrer städtischen Ehre entsprach, haben auf der poli tischen Handlungsfähigkeit des deutschen Bürgertums überhaupt gelastet. Und das deutsche Bürgertum hat seinen politischen Aufschwung erst gefunden, als sich sein bürgerliches Selbstbewußtsein innerlich mit dem Gedanken der Nation vereinigte, — jenem Gedanken, der dem Kampfe der Breslauer fern blieb, und der ihm doch so nahe zu liegen schien und ihm allein innerlichen Halt und fortwirkende Kraft hätte geben können. Darsielluugen und Quellen XXII. 10
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146 Die Überlieferung über den Huldigungsstreit. Anhang. I. Die Quellen zum Huldigungsstreit von 1454. Die Darstellung, die oben S. 24, 27—32 über die Anfänge des Huldigungs- streits von 1454 gegeben ist, bedarf an dieser Stelle einer besonderen Begründung. Eschenloer, der erst nach der Beilegung des Konfliktes nach Breslau kam, hat der Überlieferung dieser Ereignisse nicht die Sorgsalt zugewandt, der wir unsere wesentlichsten Kenntnisse von den späteren Abschnitten des Kampfes ver danken. Er hat für den Huldigungsstreit die urkundlichen Zeugnisse über die Verhandlungen mit der böhmischen Regierung nicht gesammelt. Er hat auch bei seiner erzähsenden Darstellung im lateinischen Texte das vorhandene Briefmaterial nicht zugrunde gelegt, sondern hat uur vom Hörensagen berichtet; seine Angaben sind dürftig und ungenau. Als er dann die deutsche Textfassung niederschrieb, hat er, wie es scheint, einen flüchtigen Einblick in die Korrespondenzen genommen, ohne jedoch die Darstellung von Grund aus neu zu gestalten. Unsere genanere Kenntnis über die Abfolge der Ereignisse verdanken wir an dieser Stelle einem Werke, das sonst die Erzählung Eschenloers uur unwesentlich ergänzt: den „Annalen“ des Namslauer Stadtschreibers Johannes Froben1). Hier sind urkundliche Zeugnisse über den Streit zusammengetragen. Allerdings hat Froben sein Inter esse nur deujenigen Dokumenten zugewandt, die die Haltung seines Städtchens beleuchten. Aber unter diesen Dokumenten befindet sich die ausführliche Denk- schrift vom 7. Mai, die in Breslau angefertigt wurde, und auch die übrigen Stücke lassen wichtige Rückschlüsse auf die Haupthandlung, den Konflikt zwischen Podiebrad und Breslan, zu. Eschenloers Darstellung wird durch die Frobenschen Dokumente mehrfach berichtigt. Dennoch ist sie nicht völlig zu entbehren; an einer wesentlichen Stelle deutet sie einen Sachverhalt an, den die urkundliche Überlieferung verschleiert. Hier ist die Wahrheit nur durch eine kritische Ver- knüpfung beider Überlieferungen zu ermitteln. Wir lassen zunächst die urkundlichen Zeugnisse bei Froben in ihrer zeitlichen Folge reden 2): 1. 1454, 21. Januar: König Ladislaus befiehlt der Stadt Namslau, am 22. Februar in Prag zu huldigen. 2. 14. Februar: Die Stadt Namslau entschuldigt sich, daß sie dem Geheiß nicht folgen könne, da Kriegsgesahr jetzt die Anwesenheit des Rates in Namslau fordere. Sie erkenne den König aber als ihren Erbherrn an und werde ihm 1) Über Verfasser und Werk vgl. E. Dybeck, Zeitschr. 43. 2) Stück 1—3 vgl. Bei- lage 1; Stück 4 = Korresp. 2, Script. rer. Siles. VIII, 1 ff.
146 Die Überlieferung über den Huldigungsstreit. Anhang. I. Die Quellen zum Huldigungsstreit von 1454. Die Darstellung, die oben S. 24, 27—32 über die Anfänge des Huldigungs- streits von 1454 gegeben ist, bedarf an dieser Stelle einer besonderen Begründung. Eschenloer, der erst nach der Beilegung des Konfliktes nach Breslau kam, hat der Überlieferung dieser Ereignisse nicht die Sorgsalt zugewandt, der wir unsere wesentlichsten Kenntnisse von den späteren Abschnitten des Kampfes ver danken. Er hat für den Huldigungsstreit die urkundlichen Zeugnisse über die Verhandlungen mit der böhmischen Regierung nicht gesammelt. Er hat auch bei seiner erzähsenden Darstellung im lateinischen Texte das vorhandene Briefmaterial nicht zugrunde gelegt, sondern hat uur vom Hörensagen berichtet; seine Angaben sind dürftig und ungenau. Als er dann die deutsche Textfassung niederschrieb, hat er, wie es scheint, einen flüchtigen Einblick in die Korrespondenzen genommen, ohne jedoch die Darstellung von Grund aus neu zu gestalten. Unsere genanere Kenntnis über die Abfolge der Ereignisse verdanken wir an dieser Stelle einem Werke, das sonst die Erzählung Eschenloers uur unwesentlich ergänzt: den „Annalen“ des Namslauer Stadtschreibers Johannes Froben1). Hier sind urkundliche Zeugnisse über den Streit zusammengetragen. Allerdings hat Froben sein Inter esse nur deujenigen Dokumenten zugewandt, die die Haltung seines Städtchens beleuchten. Aber unter diesen Dokumenten befindet sich die ausführliche Denk- schrift vom 7. Mai, die in Breslau angefertigt wurde, und auch die übrigen Stücke lassen wichtige Rückschlüsse auf die Haupthandlung, den Konflikt zwischen Podiebrad und Breslan, zu. Eschenloers Darstellung wird durch die Frobenschen Dokumente mehrfach berichtigt. Dennoch ist sie nicht völlig zu entbehren; an einer wesentlichen Stelle deutet sie einen Sachverhalt an, den die urkundliche Überlieferung verschleiert. Hier ist die Wahrheit nur durch eine kritische Ver- knüpfung beider Überlieferungen zu ermitteln. Wir lassen zunächst die urkundlichen Zeugnisse bei Froben in ihrer zeitlichen Folge reden 2): 1. 1454, 21. Januar: König Ladislaus befiehlt der Stadt Namslau, am 22. Februar in Prag zu huldigen. 2. 14. Februar: Die Stadt Namslau entschuldigt sich, daß sie dem Geheiß nicht folgen könne, da Kriegsgesahr jetzt die Anwesenheit des Rates in Namslau fordere. Sie erkenne den König aber als ihren Erbherrn an und werde ihm 1) Über Verfasser und Werk vgl. E. Dybeck, Zeitschr. 43. 2) Stück 1—3 vgl. Bei- lage 1; Stück 4 = Korresp. 2, Script. rer. Siles. VIII, 1 ff.
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Die Folge der Ereignisse nach den urkundlichen Zeugnissen. 147 gern huldigen, weun er an die Stelle käme, wo sie andern böhmischen Königen bisher gehuldigt hätten. — Gemeint ist Breslau. 3. 22. April: König Ladislaus stellt den Herren Zdenko von Sternberg und Johannes von Rabenstein einen Kredenzbrief für die Stadt Namslau aus. Auf Grund dieser Beglaubigung soll die Stadt mit den anderen Städten zu sammen (d. h. mit Breslau und Neumarkt) den Herren an Stelle des Königs die Huldigung leisten. 4. 7. Mai: (Die „Denkschrift“.) Die Städte Breslau, Neumarkt und Namslan geben, zugleich namens der Mannschaft, also namens des gesamten Fürstentums nebst Namslau, den vorgenaunten Gesandten schriftlichen Bescheid. Sie erklären, daß sie zu ihren Händen nicht huldigen können, und begründen diese Weigerung. Diese Begründung ist uun zum Teil ein Rückblick auf die bisherigen Ver- handlungen. Ju den ersten Abschnitten sind Erzählung und grundsätzliche Be- gründung in einander verflochten. Nehmen wir die erzählenden Stücke heraus, so erkennen wir drei Hauptstadien der Verhandlungen: I. Zcum irsten bekennen wir das, das wir dy unsern zeu unserm gnedigen herrn konige gesandt haben, dy do von unsern wegen dy holdunge zcu thuen zeugesagt hatten. .. . II. a) Item so haben wir dy sache hocher betracht und bas gewogen. ... b) Item so haben wir unserm guedigen herrn konige nechste geschreben von der manschaft und von unsern wegen, (das wir uns gemechtiget haben, das sie uns auch zcustehn) . . . uns des eine frist zen geben uf eyn besser bedacht bis zcu seiner gnaden zcukouft keyn Breslaw. . . . III. Item doruf bethen wir euch . . ., ir wellet das also von unser aller wegen wedernmb an unsern guedigen herrn konig werben . . . und seyne konigliche gnade vermogen, uns dy frist der holdunge bis zen seyner gnaden zcukonft keyn Breslaw gnediglichen zen geben. . . . Diesen drei Stadien sind unn die bei Froben vorher mitgeteilten drei Briese nach und von Namslau sinngemäß zuzuordnen. Wir dürfen annehmen, daß die Stände des Fürstentums Breslan gleichzeitig mit Namslau zur Huldigung entboten worden sind, also Mitte Januar, und auch auf den gleichen Tag, den 22. Februar. (1) Die Stadt Breslau hat uun zunächst zugestimmt und die geforderten Gesandten uach Prag geschickt (I). Der Rat hat diese Absendung offenbar sehr beschlennigt; denn die Stadt hatte noch Zeit, sich vor dem Huldigungstermin „zu bedenken“ und ihre Zusage zurück zunehmen, so daß die Gesandten nicht zur Huldigung kamen (II). Die Stadt verlaugte jetzt, daß die Huldignng in Breslan statifinden solle. Die Absage der Namslauer vom 14. Febrnar (2) muß der der Breslaner gesolgt sein. Daß sie mit dieser in Zusammenhang stcht, ist deutlich zu erkennen; sie bezeichnet Breslau als deu rechten Huldigungsort. — Die Huldignngsfrage bleibt danach zwei Monate lang unentschieden. Daun ändert der König seinen Entschsuß. Er besteht nicht mehr auf der Prager Huldigung, will aber anch nicht nach Breslau 10*
Die Folge der Ereignisse nach den urkundlichen Zeugnissen. 147 gern huldigen, weun er an die Stelle käme, wo sie andern böhmischen Königen bisher gehuldigt hätten. — Gemeint ist Breslau. 3. 22. April: König Ladislaus stellt den Herren Zdenko von Sternberg und Johannes von Rabenstein einen Kredenzbrief für die Stadt Namslau aus. Auf Grund dieser Beglaubigung soll die Stadt mit den anderen Städten zu sammen (d. h. mit Breslau und Neumarkt) den Herren an Stelle des Königs die Huldigung leisten. 4. 7. Mai: (Die „Denkschrift“.) Die Städte Breslau, Neumarkt und Namslan geben, zugleich namens der Mannschaft, also namens des gesamten Fürstentums nebst Namslau, den vorgenaunten Gesandten schriftlichen Bescheid. Sie erklären, daß sie zu ihren Händen nicht huldigen können, und begründen diese Weigerung. Diese Begründung ist uun zum Teil ein Rückblick auf die bisherigen Ver- handlungen. Ju den ersten Abschnitten sind Erzählung und grundsätzliche Be- gründung in einander verflochten. Nehmen wir die erzählenden Stücke heraus, so erkennen wir drei Hauptstadien der Verhandlungen: I. Zcum irsten bekennen wir das, das wir dy unsern zeu unserm gnedigen herrn konige gesandt haben, dy do von unsern wegen dy holdunge zcu thuen zeugesagt hatten. .. . II. a) Item so haben wir dy sache hocher betracht und bas gewogen. ... b) Item so haben wir unserm guedigen herrn konige nechste geschreben von der manschaft und von unsern wegen, (das wir uns gemechtiget haben, das sie uns auch zcustehn) . . . uns des eine frist zen geben uf eyn besser bedacht bis zcu seiner gnaden zcukouft keyn Breslaw. . . . III. Item doruf bethen wir euch . . ., ir wellet das also von unser aller wegen wedernmb an unsern guedigen herrn konig werben . . . und seyne konigliche gnade vermogen, uns dy frist der holdunge bis zen seyner gnaden zcukonft keyn Breslaw gnediglichen zen geben. . . . Diesen drei Stadien sind unn die bei Froben vorher mitgeteilten drei Briese nach und von Namslau sinngemäß zuzuordnen. Wir dürfen annehmen, daß die Stände des Fürstentums Breslan gleichzeitig mit Namslau zur Huldigung entboten worden sind, also Mitte Januar, und auch auf den gleichen Tag, den 22. Februar. (1) Die Stadt Breslau hat uun zunächst zugestimmt und die geforderten Gesandten uach Prag geschickt (I). Der Rat hat diese Absendung offenbar sehr beschlennigt; denn die Stadt hatte noch Zeit, sich vor dem Huldigungstermin „zu bedenken“ und ihre Zusage zurück zunehmen, so daß die Gesandten nicht zur Huldigung kamen (II). Die Stadt verlaugte jetzt, daß die Huldignng in Breslan statifinden solle. Die Absage der Namslauer vom 14. Febrnar (2) muß der der Breslaner gesolgt sein. Daß sie mit dieser in Zusammenhang stcht, ist deutlich zu erkennen; sie bezeichnet Breslau als deu rechten Huldigungsort. — Die Huldignngsfrage bleibt danach zwei Monate lang unentschieden. Daun ändert der König seinen Entschsuß. Er besteht nicht mehr auf der Prager Huldigung, will aber anch nicht nach Breslau 10*
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148 Die inneren Zusammenhänge nach den urkundlichen Zeugnissen. kommen; er kündigt den Namslauern und sicherlich zugleich den Breslanern an, daß er zu seiner Vertretung Gesandte nach Breslau schicke. (3) Diese Gesandten treffen ein und werden abgewiesen; die Stände wollen die Huldigung dem Könige nur persönlich in Breslau leisten (III). Das sind die Hauptpunkte des äußeren Verlaufs. Zum inneren Verständnis des Verhaltens der Stände erfahren wir das Folgende: a) Die Stände berufen sich bei ihren Weigerungen auf das alte Herkommen und deuten an, daß danach in Breslau eine gesamtschlesische Huldigung erfolgen muß, von der die der Breslauer einen Teil bildete 1). b) Die Entscheidungen vom Februar und vom Mai werden im Namen der gesamten Stände von Breslau, Neumarkt und Namslau abgegeben, aber nur durch die Städte; die Mannschaft hat den Städten Vollmacht erteilt. (Oben II.) Es ist also deutlich, daß der Widerstand im wesentlichen von der Stadt Breslau ausgeht, nach der sich natürlich auch Namslan und Neumarkt richten. Die Be- vollmächtigten der Stadt Breslau stehen aber des weiteren unter dem Druck der öffentlichen Meinung; sie betonen gelegentlich, daß „das audirs yetczunde nicht geschitt, wenn dorumb, das wir allhie yn gutter eyntracht bleyben mogen". Ob- wohl der Widerspruch sich lediglich auf die Grundsätze des staatlichen Herkommens stützt, wird ferner hervorgehoben, daß sich die Geistlichkeif der Sache angenommen habe und die Rechtmäßigkeit der Weigerung „aus der heiligen Schrift und dem heiligen Rechte“ beweisen wolle. Die Geistlichkeit hat also einen hohen Anteil an der Entstehung der öffentlichen Meinung. Auf den Einfluß dieser Parteiung ist offenbar schon die Zurücknahme der ersten Huldigungszusage im Februar zurück zuführen. c) Die Denkschrift vom 7. Mai behauptet, daß die schlesischen Fürsten ihr Recht auf die gesamt-schlesische Huldigung zu Breslau bei den Ständen aus drücklich in Anspruch genommen haben2). — Daraus geht zum mindesten hervor, daß die Fürsten in der Mehrzahl noch uicht in Prag gehuldigt haben. Wir vergleichen nun, wie Eschenloer im lateinischen Text die Folge und den inneren Zusammenhang der Ereignisse darstellts). „Nach Prag kamen die Untertanen des Reiches, Fürsten, Herren, Edelleute, Gesandte der Städte, aus Mähren, Schlesien und der Lausitz und leisteten dem Könige die schuldige Pflicht. Sie schworen Gehorsam und huldigten, — allein die Breslauer nicht, der Bischof Peter und die Stadt Breslau selbst, die durch Rat und Lehre der Prälaten und Prediger verhindert wurden, dem Könige die Gehorsamsleistung zu erstatten4), so lange er in den Händen der Ketzer sei. Auch hatten sich Bischof und Stadt darüber belehrt, daß nach alter Gewohnheit Breslau der andere Sitz des Königtums sei, an den der König sich begeben müsse, um dort von den Schlesiern das schuldige Treugelöbnis zu empfangen, und waren darum übereingekommen, uirgend anders als in Breslan dem Könige zu Gebote zu stehen. Aber bald darauf zog der Bischof nach Prag ohne Wissen 1) Korr. 2, S. 3, auch zum folgenden. 2) Korr. 2, S. 4. 3) L 5 (letzte Zeile), 6. 4) reddere obedienciam (kaum bloß „gehorchen“).
148 Die inneren Zusammenhänge nach den urkundlichen Zeugnissen. kommen; er kündigt den Namslauern und sicherlich zugleich den Breslanern an, daß er zu seiner Vertretung Gesandte nach Breslau schicke. (3) Diese Gesandten treffen ein und werden abgewiesen; die Stände wollen die Huldigung dem Könige nur persönlich in Breslau leisten (III). Das sind die Hauptpunkte des äußeren Verlaufs. Zum inneren Verständnis des Verhaltens der Stände erfahren wir das Folgende: a) Die Stände berufen sich bei ihren Weigerungen auf das alte Herkommen und deuten an, daß danach in Breslau eine gesamtschlesische Huldigung erfolgen muß, von der die der Breslauer einen Teil bildete 1). b) Die Entscheidungen vom Februar und vom Mai werden im Namen der gesamten Stände von Breslau, Neumarkt und Namslau abgegeben, aber nur durch die Städte; die Mannschaft hat den Städten Vollmacht erteilt. (Oben II.) Es ist also deutlich, daß der Widerstand im wesentlichen von der Stadt Breslau ausgeht, nach der sich natürlich auch Namslan und Neumarkt richten. Die Be- vollmächtigten der Stadt Breslau stehen aber des weiteren unter dem Druck der öffentlichen Meinung; sie betonen gelegentlich, daß „das audirs yetczunde nicht geschitt, wenn dorumb, das wir allhie yn gutter eyntracht bleyben mogen". Ob- wohl der Widerspruch sich lediglich auf die Grundsätze des staatlichen Herkommens stützt, wird ferner hervorgehoben, daß sich die Geistlichkeif der Sache angenommen habe und die Rechtmäßigkeit der Weigerung „aus der heiligen Schrift und dem heiligen Rechte“ beweisen wolle. Die Geistlichkeit hat also einen hohen Anteil an der Entstehung der öffentlichen Meinung. Auf den Einfluß dieser Parteiung ist offenbar schon die Zurücknahme der ersten Huldigungszusage im Februar zurück zuführen. c) Die Denkschrift vom 7. Mai behauptet, daß die schlesischen Fürsten ihr Recht auf die gesamt-schlesische Huldigung zu Breslau bei den Ständen aus drücklich in Anspruch genommen haben2). — Daraus geht zum mindesten hervor, daß die Fürsten in der Mehrzahl noch uicht in Prag gehuldigt haben. Wir vergleichen nun, wie Eschenloer im lateinischen Text die Folge und den inneren Zusammenhang der Ereignisse darstellts). „Nach Prag kamen die Untertanen des Reiches, Fürsten, Herren, Edelleute, Gesandte der Städte, aus Mähren, Schlesien und der Lausitz und leisteten dem Könige die schuldige Pflicht. Sie schworen Gehorsam und huldigten, — allein die Breslauer nicht, der Bischof Peter und die Stadt Breslau selbst, die durch Rat und Lehre der Prälaten und Prediger verhindert wurden, dem Könige die Gehorsamsleistung zu erstatten4), so lange er in den Händen der Ketzer sei. Auch hatten sich Bischof und Stadt darüber belehrt, daß nach alter Gewohnheit Breslau der andere Sitz des Königtums sei, an den der König sich begeben müsse, um dort von den Schlesiern das schuldige Treugelöbnis zu empfangen, und waren darum übereingekommen, uirgend anders als in Breslan dem Könige zu Gebote zu stehen. Aber bald darauf zog der Bischof nach Prag ohne Wissen 1) Korr. 2, S. 3, auch zum folgenden. 2) Korr. 2, S. 4. 3) L 5 (letzte Zeile), 6. 4) reddere obedienciam (kaum bloß „gehorchen“).
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Die Darstellung Eschenloers im lateinischen Text. 149 der Stadt und huldigte dort. Die Bürger erschraken, wichen aber nicht von ihrem Vorsatz; sie schickten jedoch Gesandte an den König mit der Bitte, daß er einige christliche Räte nach Breslau sende, die vom Volke die Huldigung empfangen sollten. Herr Zdenko von Sternberg kam mit einigen Ersten des Reiches in die Stadt. Aber inzwischen war durch die Prediger der Entschluß geändert worden, und jene mühten sich umsonst. Denn die Bürgerschaft1) be- schloß mit unveränderlichem Willen, die Gehorsamsleistung zu verweigern2). Die Gesandten zogen ab mit beschwertem und beleidigtem Gemüt und wandten allen Eifer an, um den König zur Züchtigung der Stadt zu veranlassen“. Es folgt eine Bemerkung darüber, wie anf einem Tage zu Breslau die Ehe zwischen König Kasimir von Polen und einer Schwester des Königs Ladislaus vereinbart und danach die Hochzeit zu Krakau gefeiert worden sei. Sodann wird der spätere Fortgang des Konfliktes erzählt. Auf den ersten Blick kann es scheinen, als brächte diese Erzählung zu den urkundlichen Nachrichten aus Froben uur einige Ergänzungen, die den inneren Zusammenhang vermitteln; namentlich scheint Eschenloer mit der Erzählung vom Abfall Bischof Peters und von dem Gesuch, in dem die Breslaner die Entsendung der böhmischen Gesandschaft selbst erbaten, die Dunkelheit, die die urkundliche Überliefernng über die Entwicklung von Februar bis April bestehen läßt, auf zuhellen. Diese Angabe hat auch Markgraf in seine Darstellung des Huldigungs- konfliktes übernommen3). Gerade an diese letztere neue Nachricht kuüpft sich jedoch ein schweres Bedenken, und das Gewicht dieses Bedenkens ist um so größer, als die Stelle auch sonst mehreres Irreführende enthält. Was Eschenloer über die Agitation der Prediger und Prälaten erzählt, köunen wir nach den Andentungen der Denkschrift vom 7. Mai als richtig an- erkennen. Dagegen verschweigt er, daß diese Agitation erst eine Wirkung erzielt hat, als die Breslauer schon ihre Gesandten uach Prag geschickt hatten. Man müßte nach seiner Darstellung annehmen, daß die Breslauer die Huldigung in Prag von Anfang an verweigert hätten 4). — Von den Schlesiern scheint Eschenlver 1) communitas. Das Wort bedeutet ebensowohl „Gemeine“ wie „Bürgerschaft“ über- haupt. Da hier an die offizielle Antwort gedacht wird. ist die letztere Deutung vorzuzichen, obwohl der Widerstand tatsächlich von der Gemeine ausging. Im übrigen wird das Wort auf der gleichen Seite noch zweimal im Sinne von „Bürgerschaft“ verwendet. (Oben: regni subditi: principes, barones, nobiles, communitatum oratores; unten: Cum autem Georgius communitatis propositum non mutari ... posse animadverterit.) 2) obe- dienciam negare (siche die vorlehzte Anmerkung). 3) Zeitschr. XI, 248. Er läßt die An- regung bereits im ersten Stadium des Konfliktes als Alternativ-Vorschlag der Stände erfolgen. Diese Annahme steht mit den urkundlichen Zeugnissen im Widerspruch. 4) Anch in diesem Punkte hat sich Markgraf der Darstellung Eschenloers angeschlossen. Angesichts der Wichtigkeit des Moments sei darauf hingewiesen, daß die fragliche Tatsache, so wie wir sie aus dem Wortlaut der Dentschrift vom 7. Mai erschlossen haben, noch zweimal beglaubigt ist, nämlich 1. in den Einleitungsworten dieser Denkschrift: „Als euch unser allergnedigster konig zeu uns yetzunder gesandt hot, dy holdunge von seiner gnaden wegen von uns uf zcu nemen, noch deme es dy unsern nechste zou Praga vor unserm gnedigen herrn könige gelassen". Hier wird ganz deutlich darauf hingewiesen, daß Gesandte der Stände (freilich mit Ausnahme
Die Darstellung Eschenloers im lateinischen Text. 149 der Stadt und huldigte dort. Die Bürger erschraken, wichen aber nicht von ihrem Vorsatz; sie schickten jedoch Gesandte an den König mit der Bitte, daß er einige christliche Räte nach Breslau sende, die vom Volke die Huldigung empfangen sollten. Herr Zdenko von Sternberg kam mit einigen Ersten des Reiches in die Stadt. Aber inzwischen war durch die Prediger der Entschluß geändert worden, und jene mühten sich umsonst. Denn die Bürgerschaft1) be- schloß mit unveränderlichem Willen, die Gehorsamsleistung zu verweigern2). Die Gesandten zogen ab mit beschwertem und beleidigtem Gemüt und wandten allen Eifer an, um den König zur Züchtigung der Stadt zu veranlassen“. Es folgt eine Bemerkung darüber, wie anf einem Tage zu Breslau die Ehe zwischen König Kasimir von Polen und einer Schwester des Königs Ladislaus vereinbart und danach die Hochzeit zu Krakau gefeiert worden sei. Sodann wird der spätere Fortgang des Konfliktes erzählt. Auf den ersten Blick kann es scheinen, als brächte diese Erzählung zu den urkundlichen Nachrichten aus Froben uur einige Ergänzungen, die den inneren Zusammenhang vermitteln; namentlich scheint Eschenloer mit der Erzählung vom Abfall Bischof Peters und von dem Gesuch, in dem die Breslaner die Entsendung der böhmischen Gesandschaft selbst erbaten, die Dunkelheit, die die urkundliche Überliefernng über die Entwicklung von Februar bis April bestehen läßt, auf zuhellen. Diese Angabe hat auch Markgraf in seine Darstellung des Huldigungs- konfliktes übernommen3). Gerade an diese letztere neue Nachricht kuüpft sich jedoch ein schweres Bedenken, und das Gewicht dieses Bedenkens ist um so größer, als die Stelle auch sonst mehreres Irreführende enthält. Was Eschenloer über die Agitation der Prediger und Prälaten erzählt, köunen wir nach den Andentungen der Denkschrift vom 7. Mai als richtig an- erkennen. Dagegen verschweigt er, daß diese Agitation erst eine Wirkung erzielt hat, als die Breslauer schon ihre Gesandten uach Prag geschickt hatten. Man müßte nach seiner Darstellung annehmen, daß die Breslauer die Huldigung in Prag von Anfang an verweigert hätten 4). — Von den Schlesiern scheint Eschenlver 1) communitas. Das Wort bedeutet ebensowohl „Gemeine“ wie „Bürgerschaft“ über- haupt. Da hier an die offizielle Antwort gedacht wird. ist die letztere Deutung vorzuzichen, obwohl der Widerstand tatsächlich von der Gemeine ausging. Im übrigen wird das Wort auf der gleichen Seite noch zweimal im Sinne von „Bürgerschaft“ verwendet. (Oben: regni subditi: principes, barones, nobiles, communitatum oratores; unten: Cum autem Georgius communitatis propositum non mutari ... posse animadverterit.) 2) obe- dienciam negare (siche die vorlehzte Anmerkung). 3) Zeitschr. XI, 248. Er läßt die An- regung bereits im ersten Stadium des Konfliktes als Alternativ-Vorschlag der Stände erfolgen. Diese Annahme steht mit den urkundlichen Zeugnissen im Widerspruch. 4) Anch in diesem Punkte hat sich Markgraf der Darstellung Eschenloers angeschlossen. Angesichts der Wichtigkeit des Moments sei darauf hingewiesen, daß die fragliche Tatsache, so wie wir sie aus dem Wortlaut der Dentschrift vom 7. Mai erschlossen haben, noch zweimal beglaubigt ist, nämlich 1. in den Einleitungsworten dieser Denkschrift: „Als euch unser allergnedigster konig zeu uns yetzunder gesandt hot, dy holdunge von seiner gnaden wegen von uns uf zcu nemen, noch deme es dy unsern nechste zou Praga vor unserm gnedigen herrn könige gelassen". Hier wird ganz deutlich darauf hingewiesen, daß Gesandte der Stände (freilich mit Ausnahme
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150 Irrtümer Eschenloers in Nebenumständen. dagegen zu meinen, daß sie mit Ansnahme Breslaus und des Bischofs sich gleich anfänglich zur Huldigung in Prag bereit gezeigt hätten. Daß ist nicht richtig. Die Gesandten, die in Breslan abgewiesen wurden, sind im gleichen Monat in Schweiduitz gewesen, um anch dort die Huldigung im Namen des Königs ent gegenzunehmen 1). Die Fürsten hatten, wie wir aus der Breslauer Denkschrift erkannten, zum großen Teile Anfang Mai überhaupt noch uicht gehuldigt oder auch uur ihre Zustimmung zu der Forderung des Hofes erklärt2). Wie wenig deutlich Eschensoer die Folge der politischen Ereiguisse im Auge hat, die sich kurz vor dem Beginn seiner Breslauer Tätigkeit abspielten, zeigt endlich die Ein- gliederung des böhmischen-polnischen Ehebündnisses in die Erzählung. Man muß nach seiner Darsteslung annehmen, daß diese Verhandlungen in irgend eine nicht näher zu bestimmende Beziehung zu der Breslauer Huldignngssrage getreten sind, zum mindesten aber, daß sie im Frühjahr 1454 eingesetzt haben und daß die Heirat erst später vollzogen wurdes). In Wahrheit ist die ganze Eheangelegenheit chronologisch ganz falsch eingeordnet; bereits im August 1453, also noch vor der Krönung des Ladislaus, haben die polnisch-böhmischen Verhandsungen in Breslau stattgefunden, und bereits am 10. Februar 1454 wurde die Hochzeit in Krakau gefeiert4). Angesichts dieser Irrtümer des Abschnitts treten wir an das Neue, das Eschenloer über die böhmische Huldigungsgesandtschaft zu berichten hat, uur mit Mißtrauen heran. Ohne Zweifel bringt seine Erzählung ein außerordentlich Namslaus, wie aus dem Brief dieser Stadt vom 14. Februar hervorgeht) schon einmal zum Zwecke der Huldigung nach Prag gegangen sind. — 2. Durch Rosicz. Er bemerkt zum Jahre 1454. „Isto anno Wratislavienses Pragam iverunt, ut homagium regi Ladislao prestarent, quod tamen non factum est ex causis intervenientibus.“ (Script. rer. Siles. XII, 66.) Die Notiz ist gegen die Gewohuheit des Chrouisten uicht mit Tagešdatum versehen. In der einzigen Handschrift, die sie überliefert, ist sie, zusammen mit einer andern, gleichfalls nur anno isto datierten, zwischen Nachrichten von Angust eingereiht. Dieser äußere Umstand darf nicht irre führen. Gerade in Sommer 1454 waren, wie wir zuverlässig wissen, die Breslauer am wenigsten zu solcher Nachgiebigkeit geneigt. Die uubestimmie Da- tierung deutet an, daß die Bemerkung von Rosicz uachträglich in seine Anszeichnungen ein- gefügt wurde. Vielleicht bat er sie in sein Exemplar als Randbemertung eingetragen und ist die falsche Einreihung uur der schlechten Überlieferung zur Last zi legen (Wachter, Script. rer. Siles. XII. S. 12 ff.). Inhaltlich paßt die Notiz nur auf iene Vorgänge, die wir nach den urkundlichen Angaben in den Februar des Jahres verlegen mußten. Abgesehen von dieser Meldung trägt Rosicz zur Entstehungsgeschichte des Huldigungskonsliktes uichts weseut- bei. Er erwähnt nur turz das Eintreffen und die Abfertigung der föniglichen Gesandtschaft vom Mai. 2) Ausgenommen ist Heinrich von Krossen, vgl. S. 29. — Auch 1) Oben S. 34. die Angabe, daß die mährischen Stände zu Prag gehuldigt hätten, ist falsch; sie hatten Ladislaus bereits vor der Krönnng die Huldigung in Brilnn erstattet. Vgl. oben S. 24. 3) Eschenloer erwähut die böhmisch-poluische Annäherung erst uach den Breslaner Ereiguissen vom Mai: „Juzwischen schickt Köuig Kasimir von Polen an Ladislaus seine Werber. .. . Ein Cag wird in Breslan gehalten, auf dem ... die böhmischen und polnischen Großen die Ehe zwischen . . . Kasimir und . . . Elisabeth . . . abschlossen. Später wurde zu Krakau die 4) Rosicz, Script. rer. Siles. XII, 64 f. Hochzeit gefeiert ...“
150 Irrtümer Eschenloers in Nebenumständen. dagegen zu meinen, daß sie mit Ansnahme Breslaus und des Bischofs sich gleich anfänglich zur Huldigung in Prag bereit gezeigt hätten. Daß ist nicht richtig. Die Gesandten, die in Breslan abgewiesen wurden, sind im gleichen Monat in Schweiduitz gewesen, um anch dort die Huldigung im Namen des Königs ent gegenzunehmen 1). Die Fürsten hatten, wie wir aus der Breslauer Denkschrift erkannten, zum großen Teile Anfang Mai überhaupt noch uicht gehuldigt oder auch uur ihre Zustimmung zu der Forderung des Hofes erklärt2). Wie wenig deutlich Eschensoer die Folge der politischen Ereiguisse im Auge hat, die sich kurz vor dem Beginn seiner Breslauer Tätigkeit abspielten, zeigt endlich die Ein- gliederung des böhmischen-polnischen Ehebündnisses in die Erzählung. Man muß nach seiner Darsteslung annehmen, daß diese Verhandlungen in irgend eine nicht näher zu bestimmende Beziehung zu der Breslauer Huldignngssrage getreten sind, zum mindesten aber, daß sie im Frühjahr 1454 eingesetzt haben und daß die Heirat erst später vollzogen wurdes). In Wahrheit ist die ganze Eheangelegenheit chronologisch ganz falsch eingeordnet; bereits im August 1453, also noch vor der Krönung des Ladislaus, haben die polnisch-böhmischen Verhandsungen in Breslau stattgefunden, und bereits am 10. Februar 1454 wurde die Hochzeit in Krakau gefeiert4). Angesichts dieser Irrtümer des Abschnitts treten wir an das Neue, das Eschenloer über die böhmische Huldigungsgesandtschaft zu berichten hat, uur mit Mißtrauen heran. Ohne Zweifel bringt seine Erzählung ein außerordentlich Namslaus, wie aus dem Brief dieser Stadt vom 14. Februar hervorgeht) schon einmal zum Zwecke der Huldigung nach Prag gegangen sind. — 2. Durch Rosicz. Er bemerkt zum Jahre 1454. „Isto anno Wratislavienses Pragam iverunt, ut homagium regi Ladislao prestarent, quod tamen non factum est ex causis intervenientibus.“ (Script. rer. Siles. XII, 66.) Die Notiz ist gegen die Gewohuheit des Chrouisten uicht mit Tagešdatum versehen. In der einzigen Handschrift, die sie überliefert, ist sie, zusammen mit einer andern, gleichfalls nur anno isto datierten, zwischen Nachrichten von Angust eingereiht. Dieser äußere Umstand darf nicht irre führen. Gerade in Sommer 1454 waren, wie wir zuverlässig wissen, die Breslauer am wenigsten zu solcher Nachgiebigkeit geneigt. Die uubestimmie Da- tierung deutet an, daß die Bemerkung von Rosicz uachträglich in seine Anszeichnungen ein- gefügt wurde. Vielleicht bat er sie in sein Exemplar als Randbemertung eingetragen und ist die falsche Einreihung uur der schlechten Überlieferung zur Last zi legen (Wachter, Script. rer. Siles. XII. S. 12 ff.). Inhaltlich paßt die Notiz nur auf iene Vorgänge, die wir nach den urkundlichen Angaben in den Februar des Jahres verlegen mußten. Abgesehen von dieser Meldung trägt Rosicz zur Entstehungsgeschichte des Huldigungskonsliktes uichts weseut- bei. Er erwähnt nur turz das Eintreffen und die Abfertigung der föniglichen Gesandtschaft vom Mai. 2) Ausgenommen ist Heinrich von Krossen, vgl. S. 29. — Auch 1) Oben S. 34. die Angabe, daß die mährischen Stände zu Prag gehuldigt hätten, ist falsch; sie hatten Ladislaus bereits vor der Krönnng die Huldigung in Brilnn erstattet. Vgl. oben S. 24. 3) Eschenloer erwähut die böhmisch-poluische Annäherung erst uach den Breslaner Ereiguissen vom Mai: „Juzwischen schickt Köuig Kasimir von Polen an Ladislaus seine Werber. .. . Ein Cag wird in Breslan gehalten, auf dem ... die böhmischen und polnischen Großen die Ehe zwischen . . . Kasimir und . . . Elisabeth . . . abschlossen. Später wurde zu Krakau die 4) Rosicz, Script. rer. Siles. XII, 64 f. Hochzeit gefeiert ...“
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Unglaubhaftigkeit seiner Erzählung von der Entstehung der Gesandtschaft. 151 überraschendes und wichtiges Moment in den Zusammenhang der Dinge. Die Breslauer sollen selbst um die Gesandten gebeten und sie dann unverrichteter Sache heimgeschickt haben. Ist diese Darsteslung richtig, so hat sich die Stadt hier durch den Bruch eines Versprechens an ihren König offen ins schwerste Unrecht gesetzt. Das Gewicht dieses Treubruchs wird verstärkt, wenn wir be- denken, daß er bereits der zweite innerhalb weniger Monate ist; schon im Februar hat die Stadt eine bindende Zusage nicht innegehalten. Allerdings weiß Eschen- loer nichts von diesem ersten Vertragsbruch. Wir sind nun vor allem darum berechtigt, die Mitteilung, daß die Stadt um die Entsendung der böhmischen Herren selbst gebeten habe, in Zweifel zu ziehen, weil diese Mitteilung sich mit unserem Hauptzeugnis, der Deukschrift vom 7. Mai, zunächst uicht ins Einvernehmen bringen läßt. Die Denkschrift weiß uichts davon, daß die Stadt an der gegenwärtigen peinlichen Situation, in der sie den Gesandten gegenüber steht, unmittelbar selbst Schuld trägt. Man muß aus ihrem Wortlaut den Schluß ziehen, daß die An- regung zur Entseudung der Herren beim Prager Hofe gelegen hat. Ein so wichtiges Moment, wie es die Bitte der Stadt um die Legation wäre, kann un- möglich uur durch ein Versehen unerwähnt geblieben sein. Wir bemerkten ja, daß die Erklärung es sich zur Aufgabe setzt, die Hauptmomente der bisherigen Verhandlungen berichtend zusammen zu fassen. Zudem ist es merkwürdig, daß sich die Stadt gar uicht dafür entschuldigt, daß sie den König und seine Gesandten umsonst bemüht hat. Sie scheint die Schuld, die sie hauptsächlich belastet, gerade zu ableugnen zu wollen. — Aber die Ableugnung schafft gerade in dieser Form die Tatsache nicht aus der West; sie kann die Lage der Breslaner uur verschlimmern. Den Breslanern war, wie wir hier in Erinnerung bringen, in höchsten Grade daran gesegen, sich die Freundschaft ihres angestamnten Königs zu erhalten. Ihr Verhältuis zu ihm mußte schon durch die Verweigerung der Huldigung ungünstig beeinflußt werden; warum sollten sie uoch die verwegene Ableugnung hinzufügen? Ein so knabenhaft freches Verhalten werden wir ihnen nicht zutrauen, sondern lieber annehmen, daß die Darstellung Eschenloers — nicht richtig ist. Aber wir können uns andrerseits doch uicht dazu entschließen, sie völlig zu verwerfen. Wir fragen, wie sich an einer so wichtigen Stelle ein so schwerer Irrtum einschleichen konnte. Eschensoer gab wieder, was er in Breslan von den Er- eignissen des Jahres 1454 erfahren hatte, und er schrieb 6—9 Jahre nach den Ereignissen1); unter diesen Umständen konnte sich ihm das Bild der Vorgänge gewiß leicht entstellen. Aber daß es sich ins Gegenteil verkehren und dabei zu ungunsten der Stadt entstellen konnte, das ist doch schwer zu glauben. Die Ab- fertigung, die man den Gesandten zu teil werden ließ, war für die Ratsherren, bei denen Eschenloer als Stadtschreiber seine Kenntnisse einzog, in jedem Falle eine peinliche Notwendigkeit. Wenn die Stadt daran unschuldig war, daß die Gesandten nach Breslau kamen, so haben die Ratsherren gewiß immer auf ihre Unschuld Wert gelegt. Es war gewiß uicht in ihrem Interesse, daß man ihnen 1) 1460—1463; vgl. Markgraf, Script. rer. Siles. VIII, S. XII, XIV—XV.
Unglaubhaftigkeit seiner Erzählung von der Entstehung der Gesandtschaft. 151 überraschendes und wichtiges Moment in den Zusammenhang der Dinge. Die Breslauer sollen selbst um die Gesandten gebeten und sie dann unverrichteter Sache heimgeschickt haben. Ist diese Darsteslung richtig, so hat sich die Stadt hier durch den Bruch eines Versprechens an ihren König offen ins schwerste Unrecht gesetzt. Das Gewicht dieses Treubruchs wird verstärkt, wenn wir be- denken, daß er bereits der zweite innerhalb weniger Monate ist; schon im Februar hat die Stadt eine bindende Zusage nicht innegehalten. Allerdings weiß Eschen- loer nichts von diesem ersten Vertragsbruch. Wir sind nun vor allem darum berechtigt, die Mitteilung, daß die Stadt um die Entsendung der böhmischen Herren selbst gebeten habe, in Zweifel zu ziehen, weil diese Mitteilung sich mit unserem Hauptzeugnis, der Deukschrift vom 7. Mai, zunächst uicht ins Einvernehmen bringen läßt. Die Denkschrift weiß uichts davon, daß die Stadt an der gegenwärtigen peinlichen Situation, in der sie den Gesandten gegenüber steht, unmittelbar selbst Schuld trägt. Man muß aus ihrem Wortlaut den Schluß ziehen, daß die An- regung zur Entseudung der Herren beim Prager Hofe gelegen hat. Ein so wichtiges Moment, wie es die Bitte der Stadt um die Legation wäre, kann un- möglich uur durch ein Versehen unerwähnt geblieben sein. Wir bemerkten ja, daß die Erklärung es sich zur Aufgabe setzt, die Hauptmomente der bisherigen Verhandlungen berichtend zusammen zu fassen. Zudem ist es merkwürdig, daß sich die Stadt gar uicht dafür entschuldigt, daß sie den König und seine Gesandten umsonst bemüht hat. Sie scheint die Schuld, die sie hauptsächlich belastet, gerade zu ableugnen zu wollen. — Aber die Ableugnung schafft gerade in dieser Form die Tatsache nicht aus der West; sie kann die Lage der Breslaner uur verschlimmern. Den Breslanern war, wie wir hier in Erinnerung bringen, in höchsten Grade daran gesegen, sich die Freundschaft ihres angestamnten Königs zu erhalten. Ihr Verhältuis zu ihm mußte schon durch die Verweigerung der Huldigung ungünstig beeinflußt werden; warum sollten sie uoch die verwegene Ableugnung hinzufügen? Ein so knabenhaft freches Verhalten werden wir ihnen nicht zutrauen, sondern lieber annehmen, daß die Darstellung Eschenloers — nicht richtig ist. Aber wir können uns andrerseits doch uicht dazu entschließen, sie völlig zu verwerfen. Wir fragen, wie sich an einer so wichtigen Stelle ein so schwerer Irrtum einschleichen konnte. Eschensoer gab wieder, was er in Breslan von den Er- eignissen des Jahres 1454 erfahren hatte, und er schrieb 6—9 Jahre nach den Ereignissen1); unter diesen Umständen konnte sich ihm das Bild der Vorgänge gewiß leicht entstellen. Aber daß es sich ins Gegenteil verkehren und dabei zu ungunsten der Stadt entstellen konnte, das ist doch schwer zu glauben. Die Ab- fertigung, die man den Gesandten zu teil werden ließ, war für die Ratsherren, bei denen Eschenloer als Stadtschreiber seine Kenntnisse einzog, in jedem Falle eine peinliche Notwendigkeit. Wenn die Stadt daran unschuldig war, daß die Gesandten nach Breslau kamen, so haben die Ratsherren gewiß immer auf ihre Unschuld Wert gelegt. Es war gewiß uicht in ihrem Interesse, daß man ihnen 1) 1460—1463; vgl. Markgraf, Script. rer. Siles. VIII, S. XII, XIV—XV.
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152 Gründe zugunsten der Darstellung Eschenloers. nachsagte, sie hätten dem Könige erst ein Zugeständnis abgetrotzt und dann die Gewährung des Zugeständnisses verschmäht. Auch Eschenloer erzählte das seinem ganzen Charakter nach gewiß nicht gern, und weun er es erzählte, so meinte er, hier die Wahrheit nicht verschweigen zu dürfen. Ferner: Wenn Eschenloer sich hier irrte, so hatte er die beste Gelegenheit, diesen Irrtum richtig zu stellen. Die Breslaner Patrizier verstauden wenigstens zu einem Teile so viel Latein, daß sie seine Erzählung lesen konnten 1), und er hätte sein lateinisches Werk nicht den Bürgern Breslans gewidmet, weun er es ihnen nicht zur Lektüre bestimmt hätte. Von den Ratsherren und Schöffen, die den Huldigungskonflikt miterlebt hatten, waren uoch mehrere am Leben, als er schrieb; lasen sie etwas so handgreiflich Falsches und der Stadt Ungüustiges, so mußten sie den Stadtschreiber auf seinen Irrtum aufmerksam machen. Eschenloer hätte dann in der deutschen Umarbeitung, die er später mit seiner Schrift vor- nahm, seine Erzählung richtigstellen können. Das wäre um so eher zu erwarten, als er gerade die Erzählung des Huldigungskonfliktes in dem deutschen Werke einer Umarbeitung unterzog, die auf Erweiterung seiner Kenntnisse beruhte. Wir erwähnten, daß der lateinische Text nichts davon weiß, daß die Stadt die Huldigung in Prag im Januar 1454 ursprünglich zugesagt hatte. Der deutsche Text er- wähnt nun diese Zusage, aber berichtet auch den zweiten Treubruch vom Mai. Wenn der erste Irrtum richtiggestellt wurde, warum uicht auch der zweite? Endlich: Die Bitte der Stadt um die Eutsendung der böhmischen Herren wird von Eschenloer damit in Zusammenhang gebracht, daß Bischof Peter von dem gemeinsamen Widerspruch abgefallen war uud in Prag gehuldigt hatte. Die Erzählung von diesem Abfall hat Markgraf in Zweifel gezogen, und zwar darum, weil Rosicz von einer Reise Peters nach Prag erst zu einem späteren Zeitpunkt, Juli des Jahres, berichtet2). Aber dieses Bedenken ist nicht stichhaltig. Sicher ist soviel, daß Peter zur Zeit, wo die Gesandtschaft in Breslau war, uicht auf der Seite der Breslauer stand. Die Deukschrift erwähnt die Parteinahme der Prediger für die Breslauer Huldigung; sie erwähnt ferner, daß die Fürsten auf die Huldigung in Breslau Wert legen; sie würde sich auch auf den Zuspruch des Bischofs berufen, wenn sie sich anf ihn berufen könnte. Der Bischof also hatte sich damals in der Tat schon für die Huldigung in Prag entschieden; ob er sie schon im Frühjahr oder erst im Juli abgeseistet hat, ist nebensächlich. Fraglich ist allein, ob er überhaupt jemals uicht in Prag huldigen wollte; aber daß die Stadt eine Zeit lang in dieser Annahme gelebt hat, dürfen wir Eschen- loer wohl glauben. Mit der Ursache, die die Breslauer zu ihrem Zugeständnis, 1) Anton Hornig und Valentin Haunolt unterhalten lateinische Korrespondenz. Korr. 42, 73 B, 177 B usw. — Die Ratsherren wünschen allerdings, daß der Prokurator Merboth ihnen deutsch schreiben soll, nicht lateinisch (Korr. 167, Script. rer. Siles. VIII, 234). Doch heißt das nicht, daß sie überhaupt nicht Latein verstanden; sonst hätte Merboth ihnen niemals in dieser Sprache schreiben dürfen. 2) Zeitschr. XI, 251. Auch das dort, S. 274 („Nach- trag“), geäußerte Bedenken trifft nicht zu. Daß der Bischof erst in Breslau mit dem Kapitel für Grottkau huldigte, beweist nicht, daß er auch damals erst für sich allein als Lehnsträger von Neiße gehuldigt hätte. Vielmehr: Rosicz würde hiervon erzählen, wenn es geschehen wäre.
152 Gründe zugunsten der Darstellung Eschenloers. nachsagte, sie hätten dem Könige erst ein Zugeständnis abgetrotzt und dann die Gewährung des Zugeständnisses verschmäht. Auch Eschenloer erzählte das seinem ganzen Charakter nach gewiß nicht gern, und weun er es erzählte, so meinte er, hier die Wahrheit nicht verschweigen zu dürfen. Ferner: Wenn Eschenloer sich hier irrte, so hatte er die beste Gelegenheit, diesen Irrtum richtig zu stellen. Die Breslaner Patrizier verstauden wenigstens zu einem Teile so viel Latein, daß sie seine Erzählung lesen konnten 1), und er hätte sein lateinisches Werk nicht den Bürgern Breslans gewidmet, weun er es ihnen nicht zur Lektüre bestimmt hätte. Von den Ratsherren und Schöffen, die den Huldigungskonflikt miterlebt hatten, waren uoch mehrere am Leben, als er schrieb; lasen sie etwas so handgreiflich Falsches und der Stadt Ungüustiges, so mußten sie den Stadtschreiber auf seinen Irrtum aufmerksam machen. Eschenloer hätte dann in der deutschen Umarbeitung, die er später mit seiner Schrift vor- nahm, seine Erzählung richtigstellen können. Das wäre um so eher zu erwarten, als er gerade die Erzählung des Huldigungskonfliktes in dem deutschen Werke einer Umarbeitung unterzog, die auf Erweiterung seiner Kenntnisse beruhte. Wir erwähnten, daß der lateinische Text nichts davon weiß, daß die Stadt die Huldigung in Prag im Januar 1454 ursprünglich zugesagt hatte. Der deutsche Text er- wähnt nun diese Zusage, aber berichtet auch den zweiten Treubruch vom Mai. Wenn der erste Irrtum richtiggestellt wurde, warum uicht auch der zweite? Endlich: Die Bitte der Stadt um die Eutsendung der böhmischen Herren wird von Eschenloer damit in Zusammenhang gebracht, daß Bischof Peter von dem gemeinsamen Widerspruch abgefallen war uud in Prag gehuldigt hatte. Die Erzählung von diesem Abfall hat Markgraf in Zweifel gezogen, und zwar darum, weil Rosicz von einer Reise Peters nach Prag erst zu einem späteren Zeitpunkt, Juli des Jahres, berichtet2). Aber dieses Bedenken ist nicht stichhaltig. Sicher ist soviel, daß Peter zur Zeit, wo die Gesandtschaft in Breslau war, uicht auf der Seite der Breslauer stand. Die Deukschrift erwähnt die Parteinahme der Prediger für die Breslauer Huldigung; sie erwähnt ferner, daß die Fürsten auf die Huldigung in Breslau Wert legen; sie würde sich auch auf den Zuspruch des Bischofs berufen, wenn sie sich anf ihn berufen könnte. Der Bischof also hatte sich damals in der Tat schon für die Huldigung in Prag entschieden; ob er sie schon im Frühjahr oder erst im Juli abgeseistet hat, ist nebensächlich. Fraglich ist allein, ob er überhaupt jemals uicht in Prag huldigen wollte; aber daß die Stadt eine Zeit lang in dieser Annahme gelebt hat, dürfen wir Eschen- loer wohl glauben. Mit der Ursache, die die Breslauer zu ihrem Zugeständnis, 1) Anton Hornig und Valentin Haunolt unterhalten lateinische Korrespondenz. Korr. 42, 73 B, 177 B usw. — Die Ratsherren wünschen allerdings, daß der Prokurator Merboth ihnen deutsch schreiben soll, nicht lateinisch (Korr. 167, Script. rer. Siles. VIII, 234). Doch heißt das nicht, daß sie überhaupt nicht Latein verstanden; sonst hätte Merboth ihnen niemals in dieser Sprache schreiben dürfen. 2) Zeitschr. XI, 251. Auch das dort, S. 274 („Nach- trag“), geäußerte Bedenken trifft nicht zu. Daß der Bischof erst in Breslau mit dem Kapitel für Grottkau huldigte, beweist nicht, daß er auch damals erst für sich allein als Lehnsträger von Neiße gehuldigt hätte. Vielmehr: Rosicz würde hiervon erzählen, wenn es geschehen wäre.
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Versuch einer Lösung der Schwierigkeit. 153 der Bitte um die Herren-Legation bestimmt haben soll, hat es also wohl seine Richtigkeit. Das ist gewiß kein zwingender Anlaß. auch die Wirkung für richtig zu halten; aber es ist von Belang, daß gegen die Begründung, die Eschenloer für die Bitte der Breslauer gibt, kein Einwand erhoben werden kann. Für die Darstellung Eschenloers scheinen also eben so viele und eben so gewichtige Gründe zu sprechen wie gegen sie. Um diese Schwierigkeit zu lösen, bleibt uns nur eine Möglichkeit. Wir müssen untersuchen, wie viel Freiheit die beiden einander widersprechenden Zeugnisse, die Denkschrift und der Bericht Eschenloers, unserer Interpretation noch lassen. Der durch die Denkschrift ge- förderte Eindruck, daß die Breslauer gar keinen Anteil an der Legation hatten, führt offenbar in die Irre; aber die Darstellung Eschenloers, wonach die Stadt Breslau die Legation gefordert hat, kann gleichfalls nicht richtig sein. Wir müssen einen Mittelweg suchen; wir müssen dabei jedoch die feststehenden Überlieferungs werte berücksichtigen. Durch unsere Lösung muß verständlich werden, daß die Stände in der Denkschrift vom 7. Mai von einer Mitschuld der Stadt nicht sprechen — und andrerseits haben wir zu erklären, daß Eschenloer im lateinischen, wie im dentschen Texte so schreiben konnte, wie er schrieb. Die Dentschrift läßt erfennen, daß der König die Gesandten uicht auf ein Ersnchen der Stadt oder der Stände des Fürstentums geschickt hat. Sie schließt auch die Möglichkeit ans, daß der Hof etwa bei diesen Instanzen angefragt und eine offizielle zustimmende Antwort erhalten hätte. Dagegen verlangt sie nicht die Auffassung, daß die Stadt von der Ankunft der böhmischen Herren völlig überrumpelt worden wäre. Es bleibt möglich, daß sich der Hof in den Kreijen des Breslaner Rates vorher über die Aufnahme, die eine Gesandtschaft zur Vertretung des Königs finden würde, vorsorglich unterrichtet hätte. Und die Ratsmehrheit, die durch den Abfall des Bischofs entmutigt war, könnte diese Anregung mit Freuden aufgenommen und sich der Erwartung hingegeben haben, die Gemeine würde, einmal vor die vollendete Tatsache gestellt, sich ihr auch an- bequemen. Diese Haltung könnte ganz wohl in einer Bitte an den König, die Gesandten uur ja zu schicken, ihren Ausdruck gefunden haben. Und schließlich können wir uns der Darsteslung Eschenloers noch weiter nähern, indem wir an- nehmen, daß überhaupt die erste Anregung zu dem neuartigen Huldigungs- Verfahren von den Kreisen des Rates ausging. Die Ratsherren — oder die- jenigen unter ihnen, die ins Vertrauen gezogen waren — hätten in jedem Falle ihre Kompetenzen überschritten; ihr Einverständnis mit dem Hofe hätte keine offizielle Geltung als Willenskundgebung der Stadt haben dürfen. So wäre es zu verstehen, daß die Deukschrift, die namens der Stadt Breslau und der übrigen Stände ansgestellt ist, von diesen Umtrieben nicht Kenntuis nimmt. Andrerseits aber dürften wir annehmen, daß diese Verhandlungen zu sehr in der Stadt bekannt waren, als daß sie Eschenloer hätten verheimlicht werden können. Er hätte dann den Tatbestand lediglich vergröbert, indem er von einer Einladung der Stadt an den König erzählte. Daß die Ratsherren ihn über seinen Irrtum nicht anfklärten, versteht sich von dieser Auffassung aus leicht. Sie hatten alles Interesse daran, uicht in Erinnerung zu bringen, daß sie hinter dem Rücken der
Versuch einer Lösung der Schwierigkeit. 153 der Bitte um die Herren-Legation bestimmt haben soll, hat es also wohl seine Richtigkeit. Das ist gewiß kein zwingender Anlaß. auch die Wirkung für richtig zu halten; aber es ist von Belang, daß gegen die Begründung, die Eschenloer für die Bitte der Breslauer gibt, kein Einwand erhoben werden kann. Für die Darstellung Eschenloers scheinen also eben so viele und eben so gewichtige Gründe zu sprechen wie gegen sie. Um diese Schwierigkeit zu lösen, bleibt uns nur eine Möglichkeit. Wir müssen untersuchen, wie viel Freiheit die beiden einander widersprechenden Zeugnisse, die Denkschrift und der Bericht Eschenloers, unserer Interpretation noch lassen. Der durch die Denkschrift ge- förderte Eindruck, daß die Breslauer gar keinen Anteil an der Legation hatten, führt offenbar in die Irre; aber die Darstellung Eschenloers, wonach die Stadt Breslau die Legation gefordert hat, kann gleichfalls nicht richtig sein. Wir müssen einen Mittelweg suchen; wir müssen dabei jedoch die feststehenden Überlieferungs werte berücksichtigen. Durch unsere Lösung muß verständlich werden, daß die Stände in der Denkschrift vom 7. Mai von einer Mitschuld der Stadt nicht sprechen — und andrerseits haben wir zu erklären, daß Eschenloer im lateinischen, wie im dentschen Texte so schreiben konnte, wie er schrieb. Die Dentschrift läßt erfennen, daß der König die Gesandten uicht auf ein Ersnchen der Stadt oder der Stände des Fürstentums geschickt hat. Sie schließt auch die Möglichkeit ans, daß der Hof etwa bei diesen Instanzen angefragt und eine offizielle zustimmende Antwort erhalten hätte. Dagegen verlangt sie nicht die Auffassung, daß die Stadt von der Ankunft der böhmischen Herren völlig überrumpelt worden wäre. Es bleibt möglich, daß sich der Hof in den Kreijen des Breslaner Rates vorher über die Aufnahme, die eine Gesandtschaft zur Vertretung des Königs finden würde, vorsorglich unterrichtet hätte. Und die Ratsmehrheit, die durch den Abfall des Bischofs entmutigt war, könnte diese Anregung mit Freuden aufgenommen und sich der Erwartung hingegeben haben, die Gemeine würde, einmal vor die vollendete Tatsache gestellt, sich ihr auch an- bequemen. Diese Haltung könnte ganz wohl in einer Bitte an den König, die Gesandten uur ja zu schicken, ihren Ausdruck gefunden haben. Und schließlich können wir uns der Darsteslung Eschenloers noch weiter nähern, indem wir an- nehmen, daß überhaupt die erste Anregung zu dem neuartigen Huldigungs- Verfahren von den Kreisen des Rates ausging. Die Ratsherren — oder die- jenigen unter ihnen, die ins Vertrauen gezogen waren — hätten in jedem Falle ihre Kompetenzen überschritten; ihr Einverständnis mit dem Hofe hätte keine offizielle Geltung als Willenskundgebung der Stadt haben dürfen. So wäre es zu verstehen, daß die Deukschrift, die namens der Stadt Breslau und der übrigen Stände ansgestellt ist, von diesen Umtrieben nicht Kenntuis nimmt. Andrerseits aber dürften wir annehmen, daß diese Verhandlungen zu sehr in der Stadt bekannt waren, als daß sie Eschenloer hätten verheimlicht werden können. Er hätte dann den Tatbestand lediglich vergröbert, indem er von einer Einladung der Stadt an den König erzählte. Daß die Ratsherren ihn über seinen Irrtum nicht anfklärten, versteht sich von dieser Auffassung aus leicht. Sie hatten alles Interesse daran, uicht in Erinnerung zu bringen, daß sie hinter dem Rücken der
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154 Die Darstellung Eschenloers im deutschen Text. Gemeine vorgegangen waren. Und auch Eschenloer selbst köunte den Sachverhalt durchschaut und aus Rücksicht auf den Rat verschleiert haben. Diese Lösung hat, wie ich mir wohl bewußt bin, das Mangelhaste eines Kompromisses. Doch sehe ich nicht die Möglichkeit einer andern. Die Darstellung des deutschen Eschenloer lehrt uns uur wenig, was wir nicht schon aus andern Quellen erfahren oder erschlossen hätten, ist aber in ihren Abweichungen von der lateinischen von literarischem Interesse. 1. Eine Reihe dieser Erweiterungen gehorchen der Tendenz, die Markgraf treffend als „pragmatisierend“ bezeichnet hat. Es läßt sich leicht zeigen, wie diese Tendenz Irrtümer geschaffen hat und zuweilen auch neuen Irrtum zum alten. D I 17: „do czog bischoff Petrus mit seinen presaten ten Prage und huldete doselbist." Die Mitwirkung der Prälaten eutspricht hier keinesfalls der Wahrheit. Denn wenn das Domkapitel damals schon gehuldigt hätte, so wäre auch schon die Huldigung für Grottkan erfolgt, die, wie wir zuverlässig wissen 1), erst im Dezember bei Gelegenheit des königtichen Besuches stattfand. — Ebenda: „Dorumme abir die gemeine mit dem rate eins worden, das sie ken Prage ir treffliche botschaft santen . . . und baten seine konigliche gnade etliche seine crist- liche rete ken Breslow zu senden und denselben welden sie zu seinen koniglichen handen hulden.“ Wir haben gesehen, daß gerade ein solches sörmliches Gesuch der Stadt an den König uicht ergangen sein faun. Endlich wird uun die polnisch-böhmische Heirat ausdrücklich mit dem Huldigungskonflitt in Beziehung gesetzt. Sie soll beschlossen worden sein, als der Konslikt der Stadt mit der Krone auf seine Höhe gekommen war. Über der Berednng der Ehepakten habe sich „der Zorn des Königs verzogen“ (S. 18). 2. Aber einzelne Erweiternngen entspringen nicht der pragmatisierenden Tendenz, sondern sind Richtigstellungen. Escheuloer weißs jetzt, daß die Stadt dem Könige die Huldigung ursprünglich „hatte zusagen lassen“ (S. 16). Er weiß ferner, daß die Bürgerschaft uicht, wie man ans dem lateinischen Text entuehmen muß, durchaus einig war, daß vielmehr die Gemeine den Rat erst zu seiner protestierenden Haltung zwang, während der Rat uur ungern einen Widerspruch gegen das Verlaugen des Rates wagte. Bei der Verabschiedung der königlichen Gesandten soll dieses Verhältuis gleichfalls zutage getreten sein; auch sollen damals die Ratsherren selbst untereinander über die Huldigungsfrage in Zwist geraten sein. Was Eschenlver im dentschen Text über die anfängliche Zusage der Stadt berichtet, hat er in der Zeit der lateinischen Niederschrift noch kaum gewußt. Wahrscheinlich hat er inzwischen ein schriftliches Zeugnis hierüber — etwa die Denkschrift vom 7. Mai — zu Gesicht bekommen. Es scheint überhaupt, daß er bei der Anfertigung des deutschen Textes das Urkundenmaterial aus dem Konflikte wenigstens durchblätterte. Er spricht (S. 17) von den „Briefen um Briefen“, die zwischen Prag und Breslau gewechselt wurden, und kennzeichnet kurz ihre Tonart. 1) Rosicz, Script. rer. Siles. XII, 68.
154 Die Darstellung Eschenloers im deutschen Text. Gemeine vorgegangen waren. Und auch Eschenloer selbst köunte den Sachverhalt durchschaut und aus Rücksicht auf den Rat verschleiert haben. Diese Lösung hat, wie ich mir wohl bewußt bin, das Mangelhaste eines Kompromisses. Doch sehe ich nicht die Möglichkeit einer andern. Die Darstellung des deutschen Eschenloer lehrt uns uur wenig, was wir nicht schon aus andern Quellen erfahren oder erschlossen hätten, ist aber in ihren Abweichungen von der lateinischen von literarischem Interesse. 1. Eine Reihe dieser Erweiterungen gehorchen der Tendenz, die Markgraf treffend als „pragmatisierend“ bezeichnet hat. Es läßt sich leicht zeigen, wie diese Tendenz Irrtümer geschaffen hat und zuweilen auch neuen Irrtum zum alten. D I 17: „do czog bischoff Petrus mit seinen presaten ten Prage und huldete doselbist." Die Mitwirkung der Prälaten eutspricht hier keinesfalls der Wahrheit. Denn wenn das Domkapitel damals schon gehuldigt hätte, so wäre auch schon die Huldigung für Grottkan erfolgt, die, wie wir zuverlässig wissen 1), erst im Dezember bei Gelegenheit des königtichen Besuches stattfand. — Ebenda: „Dorumme abir die gemeine mit dem rate eins worden, das sie ken Prage ir treffliche botschaft santen . . . und baten seine konigliche gnade etliche seine crist- liche rete ken Breslow zu senden und denselben welden sie zu seinen koniglichen handen hulden.“ Wir haben gesehen, daß gerade ein solches sörmliches Gesuch der Stadt an den König uicht ergangen sein faun. Endlich wird uun die polnisch-böhmische Heirat ausdrücklich mit dem Huldigungskonflitt in Beziehung gesetzt. Sie soll beschlossen worden sein, als der Konslikt der Stadt mit der Krone auf seine Höhe gekommen war. Über der Berednng der Ehepakten habe sich „der Zorn des Königs verzogen“ (S. 18). 2. Aber einzelne Erweiternngen entspringen nicht der pragmatisierenden Tendenz, sondern sind Richtigstellungen. Escheuloer weißs jetzt, daß die Stadt dem Könige die Huldigung ursprünglich „hatte zusagen lassen“ (S. 16). Er weiß ferner, daß die Bürgerschaft uicht, wie man ans dem lateinischen Text entuehmen muß, durchaus einig war, daß vielmehr die Gemeine den Rat erst zu seiner protestierenden Haltung zwang, während der Rat uur ungern einen Widerspruch gegen das Verlaugen des Rates wagte. Bei der Verabschiedung der königlichen Gesandten soll dieses Verhältuis gleichfalls zutage getreten sein; auch sollen damals die Ratsherren selbst untereinander über die Huldigungsfrage in Zwist geraten sein. Was Eschenlver im dentschen Text über die anfängliche Zusage der Stadt berichtet, hat er in der Zeit der lateinischen Niederschrift noch kaum gewußt. Wahrscheinlich hat er inzwischen ein schriftliches Zeugnis hierüber — etwa die Denkschrift vom 7. Mai — zu Gesicht bekommen. Es scheint überhaupt, daß er bei der Anfertigung des deutschen Textes das Urkundenmaterial aus dem Konflikte wenigstens durchblätterte. Er spricht (S. 17) von den „Briefen um Briefen“, die zwischen Prag und Breslau gewechselt wurden, und kennzeichnet kurz ihre Tonart. 1) Rosicz, Script. rer. Siles. XII, 68.
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Der lateinische und der deutsche Eschenloer. 155 Die Angaben des deutschen Textes über die Spaltung, die um der Huldigungs- frage willen in der Stadt erfolgte, dürfen wir gleichfalls als glaubwürdig an- nehmen. Zwar entsprechen die Zustände, die er hier schildert, denen, die wir später in den Jahren 1459 und 1467 vorfinden, so genau, daß man versucht ist, gerade hier eine „pragmatisierende“ Erfindung zu vermuten. Aber die kurze Andeutung der Denkschrift vom 7. Mai über die Gefährdung der „Eintracht allhie“ zeigt doch, daß Eschenloer hier uicht frei phantasiert hat. Auf eine Spaltung unter den Stadthäuptern weist uns auch die Tatsache hin, daß die Schöffen Valentin Haunold und Anton Hornig bei den Neuwahlen am Ascher- mittwoch 1455 von der Wiederwahl ansgeschlossen wurden 1). — Diese Dinge hat Eschenloer bei der Abfassung der lateinischen Darstellung sicherlich gewußt; aber er hat sie dort verschwiegen. Der lateinische Text ist also an dieser Stelle weniger objektiv als der deutsche. II. Allgemeine Bemerkung über die beiden Fassungen der Erzählung Eschenloers. Die Untersuchungen Markgrafs haben erwiesen, daß die lateinische Darstellung Eschenloers in allgemeinen viel zuversässiger ist als die deutsche2). Sie ist sorgsältiger gearbeitet; sie steht nicht wie die deutsche unter der gefährlichen Teudenz, ein abgerundetes literarisches Ganzes geben zu wollen; sie ist frei von Verbitterung. An der Darstellung des Huldigungskoufliktes hat sich dieses Verhältuis abermals dargestellt. Daneben aber ergaben sich auch Vorzüge der deutschen Fassung gegenüber der lateinischen. Sie zeigte sich wertvoll nicht uur als „erweiterte“, sondern auch als „revidierte“ Textgestalt. Das erste Beispiel betraf die Huldigungszusage vom Januar 1454. Weun in diesem Falle wirklich etwas nachgetragen ist, was Eschensoer erst nach der lateinischen Niederschrist ersuhr, so steht der Fall als Verbesserung eines Irrtums fast vereinzelt da. Ein weiteres Beispiel solcher Verbesserung hat Markgraf selbst uachgewiesen3); es handelt sich dabei gleichfalls um ein Breslauer Ereignis, das vor der Amtszeit Eschenloers siegt. Solche Richtigstellungen im Juteresse der Genauigfeit tommen in den Abschnitten, die die Schicksale Breslaus während der Amtszeit Eschenloers behaudesu, bei wichtigen Diugen kaum mehr 1) Esch. D I 22, 95. 99. Vgl. die Ratslisten 1454—1459 Cod. dipl. Sil. XI, 31 f. 2) Script. rer. Siles. VII, S. XXIII. f. Dazu zahlreiche Anmerkungen in der Ausgabe des latein. Eschenlver sowie in Martgrafs Abhandlungen über die Geschichte der Epoche. 3) L 3, Anm. 2 — Abweisung der polnischen Werbung, die die Breslauer zum Abfall von Ladislans verleiten will. Nach L: 1447, nach D I 54 in der Zeit des Königs Wladislaus. In der Tat fällt das Ereiguis ins Jahr 1440.
Der lateinische und der deutsche Eschenloer. 155 Die Angaben des deutschen Textes über die Spaltung, die um der Huldigungs- frage willen in der Stadt erfolgte, dürfen wir gleichfalls als glaubwürdig an- nehmen. Zwar entsprechen die Zustände, die er hier schildert, denen, die wir später in den Jahren 1459 und 1467 vorfinden, so genau, daß man versucht ist, gerade hier eine „pragmatisierende“ Erfindung zu vermuten. Aber die kurze Andeutung der Denkschrift vom 7. Mai über die Gefährdung der „Eintracht allhie“ zeigt doch, daß Eschenloer hier uicht frei phantasiert hat. Auf eine Spaltung unter den Stadthäuptern weist uns auch die Tatsache hin, daß die Schöffen Valentin Haunold und Anton Hornig bei den Neuwahlen am Ascher- mittwoch 1455 von der Wiederwahl ansgeschlossen wurden 1). — Diese Dinge hat Eschenloer bei der Abfassung der lateinischen Darstellung sicherlich gewußt; aber er hat sie dort verschwiegen. Der lateinische Text ist also an dieser Stelle weniger objektiv als der deutsche. II. Allgemeine Bemerkung über die beiden Fassungen der Erzählung Eschenloers. Die Untersuchungen Markgrafs haben erwiesen, daß die lateinische Darstellung Eschenloers in allgemeinen viel zuversässiger ist als die deutsche2). Sie ist sorgsältiger gearbeitet; sie steht nicht wie die deutsche unter der gefährlichen Teudenz, ein abgerundetes literarisches Ganzes geben zu wollen; sie ist frei von Verbitterung. An der Darstellung des Huldigungskoufliktes hat sich dieses Verhältuis abermals dargestellt. Daneben aber ergaben sich auch Vorzüge der deutschen Fassung gegenüber der lateinischen. Sie zeigte sich wertvoll nicht uur als „erweiterte“, sondern auch als „revidierte“ Textgestalt. Das erste Beispiel betraf die Huldigungszusage vom Januar 1454. Weun in diesem Falle wirklich etwas nachgetragen ist, was Eschensoer erst nach der lateinischen Niederschrist ersuhr, so steht der Fall als Verbesserung eines Irrtums fast vereinzelt da. Ein weiteres Beispiel solcher Verbesserung hat Markgraf selbst uachgewiesen3); es handelt sich dabei gleichfalls um ein Breslauer Ereignis, das vor der Amtszeit Eschenloers siegt. Solche Richtigstellungen im Juteresse der Genauigfeit tommen in den Abschnitten, die die Schicksale Breslaus während der Amtszeit Eschenloers behaudesu, bei wichtigen Diugen kaum mehr 1) Esch. D I 22, 95. 99. Vgl. die Ratslisten 1454—1459 Cod. dipl. Sil. XI, 31 f. 2) Script. rer. Siles. VII, S. XXIII. f. Dazu zahlreiche Anmerkungen in der Ausgabe des latein. Eschenlver sowie in Martgrafs Abhandlungen über die Geschichte der Epoche. 3) L 3, Anm. 2 — Abweisung der polnischen Werbung, die die Breslauer zum Abfall von Ladislans verleiten will. Nach L: 1447, nach D I 54 in der Zeit des Königs Wladislaus. In der Tat fällt das Ereiguis ins Jahr 1440.
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156 Verschleierungen der lateinischen Fassung. vor1) — wenn man nicht die fragwürdigen Änderungen der Chronologie, auf die Markgraf hinweist, dafür nehmen will. Wichtiger für die Beurteilung der beiden Fassungen ist die Korrektur an der lateinischen Fassung, die Eschenloer vornimmt, indem er die Parteiung des Volkes im Huldigungskonflikt aufdeckt. Hier handelt es sich um Enthüllung eines früher verheimlichten Tatbestandes. Wir erkennen, daß das Lob größerer Uubefangenheit, das Markgraf der lateinischen Fassung zuerteilt, der Einschränkung bedarf. Bei aller „aktenmäßigen“ Trockenheit wird die lateinische Darstellung, wenigstens in ihrem ersten Hauptteil, dessen Erzählung bis zum Vertrage von 1460 reicht, doch durch besondere Rücksichten beeinflußt, die Eschenloer seinen Mitbürgern gegenüber bewahren zu müssen glaubte. Wir verstehen das leicht, wenn wir uns den Zeitpunkt der Abfassung in Erinnerung rufen. Eschenloer brachte hier die erste Epoche des Kampfes mit Georg von Podiebrad zur Dar- stellung, als der zweite Angriff der Stadt gegen den König im Gange war. Damals (1461—1463) schwiegen die Gegeusätze in der Stadt: es gab uur eine Politik der Vernichtung. Es war unangebracht, die innerstädtischen Spannungen, die während der früheren Kämpfe mit Podiebrad bestanden hatten, allzu deutlich hervorzuheben. Die Einleitung des Werkes mahnt zwar die Bürgerschaft ein- dringlich daran, daß die Stadt groß sein werde, solange sie sich nicht, wie Rom und Troja, in Parteiungen verzehre, und deutet damit leise auf die üverwundene Zwiespältigkeit hin. Aber das Interesse der Erzählung selbst gilt diesem Gegen staude nicht. Eschenloer sucht eher, wo es angeht, zu unterdrücken, was einer der Parteien peinlich sein könnte. 1. Wie er gegenüber seinen Herren vom Rate diese Schonung beweist, da- für gibt, wie wir sahen, vielleicht schon seine Darstellung der Vorgeschichte der böhmischen Gesandtschaft vom Mai 1454 ein Beispiel. Er verschweigt auch die Unstimmigkeiten im Rate, die sich im Zusammenhange mit dem Huldigungs- konflikte ergaben; die Wiederaufnahme von Hornig und Hannolt im August 1459 wird erzählt, als handle es sich um homines novi2). Im Interesse der Rats- aristokratie werden auch die Indizien, die im Angust 1459 für die verräterischen Umtriebe einiger Patrizier bestauden, nicht vollständig entwickest3). 2. Die Aufsässigkeit der Gemeine gegen den Rat im Huldigungskonflikt bleibt, wie wir sahen, unerwähnt; der Text spricht auch nicht von den Aus- schreitungen des Volkes, die nach dem Tode des Ladislaus und nach der Er- hebung Podiebrads geschahen, obwohl ein in den Text eingeschaltetes urkundliches Zeugnis die öffentlichen Lästerungen gegen Georg erwähnt4). Gegenüber der Spannung, die zwischen Rat und Gemeine im Sommer 1459 bestand, und um den Bartholomäustag zu Auflänfen führte, war ein solches Verschweigen nicht augängig. Doch werden diese Dinge so schonend wie möglich erzähst. Eschenloer 1) Nur auf die Veränderung der Zahlenangaben bei der Erzählung vom Einzug der Legaten (siche unten S. 160, Anm. 7) hätten wir in diesem Sinne hinzuweisen. 2) L 54, 4) D I 44, 52, 54, vgl. oben S. 62, Anm. 2. 3) Die Scharfrichter, vgl. oben S. 62. vgl. oben S. 41, 44. Der Brief Georgs L 20.
156 Verschleierungen der lateinischen Fassung. vor1) — wenn man nicht die fragwürdigen Änderungen der Chronologie, auf die Markgraf hinweist, dafür nehmen will. Wichtiger für die Beurteilung der beiden Fassungen ist die Korrektur an der lateinischen Fassung, die Eschenloer vornimmt, indem er die Parteiung des Volkes im Huldigungskonflikt aufdeckt. Hier handelt es sich um Enthüllung eines früher verheimlichten Tatbestandes. Wir erkennen, daß das Lob größerer Uubefangenheit, das Markgraf der lateinischen Fassung zuerteilt, der Einschränkung bedarf. Bei aller „aktenmäßigen“ Trockenheit wird die lateinische Darstellung, wenigstens in ihrem ersten Hauptteil, dessen Erzählung bis zum Vertrage von 1460 reicht, doch durch besondere Rücksichten beeinflußt, die Eschenloer seinen Mitbürgern gegenüber bewahren zu müssen glaubte. Wir verstehen das leicht, wenn wir uns den Zeitpunkt der Abfassung in Erinnerung rufen. Eschenloer brachte hier die erste Epoche des Kampfes mit Georg von Podiebrad zur Dar- stellung, als der zweite Angriff der Stadt gegen den König im Gange war. Damals (1461—1463) schwiegen die Gegeusätze in der Stadt: es gab uur eine Politik der Vernichtung. Es war unangebracht, die innerstädtischen Spannungen, die während der früheren Kämpfe mit Podiebrad bestanden hatten, allzu deutlich hervorzuheben. Die Einleitung des Werkes mahnt zwar die Bürgerschaft ein- dringlich daran, daß die Stadt groß sein werde, solange sie sich nicht, wie Rom und Troja, in Parteiungen verzehre, und deutet damit leise auf die üverwundene Zwiespältigkeit hin. Aber das Interesse der Erzählung selbst gilt diesem Gegen staude nicht. Eschenloer sucht eher, wo es angeht, zu unterdrücken, was einer der Parteien peinlich sein könnte. 1. Wie er gegenüber seinen Herren vom Rate diese Schonung beweist, da- für gibt, wie wir sahen, vielleicht schon seine Darstellung der Vorgeschichte der böhmischen Gesandtschaft vom Mai 1454 ein Beispiel. Er verschweigt auch die Unstimmigkeiten im Rate, die sich im Zusammenhange mit dem Huldigungs- konflikte ergaben; die Wiederaufnahme von Hornig und Hannolt im August 1459 wird erzählt, als handle es sich um homines novi2). Im Interesse der Rats- aristokratie werden auch die Indizien, die im Angust 1459 für die verräterischen Umtriebe einiger Patrizier bestauden, nicht vollständig entwickest3). 2. Die Aufsässigkeit der Gemeine gegen den Rat im Huldigungskonflikt bleibt, wie wir sahen, unerwähnt; der Text spricht auch nicht von den Aus- schreitungen des Volkes, die nach dem Tode des Ladislaus und nach der Er- hebung Podiebrads geschahen, obwohl ein in den Text eingeschaltetes urkundliches Zeugnis die öffentlichen Lästerungen gegen Georg erwähnt4). Gegenüber der Spannung, die zwischen Rat und Gemeine im Sommer 1459 bestand, und um den Bartholomäustag zu Auflänfen führte, war ein solches Verschweigen nicht augängig. Doch werden diese Dinge so schonend wie möglich erzähst. Eschenloer 1) Nur auf die Veränderung der Zahlenangaben bei der Erzählung vom Einzug der Legaten (siche unten S. 160, Anm. 7) hätten wir in diesem Sinne hinzuweisen. 2) L 54, 4) D I 44, 52, 54, vgl. oben S. 62, Anm. 2. 3) Die Scharfrichter, vgl. oben S. 62. vgl. oben S. 41, 44. Der Brief Georgs L 20.
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Verschleierungen der lateinischen Fassung. 157 begnügt sich mit leisem Tadel, oder er will gar den Unwillen des Volkes aus seinem heiligen Eifer verständlich machen 1). Von Pöbelinstinkten, von Spielern und Lottern, deren Herrschaft die dentsche Fassung beklagt, sagt die lateinische nichts — und doch wird die Mitwirkung dieser zersetzenden Kräfte durch die Analogie der Vorgänge von 1467 wahrscheinlich gemacht. 3. Gegenüber den Predigern übt Eschenloer den gleichen Takt. Er be- tont nur beim Huldigungskonflikt ihre Wirksamkeit; ihre Agitation von 1458/9 wird verschleiert. Man könnte geneigt sein anzunehmen, daß die deutsche Dar- stellung übertreibt, indem sie diese Agitation so fraß hervorhebt. Aber gelegentliche Andeutungen, die der lateinische Text wider Willen durchgehen läßt, geben zu erkennen, daß der deutsche über diese Umtriebe durchaus den richtigen Eindruck vermittelt. So erzählt Eschenloer auch im lateinischen Text, daß Bischof Jost zwei Predigern vorgeworfen habe, an der ganzen Aufsässigkeit der Stadt seien nur sie schuldig; „die Prediger aber gaben ihm eine gute Antwort, kehrten nach Breslau zurück und entlarvten die Ketzerei noch offener als früher-2). Ferner weisen die Tadelsworte der Legaten über die falschen Propheten, die dem Volke böse Meinungen über den Heiligen Vater einflüstern, deutlich auf die wilden Hetzreden der Prediger hin3). Was Eschenloer im deutschen Text über den leidenschaftlichen Charakter der Disputationen zwischen den Legaten und den Predigern berichtet4), wird durch den Traktat des Bartholomäus bestätigt. Das lateinische Werk gibt eine Abschrift dieses Traktats 5). Sie ist mit einer bewundernden Überschrift versehen. Eschenloer nennt den Mann, den er später als Wüstling brandmarkt, hier einen begnadeten Redner. Zur Zeit der lateinischen Niederschrift also hat er sich mit den Predigern ausgesöhnt und verzeiht er ihnen, was sie Böses am Rate getan hatten. Nur in einem Punkte kann er sie nicht anerkennen; er behält die Eifersucht des Stadtschreibers gegen die konkurrierende und überlegene Diplomatie der Geistlichkeit. Der hohe Anteil, der Tempelfeld an der ersten Auknüpfung mit Rom zukommt, wird unterdrückt, und die Korrespondenz, mit der unter seiner Einwirkung die Stadt im Jahre 1459 die Kurie bestürmte, überhaupt nicht als belangreich dargestellt6). In der deutschen Fassung besteht diese Eifersucht fort und übt die gleiche verschleiernde Wirkung aus. Im übrigen aber bestehen die Rücksichten nicht mehr, die bei der lateinischen Abfassung gegosten haben, jedenfalls soweit sie Gemeine und Predigerschaft betreffen. Die Darstellung ist jetzt vielmehr beherrscht von der Tendenz, „Enthüllungen“ zu geben, die volle Wahrheit auszusprechen. Dadurch kommt das im lateinischen Text Verschwiegene ans Licht. — Wie gefährlich in- dessen die Absicht des „Enthüllens“ für die historische Genauigkeit werden kann, ist aus bedeutenderen Beispielen bekannt. Schon darum bleibt das Urteil Mark- grafs bestehen, daß das deutsche Werk nur mit Vorsicht benutzt werden kann7). 1) L 50: communitas autem sic constans sicque animosa fuit, ut eciam nec de pace nec de Georgio quidquam voluit audire. 2) L 57. 3) L 79. Zu Unrecht meint Markgraf, daß die Herrschaft der Geistlichkeit schon im lateinischen Text genügend hervortrete. (Script. rer. Siles. VII, S. XXIII.) 4) D I 126. 5) Beilage 5. 6) Siehe oben S. 50, 7) Vgl. hierzu namentlich noch die Darstellung der Ratspolitik seit 1461. Oben S. 95. Anm.
Verschleierungen der lateinischen Fassung. 157 begnügt sich mit leisem Tadel, oder er will gar den Unwillen des Volkes aus seinem heiligen Eifer verständlich machen 1). Von Pöbelinstinkten, von Spielern und Lottern, deren Herrschaft die dentsche Fassung beklagt, sagt die lateinische nichts — und doch wird die Mitwirkung dieser zersetzenden Kräfte durch die Analogie der Vorgänge von 1467 wahrscheinlich gemacht. 3. Gegenüber den Predigern übt Eschenloer den gleichen Takt. Er be- tont nur beim Huldigungskonflikt ihre Wirksamkeit; ihre Agitation von 1458/9 wird verschleiert. Man könnte geneigt sein anzunehmen, daß die deutsche Dar- stellung übertreibt, indem sie diese Agitation so fraß hervorhebt. Aber gelegentliche Andeutungen, die der lateinische Text wider Willen durchgehen läßt, geben zu erkennen, daß der deutsche über diese Umtriebe durchaus den richtigen Eindruck vermittelt. So erzählt Eschenloer auch im lateinischen Text, daß Bischof Jost zwei Predigern vorgeworfen habe, an der ganzen Aufsässigkeit der Stadt seien nur sie schuldig; „die Prediger aber gaben ihm eine gute Antwort, kehrten nach Breslau zurück und entlarvten die Ketzerei noch offener als früher-2). Ferner weisen die Tadelsworte der Legaten über die falschen Propheten, die dem Volke böse Meinungen über den Heiligen Vater einflüstern, deutlich auf die wilden Hetzreden der Prediger hin3). Was Eschenloer im deutschen Text über den leidenschaftlichen Charakter der Disputationen zwischen den Legaten und den Predigern berichtet4), wird durch den Traktat des Bartholomäus bestätigt. Das lateinische Werk gibt eine Abschrift dieses Traktats 5). Sie ist mit einer bewundernden Überschrift versehen. Eschenloer nennt den Mann, den er später als Wüstling brandmarkt, hier einen begnadeten Redner. Zur Zeit der lateinischen Niederschrift also hat er sich mit den Predigern ausgesöhnt und verzeiht er ihnen, was sie Böses am Rate getan hatten. Nur in einem Punkte kann er sie nicht anerkennen; er behält die Eifersucht des Stadtschreibers gegen die konkurrierende und überlegene Diplomatie der Geistlichkeit. Der hohe Anteil, der Tempelfeld an der ersten Auknüpfung mit Rom zukommt, wird unterdrückt, und die Korrespondenz, mit der unter seiner Einwirkung die Stadt im Jahre 1459 die Kurie bestürmte, überhaupt nicht als belangreich dargestellt6). In der deutschen Fassung besteht diese Eifersucht fort und übt die gleiche verschleiernde Wirkung aus. Im übrigen aber bestehen die Rücksichten nicht mehr, die bei der lateinischen Abfassung gegosten haben, jedenfalls soweit sie Gemeine und Predigerschaft betreffen. Die Darstellung ist jetzt vielmehr beherrscht von der Tendenz, „Enthüllungen“ zu geben, die volle Wahrheit auszusprechen. Dadurch kommt das im lateinischen Text Verschwiegene ans Licht. — Wie gefährlich in- dessen die Absicht des „Enthüllens“ für die historische Genauigkeit werden kann, ist aus bedeutenderen Beispielen bekannt. Schon darum bleibt das Urteil Mark- grafs bestehen, daß das deutsche Werk nur mit Vorsicht benutzt werden kann7). 1) L 50: communitas autem sic constans sicque animosa fuit, ut eciam nec de pace nec de Georgio quidquam voluit audire. 2) L 57. 3) L 79. Zu Unrecht meint Markgraf, daß die Herrschaft der Geistlichkeit schon im lateinischen Text genügend hervortrete. (Script. rer. Siles. VII, S. XXIII.) 4) D I 126. 5) Beilage 5. 6) Siehe oben S. 50, 7) Vgl. hierzu namentlich noch die Darstellung der Ratspolitik seit 1461. Oben S. 95. Anm.
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158 Die Stärke des Breslauer Aufgebots. Die fortlaufende Parallele zwischen den beiden Textfassungen reicht zunächst nur bis zum Vertrage von 1460. Erst mit dem Jahre 1463 setzen die lateinischen Aufzeichnungen wieder ein, und erst seit 1467 gewinnen sie größere Breite. In diesen späteren Partien hat das lateinische Werk keine verhüllende Tendenz mehr, und bald erscheinen in ihm die Ausfälle gegen Gemeine uud Predigerschaft, die dann auch dem deutschen Werk das Gepräge geben. Es trägt im übrigen jetzt den Charakter gleichzeitiger oder fast gleichzeitiger Aufzeichnungen, und die deutsche Bearbeitung hatte in der Ordnung und Ergänzung der lateinischen Tagebuch¬ notizen eine besondere darstellerische Arbeit zu leisten. Da die letzten Phasen des Kampfes überwiegend nicht mehr in den Zeitraum sallen, den die vorliegende Darstellung genaner behaudelt, dürfen wir für diese Abschnitte von einer Ver- gleichung der beiden Fassungen absehen. III. Die Stärke des Breslauer Aufgebots. Auf S. 130 dieser Untersuchung wird die Frage ausgeworsen, wie viel Wehrpflichtige die Stadt im Feldzug 1467 hätte stellen tönnen, weun sie ihre Kräfte voll zur Entfaltung gebracht hätte. Auch Eschenloer beschäftigt sich einmal mit dieser Frage; er beantwortet sie aber uicht positiv. Er berichtet, daß in Breslau zu Beginn des Feldzuges bei der Gemeine die Behauptung umging, die Stadt könne zehntäusend Mann anfbringen und weist diese Überhebung zurück mit der Bemerkung: „wann so man czwetausent man aus Breslow ane geste furen sulde, würde die stat mit der obirmosse swach sein"1). D. h.: die Stadt besaß wohl 2000 kriegstüchtige Männer oder mehr an Wehrpflichtigen allein (ohne „Gäste“). Hätte sie aber alle diese ausziehen lassen, so wären für die Bewachung der Tore und für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens nicht genug Kräfte übrig geblieben. Diese Bemerkung grenzt unsere Vorstellungen über die Stärke Breslaus nur unbestimmt nach oben hin ab 2). Wir wünschten zu einer etwas genaueren Bestimmung der verfügbaren Heereskräfte zu gelangen. Hierfür wäre das erste Erforderuis, daß wir etwas über die Zahl der Breslauer Wehrpflichtigen überhaupt wüßten. Diese ist gleichbedentend mit der Zahl der erwachsenen mänulichen Bevölkerung, die sich ans Bürgern, aus selb- ständigen Einwohnern ohne Bürgerrecht und aus Kuechten zusammensetzt. Leider besitzen wir nun keine umfassenden statistischen Angaben über die Breslauer Bevölkerung dieser Zeit. Aber uns ist wenigstens eine Teilzahl überliefert, die einer Abschätzung zum Ausgangspunkt dienen kann. 1) D II 32. 2) Daß Eschenloers Schätzung hier auf tlaren und begrindeten Vor- stellungen beruht, dürfen wir voraussetzen. Er schrieb seine deutsche Erzählung um 1475 bis 1480, also nach zwanzigiähriger Tätigkeit als Stadtschreiber nieder (Markgraf, Script. rer. Siles. VII, S. XIX f.).
158 Die Stärke des Breslauer Aufgebots. Die fortlaufende Parallele zwischen den beiden Textfassungen reicht zunächst nur bis zum Vertrage von 1460. Erst mit dem Jahre 1463 setzen die lateinischen Aufzeichnungen wieder ein, und erst seit 1467 gewinnen sie größere Breite. In diesen späteren Partien hat das lateinische Werk keine verhüllende Tendenz mehr, und bald erscheinen in ihm die Ausfälle gegen Gemeine uud Predigerschaft, die dann auch dem deutschen Werk das Gepräge geben. Es trägt im übrigen jetzt den Charakter gleichzeitiger oder fast gleichzeitiger Aufzeichnungen, und die deutsche Bearbeitung hatte in der Ordnung und Ergänzung der lateinischen Tagebuch¬ notizen eine besondere darstellerische Arbeit zu leisten. Da die letzten Phasen des Kampfes überwiegend nicht mehr in den Zeitraum sallen, den die vorliegende Darstellung genaner behaudelt, dürfen wir für diese Abschnitte von einer Ver- gleichung der beiden Fassungen absehen. III. Die Stärke des Breslauer Aufgebots. Auf S. 130 dieser Untersuchung wird die Frage ausgeworsen, wie viel Wehrpflichtige die Stadt im Feldzug 1467 hätte stellen tönnen, weun sie ihre Kräfte voll zur Entfaltung gebracht hätte. Auch Eschenloer beschäftigt sich einmal mit dieser Frage; er beantwortet sie aber uicht positiv. Er berichtet, daß in Breslau zu Beginn des Feldzuges bei der Gemeine die Behauptung umging, die Stadt könne zehntäusend Mann anfbringen und weist diese Überhebung zurück mit der Bemerkung: „wann so man czwetausent man aus Breslow ane geste furen sulde, würde die stat mit der obirmosse swach sein"1). D. h.: die Stadt besaß wohl 2000 kriegstüchtige Männer oder mehr an Wehrpflichtigen allein (ohne „Gäste“). Hätte sie aber alle diese ausziehen lassen, so wären für die Bewachung der Tore und für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens nicht genug Kräfte übrig geblieben. Diese Bemerkung grenzt unsere Vorstellungen über die Stärke Breslaus nur unbestimmt nach oben hin ab 2). Wir wünschten zu einer etwas genaueren Bestimmung der verfügbaren Heereskräfte zu gelangen. Hierfür wäre das erste Erforderuis, daß wir etwas über die Zahl der Breslauer Wehrpflichtigen überhaupt wüßten. Diese ist gleichbedentend mit der Zahl der erwachsenen mänulichen Bevölkerung, die sich ans Bürgern, aus selb- ständigen Einwohnern ohne Bürgerrecht und aus Kuechten zusammensetzt. Leider besitzen wir nun keine umfassenden statistischen Angaben über die Breslauer Bevölkerung dieser Zeit. Aber uns ist wenigstens eine Teilzahl überliefert, die einer Abschätzung zum Ausgangspunkt dienen kann. 1) D II 32. 2) Daß Eschenloers Schätzung hier auf tlaren und begrindeten Vor- stellungen beruht, dürfen wir voraussetzen. Er schrieb seine deutsche Erzählung um 1475 bis 1480, also nach zwanzigiähriger Tätigkeit als Stadtschreiber nieder (Markgraf, Script. rer. Siles. VII, S. XIX f.).
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Die Breslauer Zunftliste und die Büchersche Gewerbeliste für Frankfurt a. M. 159 Aus dem Jahre 1470 ist nämlich ein Mitgliederverzeichnis der Breslauer Zechen erhalten. Es enthält nach der Feststeslung Eulenburgs1) 1221 Namen. Die Liste umfaßt uur einen Teil der erwachsenen männlichen Bevölkerung Breslaus. Aber für die Abschätzung des Restes kommen uns die Verhältnisse anderer größerer deutscher Städte zu Hilfe. In erster Linie haben wir hier an Büchers Feststellungen über die Bevölkerung von Frankfurt am Main anzuknüpfen2). In Frankfurt am Main mußten im Jahre 1440 sämtsiche selbständigen männlichen Personen und ihre Söhne im Alter von 14 Jahren und mehr den Bürgereid leisten. Über die Eidleistenden wurde eine Liste aufgestellt. Diese umjaßt 2106 Namen; darunter sind 243 als jugendliche Personen oder Knechte kenntlich gemacht, so daß die Höchstzahl der selbständigen männlichen Bevölkerung im engeren Sinne 1863 beträgt3). Bücher ist es uun gelungen, bei 1498 dieser selbständig Erwerbenden zugleich den Beruf festzustellen4). Diese Frankfurter Gewerbeliste dürsen wir mit der Breslauer Zunftliste vergleichen; in beiden stellen sich das Handwerk, der Kleinhandel, die Gewerbe der Lebeuss und Genußmittel dar. Doch bedürfen beide Listen näherer Bearbeitung, damit die vergleichbaren Größen heraustreten. 1. Die Frankfurter Gewerbeliste verzeichnet auch Berufe, die in Breslau keine eigene Zuuft bildeten; diese müssen wir für den Vergleich in Abzug bringen. Bei den zahlreichen Spezialberufen, die unter den Handwerkern und Kleinhändlern von Bücher angemerkt sind, sind wir zu einem solchen Abzug allerdings nicht berechtigt; wir müssen damit rechnen, daß die entsprechenden Handwerker in Breslau bei benachbarten Zünften unterkamen 5). Auch die im Weinhandel und Weinausschauk tätigen Personen dürfen wir nicht abziehen; deun diese Gewerbe sind zwar unter den Breslauer Zünften nicht vertreten; ihnen entsprechen hier aber die besonders entwickelten züuftigen Gewerbe der Mälzer und Kretschmer6). Dagegen dürsen wir in Abzug bringen: die Abteilung Urproduktion (mit Ausnahme der Fischer, die in Breslan eine Zuust bilden) . . . . . . . . . 103 Personen, . die Verkehrsgewerbe (Sackträger, Fuhrleute, Schiffer usw.)7) . 47 Büchers Abteilungen XI — XIV (Schreiber, Spiellente, Lohnarbeit unbestimmter Art, „verschiedene andere Berufsarten“). . 147 297 Personen. Vou den 1498 gewerbtätigen Fraukfurter Bürgern bleiben damit nur 1201 als Vergleichsgröße übrig. —. -- 1) F. Eulenburg, Drei Jahrhunderte städtischen Gewerbewesens, Vierteljahrsschrift für Sozial und Wirtschaftsgesch. Bd. II (1904), S. 254 ff. Wir beschränken uns hier auf die wirtlich überlieferten Größen, die aus Tabelle 3 (S. 278 f.) zu ermitteln sind, und sehen von Eulenburgs Interpolationen ab. 2) K. Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt im 14. und 15. Jahrhundert (1886). 3) Bücher a. a. O. S. 177, 184—191. 4) Bücher, S. 210 bis 214, und Tabelle XV, S. 215—225. 5) Vgl. Eulenburgs Bemerkung über die „kombinierten“ Zechen Breslaus, S. 257. 6) Dagegen werden in Frantfurt nur drei Bierbrauer genannt. Die Überlieferung ist aber wohl unvollständig. Bücher, S. 241 f. 7) Vücher, S. 221, Abteilg. X, 18, 19, 27—33.
Die Breslauer Zunftliste und die Büchersche Gewerbeliste für Frankfurt a. M. 159 Aus dem Jahre 1470 ist nämlich ein Mitgliederverzeichnis der Breslauer Zechen erhalten. Es enthält nach der Feststeslung Eulenburgs1) 1221 Namen. Die Liste umfaßt uur einen Teil der erwachsenen männlichen Bevölkerung Breslaus. Aber für die Abschätzung des Restes kommen uns die Verhältnisse anderer größerer deutscher Städte zu Hilfe. In erster Linie haben wir hier an Büchers Feststellungen über die Bevölkerung von Frankfurt am Main anzuknüpfen2). In Frankfurt am Main mußten im Jahre 1440 sämtsiche selbständigen männlichen Personen und ihre Söhne im Alter von 14 Jahren und mehr den Bürgereid leisten. Über die Eidleistenden wurde eine Liste aufgestellt. Diese umjaßt 2106 Namen; darunter sind 243 als jugendliche Personen oder Knechte kenntlich gemacht, so daß die Höchstzahl der selbständigen männlichen Bevölkerung im engeren Sinne 1863 beträgt3). Bücher ist es uun gelungen, bei 1498 dieser selbständig Erwerbenden zugleich den Beruf festzustellen4). Diese Frankfurter Gewerbeliste dürsen wir mit der Breslauer Zunftliste vergleichen; in beiden stellen sich das Handwerk, der Kleinhandel, die Gewerbe der Lebeuss und Genußmittel dar. Doch bedürfen beide Listen näherer Bearbeitung, damit die vergleichbaren Größen heraustreten. 1. Die Frankfurter Gewerbeliste verzeichnet auch Berufe, die in Breslau keine eigene Zuuft bildeten; diese müssen wir für den Vergleich in Abzug bringen. Bei den zahlreichen Spezialberufen, die unter den Handwerkern und Kleinhändlern von Bücher angemerkt sind, sind wir zu einem solchen Abzug allerdings nicht berechtigt; wir müssen damit rechnen, daß die entsprechenden Handwerker in Breslau bei benachbarten Zünften unterkamen 5). Auch die im Weinhandel und Weinausschauk tätigen Personen dürfen wir nicht abziehen; deun diese Gewerbe sind zwar unter den Breslauer Zünften nicht vertreten; ihnen entsprechen hier aber die besonders entwickelten züuftigen Gewerbe der Mälzer und Kretschmer6). Dagegen dürsen wir in Abzug bringen: die Abteilung Urproduktion (mit Ausnahme der Fischer, die in Breslan eine Zuust bilden) . . . . . . . . . 103 Personen, . die Verkehrsgewerbe (Sackträger, Fuhrleute, Schiffer usw.)7) . 47 Büchers Abteilungen XI — XIV (Schreiber, Spiellente, Lohnarbeit unbestimmter Art, „verschiedene andere Berufsarten“). . 147 297 Personen. Vou den 1498 gewerbtätigen Fraukfurter Bürgern bleiben damit nur 1201 als Vergleichsgröße übrig. —. -- 1) F. Eulenburg, Drei Jahrhunderte städtischen Gewerbewesens, Vierteljahrsschrift für Sozial und Wirtschaftsgesch. Bd. II (1904), S. 254 ff. Wir beschränken uns hier auf die wirtlich überlieferten Größen, die aus Tabelle 3 (S. 278 f.) zu ermitteln sind, und sehen von Eulenburgs Interpolationen ab. 2) K. Bücher, Die Bevölkerung von Frankfurt im 14. und 15. Jahrhundert (1886). 3) Bücher a. a. O. S. 177, 184—191. 4) Bücher, S. 210 bis 214, und Tabelle XV, S. 215—225. 5) Vgl. Eulenburgs Bemerkung über die „kombinierten“ Zechen Breslaus, S. 257. 6) Dagegen werden in Frantfurt nur drei Bierbrauer genannt. Die Überlieferung ist aber wohl unvollständig. Bücher, S. 241 f. 7) Vücher, S. 221, Abteilg. X, 18, 19, 27—33.
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160 Die Breslauer Zunftliste und die Büchersche Gewerbeliste füir Frankfurt a. M. 2. Weder die Frankfurter, noch die Breslaner Liste ist vollständig. a) Die Frankfurter Liste kennt unter 1863 selbständigen Personen nur bei 1498 den Beruf. Das fehlende Fünftel — 365 Personen — müssen wir uns mit Personen sehr verschiedenen Standes ausgefüllt denken. Hierin gehören einerseits Gruppen von Bürgern, die für den Vergleich mit der Breslauer Zunft liste ohnedies hinwegfallen, nämlich: das gesamte Patriziat — das allerdings nach Bücher1) höchstens 70 Männer und Jünglinge umfaßt — ferner eine Reihe nichtpatrizischer Großkaufleute, sodann eine nach Büchers Feststellungen über den Landwirtschaftsbetrieb der Bürger2) noch ansehulich zu denkende Zahl von Ur- produzenten, endlich wohl auch Lohnarbeiter ohne ständigen Beruf. Andrerseits sind aber gewiß auch Handwerker und Kleinhändler in dem unbezeichneten Rest mit enthalten, bei denen die urkundlichen Quellen den Beruf nur darum nicht nennen, weil die Personen stadtbekannt waren. Namentlich dürften mehr Per- sonen, als die Liste angibt, in den Nahrungsmittelgewerben und im Gastwirts- gewerbe selbständig tätig gewesen sein3). Diese Personen hätten wir zu den unter 1. ermittelten 1201 hinzuzuzählen. Wir werden ihre Zahl möglichst hoch verauschlagen, da uns nach den Zwecken unserer Schätzung daran gelegen sein muß, daß Breslau neben Frankjurt nicht zu groß erscheint. Wir nehmen also an, daß eigentlich noch die Hälfte des unbezeichneten Restes der Bürgerliste in unserer reduzierten Gewerbeliste enthalten sein müßte und erweitern damit die 1201 Gewerbtätigen auf etwa 1380. b) Die Breslauer Zunftliste gibt über die Mitglieder der von ihr ver- zeichneten Zünfte zuverlässig Auskunft; aber einige Zünfte, die zur Zeit der Aufstellung schon bestanden, fehlen in der Liste, nämlich Barbiere, Töpfer, Zimmer- leute und Müller, Kretschmer. Für diese Berufe kann uns nur eine spätere Liste vom Jahre 1499 einigen Anhalt geben4); sie verzeichnet für die vier Zechen insgesamt 178 Personen. Nun hat die Zahl der Mitglieder in den einzelnen Zünften sehr geschwankt; wir haben keine Gewähr dafür, daß sie gerade in diesen vier Zünften gleich geblieben ist. Aber die Kretschmer waren von jeher eins der stärksten Gewerbe5), und andrerseits ist die Zahl der Barbiere früher und später 6), die Zahl der Töpfer jedenfalls später immer eine geringe gewesen. Wir dürften also keinen wesentlichen Fehler begehen, wenn wir, um eine Mindestschätzung zu erhalten, die Zahl der Zunftmeister in den bezeichneten Berufen für das Jahr 1470 um etwa 20% geringer ansetzen, als sie im Jahre 1499 erscheint. Wir veranschlagen dann diese Zahl der in der Liste fehlenden Zunftmitglieder auf 145 und die Gesamtsumme der Zunftmitglieder etwa auf 1221 + 145 = 13667). 1) a. a. O. S. 248. 2) a. a. O. S. 259. 3) Bücher, S. 241 f. 4) Sie ist nur durch die Angaben S. B. Kloses überliefert, Script. rer. Siles. III, 267. Vgl. Eulen- burg, S. 259, 278 f. — Die Bedenken, die Eulenburg später gegen die Quellenmäßigkeit der Angaben Kloses geäußert hat (Jahrb. für Nat.-Öton. u. Statist. Bd. 30, S. 259), sind unbegründet. 5) Seit dem Jahre 1440 stellen sie jährlich einen Ratsherrn oder Schöffen. Vgl. die Ratslinie in Cod. dipl. Sil. XI, S. 29 f. 6) Die Zunft der Barbiere zählte bei ihrer Gründung im Jahre 1468 nur vier Mitglieder. Klose, Script. rer. Siles. III, 116 7) Eine Schätzung der Breslauer Zunft- = Liber magnus, I Bl. 59 b (Stadtarch.). mitglieder unternimmt auch Eschenloer im latcinischen Text, und zwar für das Jahr 1459.
160 Die Breslauer Zunftliste und die Büchersche Gewerbeliste füir Frankfurt a. M. 2. Weder die Frankfurter, noch die Breslaner Liste ist vollständig. a) Die Frankfurter Liste kennt unter 1863 selbständigen Personen nur bei 1498 den Beruf. Das fehlende Fünftel — 365 Personen — müssen wir uns mit Personen sehr verschiedenen Standes ausgefüllt denken. Hierin gehören einerseits Gruppen von Bürgern, die für den Vergleich mit der Breslauer Zunft liste ohnedies hinwegfallen, nämlich: das gesamte Patriziat — das allerdings nach Bücher1) höchstens 70 Männer und Jünglinge umfaßt — ferner eine Reihe nichtpatrizischer Großkaufleute, sodann eine nach Büchers Feststellungen über den Landwirtschaftsbetrieb der Bürger2) noch ansehulich zu denkende Zahl von Ur- produzenten, endlich wohl auch Lohnarbeiter ohne ständigen Beruf. Andrerseits sind aber gewiß auch Handwerker und Kleinhändler in dem unbezeichneten Rest mit enthalten, bei denen die urkundlichen Quellen den Beruf nur darum nicht nennen, weil die Personen stadtbekannt waren. Namentlich dürften mehr Per- sonen, als die Liste angibt, in den Nahrungsmittelgewerben und im Gastwirts- gewerbe selbständig tätig gewesen sein3). Diese Personen hätten wir zu den unter 1. ermittelten 1201 hinzuzuzählen. Wir werden ihre Zahl möglichst hoch verauschlagen, da uns nach den Zwecken unserer Schätzung daran gelegen sein muß, daß Breslau neben Frankjurt nicht zu groß erscheint. Wir nehmen also an, daß eigentlich noch die Hälfte des unbezeichneten Restes der Bürgerliste in unserer reduzierten Gewerbeliste enthalten sein müßte und erweitern damit die 1201 Gewerbtätigen auf etwa 1380. b) Die Breslauer Zunftliste gibt über die Mitglieder der von ihr ver- zeichneten Zünfte zuverlässig Auskunft; aber einige Zünfte, die zur Zeit der Aufstellung schon bestanden, fehlen in der Liste, nämlich Barbiere, Töpfer, Zimmer- leute und Müller, Kretschmer. Für diese Berufe kann uns nur eine spätere Liste vom Jahre 1499 einigen Anhalt geben4); sie verzeichnet für die vier Zechen insgesamt 178 Personen. Nun hat die Zahl der Mitglieder in den einzelnen Zünften sehr geschwankt; wir haben keine Gewähr dafür, daß sie gerade in diesen vier Zünften gleich geblieben ist. Aber die Kretschmer waren von jeher eins der stärksten Gewerbe5), und andrerseits ist die Zahl der Barbiere früher und später 6), die Zahl der Töpfer jedenfalls später immer eine geringe gewesen. Wir dürften also keinen wesentlichen Fehler begehen, wenn wir, um eine Mindestschätzung zu erhalten, die Zahl der Zunftmeister in den bezeichneten Berufen für das Jahr 1470 um etwa 20% geringer ansetzen, als sie im Jahre 1499 erscheint. Wir veranschlagen dann diese Zahl der in der Liste fehlenden Zunftmitglieder auf 145 und die Gesamtsumme der Zunftmitglieder etwa auf 1221 + 145 = 13667). 1) a. a. O. S. 248. 2) a. a. O. S. 259. 3) Bücher, S. 241 f. 4) Sie ist nur durch die Angaben S. B. Kloses überliefert, Script. rer. Siles. III, 267. Vgl. Eulen- burg, S. 259, 278 f. — Die Bedenken, die Eulenburg später gegen die Quellenmäßigkeit der Angaben Kloses geäußert hat (Jahrb. für Nat.-Öton. u. Statist. Bd. 30, S. 259), sind unbegründet. 5) Seit dem Jahre 1440 stellen sie jährlich einen Ratsherrn oder Schöffen. Vgl. die Ratslinie in Cod. dipl. Sil. XI, S. 29 f. 6) Die Zunft der Barbiere zählte bei ihrer Gründung im Jahre 1468 nur vier Mitglieder. Klose, Script. rer. Siles. III, 116 7) Eine Schätzung der Breslauer Zunft- = Liber magnus, I Bl. 59 b (Stadtarch.). mitglieder unternimmt auch Eschenloer im latcinischen Text, und zwar für das Jahr 1459.
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Die Mindeststärke der wehrpflichtigen Bevölkerung Breslaus. 161 Mit andern Worten: die Zahl der Breslauer Zunftmitglieder vom Jahre 1470 dürfte nach einer Mindestschätzung der Zahl der Bürger ziemlich gleich kommen, die in Franffurt am Main im Jahre 1440 in den entsprechenden bürgerlichen Gewerben selbständig tätig waren. Damit sind wir anch berechtigt, die Zahl der uicht-zünftigen selbständigen Berufstätigen Breslaus für mindestens ebenso stark zu halten wie die der entsprechenden Elemente der Frankfurter Be- völkerung. Die Breslaner Kaufmanuschaft ist eher etwas stärker als die Frank- furter 1). Als besouders zahlreich haben wir uns in der Handelsstadt die Verkehrs- gewerbe und freien Lohnarbeiter zu denken; diese Elemente haben wohl die Haupt- masse jener „Ungesessenen“ gestellt, über die sich Eschenloer so heftig beschwert. Endlich sind zur Bevölkerung der Stadt auch die Insassen der Vorstädte zu rechnen. Wir werden also für eine Mindestschätzung der Breslauer Bevölkerung und insbesondere der Wehrpflichtigen die Frankfurter Verhältuisse von 1440 zugrunde legen dürfen. In Franffurt wurden im Jahre 1440 — abgesehen von den Knechten, die Bürgerrecht erwarben — 2066 Bürger gezählt2). Die Gesamtzahl der Knechte ist nicht überliefert. Doch darf man mit Bücher hier den Maßstab der Nürn- berger Volkszählung von 1449 ansegen, der eher auj eine unter dem Durchschnitt bleibende, als auf eine über den Durchschnitt hinausgehende Prozeutzahl sührt3). Dieses Verhältnis beträgt 35% der Bürger — nach der Ausstellung Büchers 4) — oder 38,9% der Bürger — nach der Interpretation, die Jastrow 5) den über- lieferten Zahlen gibt. D. h. Wir haben die Zahl der Knechte in Frankfurt auf etwa 720 bis 800 anzusetzen. Die Zahl der wehrpflichtigen Bevölkerung von Frankfurt am Main im Jahre 1440 — und das heißt: die Mindestzahl der wehrpflichtigen Bevölkerung Breslaus im Jahre 1470 beträgt also etwa 2800 Personen. Im ersten Kriegs- Zum Empfang der Legaten -zogen damals am 11. November die Bürger in starken geordneten Haufen vor die Stadt. Hierbei waren nach Eschenloers Angabe die Zechen in drei Haufen geordnet. Zunächst erschienen über 600 Zunjtmeister zu Rosse; als die Legaten dann näher an die Stadt herantamen, wurden sie noch von zwei Bürgerhaufen in die Mitte genommen, die zusammen über 4000 Mann zählten und gleichfalls aus den Zunftgenossen (civibus cechis) gebildet waren (L 64 f.). Wäre diese Angabe zutreffend, so hätten wir uns Breslau überaus groß zu denken, größer als Nürnberg. Das widerspricht Eschenloers eigener Fest- stellnng (unten S. 162), und seine Schätzung ist überhaupt nicht ernst zu nehmen; so sehr auch die Seuchenjahre 1460 und 1464 gewüstet haben mögen, so ist doch nicht daran zu deuken, daß die Zahl der Zunjtuitglieder bis zum Jahre 1470 von 4600 auf etwa 1400 zuiammenschrumpfte. — Es ist sehr bezeichnend, daß Eschensoer später in D an der ent sprechenden Stelle die Zahl 600 bei den Reitern in 500 verändert und die Zahl der Zunft- meister zu Fuß überhaupt unbestimut gelassen hat (D I, 119). 1) Im Jahre 1499 zählt die Breslauer Kaufmannschaft 54 Mitglieder. Eulenburg, S. 279, Tabelle III. Über die Frankfurter Kaufmannschaft vgl. Bicher, S. 245 ff. 2) Bücher, S. 192. 3) P. Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs (1902), S. 306. 4) Für Stadtviertel II—VIII; Bücher, S. 39. 5) I. Jastrow, Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit (1886), Tabelle VI, S. 185 (1461: 3753). Über die Mängel der Überlieferung vgl. Jastrow, S. 177 ff. Darsteslungen und Questen XXII. 11
Die Mindeststärke der wehrpflichtigen Bevölkerung Breslaus. 161 Mit andern Worten: die Zahl der Breslauer Zunftmitglieder vom Jahre 1470 dürfte nach einer Mindestschätzung der Zahl der Bürger ziemlich gleich kommen, die in Franffurt am Main im Jahre 1440 in den entsprechenden bürgerlichen Gewerben selbständig tätig waren. Damit sind wir anch berechtigt, die Zahl der uicht-zünftigen selbständigen Berufstätigen Breslaus für mindestens ebenso stark zu halten wie die der entsprechenden Elemente der Frankfurter Be- völkerung. Die Breslaner Kaufmanuschaft ist eher etwas stärker als die Frank- furter 1). Als besouders zahlreich haben wir uns in der Handelsstadt die Verkehrs- gewerbe und freien Lohnarbeiter zu denken; diese Elemente haben wohl die Haupt- masse jener „Ungesessenen“ gestellt, über die sich Eschenloer so heftig beschwert. Endlich sind zur Bevölkerung der Stadt auch die Insassen der Vorstädte zu rechnen. Wir werden also für eine Mindestschätzung der Breslauer Bevölkerung und insbesondere der Wehrpflichtigen die Frankfurter Verhältuisse von 1440 zugrunde legen dürfen. In Franffurt wurden im Jahre 1440 — abgesehen von den Knechten, die Bürgerrecht erwarben — 2066 Bürger gezählt2). Die Gesamtzahl der Knechte ist nicht überliefert. Doch darf man mit Bücher hier den Maßstab der Nürn- berger Volkszählung von 1449 ansegen, der eher auj eine unter dem Durchschnitt bleibende, als auf eine über den Durchschnitt hinausgehende Prozeutzahl sührt3). Dieses Verhältnis beträgt 35% der Bürger — nach der Ausstellung Büchers 4) — oder 38,9% der Bürger — nach der Interpretation, die Jastrow 5) den über- lieferten Zahlen gibt. D. h. Wir haben die Zahl der Knechte in Frankfurt auf etwa 720 bis 800 anzusetzen. Die Zahl der wehrpflichtigen Bevölkerung von Frankfurt am Main im Jahre 1440 — und das heißt: die Mindestzahl der wehrpflichtigen Bevölkerung Breslaus im Jahre 1470 beträgt also etwa 2800 Personen. Im ersten Kriegs- Zum Empfang der Legaten -zogen damals am 11. November die Bürger in starken geordneten Haufen vor die Stadt. Hierbei waren nach Eschenloers Angabe die Zechen in drei Haufen geordnet. Zunächst erschienen über 600 Zunjtmeister zu Rosse; als die Legaten dann näher an die Stadt herantamen, wurden sie noch von zwei Bürgerhaufen in die Mitte genommen, die zusammen über 4000 Mann zählten und gleichfalls aus den Zunftgenossen (civibus cechis) gebildet waren (L 64 f.). Wäre diese Angabe zutreffend, so hätten wir uns Breslau überaus groß zu denken, größer als Nürnberg. Das widerspricht Eschenloers eigener Fest- stellnng (unten S. 162), und seine Schätzung ist überhaupt nicht ernst zu nehmen; so sehr auch die Seuchenjahre 1460 und 1464 gewüstet haben mögen, so ist doch nicht daran zu deuken, daß die Zahl der Zunjtuitglieder bis zum Jahre 1470 von 4600 auf etwa 1400 zuiammenschrumpfte. — Es ist sehr bezeichnend, daß Eschensoer später in D an der ent sprechenden Stelle die Zahl 600 bei den Reitern in 500 verändert und die Zahl der Zunft- meister zu Fuß überhaupt unbestimut gelassen hat (D I, 119). 1) Im Jahre 1499 zählt die Breslauer Kaufmannschaft 54 Mitglieder. Eulenburg, S. 279, Tabelle III. Über die Frankfurter Kaufmannschaft vgl. Bicher, S. 245 ff. 2) Bücher, S. 192. 3) P. Sander, Die reichsstädtische Haushaltung Nürnbergs (1902), S. 306. 4) Für Stadtviertel II—VIII; Bücher, S. 39. 5) I. Jastrow, Die Volkszahl deutscher Städte zu Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit (1886), Tabelle VI, S. 185 (1461: 3753). Über die Mängel der Überlieferung vgl. Jastrow, S. 177 ff. Darsteslungen und Questen XXII. 11
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162 Das Aufgebot von 1467. jahr 1467, dem Jahre der Katastrophe, ist die Stadt Breslau gewiß nicht weniger bevölkert gewesen als drei Jahre später 1). Die Zahl der Wehrpflichtigen ist nicht die der Wehrfähigen. Sie schließt Greise und Halbwüchsige, Kranke und Gebrechliche mit in sich. Aber man greijt kaum zu hoch, wenn man annimmt, daß in einem so ernsten Falle, wie ihn die Entsetzung der in Frankenstein Eingeschlossenen darstellte, wohl die Hälfte aller Wehrpflichtigen aufgeboten werden konnte. Das bedeutet: weun die Breslaner Bürgerschaft sich kriegerisch bewährt hätte, so hätte sie wohl 1300—1400 Mann zum Heere Balthasars stellen können. Das ist für die damaligen Verhältnisse gewiß eine beträchtliche Heeresverstärkung. Wir kommen damit auf die oben S. 130 ausgesprochene Beurteilung: jedem zünftigen Handwerker oder Kaufmann in Breslau hätte ein Wehrmann entsprechen können; mit den 400 Mann Skoppes ist noch nicht ein Drittel der überhaupt verfügbaren Streitkräfte ausgezogen. Bei Skoppes Eroberungsfeldzug, der uicht in wenigen Tagen abzuwickeln war, konute freilich nur ein Teil des Gesaut aufgebots mitwirken. Ob 400 Mann hier wenig oder eine ausreichende Meuge bedeuten, muß dahingestellt bleiben2). Für die Beurteilung der allgemeinen Bevölkernugsverhältuisse Breslaus gibt unsere Schätzung keine festen Anhaltspunkte. Die Bevölkernng von Frankfurt am Main zählte im Jahre 1440 nach Büchers Berechnnngen 8000—9000 Köpfe. Das ist also die Mindestzahl für Breslau. Für eine Abgrenzung der Höchstzahl steht uns die Bemerkung Eschenloers zu Gebote, daß Breslau kleiner ist als Nürnberg 3). Nürnberg aber hatte um die Mitte des 15. Jahrhunderts gegen 20000 Einwohner. Da der Unterschied Breslaus gegen Nürnberg auffällig ge- wesen sein muß, darf man für die Bevölkerung Breslaus etwa 15000 Seelen als Höchstgrenze ausetzen. 1) Die beiden winzigen Zechen der Barbiere und der Schönfärber sind erst 1468, also nach dem Frankensteiner Feldzug begründet worden (Klose, Script. rer. Siles. III, 116 = Liber magnus I, Bl. 59). Aber dieser Umstand besagt nichts über die Zahl der Gewerbetätigen in diesen Berufen vor der Gründung und kann die Benutzung der Zuuftliste von 1470 für die Kenntnis der Verhältnisse von 1467 nicht beeinflussen. 3) Nürnberg stellte beim Treffen bei Pillenrent (10. März 1450) nach einem zuvertässigen Bericht 2400 Maun von dem „ge- meinen Volk aus der Stadt“ allein zum Fußvolk des Feldheeres — (Chron. d. deutschen Städte, Nürnberg, II, 486). Das ist etwa 1/3 der damaligen wehrpflichtigen Eiuwohner (3700 Bürger + 1400 Bürgerknechte + 2900 Bauern und Bauernknechte). Die Auf- gaben waren jedoch beim Feldzuge Breslaus zu eigentümlich, als daß ein Vergleich mit den Leistungen anderer Städte zu einem zwingenden Ergebnis führen könute. Für Breslau selbst ist uns aus dieser Zeit noch eine weitere Zahlenangabe über eine Truppenmacht erhalten; zum Kreuzzuge gegen die Türken unter Ladislaus sind aus Breslau nach Eschenloer 800 Mann ausgezogen (Esch. D I, 28). Aber es scheint ir nicht gewiß, daß diese 800 sämtlich aus Breslau staminten; vielleicht war die Stadt ein Sammelpunkt für schlesische Kreuzfahrer überhaupt. 3) Esch. L 1: licet maior te me genuerit urbs. Diese Bemerkung bedentet wohl einen wesent- lichen Beweisgrund gegen die auch von Nuglisch (Zeitschr. f. Soz.-Wiss. VIII, 440) angefochtene Berechnungsweise Eulenburgs (Drei Jahrhunderte usw., S. 263), die auf eine Mindeststärke von 18 500 Einwohnern führt. — Beiläufig erinnern wir auch hier an die oft angeführte Mit teilung Kloses (Von Breslau II, 2, 416), nach der Breslau in Jahre 1403 2510 Bürger hatte.
162 Das Aufgebot von 1467. jahr 1467, dem Jahre der Katastrophe, ist die Stadt Breslau gewiß nicht weniger bevölkert gewesen als drei Jahre später 1). Die Zahl der Wehrpflichtigen ist nicht die der Wehrfähigen. Sie schließt Greise und Halbwüchsige, Kranke und Gebrechliche mit in sich. Aber man greijt kaum zu hoch, wenn man annimmt, daß in einem so ernsten Falle, wie ihn die Entsetzung der in Frankenstein Eingeschlossenen darstellte, wohl die Hälfte aller Wehrpflichtigen aufgeboten werden konnte. Das bedeutet: weun die Breslaner Bürgerschaft sich kriegerisch bewährt hätte, so hätte sie wohl 1300—1400 Mann zum Heere Balthasars stellen können. Das ist für die damaligen Verhältnisse gewiß eine beträchtliche Heeresverstärkung. Wir kommen damit auf die oben S. 130 ausgesprochene Beurteilung: jedem zünftigen Handwerker oder Kaufmann in Breslau hätte ein Wehrmann entsprechen können; mit den 400 Mann Skoppes ist noch nicht ein Drittel der überhaupt verfügbaren Streitkräfte ausgezogen. Bei Skoppes Eroberungsfeldzug, der uicht in wenigen Tagen abzuwickeln war, konute freilich nur ein Teil des Gesaut aufgebots mitwirken. Ob 400 Mann hier wenig oder eine ausreichende Meuge bedeuten, muß dahingestellt bleiben2). Für die Beurteilung der allgemeinen Bevölkernugsverhältuisse Breslaus gibt unsere Schätzung keine festen Anhaltspunkte. Die Bevölkernng von Frankfurt am Main zählte im Jahre 1440 nach Büchers Berechnnngen 8000—9000 Köpfe. Das ist also die Mindestzahl für Breslau. Für eine Abgrenzung der Höchstzahl steht uns die Bemerkung Eschenloers zu Gebote, daß Breslau kleiner ist als Nürnberg 3). Nürnberg aber hatte um die Mitte des 15. Jahrhunderts gegen 20000 Einwohner. Da der Unterschied Breslaus gegen Nürnberg auffällig ge- wesen sein muß, darf man für die Bevölkerung Breslaus etwa 15000 Seelen als Höchstgrenze ausetzen. 1) Die beiden winzigen Zechen der Barbiere und der Schönfärber sind erst 1468, also nach dem Frankensteiner Feldzug begründet worden (Klose, Script. rer. Siles. III, 116 = Liber magnus I, Bl. 59). Aber dieser Umstand besagt nichts über die Zahl der Gewerbetätigen in diesen Berufen vor der Gründung und kann die Benutzung der Zuuftliste von 1470 für die Kenntnis der Verhältnisse von 1467 nicht beeinflussen. 3) Nürnberg stellte beim Treffen bei Pillenrent (10. März 1450) nach einem zuvertässigen Bericht 2400 Maun von dem „ge- meinen Volk aus der Stadt“ allein zum Fußvolk des Feldheeres — (Chron. d. deutschen Städte, Nürnberg, II, 486). Das ist etwa 1/3 der damaligen wehrpflichtigen Eiuwohner (3700 Bürger + 1400 Bürgerknechte + 2900 Bauern und Bauernknechte). Die Auf- gaben waren jedoch beim Feldzuge Breslaus zu eigentümlich, als daß ein Vergleich mit den Leistungen anderer Städte zu einem zwingenden Ergebnis führen könute. Für Breslau selbst ist uns aus dieser Zeit noch eine weitere Zahlenangabe über eine Truppenmacht erhalten; zum Kreuzzuge gegen die Türken unter Ladislaus sind aus Breslau nach Eschenloer 800 Mann ausgezogen (Esch. D I, 28). Aber es scheint ir nicht gewiß, daß diese 800 sämtlich aus Breslau staminten; vielleicht war die Stadt ein Sammelpunkt für schlesische Kreuzfahrer überhaupt. 3) Esch. L 1: licet maior te me genuerit urbs. Diese Bemerkung bedentet wohl einen wesent- lichen Beweisgrund gegen die auch von Nuglisch (Zeitschr. f. Soz.-Wiss. VIII, 440) angefochtene Berechnungsweise Eulenburgs (Drei Jahrhunderte usw., S. 263), die auf eine Mindeststärke von 18 500 Einwohnern führt. — Beiläufig erinnern wir auch hier an die oft angeführte Mit teilung Kloses (Von Breslau II, 2, 416), nach der Breslau in Jahre 1403 2510 Bürger hatte.
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Beilagen 1 und 2 (Huldigungsstreit). 163 IV. Beilagen. (Nachträge zu Script. rer. Siles. VIII.) Beilage 1. Verhandlungen zwischen dem Prager Hofe und der Stadt Namslau über die Huldigung. Januar bis April 1454. Nach Johannes Froben. Konigk Laslaw, zo uw dy bemische cron entfangen und deße land ehim zeu regiren erkandt und entfolen waren, forderte her dyße stadt keyn Prage uf Sinthe Petrus tagk kathedra1) in zen kommen durch seyne brief, do selbigest holdunge zeu thuen, wy irem naturlichen hern vorpflicht weren. Gegeben dy brief des koniges ipso die Agnetis virginis 2). Uf susche entpfel und forderung des koniges dy stadt sich nicht keyn Praga zeu kommen vormogen brieflich entschuldigite, schreybende, wy sy das schlos und stadt, zo an der granetcz gelegen und mit mancherley fintschaft steydiglich umb- geben und gewarnet weren, yn grosser hut haben musten und alß der man ge- sessen3) stettiglich yn bereytschaft sitczen. Irkenne dach seyne konigliche gnade vor eren naturlichen erbhern dorumbe und seynen gnaden erbholdunge thuen welden, so an dy stelle qweme, wo sy andern bemischen konigen vormols geholdt hetten, dy weylen langk das schlos und stadt seynen koniglichen gnaden trewlich halden und bewaren gedechten. Vorhofften do methe sich entschuldiget haben und yn keyne ungenade seyner koniglichen Mt. nicht zcu kommen. Sed ibi pluribus et inutilibus verbis in litteris usi. — Dat. ipso die beati Valentini4). Noch dem abermols der konigk durch seyne sendeboten, nemlich her Zdenko von Sternenbergk, burggraf zeu Prage und hern Hanns von Rabesteyn dy erb- holdunge von den steten zeu thuen, und dy selbigen bothen dy holdunge uf zcu nemen entpfolen hat, do von deßer stadt durch eyn credentcz in sunderheyth ge- schreben. — Dat. litterae regis 22 die Aprilis in vigilia Georgii anno uts. Joh. Frobenii Annales Namslavienses, Bl. 31 b. Handschr. Staatsarch. Breslau. — Vgl. oben S. 24 ff. und Anhang 1. Beilage 2. Der Prager Hof über die Huldigungs-Verweigerung der Stände. Mai 1454. Nach Froben. Sulche der holdunge halben entschuldung5), z0 vor den konigk und seyne rethe keyn Praga kommen wehre, wart fast gewogen und dy hern manschaft, 1) 22. Februar. 2) 21. Januar. 3) Zur Ertlärung dieses Ausdrucks trägt der Zusannuenhang nichts bei. Doch findet sich auch einmal (zum Jahre 1470) in den Auf- zeichnungen des Bartholomaens Scultetus aus Görlitzer Ratsbüchern des 15. Jahrhunderts ein Vermerk über einen „Zug als der man gesessen". Vgl. W. v. Bötticher, Neues Lausitz. Magaz. 91, S. 164. Auch hier ist von kriegerischen Dingen die Rede. Von Bötticher vermutet indessen eine Zeitbestimmung: „Vielleicht ist zu denken an aller manne faßnacht". Dieser Tag (Invocavit) fiel 1454 auf den 10. März. — Die Schreibung Frobens (gesessenn) läßt 4) 14. Februar. 5) Korr. 2. übrigens ungewiß, ob „gesessen“ oder „gesessene“ zu lesen ist. 11*
Beilagen 1 und 2 (Huldigungsstreit). 163 IV. Beilagen. (Nachträge zu Script. rer. Siles. VIII.) Beilage 1. Verhandlungen zwischen dem Prager Hofe und der Stadt Namslau über die Huldigung. Januar bis April 1454. Nach Johannes Froben. Konigk Laslaw, zo uw dy bemische cron entfangen und deße land ehim zeu regiren erkandt und entfolen waren, forderte her dyße stadt keyn Prage uf Sinthe Petrus tagk kathedra1) in zen kommen durch seyne brief, do selbigest holdunge zeu thuen, wy irem naturlichen hern vorpflicht weren. Gegeben dy brief des koniges ipso die Agnetis virginis 2). Uf susche entpfel und forderung des koniges dy stadt sich nicht keyn Praga zeu kommen vormogen brieflich entschuldigite, schreybende, wy sy das schlos und stadt, zo an der granetcz gelegen und mit mancherley fintschaft steydiglich umb- geben und gewarnet weren, yn grosser hut haben musten und alß der man ge- sessen3) stettiglich yn bereytschaft sitczen. Irkenne dach seyne konigliche gnade vor eren naturlichen erbhern dorumbe und seynen gnaden erbholdunge thuen welden, so an dy stelle qweme, wo sy andern bemischen konigen vormols geholdt hetten, dy weylen langk das schlos und stadt seynen koniglichen gnaden trewlich halden und bewaren gedechten. Vorhofften do methe sich entschuldiget haben und yn keyne ungenade seyner koniglichen Mt. nicht zcu kommen. Sed ibi pluribus et inutilibus verbis in litteris usi. — Dat. ipso die beati Valentini4). Noch dem abermols der konigk durch seyne sendeboten, nemlich her Zdenko von Sternenbergk, burggraf zeu Prage und hern Hanns von Rabesteyn dy erb- holdunge von den steten zeu thuen, und dy selbigen bothen dy holdunge uf zcu nemen entpfolen hat, do von deßer stadt durch eyn credentcz in sunderheyth ge- schreben. — Dat. litterae regis 22 die Aprilis in vigilia Georgii anno uts. Joh. Frobenii Annales Namslavienses, Bl. 31 b. Handschr. Staatsarch. Breslau. — Vgl. oben S. 24 ff. und Anhang 1. Beilage 2. Der Prager Hof über die Huldigungs-Verweigerung der Stände. Mai 1454. Nach Froben. Sulche der holdunge halben entschuldung5), z0 vor den konigk und seyne rethe keyn Praga kommen wehre, wart fast gewogen und dy hern manschaft, 1) 22. Februar. 2) 21. Januar. 3) Zur Ertlärung dieses Ausdrucks trägt der Zusannuenhang nichts bei. Doch findet sich auch einmal (zum Jahre 1470) in den Auf- zeichnungen des Bartholomaens Scultetus aus Görlitzer Ratsbüchern des 15. Jahrhunderts ein Vermerk über einen „Zug als der man gesessen". Vgl. W. v. Bötticher, Neues Lausitz. Magaz. 91, S. 164. Auch hier ist von kriegerischen Dingen die Rede. Von Bötticher vermutet indessen eine Zeitbestimmung: „Vielleicht ist zu denken an aller manne faßnacht". Dieser Tag (Invocavit) fiel 1454 auf den 10. März. — Die Schreibung Frobens (gesessenn) läßt 4) 14. Februar. 5) Korr. 2. übrigens ungewiß, ob „gesessen“ oder „gesessene“ zu lesen ist. 11*
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164 Beilagen 3 u. 4 (Huldigungsstreit; Heinrich von Rosenberg als Landeshauptmann). Breslaw, Namsel und Newmargkt yn der antwort zyr vorunbillicht, in dem das sy den konigk unmundisch ader zen dem regiment und der cron untoglich teylten. Froben, Bl. 33 b. Er fährt fort: und vil anders ehin zengesegt warth, des 30 ich eygen grundt awß den schriften, dy ich gefunden, nicht haben mochte, liß ich zen schreyben be stehen. In dem selbigen rath zcu Praga dach beschlossen wart entlich, das der konigt und die Behmen deße Land yu feihnden oberzcihen wolden und sy zcu gehorsam zewingen, das dennach durch gonstige hern und frenndt abgewanth und durch bischof Petrum von Breslaw in eyner andern botschaft von den konige wy oben ersucht wurden. (Es folgt die Antwort der Stände auf dieses Ersuchen, 13. August 1454, Korr. 3.) — Vgl. oben S. 33. Beilage 3. Gesamtbeschluß der städtischen Körperschaften nanens der Bürgerschaft in der Huldigungsfrage. Breslau, 28. August 1454. Wir ratmann zu Breslaw, scheppen, eldisten der kawfmann, gesworen allir hantwerke und die gancze gemeyne arm und reich, jung und alt, der sie sich alle gemechtigt haben, bekennen, das wir als heute vor eynen man zustehen uns geucz lichen geeynet haben, als nemlichen von der holdunge wegen, die wir unserm gnedigsten erbhern kunig Laslowen zutun schuldig seyn, das wir die seynen fonig lichen gnaden nyrude andirswo tun wellen denne zu Breslow nach alder ge- wonheit, seynen gnaden selbis personsich und nymandis andirs, und wellen des enander beystendig seyn mit leybe und gute. Und ap man ymandes dorumme heischen adir fordern wurde, is wer unb die sache adir umb andir sachen, so wellen wir uymandis lassen usczihen und des also beyenander bleyben stahn und des eyntrechtiglichen enander mit leybe und gute vorantworten, und sollen noch wellen enander ferrer umb der holdunge willen jurbasmer nicht bekommern noch der gedenken. Sunder was botschaft dovon kommen wurde, die sal man vor horen und dir nicht vorsweigen. Und wellen enander in allen sachen raten und helfen und getrnelich beystendig seyn ane allis arg und ane alle wederrede. Act. feria quarta die beati Augustini confessoris anno etc. L IIII. Stadtarch. Breslau. Korr. 28. August 1454. Vgl. oben S. 34. Beilage 4. Anweisung an die Jnhaber königlicher Besitzungen und Eintünste. 11. November 1455. Nach Froben. Heinrich von Rosenberg, Oberhauptmann in Schlesien, hat durch Tschaslaw Girsdorf, Unterhauptmann zu Görlitz, Hans Rosenberg1), Unterhauptmann zu Breslau und Hans Banckaw, Kanzler daselbst, yn deßem furstentum, auch uud sonst ym gantczen lande geboten, das eyn yetczlicher, her wehre geistlich ader wertlich, der keyserliche ader konigliche briefe uf pfandtschaft, vorsatczung ader vorschreybunge, uf burglehen, konigliche renthe, oberste gerichte ader uf geschasser, es wehre an geldes ader getreides zcynß, fischerey, welde ader welcherley dy weren, dy yn des hern konigeß kammer gehoren ader gehoren mochten, wie eyn yetcz 1) Sic! Bobertag, Zeitschr. 7, S. 159, stellt für 1457 Hans Rotimburg als Unter- hauptmann fest.
164 Beilagen 3 u. 4 (Huldigungsstreit; Heinrich von Rosenberg als Landeshauptmann). Breslaw, Namsel und Newmargkt yn der antwort zyr vorunbillicht, in dem das sy den konigk unmundisch ader zen dem regiment und der cron untoglich teylten. Froben, Bl. 33 b. Er fährt fort: und vil anders ehin zengesegt warth, des 30 ich eygen grundt awß den schriften, dy ich gefunden, nicht haben mochte, liß ich zen schreyben be stehen. In dem selbigen rath zcu Praga dach beschlossen wart entlich, das der konigt und die Behmen deße Land yu feihnden oberzcihen wolden und sy zcu gehorsam zewingen, das dennach durch gonstige hern und frenndt abgewanth und durch bischof Petrum von Breslaw in eyner andern botschaft von den konige wy oben ersucht wurden. (Es folgt die Antwort der Stände auf dieses Ersuchen, 13. August 1454, Korr. 3.) — Vgl. oben S. 33. Beilage 3. Gesamtbeschluß der städtischen Körperschaften nanens der Bürgerschaft in der Huldigungsfrage. Breslau, 28. August 1454. Wir ratmann zu Breslaw, scheppen, eldisten der kawfmann, gesworen allir hantwerke und die gancze gemeyne arm und reich, jung und alt, der sie sich alle gemechtigt haben, bekennen, das wir als heute vor eynen man zustehen uns geucz lichen geeynet haben, als nemlichen von der holdunge wegen, die wir unserm gnedigsten erbhern kunig Laslowen zutun schuldig seyn, das wir die seynen fonig lichen gnaden nyrude andirswo tun wellen denne zu Breslow nach alder ge- wonheit, seynen gnaden selbis personsich und nymandis andirs, und wellen des enander beystendig seyn mit leybe und gute. Und ap man ymandes dorumme heischen adir fordern wurde, is wer unb die sache adir umb andir sachen, so wellen wir uymandis lassen usczihen und des also beyenander bleyben stahn und des eyntrechtiglichen enander mit leybe und gute vorantworten, und sollen noch wellen enander ferrer umb der holdunge willen jurbasmer nicht bekommern noch der gedenken. Sunder was botschaft dovon kommen wurde, die sal man vor horen und dir nicht vorsweigen. Und wellen enander in allen sachen raten und helfen und getrnelich beystendig seyn ane allis arg und ane alle wederrede. Act. feria quarta die beati Augustini confessoris anno etc. L IIII. Stadtarch. Breslau. Korr. 28. August 1454. Vgl. oben S. 34. Beilage 4. Anweisung an die Jnhaber königlicher Besitzungen und Eintünste. 11. November 1455. Nach Froben. Heinrich von Rosenberg, Oberhauptmann in Schlesien, hat durch Tschaslaw Girsdorf, Unterhauptmann zu Görlitz, Hans Rosenberg1), Unterhauptmann zu Breslau und Hans Banckaw, Kanzler daselbst, yn deßem furstentum, auch uud sonst ym gantczen lande geboten, das eyn yetczlicher, her wehre geistlich ader wertlich, der keyserliche ader konigliche briefe uf pfandtschaft, vorsatczung ader vorschreybunge, uf burglehen, konigliche renthe, oberste gerichte ader uf geschasser, es wehre an geldes ader getreides zcynß, fischerey, welde ader welcherley dy weren, dy yn des hern konigeß kammer gehoren ader gehoren mochten, wie eyn yetcz 1) Sic! Bobertag, Zeitschr. 7, S. 159, stellt für 1457 Hans Rotimburg als Unter- hauptmann fest.
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Beilage 5 (Die Streitschrift des Bartholomaeus). 165 licher dye innehath ader besitczet, das der selbige seyne brief und gerechtigkeyt vorbrecht, dy lossen beschawen und awßschreiben, zcum irsten nechst uf Katherine, zcum andern uf Circumcisionis ader XIIII tage dornoch, zcum dritten uf Invocavit ader XIIII tage dornoch, zcum firden und zcum letczten uf Walpulgis ader XIIII. tage dornoch 1). Wehre aber, das ymandis yn sulcher genanter zceit und tagen dem uicht uoch qweme und also seyne brief ader gerechtigkeyt vorschwege, der selbigen brief sullen fortmehr craftloß seyn und ir gerechtigkeyt abe getylget. Dornoch sich eyn yder wisse zen richten. Act. uf Mart. Froben, Bl. 40 a, b. — Bgl. oben S. 39 und zum Gegenstande überhaupt H. Wendt, Die Stände des Fürstentums Breslau im Kampf mit Matthias Corvinus. Beilage 5. Die Streitschrift des Predigers Bartholomaeus. November 1459. Vorbemerkung. Der Prediger Bartholomaeus, an dem die Legaten, die Papst Pius im Herbst 1459 nach Breslau schickte, einen besonders leidenschaft lichen Geguer fanden, hat damals die Gedanken, die er gegen sie — und zu- gleich gegen Papst und Bischof — auf dem Herzen hatte, in einer kurzen Streit- schrift niedergelegt, der er die Form eines Briefes an seinen Amtsbruder Tempel- feld gab. Eschensoer fügte diese Schrift seiner Historia Wratislaviensis ein. Markgraf wies anf sie hin (Korr. 32; Script. rer. Siles. VIII, 36), verzichtete aber auf ihren Abdruck mit dem Bemerken, daß sie sich nur in allgemeinen Ans- drücken über die von Georg drohende Gefahr bewege. Nun ist diese Kennzeichnung gewiß in der Hauptsache zutreffend. Die Schrift betrachtet die Frage des Augen- blicks unter allgemeinen Gesichtspunkten des kirchlichen Gewissens. Aber gerade in der Wahl dieser Gesichtspunkte beleuchtet sie aufs schärfste die Gesinnung der Prediger und insbesoudere den tiefen Gegensatz der Geister, der in dem Streit der Prediger mit den Legaten zum Anstrag gelangte. Der Aufsatz verdient darum wohl eine Veröffentlichung; er verdient sie auch darum, weil seine gereizte und aufreizende Sprache uns die Stimmung, die während der Verhandlungen in Breslan herrschte, unmittelbar lebendig werden läßt. Daß die Schrift im Zorne hastig hingeworfen ist, bedentet freilich uicht durchaus einen literarischen Vorzug. Sie ist forntlos und trotz ihrer Kürze unübersichtlich. Einer ihrer Hauptabschnitte bildet überhaupt uur scheinbar eine ausgearbeitete Darstellung und will als eine Folge skizzenhafter Andentungen und Stichworte verstanden werden. Der Abschnitte, in denen sich Bartholomaeus am deutlichsten gegen die un- kirchliche, humanistisch-rhetorische Redeweise des Erzbischofs von Kreta wendet (Eingang, Schluß und S. 167, Abs. 3), wurde bereits oben (S. 71) Erwähnung getan. Aber auch der eben erwähnte skizzenhafte Abschnitt (S. 168 „Ideo non inmerito" bis 169 „impossibile") ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Hier kommen die „sanctorum patrum decreta“ selbst zu Worte, gegen die die „propria opinio“, die weltförmig vernünftelnde Lebensweisheit der Ab- 1) Die angegebenen Festtermine fallen auf den 25. November 1455, den 1. Januar, 15. Februar, 1. Mai 1456.
Beilage 5 (Die Streitschrift des Bartholomaeus). 165 licher dye innehath ader besitczet, das der selbige seyne brief und gerechtigkeyt vorbrecht, dy lossen beschawen und awßschreiben, zcum irsten nechst uf Katherine, zcum andern uf Circumcisionis ader XIIII tage dornoch, zcum dritten uf Invocavit ader XIIII tage dornoch, zcum firden und zcum letczten uf Walpulgis ader XIIII. tage dornoch 1). Wehre aber, das ymandis yn sulcher genanter zceit und tagen dem uicht uoch qweme und also seyne brief ader gerechtigkeyt vorschwege, der selbigen brief sullen fortmehr craftloß seyn und ir gerechtigkeyt abe getylget. Dornoch sich eyn yder wisse zen richten. Act. uf Mart. Froben, Bl. 40 a, b. — Bgl. oben S. 39 und zum Gegenstande überhaupt H. Wendt, Die Stände des Fürstentums Breslau im Kampf mit Matthias Corvinus. Beilage 5. Die Streitschrift des Predigers Bartholomaeus. November 1459. Vorbemerkung. Der Prediger Bartholomaeus, an dem die Legaten, die Papst Pius im Herbst 1459 nach Breslau schickte, einen besonders leidenschaft lichen Geguer fanden, hat damals die Gedanken, die er gegen sie — und zu- gleich gegen Papst und Bischof — auf dem Herzen hatte, in einer kurzen Streit- schrift niedergelegt, der er die Form eines Briefes an seinen Amtsbruder Tempel- feld gab. Eschensoer fügte diese Schrift seiner Historia Wratislaviensis ein. Markgraf wies anf sie hin (Korr. 32; Script. rer. Siles. VIII, 36), verzichtete aber auf ihren Abdruck mit dem Bemerken, daß sie sich nur in allgemeinen Ans- drücken über die von Georg drohende Gefahr bewege. Nun ist diese Kennzeichnung gewiß in der Hauptsache zutreffend. Die Schrift betrachtet die Frage des Augen- blicks unter allgemeinen Gesichtspunkten des kirchlichen Gewissens. Aber gerade in der Wahl dieser Gesichtspunkte beleuchtet sie aufs schärfste die Gesinnung der Prediger und insbesoudere den tiefen Gegensatz der Geister, der in dem Streit der Prediger mit den Legaten zum Anstrag gelangte. Der Aufsatz verdient darum wohl eine Veröffentlichung; er verdient sie auch darum, weil seine gereizte und aufreizende Sprache uns die Stimmung, die während der Verhandlungen in Breslan herrschte, unmittelbar lebendig werden läßt. Daß die Schrift im Zorne hastig hingeworfen ist, bedentet freilich uicht durchaus einen literarischen Vorzug. Sie ist forntlos und trotz ihrer Kürze unübersichtlich. Einer ihrer Hauptabschnitte bildet überhaupt uur scheinbar eine ausgearbeitete Darstellung und will als eine Folge skizzenhafter Andentungen und Stichworte verstanden werden. Der Abschnitte, in denen sich Bartholomaeus am deutlichsten gegen die un- kirchliche, humanistisch-rhetorische Redeweise des Erzbischofs von Kreta wendet (Eingang, Schluß und S. 167, Abs. 3), wurde bereits oben (S. 71) Erwähnung getan. Aber auch der eben erwähnte skizzenhafte Abschnitt (S. 168 „Ideo non inmerito" bis 169 „impossibile") ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Hier kommen die „sanctorum patrum decreta“ selbst zu Worte, gegen die die „propria opinio“, die weltförmig vernünftelnde Lebensweisheit der Ab- 1) Die angegebenen Festtermine fallen auf den 25. November 1455, den 1. Januar, 15. Februar, 1. Mai 1456.
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166 Die Streitschrift des Bartholomaeus. gesandten des Papstes verstößt: die Lehrsätze des kanonischen Rechtes. Denn Bartholomaeus bringt hier, wie eine nähere Betrachtung zeigt, einige Hauptsätze aus dem Titulus de haereticis der Dekretalen Gregors IX. (V, 7) in Erinnerung, um von ihnen ans die tatsächliche und die pflichtmäßige Haltung der Kirche im gegenwärtigen Angenblick zu beleuchten. Er beweist auf Grund der Satzungen und der näheren Bestimmungen klassischer Ausleger, daß Podiebrad als Ketzer zu behandeln und zu bestrafen ist, daß die Kirche sich gegenwärtig schlimmster Versäumnis schuldig macht, und dentet an, daß alle Geistlichen, die den angeb lichen König als Christen behaudeln, die Exkommunikation verdienen. (Hanc subscriptam oracionem fecit quidam notabilis predicator ad sanctam Elisabeth nomine Bartholomaeus, facundia et gracia sermonis excellentissimus, ad doctorem N. Tempilfelt, sacre theologie professorem, patrem predicatorum, cantorem ecclesie Wratislaviensis, facta proposicione prima dui legati Cretensis) 1). Virtutis progressum et exitum presentis exilii cum salute! Fervenciori agitatus stimulo amoris tacitus mecum cogitare cepi, quomodo veritatis instrumento iuxta mei intellectus parvitatem velamen heretice detegerem pravitatis. Ni fallor, plurimorum sapientum nunc currente tempore intellectualis caligare incipit ymago sensusque ebere, quia non vero directore apostolice vocis intonante organo manuducuntur dicente: hoc autem scio, quod in novissimis diebus instabunt tempora periculosa (2° ad Thi 2°)2). Et ne idem discipulus, ad quem hec scripserit, dubitare videatur de sermonis veritate apostolici, ulterius eadem vox apostolica qualitatem temporum futurorum in XV condicionibus ex- pressit, ut patet ibidem. Ubi post post multa in alio loco 3) causam malicie in mundo videtur illam significare: maiorem videlicet a veritatis doctrina aver- sionem, que sacrarum scripturarum doctrina, vera atque legitima, nostre currentis vite extat regula, qua absente intellectus hiumanus crrat ut plurimum circa ea que operatur. Proh pudor! Hodie mundus in tantam delatus demenciam, ut magis ac magis propriis innitatur opinionibus quam sanctorum patrum decretis, easque eisdem anteponendo, ubi tunc ex necessitate error convincitur. In ea forma sic practicantes magistri censentur erroris, ut dicit Leo papa et ponitur 24 qu. 34) (quod autem): „Qui sanis doctrinis adversantur et magistri erroris existunt, qui veritatis discipuli non fuerint.“ Quorum quem- libet redarguit Sapiens proverbio tercio: „fili mi, ne innitaris prudencie tue, ne sis prudens apud temet ipsum“ 5). Quod verbum exponit beatus Jeronimus, quod ille innititur proprie prudencie, qui ea que sibi agenda ac dicenda videntur, patrum decretis anteponit6). Cuiusmodi omnes sunt, qui homagium pretenso regi Bohemorum prestiterunt, cum eorum fautoribus, tam in maioribus quam in minoribus constituti statibus, qui quasi omnes uno vocis vocabulo suis 3) 2. Tim. 4, 3 f. 1) Einführende Bemerkung Eschenloers. 2) 2. Tim. 3, 1—4. 4) c. 30, C. 24, qu. 3. 5) Spriiche 3. 7. 6) Bartholomaens zitiert nach den Dekretalen, die unter c 5 X De constitutionibus (1. 2) diese Erklärung anf „Iieronymus in parabolis“ zurückfübren. In Wahrheit entstannt sie der Glossa ordinaria zu Prov. III. Vgl. Fried- berg in der Ausgabe des Corp. iur. can. zum bezeichneten Kapitel.
166 Die Streitschrift des Bartholomaeus. gesandten des Papstes verstößt: die Lehrsätze des kanonischen Rechtes. Denn Bartholomaeus bringt hier, wie eine nähere Betrachtung zeigt, einige Hauptsätze aus dem Titulus de haereticis der Dekretalen Gregors IX. (V, 7) in Erinnerung, um von ihnen ans die tatsächliche und die pflichtmäßige Haltung der Kirche im gegenwärtigen Angenblick zu beleuchten. Er beweist auf Grund der Satzungen und der näheren Bestimmungen klassischer Ausleger, daß Podiebrad als Ketzer zu behandeln und zu bestrafen ist, daß die Kirche sich gegenwärtig schlimmster Versäumnis schuldig macht, und dentet an, daß alle Geistlichen, die den angeb lichen König als Christen behaudeln, die Exkommunikation verdienen. (Hanc subscriptam oracionem fecit quidam notabilis predicator ad sanctam Elisabeth nomine Bartholomaeus, facundia et gracia sermonis excellentissimus, ad doctorem N. Tempilfelt, sacre theologie professorem, patrem predicatorum, cantorem ecclesie Wratislaviensis, facta proposicione prima dui legati Cretensis) 1). Virtutis progressum et exitum presentis exilii cum salute! Fervenciori agitatus stimulo amoris tacitus mecum cogitare cepi, quomodo veritatis instrumento iuxta mei intellectus parvitatem velamen heretice detegerem pravitatis. Ni fallor, plurimorum sapientum nunc currente tempore intellectualis caligare incipit ymago sensusque ebere, quia non vero directore apostolice vocis intonante organo manuducuntur dicente: hoc autem scio, quod in novissimis diebus instabunt tempora periculosa (2° ad Thi 2°)2). Et ne idem discipulus, ad quem hec scripserit, dubitare videatur de sermonis veritate apostolici, ulterius eadem vox apostolica qualitatem temporum futurorum in XV condicionibus ex- pressit, ut patet ibidem. Ubi post post multa in alio loco 3) causam malicie in mundo videtur illam significare: maiorem videlicet a veritatis doctrina aver- sionem, que sacrarum scripturarum doctrina, vera atque legitima, nostre currentis vite extat regula, qua absente intellectus hiumanus crrat ut plurimum circa ea que operatur. Proh pudor! Hodie mundus in tantam delatus demenciam, ut magis ac magis propriis innitatur opinionibus quam sanctorum patrum decretis, easque eisdem anteponendo, ubi tunc ex necessitate error convincitur. In ea forma sic practicantes magistri censentur erroris, ut dicit Leo papa et ponitur 24 qu. 34) (quod autem): „Qui sanis doctrinis adversantur et magistri erroris existunt, qui veritatis discipuli non fuerint.“ Quorum quem- libet redarguit Sapiens proverbio tercio: „fili mi, ne innitaris prudencie tue, ne sis prudens apud temet ipsum“ 5). Quod verbum exponit beatus Jeronimus, quod ille innititur proprie prudencie, qui ea que sibi agenda ac dicenda videntur, patrum decretis anteponit6). Cuiusmodi omnes sunt, qui homagium pretenso regi Bohemorum prestiterunt, cum eorum fautoribus, tam in maioribus quam in minoribus constituti statibus, qui quasi omnes uno vocis vocabulo suis 3) 2. Tim. 4, 3 f. 1) Einführende Bemerkung Eschenloers. 2) 2. Tim. 3, 1—4. 4) c. 30, C. 24, qu. 3. 5) Spriiche 3. 7. 6) Bartholomaens zitiert nach den Dekretalen, die unter c 5 X De constitutionibus (1. 2) diese Erklärung anf „Iieronymus in parabolis“ zurückfübren. In Wahrheit entstannt sie der Glossa ordinaria zu Prov. III. Vgl. Fried- berg in der Ausgabe des Corp. iur. can. zum bezeichneten Kapitel.
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Die Streitschrift des Bartholomaeus. 167 significabant sacerdotibus et presertim predicatoribus, in suis doctrinis hereticam pravitatem non tangere debere. Quo spiritu ducti 1) . . . ex rei evidencia con- cluditur facillime, ut perversitas sua queat habere progressum, que et iam maiori in parte suum sortita est effectum. Que huius demencie causa nisi veritatis occultacio, quod hominem in heresi natum, educatum et conversatum post talem qualem illustrissimi christianissimique regis Ladislai mortem per nephandissimorum proclamacionem hereticorum, Karolina abutendo in regem sub artacione tortorum prophane elegerunt! Verum dixi ymaginem intellectualem caligare, eo quod eundem taliter qualiter electum pro domino naturali recognoscunt, videntes sua disposicione omnia hereticorum opera nephandissima inveterata innovare, nedum villas et suburbia, verum eciam ecclesias et earum pertinencias depopulare, devastare et incinerare. Ex post in maiorem sui ducti tirannidem ymagines crucifixi virginisque gloriose mutilarunt, divinissimum eukaristie sacramentum onmi tergo iecto Dei timore crudelissime effuderunt, sacra vasa in suos converterunt usus. Pro quibus et aliis infinitis blasphemiis depellendis populus huius alme civitatis paratus est mori, informati ex capitulo „Quicumque“ Sexti (Super verbo „filii“), ubi dicitur2): „Nec debemus illius obprobrium inultum dimittere, qui nostra probra delevit, cum in nostrum omnium hec feruntur iniuriam etc." Miror super modum, quam mirari sufficio, quomodo nonnulli partita veritate prefatum pretensum regem pacis auctorem audeant pro- clamare, cum iuxta omnium sapientum sentenciam equalitas videtur dis- sentire3). Sed inequalitatis ipse fautor dicendo, in regno unumquemque sub sua fide inolita debere militare. Cuius rei gracia in eiusdem regni limitibus tanta extat differencia, ut vix una domus inveniri queat, ubi pater non aliter de sacramentis aliisque ecclesie cerimoniis quam filii senciat, uxor aliter quam maritus etc. Que maior inpax et differencia quam intestine, que nostros ad vicinos usque delata et iam per huius alme civitatis menia incipiunt trans- silire etc. Nisi oculo magne provisionis nostri domini sanctissimi pape, cuius dies in longum conserventur evum, succurratur, tante fidei christiane pericula im- manitatesque inducentur, quod omnes sue Sanctitatis posteri exterminare penitus nequiverint, cum illa civitas tocius orientalis plage in ea iam sepefata causa extat antimurale. Et nisi superioribus temporibus quemadmodum adhuc restitisset, lacius illa heresis fuisset seminata. Et iam in Prussie partibus, ubi munitissima habentur castra prefati regis, dominantur ut stipendarii com- plices. Ubi timendum, si ante de propriis laribus heretice pravitatis elimi- nacionem illa alma sibi subderetur civitas, cum adeo extet versucie, ut mentem 1) Konstruttionswechsel. 2) Bartholomaeus verweist zugleich auf c. 2 und c. 3 De haere- ticis in VIto (V, 2). Beide Angaben sind falsch. Die zitierten Worte stehen c. 15 X De Iudaeis, Sarracenis etc. (V, 6) (etwas abweichend). 3) Diesen Satz, der von Eschenloer offenbar entstellt wiedergegeben ist, hat sich die Dentschrift der Stadtschreiber zu eigen gemacht. Vgl. o. S. 73.
Die Streitschrift des Bartholomaeus. 167 significabant sacerdotibus et presertim predicatoribus, in suis doctrinis hereticam pravitatem non tangere debere. Quo spiritu ducti 1) . . . ex rei evidencia con- cluditur facillime, ut perversitas sua queat habere progressum, que et iam maiori in parte suum sortita est effectum. Que huius demencie causa nisi veritatis occultacio, quod hominem in heresi natum, educatum et conversatum post talem qualem illustrissimi christianissimique regis Ladislai mortem per nephandissimorum proclamacionem hereticorum, Karolina abutendo in regem sub artacione tortorum prophane elegerunt! Verum dixi ymaginem intellectualem caligare, eo quod eundem taliter qualiter electum pro domino naturali recognoscunt, videntes sua disposicione omnia hereticorum opera nephandissima inveterata innovare, nedum villas et suburbia, verum eciam ecclesias et earum pertinencias depopulare, devastare et incinerare. Ex post in maiorem sui ducti tirannidem ymagines crucifixi virginisque gloriose mutilarunt, divinissimum eukaristie sacramentum onmi tergo iecto Dei timore crudelissime effuderunt, sacra vasa in suos converterunt usus. Pro quibus et aliis infinitis blasphemiis depellendis populus huius alme civitatis paratus est mori, informati ex capitulo „Quicumque“ Sexti (Super verbo „filii“), ubi dicitur2): „Nec debemus illius obprobrium inultum dimittere, qui nostra probra delevit, cum in nostrum omnium hec feruntur iniuriam etc." Miror super modum, quam mirari sufficio, quomodo nonnulli partita veritate prefatum pretensum regem pacis auctorem audeant pro- clamare, cum iuxta omnium sapientum sentenciam equalitas videtur dis- sentire3). Sed inequalitatis ipse fautor dicendo, in regno unumquemque sub sua fide inolita debere militare. Cuius rei gracia in eiusdem regni limitibus tanta extat differencia, ut vix una domus inveniri queat, ubi pater non aliter de sacramentis aliisque ecclesie cerimoniis quam filii senciat, uxor aliter quam maritus etc. Que maior inpax et differencia quam intestine, que nostros ad vicinos usque delata et iam per huius alme civitatis menia incipiunt trans- silire etc. Nisi oculo magne provisionis nostri domini sanctissimi pape, cuius dies in longum conserventur evum, succurratur, tante fidei christiane pericula im- manitatesque inducentur, quod omnes sue Sanctitatis posteri exterminare penitus nequiverint, cum illa civitas tocius orientalis plage in ea iam sepefata causa extat antimurale. Et nisi superioribus temporibus quemadmodum adhuc restitisset, lacius illa heresis fuisset seminata. Et iam in Prussie partibus, ubi munitissima habentur castra prefati regis, dominantur ut stipendarii com- plices. Ubi timendum, si ante de propriis laribus heretice pravitatis elimi- nacionem illa alma sibi subderetur civitas, cum adeo extet versucie, ut mentem 1) Konstruttionswechsel. 2) Bartholomaeus verweist zugleich auf c. 2 und c. 3 De haere- ticis in VIto (V, 2). Beide Angaben sind falsch. Die zitierten Worte stehen c. 15 X De Iudaeis, Sarracenis etc. (V, 6) (etwas abweichend). 3) Diesen Satz, der von Eschenloer offenbar entstellt wiedergegeben ist, hat sich die Dentschrift der Stadtschreiber zu eigen gemacht. Vgl. o. S. 73.
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168 Die Streitschrift des Bartholomaeus. suam nemo potest capere, primum tunc intoxicum heretice pravitatis effundere inciperet, quod in sua prophana eleccione suis spospondit (!) conhereticis. O eterne deus, respice de celo, vide et visita vineam istam, ne singularis ea ferus de- pascat. Extremus etenim inimicus huius est civitatis, cui in eternum non est credendum scriptura testante etc.1). Et cum vir sit infidelis, non autumamus eum unquam fideliter posse uobiscum agere, quamquam de opposito dominus noster sanctissimus extat in- formatus, — gavisi nichilominus, quod idem dominus ampliorem verioremque velit sustinere informacionem (innixi super capitulo „Si quando“, extra de rescriptis)2). Dixi: infidelis, quia de heresi suspectus, cum eandem ut heresi- archa multiplicet et multiplicavit(!), eo quod dominum Meinhardum, qui brachio suffultus seculari Rockiczanam cum suis nephandissimis clericis de Praga in- cepit eliminare, pretensus autem rex, in minoribus constitutus, captivavit et extinxit et Rockiczanam heresiarcham reduxit, qui hodie cum eo manens non eum sinit aliud preconcipere quam id, in quo natus et educatus. Et cum innata infirmitas sit pestis incurabilis ...3). Plane claret hoc, quia hodie de heresi, de qua suspectus, non videtur per abiurationem sollemnem iuxta eanonum sancciones esse purgatus 4). Ideo non inmerito omnibus his fideli mente perlustratis videtur populum christianissimum huins civitatis, quam[quam] inclito regno Bohemica incorpo- ratum, huic heresiarche homagium prestare non debere, — cum ipse iuxta dominum Johannem Andreae in novella de hereticis famosus hereticorum extat director, tutor et protector, dicentem 5): „qui alios, cum potest, ab errore non reducit, seipsum errare demonstrat, forcius, si defendit“. Idem: „perseverancia inducit quasi iteracionem delicti“6) — qualis et ipse hodie perseverat. — „Firmissime“ 7) etc.: "hereticus in heresi perseverans eternaliter condemnatur cui nec prodest baptismus, elementa8) nec martirium". Perseverat denique ille, quia de suspicione, ut predixi, nou purgatus. „Ad abolendam“9). „Debitam penam (!) ignis cremacio — quod pro- “ 10). batur Johannes XV : „si quis in me non manserit, mittetur foras sicut palmes" 1) Sirach 12, 10. 2) c. 5 X De rescriptis I, 3. (Wenn einem päpstlichen Befehl nicht stattgegeben wird, soll die Unterlassung mit guten Gründen gerechtfertigt werden.) 3) Der 5) In Umschreibung von c. 2 X De 4) Vgl. unten S. 169, Anm. 4. Nachsatz fehlt. haereticis (V, 7). (Joh. Andreae, Novellae: Ausg. Venedig 1523, Lib. V, 28 a.) 6) Joh. 7) Anfangswort von e. 3 a. a. O., dessen Hauptinhalt in den fol- Andreae a. a. O. genden Worten zusammengefaßt wird. Die Fassung dieser Worte schließt sich an die ») Anfangsworte von c. 9 8) Verschrieben für eleemosyna. Kapitelüberschrift an. a. a. O. Das Kapitel spricht unter anderm aus, daß ein der Ketzerei Verdächtiger gleich einem Ketzer behandelt werden muß. Bartholomaeus will mit dem Hinweis also vielleicht schon den vorangehenden Satz -perseverat etc.“ begründen. — Die folgenden Worte „debita pena“ etc. bis „canonica“ sind nebst dem Johanneszitat ein Auszug aus dem Kommentar des Hostiensis (Henricus de Segusia) zu dem genannten Kapitel beim Worte „debitam (recepturus pro qualitate facinoris ultionem)“. (Lectura super V libros decretalium; 10) Joh. 15. 6. Ausg. Paris 1512, Bd. 4, Bl. 35 a).
168 Die Streitschrift des Bartholomaeus. suam nemo potest capere, primum tunc intoxicum heretice pravitatis effundere inciperet, quod in sua prophana eleccione suis spospondit (!) conhereticis. O eterne deus, respice de celo, vide et visita vineam istam, ne singularis ea ferus de- pascat. Extremus etenim inimicus huius est civitatis, cui in eternum non est credendum scriptura testante etc.1). Et cum vir sit infidelis, non autumamus eum unquam fideliter posse uobiscum agere, quamquam de opposito dominus noster sanctissimus extat in- formatus, — gavisi nichilominus, quod idem dominus ampliorem verioremque velit sustinere informacionem (innixi super capitulo „Si quando“, extra de rescriptis)2). Dixi: infidelis, quia de heresi suspectus, cum eandem ut heresi- archa multiplicet et multiplicavit(!), eo quod dominum Meinhardum, qui brachio suffultus seculari Rockiczanam cum suis nephandissimis clericis de Praga in- cepit eliminare, pretensus autem rex, in minoribus constitutus, captivavit et extinxit et Rockiczanam heresiarcham reduxit, qui hodie cum eo manens non eum sinit aliud preconcipere quam id, in quo natus et educatus. Et cum innata infirmitas sit pestis incurabilis ...3). Plane claret hoc, quia hodie de heresi, de qua suspectus, non videtur per abiurationem sollemnem iuxta eanonum sancciones esse purgatus 4). Ideo non inmerito omnibus his fideli mente perlustratis videtur populum christianissimum huins civitatis, quam[quam] inclito regno Bohemica incorpo- ratum, huic heresiarche homagium prestare non debere, — cum ipse iuxta dominum Johannem Andreae in novella de hereticis famosus hereticorum extat director, tutor et protector, dicentem 5): „qui alios, cum potest, ab errore non reducit, seipsum errare demonstrat, forcius, si defendit“. Idem: „perseverancia inducit quasi iteracionem delicti“6) — qualis et ipse hodie perseverat. — „Firmissime“ 7) etc.: "hereticus in heresi perseverans eternaliter condemnatur cui nec prodest baptismus, elementa8) nec martirium". Perseverat denique ille, quia de suspicione, ut predixi, nou purgatus. „Ad abolendam“9). „Debitam penam (!) ignis cremacio — quod pro- “ 10). batur Johannes XV : „si quis in me non manserit, mittetur foras sicut palmes" 1) Sirach 12, 10. 2) c. 5 X De rescriptis I, 3. (Wenn einem päpstlichen Befehl nicht stattgegeben wird, soll die Unterlassung mit guten Gründen gerechtfertigt werden.) 3) Der 5) In Umschreibung von c. 2 X De 4) Vgl. unten S. 169, Anm. 4. Nachsatz fehlt. haereticis (V, 7). (Joh. Andreae, Novellae: Ausg. Venedig 1523, Lib. V, 28 a.) 6) Joh. 7) Anfangswort von e. 3 a. a. O., dessen Hauptinhalt in den fol- Andreae a. a. O. genden Worten zusammengefaßt wird. Die Fassung dieser Worte schließt sich an die ») Anfangsworte von c. 9 8) Verschrieben für eleemosyna. Kapitelüberschrift an. a. a. O. Das Kapitel spricht unter anderm aus, daß ein der Ketzerei Verdächtiger gleich einem Ketzer behandelt werden muß. Bartholomaeus will mit dem Hinweis also vielleicht schon den vorangehenden Satz -perseverat etc.“ begründen. — Die folgenden Worte „debita pena“ etc. bis „canonica“ sind nebst dem Johanneszitat ein Auszug aus dem Kommentar des Hostiensis (Henricus de Segusia) zu dem genannten Kapitel beim Worte „debitam (recepturus pro qualitate facinoris ultionem)“. (Lectura super V libros decretalium; 10) Joh. 15. 6. Ausg. Paris 1512, Bd. 4, Bl. 35 a).
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Die Streitschrift des Bartholomaeus. 169 Vivi cremacio est ultimum supplicium.“ Huic pene conveniunt lex divina, humana, consuetudinaria et canonica. „Vergentis“ 1): „cum longe sit gravius eternam quam temporalem ledere maiestatem.“ Super verbo „eternam": Jeronimus contra Virgilianum2): „meam iniuriam pacienter tuli, impietatem contra Deum ferre non potui“. — O Deus eterne, quante iniurie tue excellentissime maiestati ab his hereticis modernis inferuntur. Capaci vos orthodoxe fidei prelati, fideliter dirigendo, revolvite mente, et quid agendum, an dormiendum, an quiescendum! Habent suum tempus sanctum ocium et quies, nunc autem non etc. „Excommunicamus“ 3). Super verbo: „iuramentum" iuramentorum (!) domi- norum temporalium contra hereticos. Si hodie hoc iuramentum non prestetur, negligencia episcoporum est in causa4). Vide textum in fine capituli5), — super verbo autem „alioquin“ secundum Hostiensem"): „excommunicati sunt clerici“ etc., ut patet ibidem. Ideo vos domini doctores et prelati exigite fidelitatem in ea causa, ubi dominus vestri opus habet, in actu ostendendo. Hereticus est ille pretensus rex, quod eius demonstrat effectus. Ea propter iuxta sapientis sententiam : michi impossibile est regulam ponere super regulatum, mediis obliquatis 7), sic dicere illum christianum cum suis, cuins operum dis- posiciones ad hereticam vergunt pravitatem etc, impossibile. Sed quod dominus noster sanctissimus eum cum suis petat ad exercitum contra Turcos, an hoc expediat, maiorum relinquo decreto, cum dominus Deus populum suum inprosperari fecit in conspectu inimicorum propter peccatum Achor. (Qui furatus enim pallium coccineum valde bonum, CC ciclos argenti, regulam auream etc. Dixit ideo dominus populo: non ero vobiscum ultra, donec conteratis illum, qui sceleris huins reus est. Hec Josue VII°)8). Sed hic pretensus rex cum suis hereticis, si cum Christifidelibus ire debet contra Turcos, an dominus populo suo victoriam dabit, argnat quilibet sane mentis etc. Venerabilis et eximie pater! In proposicionibus reverendissimi 1) Anfangswort von c. 10 a. a. O. Die Worte „cum longe“ etc. am Schlusse des 2) Vielmehr „Epistula ad Vigilantium“ (Migne, Patrol. lat. Bd. 22, S. 605). Kapitels. Bartholomaeus verdaukt das Zitat den Ausführungen des Joh. Andreae zum Kapitel „Ver- 3) Anfangswort von c. 13 a. a. O. (3. Canon gentis“ (Novellae a. a. O. Bl. 30 a). des 4. Lateran-Kouzils). Bartholomaeus deukt im folgenden zunächst an § 3 „Moneantur . .. sacculares potestates ... ut praestent publice iuramentum, quod . . . haere- 4) Ein Seitenhieb gegen Bischof Jost und die ticos . . . exterminare studebunt.“ Bischöfe, die Georg gekrönt haben. Bartholomaeus weiß nichts von Georgs Krönungseid. 5) § 7 f. des genannten Kapitels handeln von der Pflicht der Bischöfe, in ihrem Sprengel der Ketzerei nachzugehen und drohen ihnen bei Pflichtvergessenheit Absetzung an. 6) Gemeint ift § 5 des c. 13: „Sane clerici non exhibeant huiusmodi pestilentibus ecclesiastica sacramenta; . . . alioquin suo priventur officio.“ Hierzu bemerkt die Lectura des Hostiensis (Bl. 38 b): „subandi: excommunicati sunt elerici ipso iure, cum censeantur fautores.“ Bartholomacus deutet an, daß er jenen § 5 nach dieser strengen 7) Sinn und Ursprung des Zitats bleiben mir un- Auslegung verstanden wissen will. deutlich. 8) Josua 7, 11 ff. Auf dieses Exempel wurde Bartholomaeus durch c. 10 des öfters angefüthrten titulus de haereticis hingewiesen.
Die Streitschrift des Bartholomaeus. 169 Vivi cremacio est ultimum supplicium.“ Huic pene conveniunt lex divina, humana, consuetudinaria et canonica. „Vergentis“ 1): „cum longe sit gravius eternam quam temporalem ledere maiestatem.“ Super verbo „eternam": Jeronimus contra Virgilianum2): „meam iniuriam pacienter tuli, impietatem contra Deum ferre non potui“. — O Deus eterne, quante iniurie tue excellentissime maiestati ab his hereticis modernis inferuntur. Capaci vos orthodoxe fidei prelati, fideliter dirigendo, revolvite mente, et quid agendum, an dormiendum, an quiescendum! Habent suum tempus sanctum ocium et quies, nunc autem non etc. „Excommunicamus“ 3). Super verbo: „iuramentum" iuramentorum (!) domi- norum temporalium contra hereticos. Si hodie hoc iuramentum non prestetur, negligencia episcoporum est in causa4). Vide textum in fine capituli5), — super verbo autem „alioquin“ secundum Hostiensem"): „excommunicati sunt clerici“ etc., ut patet ibidem. Ideo vos domini doctores et prelati exigite fidelitatem in ea causa, ubi dominus vestri opus habet, in actu ostendendo. Hereticus est ille pretensus rex, quod eius demonstrat effectus. Ea propter iuxta sapientis sententiam : michi impossibile est regulam ponere super regulatum, mediis obliquatis 7), sic dicere illum christianum cum suis, cuins operum dis- posiciones ad hereticam vergunt pravitatem etc, impossibile. Sed quod dominus noster sanctissimus eum cum suis petat ad exercitum contra Turcos, an hoc expediat, maiorum relinquo decreto, cum dominus Deus populum suum inprosperari fecit in conspectu inimicorum propter peccatum Achor. (Qui furatus enim pallium coccineum valde bonum, CC ciclos argenti, regulam auream etc. Dixit ideo dominus populo: non ero vobiscum ultra, donec conteratis illum, qui sceleris huins reus est. Hec Josue VII°)8). Sed hic pretensus rex cum suis hereticis, si cum Christifidelibus ire debet contra Turcos, an dominus populo suo victoriam dabit, argnat quilibet sane mentis etc. Venerabilis et eximie pater! In proposicionibus reverendissimi 1) Anfangswort von c. 10 a. a. O. Die Worte „cum longe“ etc. am Schlusse des 2) Vielmehr „Epistula ad Vigilantium“ (Migne, Patrol. lat. Bd. 22, S. 605). Kapitels. Bartholomaeus verdaukt das Zitat den Ausführungen des Joh. Andreae zum Kapitel „Ver- 3) Anfangswort von c. 13 a. a. O. (3. Canon gentis“ (Novellae a. a. O. Bl. 30 a). des 4. Lateran-Kouzils). Bartholomaeus deukt im folgenden zunächst an § 3 „Moneantur . .. sacculares potestates ... ut praestent publice iuramentum, quod . . . haere- 4) Ein Seitenhieb gegen Bischof Jost und die ticos . . . exterminare studebunt.“ Bischöfe, die Georg gekrönt haben. Bartholomaeus weiß nichts von Georgs Krönungseid. 5) § 7 f. des genannten Kapitels handeln von der Pflicht der Bischöfe, in ihrem Sprengel der Ketzerei nachzugehen und drohen ihnen bei Pflichtvergessenheit Absetzung an. 6) Gemeint ift § 5 des c. 13: „Sane clerici non exhibeant huiusmodi pestilentibus ecclesiastica sacramenta; . . . alioquin suo priventur officio.“ Hierzu bemerkt die Lectura des Hostiensis (Bl. 38 b): „subandi: excommunicati sunt elerici ipso iure, cum censeantur fautores.“ Bartholomacus deutet an, daß er jenen § 5 nach dieser strengen 7) Sinn und Ursprung des Zitats bleiben mir un- Auslegung verstanden wissen will. deutlich. 8) Josua 7, 11 ff. Auf dieses Exempel wurde Bartholomaeus durch c. 10 des öfters angefüthrten titulus de haereticis hingewiesen.
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170 Die Streitschrift des Bartholomaeus. patris conceptum est 1) de crementis et incrementis rei publice princi- palis fuisse intencio; de animarum vero salute et earundem cum fidei dispendiis pene niehil tactum: bella et differencie cum guerris tactis, causa vero earundem intacta permanente. Neque nostre fidei constancia multum approbata, neque pretensi regis condiciones, quomodo heresiarcha et sui heretici nobis extimi sunt inimici, resumpte. Ubi favor presumitur partis. Ideoque ob Dei amorem oculum considerationis aperiatis, fideliter agentes. Jam enim extrema incumbit necessitas. Mercedem a Deo recepturi, valete. Eschenloer, Historia Wratislaviensis (Stadtbibl. Breslau), Bl. 69b—70b. — Eine Abschrift des Traktats fertigte Ezechiel an (Opus Miscellaneum, Bd. 7, Nr. 57. Bresl. Stadtbibl.) 1) Sic! Nach dem Fortgang des Satzes müßte statt „conceptum est“ etwa „videtur“ dastehen. Gleich dahinter ist „de crementis“ vielleicht für „de decrementis“ verschrieben. ☞ Druckfehler. S. 91, Z. 2 v. u. lies „Glaubensehre“ statt „Glaubenslehre".
170 Die Streitschrift des Bartholomaeus. patris conceptum est 1) de crementis et incrementis rei publice princi- palis fuisse intencio; de animarum vero salute et earundem cum fidei dispendiis pene niehil tactum: bella et differencie cum guerris tactis, causa vero earundem intacta permanente. Neque nostre fidei constancia multum approbata, neque pretensi regis condiciones, quomodo heresiarcha et sui heretici nobis extimi sunt inimici, resumpte. Ubi favor presumitur partis. Ideoque ob Dei amorem oculum considerationis aperiatis, fideliter agentes. Jam enim extrema incumbit necessitas. Mercedem a Deo recepturi, valete. Eschenloer, Historia Wratislaviensis (Stadtbibl. Breslau), Bl. 69b—70b. — Eine Abschrift des Traktats fertigte Ezechiel an (Opus Miscellaneum, Bd. 7, Nr. 57. Bresl. Stadtbibl.) 1) Sic! Nach dem Fortgang des Satzes müßte statt „conceptum est“ etwa „videtur“ dastehen. Gleich dahinter ist „de crementis“ vielleicht für „de decrementis“ verschrieben. ☞ Druckfehler. S. 91, Z. 2 v. u. lies „Glaubensehre“ statt „Glaubenslehre".
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Register. A. „Als der man gesessen“ 163. D. Deutsch-Lissa, siehe Lissa. Düster, Dompropst 122, 134. B. Bartholomaeus, Prediger bei St. Elisabeth 58, 71, 165. Beyer, Nikolaus, Breslauer Bürger 128, 134. Böhmen, Krone 2, 8, 23, 41 f., 139 f. — Land: Innere Verhältnisse 1—5. 22 f., 87. — Herrenadel 4. 13, 47 f., 63—118. Bohrau, Kreis Strehlen (Markt Bohrau) 66. Breslau, Stadt: Stellnng im Fürstentum 9, 15 f., vgl. auch Breslan, Fürstentum — in Schlesien 9, 12, 15 f., 25 f., 113 — zur Krone Böhmen 9—12, 25, 72, 81 f., 92, 140 — zur böhmischen Nation 10— 14, 26, 35. 42, 72 — zur deutschen Nation 11 f. — Verfassungsgeschichtliches, Rat und Gemeine 16—19, 30, 62 f., 133, 141, 153 — Ratsaristokratie 19 f., 138 — Zünfte 17 f., 130, 133, 160 f. — Niederes Volk 18, 58, 130—132 — Volkszahl 158—162 — Kriegsverhältnisse 16, 19, 56, 64—67, 97, 104, 124—131, 158, 161 f. — Geistlichkeit 21 f., 27, 54—62, 71,79, 91, 122—124, 134, 139, 148, 157. Fürstentum: Hauptmannschaft 9. 35, 38 f., 81—83, 141 — Hofgericht 83 — Huldi- gungsrecht 25 — Mannen 9, 55. 63, 141 — Besitzverhältnisse 9, 20 Anm., 39, 141, 164. Bistum, Bischöfe: Peter (Nowag) 27, 29, 33,38, 149f. —Jodocus (Jost, von Rosen- berg) 12, 14, 38, 42—46, 63, 68, 87, 10z. 109, 111 f., 115 Anm., 118 f., 124, 126 - Rudolf (von Rüdesheim, vorher Bischaf von Lavant) 117, 136, 138 f. — Domkarttel .. 42 f., 45, 48, 55, 60 f., 63. 154 unzlan 43. E. Eschenloer, Peter 13, 20 f., 37, 40, 44 Anm., 50 Anm., 54 Anm., 62 Anm., 68 Anm., 72, 77 f., 85 Anm., 91 f., 95, 146, 148— 158, 160 f. Anm. F. Fantinus de Valle 56 Anm., 101, 107. Frankenstein 125—127. Franffurt am Main, Bevölkerungsverhältnisse 159—161. Franz von Toledo, Dr. 68. Friedrich III., Kaiser 46, 61, 108 f., 112, 118. Froben, Johannes, Namslauer Stadtschreiber 146. G. Gabriel von Verona 86. — „Gemeine“ 18, 133 Anm., 149 Anm. Glogau, Herzöge: Heinrich (der Altere) von Großglogan—Krossen — Freistadt 29, 43, 45 f., 63, 135. — Wlodko von Großglogau und Teschen 43, 45, 48, 57. Görlitz 134. Gohlan (Kreis Breslau) 66. Goldberg 29. Goldschmieden (Kreis Breslau) 66. Grottkau 29, 152 Anm. H. Hanko, Fabian, Domherr 115. Haselberg, Jakob, Stadtschreiber 13 Anm., 72. Haunolt, Valentin, Breslauer Bürger 20, 36, 62, 91, 98, 152. Hieronymus Lando, Erzbischof von Kreta 68— 70, 73—75, 77f., 80, 98—100, 109—112. Hornig, Anton, Breslauer Bürger 20, 36, 62, 91, 98, 152. Huldigungsrecht 24—26, 28, 30 f., 81, 83 f., 89. 6. Capistrano, Jehannek von 21, 32 f. Carvajal, Kardinal 115. Cusa, Nikolaus von 102, 10a j. 111.
Register. A. „Als der man gesessen“ 163. D. Deutsch-Lissa, siehe Lissa. Düster, Dompropst 122, 134. B. Bartholomaeus, Prediger bei St. Elisabeth 58, 71, 165. Beyer, Nikolaus, Breslauer Bürger 128, 134. Böhmen, Krone 2, 8, 23, 41 f., 139 f. — Land: Innere Verhältnisse 1—5. 22 f., 87. — Herrenadel 4. 13, 47 f., 63—118. Bohrau, Kreis Strehlen (Markt Bohrau) 66. Breslau, Stadt: Stellnng im Fürstentum 9, 15 f., vgl. auch Breslan, Fürstentum — in Schlesien 9, 12, 15 f., 25 f., 113 — zur Krone Böhmen 9—12, 25, 72, 81 f., 92, 140 — zur böhmischen Nation 10— 14, 26, 35. 42, 72 — zur deutschen Nation 11 f. — Verfassungsgeschichtliches, Rat und Gemeine 16—19, 30, 62 f., 133, 141, 153 — Ratsaristokratie 19 f., 138 — Zünfte 17 f., 130, 133, 160 f. — Niederes Volk 18, 58, 130—132 — Volkszahl 158—162 — Kriegsverhältnisse 16, 19, 56, 64—67, 97, 104, 124—131, 158, 161 f. — Geistlichkeit 21 f., 27, 54—62, 71,79, 91, 122—124, 134, 139, 148, 157. Fürstentum: Hauptmannschaft 9. 35, 38 f., 81—83, 141 — Hofgericht 83 — Huldi- gungsrecht 25 — Mannen 9, 55. 63, 141 — Besitzverhältnisse 9, 20 Anm., 39, 141, 164. Bistum, Bischöfe: Peter (Nowag) 27, 29, 33,38, 149f. —Jodocus (Jost, von Rosen- berg) 12, 14, 38, 42—46, 63, 68, 87, 10z. 109, 111 f., 115 Anm., 118 f., 124, 126 - Rudolf (von Rüdesheim, vorher Bischaf von Lavant) 117, 136, 138 f. — Domkarttel .. 42 f., 45, 48, 55, 60 f., 63. 154 unzlan 43. E. Eschenloer, Peter 13, 20 f., 37, 40, 44 Anm., 50 Anm., 54 Anm., 62 Anm., 68 Anm., 72, 77 f., 85 Anm., 91 f., 95, 146, 148— 158, 160 f. Anm. F. Fantinus de Valle 56 Anm., 101, 107. Frankenstein 125—127. Franffurt am Main, Bevölkerungsverhältnisse 159—161. Franz von Toledo, Dr. 68. Friedrich III., Kaiser 46, 61, 108 f., 112, 118. Froben, Johannes, Namslauer Stadtschreiber 146. G. Gabriel von Verona 86. — „Gemeine“ 18, 133 Anm., 149 Anm. Glogau, Herzöge: Heinrich (der Altere) von Großglogan—Krossen — Freistadt 29, 43, 45 f., 63, 135. — Wlodko von Großglogau und Teschen 43, 45, 48, 57. Görlitz 134. Gohlan (Kreis Breslau) 66. Goldberg 29. Goldschmieden (Kreis Breslau) 66. Grottkau 29, 152 Anm. H. Hanko, Fabian, Domherr 115. Haselberg, Jakob, Stadtschreiber 13 Anm., 72. Haunolt, Valentin, Breslauer Bürger 20, 36, 62, 91, 98, 152. Hieronymus Lando, Erzbischof von Kreta 68— 70, 73—75, 77f., 80, 98—100, 109—112. Hornig, Anton, Breslauer Bürger 20, 36, 62, 91, 98, 152. Huldigungsrecht 24—26, 28, 30 f., 81, 83 f., 89. 6. Capistrano, Jehannek von 21, 32 f. Carvajal, Kardinal 115. Cusa, Nikolaus von 102, 10a j. 111.
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172 Sodocus, jiche Breslau, R. Stamens 125. RKajimir, Konig von Polen 103, 137, 149. Keger: Behandlung nach fanoniidjem Hecht 165—170. па, Johannes, Dombherr SS f., 94, 98, 100, 102, 104 — 108. Kober, KXafpar, Breslauer Bürger 128. Q abislau$ (Pojtumuś), Kónią 231., 35,33—40. Sanft S, 51, 114, 124, 137; jtehe Oberfaufit. Liegnigs, Stadt und Fiieftentum 29 f., 34, 37, 43, 52. — Herzogin Hedwig 29, 43, 45, 46, 52, 63. — Herzog Friedrich 34, 114, 136. Lijja (Deutfh-Lifja, Kreis Breslau) 64, 66. Lowenberg 43. Mě. Mähren 8, 23 f., 45, 51, 125. Matthias (Hunyadi, Corvinus), Kónig 39, 44, 137—143. Merhoth, Nikolaus, Domherr 110. Miinfterberg 37, 125 f., 138. ,9t. Namslau 16, 29, 43, 63, 81, 123, 146—148, 163. Nationalbowuftjein der Böhmen 1—5, 11 f., 43 Anm. (Bijhof Fodocus) — der Bress lauer 11 f., 14. Neiße 29. Steumartt 9, 43, 63, 83. Nitenberg, BevôiterungS. und Geeresverbält- nifje 161 f. Dberlaufi 9, 24 f., 51, 121 Anm., 135, fiche Gôrlig. Oberjdlefien 9. Dels, Herzöge: Konrad der Schwarze 43, 45, 61, 136. — Konrad der Weiße 43, 45, 52 f., 114, 136. Oppeln, Herzöge: Bolko 34 Anın. — Nikolaus 114, 126. PB. Baul IL, Papft 116, 121. Peter, Bijdyof, fiche Breslau. Pius IL, Papft 52, 56, 58, 67 f., IS—116. Uleyijter. 59, 44, 52 f., 60, S7, 106—108, 114, 116. — Viftorin 126. Polen 103, 136—140. Protas, Bijdyof von Ofmüt 11S—120. nN. Reidyard, Friedrich, Vreslauer Biirger 62. Jotyzana 15, 27, 55. Nofenberg, von, Heinridy 12, 35, 38 f., 164. Jodocus, che Breslau — Fohann 39, 63. Roficz BŁ Anm., 52 Anne, 150 Ann. Rudolf, Wifhof vou Lavant, jiche Breslau. S. Sachfen-Thliringen, Herzog Wilhelm 41, 47, 51, 53. Sagan, Herzöge: Yalthalar 43, 45 f., 57, 59, 63, 72, 88, 90, 112, 126, 128, 136 Anm. — FJohanı 42, 45f., 57 AMnm., 63, SS, 90. Schlabrendorff, Hans von 124. Schleften: Allgemeine politiiÿe Verhéltnifje Sf. 26. — Zyiirften §, 31, 34, 42—53, 51, 09, 63, 103, 110, 112, 150. Siche Breslau, Gropglogan, Licgnit, В, Dppein, Sagan. Schweidnib 29, 136. Schweidniz: FJauer, Fitrftentiimer S, 29, 34, 43, 45, 48, 59 f., 59, 03, 112, 126, 136, 138. Stal, Bernhard, Breslauer Bürger 62. Stoppe, Chriftian, Ritter 128. Sreinfeller, Georg, Breslauer Bitrger 20, 65, 128, 134. =. Tempekfeld, Nikolaus, Domkautor 11 Anm., 13, 21, 27, 49 f., 55, 59, 122, 124, 135, 165. Toleranz 5, 74—77, 95. u. Unruh, Matthias, 9titter 49. m. Wartenberg, Peter, Domberr 49. Weinrich), Johann, Breslaner Gefandter FN Aum, 114. 3. Bebraden 123.
172 Sodocus, jiche Breslau, R. Stamens 125. RKajimir, Konig von Polen 103, 137, 149. Keger: Behandlung nach fanoniidjem Hecht 165—170. па, Johannes, Dombherr SS f., 94, 98, 100, 102, 104 — 108. Kober, KXafpar, Breslauer Bürger 128. Q abislau$ (Pojtumuś), Kónią 231., 35,33—40. Sanft S, 51, 114, 124, 137; jtehe Oberfaufit. Liegnigs, Stadt und Fiieftentum 29 f., 34, 37, 43, 52. — Herzogin Hedwig 29, 43, 45, 46, 52, 63. — Herzog Friedrich 34, 114, 136. Lijja (Deutfh-Lifja, Kreis Breslau) 64, 66. Lowenberg 43. Mě. Mähren 8, 23 f., 45, 51, 125. Matthias (Hunyadi, Corvinus), Kónig 39, 44, 137—143. Merhoth, Nikolaus, Domherr 110. Miinfterberg 37, 125 f., 138. ,9t. Namslau 16, 29, 43, 63, 81, 123, 146—148, 163. Nationalbowuftjein der Böhmen 1—5, 11 f., 43 Anm. (Bijhof Fodocus) — der Bress lauer 11 f., 14. Neiße 29. Steumartt 9, 43, 63, 83. Nitenberg, BevôiterungS. und Geeresverbält- nifje 161 f. Dberlaufi 9, 24 f., 51, 121 Anm., 135, fiche Gôrlig. Oberjdlefien 9. Dels, Herzöge: Konrad der Schwarze 43, 45, 61, 136. — Konrad der Weiße 43, 45, 52 f., 114, 136. Oppeln, Herzöge: Bolko 34 Anın. — Nikolaus 114, 126. PB. Baul IL, Papft 116, 121. Peter, Bijdyof, fiche Breslau. Pius IL, Papft 52, 56, 58, 67 f., IS—116. Uleyijter. 59, 44, 52 f., 60, S7, 106—108, 114, 116. — Viftorin 126. Polen 103, 136—140. Protas, Bijdyof von Ofmüt 11S—120. nN. Reidyard, Friedrich, Vreslauer Biirger 62. Jotyzana 15, 27, 55. Nofenberg, von, Heinridy 12, 35, 38 f., 164. Jodocus, che Breslau — Fohann 39, 63. Roficz BŁ Anm., 52 Anne, 150 Ann. Rudolf, Wifhof vou Lavant, jiche Breslau. S. Sachfen-Thliringen, Herzog Wilhelm 41, 47, 51, 53. Sagan, Herzöge: Yalthalar 43, 45 f., 57, 59, 63, 72, 88, 90, 112, 126, 128, 136 Anm. — FJohanı 42, 45f., 57 AMnm., 63, SS, 90. Schlabrendorff, Hans von 124. Schleften: Allgemeine politiiÿe Verhéltnifje Sf. 26. — Zyiirften §, 31, 34, 42—53, 51, 09, 63, 103, 110, 112, 150. Siche Breslau, Gropglogan, Licgnit, В, Dppein, Sagan. Schweidnib 29, 136. Schweidniz: FJauer, Fitrftentiimer S, 29, 34, 43, 45, 48, 59 f., 59, 03, 112, 126, 136, 138. Stal, Bernhard, Breslauer Bürger 62. Stoppe, Chriftian, Ritter 128. Sreinfeller, Georg, Breslauer Bitrger 20, 65, 128, 134. =. Tempekfeld, Nikolaus, Domkautor 11 Anm., 13, 21, 27, 49 f., 55, 59, 122, 124, 135, 165. Toleranz 5, 74—77, 95. u. Unruh, Matthias, 9titter 49. m. Wartenberg, Peter, Domberr 49. Weinrich), Johann, Breslaner Gefandter FN Aum, 114. 3. Bebraden 123.
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