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Inhalt
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Název:
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 1. Bis zum Ausbruch des grossen Schismas
Autor:
Loserth, Johann
Rok vydání:
1897
Místo vydání:
Wien
Počet stran celkem:
136
Počet stran předmluvy plus obsahu:
I+135
Obsah:
- I: Titel
- 1: Studie
- 118: Beilagen
- 135: Inhalt
upravit
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SITZUNGSBERICHTE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. BAND CXXXVI. I. STUDIEN ZUR KIRCHENPOLITIK ENGLANDS IM 14. JAHRHUNDERT. I. THEIL. BIS ZUM AUSBRUCH DES GROSSEN SCHISMAS (1378). VON J. LOSERTH, CORRESP. MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER. WISSENSCHAFTEN WIEN, 1897. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN BUCHHANDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHATTEN.
SITZUNGSBERICHTE DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN WIEN PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE. BAND CXXXVI. I. STUDIEN ZUR KIRCHENPOLITIK ENGLANDS IM 14. JAHRHUNDERT. I. THEIL. BIS ZUM AUSBRUCH DES GROSSEN SCHISMAS (1378). VON J. LOSERTH, CORRESP. MITGLIEDE DER KAIS. AKADEMIE DER. WISSENSCHAFTEN WIEN, 1897. IN COMMISSION BEI CARL GEROLD'S SOHN BUCHHANDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHATTEN.
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Vorbemerkungen. Trotz der vielen Arbeiten, die auf dem Gebiete der Wiclifforschung in den letzten zwölf Jahren, seitdem die kriti- sche Ausgabe der Werke Wiclif’s in Angriff genommen wurde, zu Tage gefördert worden sind, fehlt es an einer Darstellung des Entwicklungsganges dieses Reformators, in der die Ergeb- nisse dieser Forschung verwerthet würden. Man hat bisher von Seiten der meisten Kirchenhistoriker nicht einmal die ein- zelnen grösseren Werke Wiclif's selbst in ihrer wahren Be- deutung erkannt und gewürdigt. Ich habe im Frühlinge dieses Jahres an einem einzelnen Beispiele dargelegt, welche Ergeb- nisse eine kritische Durchforschung einzelner Schriften Wiclif’s zu Tage zu fördern vermag, indem ich durch einen Vergleich eines schon vor mehr als anderthalb Jahrhunderten gedruckten Tractates Wiclif’s mit dessen grossen Werken ,De Ecclesia‘ und „De Civili Dominio‘ den Nachweis erbringen konnte, dass man die Anfänge der kirchenpolitischen Thätigkeit Wiclif's bisher fast um ein Jahrzehnt zu früh angesetzt hat. Dadurch musste begreiflicher Weise die Ansicht von den Ereignissen jener Zeit in den Berichten zeitgenössischer Quellen in ganz falscher Be- leuchtung erscheinen. Das Studium der Schriften Wiclif's ist für die Erkenntniss der Geschichte seiner Zeit von um so grösserer Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXXVI. Bd. 1. Abh. 1
Vorbemerkungen. Trotz der vielen Arbeiten, die auf dem Gebiete der Wiclifforschung in den letzten zwölf Jahren, seitdem die kriti- sche Ausgabe der Werke Wiclif’s in Angriff genommen wurde, zu Tage gefördert worden sind, fehlt es an einer Darstellung des Entwicklungsganges dieses Reformators, in der die Ergeb- nisse dieser Forschung verwerthet würden. Man hat bisher von Seiten der meisten Kirchenhistoriker nicht einmal die ein- zelnen grösseren Werke Wiclif's selbst in ihrer wahren Be- deutung erkannt und gewürdigt. Ich habe im Frühlinge dieses Jahres an einem einzelnen Beispiele dargelegt, welche Ergeb- nisse eine kritische Durchforschung einzelner Schriften Wiclif’s zu Tage zu fördern vermag, indem ich durch einen Vergleich eines schon vor mehr als anderthalb Jahrhunderten gedruckten Tractates Wiclif’s mit dessen grossen Werken ,De Ecclesia‘ und „De Civili Dominio‘ den Nachweis erbringen konnte, dass man die Anfänge der kirchenpolitischen Thätigkeit Wiclif's bisher fast um ein Jahrzehnt zu früh angesetzt hat. Dadurch musste begreiflicher Weise die Ansicht von den Ereignissen jener Zeit in den Berichten zeitgenössischer Quellen in ganz falscher Be- leuchtung erscheinen. Das Studium der Schriften Wiclif's ist für die Erkenntniss der Geschichte seiner Zeit von um so grösserer Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXXVI. Bd. 1. Abh. 1
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2 L. Abhandlung : Loserth. Wichtigkeit, als uns jene Documente, wie es scheint, für immer verloren gegangen sind, welche die wichtigsten Ereignisse aus Wiclif’s letzten Jahren, namentlich seine Verurtheilung in Rom, betrafen. Dort finden sich heute nicht einmal jene Bullen mehr vor, die zum Glück in England aufbewahrt worden sind. Dass diese Verluste schon in älterer Zeit zu beklagen waren, wahrscheinlich noch ins 14. Jahrhundert selbst fallen, mag hier nur nebenbei angedeutet werden. Wer in römischen Archiven sich über Wiclif Raths erholen will, findet dessen Namen erst in seiner Verquickung mit jenem des Hus, und zwar in einer Zeit, als dieser schon auf der Höhe seines Schaffens stand. Man ist daher, oft fast allein, auf Wiclif’s Werke ange- wiesen, wenn man über Einzelnheiten aus seinem Leben nähere Auskunft sucht oder namentlich seinen Zusammenhang mit den älteren Reformparteien der Kirche im 14. Jahrhundert be- leuchten will. Dass sich da für beides noch mehr oder minder wichtige Ergebnisse gewinnen lassen, darüber gibt es in den Schriften ,De Civili Dominio‘ und ,De Veritate Sacrae Scripturae" Anhaltspunkte genug. Ich will hier vorgreifend nur auf einen Fall hinweisen: Schon zu wiederholten Malen habe ich (s. Gött. Gel. Anz. 1896, S. 548 ff.) die Ansicht Jener bekämpft, die in der Aufspürung des ursächlichen Zusammenhanges der alteren Reformparteien zu weit gehen und den Beginn der Reformation am liebsten schon in die Zeit des Heilands ver- legen möchten. Ein stehendes Capitel ist es, dass der Eine Wiclif's Ideen den Köpfen der Waldenser entspringen lässt, der Andere sich's nicht versagen kann, ihn recht kräftig an Occam anzulehnen. Dass man einem Manne wie Wiclif damit sein Hauptverdienst raubt, den Vergleich mit dem, was er in der Kirche seiner Zeit sah, und dem, was die erste Kirche bot, aus dem Studium der Bibel selbst genommen und darnach seine Anschauungen über die Kirche und ihr Regiment gebildet zu haben, steht fest. Dass Wiclif Occam's Werke gelesen, gewürdigt und geliebt hat, sagt er ja schliesslich selbst. Dass er, was er an reformatorischen Ideen besass, nicht aus Occam schöpfte, sondern aus der Bibel, ergibt sich (s. den ersten Ex- curs dieser Abhandlung) aus Wiclif’s eigenen Worten. Was soll man nun sagen, wenn trotzdem ein Gelehrter wie Adolf Haus-
2 L. Abhandlung : Loserth. Wichtigkeit, als uns jene Documente, wie es scheint, für immer verloren gegangen sind, welche die wichtigsten Ereignisse aus Wiclif’s letzten Jahren, namentlich seine Verurtheilung in Rom, betrafen. Dort finden sich heute nicht einmal jene Bullen mehr vor, die zum Glück in England aufbewahrt worden sind. Dass diese Verluste schon in älterer Zeit zu beklagen waren, wahrscheinlich noch ins 14. Jahrhundert selbst fallen, mag hier nur nebenbei angedeutet werden. Wer in römischen Archiven sich über Wiclif Raths erholen will, findet dessen Namen erst in seiner Verquickung mit jenem des Hus, und zwar in einer Zeit, als dieser schon auf der Höhe seines Schaffens stand. Man ist daher, oft fast allein, auf Wiclif’s Werke ange- wiesen, wenn man über Einzelnheiten aus seinem Leben nähere Auskunft sucht oder namentlich seinen Zusammenhang mit den älteren Reformparteien der Kirche im 14. Jahrhundert be- leuchten will. Dass sich da für beides noch mehr oder minder wichtige Ergebnisse gewinnen lassen, darüber gibt es in den Schriften ,De Civili Dominio‘ und ,De Veritate Sacrae Scripturae" Anhaltspunkte genug. Ich will hier vorgreifend nur auf einen Fall hinweisen: Schon zu wiederholten Malen habe ich (s. Gött. Gel. Anz. 1896, S. 548 ff.) die Ansicht Jener bekämpft, die in der Aufspürung des ursächlichen Zusammenhanges der alteren Reformparteien zu weit gehen und den Beginn der Reformation am liebsten schon in die Zeit des Heilands ver- legen möchten. Ein stehendes Capitel ist es, dass der Eine Wiclif's Ideen den Köpfen der Waldenser entspringen lässt, der Andere sich's nicht versagen kann, ihn recht kräftig an Occam anzulehnen. Dass man einem Manne wie Wiclif damit sein Hauptverdienst raubt, den Vergleich mit dem, was er in der Kirche seiner Zeit sah, und dem, was die erste Kirche bot, aus dem Studium der Bibel selbst genommen und darnach seine Anschauungen über die Kirche und ihr Regiment gebildet zu haben, steht fest. Dass Wiclif Occam's Werke gelesen, gewürdigt und geliebt hat, sagt er ja schliesslich selbst. Dass er, was er an reformatorischen Ideen besass, nicht aus Occam schöpfte, sondern aus der Bibel, ergibt sich (s. den ersten Ex- curs dieser Abhandlung) aus Wiclif’s eigenen Worten. Was soll man nun sagen, wenn trotzdem ein Gelehrter wie Adolf Haus-
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 3 rath in seinem eben erst erschienenen Buche ,Die Arnoldisten‘ (Weltverbesserer im Mittelalter III, 391) berichtet: ,Auch Wiclif steht noch unter dem Einfluss des alten Armuthsideals, und seine Lehre vom Predigtamte ist die der Waldenser. Seine Lollharden sind in gewissem Sinne die Lombarden Englands. Sind aus dem Studium der Werke Wiclif’s demnach nicht unerhebliche neue Ergebnisse zu gewinnen, so könnte man doch andererseits vielleicht behaupten, es sei vor dem Erscheinen aller grossen Werke Wiclif's verfrüht, diese Ergebnisse schon jetzt feststellen zu wollen. Dem gegenüber ist darauf hinzu- weisen, dass die noch ungedruckten grossen Werke Wiclif's insgesammt der Zeit nach dem Schisma angehören, also nach der Verurtheilung der 18 Thesen durch Gregor XI. geschrieben sind. Am wichtigsten aber und wohl auch am interessantesten ist die Betrachtung seines Werdeganges bis zu diesem Ein- schnitt in seinem Leben, und dies findet man in den zehn unten folgenden Capiteln. Eines von diesen wurde, wie bemerkt, bereits gedruckt (English Historical Review, April 1896), er- scheint aber hier in theilweise geänderter und verbesserter Ge- stalt. Es durfte auch deswegen hier nicht fehlen, weil es zum Verständniss der folgenden Capitel nothwendig ist. Von den Beilagen habe ich das Cobham betreffende Stück dieses Namens wegen nicht zur Seite legen wollen: man sieht, wie streng diese Familie, aus der später der Wortführer der kirchlichen Opposi- tionspartei in England aufstand, hier noch ganz auf dem Boden der entgegengesetzten Ansichten ruht. Statt die Urkunden, welche die Verhandlungen zwischen Gregor XI. und England betreffen, in vollem Wortlaut beizulegen, habe ich sie bis auf wenige in der Form von Regesten beigeschlossen, die zumeist den Registerbänden dieses Papstes selbst wörtlich entnommen sind. Den zweiten Excurs habe ich beigegeben, um den Lesern, denen die Gestalt Gregors XI. etwa in den Schriften Wiclif’s entgegentritt, die Persönlichkeit dieses von Wiclif so sehr ver- kannten und gehassten Papstes in ihrer richtigeren Beleuch- tung zu zeigen. Zum Schlusse sei mir gestattet, jenen Herren, die mich bei meinen Studien in Rom werkthätig unterstützten, vor allen Herrn Hofrath v. Sickel und dem Vorstand des vaticanischen Archivs Herrn Denifle meinen besten Dank zu sagen. Ich
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 3 rath in seinem eben erst erschienenen Buche ,Die Arnoldisten‘ (Weltverbesserer im Mittelalter III, 391) berichtet: ,Auch Wiclif steht noch unter dem Einfluss des alten Armuthsideals, und seine Lehre vom Predigtamte ist die der Waldenser. Seine Lollharden sind in gewissem Sinne die Lombarden Englands. Sind aus dem Studium der Werke Wiclif’s demnach nicht unerhebliche neue Ergebnisse zu gewinnen, so könnte man doch andererseits vielleicht behaupten, es sei vor dem Erscheinen aller grossen Werke Wiclif's verfrüht, diese Ergebnisse schon jetzt feststellen zu wollen. Dem gegenüber ist darauf hinzu- weisen, dass die noch ungedruckten grossen Werke Wiclif's insgesammt der Zeit nach dem Schisma angehören, also nach der Verurtheilung der 18 Thesen durch Gregor XI. geschrieben sind. Am wichtigsten aber und wohl auch am interessantesten ist die Betrachtung seines Werdeganges bis zu diesem Ein- schnitt in seinem Leben, und dies findet man in den zehn unten folgenden Capiteln. Eines von diesen wurde, wie bemerkt, bereits gedruckt (English Historical Review, April 1896), er- scheint aber hier in theilweise geänderter und verbesserter Ge- stalt. Es durfte auch deswegen hier nicht fehlen, weil es zum Verständniss der folgenden Capitel nothwendig ist. Von den Beilagen habe ich das Cobham betreffende Stück dieses Namens wegen nicht zur Seite legen wollen: man sieht, wie streng diese Familie, aus der später der Wortführer der kirchlichen Opposi- tionspartei in England aufstand, hier noch ganz auf dem Boden der entgegengesetzten Ansichten ruht. Statt die Urkunden, welche die Verhandlungen zwischen Gregor XI. und England betreffen, in vollem Wortlaut beizulegen, habe ich sie bis auf wenige in der Form von Regesten beigeschlossen, die zumeist den Registerbänden dieses Papstes selbst wörtlich entnommen sind. Den zweiten Excurs habe ich beigegeben, um den Lesern, denen die Gestalt Gregors XI. etwa in den Schriften Wiclif’s entgegentritt, die Persönlichkeit dieses von Wiclif so sehr ver- kannten und gehassten Papstes in ihrer richtigeren Beleuch- tung zu zeigen. Zum Schlusse sei mir gestattet, jenen Herren, die mich bei meinen Studien in Rom werkthätig unterstützten, vor allen Herrn Hofrath v. Sickel und dem Vorstand des vaticanischen Archivs Herrn Denifle meinen besten Dank zu sagen. Ich
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4 I. Abhandlung: Loserth. will nicht beizufügen unterlassen, dass mir das hohe k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht in dankenswerthester Weise Mittel und Musse geboten hat, meine Wiclifforschungen in Rom machen zu können. Graz, 1. October 1896. 1. Die Kirchenpolitik Eduards I. Der Reichthum der englischen Kirche war unter der schwachen Regierung Heinrichs III. stark angewachsen. Geld und Gut, Land und sonstiger fester Besitz war an sie gekommen. Indem so viele Leistungen, zu denen Laien als Lehensträger der Krone verpflichtet gewesen waren, allmalig in Vergessen- heit geriethen und endlich ganz in Wegfall kamen, musste in erster Linie die Landesvertheidigung gefahrdet erscheinen. Die Frage ward aufgeworfen, wie viel Lehensgut in unrechter Weise an die Kirche gekommen sei. In einer Zeit, wo man allerorten daran ging, Rechte und Pflichten, die auf dem Grund- besitz hafteten, sorgsam festzustellen, wo Landschaften, religiöse Körperschaften und auch schon einzelne regierende Häuser daran giengen, ihre Urbare anfertigen zu lassen, um eine Uebersicht über die ihnen zu Gebote stehenden Machtmittel zu erlangen, war es durchaus nichts Besonderes, wenn auch Eduard I. gleich in seinen ersten Regierungsjahren einen ge- nauen Kataster anlegen liess. Hier kam noch als treibendes Motiv hinzu, widerrechtlich abhanden gekommenes Gut an die Krone zurückzubringen. Bereits im Herbste 1274 liess er ein Mandat in alle Grafschaften ausgehen, die Beamten möchten genau in Erfahrung bringen, welche Domänen sich im Besitze der Krone befänden, welche als Lehen an andere gekommen, unter welchem Rechtstitel dies erfolgt sei, welche aus unmittel- baren Lehen Afterlehen geworden, welches der Stand der Ritterlehen sei, und wie es mit den königlichen Pachtzinsen in den Städten und den anderen feudalen Dienstbarkeiten stünde." Die Untersuchung hatte in vielen Fallen einen unmittelbaren 1 Rym. Foed. 517.
4 I. Abhandlung: Loserth. will nicht beizufügen unterlassen, dass mir das hohe k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht in dankenswerthester Weise Mittel und Musse geboten hat, meine Wiclifforschungen in Rom machen zu können. Graz, 1. October 1896. 1. Die Kirchenpolitik Eduards I. Der Reichthum der englischen Kirche war unter der schwachen Regierung Heinrichs III. stark angewachsen. Geld und Gut, Land und sonstiger fester Besitz war an sie gekommen. Indem so viele Leistungen, zu denen Laien als Lehensträger der Krone verpflichtet gewesen waren, allmalig in Vergessen- heit geriethen und endlich ganz in Wegfall kamen, musste in erster Linie die Landesvertheidigung gefahrdet erscheinen. Die Frage ward aufgeworfen, wie viel Lehensgut in unrechter Weise an die Kirche gekommen sei. In einer Zeit, wo man allerorten daran ging, Rechte und Pflichten, die auf dem Grund- besitz hafteten, sorgsam festzustellen, wo Landschaften, religiöse Körperschaften und auch schon einzelne regierende Häuser daran giengen, ihre Urbare anfertigen zu lassen, um eine Uebersicht über die ihnen zu Gebote stehenden Machtmittel zu erlangen, war es durchaus nichts Besonderes, wenn auch Eduard I. gleich in seinen ersten Regierungsjahren einen ge- nauen Kataster anlegen liess. Hier kam noch als treibendes Motiv hinzu, widerrechtlich abhanden gekommenes Gut an die Krone zurückzubringen. Bereits im Herbste 1274 liess er ein Mandat in alle Grafschaften ausgehen, die Beamten möchten genau in Erfahrung bringen, welche Domänen sich im Besitze der Krone befänden, welche als Lehen an andere gekommen, unter welchem Rechtstitel dies erfolgt sei, welche aus unmittel- baren Lehen Afterlehen geworden, welches der Stand der Ritterlehen sei, und wie es mit den königlichen Pachtzinsen in den Städten und den anderen feudalen Dienstbarkeiten stünde." Die Untersuchung hatte in vielen Fallen einen unmittelbaren 1 Rym. Foed. 517.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 5 Erfolg. Schon im nächsten Parlamente, das Eduard zu Anfang Mai 1275 abhielt, gaben sehr Viele, die einige Kronlehen hatten — sie hatten sie offenbar widerrechtlich erworben — sie in die Hande des Königs zurück, wobei dieser übrigens Milde und Nachsicht walten liess,1 indem er sie ihnen sodann für die Zeit ihres Lebens beliess. Die Untersuchung dauerte mehrere Jahre. Niemand, und mochte er noch so hoch stehen, wurde hievon ausgenommen. Wer nicht einen genügenden Rechts- titel vorwies, dessen Besitz ward mit Beschlag belegt.? Nicht Alle waren in der Lage, die fehlenden Documente durch den Hinweis auf ihren bewährten Patriotismus zu ersetzen und ihren Worten eine gegen den König selbst gerichtete Spitze zu geben, wie Johann von Warenne, Graf von Surrey." Schlimmer als der Adel kam die Geistlichkeit weg. Etwa einen Unterschied zwischen ihr und den anderen Ständen zu machen, war der König nicht gewillt. Er erklärte sich hier- über auf dem Parlamente von 1279, da er von der Geistlich- keit den fünfzehnten Theil ihrer Einkünfte als Beihilfe für den Krieg verlangte, mit aller Offenheit. Wehklagend ruft der Chronist von Westminster aus: Nicht einmal der Ort, wo der König seine Taufe empfangen, wo er gefirmt worden sei, wo die vergänglichen Reste seines Vaters bestattet lägen, werde verschont.4 Ja Eduard I. gieng noch viel weiter. Nach seiner Ueber- zeugung hatte der Clerus schon zu viel Grundbesitz erworben. Jedes weitere Anwachsen der geistlichen Macht schien dem 1 Ann. Wint.: In quindena Paschae ... facta communi convocacione om- nium magnatum regni, tenuit dominus rex Edwardus magnum parlia- mentum suum apud Westmonasterium, ubi quamplures de regno, qui aliqua feoda de corona regia tenuerunt, ea dicto domino regi reddiderunt, composicione tamen facta cum quibusdam, ut ea tenere valeant quoad vitam ... Si non haberent bonum warrantum, seisivit statim terras illorum. Chron. W. de Hemingsburgh II, 6. Vocatus est inter ceteros comes de Warenna coram iusticiarios regis, et, interrogatus, quo warranto teneret, produxit in medium gladium anti- quum et aeruginatum et ait: Ecce, domini mei, ecce warrantum meum. Antecessores enim mei cum Willelmo bastardo venientes conquaesti sunt terras cum gladio... Matth. Westm. 409. 2 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 5 Erfolg. Schon im nächsten Parlamente, das Eduard zu Anfang Mai 1275 abhielt, gaben sehr Viele, die einige Kronlehen hatten — sie hatten sie offenbar widerrechtlich erworben — sie in die Hande des Königs zurück, wobei dieser übrigens Milde und Nachsicht walten liess,1 indem er sie ihnen sodann für die Zeit ihres Lebens beliess. Die Untersuchung dauerte mehrere Jahre. Niemand, und mochte er noch so hoch stehen, wurde hievon ausgenommen. Wer nicht einen genügenden Rechts- titel vorwies, dessen Besitz ward mit Beschlag belegt.? Nicht Alle waren in der Lage, die fehlenden Documente durch den Hinweis auf ihren bewährten Patriotismus zu ersetzen und ihren Worten eine gegen den König selbst gerichtete Spitze zu geben, wie Johann von Warenne, Graf von Surrey." Schlimmer als der Adel kam die Geistlichkeit weg. Etwa einen Unterschied zwischen ihr und den anderen Ständen zu machen, war der König nicht gewillt. Er erklärte sich hier- über auf dem Parlamente von 1279, da er von der Geistlich- keit den fünfzehnten Theil ihrer Einkünfte als Beihilfe für den Krieg verlangte, mit aller Offenheit. Wehklagend ruft der Chronist von Westminster aus: Nicht einmal der Ort, wo der König seine Taufe empfangen, wo er gefirmt worden sei, wo die vergänglichen Reste seines Vaters bestattet lägen, werde verschont.4 Ja Eduard I. gieng noch viel weiter. Nach seiner Ueber- zeugung hatte der Clerus schon zu viel Grundbesitz erworben. Jedes weitere Anwachsen der geistlichen Macht schien dem 1 Ann. Wint.: In quindena Paschae ... facta communi convocacione om- nium magnatum regni, tenuit dominus rex Edwardus magnum parlia- mentum suum apud Westmonasterium, ubi quamplures de regno, qui aliqua feoda de corona regia tenuerunt, ea dicto domino regi reddiderunt, composicione tamen facta cum quibusdam, ut ea tenere valeant quoad vitam ... Si non haberent bonum warrantum, seisivit statim terras illorum. Chron. W. de Hemingsburgh II, 6. Vocatus est inter ceteros comes de Warenna coram iusticiarios regis, et, interrogatus, quo warranto teneret, produxit in medium gladium anti- quum et aeruginatum et ait: Ecce, domini mei, ecce warrantum meum. Antecessores enim mei cum Willelmo bastardo venientes conquaesti sunt terras cum gladio... Matth. Westm. 409. 2 3
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6 I. Abhandlung : Loserth. Königthum und dem Reiche Gefahr zu bringen. Man glaubt in den Schriften Wiclif’s aus seinen letzten acht Jahren zu blättern, wenn man seine Verfügungen liest. Kein Zweifel, dass das Verfahren dieses Königs ihm lebhaft vor Augen stand. Sein Lieblingsbuch, das er bei historischen Fragen gern zu Rathe zog, war das Polychronicon des Ranulphus von Higden, und dieser berichtet in zwar knapper, aber ausnehmend deutlicher Weise über Eduards Verfahren gegen die todte Hand.1 Es wurde durch ein eigenes Statut im Jahre 1279 ein förmliches Verbot erlassen, Güter an die todte Hand zu schenken:2 ,Kirch- liche Personen sollen in Zukunft an Landbesitz und Einkünften nicht mächtiger werden." Schon sei Gefahr vorhanden, dass durch solche Erwerbungen die Kriegslehen, die zur Verthei- digung des Reiches bestimmt seien, in Abnahme kommen und die Vertheidigung des Reiches ins Schwanken gerathe. „Man habe,' seufzt der klösterliche Geschichtschreiber, ,ganz ver- gessen, dass die Amalekiter mehr durch das Gebet des Moses als das Schwert der Israeliten besiegt worden seien." Auf solche Einwendungen hätte ein König wie Eduard I. gewiss wenig gegeben — in diesem Augenblicke vielleicht weniger als sonst, wo er Grund zu haben meinte, über den Erzbischof Johann von Canterbury erbittert zu sein; denn auf dem Provinzialconcil von Reading (30. Juli 1279) hatte dieser, über die Grenzen der kirchlichen Jurisdiction hinausgehend, den Befehl gegeben, eine Abschrift der Magna charta alljährlich in den Kathedral- und Collegiatkirchen anzuheften." Das Statut wurde am 15. November erlassen. Indem es festsetzte, dass in Zukunft keine Lehen sei es durch Kauf oder Schenkung an die todte Hand kommen dürften, wollte Ranulph. de Higden VIII, 264: Rex. Edwardus cum proceribus ediderunt statuta contra mortuam manum, ita ut nullus deinceps terras, tene- menta, redditus daret, venderet, legaret aut permutaret seu quovis titulo viris religiosis assignaret sine licencia regis. So auch S. 286: Rex Ed- wardus fecit saisire omnia temporalia clericorum eximens eos a pro- tectione sua. Vgl. auch p. 295. Walsingham verlegt das Statut bereits in das Jahr 1275: es kann aber- mal kaum einem Zweifel unterliegen, dass es ins Jahr 1279 gehört. Vgl. Ann. Wawerl., p. 392. 3 Stubbs, Select Charters, p. 458.
6 I. Abhandlung : Loserth. Königthum und dem Reiche Gefahr zu bringen. Man glaubt in den Schriften Wiclif’s aus seinen letzten acht Jahren zu blättern, wenn man seine Verfügungen liest. Kein Zweifel, dass das Verfahren dieses Königs ihm lebhaft vor Augen stand. Sein Lieblingsbuch, das er bei historischen Fragen gern zu Rathe zog, war das Polychronicon des Ranulphus von Higden, und dieser berichtet in zwar knapper, aber ausnehmend deutlicher Weise über Eduards Verfahren gegen die todte Hand.1 Es wurde durch ein eigenes Statut im Jahre 1279 ein förmliches Verbot erlassen, Güter an die todte Hand zu schenken:2 ,Kirch- liche Personen sollen in Zukunft an Landbesitz und Einkünften nicht mächtiger werden." Schon sei Gefahr vorhanden, dass durch solche Erwerbungen die Kriegslehen, die zur Verthei- digung des Reiches bestimmt seien, in Abnahme kommen und die Vertheidigung des Reiches ins Schwanken gerathe. „Man habe,' seufzt der klösterliche Geschichtschreiber, ,ganz ver- gessen, dass die Amalekiter mehr durch das Gebet des Moses als das Schwert der Israeliten besiegt worden seien." Auf solche Einwendungen hätte ein König wie Eduard I. gewiss wenig gegeben — in diesem Augenblicke vielleicht weniger als sonst, wo er Grund zu haben meinte, über den Erzbischof Johann von Canterbury erbittert zu sein; denn auf dem Provinzialconcil von Reading (30. Juli 1279) hatte dieser, über die Grenzen der kirchlichen Jurisdiction hinausgehend, den Befehl gegeben, eine Abschrift der Magna charta alljährlich in den Kathedral- und Collegiatkirchen anzuheften." Das Statut wurde am 15. November erlassen. Indem es festsetzte, dass in Zukunft keine Lehen sei es durch Kauf oder Schenkung an die todte Hand kommen dürften, wollte Ranulph. de Higden VIII, 264: Rex. Edwardus cum proceribus ediderunt statuta contra mortuam manum, ita ut nullus deinceps terras, tene- menta, redditus daret, venderet, legaret aut permutaret seu quovis titulo viris religiosis assignaret sine licencia regis. So auch S. 286: Rex Ed- wardus fecit saisire omnia temporalia clericorum eximens eos a pro- tectione sua. Vgl. auch p. 295. Walsingham verlegt das Statut bereits in das Jahr 1275: es kann aber- mal kaum einem Zweifel unterliegen, dass es ins Jahr 1279 gehört. Vgl. Ann. Wawerl., p. 392. 3 Stubbs, Select Charters, p. 458.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. man dem alten Unfuge vorbeugen, dass Lehensträger des Staates ihre Lehen der Kirche gaben, um sich den Pflichten gegen König und Staat zu entziehen. Der Kirche geschah hiedurch für die Gegenwart und mehr noch für die Zukunft grosser Eintrag. Ihr mannhaftester Vertheidiger war Pecham, eine in jeder Beziehung bedeutende Persönlichkeit dieser Tage. In seinen Briefen1 beklagt er den Verfall der kirchlichen Disciplin. Wenn irgendwo ein Bischofssitz frei werde, so gebe man die Lehen der Kirche an unfähige und untaugliche Personen. Die könne man dann nicht entfernen, auch wenn man hiezu die triftigsten Gründe habe. Gegen das Statut von der todten Hand zog er in unerschrockenster Weise zu Felde; wie es scheint, war gerade seine Kirche bei den Restitutionen am schlechtesten weggekommen." Alte Immunitäten und Privi- legien soll man ihr genommen haben. In den beweglichsten Worten beschwor er den König, keine Gesetze zu geben, die den Decreten der Päpste zuwider seien. Er möge doch lieber die Beispiele des Kaisers Constantin, eines Canutus oder Eduards des Bekenners befolgen. Als diese Unterredung nichts half, machte Pecham den Versuch, sich dem Könige zu widersetzen. Am 7. October 1281 hielt er zu Lambeth eine Provinzialsynode ab. Sämmtliche Bischöfe, Aebte und Prioren mit der niederen Geistlichkeit fanden sich ein. Hier brachte er den Antrag ein, einige der Krone zustehende und seit alter Zeit geübte Rechte einzuziehen, die sich vornehmlich auf das Kirchenpatronat be- zogen. Aber die Freunde des Königs traten dem Metropoliten fest entgegen: Man möge nicht versuchen, etwas vorzunehmen, was den Freiheiten des Königthums zum Schaden gereichen könnte.3 Sie würden es mit dem Verlust ihrer Baronien be- 1 Nicolaus Harpesfield (Hist. Anglicana, Douai 1622), Archidiakon von Canterbury, hat im 16. Jahrhundert eingehende Studien im erzbischöf- lichen Archive gemacht. Seine Angaben haben mitunter Quellenwerth, weshalb ich das Buch auch im Folgenden öfter citiere. Ebenda, S. 441. Ann. Osney. p. 285: In eodem concilio proposuerat quasdam libertates ad coronam domini regis spectantes et a multis retroactis temporibus usi- tatas annullare, videlicet cognicionem iuris patronatus, prohibitiones regias in placitis de catallis et huiusmodi que spiritualitatem mere con- tingere videbantur.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. man dem alten Unfuge vorbeugen, dass Lehensträger des Staates ihre Lehen der Kirche gaben, um sich den Pflichten gegen König und Staat zu entziehen. Der Kirche geschah hiedurch für die Gegenwart und mehr noch für die Zukunft grosser Eintrag. Ihr mannhaftester Vertheidiger war Pecham, eine in jeder Beziehung bedeutende Persönlichkeit dieser Tage. In seinen Briefen1 beklagt er den Verfall der kirchlichen Disciplin. Wenn irgendwo ein Bischofssitz frei werde, so gebe man die Lehen der Kirche an unfähige und untaugliche Personen. Die könne man dann nicht entfernen, auch wenn man hiezu die triftigsten Gründe habe. Gegen das Statut von der todten Hand zog er in unerschrockenster Weise zu Felde; wie es scheint, war gerade seine Kirche bei den Restitutionen am schlechtesten weggekommen." Alte Immunitäten und Privi- legien soll man ihr genommen haben. In den beweglichsten Worten beschwor er den König, keine Gesetze zu geben, die den Decreten der Päpste zuwider seien. Er möge doch lieber die Beispiele des Kaisers Constantin, eines Canutus oder Eduards des Bekenners befolgen. Als diese Unterredung nichts half, machte Pecham den Versuch, sich dem Könige zu widersetzen. Am 7. October 1281 hielt er zu Lambeth eine Provinzialsynode ab. Sämmtliche Bischöfe, Aebte und Prioren mit der niederen Geistlichkeit fanden sich ein. Hier brachte er den Antrag ein, einige der Krone zustehende und seit alter Zeit geübte Rechte einzuziehen, die sich vornehmlich auf das Kirchenpatronat be- zogen. Aber die Freunde des Königs traten dem Metropoliten fest entgegen: Man möge nicht versuchen, etwas vorzunehmen, was den Freiheiten des Königthums zum Schaden gereichen könnte.3 Sie würden es mit dem Verlust ihrer Baronien be- 1 Nicolaus Harpesfield (Hist. Anglicana, Douai 1622), Archidiakon von Canterbury, hat im 16. Jahrhundert eingehende Studien im erzbischöf- lichen Archive gemacht. Seine Angaben haben mitunter Quellenwerth, weshalb ich das Buch auch im Folgenden öfter citiere. Ebenda, S. 441. Ann. Osney. p. 285: In eodem concilio proposuerat quasdam libertates ad coronam domini regis spectantes et a multis retroactis temporibus usi- tatas annullare, videlicet cognicionem iuris patronatus, prohibitiones regias in placitis de catallis et huiusmodi que spiritualitatem mere con- tingere videbantur.
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8 I. Abhandlung: Loserth. zahlen, die sie vom Könige haben. Erschreckt liess der Erz- bischof von seinem Vorhaben ab. Der Clerus fügte sich nun auch den scharfen Besteuerungen, von denen er fast Jahr für Jahr betroffen wurde.1 Dass es ohne Widerspruch nicht ab- gieng, bezeugt das Verhalten des Clerus auf dem Herbstparla- ment von Salisbury im Jahre 1283. Die Kriege gegen Wales verschlangen grosse Summen, und der König war in der Art der Beschaffung des Geldes nicht eben wählerisch. So legte er einstens Hand auf die grossen Summen, die in England für den auf dem Concil zu Lyon beschlossenen Kreuzzug gesammelt worden waren. Auch mit der Besetzung geistlicher Stellen machte er nicht viele Umstände. Pecham befand sich unter solchen Umständen in einer schwierigen Stellung, die ihm durch seine Gegner bei der Curie noch erschwert wurde. Er war einer der ehrwürdigsten Kirchenfürsten in England. Wiclif spricht wohl ein und das andere Mal mit hoher Achtung von ihm, und manche Aeusserungen in seinen Briefen meint man in Wiclif's Schriften wiederzufinden. Johann Pecham folgte am 13. Februar 1293 Robert Win- chelsey auf dem erzbischöflichen Stuhle von Canterbury nach. Auf den meisten seiner Provinzialsynoden spielte die Frage, wie man den immer steigenden Bedürfnissen und Forderungen des Königs entsprechen könne, die Hauptrolle. Man darf an- nehmen, dass er durchaus geneigt war, allen gerechten Wünschen des Königs nachzukommen. Wir finden ihn 1294 in einer schwierigen politischen Mission in Wales, das sich empört hatte, und wo er nicht wenig zur Dämpfung des Aufstandes beitrug. Aber noch in demselben Jahre brach der Krieg mit Frankreich aus. Französischer Treubruch hatte eine patriotische Erhebung in ganz England hervorgerufen. Das Parlament, welches zwischen dem 7. Mai und 6. Juni tagte, fasste einstimmig den Beschluss, Gascogne mit Waffengewalt wieder zu erobern." Der König von Schottland überliess alles Einkommen aus seinem englischen Besitz dem Könige von England für die gegen- 1 Beispiele liegen zu den Jahren 1282, 1283, 1285, 1289, 1290 u. 1292 vor. 2 Nicolaus Harpesfield, S. 445, der sich auf das Register von Canterbury beruft. Denique in hoc consentiunt omnes recuperare Vasconiam vi et armis. Matth. Westm. 1294, p. 421.
8 I. Abhandlung: Loserth. zahlen, die sie vom Könige haben. Erschreckt liess der Erz- bischof von seinem Vorhaben ab. Der Clerus fügte sich nun auch den scharfen Besteuerungen, von denen er fast Jahr für Jahr betroffen wurde.1 Dass es ohne Widerspruch nicht ab- gieng, bezeugt das Verhalten des Clerus auf dem Herbstparla- ment von Salisbury im Jahre 1283. Die Kriege gegen Wales verschlangen grosse Summen, und der König war in der Art der Beschaffung des Geldes nicht eben wählerisch. So legte er einstens Hand auf die grossen Summen, die in England für den auf dem Concil zu Lyon beschlossenen Kreuzzug gesammelt worden waren. Auch mit der Besetzung geistlicher Stellen machte er nicht viele Umstände. Pecham befand sich unter solchen Umständen in einer schwierigen Stellung, die ihm durch seine Gegner bei der Curie noch erschwert wurde. Er war einer der ehrwürdigsten Kirchenfürsten in England. Wiclif spricht wohl ein und das andere Mal mit hoher Achtung von ihm, und manche Aeusserungen in seinen Briefen meint man in Wiclif's Schriften wiederzufinden. Johann Pecham folgte am 13. Februar 1293 Robert Win- chelsey auf dem erzbischöflichen Stuhle von Canterbury nach. Auf den meisten seiner Provinzialsynoden spielte die Frage, wie man den immer steigenden Bedürfnissen und Forderungen des Königs entsprechen könne, die Hauptrolle. Man darf an- nehmen, dass er durchaus geneigt war, allen gerechten Wünschen des Königs nachzukommen. Wir finden ihn 1294 in einer schwierigen politischen Mission in Wales, das sich empört hatte, und wo er nicht wenig zur Dämpfung des Aufstandes beitrug. Aber noch in demselben Jahre brach der Krieg mit Frankreich aus. Französischer Treubruch hatte eine patriotische Erhebung in ganz England hervorgerufen. Das Parlament, welches zwischen dem 7. Mai und 6. Juni tagte, fasste einstimmig den Beschluss, Gascogne mit Waffengewalt wieder zu erobern." Der König von Schottland überliess alles Einkommen aus seinem englischen Besitz dem Könige von England für die gegen- 1 Beispiele liegen zu den Jahren 1282, 1283, 1285, 1289, 1290 u. 1292 vor. 2 Nicolaus Harpesfield, S. 445, der sich auf das Register von Canterbury beruft. Denique in hoc consentiunt omnes recuperare Vasconiam vi et armis. Matth. Westm. 1294, p. 421.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 9 wärtigen Kriegszwecke auf drei Jahre, die Grafen und Barone versprachen nach Kräften und Vermögen zu helfen, auswärtige Bündnisse, in erster Linie mit Deutschland, werden gesucht und gefunden. Die Hauptsache blieb die Herbeischaffung der nöthigen Kriegsmittel im Lande selbst, und da lässt sich das Vorgehen des Königs dem Clerus gegenüber in keiner Weise von Gewaltthätigkeit freisprechen. Die gesammten Kirchen- schätze, alles Geld, das abgezählt in den Schatzkammern der Kirchen lag und kirchlichen Zwecken diente, Depositen in Kirchen und Klöstern, liess er ganz plötzlich am 4. Juli ein- fordern und in seine Schatzkammer abführen. Wo etwa Wider- stand geleistet ward, wurden Schränke und Kisten erbrochen. Zwar wurden Inventare aufgenommen, ,das viele Geld aber hat der König niemals zurückgestellt.1 Die Leistungen, die er dem Clerus zumuthete, überschritten alles Mass so sehr, dass der König endlich selbst die Grenzen seiner Gewalt er- kannte und seine Ansprüche minderte. Man wird es aber be- greiflich finden, wenn sich der englische Clerus mit Kräften gegen solche Beraubung wehrte und Schutz bei dem Papste suchte. Noch in demselben Jahre erschien ein Mandat, das alle Erzbischöfe, Bischöfe, Decane und Archidiakonen für den 21. September nach London berief. Der übrige Clerus durfte aus jeder Diöcese zwei Vertreter absenden. Den Ver- sammelten hielt der König eine eindringliche Rede,2 wie der Krieg gegen Frankreich seinen Anfang genommen. Man sehe, dass die Grafen, Barone und Ritter nicht blos Gut, sondern auch Leib und Leben dahingeben. Man dürfe daher von dem Clerus, der nicht zu Felde ziehen könne, stärkere Leistungen erwarten. Es sei natürlich, dass von den Gütern des Landes das Land selbst erhalten werde. Der Bischof Oliver von Lincoln verlangte einen Tag zur Berathung: einstimmig erklarten sich dann Alle bereit, in dem einen Jahre den doppelten Zehent zu bewilligen. Da entbrannte der König in Zorn, er drohte, ihnen seinen Königsschutz zu entziehen, wenn sie nicht augenblicklich seinem Wunsche entsprächen und mindestens die Halfte von dem Ertrag aller Güter beisteuern. �Wie ein schwacher Halm, 1 Multam pecuniam consecutus est, quam nunquam restituit. 2 Chron. Hemingb. II, 54.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 9 wärtigen Kriegszwecke auf drei Jahre, die Grafen und Barone versprachen nach Kräften und Vermögen zu helfen, auswärtige Bündnisse, in erster Linie mit Deutschland, werden gesucht und gefunden. Die Hauptsache blieb die Herbeischaffung der nöthigen Kriegsmittel im Lande selbst, und da lässt sich das Vorgehen des Königs dem Clerus gegenüber in keiner Weise von Gewaltthätigkeit freisprechen. Die gesammten Kirchen- schätze, alles Geld, das abgezählt in den Schatzkammern der Kirchen lag und kirchlichen Zwecken diente, Depositen in Kirchen und Klöstern, liess er ganz plötzlich am 4. Juli ein- fordern und in seine Schatzkammer abführen. Wo etwa Wider- stand geleistet ward, wurden Schränke und Kisten erbrochen. Zwar wurden Inventare aufgenommen, ,das viele Geld aber hat der König niemals zurückgestellt.1 Die Leistungen, die er dem Clerus zumuthete, überschritten alles Mass so sehr, dass der König endlich selbst die Grenzen seiner Gewalt er- kannte und seine Ansprüche minderte. Man wird es aber be- greiflich finden, wenn sich der englische Clerus mit Kräften gegen solche Beraubung wehrte und Schutz bei dem Papste suchte. Noch in demselben Jahre erschien ein Mandat, das alle Erzbischöfe, Bischöfe, Decane und Archidiakonen für den 21. September nach London berief. Der übrige Clerus durfte aus jeder Diöcese zwei Vertreter absenden. Den Ver- sammelten hielt der König eine eindringliche Rede,2 wie der Krieg gegen Frankreich seinen Anfang genommen. Man sehe, dass die Grafen, Barone und Ritter nicht blos Gut, sondern auch Leib und Leben dahingeben. Man dürfe daher von dem Clerus, der nicht zu Felde ziehen könne, stärkere Leistungen erwarten. Es sei natürlich, dass von den Gütern des Landes das Land selbst erhalten werde. Der Bischof Oliver von Lincoln verlangte einen Tag zur Berathung: einstimmig erklarten sich dann Alle bereit, in dem einen Jahre den doppelten Zehent zu bewilligen. Da entbrannte der König in Zorn, er drohte, ihnen seinen Königsschutz zu entziehen, wenn sie nicht augenblicklich seinem Wunsche entsprächen und mindestens die Halfte von dem Ertrag aller Güter beisteuern. �Wie ein schwacher Halm, 1 Multam pecuniam consecutus est, quam nunquam restituit. 2 Chron. Hemingb. II, 54.
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10 I. Abhandlung: Loserth. so knickten ihre Herzen zusammen"; die Einen konnten sich nicht schnell genug beeilen, dem Wunsche des Königs zu ge- nügen, die Anderen folgten nach, vom Schrecken beherrscht, und weil ja doch die Immunität der Kirche verletzt war, so legte der Clerus dem Könige einige Beschwerden vor, vor- nehmlich aber, dass das Statut ,von der todten Hand', das zum Verderben der Kirche erlassen worden sei, wieder aufge- hoben werde.1 Darauf gieng nun freilich der König nicht ein: „Dieses Statut sei im Parlamente nach dem Rathe der Grossen beschlossen worden, er könne es daher nicht ohne deren Rath widerrufen. Was die übrigen Artikel betreffe, wolle er sich gern willfährig erweisen." Aber an diesen lag dem Clerus nicht so viel: �Getäuscht und betrogen kehrten sie heim, ärmer um die bewilligte Hälfte." Vergeblich versuchte Wilhelm von Montfort, die beanspruchten Summen herabzudrücken." Die reichen Abteien hatten Schildgelder bis zu 100 Mark zu zahlen. Die Güter auswärtiger Orden wurden in königliche Verwaltung genommen." Dies musste den päpstlichen Hof empfindlich be- rühren. Das nächste Jahr berief der König für den Vortag von St. Andreas (29. November) das Parlament nach West- minster, um über die Kriegsbeisteuer zu berathen. Wortführer des Clerus war der Erzbischof von Canterbury; er trug dem Könige den Zehent von allen geistlichen Gütern an. ,Diesen Antrag,' liess der König melden, ,nehme ich nicht an und werde ihn niemals annehmen." Mindestens den dritten oder vierten Theil müsse man geben. Der Erzbischof aber, ,wie ein anderer Helias', gab nicht nach. Als schliesslich der König erkannte, dass sein Verlangen die Kräfte des Clerus übersteige, gab er sich mit dem Zehent zufrieden. Solche Scenen wiederholten sich, denn immer grösser wurden die Bedürfnisse für die aus- wärtigen Unternehmungen des Königs. Dieser war nahe daran, wegen der scharfen Besteuerung des Clerus in einen schweren 1 Et petierunt imprimis, ut statutum de manu mortua, quod in praeiudi- cium sanctae matris ecclesiae fuerat editum, deleretur. Ebenda. Harpesfield, dem ich die Thatsache entnehme, fügt bei: Sed dicturum et lingua et mors mox destituit. Gewiss eine sehr undeutliche Anmer- kung, aus der man vielleicht mehr als gut ist herauslesen möchte. Pauli, Geschichte Englands 4, 90.
10 I. Abhandlung: Loserth. so knickten ihre Herzen zusammen"; die Einen konnten sich nicht schnell genug beeilen, dem Wunsche des Königs zu ge- nügen, die Anderen folgten nach, vom Schrecken beherrscht, und weil ja doch die Immunität der Kirche verletzt war, so legte der Clerus dem Könige einige Beschwerden vor, vor- nehmlich aber, dass das Statut ,von der todten Hand', das zum Verderben der Kirche erlassen worden sei, wieder aufge- hoben werde.1 Darauf gieng nun freilich der König nicht ein: „Dieses Statut sei im Parlamente nach dem Rathe der Grossen beschlossen worden, er könne es daher nicht ohne deren Rath widerrufen. Was die übrigen Artikel betreffe, wolle er sich gern willfährig erweisen." Aber an diesen lag dem Clerus nicht so viel: �Getäuscht und betrogen kehrten sie heim, ärmer um die bewilligte Hälfte." Vergeblich versuchte Wilhelm von Montfort, die beanspruchten Summen herabzudrücken." Die reichen Abteien hatten Schildgelder bis zu 100 Mark zu zahlen. Die Güter auswärtiger Orden wurden in königliche Verwaltung genommen." Dies musste den päpstlichen Hof empfindlich be- rühren. Das nächste Jahr berief der König für den Vortag von St. Andreas (29. November) das Parlament nach West- minster, um über die Kriegsbeisteuer zu berathen. Wortführer des Clerus war der Erzbischof von Canterbury; er trug dem Könige den Zehent von allen geistlichen Gütern an. ,Diesen Antrag,' liess der König melden, ,nehme ich nicht an und werde ihn niemals annehmen." Mindestens den dritten oder vierten Theil müsse man geben. Der Erzbischof aber, ,wie ein anderer Helias', gab nicht nach. Als schliesslich der König erkannte, dass sein Verlangen die Kräfte des Clerus übersteige, gab er sich mit dem Zehent zufrieden. Solche Scenen wiederholten sich, denn immer grösser wurden die Bedürfnisse für die aus- wärtigen Unternehmungen des Königs. Dieser war nahe daran, wegen der scharfen Besteuerung des Clerus in einen schweren 1 Et petierunt imprimis, ut statutum de manu mortua, quod in praeiudi- cium sanctae matris ecclesiae fuerat editum, deleretur. Ebenda. Harpesfield, dem ich die Thatsache entnehme, fügt bei: Sed dicturum et lingua et mors mox destituit. Gewiss eine sehr undeutliche Anmer- kung, aus der man vielleicht mehr als gut ist herauslesen möchte. Pauli, Geschichte Englands 4, 90.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 11 Conflict mit Bonifax VIII. zu kommen. Es war der Erzbischof von Canterbury, der, durch die vorhergegangenen Besteuerungen veranlasst, sich an den Papst um Hilfe wandte.1 Am 24. Februar 1296 erliess dieser die Bulle Clericis laicos, welche unter An- drohung der schwersten Strafen den weltlichen Fürsten ver- bietet, von dem Clerus Steuern und Auflagen zu erheben, und diesem, sie zu gewähren.? Der Clerus besass nun eine Hand- habe, sich vor den schweren Lasten zu schützen. Um die geleerten Cassen wieder zu füllen, berief der König das Parlament nach Bury St. Edmund. Es trat hier am 3. November 1296 zusammen. Abermals verlangte der König eine Kriegssteuer: die Städte sollten den achten, der Adel den zwölften Theil ihres Einkommens zahlen; beide waren dazu bereit, dagegen verliefen die Unterhandlungen mit dem Clerus ohne Resultat. Er berief sich auf die Bulle Clericis laicos. Der König, betroffen und für den Augenblick ausser Stande, die rechte Antwort zu ertheilen, vertagte die Sache bis zur nächsten Versammlung, die er für den 14. Jänner 1297 berief. Dem Clerus empfahl er, sich bis dahin die Sache reiflich zu überlegen. Der Erzbischof von Canterbury liess die Bulle des Papstes in allen grösseren Kirchen des Landes verkünden. Am festgesetzten Tage trat die Versammlung zu St. Paul in London zusammen. Der Clerus befand sich in einer wenig beneidenswerthen Lage: hier das Verbot des Papstes, dort die Furcht vor dem Könige. Dieser verlangte ein Fünftel von den Einkünften des Jahres. Von dem Clerus meinten doch Einige, man dürfe sich über den Inhalt der päpstlichen Ver- ordnung, in Anbetracht des Umstandes, dass der Feind vor dem Lande stehe und Mittel zu dessen Schutze gefunden werden müssten, hinwegsetzen. Dagegen erklärte der Erzbischof: von den beiden Gewalten, die er über sich hätte, müsse er zu- nächst der geistlichen gehorchen. Höher als ein anderer stünde 1 Das geht aus Walsingham’s Worten hervor: Nam idem archiepiscopus, de consensu cleri, procuraverat a papa inhibicionem, ne quis clericorum regem respiceret de bonis eccelesie. Clerus ob constitucionem Bonifacii papae hoc anno editam, quae pro- hibet, sub poena excommunicacionis, ne talliae vel exacciones a clero per seculares principes quocunque modo exigantur vel eis solvantur de rebus ecclesie, regi pro werra sua petenti subsidium denegavit.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 11 Conflict mit Bonifax VIII. zu kommen. Es war der Erzbischof von Canterbury, der, durch die vorhergegangenen Besteuerungen veranlasst, sich an den Papst um Hilfe wandte.1 Am 24. Februar 1296 erliess dieser die Bulle Clericis laicos, welche unter An- drohung der schwersten Strafen den weltlichen Fürsten ver- bietet, von dem Clerus Steuern und Auflagen zu erheben, und diesem, sie zu gewähren.? Der Clerus besass nun eine Hand- habe, sich vor den schweren Lasten zu schützen. Um die geleerten Cassen wieder zu füllen, berief der König das Parlament nach Bury St. Edmund. Es trat hier am 3. November 1296 zusammen. Abermals verlangte der König eine Kriegssteuer: die Städte sollten den achten, der Adel den zwölften Theil ihres Einkommens zahlen; beide waren dazu bereit, dagegen verliefen die Unterhandlungen mit dem Clerus ohne Resultat. Er berief sich auf die Bulle Clericis laicos. Der König, betroffen und für den Augenblick ausser Stande, die rechte Antwort zu ertheilen, vertagte die Sache bis zur nächsten Versammlung, die er für den 14. Jänner 1297 berief. Dem Clerus empfahl er, sich bis dahin die Sache reiflich zu überlegen. Der Erzbischof von Canterbury liess die Bulle des Papstes in allen grösseren Kirchen des Landes verkünden. Am festgesetzten Tage trat die Versammlung zu St. Paul in London zusammen. Der Clerus befand sich in einer wenig beneidenswerthen Lage: hier das Verbot des Papstes, dort die Furcht vor dem Könige. Dieser verlangte ein Fünftel von den Einkünften des Jahres. Von dem Clerus meinten doch Einige, man dürfe sich über den Inhalt der päpstlichen Ver- ordnung, in Anbetracht des Umstandes, dass der Feind vor dem Lande stehe und Mittel zu dessen Schutze gefunden werden müssten, hinwegsetzen. Dagegen erklärte der Erzbischof: von den beiden Gewalten, die er über sich hätte, müsse er zu- nächst der geistlichen gehorchen. Höher als ein anderer stünde 1 Das geht aus Walsingham’s Worten hervor: Nam idem archiepiscopus, de consensu cleri, procuraverat a papa inhibicionem, ne quis clericorum regem respiceret de bonis eccelesie. Clerus ob constitucionem Bonifacii papae hoc anno editam, quae pro- hibet, sub poena excommunicacionis, ne talliae vel exacciones a clero per seculares principes quocunque modo exigantur vel eis solvantur de rebus ecclesie, regi pro werra sua petenti subsidium denegavit.
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12 I. Abhandlung: Loserth. der Verlust des Seelenheiles. Man heischte eine weitere Frist, um den Papst zu befragen. Nur wenn dieser die Zustimmung gebe, könne man dem Könige willfahren.1 Der König war indess weit davon entfernt, diesem Rathe zu folgen. Er erklärte den Clerus ausserhalb des Schutzes der königlichen Gerichts- barkeit und seiner weltlichen Lehen verlustig," wenn er sich nicht innerhalb einer gegebenen Frist zu der verlangten Zahlung entschliesse. Auf solche Weise war der Geistlichkeit der Schutz des Staates versagt. Niemand hätte in Zukunft ihre Angelegen- heiten vor Gericht vertheidigen können. Vielleicht fand auch ein starker Druck Seitens des Volkes statt. Kurz, der könig- liche Befehl hatte eine augenblickliche Wirkung. Viele gaben sofort, andere nach längerem Zögern die verlangten Summen. Nur der Erzbischof von Canterbury mit einem kleinen An- hang blieb auf seinem Entschlusse bestehen. Dagegen liess der König alle seine Güter mit Beschlag belegen, und ähnlich wurde im ganzen Lande, wo sich ein Widerstand regte, ver- fahren. Zu denjenigen Prälaten, die im Sinne des Königs handelten und sprachen, gehörte der Abt von Osny bei Oxford." Auf der Versammlung, die dann am 26. März in St. Paul ab- gehalten wurde, griff die versöhnliche Stimmung noch weiter um sich: zwei Anwälte und zwei Predigermönche traten zu Gunsten des Königthums in die Schranken und brachten Beweise vor,4 dass der Clerus berechtigt sei, dem Könige in Kriegs- 2 1 Ann. Trivet ad ann. 1296. Rex ipsum a sua protectione exclusit... S. Harpesfield, der den Inhalt der königlichen Verordnung ,ex registro‘ mittheilt. Harpesfield, p. 446: Inter alios vero, qui regio voluntati subscripsere, fuit Osneyensis abbas. Quem Robertus, inscius illius promissi obvium forte osculo excepit. At mox, a sacellanis admonitus, quod decretum illud Bonefacianum violasset, revocatum gravi et acri obiurgatione in- cessit. Quae tantum illi doloris inussit, ut mox ad hospitium profectus post paucas horas animam exhalavit. Dies Vorgehen des Primas wird man um so weniger schön finden, als er selbst kurze Zeit nachher zu denen gehörte, ,die mit schwerem Kummer beladen heimwärts zogen, um dort ihr Gewissen zu beruhigen‘. Wenn nicht dies erst jener Fall ist, den Harpesfield schon zur ersten Versammlung erzählt. Es ist aber ganz glaubwürdig, dass sich die Zahl derer, die für den König waren, zwischen der ersten und zweiten Ver- sammlung mehrte, und dass man dann auch um Gründe nicht verlegen war, seine Ansichten zu vertheidigen.
12 I. Abhandlung: Loserth. der Verlust des Seelenheiles. Man heischte eine weitere Frist, um den Papst zu befragen. Nur wenn dieser die Zustimmung gebe, könne man dem Könige willfahren.1 Der König war indess weit davon entfernt, diesem Rathe zu folgen. Er erklärte den Clerus ausserhalb des Schutzes der königlichen Gerichts- barkeit und seiner weltlichen Lehen verlustig," wenn er sich nicht innerhalb einer gegebenen Frist zu der verlangten Zahlung entschliesse. Auf solche Weise war der Geistlichkeit der Schutz des Staates versagt. Niemand hätte in Zukunft ihre Angelegen- heiten vor Gericht vertheidigen können. Vielleicht fand auch ein starker Druck Seitens des Volkes statt. Kurz, der könig- liche Befehl hatte eine augenblickliche Wirkung. Viele gaben sofort, andere nach längerem Zögern die verlangten Summen. Nur der Erzbischof von Canterbury mit einem kleinen An- hang blieb auf seinem Entschlusse bestehen. Dagegen liess der König alle seine Güter mit Beschlag belegen, und ähnlich wurde im ganzen Lande, wo sich ein Widerstand regte, ver- fahren. Zu denjenigen Prälaten, die im Sinne des Königs handelten und sprachen, gehörte der Abt von Osny bei Oxford." Auf der Versammlung, die dann am 26. März in St. Paul ab- gehalten wurde, griff die versöhnliche Stimmung noch weiter um sich: zwei Anwälte und zwei Predigermönche traten zu Gunsten des Königthums in die Schranken und brachten Beweise vor,4 dass der Clerus berechtigt sei, dem Könige in Kriegs- 2 1 Ann. Trivet ad ann. 1296. Rex ipsum a sua protectione exclusit... S. Harpesfield, der den Inhalt der königlichen Verordnung ,ex registro‘ mittheilt. Harpesfield, p. 446: Inter alios vero, qui regio voluntati subscripsere, fuit Osneyensis abbas. Quem Robertus, inscius illius promissi obvium forte osculo excepit. At mox, a sacellanis admonitus, quod decretum illud Bonefacianum violasset, revocatum gravi et acri obiurgatione in- cessit. Quae tantum illi doloris inussit, ut mox ad hospitium profectus post paucas horas animam exhalavit. Dies Vorgehen des Primas wird man um so weniger schön finden, als er selbst kurze Zeit nachher zu denen gehörte, ,die mit schwerem Kummer beladen heimwärts zogen, um dort ihr Gewissen zu beruhigen‘. Wenn nicht dies erst jener Fall ist, den Harpesfield schon zur ersten Versammlung erzählt. Es ist aber ganz glaubwürdig, dass sich die Zahl derer, die für den König waren, zwischen der ersten und zweiten Ver- sammlung mehrte, und dass man dann auch um Gründe nicht verlegen war, seine Ansichten zu vertheidigen.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 13 nöthen beizustehen. Zugleich wurde bei Kerkerstrafe ver- boten, dass Jemand wegen des Geschehenen den König oder Jene, die seinen Schutz nachgesucht, in den Bann lege oder sich mit Klagen an den römischen Stuhl wende. �Sie Alle kehrten heimwärts mit schwerem Kummer beladen." Der Erz- bischof sagte: �Es möge ein Jeder zusehen, wie er mit seinem Gewissen fertig werde." Es fehlte nach alledem nicht viel, und der Kampf zwischen der obersten Staats- und Kirchen- gewalt wäre schon jetzt ausgebrochen; die Vertreter beider Ge- walten waren indess nach anderen Seiten hin in Anspruch genommen, und der König hielt es für gut, den mächtigen Pralatenstand zu versöhnen, was denn seiner tapferen Rede im nächsten Parlamente gelang.2 Seine scharfen Besteuerungen entschuldigte er mit dem Drange der Noth. Die Geistlichkeit dachte patriotisch genug, als dass sie dem König in dem gefahrvollen Moment neue Schwierigkeiten bereitet hätte. Sein Enthusiasmus riss sie mit. Ein anderes Mal trat der König dem Papst gegenüber mit Nachdruck auf, als dieser den Versuch machte, die Ober- hoheit des römischen Stuhles über Schottland zur Geltung zu bringen. Es war nämlich im Jahre 1301, als der Papst, bereits in den Tagen seines Streites mit Philipp dem Schönen, einen Brief nach England sandte und erklärte: Schottland sei ein Land, das der römischen Kirche zugehöre, und auf das Eng- land kein Recht habe, denn erstens habe Eduards Vater in seinem Kampf gegen Simon von Montfort vom schottischen König Alexander Hilfe erhalten und der englische König hiebei die Versicherung ertheilt, dass diese Hilfe nicht etwa in Folge einer Abhängigkeit von England oder als Pflicht, sondern durchaus freiwillig gefordert und geleistet worden sei. Zweitens erschien der schottische König zur Krönung des Königs von England nicht als Vasall gerufen, sondern freundschaftlich ge- laden. Für die Lehen, die der schottische König von England habe, nicht aber für sein schottisches Reich leiste er das Ge- 2 1 Recesserunt igitur omnes oneratis suis conscientiis per archiepiscopum sic dicentem: Salvet suam animam unusquisque. Bald darauf war der Primas in der vollen Gunst des Königs: Non multo post Eduardus in gratiam cum Roberto rediit. Walsingham, S. 66. Matth. Westm., p. 430.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 13 nöthen beizustehen. Zugleich wurde bei Kerkerstrafe ver- boten, dass Jemand wegen des Geschehenen den König oder Jene, die seinen Schutz nachgesucht, in den Bann lege oder sich mit Klagen an den römischen Stuhl wende. �Sie Alle kehrten heimwärts mit schwerem Kummer beladen." Der Erz- bischof sagte: �Es möge ein Jeder zusehen, wie er mit seinem Gewissen fertig werde." Es fehlte nach alledem nicht viel, und der Kampf zwischen der obersten Staats- und Kirchen- gewalt wäre schon jetzt ausgebrochen; die Vertreter beider Ge- walten waren indess nach anderen Seiten hin in Anspruch genommen, und der König hielt es für gut, den mächtigen Pralatenstand zu versöhnen, was denn seiner tapferen Rede im nächsten Parlamente gelang.2 Seine scharfen Besteuerungen entschuldigte er mit dem Drange der Noth. Die Geistlichkeit dachte patriotisch genug, als dass sie dem König in dem gefahrvollen Moment neue Schwierigkeiten bereitet hätte. Sein Enthusiasmus riss sie mit. Ein anderes Mal trat der König dem Papst gegenüber mit Nachdruck auf, als dieser den Versuch machte, die Ober- hoheit des römischen Stuhles über Schottland zur Geltung zu bringen. Es war nämlich im Jahre 1301, als der Papst, bereits in den Tagen seines Streites mit Philipp dem Schönen, einen Brief nach England sandte und erklärte: Schottland sei ein Land, das der römischen Kirche zugehöre, und auf das Eng- land kein Recht habe, denn erstens habe Eduards Vater in seinem Kampf gegen Simon von Montfort vom schottischen König Alexander Hilfe erhalten und der englische König hiebei die Versicherung ertheilt, dass diese Hilfe nicht etwa in Folge einer Abhängigkeit von England oder als Pflicht, sondern durchaus freiwillig gefordert und geleistet worden sei. Zweitens erschien der schottische König zur Krönung des Königs von England nicht als Vasall gerufen, sondern freundschaftlich ge- laden. Für die Lehen, die der schottische König von England habe, nicht aber für sein schottisches Reich leiste er das Ge- 2 1 Recesserunt igitur omnes oneratis suis conscientiis per archiepiscopum sic dicentem: Salvet suam animam unusquisque. Bald darauf war der Primas in der vollen Gunst des Königs: Non multo post Eduardus in gratiam cum Roberto rediit. Walsingham, S. 66. Matth. Westm., p. 430.
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14 I. Abhandlung: Loserth. löbniss der Treue, und so trügen endlich auch für Margarethe, die hinterbliebene Tochter des schottischen Königs, nicht Eduard, sondern ihre erwählten Vormünder Sorge. Eduard habe schlecht gehandelt, als er nach dem Tode des Königs Alexander über Schottland als über ein herrenloses Gut herfiel. Noch andere Motive führte Bonifaz an: als der Erzbischof von York seine Metropolitanrechte auch auf Schottland geltend machte, sei ihm jeder Eingriff in die kirchlichen Verhältnisse daselbst untersagt worden. Eduard wurde ermahnt, die gefangenen schottischen Geistlichen freizugeben, seine Beamten aus Schott- land abzuberufen und sich bezüglich der Rechte, die er auf dies Land zu haben vermeine, an den römischen Stuhl zu wenden.1 Dieses Schreiben machte weder auf den König, noch auf das Parlament einen Eindruck. Er liess durch Rechtsgelehrte aus Cambridge und Oxford ein Gutachten ausarbeiten, auf Grund dessen das Parlament alle Eingriffe des Papstes in diese Verhältnisse ablehnte. Das gelehrte Gutachten der Kronjuristen holt weit aus:2 Es hebt von ,Brutus aus dem Geschlechte der Trojaner‘ an, der nach der Zerstörung von Troja nach der Insel gekommen sei, die damals Albion genannt und von Gi- ganten bewohnt wurde. Es geht dann die ganze altere Ge- schichte durch, erzählt vom König Arthur und anderen wackeren Helden und geht endlich auf die englisch-schottischen Bezie- hungen ein, wobei die Ansicht, dass England kein Recht auf das Nachbarland habe, kräftig zurückgewiesen wird. Noch nachdrücklicher trat das Parlament für die Rechte Englands ein: Zu keinen Zeiten, und so auch jetzt nicht, habe Schottland zu England" gehört, vielmehr sei es schon seit den ältesten Zeiten durch Lehensbande mit England verknüpft." Nach sorgfältiger Berathung über das Schreiben des Papstes sei man einmüthig und einstimmig dahin übereingekommen, 2 3 1 Walsingham, Hist. Anglicana I, 85. Ebenda 87—95. Litera communitatis Angliae domino pape, Walsingham 96—97. Ne ullis temporibus ipsum regnum in temporalibus pertinuit vel pertinet quovis iure ad ecclesiam supradictam. Quin immo idem regnum Scotie progenitoribus dicti regis, nostris regibus Anglie atque sibi feodale ex- titit ab antiquo.
14 I. Abhandlung: Loserth. löbniss der Treue, und so trügen endlich auch für Margarethe, die hinterbliebene Tochter des schottischen Königs, nicht Eduard, sondern ihre erwählten Vormünder Sorge. Eduard habe schlecht gehandelt, als er nach dem Tode des Königs Alexander über Schottland als über ein herrenloses Gut herfiel. Noch andere Motive führte Bonifaz an: als der Erzbischof von York seine Metropolitanrechte auch auf Schottland geltend machte, sei ihm jeder Eingriff in die kirchlichen Verhältnisse daselbst untersagt worden. Eduard wurde ermahnt, die gefangenen schottischen Geistlichen freizugeben, seine Beamten aus Schott- land abzuberufen und sich bezüglich der Rechte, die er auf dies Land zu haben vermeine, an den römischen Stuhl zu wenden.1 Dieses Schreiben machte weder auf den König, noch auf das Parlament einen Eindruck. Er liess durch Rechtsgelehrte aus Cambridge und Oxford ein Gutachten ausarbeiten, auf Grund dessen das Parlament alle Eingriffe des Papstes in diese Verhältnisse ablehnte. Das gelehrte Gutachten der Kronjuristen holt weit aus:2 Es hebt von ,Brutus aus dem Geschlechte der Trojaner‘ an, der nach der Zerstörung von Troja nach der Insel gekommen sei, die damals Albion genannt und von Gi- ganten bewohnt wurde. Es geht dann die ganze altere Ge- schichte durch, erzählt vom König Arthur und anderen wackeren Helden und geht endlich auf die englisch-schottischen Bezie- hungen ein, wobei die Ansicht, dass England kein Recht auf das Nachbarland habe, kräftig zurückgewiesen wird. Noch nachdrücklicher trat das Parlament für die Rechte Englands ein: Zu keinen Zeiten, und so auch jetzt nicht, habe Schottland zu England" gehört, vielmehr sei es schon seit den ältesten Zeiten durch Lehensbande mit England verknüpft." Nach sorgfältiger Berathung über das Schreiben des Papstes sei man einmüthig und einstimmig dahin übereingekommen, 2 3 1 Walsingham, Hist. Anglicana I, 85. Ebenda 87—95. Litera communitatis Angliae domino pape, Walsingham 96—97. Ne ullis temporibus ipsum regnum in temporalibus pertinuit vel pertinet quovis iure ad ecclesiam supradictam. Quin immo idem regnum Scotie progenitoribus dicti regis, nostris regibus Anglie atque sibi feodale ex- titit ab antiquo.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 15 dass der König in keiner Weise gehalten sei, sich wegen seiner Rechte auf Schottland vor den Richterstuhl des Papstes zu stellen oder seine Sachwalter dahin zu schicken, denn das müsste zur Enterbung der Krone von England und zur Ver� nichtung seiner Stellung führen, es wäre eine Gefahr für seine Freiheit, seine Gewohnheiten und vaterländischen Gesetze, zu deren Einhaltung und Vertheidigung sie Alle in Gemässheit ihres Treueides verpflichtet seien.1 ,Nimmermehr‘ — so schliessen sie das Schreiben — ,werden wir dulden, sowie wir das auch gar nicht können, dass unser König solche Anmassung, solches Ungehörige, Präjudicierliche und Unerhörte auf sich nehme." Wir werden sehen, wie diese Vorgänge siebenzig Jahre später wieder aufgegriffen wurden, denn um es schon an dieser Stelle zu sagen: Wiclif hat sich nicht blos die ganze Be- gründung des Widerspruches gegenüber den Forderungen des Papstes angeeignet,2 auch in der Methode des Kampfes und in dem ganzen Verhalten zur Frage des weltlichen Besitzes der Kirche hielt man sich an das von Eduard I. gegebene Beispiel. Wenn man in solcher Weise in Wiclif’s Buch von der Kirche liest: �Daher meinen wir, dass der König von England alljährlich oder wenigstens zu passenden Zeiten sehr sorgsam untersuchen lassen sollte, wie viel von den Gütern der Krone, wann und unter welchen Bedin- gungen sie an die todte Hand gekommen seien,"3 so 1 Unde habito tractatu et deliberacione diligenti super contentis in literis vestris memoratis, communis concors et unanimis omnium nostrum et singulorum consensus fuit... quod praefatus dominus noster rex super iuribus regni Scotiae aut aliis suis temporalibus nullatenus respondeat iudicialiter coram vobis. Die folgenden Worte aus dem Schreiben des Parlaments klingen in Wiclif’s Schriften zum Theile wörtlich wieder: Nec (rex) iudicium sub- eat quoquomodo aut iura sua praedicta in dubium quaestionis deducat nec ad vestram praesentiam procuratores aut nuncios mittat, praecipue cum praemissa cederent manifeste in exheredacionem iuris coronae regni Angliae et regiae dignitatis ac subversionem status eiusdem regni noto- riam nec non in praeiudicium libertatis consuetudinum et legum pater- narum, ad quarum observacionem et defensionem ex debito praestiti iuramenti astringimur et quae manutenebimus toto posse et totis viribus cum Dei auxilio defendemus... De Ecclesia, cap. XVI: Unde videtur mihi quod rex Anglie annuatim vel per vices congruas faceret diligenter et perfecte inquiri, quantum de
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 15 dass der König in keiner Weise gehalten sei, sich wegen seiner Rechte auf Schottland vor den Richterstuhl des Papstes zu stellen oder seine Sachwalter dahin zu schicken, denn das müsste zur Enterbung der Krone von England und zur Ver� nichtung seiner Stellung führen, es wäre eine Gefahr für seine Freiheit, seine Gewohnheiten und vaterländischen Gesetze, zu deren Einhaltung und Vertheidigung sie Alle in Gemässheit ihres Treueides verpflichtet seien.1 ,Nimmermehr‘ — so schliessen sie das Schreiben — ,werden wir dulden, sowie wir das auch gar nicht können, dass unser König solche Anmassung, solches Ungehörige, Präjudicierliche und Unerhörte auf sich nehme." Wir werden sehen, wie diese Vorgänge siebenzig Jahre später wieder aufgegriffen wurden, denn um es schon an dieser Stelle zu sagen: Wiclif hat sich nicht blos die ganze Be- gründung des Widerspruches gegenüber den Forderungen des Papstes angeeignet,2 auch in der Methode des Kampfes und in dem ganzen Verhalten zur Frage des weltlichen Besitzes der Kirche hielt man sich an das von Eduard I. gegebene Beispiel. Wenn man in solcher Weise in Wiclif’s Buch von der Kirche liest: �Daher meinen wir, dass der König von England alljährlich oder wenigstens zu passenden Zeiten sehr sorgsam untersuchen lassen sollte, wie viel von den Gütern der Krone, wann und unter welchen Bedin- gungen sie an die todte Hand gekommen seien,"3 so 1 Unde habito tractatu et deliberacione diligenti super contentis in literis vestris memoratis, communis concors et unanimis omnium nostrum et singulorum consensus fuit... quod praefatus dominus noster rex super iuribus regni Scotiae aut aliis suis temporalibus nullatenus respondeat iudicialiter coram vobis. Die folgenden Worte aus dem Schreiben des Parlaments klingen in Wiclif’s Schriften zum Theile wörtlich wieder: Nec (rex) iudicium sub- eat quoquomodo aut iura sua praedicta in dubium quaestionis deducat nec ad vestram praesentiam procuratores aut nuncios mittat, praecipue cum praemissa cederent manifeste in exheredacionem iuris coronae regni Angliae et regiae dignitatis ac subversionem status eiusdem regni noto- riam nec non in praeiudicium libertatis consuetudinum et legum pater- narum, ad quarum observacionem et defensionem ex debito praestiti iuramenti astringimur et quae manutenebimus toto posse et totis viribus cum Dei auxilio defendemus... De Ecclesia, cap. XVI: Unde videtur mihi quod rex Anglie annuatim vel per vices congruas faceret diligenter et perfecte inquiri, quantum de
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16 I. Abhandlung: Loserth. wird man doch sofort an die Einsetzung jener Commission von 1274 erinnert, deren Thätigkeit dem englischen Clerus so viel Schmerz und Kummer bereitete. Oder wenn Wiclif verlangt: Man soll die Zahl, die Beschaffenheit und das geistliche Rüst- zeug des Clerus untersuchen, der diese Güter innehat u. s. w. Das von Eduard I. gegebene Beispiel sollte nach Wiclif’s Wunsch von der Regierung Englands wiederholt werden, aber freilich in ganz anderer Weise, mit verschärften Mitteln und zu anderen Zwecken; dort handelte es sich darum, nachzu- weisen, auf welchen Rechtstitel hin der Clerus seine Lehen besitze, und nur die erschlichenen sollten vernichtet werden: hier handelte es sich um eine vollständige Gütereinziehung für den Fall, als das Leben des Clerus sich von der Grundlage, auf dem das Christenthum ruht, entfernt hatte. Bonifaz VIII. gieng der Streitsache nicht weiter nach, denn der Kampf wider Philipp den Schönen nahm alle seine Kräfte in Anspruch; er hoffte vielmehr, den englischen König zum Kampf gegen Frankreich zu bewegen, wofür er ihm kräf- tigste Unterstützung zusicherte. Eduard lehnte ab. Er habe, meinte er, des Papstes Treulosigkeit hinlänglich genug erfahren; er behandelte ihn dilatorisch, der Meinung, das, was ihm von französischer Seite zukomme, auf anderem Wege zu gewinnen." Hatte sich Eduard I. nicht gescheut, selbst einem Papste wie Bonifacius VIII. gegenüber nachdrücklich zu behaupten, was er für sein gutes Recht hielt, so war dies in noch höherem Masse Clemens V. gegenüber der Fall. Wir hören dessen Klage an den Primas von England, dass man nicht dulde, dass bonis regni, qua condicione et quando sit in omnibus et singulis cleri sui ad manum mortuam devolutum. Secundo quod notetur numerus, qualitas et armatura spiritualis cleri, qui occupat ista bona. Et tercio quod faciat inquiri, si in quantitate vel in qualitate cleri in comparacione ad has elemosinas sit defectus: Quem inventum faciat omnimode celeriter emendari. Walsingham I, 98: Eodem tempore papa Bonifacius per literas suas regem Anglorum interpellavit, ut regi Francorum bellum commoveret. Ad quod faciendum ingens subsidium pollicetur. Sed rex Angliae alias domini papae erga se affectum expertus infidum rem distulit, si possi- bile foret recuperare per viam aliam sua malens.
16 I. Abhandlung: Loserth. wird man doch sofort an die Einsetzung jener Commission von 1274 erinnert, deren Thätigkeit dem englischen Clerus so viel Schmerz und Kummer bereitete. Oder wenn Wiclif verlangt: Man soll die Zahl, die Beschaffenheit und das geistliche Rüst- zeug des Clerus untersuchen, der diese Güter innehat u. s. w. Das von Eduard I. gegebene Beispiel sollte nach Wiclif’s Wunsch von der Regierung Englands wiederholt werden, aber freilich in ganz anderer Weise, mit verschärften Mitteln und zu anderen Zwecken; dort handelte es sich darum, nachzu- weisen, auf welchen Rechtstitel hin der Clerus seine Lehen besitze, und nur die erschlichenen sollten vernichtet werden: hier handelte es sich um eine vollständige Gütereinziehung für den Fall, als das Leben des Clerus sich von der Grundlage, auf dem das Christenthum ruht, entfernt hatte. Bonifaz VIII. gieng der Streitsache nicht weiter nach, denn der Kampf wider Philipp den Schönen nahm alle seine Kräfte in Anspruch; er hoffte vielmehr, den englischen König zum Kampf gegen Frankreich zu bewegen, wofür er ihm kräf- tigste Unterstützung zusicherte. Eduard lehnte ab. Er habe, meinte er, des Papstes Treulosigkeit hinlänglich genug erfahren; er behandelte ihn dilatorisch, der Meinung, das, was ihm von französischer Seite zukomme, auf anderem Wege zu gewinnen." Hatte sich Eduard I. nicht gescheut, selbst einem Papste wie Bonifacius VIII. gegenüber nachdrücklich zu behaupten, was er für sein gutes Recht hielt, so war dies in noch höherem Masse Clemens V. gegenüber der Fall. Wir hören dessen Klage an den Primas von England, dass man nicht dulde, dass bonis regni, qua condicione et quando sit in omnibus et singulis cleri sui ad manum mortuam devolutum. Secundo quod notetur numerus, qualitas et armatura spiritualis cleri, qui occupat ista bona. Et tercio quod faciat inquiri, si in quantitate vel in qualitate cleri in comparacione ad has elemosinas sit defectus: Quem inventum faciat omnimode celeriter emendari. Walsingham I, 98: Eodem tempore papa Bonifacius per literas suas regem Anglorum interpellavit, ut regi Francorum bellum commoveret. Ad quod faciendum ingens subsidium pollicetur. Sed rex Angliae alias domini papae erga se affectum expertus infidum rem distulit, si possi- bile foret recuperare per viam aliam sua malens.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 17 Engländer nach Rom vor Gericht gezogen werden,1 dass schon seit 15 Jahren der Lehenzins von dem Könige nicht mehr ge- zahlt worden sei.2 Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die englische Kirche unter Eduard I. harten Druck erlitt, wobei freilich zu bemerken ist, dass auch die anderen Stände des Reiches nicht besser fuhren. Man klagte, um nur das Wichtigste anzuführen," nicht blos über harte Auflagen und Steuern, sondern auch darüber, dass sich die Gerichte des Königs in Sachen ein- mischten, die der geistlichen Gerichtsbarkeit zukamen.4 Bezeich- nender Weise handelte es sich auch hier in den meisten Fallen um Dinge, bei denen die königlichen Richter etwaigen Ver- kürzungen der Interessen des Fiscus wehren zu müssen glaubten. Man klagte nicht minder über die Verletzung des Asylrechtes der Kirche, über Nichtbeachtung verbriefter Rechte, über die Besetzung der Kirchen mit untauglichen Personen u. s. w. Man muss aber zugeben, und auch sehr kirchlich gesinnte Ge- schichtschreiber haben dies gethan, dass die Curie der eng- lischen Kirche kaum geringere Lasten auferlegte, und dabei konnte sich der König noch auf den Zwang der Verhältnisse berufen. Nun klagte der Clerus über die grossen Kosten, die ihnen von den Legaten Bonifacius' VIII. auferlegt seien und durch die der englische Clerus nahezu erschöpft sei, man hob hervor, dass Viele, welche ihre Beiträge nicht zahlen konnten, in den Bann gelegt worden seien," dass die Schätzung der 1 Conqueritur (papa) regis mandato impediri Romam a se evocatos, ne profeccionem capessant... Conqueritur denique regem Eduardum quindecim iam annos pensionem illam annuam mille marcarum, quam Angliae reges sedi Romanae pen- debant, non solvisse... Eine ausführliche Aufstellung aller Gravamina findet sich in Harpefield’s Hist. Eccl. Anglicana, p. 446—448, der sich hiebei stets auf das Re- gister von Canterbury beruft: De quibus rebus omnibus, si quis uberius scire velit, illum ego ad Cantuariensis ecclesie archiva remitto. Querebantur quod regii iudices in causis legatorum et testamentorum... et de vicariarum patronatu se immiscerent... Querebantur quod estimacio beneficiorum, que recens inita erat ob decimas in terrae sanctae subsidium contribuendas plus iusto immoderacior esset... ut liberarentur multi ab anathemate, in quod ob eam non impensam inciderunt. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXXVI. Bd. 1. Abh. 5 2
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 17 Engländer nach Rom vor Gericht gezogen werden,1 dass schon seit 15 Jahren der Lehenzins von dem Könige nicht mehr ge- zahlt worden sei.2 Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die englische Kirche unter Eduard I. harten Druck erlitt, wobei freilich zu bemerken ist, dass auch die anderen Stände des Reiches nicht besser fuhren. Man klagte, um nur das Wichtigste anzuführen," nicht blos über harte Auflagen und Steuern, sondern auch darüber, dass sich die Gerichte des Königs in Sachen ein- mischten, die der geistlichen Gerichtsbarkeit zukamen.4 Bezeich- nender Weise handelte es sich auch hier in den meisten Fallen um Dinge, bei denen die königlichen Richter etwaigen Ver- kürzungen der Interessen des Fiscus wehren zu müssen glaubten. Man klagte nicht minder über die Verletzung des Asylrechtes der Kirche, über Nichtbeachtung verbriefter Rechte, über die Besetzung der Kirchen mit untauglichen Personen u. s. w. Man muss aber zugeben, und auch sehr kirchlich gesinnte Ge- schichtschreiber haben dies gethan, dass die Curie der eng- lischen Kirche kaum geringere Lasten auferlegte, und dabei konnte sich der König noch auf den Zwang der Verhältnisse berufen. Nun klagte der Clerus über die grossen Kosten, die ihnen von den Legaten Bonifacius' VIII. auferlegt seien und durch die der englische Clerus nahezu erschöpft sei, man hob hervor, dass Viele, welche ihre Beiträge nicht zahlen konnten, in den Bann gelegt worden seien," dass die Schätzung der 1 Conqueritur (papa) regis mandato impediri Romam a se evocatos, ne profeccionem capessant... Conqueritur denique regem Eduardum quindecim iam annos pensionem illam annuam mille marcarum, quam Angliae reges sedi Romanae pen- debant, non solvisse... Eine ausführliche Aufstellung aller Gravamina findet sich in Harpefield’s Hist. Eccl. Anglicana, p. 446—448, der sich hiebei stets auf das Re- gister von Canterbury beruft: De quibus rebus omnibus, si quis uberius scire velit, illum ego ad Cantuariensis ecclesie archiva remitto. Querebantur quod regii iudices in causis legatorum et testamentorum... et de vicariarum patronatu se immiscerent... Querebantur quod estimacio beneficiorum, que recens inita erat ob decimas in terrae sanctae subsidium contribuendas plus iusto immoderacior esset... ut liberarentur multi ab anathemate, in quod ob eam non impensam inciderunt. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXXVI. Bd. 1. Abh. 5 2
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18 I. Abhandlung: Loserth. Beneficien zu Zwecken des Kreuzzuges über alle Massen hoch sei, der Nuntius für den Peterspfennig grössere Summen bean- spruche, als man bisher zu zahlen gewohnt war, u. dgl. — alles Dinge, an die man zwei Menschenalter später wieder anknüpfte, und auf die man sich bei Gelegenheit auch berufen konnte. Noch einmal während Eduards Regierung kam das Par- lament in die Lage, sich gegen übermässige finanzielle Be- schwerungen durch die Curie auszusprechen. Es tagte 1307 in Carlisle. Die Beschwerden betrafen vornehmlich den Druck der Curie, der auf Kirchen und Klöstern lastete, und die zahl- reichen Gelderpressungen des päpstlichen Gesandten Wilhelm Testa. Die versammelten Barone untersagten ihm, künftighin in solcher Art vorzugehen.1 Um gründliche Abhilfe zu schaffen, wurde eine Gesandtschaft an den Papst abgeordnet. Die Sta- tuten dieses Parlaments betrafen vornehmlich jene Kloster- geistlichen, deren vornehmste Ordenshäuser sich innerhalb des Landes befanden. Auf die Statuten des Parlaments von Carlisle kam man unter Eduard III. zurück, als dieser in gleichem Fall in einen Streit mit Clemens VI. gerieth. Die Beschwerden des Parlaments von 1307 fanden im Uebrigen beim König nur laue Unterstützung. Die Bezie- hungen zwischen Staats- und Kirchengewalt liessen im Augen- blick wenig zu wünschen übrig. Das Entgegenkommen des Papstes war schon das Jahr vorher so weit gediehen, dass er den König bereitwillig von dem Eide löste, den er in schweren Stunden den Ständen geschworen hatte: sie bei ihren Frei- heiten zu erhalten.2 Der neu auflodernde schottische Aufstand 1 Hemingburgh II, 254—264: de oppressionibus ecclesiarum et monaste- riorum multiplicibus et extorsionibus pecuniarum per clericum domini pape magistrum Willelmum Testa noviter in regno inductum. Praecep- tumque est eidem clerico de assensu comitum et baronum, ne de cetero talia exequatur. Ordinatum fuit etiam quod pro remedio super hiis obtinendo ad dominum papam nuncii mitterentur. In eodem parliamento edita sunt statuta quaedam religiosos tangentia, qui domos suas princi- pales in alio regno non habebant. Walsingham, Ypodigma Neustriae: Rex Angliae obtinuit a domino papa absolutionem a iuramento quod invitus praestiterat super observancia libertatum alias a comitibus et baronibus exactarum ...
18 I. Abhandlung: Loserth. Beneficien zu Zwecken des Kreuzzuges über alle Massen hoch sei, der Nuntius für den Peterspfennig grössere Summen bean- spruche, als man bisher zu zahlen gewohnt war, u. dgl. — alles Dinge, an die man zwei Menschenalter später wieder anknüpfte, und auf die man sich bei Gelegenheit auch berufen konnte. Noch einmal während Eduards Regierung kam das Par- lament in die Lage, sich gegen übermässige finanzielle Be- schwerungen durch die Curie auszusprechen. Es tagte 1307 in Carlisle. Die Beschwerden betrafen vornehmlich den Druck der Curie, der auf Kirchen und Klöstern lastete, und die zahl- reichen Gelderpressungen des päpstlichen Gesandten Wilhelm Testa. Die versammelten Barone untersagten ihm, künftighin in solcher Art vorzugehen.1 Um gründliche Abhilfe zu schaffen, wurde eine Gesandtschaft an den Papst abgeordnet. Die Sta- tuten dieses Parlaments betrafen vornehmlich jene Kloster- geistlichen, deren vornehmste Ordenshäuser sich innerhalb des Landes befanden. Auf die Statuten des Parlaments von Carlisle kam man unter Eduard III. zurück, als dieser in gleichem Fall in einen Streit mit Clemens VI. gerieth. Die Beschwerden des Parlaments von 1307 fanden im Uebrigen beim König nur laue Unterstützung. Die Bezie- hungen zwischen Staats- und Kirchengewalt liessen im Augen- blick wenig zu wünschen übrig. Das Entgegenkommen des Papstes war schon das Jahr vorher so weit gediehen, dass er den König bereitwillig von dem Eide löste, den er in schweren Stunden den Ständen geschworen hatte: sie bei ihren Frei- heiten zu erhalten.2 Der neu auflodernde schottische Aufstand 1 Hemingburgh II, 254—264: de oppressionibus ecclesiarum et monaste- riorum multiplicibus et extorsionibus pecuniarum per clericum domini pape magistrum Willelmum Testa noviter in regno inductum. Praecep- tumque est eidem clerico de assensu comitum et baronum, ne de cetero talia exequatur. Ordinatum fuit etiam quod pro remedio super hiis obtinendo ad dominum papam nuncii mitterentur. In eodem parliamento edita sunt statuta quaedam religiosos tangentia, qui domos suas princi- pales in alio regno non habebant. Walsingham, Ypodigma Neustriae: Rex Angliae obtinuit a domino papa absolutionem a iuramento quod invitus praestiterat super observancia libertatum alias a comitibus et baronibus exactarum ...
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 19 hinderte den Ausbruch eines Verfassungsstreites, für den es unter der Regierung des schwachen Nachfolger dieses bedeu- tenden Königs keinen Platz gab.1 2. Die Kirchenpolitik Eduards III. von Beginn des englisch-französischen Thronstreites bis zum Frieden von Bretigny. In den Tagen Eduards III. hiengen die kirchenpolitischen Fragen Englands in unlösbarer Weise mit der auswärtigen Politik zusammen. Bei jedem Zusammenstoss Frankreichs mit einer anderen Macht gerieth die Curie in eine schiefe Stellung, indem man auch da, wo es nicht der Fall war, ihre Abhängig keit von Frankreich argwöhnte. Wie ganz anders wäre die Stellung des Papstthums in der Zeit des englisch-französischen Thronstreites gewesen, hätte es sich nicht in völliger Abhängig- keit von Frankreich befunden. Bald nach dem Ausbruch des Krieges, es war am 6. Juli 1339, klagt Eduard in einem Briefe an Benedict XII.:" „Es zerreisst uns das Herz, wenn wir sehen, wie die Schaaren unseres Gegners aus den Einkünften des Papstthums bewaffnet werden. Das haben weder unsere Vor- fahren, die so gewaltige Eiferer für den Ruhm der römischen Kirche gewesen, noch auch wir selbst verdient.' Und der Papst antwortet — etwas gewunden —: „Es ist durchaus falsch, dass wir dem König Philipp eine ungeheure Summe aus unseren Kammergefallen überwiesen oder ihm unsere Einkünfte aus den Erträgnissen der französischen Kirche gegeben haben: jener Zehent ist dem König von Frankreich zugewiesen worden, nicht um gegen Dich, sondern um gegen die Deutschen, Ludwigs Anhänger, die Feinde der römischen Kirche verwendet zu werden, gegen Leute, die, wie man allgemein sagte, eine In- 1 Zu dem Capitel vgl. Dunbar Ingram, England and Rome, a history of the relations between the Papacy and the English State and Church from the Norman conquest to the revolution of 1688. Chapter II, section I. Für die grosse Bewegung, die mit Wiclif’s Namen zusammenhängt, ist aus diesem Buche, das den Gegenstand nur in den allgemeinsten Zügen behandelt, nichts zu gewinnen. Vgl. auch Gneist, Verf. Gesch. §. 24. Der Brief Eduards III. in Walsingham, Hist. Angl. I, 200—208. Die Antwort ebenda S. 208—215.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 19 hinderte den Ausbruch eines Verfassungsstreites, für den es unter der Regierung des schwachen Nachfolger dieses bedeu- tenden Königs keinen Platz gab.1 2. Die Kirchenpolitik Eduards III. von Beginn des englisch-französischen Thronstreites bis zum Frieden von Bretigny. In den Tagen Eduards III. hiengen die kirchenpolitischen Fragen Englands in unlösbarer Weise mit der auswärtigen Politik zusammen. Bei jedem Zusammenstoss Frankreichs mit einer anderen Macht gerieth die Curie in eine schiefe Stellung, indem man auch da, wo es nicht der Fall war, ihre Abhängig keit von Frankreich argwöhnte. Wie ganz anders wäre die Stellung des Papstthums in der Zeit des englisch-französischen Thronstreites gewesen, hätte es sich nicht in völliger Abhängig- keit von Frankreich befunden. Bald nach dem Ausbruch des Krieges, es war am 6. Juli 1339, klagt Eduard in einem Briefe an Benedict XII.:" „Es zerreisst uns das Herz, wenn wir sehen, wie die Schaaren unseres Gegners aus den Einkünften des Papstthums bewaffnet werden. Das haben weder unsere Vor- fahren, die so gewaltige Eiferer für den Ruhm der römischen Kirche gewesen, noch auch wir selbst verdient.' Und der Papst antwortet — etwas gewunden —: „Es ist durchaus falsch, dass wir dem König Philipp eine ungeheure Summe aus unseren Kammergefallen überwiesen oder ihm unsere Einkünfte aus den Erträgnissen der französischen Kirche gegeben haben: jener Zehent ist dem König von Frankreich zugewiesen worden, nicht um gegen Dich, sondern um gegen die Deutschen, Ludwigs Anhänger, die Feinde der römischen Kirche verwendet zu werden, gegen Leute, die, wie man allgemein sagte, eine In- 1 Zu dem Capitel vgl. Dunbar Ingram, England and Rome, a history of the relations between the Papacy and the English State and Church from the Norman conquest to the revolution of 1688. Chapter II, section I. Für die grosse Bewegung, die mit Wiclif’s Namen zusammenhängt, ist aus diesem Buche, das den Gegenstand nur in den allgemeinsten Zügen behandelt, nichts zu gewinnen. Vgl. auch Gneist, Verf. Gesch. §. 24. Der Brief Eduards III. in Walsingham, Hist. Angl. I, 200—208. Die Antwort ebenda S. 208—215.
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20 I. Abhandlung: Loserth. vasion in Frankreich vorbereiteten. Er selbst habe sich die grösste Mühe gegeben und thue dies noch, ihn mit seinem Gegner zu versöhnen. Dies ist unbedingt richtig. Es musste der Curie, wollte sie nicht selbst grossen Schaden erleiden, darum zu thun sein, die streitenden Parteien zu versöhnen. Die finanziellen Leistungen, zu denen England von altersher der Curie gegenüber verpflichtet war, wurden um so widerwilliger verabfolgt, weil sie einer Unterstützung des Landesfeindes gleich- kamen. Das hat schon Benedict XII. klar erkannt, und nach seiner Weise handelten Clemens VI.,1 Innocenz VI., Urban V. und Gregor XI. Bei der Lage der Dinge waren Kämpfe über kirchenpolitische Fragen nicht zu vermeiden; nur wenn es glückte, den langen Streit zu beenden, war es nicht schwer, auch in kirchenpolitischen Fragen zu einer Verständigung zu gelangen. Darum sind die beiden Fragen aufs Engste mit einander verknüpft: wir können der einen aber hier nur so viel Raum gewähren, als es das Verständniss der anderen ver- langt. Wir finden denn eine fortgesetzte Reihe von Vermittlungs- versuchen der Curie, Missverständnisse auf beiden Seiten und mehr oder minder heftige Streitigkeiten. Wir begegnen einem Vermittlungsversuche des Papstes schon wenig Wochen nach seinem ersten Schreiben;" in der Antwort darauf erklärt der König seinen guten Willen, die Ehren und Freiheiten der Kirche zu schützen. Aber schon nach dem Siege der Engländer bei Sluys be- legte der Papst, als wäre er der Besiegte, Flandern mit dem Interdict, weil die Flaminger sich an England anschlossen." In Bezug auf die Begünstigung der Franzosen war von den Päpsten zu Avignon einer dem anderen gleich; was einer der besseren — und das war schliesslich Benedict XII. — dem König von Frankreich sagt: ,Hätte ich zwei Seelen, ich würde eine für dich dahingeben,"4 ist charakteristisch für alle. Schon 3 4 1 Raynald, Ann. Eccl. 1342, 9; 1344, 4. 2 Walsingham I, 217. Die Antwort p. 219. Walsingham I, 227. Quod si ipse haberet duas animas, unam sibi libenter daret. Vorsich- tiger Weise wird freilich hinzugefügt: sed non habebat nisi unam quam unice et summe diligebat eamque volebat prope tenus conservare. Murat. III, 2, 534.
20 I. Abhandlung: Loserth. vasion in Frankreich vorbereiteten. Er selbst habe sich die grösste Mühe gegeben und thue dies noch, ihn mit seinem Gegner zu versöhnen. Dies ist unbedingt richtig. Es musste der Curie, wollte sie nicht selbst grossen Schaden erleiden, darum zu thun sein, die streitenden Parteien zu versöhnen. Die finanziellen Leistungen, zu denen England von altersher der Curie gegenüber verpflichtet war, wurden um so widerwilliger verabfolgt, weil sie einer Unterstützung des Landesfeindes gleich- kamen. Das hat schon Benedict XII. klar erkannt, und nach seiner Weise handelten Clemens VI.,1 Innocenz VI., Urban V. und Gregor XI. Bei der Lage der Dinge waren Kämpfe über kirchenpolitische Fragen nicht zu vermeiden; nur wenn es glückte, den langen Streit zu beenden, war es nicht schwer, auch in kirchenpolitischen Fragen zu einer Verständigung zu gelangen. Darum sind die beiden Fragen aufs Engste mit einander verknüpft: wir können der einen aber hier nur so viel Raum gewähren, als es das Verständniss der anderen ver- langt. Wir finden denn eine fortgesetzte Reihe von Vermittlungs- versuchen der Curie, Missverständnisse auf beiden Seiten und mehr oder minder heftige Streitigkeiten. Wir begegnen einem Vermittlungsversuche des Papstes schon wenig Wochen nach seinem ersten Schreiben;" in der Antwort darauf erklärt der König seinen guten Willen, die Ehren und Freiheiten der Kirche zu schützen. Aber schon nach dem Siege der Engländer bei Sluys be- legte der Papst, als wäre er der Besiegte, Flandern mit dem Interdict, weil die Flaminger sich an England anschlossen." In Bezug auf die Begünstigung der Franzosen war von den Päpsten zu Avignon einer dem anderen gleich; was einer der besseren — und das war schliesslich Benedict XII. — dem König von Frankreich sagt: ,Hätte ich zwei Seelen, ich würde eine für dich dahingeben,"4 ist charakteristisch für alle. Schon 3 4 1 Raynald, Ann. Eccl. 1342, 9; 1344, 4. 2 Walsingham I, 217. Die Antwort p. 219. Walsingham I, 227. Quod si ipse haberet duas animas, unam sibi libenter daret. Vorsich- tiger Weise wird freilich hinzugefügt: sed non habebat nisi unam quam unice et summe diligebat eamque volebat prope tenus conservare. Murat. III, 2, 534.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 21 Benedicts Nachfolger Clemens VI. hatte noch ausgesprochenere Sympathien für Frankreich. Das war noch das Aergste nicht: er hatte als Mensch einen schlechten Ruf. In England liess man sich bei seinen Beziehungen zu Frankreich seine Eingriffe in die Rechte des Landes weniger gefallen als anderwärts. Selbst ein so clericaler Historiker wie Harpesfield klagt über die Bedrückung der englischen Kirche durch die Päpste: diese nahmen das erste Jahreseinkommen bei der Neubesetzung aller kirchlichen Pfründen, zwangen die englische Kirche, die kost- spielige Hofhaltung päpstlicher Prälaten in England zu erhalten, gaben Pfarren, Abteien, Bisthümer und Kathedralen und oft an Personen, die sich weder durch Wissen, noch durch Frömmig- keit auszeichneten, ja ihre geistlichen Functionen niemals ver- richteten, da sie sich ausserhalb des Landes befanden.1 Wie hätte in der glorreichsten Zeit Eduards III. sich das Land Eingriffe in die Rechte der Krone, Verfügungen, die dem Landesfeind zugute kamen, gefallen lassen! Der Streit zwischen Staats- und Kirchengewalt kam zum Ausbruch, als der Papst zwei neuernannten Cardinälen, von denen der eine sein Nepot war, Einkünfte in der Höhe von 2000 Mark jährlich auf die Erzbisthümer York und Canterbury anwies. Der Unmuth hierüber kam auf dem Parlamente zu Westminster am 18. Mai 1343 zum Ausbruch. Die versammelten Mitglieder des Parla- ments sandten ein ernst gehaltenes Schriftstück an den Papst, darin die üblen Zustände der englischen Kirche in anschau- lichster Weise dargelegt werden. Die englische Kirche sei so reich; die Vorfahren des Königs, die Grossen und die anderen Bewohner des Landes hätten sich zum Zwecke der Förderung des Gottesdienstes, der christlichen Lehre und für Zwecke der Wohlfahrt der Armen in der Errichtung von Kirchen, Collegien, Priorien und anderen kirchlichen Zwecken geweihten Häusern überboten, ihre Stiftungen mit Geld, Gut und Freiheiten ausge- stattet. Aber diese Stiftungen seien nur für Personen bestimmt, die im Stande sind, die Beicht der Pfarrkinder in deren Mutter- sprache zu hören und ihr Amt in jeder Weise zu versehen. Die Uebelstände in der Kirche Englands rühren daher, weil in 1 Harpesfield nach gleichzeitigen Quellen: Et haec quidem ex illis litteris et ex parliamenti decreto decerpsimus...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 21 Benedicts Nachfolger Clemens VI. hatte noch ausgesprochenere Sympathien für Frankreich. Das war noch das Aergste nicht: er hatte als Mensch einen schlechten Ruf. In England liess man sich bei seinen Beziehungen zu Frankreich seine Eingriffe in die Rechte des Landes weniger gefallen als anderwärts. Selbst ein so clericaler Historiker wie Harpesfield klagt über die Bedrückung der englischen Kirche durch die Päpste: diese nahmen das erste Jahreseinkommen bei der Neubesetzung aller kirchlichen Pfründen, zwangen die englische Kirche, die kost- spielige Hofhaltung päpstlicher Prälaten in England zu erhalten, gaben Pfarren, Abteien, Bisthümer und Kathedralen und oft an Personen, die sich weder durch Wissen, noch durch Frömmig- keit auszeichneten, ja ihre geistlichen Functionen niemals ver- richteten, da sie sich ausserhalb des Landes befanden.1 Wie hätte in der glorreichsten Zeit Eduards III. sich das Land Eingriffe in die Rechte der Krone, Verfügungen, die dem Landesfeind zugute kamen, gefallen lassen! Der Streit zwischen Staats- und Kirchengewalt kam zum Ausbruch, als der Papst zwei neuernannten Cardinälen, von denen der eine sein Nepot war, Einkünfte in der Höhe von 2000 Mark jährlich auf die Erzbisthümer York und Canterbury anwies. Der Unmuth hierüber kam auf dem Parlamente zu Westminster am 18. Mai 1343 zum Ausbruch. Die versammelten Mitglieder des Parla- ments sandten ein ernst gehaltenes Schriftstück an den Papst, darin die üblen Zustände der englischen Kirche in anschau- lichster Weise dargelegt werden. Die englische Kirche sei so reich; die Vorfahren des Königs, die Grossen und die anderen Bewohner des Landes hätten sich zum Zwecke der Förderung des Gottesdienstes, der christlichen Lehre und für Zwecke der Wohlfahrt der Armen in der Errichtung von Kirchen, Collegien, Priorien und anderen kirchlichen Zwecken geweihten Häusern überboten, ihre Stiftungen mit Geld, Gut und Freiheiten ausge- stattet. Aber diese Stiftungen seien nur für Personen bestimmt, die im Stande sind, die Beicht der Pfarrkinder in deren Mutter- sprache zu hören und ihr Amt in jeder Weise zu versehen. Die Uebelstände in der Kirche Englands rühren daher, weil in 1 Harpesfield nach gleichzeitigen Quellen: Et haec quidem ex illis litteris et ex parliamenti decreto decerpsimus...
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22 I. Abhandlung: Leserth. Folge der verschiedenartigsten Reservationen, Provisionen und Collationen die Pfründen nicht nur an Fremdlinge, sondern nicht selten geradezu an Feinde des Landes gegeben werden, die die Sprache des Volkes nicht kennen und die Verhaltnisse derer nicht verstehen, bei denen sie die Seelsorge ausüben sollen. Kein Wunder, dass hiebei das Seelenheil der Gläubigen Gefahr leidet, der Gottesdienst zerrüttet wird, die Armenpflege aufhört, die Kirchen verfallen, die Devotion des Volkes sich verringert, arme Gelehrte kein Fortkommen finden und die Schätze des Reiches aus dem Lande geschleppt werden, und alles das gegen die Absichten der Stifter. ,Solche Irrthümer, Fehler und Missbräuche," heisst es in dem Schreiben, ,können wir nicht länger ertragen. Wir bitten Ew. Heiligkeit in Demuth, Ordnung zu schaffen, solche Reservationen, Provisionen und Collationen für die Zukunft gänzlich zu verbieten und Sorge zu tragen, dass diese Stiftungen von unseren eigenen Lands- leuten besetzt und verwaltet werden.' Der Papst wird inständigst gebeten, dem Parlamente seine Willensmeinung hierüber kund- zugeben, zugleich aber hinzugefügt, man werde nicht ablassen, bis man die rechten Mittel zur Abhilfe für alle diese Beschwer- den erlangt habe.1 Als die beiden Cardinäle ihre Geschäftsträger nach England sandten, um die Einkünfte aus den einzelnen Diöcesen einzu- heben, wurden sie durch die Beamten des Königs hieran nicht nur verhindert, sondern in den Kerker geworfen und hierauf mit Schimpf und Schande aus dem Lande gejagt.2 Clemens VI. schickte hierüber am 28. August 1343 eine Beschwerde an den König: den Cardinälen, die seine Lasten und Mühen theilen, müsse man einen ihrem Stande entsprechen- den Unterhalt zuweisen. Für die zwei aus Aquitanien (das damals zu England gehörte) stammenden Cardinäle sei be- greiflicher Weise das Einkommen aus England beschafft worden. 1 Das Schreiben des Parlaments ins Englische übertragen in den Acts and Monuments by John Foxe II, 689 ; s. auch Knyghton, De eventibus Angliae. Ipsi procuratores et nuncii.. postquam inceperunt ... dominorum suo- rum negocio prosequi ... per gentes et officiales regios non solum im- pediti super eis, quin immo captivati et tandem de regno praedicto ex- pulsi cum ignominia... Walsingham I, 259.
22 I. Abhandlung: Leserth. Folge der verschiedenartigsten Reservationen, Provisionen und Collationen die Pfründen nicht nur an Fremdlinge, sondern nicht selten geradezu an Feinde des Landes gegeben werden, die die Sprache des Volkes nicht kennen und die Verhaltnisse derer nicht verstehen, bei denen sie die Seelsorge ausüben sollen. Kein Wunder, dass hiebei das Seelenheil der Gläubigen Gefahr leidet, der Gottesdienst zerrüttet wird, die Armenpflege aufhört, die Kirchen verfallen, die Devotion des Volkes sich verringert, arme Gelehrte kein Fortkommen finden und die Schätze des Reiches aus dem Lande geschleppt werden, und alles das gegen die Absichten der Stifter. ,Solche Irrthümer, Fehler und Missbräuche," heisst es in dem Schreiben, ,können wir nicht länger ertragen. Wir bitten Ew. Heiligkeit in Demuth, Ordnung zu schaffen, solche Reservationen, Provisionen und Collationen für die Zukunft gänzlich zu verbieten und Sorge zu tragen, dass diese Stiftungen von unseren eigenen Lands- leuten besetzt und verwaltet werden.' Der Papst wird inständigst gebeten, dem Parlamente seine Willensmeinung hierüber kund- zugeben, zugleich aber hinzugefügt, man werde nicht ablassen, bis man die rechten Mittel zur Abhilfe für alle diese Beschwer- den erlangt habe.1 Als die beiden Cardinäle ihre Geschäftsträger nach England sandten, um die Einkünfte aus den einzelnen Diöcesen einzu- heben, wurden sie durch die Beamten des Königs hieran nicht nur verhindert, sondern in den Kerker geworfen und hierauf mit Schimpf und Schande aus dem Lande gejagt.2 Clemens VI. schickte hierüber am 28. August 1343 eine Beschwerde an den König: den Cardinälen, die seine Lasten und Mühen theilen, müsse man einen ihrem Stande entsprechen- den Unterhalt zuweisen. Für die zwei aus Aquitanien (das damals zu England gehörte) stammenden Cardinäle sei be- greiflicher Weise das Einkommen aus England beschafft worden. 1 Das Schreiben des Parlaments ins Englische übertragen in den Acts and Monuments by John Foxe II, 689 ; s. auch Knyghton, De eventibus Angliae. Ipsi procuratores et nuncii.. postquam inceperunt ... dominorum suo- rum negocio prosequi ... per gentes et officiales regios non solum im- pediti super eis, quin immo captivati et tandem de regno praedicto ex- pulsi cum ignominia... Walsingham I, 259.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 23 Und nun folgt die Klage über die Behandlung des Boten der Cardinäle. Solche Provisionen seien nichts Neues, und nirgends in der christlichen Welt lehne man sich dagegen auf. Der Papst erwarte, dass den Geschäftsträgern der beiden Cardinäle die gebührende Genugthuung geleistet werde. Da täuschte er sich nun freilich sehr. Fast zu derselben Zeit, als der König den Brief des Papstes erhielt, sandte er ein Schreiben an diesen, worin die Beschwerden des Parlaments wiederholt und in verschärfter Form zum Ausdruck gebracht werden.1 Das Schreiben ist ausserordentlich ernst und an der Stelle, wo gesagt wird, der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus sei nicht dazu da, die Schäflein Christi zu scheeren und zu erdrücken, sondern zu weiden und zu erhalten, geradezu unhöflich. Der Chronist, der uns den Brief mittheilt, ein Geistlicher und kein Freund jener Richtung, deren ausge- sprochenster Vertreter später Wiclif wurde, Thomas Walsing- ham, ist von dem Ton und Inhalt jenes Schreibens, ,auf das der Papst und die Cardinäle keine vernünftige Antwort zu finden wussten", in gleicher Weise entzückt." Wie in dem Schreiben des Parlaments wird auch hier auf den Reichthum der englischen Kirche hingewiesen, die aber heutzutage durch die Auflagen und Provisionen des Papstes geradezu erdrückt werde. Gegen die Absichten der Stifter gelange das Kirchen- gut in die Hand von Fremdlingen, die sich nicht um das Seelenheil ihrer Gemeinden, sondern um die Anfüllung ihrer Säckel kümmern. Indem die sämmtlichen Klagen des Parla- ments wiederholt werden, wird hinzugefügt, dass die Patronats- rechte nicht mehr geachtet werden, der königliche Hof, vor dem solche Fragen zur Entscheidung gelangen sollten, in Missachtung und die Kronrechte in Vergessenheit kommen. Das sei der 1 Das Schreiben bei Walsingham I, 255—258 und bei Raynald, Ann. Eccl. 1343,90—91. Beide Male ist eine verschiedene Datierung angegeben. Ich möchte meinen, dass die von Raynald gebrachte die richtige ist: 3. September 1343. Walsingham hat den 26. September. Dann wurde offenbar auf das vorhin erwähnte Schreiben des Papstes Rücksicht ge- nommen. Als Antwort darf man den Brief des Königs nicht, wie Lechler thut, auffassen. Epistola missa pape Clementi pro libertate ecclesie Anglicane, plena fructu; cui protunc pape aut cardinales respondere racionabiliter ne- sciebant...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 23 Und nun folgt die Klage über die Behandlung des Boten der Cardinäle. Solche Provisionen seien nichts Neues, und nirgends in der christlichen Welt lehne man sich dagegen auf. Der Papst erwarte, dass den Geschäftsträgern der beiden Cardinäle die gebührende Genugthuung geleistet werde. Da täuschte er sich nun freilich sehr. Fast zu derselben Zeit, als der König den Brief des Papstes erhielt, sandte er ein Schreiben an diesen, worin die Beschwerden des Parlaments wiederholt und in verschärfter Form zum Ausdruck gebracht werden.1 Das Schreiben ist ausserordentlich ernst und an der Stelle, wo gesagt wird, der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus sei nicht dazu da, die Schäflein Christi zu scheeren und zu erdrücken, sondern zu weiden und zu erhalten, geradezu unhöflich. Der Chronist, der uns den Brief mittheilt, ein Geistlicher und kein Freund jener Richtung, deren ausge- sprochenster Vertreter später Wiclif wurde, Thomas Walsing- ham, ist von dem Ton und Inhalt jenes Schreibens, ,auf das der Papst und die Cardinäle keine vernünftige Antwort zu finden wussten", in gleicher Weise entzückt." Wie in dem Schreiben des Parlaments wird auch hier auf den Reichthum der englischen Kirche hingewiesen, die aber heutzutage durch die Auflagen und Provisionen des Papstes geradezu erdrückt werde. Gegen die Absichten der Stifter gelange das Kirchen- gut in die Hand von Fremdlingen, die sich nicht um das Seelenheil ihrer Gemeinden, sondern um die Anfüllung ihrer Säckel kümmern. Indem die sämmtlichen Klagen des Parla- ments wiederholt werden, wird hinzugefügt, dass die Patronats- rechte nicht mehr geachtet werden, der königliche Hof, vor dem solche Fragen zur Entscheidung gelangen sollten, in Missachtung und die Kronrechte in Vergessenheit kommen. Das sei der 1 Das Schreiben bei Walsingham I, 255—258 und bei Raynald, Ann. Eccl. 1343,90—91. Beide Male ist eine verschiedene Datierung angegeben. Ich möchte meinen, dass die von Raynald gebrachte die richtige ist: 3. September 1343. Walsingham hat den 26. September. Dann wurde offenbar auf das vorhin erwähnte Schreiben des Papstes Rücksicht ge- nommen. Als Antwort darf man den Brief des Königs nicht, wie Lechler thut, auffassen. Epistola missa pape Clementi pro libertate ecclesie Anglicane, plena fructu; cui protunc pape aut cardinales respondere racionabiliter ne- sciebant...
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24 I. Abhandlung: Loserth. Grund, weshalb das Parlament beschlossen habe, auf Abhilfe zu dringen: wie schon die Bibel verlangt, dass die Obrigkeiten dem Volke des betreffenden Landes entnommen werden sollen, wie die Apostel in die Heidenlander Jünger gesandt, die der Sprache des Volkes kundig waren, so habe man auch jetzt vorzugehen. Demnach seien alle Auflagen und Provisionen abzuthun, die Rechte der Patronate zu beachten und die Frei- heit der Kirchenwahlen im Auge zu halten. An eine günstige Erledigung dieser Angelegenheit durch die Curie im Sinne des Parlaments war nicht zu denken. Man griff daher auf die Beschlüsse des Parlaments von Carlisle im Jahre 1307 zurück, die allerdings damals nicht mehr zur Ausführung gelangt waren. Damals wurde verboten, irgend etwas zu genehmigen oder ins Land zu bringen, geeignet, des Königs Prärogative zu schädigen oder den Lords und Com- munen ein Präjudiz zu schaffen. So kam nun das Statut ,Act of Provision‘ zustande: �Wer Bullen, Processe, Instrumente u. dgl. von Rom nach England bringt, wird mit beständiger Kerkerhaft oder mit Landesverweisung bestraft." Jeder Patron, er sei Erzbischof oder eine andere kirchliche Person oder ein Anderer, der nicht binnen vier Monaten sein Repräsentations- recht ausübt, verliert es an den König; wer durch Provision der Curie eine Pfründe in England erlangt, geht ihrer verlustig, und der König hat das Recht, eine geeignete Persönlichkeit zu präsentieren. Wenn Jemand, der zum Bischof gewählt ist, es verschmäht, seinen Bischofssitz einzunehmen, verliert er seine Temporalien. Der König erhält das Verfügungsrecht über alle geistlichen Besitzungen solcher Inhaber, die sich ausser Land in dem Gebiet seines Gegners befinden. Die Dechantei von York wird dem Cardinal, der sie innehat, weggenommen. Das Statut Praemunire, das später erlassen wurde, unter� sagte feierlich jede Appellation von einem königlichen Gerichts- hof an die römische Curie. Auch manches Wort, das in den Reden des Parlamentes fiel, verdient angemerkt zu werden:1 Als man in dem Parlamente, das am 9. Februar 1354 abgehalten wurde, wieder die Reservationen des Papstes auf die Tagesordnung stellte, wurde betont: Die Einnahmen des Papstes aus den 1 Acts and Monuments by Foxe, p. 785. Gneist, S. 401—405.
24 I. Abhandlung: Loserth. Grund, weshalb das Parlament beschlossen habe, auf Abhilfe zu dringen: wie schon die Bibel verlangt, dass die Obrigkeiten dem Volke des betreffenden Landes entnommen werden sollen, wie die Apostel in die Heidenlander Jünger gesandt, die der Sprache des Volkes kundig waren, so habe man auch jetzt vorzugehen. Demnach seien alle Auflagen und Provisionen abzuthun, die Rechte der Patronate zu beachten und die Frei- heit der Kirchenwahlen im Auge zu halten. An eine günstige Erledigung dieser Angelegenheit durch die Curie im Sinne des Parlaments war nicht zu denken. Man griff daher auf die Beschlüsse des Parlaments von Carlisle im Jahre 1307 zurück, die allerdings damals nicht mehr zur Ausführung gelangt waren. Damals wurde verboten, irgend etwas zu genehmigen oder ins Land zu bringen, geeignet, des Königs Prärogative zu schädigen oder den Lords und Com- munen ein Präjudiz zu schaffen. So kam nun das Statut ,Act of Provision‘ zustande: �Wer Bullen, Processe, Instrumente u. dgl. von Rom nach England bringt, wird mit beständiger Kerkerhaft oder mit Landesverweisung bestraft." Jeder Patron, er sei Erzbischof oder eine andere kirchliche Person oder ein Anderer, der nicht binnen vier Monaten sein Repräsentations- recht ausübt, verliert es an den König; wer durch Provision der Curie eine Pfründe in England erlangt, geht ihrer verlustig, und der König hat das Recht, eine geeignete Persönlichkeit zu präsentieren. Wenn Jemand, der zum Bischof gewählt ist, es verschmäht, seinen Bischofssitz einzunehmen, verliert er seine Temporalien. Der König erhält das Verfügungsrecht über alle geistlichen Besitzungen solcher Inhaber, die sich ausser Land in dem Gebiet seines Gegners befinden. Die Dechantei von York wird dem Cardinal, der sie innehat, weggenommen. Das Statut Praemunire, das später erlassen wurde, unter� sagte feierlich jede Appellation von einem königlichen Gerichts- hof an die römische Curie. Auch manches Wort, das in den Reden des Parlamentes fiel, verdient angemerkt zu werden:1 Als man in dem Parlamente, das am 9. Februar 1354 abgehalten wurde, wieder die Reservationen des Papstes auf die Tagesordnung stellte, wurde betont: Die Einnahmen des Papstes aus den 1 Acts and Monuments by Foxe, p. 785. Gneist, S. 401—405.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 25 ersten Jahreseinkommen geistlicher Stellen und seine Reser- vationen schädigen das Land viel mehr als alle Kriege des Königs. Wie in den Zeiten des guten Parlamentes — man hat also keinen Grund als den Urheber dieses Vorganges Wiclif anzusehen, denn er folgte nur den Impulsen, welche in der öffentlichen Meinung seiner Jugendzeit wirksam waren — erhoben sich die Grossen des Landes und gaben die Erklärung ab: Sollte der Papst die Pfründen der Kirche auch in Zukunft mittelst Provision verleihen, es mag nun an Einheimische oder Fremde sein, so würden sie diese Pfründen, die ihre Vorfahren frommen Geistlichen und Klosterbrüdern als Almosen über- tragen hätten, damit sie für ihr Seelenheil beten, wieder zu eigenem Besitz in die Hande nehmen und nach eigenem Gutbedünken hiemit verfahren. Hierüber sei, wie Knyghton meldet, der Papst erschrocken und hätte ,ein Mehreres und Grösseres‘, das er in England auszuführen Willens gewesen, unterlassen.1 Wie sehr man aber die Interessen Frankreichs und des Papstes gleichstellte, sieht man aus der folgenden Be- merkung: ,Aber den König von Frankreich hat er, insoweit er es konnte, unterstützt, aber nur heimlich."2 Die Beschlüsse des Parlaments von 1344 wurden dem Papst durch Briefe des Königs, der Lords und Gemeinen übermittelt. Wie sich die Dinge in der Praxis gestalteten, sah man schon binnen Jahresfrist. Nach dem Tode des Bischofs Antonius Bek von Norwych erhielt dies Bisthum Wilhelm Bathman durch päpstliche Provision. Auf die Nachricht hievon war Eduard III., wie er dem Papste meldete, ganz ,perplex‘, denn ,diese Provision und die jüngst mit dem Parlament ge- troffene Einigung sind einander völlig zuwider‘. Die Sache wurde noch durch den Umstand erschwert, dass Bathman eben damals als Nuntius des apostolischen Stuhles auf dem Wege nach 1 Insuper magnates et proceres regni Angliae oblocuti sunt et minati, quod si papa conferret beneficia ecclesie talibus provisoribus, sive in- digenis sive alienigenis, que quidem beneficia antecessores sui contule- runt viris religiosis et ecclesiasticis in elemosynam, ut pro ipsis et ani- mabus suis orarent: ipsi ea beneficia in manus proprias repeterent, sicuti antecessores habuerant... Verumptamen (papa) regem Franciae in quantum potuit, prout dictum est, secreto tamen modo fovebat et auxiliatus est.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 25 ersten Jahreseinkommen geistlicher Stellen und seine Reser- vationen schädigen das Land viel mehr als alle Kriege des Königs. Wie in den Zeiten des guten Parlamentes — man hat also keinen Grund als den Urheber dieses Vorganges Wiclif anzusehen, denn er folgte nur den Impulsen, welche in der öffentlichen Meinung seiner Jugendzeit wirksam waren — erhoben sich die Grossen des Landes und gaben die Erklärung ab: Sollte der Papst die Pfründen der Kirche auch in Zukunft mittelst Provision verleihen, es mag nun an Einheimische oder Fremde sein, so würden sie diese Pfründen, die ihre Vorfahren frommen Geistlichen und Klosterbrüdern als Almosen über- tragen hätten, damit sie für ihr Seelenheil beten, wieder zu eigenem Besitz in die Hande nehmen und nach eigenem Gutbedünken hiemit verfahren. Hierüber sei, wie Knyghton meldet, der Papst erschrocken und hätte ,ein Mehreres und Grösseres‘, das er in England auszuführen Willens gewesen, unterlassen.1 Wie sehr man aber die Interessen Frankreichs und des Papstes gleichstellte, sieht man aus der folgenden Be- merkung: ,Aber den König von Frankreich hat er, insoweit er es konnte, unterstützt, aber nur heimlich."2 Die Beschlüsse des Parlaments von 1344 wurden dem Papst durch Briefe des Königs, der Lords und Gemeinen übermittelt. Wie sich die Dinge in der Praxis gestalteten, sah man schon binnen Jahresfrist. Nach dem Tode des Bischofs Antonius Bek von Norwych erhielt dies Bisthum Wilhelm Bathman durch päpstliche Provision. Auf die Nachricht hievon war Eduard III., wie er dem Papste meldete, ganz ,perplex‘, denn ,diese Provision und die jüngst mit dem Parlament ge- troffene Einigung sind einander völlig zuwider‘. Die Sache wurde noch durch den Umstand erschwert, dass Bathman eben damals als Nuntius des apostolischen Stuhles auf dem Wege nach 1 Insuper magnates et proceres regni Angliae oblocuti sunt et minati, quod si papa conferret beneficia ecclesie talibus provisoribus, sive in- digenis sive alienigenis, que quidem beneficia antecessores sui contule- runt viris religiosis et ecclesiasticis in elemosynam, ut pro ipsis et ani- mabus suis orarent: ipsi ea beneficia in manus proprias repeterent, sicuti antecessores habuerant... Verumptamen (papa) regem Franciae in quantum potuit, prout dictum est, secreto tamen modo fovebat et auxiliatus est.
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26 I. Abhandlung: Loserth. England war. Der König war unter diesen Umständen ge- neigt, allerdings unter der feierlichen Erklärung, damit kein Präjudiz für die Zukunft zu schaffen, den Bischof zuzulassen, doch hätte sich der Papst verpflichten müssen, künftighin weder Reservationen noch Provisionen zu ertheilen,1 sondern völlige Freiheit der Wahlen zuzulassen. Der Papst erklärte, hierauf nicht eingehen zu können: Reservationen und Provisionen auszutheilen, sei ein Recht des päpstlichen Stuhles ; darauf könne er im Interesse der Kirche nicht verzichten.2 Seine Vorgänger hätten dies Recht auch in England ausgeübt, es habe sich nie ein Widerstand dagegen erhoben, ja der König wohl selbst für einen Günstling um eine Provision gebeten. Daher sei der Beschluss des Parlaments ungiltig, und die Rathgeber des Königs kennen die Strafen wohl, die Jenen treffen, der sich gegen die Freiheit der Kirche vergehe. Schon verbreite sich das Gerücht, dass in England Edicte und Breves ausgesandt werden, deren Inhalt geeignet sei, die Freiheit der Kirche zu hemmen, den Primat, das Ansehen und die Macht des apostoli- schen Stuhles zu schwächen. Dahin gehöre die Einkerkerung vieler geistlichen Würdenträger. So weit sei es gekommen, dass Niemand es wage, die Bullen des Papstes nach England zu tragen. Zwei Monate später schickte der Papst eine feierliche Gesandtschaft nach England, um die Angelegenheit in seinem Sinne beizulegen: der König, seine Gattin und seine Mutter, die vornehmsten Grossen des Reiches wurden bestürmt, den Status quo ante wiederherzustellen. Als Urheber der Vorfalle wurde kirchlicherseits der Erzbischof Johann von Canterbury angesehen." Die Gesandtschaft erreichte ihren Zweck nicht; die Anordnungen des Parlaments blieben bestehen. 1 Raynald, Ann. Eccl. 1344, 55: Nobis per easdem literas finaliter suppli- cando, ut a reservacionibus et provisionibus episcopatuum eiusdem regni tui supersedere velimus et capitulis ecclesiarum dicti regni electiones libere dimittamus iuxta concessionem predecessorum tuorum inde factam... Uti non intenderimus nec intendamus reservacionibus et provisionibus huiusmodi nisi quantum utilitatibus et necessitatibus ecclesiarum ipsa- rum crediderimus expedire. — Dass dies Argument auf die Zustände der Zeit passte, könnte höchstens ein Ironiker behaupten. Raynald, Ann. Eccl. 1344, 59. 3
26 I. Abhandlung: Loserth. England war. Der König war unter diesen Umständen ge- neigt, allerdings unter der feierlichen Erklärung, damit kein Präjudiz für die Zukunft zu schaffen, den Bischof zuzulassen, doch hätte sich der Papst verpflichten müssen, künftighin weder Reservationen noch Provisionen zu ertheilen,1 sondern völlige Freiheit der Wahlen zuzulassen. Der Papst erklärte, hierauf nicht eingehen zu können: Reservationen und Provisionen auszutheilen, sei ein Recht des päpstlichen Stuhles ; darauf könne er im Interesse der Kirche nicht verzichten.2 Seine Vorgänger hätten dies Recht auch in England ausgeübt, es habe sich nie ein Widerstand dagegen erhoben, ja der König wohl selbst für einen Günstling um eine Provision gebeten. Daher sei der Beschluss des Parlaments ungiltig, und die Rathgeber des Königs kennen die Strafen wohl, die Jenen treffen, der sich gegen die Freiheit der Kirche vergehe. Schon verbreite sich das Gerücht, dass in England Edicte und Breves ausgesandt werden, deren Inhalt geeignet sei, die Freiheit der Kirche zu hemmen, den Primat, das Ansehen und die Macht des apostoli- schen Stuhles zu schwächen. Dahin gehöre die Einkerkerung vieler geistlichen Würdenträger. So weit sei es gekommen, dass Niemand es wage, die Bullen des Papstes nach England zu tragen. Zwei Monate später schickte der Papst eine feierliche Gesandtschaft nach England, um die Angelegenheit in seinem Sinne beizulegen: der König, seine Gattin und seine Mutter, die vornehmsten Grossen des Reiches wurden bestürmt, den Status quo ante wiederherzustellen. Als Urheber der Vorfalle wurde kirchlicherseits der Erzbischof Johann von Canterbury angesehen." Die Gesandtschaft erreichte ihren Zweck nicht; die Anordnungen des Parlaments blieben bestehen. 1 Raynald, Ann. Eccl. 1344, 55: Nobis per easdem literas finaliter suppli- cando, ut a reservacionibus et provisionibus episcopatuum eiusdem regni tui supersedere velimus et capitulis ecclesiarum dicti regni electiones libere dimittamus iuxta concessionem predecessorum tuorum inde factam... Uti non intenderimus nec intendamus reservacionibus et provisionibus huiusmodi nisi quantum utilitatibus et necessitatibus ecclesiarum ipsa- rum crediderimus expedire. — Dass dies Argument auf die Zustände der Zeit passte, könnte höchstens ein Ironiker behaupten. Raynald, Ann. Eccl. 1344, 59. 3
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 27 Diesem Vorgehen gegenüber muss das Verhalten der Curie im Ganzen noch als mild und besonnen bezeichnet werden: es stach in seltsamer Weise gegen das Verhalten Deutschland gegenüber ab; es zeigte sich eben, wie stark die Position eines englischen Königs war, der das Parlament hinter sich wusste.1 Bei dieser Lage der Dinge begreift man, dass auch die päpstliche Vermittlung im englisch-französischen Thronstreit in England mit Misstrauen aufgenommen wurde. Man war geneigt, sich dem Schiedsspruch des Papstes, aber nur in seiner Eigen- schaft als Privatperson, keinesfalls aber als Richter zu unter- werfen.? Ueber die Freiheit kirchlicher Wahlen wurde auch in den folgenden Jahren verhandelt. Das Verhalten Eduards III. war ein höchst ungleiches: Nach dem Tode des Bischofs von Durham, Richard de Bury, setzte er beim Papste die Er- nennung seines Günstlings Thomas Hatfield durch. In England und an der Curie war man damit unzufrieden. Dort klagte man über die Preisgebung des eben durchgeführten Systems freier Wahlen, hier, weil der Ernannte ein leichter Patron und noch dazu ein Laie sei. Lachend sagte der Papst: ,Und wenn der König die Ernennung eines Esels begehrt hätte, ich hätte seiner Bitte willfahrt." Und das ist ja begreiflich : es war die be- quemste Art, sich einer unbequemen Opposition zu entledigen. Bald freilich hatte die Curie Grund zu neuen Klagen: Das englische System, die Kirche zu den schweren Lasten der Kriege heranzuziehen, fand auch in Frankreich Nachahmung. Unter diesen Umständen verdoppelte die Curie ihre Bemü- hungen um die Herstellung des Friedens. Der Erfolg freilich blieb aus. Auch der Verlauf des kirchlichen Streites entsprach den Wünschen des Papstes nicht, und so sah sich Clemens VI. genöthigt, noch einmal ein scharfes Mahnschreiben an den englischen König zu richten. Es ist vom 15. October 1352 1 Vgl. auch Raynald 1345, 12; das Verhalten Ludwig dem Baier gegen- über Raynald 1347, 9. Walsingham, Ypodigma Neustriae: Ad tractandum coram summo ponti- fice de iure suo in regnum Franciae, non ut iudice sed privata persona et amico communi. Rot. parl. II, 136. Walsingham, Ypodigma Neustriae, p. 283. Hist. Angl. I, 264. 2 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 27 Diesem Vorgehen gegenüber muss das Verhalten der Curie im Ganzen noch als mild und besonnen bezeichnet werden: es stach in seltsamer Weise gegen das Verhalten Deutschland gegenüber ab; es zeigte sich eben, wie stark die Position eines englischen Königs war, der das Parlament hinter sich wusste.1 Bei dieser Lage der Dinge begreift man, dass auch die päpstliche Vermittlung im englisch-französischen Thronstreit in England mit Misstrauen aufgenommen wurde. Man war geneigt, sich dem Schiedsspruch des Papstes, aber nur in seiner Eigen- schaft als Privatperson, keinesfalls aber als Richter zu unter- werfen.? Ueber die Freiheit kirchlicher Wahlen wurde auch in den folgenden Jahren verhandelt. Das Verhalten Eduards III. war ein höchst ungleiches: Nach dem Tode des Bischofs von Durham, Richard de Bury, setzte er beim Papste die Er- nennung seines Günstlings Thomas Hatfield durch. In England und an der Curie war man damit unzufrieden. Dort klagte man über die Preisgebung des eben durchgeführten Systems freier Wahlen, hier, weil der Ernannte ein leichter Patron und noch dazu ein Laie sei. Lachend sagte der Papst: ,Und wenn der König die Ernennung eines Esels begehrt hätte, ich hätte seiner Bitte willfahrt." Und das ist ja begreiflich : es war die be- quemste Art, sich einer unbequemen Opposition zu entledigen. Bald freilich hatte die Curie Grund zu neuen Klagen: Das englische System, die Kirche zu den schweren Lasten der Kriege heranzuziehen, fand auch in Frankreich Nachahmung. Unter diesen Umständen verdoppelte die Curie ihre Bemü- hungen um die Herstellung des Friedens. Der Erfolg freilich blieb aus. Auch der Verlauf des kirchlichen Streites entsprach den Wünschen des Papstes nicht, und so sah sich Clemens VI. genöthigt, noch einmal ein scharfes Mahnschreiben an den englischen König zu richten. Es ist vom 15. October 1352 1 Vgl. auch Raynald 1345, 12; das Verhalten Ludwig dem Baier gegen- über Raynald 1347, 9. Walsingham, Ypodigma Neustriae: Ad tractandum coram summo ponti- fice de iure suo in regnum Franciae, non ut iudice sed privata persona et amico communi. Rot. parl. II, 136. Walsingham, Ypodigma Neustriae, p. 283. Hist. Angl. I, 264. 2 3
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28 I. Abhandlung: Loserth. datiert.1 Der Papst klagt über das Vorgehen der königlichen Beamten gegen die Inhaber kirchlicher Stellen in England, die nicht in der Lage seien, dort zu wohnen; seine Mahnungen seien bisher nicht befolgt worden. Nun wird bei Strafe des Bannes dem König und seinen Beamten verboten, gegen die Inhaber dieser Pfründen künftighin in solcher Weise vorzu- gehen; würde der König solcher Mahnung kein Gehör schenken, so würde über ihn der Bann, über das Land das Interdict verhängt werden. Noch erwarte man, es werde dazu nicht kommen, und so verlängerte der Papst zum Zwecke weiterer Verhandlungen, um die der König ersucht habe, die Frist für diese bis Christi Himmelfahrt des nächsten Jahres. Den Aus- gang erlebte Clemens VI. nicht mehr; er starb am 6. December 1352. Ueber die Zusicherungen, die Eduard III., um dem Bann zu entgehen, nach Avignon gelangen liess, wird in den englischen zeitgenössischen Quellen nichts vermerkt. Thatsache aber ist es, dass einzelne Bischöfe während der ganzen Zeit ihrer bischöflichen Würde nicht zum Besitz ihrer Temporalien kamen. Wiclif hat hierüber im Jahre 1378 interessante Mit- theilungen gemacht. Darnach wurde dem Bischof Wilhelm Bathman von Norwich der Temporalienbesitz entzogen, ,wegen der Verachtung‘ (pro contemptu), nämlich der Rechte des Landes.2 So wurde der Bischof Johannes Granson von Exeter und so auch der Bischof Thomas de Lyle von Ely behandelt." Man sieht aus diesem Citat, wie die spätere englische Opposition gegen das Papstthum an die ältere anknüpft und die altere manche Berührungspunkte mit der grossen kirchlichen Opposition unter Ludwig dem Baiern gemeinsam hat, derer letzter bedeutender Träger Wilhelm Occam drei Jahre zuvor gestorben war — ob mit der Kirche versöhnt, das ist noch heute die Frage. 1 Raynald, Ann. Eccl. 1352, 17. De Eccl. p. 332: Nam temporalia domini Willelmi Bathman Norwycensis capta sunt in manus regis et tenta duodecim annis continuis pro contemptu. Et idem contigit de domino Johanne Gransoni Exoniensi, de fratre Thoma de Lyle episcopo Heliensi, et sic de multis ablacioni- bus, quas diebus nostris cognovimus ... Walsingham, Hist. Angl. I, 278. Ann. Eccl. 1354, 31. Ein interessanter Bericht bei Knyghton IV, 2609.
28 I. Abhandlung: Loserth. datiert.1 Der Papst klagt über das Vorgehen der königlichen Beamten gegen die Inhaber kirchlicher Stellen in England, die nicht in der Lage seien, dort zu wohnen; seine Mahnungen seien bisher nicht befolgt worden. Nun wird bei Strafe des Bannes dem König und seinen Beamten verboten, gegen die Inhaber dieser Pfründen künftighin in solcher Weise vorzu- gehen; würde der König solcher Mahnung kein Gehör schenken, so würde über ihn der Bann, über das Land das Interdict verhängt werden. Noch erwarte man, es werde dazu nicht kommen, und so verlängerte der Papst zum Zwecke weiterer Verhandlungen, um die der König ersucht habe, die Frist für diese bis Christi Himmelfahrt des nächsten Jahres. Den Aus- gang erlebte Clemens VI. nicht mehr; er starb am 6. December 1352. Ueber die Zusicherungen, die Eduard III., um dem Bann zu entgehen, nach Avignon gelangen liess, wird in den englischen zeitgenössischen Quellen nichts vermerkt. Thatsache aber ist es, dass einzelne Bischöfe während der ganzen Zeit ihrer bischöflichen Würde nicht zum Besitz ihrer Temporalien kamen. Wiclif hat hierüber im Jahre 1378 interessante Mit- theilungen gemacht. Darnach wurde dem Bischof Wilhelm Bathman von Norwich der Temporalienbesitz entzogen, ,wegen der Verachtung‘ (pro contemptu), nämlich der Rechte des Landes.2 So wurde der Bischof Johannes Granson von Exeter und so auch der Bischof Thomas de Lyle von Ely behandelt." Man sieht aus diesem Citat, wie die spätere englische Opposition gegen das Papstthum an die ältere anknüpft und die altere manche Berührungspunkte mit der grossen kirchlichen Opposition unter Ludwig dem Baiern gemeinsam hat, derer letzter bedeutender Träger Wilhelm Occam drei Jahre zuvor gestorben war — ob mit der Kirche versöhnt, das ist noch heute die Frage. 1 Raynald, Ann. Eccl. 1352, 17. De Eccl. p. 332: Nam temporalia domini Willelmi Bathman Norwycensis capta sunt in manus regis et tenta duodecim annis continuis pro contemptu. Et idem contigit de domino Johanne Gransoni Exoniensi, de fratre Thoma de Lyle episcopo Heliensi, et sic de multis ablacioni- bus, quas diebus nostris cognovimus ... Walsingham, Hist. Angl. I, 278. Ann. Eccl. 1354, 31. Ein interessanter Bericht bei Knyghton IV, 2609.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 29 Eine leichtere Aufgabe den englischen Verhältnissen gegen- über als Clemens VI. hatte Innocenz VI. Zunächst durfte man erwarten, dass er die Vermittlungsrolle im englisch-französischen Thronstreit aufrichtiger durchführen werde als sein Vorgänger, gegen den man ein unbesiegbares Misstrauen gehegt hatte. In der That bewies man in England dem neuen Papste grosses Ent- gegenkommen. Gleich der erste Bischofsitz, der nun zur Erle- digung kam, es war der von Rochester,I wurde durch eine päpst- liche Provision besetzt, und so in der Folge Ely, Lichfield und andere. Das System der Reservationen nahm wieder im ausge- dehnten Masse zu. Auch sonst bewies der englische Clerus grosse Opferwilligkeit gegenüber den Bedürfnissen der Curie, und nicht minder gross war die Nachsicht des Königs. Kam es doch nun wieder vor, dass dem Papste ein ganzer Zehent von 100.000 Gold- gulden von allem geistlichen Besitz in England gezahlt wurde." Auch die Friedensvermittlung des Papstes gewann mehr Aussicht auf Erfolg; wenn die Verhandlungen schliesslich auch diesmal zu keinem Ziele führten, so konnte der Curie kein Ver- schulden beigemessen werden: �Wenn unsere Mühen," schreibt der Papst, ,nicht von Erfolg gekrönt sind, darf kein Dritter sie irgendwie verdächtigen." Die Schlacht bei Maupertuis, die das unvergleichliche Feldherrntalent des schwarzen Prinzen gewann, anderte ohnehin schon in der nächsten Zeit die Lage der Dinge. Von einer gewissen Vorliebe für Frankreich war auch Innocenz VI. nicht freizusprechen: ,Als wir,' schreibt er an Karl IV., ,die Botschaft von der Gefangennahme des fran- zösischen Königs empfiengen, entsank uns alle Lebenskraft, und unsere Besinnung schwand dahin." Der Kaiser, denn ,er allein könne in diesem Elend Heilung bringen", wird dringend er- sucht, sich nach dem Westen seines Reiches zu begeben, um den verderblichen Krieg endlich beizulegen.4 Man kann be� 1 Eodem anno Haymo Atte Heth, episcopus Roffensis sponte et notorie renunciavit episcopatui resignans illum in manus pape. Cui papa pro- vidit de magistro Joanne Schepeye, monacho et priore dictae sedis; Walsingham, p. 276. Harpesfield aus dem Register Simon Islep’s. Raynald, Ann. Eccl. 1356, 4. Raynald, Ann. Eccl. 1356, 10. Knyghton: Hic erat multum favorabilis regi Francie contra regem Angliae. 3 4
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 29 Eine leichtere Aufgabe den englischen Verhältnissen gegen- über als Clemens VI. hatte Innocenz VI. Zunächst durfte man erwarten, dass er die Vermittlungsrolle im englisch-französischen Thronstreit aufrichtiger durchführen werde als sein Vorgänger, gegen den man ein unbesiegbares Misstrauen gehegt hatte. In der That bewies man in England dem neuen Papste grosses Ent- gegenkommen. Gleich der erste Bischofsitz, der nun zur Erle- digung kam, es war der von Rochester,I wurde durch eine päpst- liche Provision besetzt, und so in der Folge Ely, Lichfield und andere. Das System der Reservationen nahm wieder im ausge- dehnten Masse zu. Auch sonst bewies der englische Clerus grosse Opferwilligkeit gegenüber den Bedürfnissen der Curie, und nicht minder gross war die Nachsicht des Königs. Kam es doch nun wieder vor, dass dem Papste ein ganzer Zehent von 100.000 Gold- gulden von allem geistlichen Besitz in England gezahlt wurde." Auch die Friedensvermittlung des Papstes gewann mehr Aussicht auf Erfolg; wenn die Verhandlungen schliesslich auch diesmal zu keinem Ziele führten, so konnte der Curie kein Ver- schulden beigemessen werden: �Wenn unsere Mühen," schreibt der Papst, ,nicht von Erfolg gekrönt sind, darf kein Dritter sie irgendwie verdächtigen." Die Schlacht bei Maupertuis, die das unvergleichliche Feldherrntalent des schwarzen Prinzen gewann, anderte ohnehin schon in der nächsten Zeit die Lage der Dinge. Von einer gewissen Vorliebe für Frankreich war auch Innocenz VI. nicht freizusprechen: ,Als wir,' schreibt er an Karl IV., ,die Botschaft von der Gefangennahme des fran- zösischen Königs empfiengen, entsank uns alle Lebenskraft, und unsere Besinnung schwand dahin." Der Kaiser, denn ,er allein könne in diesem Elend Heilung bringen", wird dringend er- sucht, sich nach dem Westen seines Reiches zu begeben, um den verderblichen Krieg endlich beizulegen.4 Man kann be� 1 Eodem anno Haymo Atte Heth, episcopus Roffensis sponte et notorie renunciavit episcopatui resignans illum in manus pape. Cui papa pro- vidit de magistro Joanne Schepeye, monacho et priore dictae sedis; Walsingham, p. 276. Harpesfield aus dem Register Simon Islep’s. Raynald, Ann. Eccl. 1356, 4. Raynald, Ann. Eccl. 1356, 10. Knyghton: Hic erat multum favorabilis regi Francie contra regem Angliae. 3 4
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30 I. Abhandlung: Loserth. merken, dass auch die Glückwünsche an den Sieger ihm nicht vom Herzen kommen. Jedesfalls bot das Unglück, das den französischen König getroffen, den Anlass zu erneuten Anstren- gungen für die Herstellung des Friedens, und eine aufrichtige Freude gewährte es ihm, als dieser endlich zu Stande kam. Er gewährte ihm auch gern seine Bestätigung. 3. Der päpstliche Lehenszins und das angebliche Auf- treten Wiclif’s als Kirchenpolitiker in den Jahren 1365 und 1366. Am 12. September 1362 war Innocenz VI. in Avignon gestorben. Gewählt wurde am 28. October Wilhelm Grimoard, Abt des Benedictinerklosters St. Victor bei Marseille. Er hatte sich bisher bei verschiedenen Missionen bewährt und weilte eben noch als Legat in Neapel. Am 6. November wurde er als Urban V. inthronisiert. Unter den Päpsten der ganzen Periode war er zweifellos der trefflichste. Ein ausgesprochener Feind des Nepotismus und des übermässigen Luxus, erliess er bald im Anfange strenge Gebote gegen die Häufung der Pfrün- den — eine Sache, die man ihm in England namentlich hoch anrechnete;1 höher schätzte man das, dass er, dem stürmischen Drängen der gesammten abendländischen Christenheit weichend, nach Rom gieng. Wenn er auf alte Rechte der Kirche zu- rückgriff und sie, wo sie in Vergessenheit gekommen waren, wieder in Erinnerung brachte, so wird man das natürlich finden, und begreiflich, dass es jetzt geschah, wo an die Curie erhöhte Anforderungen herantraten. Am 6. Juni 1365 richtete er ein Schreiben an Eduard III." und forderte ihn auf, den schon seit 33 Jahren schuldigen Lehenszins jährlicher 1000 Mark an die Curie zu entrichten. Mit dieser Forderung Urbans V. bringt man das erste Auf- 1 Walsingham I, 298: Quo anno (1363) papa pluralitates revocavit de- cernens facto decretalis horribilis sufficere clerico rectoriam cum quatuor praebendis, minoribus vero minus... Gedr. in Raynald, Ann. Eccl. 1365, 13, aber mit der falschen Datierung Id. statt VIII Id., s. Beilage Nr. 1. Dr. S. Steinherz hatte die Freund- lichkeit, das Stück für mich in dem vaticanischen Register durchzusehen.
30 I. Abhandlung: Loserth. merken, dass auch die Glückwünsche an den Sieger ihm nicht vom Herzen kommen. Jedesfalls bot das Unglück, das den französischen König getroffen, den Anlass zu erneuten Anstren- gungen für die Herstellung des Friedens, und eine aufrichtige Freude gewährte es ihm, als dieser endlich zu Stande kam. Er gewährte ihm auch gern seine Bestätigung. 3. Der päpstliche Lehenszins und das angebliche Auf- treten Wiclif’s als Kirchenpolitiker in den Jahren 1365 und 1366. Am 12. September 1362 war Innocenz VI. in Avignon gestorben. Gewählt wurde am 28. October Wilhelm Grimoard, Abt des Benedictinerklosters St. Victor bei Marseille. Er hatte sich bisher bei verschiedenen Missionen bewährt und weilte eben noch als Legat in Neapel. Am 6. November wurde er als Urban V. inthronisiert. Unter den Päpsten der ganzen Periode war er zweifellos der trefflichste. Ein ausgesprochener Feind des Nepotismus und des übermässigen Luxus, erliess er bald im Anfange strenge Gebote gegen die Häufung der Pfrün- den — eine Sache, die man ihm in England namentlich hoch anrechnete;1 höher schätzte man das, dass er, dem stürmischen Drängen der gesammten abendländischen Christenheit weichend, nach Rom gieng. Wenn er auf alte Rechte der Kirche zu- rückgriff und sie, wo sie in Vergessenheit gekommen waren, wieder in Erinnerung brachte, so wird man das natürlich finden, und begreiflich, dass es jetzt geschah, wo an die Curie erhöhte Anforderungen herantraten. Am 6. Juni 1365 richtete er ein Schreiben an Eduard III." und forderte ihn auf, den schon seit 33 Jahren schuldigen Lehenszins jährlicher 1000 Mark an die Curie zu entrichten. Mit dieser Forderung Urbans V. bringt man das erste Auf- 1 Walsingham I, 298: Quo anno (1363) papa pluralitates revocavit de- cernens facto decretalis horribilis sufficere clerico rectoriam cum quatuor praebendis, minoribus vero minus... Gedr. in Raynald, Ann. Eccl. 1365, 13, aber mit der falschen Datierung Id. statt VIII Id., s. Beilage Nr. 1. Dr. S. Steinherz hatte die Freund- lichkeit, das Stück für mich in dem vaticanischen Register durchzusehen.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 31 treten Wiclif's in kirchenpolitischen Fragen in Zusammenhang." Wollen wir den neuesten Biographen Wiclif’s Glauben schenken, so gerieth das Land bei dieser Forderung Wiclif’s in eine starke patriotische Aufwallung. Man habe an den König Drohungen gelangen lassen: für den Fall, als er sich weigern sollte, der Forderung zu genügen, wurde er vorgeladen, sich vor dem Papst persönlich zu stellen." Von einer Vorladung des Königs für den Fall, dass die Summe nicht gezahlt würde, ist in dem Briefe keine Rede. Auch in dem vertraulichen Schreiben, das dem Gesandten des Papstes, dem Abt Johann des Benedictinerklosters St. Bavo in Gent, über sein Verhalten mitgesandt wurde, findet sich hierüber kein Wort." Es wird ihm nur befohlen, sich unver- züglich zum König zu begeben und von ihm zu fordern, die schuldige Summe rasch zu begleichen, da die Kirche in ihrer augenblicklichen Bedrängung durch ruchlose Söldnerschaaren ihrer bedürfe. Ebensowenig darf man auf Grund des päpst- lichen Schreibens etwa sagen, dass der Papst auf französische Einflüsse die so lang zurückgestellte Forderung auf die Tages- ordnung gestellt habe. Der Standpunkt des Papstes ist ein völlig correcter, sein Anspruch gerecht, seine Haltung massvoll. Die Curie, wiewohl oft in grossen Bedrängnissen, habe ihre Forderung bisher nicht erhoben. Sie erkannte Englands Noth, das, in schwere Kämpfe verwickelt, nicht in der Lage war, diese Zahlungen zu leisten. Nun erfreut es sich des Friedens, das Land ist reich und möge daher seinen Verpflichtungen nachkommen. Von einer patriotischen Erregung, in die das Land an- geblich versetzt wurde, vernimmt man nichts; es ist bemerkens- werth: die gleichzeitigen, sonst recht gesprächigen Quellen ver- lieren über die ganze Angelegenheit kein Wort. Die Erregung 1 Lechler, Johann von Wiclif I, 321. Buddensieg, Johann Wiclif und seine Zeit, S. 118. 2 S. meinen Aufsatz in der English Historical Review, April 1896: The beginnings of Wyclifs activity in ecclesiastical politics. S. Beilage Nr. 1. Leider findet sich die Cedula interclusa, von der in dem Schreiben an den Abt Johann die Rede ist, im päpstlichen Register nicht mehr vor. Die Cedula interclusa dürfte eine Berechnung der schuldigen Summe enthalten haben. 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 31 treten Wiclif's in kirchenpolitischen Fragen in Zusammenhang." Wollen wir den neuesten Biographen Wiclif’s Glauben schenken, so gerieth das Land bei dieser Forderung Wiclif’s in eine starke patriotische Aufwallung. Man habe an den König Drohungen gelangen lassen: für den Fall, als er sich weigern sollte, der Forderung zu genügen, wurde er vorgeladen, sich vor dem Papst persönlich zu stellen." Von einer Vorladung des Königs für den Fall, dass die Summe nicht gezahlt würde, ist in dem Briefe keine Rede. Auch in dem vertraulichen Schreiben, das dem Gesandten des Papstes, dem Abt Johann des Benedictinerklosters St. Bavo in Gent, über sein Verhalten mitgesandt wurde, findet sich hierüber kein Wort." Es wird ihm nur befohlen, sich unver- züglich zum König zu begeben und von ihm zu fordern, die schuldige Summe rasch zu begleichen, da die Kirche in ihrer augenblicklichen Bedrängung durch ruchlose Söldnerschaaren ihrer bedürfe. Ebensowenig darf man auf Grund des päpst- lichen Schreibens etwa sagen, dass der Papst auf französische Einflüsse die so lang zurückgestellte Forderung auf die Tages- ordnung gestellt habe. Der Standpunkt des Papstes ist ein völlig correcter, sein Anspruch gerecht, seine Haltung massvoll. Die Curie, wiewohl oft in grossen Bedrängnissen, habe ihre Forderung bisher nicht erhoben. Sie erkannte Englands Noth, das, in schwere Kämpfe verwickelt, nicht in der Lage war, diese Zahlungen zu leisten. Nun erfreut es sich des Friedens, das Land ist reich und möge daher seinen Verpflichtungen nachkommen. Von einer patriotischen Erregung, in die das Land an- geblich versetzt wurde, vernimmt man nichts; es ist bemerkens- werth: die gleichzeitigen, sonst recht gesprächigen Quellen ver- lieren über die ganze Angelegenheit kein Wort. Die Erregung 1 Lechler, Johann von Wiclif I, 321. Buddensieg, Johann Wiclif und seine Zeit, S. 118. 2 S. meinen Aufsatz in der English Historical Review, April 1896: The beginnings of Wyclifs activity in ecclesiastical politics. S. Beilage Nr. 1. Leider findet sich die Cedula interclusa, von der in dem Schreiben an den Abt Johann die Rede ist, im päpstlichen Register nicht mehr vor. Die Cedula interclusa dürfte eine Berechnung der schuldigen Summe enthalten haben. 3
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32 I. Abhandlung: Loserth. über die Forderung wird demnach im Lande entweder über- haupt nicht vorhanden oder nicht bedeutend gewesen sein. Das Parlament, an das sich die Krone wandte, erklärte im Mai des folgenden Jahres: Weder König Johann, noch irgend ein Anderer habe das Recht gehabt, das Reich oder die Nation ohne deren Zustimmung einer fremden Macht zu unterwerfen. Johanns Einwilligung sei ohne diese Zustimmung, ja gegen den ausdrücklichen Eid, den er bei seiner Krönung geschworen, gegeben worden. Sollte der Papst seine Forderung mit Gewalt durchsetzen wollen, so würden ihm die Stände mit aller Kraft Widerstand leisten.1 „Bei dieser Nationalangelegenheit‘ soll nun auch Wiclif betheiligt gewesen sein." Man ist der Ansicht, dass Wiclif über diese staatsrechtliche Frage eine Streitschrift ganz im Sinne der parlamentarischen Erklärung veröffentlicht habe und dies anlässlich einer Herausforderung, die ein ungenannter Doctor der Theologie aus den Mönchsorden an ihn persönlich gerichtet hatte. Sehen wir zu, was es mit dieser Streitschrift für eine Bewandtniss hat, ob sie von Wiclif herrührt und dem Jahre 1366 oder 1367 angehören kann." In Bezug auf den ersten Punkt existiert kein Zweifel; man hat aber ganz über- sehen, dass es sich in diesem Tractat um Dinge handelt, die weder 1365 noch 1366, sondern erst zehn Jahre später öffentlich erörtert worden sind. In dieser Streitschrift sollen nicht etwa von vornherein die päpstlichen Ansprüche auf den Lehenszins zurückgewiesen werden: es werden Fragen beantwortet, die in dem ,guten‘ Parlament erörtert wurden. Die Frage wegen des Lehenzinses ist, wie Wiclif selbst sagt, von seinem Gegner 1 Pauli, Geschichte Englands IV, 480. Lechler I, 322. So Lechler im Wesentlichen nach Pauli, der auch der Ansicht ist, ,Wiclif habe sich bald nach 1366 zum ersten Male auf praktisch staatsrechtlichen Boden gewagt und gegen einen Mönch in kühner Schrift den Parla- mentsbeschluss wegen Abschaffung des Lehenszinses Johanns ohne Land vertheidigt. Sie findet sich in einem sehr ungenauen Drucke bei Lewis, The History of John Wicliffe, S. 363 der Ausgabe von 1720. Ueber die Ueberlieferung des Textes s. Matthew, Unprinted English Works of Wyclif V, Nr. 2. Kritisch bezüglich der Zeit der Abfassung verhält sich schon Matthew, ohne aber die Sache in Erörterung zu ziehen. Er begnügt sich mit der Bemerkung: I confess to much doubt on this point.“ 2
32 I. Abhandlung: Loserth. über die Forderung wird demnach im Lande entweder über- haupt nicht vorhanden oder nicht bedeutend gewesen sein. Das Parlament, an das sich die Krone wandte, erklärte im Mai des folgenden Jahres: Weder König Johann, noch irgend ein Anderer habe das Recht gehabt, das Reich oder die Nation ohne deren Zustimmung einer fremden Macht zu unterwerfen. Johanns Einwilligung sei ohne diese Zustimmung, ja gegen den ausdrücklichen Eid, den er bei seiner Krönung geschworen, gegeben worden. Sollte der Papst seine Forderung mit Gewalt durchsetzen wollen, so würden ihm die Stände mit aller Kraft Widerstand leisten.1 „Bei dieser Nationalangelegenheit‘ soll nun auch Wiclif betheiligt gewesen sein." Man ist der Ansicht, dass Wiclif über diese staatsrechtliche Frage eine Streitschrift ganz im Sinne der parlamentarischen Erklärung veröffentlicht habe und dies anlässlich einer Herausforderung, die ein ungenannter Doctor der Theologie aus den Mönchsorden an ihn persönlich gerichtet hatte. Sehen wir zu, was es mit dieser Streitschrift für eine Bewandtniss hat, ob sie von Wiclif herrührt und dem Jahre 1366 oder 1367 angehören kann." In Bezug auf den ersten Punkt existiert kein Zweifel; man hat aber ganz über- sehen, dass es sich in diesem Tractat um Dinge handelt, die weder 1365 noch 1366, sondern erst zehn Jahre später öffentlich erörtert worden sind. In dieser Streitschrift sollen nicht etwa von vornherein die päpstlichen Ansprüche auf den Lehenszins zurückgewiesen werden: es werden Fragen beantwortet, die in dem ,guten‘ Parlament erörtert wurden. Die Frage wegen des Lehenzinses ist, wie Wiclif selbst sagt, von seinem Gegner 1 Pauli, Geschichte Englands IV, 480. Lechler I, 322. So Lechler im Wesentlichen nach Pauli, der auch der Ansicht ist, ,Wiclif habe sich bald nach 1366 zum ersten Male auf praktisch staatsrechtlichen Boden gewagt und gegen einen Mönch in kühner Schrift den Parla- mentsbeschluss wegen Abschaffung des Lehenszinses Johanns ohne Land vertheidigt. Sie findet sich in einem sehr ungenauen Drucke bei Lewis, The History of John Wicliffe, S. 363 der Ausgabe von 1720. Ueber die Ueberlieferung des Textes s. Matthew, Unprinted English Works of Wyclif V, Nr. 2. Kritisch bezüglich der Zeit der Abfassung verhält sich schon Matthew, ohne aber die Sache in Erörterung zu ziehen. Er begnügt sich mit der Bemerkung: I confess to much doubt on this point.“ 2
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 33 ungehöriger Weise hereingezogen worden, musste aber, da sie einmal gestellt war, auch beantwortet werden. Wiclif lässt in diesem Tractate sieben Lords auftreten. Sie weisen die Ansprüche des Papstes auf den Lehenszins allerdings ab, thun dies aber vermittelst solcher Motive und in Worten, die Wiclif weder 1366 noch 1367 gebraucht haben würde, die er aber 10 oder 11 Jahre später ganz passend fand. Gleich der erste Lord begründet seinen Satz: ,Man muss dem Papst den Tribut versagen; will er ihn mit dem Schwert er- zwingen, wir werden uns wehren‘, mit einem Motiv Wiclif's, das in der Hauptsache mit den ersten seiner vom Papst im Jahre 1377 verdammten Conclusionen und seinen Ausführungen in dem Buche ,Von der göttlichen Herrschaft' übereinstimmt; denn wenn der Lord sagt: Es gibt keine (bürgerliche) Herr� schaft von ewiger Dauer, so lautet die zweite Conclusion: Gott kann dem Menschen keine bürgerliche Herrschaft von immer- währender Dauer geben. Das sind Lehrsätze, die er erst in der Zeit, als die Frage wegen Einziehung des Kirchengutes die Gemüther erregte, aufstellte. Der zweite Lord entwickelt den bekannten Satz Wiclif’s: Der Papst ist gar nicht fahig zu herrschen. Thut er es den- noch, so muss man ihm entgegentreten. Der Papst muss näm- lich der vornehmste Nachfolger Christi sein. Christus aber hat alle weltliche Herrschaft verschmäht, folglich muss das auch der Papst thun nach den Worten: Die Füchse haben ihre Gruben, die Vögel ihre Nester: des Menschen Sohn aber hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen könnte. Da wir aber den Papst zur Erfüllung seiner Pflichten zu verhalten haben, so folgt, dass wir ihm den verlangten Tribut versagen müssen." Auch dieser Theil enthält einen Satz, den Wiclif in seinen späteren Schriften mit besonderer Vorliebe behandelt: Ein Geist- licher, und sei es selbst der Papst, der seinen Pflichten ent- gegenhandelt, kann auch von Laien zur Pflichterfüllung ge- zwungen werden. So hat Wiclif in einer Zeit, da er selbst noch an den Papst appellierte, nicht geschrieben; so natürlich 1 Cum igitur debemus papam ad observanciam religionis sue astringere, probatur, quod tenemur in exaccione huius condicionis resistere sibi. Dazu stimmen die 17. und 19. Conclusion. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXXVI. Bd. 1. Abh. 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 33 ungehöriger Weise hereingezogen worden, musste aber, da sie einmal gestellt war, auch beantwortet werden. Wiclif lässt in diesem Tractate sieben Lords auftreten. Sie weisen die Ansprüche des Papstes auf den Lehenszins allerdings ab, thun dies aber vermittelst solcher Motive und in Worten, die Wiclif weder 1366 noch 1367 gebraucht haben würde, die er aber 10 oder 11 Jahre später ganz passend fand. Gleich der erste Lord begründet seinen Satz: ,Man muss dem Papst den Tribut versagen; will er ihn mit dem Schwert er- zwingen, wir werden uns wehren‘, mit einem Motiv Wiclif's, das in der Hauptsache mit den ersten seiner vom Papst im Jahre 1377 verdammten Conclusionen und seinen Ausführungen in dem Buche ,Von der göttlichen Herrschaft' übereinstimmt; denn wenn der Lord sagt: Es gibt keine (bürgerliche) Herr� schaft von ewiger Dauer, so lautet die zweite Conclusion: Gott kann dem Menschen keine bürgerliche Herrschaft von immer- währender Dauer geben. Das sind Lehrsätze, die er erst in der Zeit, als die Frage wegen Einziehung des Kirchengutes die Gemüther erregte, aufstellte. Der zweite Lord entwickelt den bekannten Satz Wiclif’s: Der Papst ist gar nicht fahig zu herrschen. Thut er es den- noch, so muss man ihm entgegentreten. Der Papst muss näm- lich der vornehmste Nachfolger Christi sein. Christus aber hat alle weltliche Herrschaft verschmäht, folglich muss das auch der Papst thun nach den Worten: Die Füchse haben ihre Gruben, die Vögel ihre Nester: des Menschen Sohn aber hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen könnte. Da wir aber den Papst zur Erfüllung seiner Pflichten zu verhalten haben, so folgt, dass wir ihm den verlangten Tribut versagen müssen." Auch dieser Theil enthält einen Satz, den Wiclif in seinen späteren Schriften mit besonderer Vorliebe behandelt: Ein Geist- licher, und sei es selbst der Papst, der seinen Pflichten ent- gegenhandelt, kann auch von Laien zur Pflichterfüllung ge- zwungen werden. So hat Wiclif in einer Zeit, da er selbst noch an den Papst appellierte, nicht geschrieben; so natürlich 1 Cum igitur debemus papam ad observanciam religionis sue astringere, probatur, quod tenemur in exaccione huius condicionis resistere sibi. Dazu stimmen die 17. und 19. Conclusion. Sitzungsber. d. phil.-hist. Cl. CXXXVI. Bd. 1. Abh. 3
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34 I. Abhandlung: Loserth. diese Redeweise 1377 oder 1378 ist, so unwahrscheinlich ist sie 1366 oder 1367. Der dritte Lord bewegt sich ebenfalls in der Gedanken- sphäre Wiclif’s, doch gleichfalls in der einer späteren Zeit: Die Geistlichkeit, sagt er, hat die Pflicht, das Volk zu erbauen. Der Papst als der Höchste hat diese Pflicht im höchsten Grade zu erfüllen; erfüllt er sie nicht, so darf er keine Leistung durch das Land beanspruchen, und wenn er dies thut, ist sie ihm zu verweigern. Das trifft in dem vorliegenden Falle zu, denn weder Papst noch Cardinäle thun etwas zur Erbauung der Kirche in England. Noch mehr als der dritte befindet sich der vierte Lord im Banne Wiclif'scher Anschauungen. Das Meiste von dem, was er sagt, findet sich wortgetreu im 15. Capitel von Wiclif’s Buch ,Von der Kirche‘, das 1378 geschrieben wurde.1 In höherem Grade noch gehören jene Sätze, die dem sechsten Lord in den Mund gelegt werden, einer späteren Periode Wiclif’s an. Auch sie haben ihre Verwerthung zu- Quartus dominus: De Ecclesia, p. 338—339: . . . . . Cum ergo circa tertiam partem regni vel amplius sit mortificatum ecclesie, videtur quod papa sit dominus illorum omnium. In cuius signum post vaca- cionem particularis ecclesie per mortem prepositi exigit tamquam illorum bonorum dominus primos fructus... Cum ergo in civili dominio non possunt esse duo dominantes ex aequo, sed oportet quod unus sit capitalis dominus et alter subdo- minans, videtur quod oportet... Regem autem nostrum nolumus in hac parte sibi subicere, cum do- nans quisque ad manum mortuam sibi reservat capitale dominium. Immo relinquitur, quod papa de- bet pro isto tempore esse regni vel regis subditus vel vasallus. . . . .. Cum plus quam quarta pars regni sit devoluta ad manum mortuam, sequitur, quod rex noster non sit rex tocius Anglie. In cuius signum papa ha- bet post mortem multorum prela- torum et abbatum in Anglia pri- mos fructus... Cum enim dicunt quod papa dominetur civiliter, nec est possi- bile quod due tam disparate per- sone dominentur civiliter super eodem, relinquitur eis dicere, quod... . . . . . .
34 I. Abhandlung: Loserth. diese Redeweise 1377 oder 1378 ist, so unwahrscheinlich ist sie 1366 oder 1367. Der dritte Lord bewegt sich ebenfalls in der Gedanken- sphäre Wiclif’s, doch gleichfalls in der einer späteren Zeit: Die Geistlichkeit, sagt er, hat die Pflicht, das Volk zu erbauen. Der Papst als der Höchste hat diese Pflicht im höchsten Grade zu erfüllen; erfüllt er sie nicht, so darf er keine Leistung durch das Land beanspruchen, und wenn er dies thut, ist sie ihm zu verweigern. Das trifft in dem vorliegenden Falle zu, denn weder Papst noch Cardinäle thun etwas zur Erbauung der Kirche in England. Noch mehr als der dritte befindet sich der vierte Lord im Banne Wiclif'scher Anschauungen. Das Meiste von dem, was er sagt, findet sich wortgetreu im 15. Capitel von Wiclif’s Buch ,Von der Kirche‘, das 1378 geschrieben wurde.1 In höherem Grade noch gehören jene Sätze, die dem sechsten Lord in den Mund gelegt werden, einer späteren Periode Wiclif’s an. Auch sie haben ihre Verwerthung zu- Quartus dominus: De Ecclesia, p. 338—339: . . . . . Cum ergo circa tertiam partem regni vel amplius sit mortificatum ecclesie, videtur quod papa sit dominus illorum omnium. In cuius signum post vaca- cionem particularis ecclesie per mortem prepositi exigit tamquam illorum bonorum dominus primos fructus... Cum ergo in civili dominio non possunt esse duo dominantes ex aequo, sed oportet quod unus sit capitalis dominus et alter subdo- minans, videtur quod oportet... Regem autem nostrum nolumus in hac parte sibi subicere, cum do- nans quisque ad manum mortuam sibi reservat capitale dominium. Immo relinquitur, quod papa de- bet pro isto tempore esse regni vel regis subditus vel vasallus. . . . .. Cum plus quam quarta pars regni sit devoluta ad manum mortuam, sequitur, quod rex noster non sit rex tocius Anglie. In cuius signum papa ha- bet post mortem multorum prela- torum et abbatum in Anglia pri- mos fructus... Cum enim dicunt quod papa dominetur civiliter, nec est possi- bile quod due tam disparate per- sone dominentur civiliter super eodem, relinquitur eis dicere, quod... . . . . . .
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 35 nächst in dem Buch ,Von der Kirche‘ gefunden. Hier finden wir bereits den Satz: Haupt der Kirche ist Christus. Dann: Der Papst ist ein sündiger Mensch, der, wenn er in der Sünde verharrt, seine Herrschaft verliert, oder Erörterungen wie: Der Oberlehensherr ist Christus, der Papst ein fehlbarer Mensch, der also ein Anrecht auf den Besitz Englands nicht geltend machen kann. Endlich gehört auch das, was Wiclif dem siebenten Lord in den Mund legt, einer späteren Zeit an. Führt schon diese Erörterung zu dem Resultat, dass der von Lewis mitgetheilte Tractat nicht in das Jahr 1366, sondern erst in die auf das gute Parlament folgende Zeit gehört, so gibt es doch noch weitere Anhaltspunkte, die Abfassungszeit genauer zu bestimmen. Wiclif erwähnt die Schrift seines Gegners thatsächlich im 15. Capitel seines Buches ,Von der Kirche‘ und bringt auch dort seine Erwiderung vor. Eben hat er davon gesprochen, dass die Temporaliensperre in Eng- land weder etwas Neues noch etwas Unerhörtes sei. Er führt das Beispiel Wilhelms des Eroberers an, der Stiftungen ein- gezogen, verändert, verlegt und an Ausländer überwiesen habe, er weist auf die Behandlung der Templer hin, auf das Beispiel des Bischofs Wilhelm Bathman von Norwich, des Johannes Granson von Exeter, Thomas de Lyle von Hely und sagt dann: das sei auch die Praxis Richards II. Niemandem falle es deswegen ein, die Curie zu befragen, denn das seien Dinge, die allein der Krone zukommen. In dieser Frage, sagt Wiclif, habe ich einen Gegner, der mir aus eigenem Antrieb schriftlich drei Conclusionen, die zu dieser Sache gehören, geschickt hat. Man beachte zunächst, dass Wiclif (1378) von der Gegen- wart spricht: �habe ich einen Gegner‘. Diese drei Conclusionen sind es nun aber, die uns in dem von Lewis abgedruckten Tractate vorliegen. Sie gehören demnach, wie sich aus dem Gesagten ergibt, nicht in das Jahr 1366, sondern 1377. Gleich die erste Conclusion: Weltliche Herren sind be- rechtigt, in einem gegebenen Falle in rechtmässiger Weise der Geistlichkeit ihr Gut zu nehmen, ist von Wiclif erst in der Zeit des guten Parlaments von der Katheder herab vertheidigt worden. Es ist die siebzehnte von den neunzehn Conclusionen,
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 35 nächst in dem Buch ,Von der Kirche‘ gefunden. Hier finden wir bereits den Satz: Haupt der Kirche ist Christus. Dann: Der Papst ist ein sündiger Mensch, der, wenn er in der Sünde verharrt, seine Herrschaft verliert, oder Erörterungen wie: Der Oberlehensherr ist Christus, der Papst ein fehlbarer Mensch, der also ein Anrecht auf den Besitz Englands nicht geltend machen kann. Endlich gehört auch das, was Wiclif dem siebenten Lord in den Mund legt, einer späteren Zeit an. Führt schon diese Erörterung zu dem Resultat, dass der von Lewis mitgetheilte Tractat nicht in das Jahr 1366, sondern erst in die auf das gute Parlament folgende Zeit gehört, so gibt es doch noch weitere Anhaltspunkte, die Abfassungszeit genauer zu bestimmen. Wiclif erwähnt die Schrift seines Gegners thatsächlich im 15. Capitel seines Buches ,Von der Kirche‘ und bringt auch dort seine Erwiderung vor. Eben hat er davon gesprochen, dass die Temporaliensperre in Eng- land weder etwas Neues noch etwas Unerhörtes sei. Er führt das Beispiel Wilhelms des Eroberers an, der Stiftungen ein- gezogen, verändert, verlegt und an Ausländer überwiesen habe, er weist auf die Behandlung der Templer hin, auf das Beispiel des Bischofs Wilhelm Bathman von Norwich, des Johannes Granson von Exeter, Thomas de Lyle von Hely und sagt dann: das sei auch die Praxis Richards II. Niemandem falle es deswegen ein, die Curie zu befragen, denn das seien Dinge, die allein der Krone zukommen. In dieser Frage, sagt Wiclif, habe ich einen Gegner, der mir aus eigenem Antrieb schriftlich drei Conclusionen, die zu dieser Sache gehören, geschickt hat. Man beachte zunächst, dass Wiclif (1378) von der Gegen- wart spricht: �habe ich einen Gegner‘. Diese drei Conclusionen sind es nun aber, die uns in dem von Lewis abgedruckten Tractate vorliegen. Sie gehören demnach, wie sich aus dem Gesagten ergibt, nicht in das Jahr 1366, sondern 1377. Gleich die erste Conclusion: Weltliche Herren sind be- rechtigt, in einem gegebenen Falle in rechtmässiger Weise der Geistlichkeit ihr Gut zu nehmen, ist von Wiclif erst in der Zeit des guten Parlaments von der Katheder herab vertheidigt worden. Es ist die siebzehnte von den neunzehn Conclusionen,
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36 I. Abhandlung: Loserth. die er öffentlich verkündigte,1 und um derentwillen der Papst im Mai 1377 den Process gegen ihn einleiten liess. Dieser Satz fand unter den Mitgliedern der begüterten Orden begreiflicher Weise einen lebhaften Widerspruch. Während Wiclif ihn von der Katheder herab verfocht, brachten seine Gegner die Sache unter das Volk und regten es auf.2 Namentlich war es ein Benedictiner in Oxford, der in der Marienkirche daselbst wider Wiclif auftrat.3 So blieb der Streit nicht auf den kleinen Kreis der Gelehrten beschränkt, sondern verbreitete sich in weitere Volksschichten, und Wiclif sah sich genöthigt, jenem Buche, das er kurz zuvor vollendet hatte: "Von dem bürgerlichen Regimente‘ (De civili dominio) noch eine Fortsetzung zu geben." Sein Gegner hatte in der Marienkirche zu Oxford über das Thema gepredigt: die Priester dürfen entweder von einander oder von den Bischöfen gestraft werden, keinesfalls aber von einem weltlichen Herrn. Nun ist das eben der zweite Satz in dem Tractate, den Wiclif schon 1366 bekämpft haben soll.5 1 quas Johannes Wicliff publice praedicavit. Licet cap. XXXVII rogarem obnixius omne genus auditorii, fovere evan- gelicam veritatem (diese stete Berufung auf evangelische, d. h. in der Bibel begründete Wahrheiten gehört auch erst in die letzte Zeit Wiclif’s), qua dixi ecclesiasticos ad tantum posse delinquere, quod domini temporales possent ab eis legitime ac meritorie auferre temporalia, quantumcunque humanis legibus fuerint confirmata, surrepunt tamen emuli, nitentes veritatem istam dirimere. Et revera sepe revolvi in animo, quid move- bat illum dominum et socium de ordine sancti Benedicti inter omnes valentes Oxonie tam fingibiliter ac prepostere dictum negocium attemp- tare ... De civili dominio II, p. 1 (wird eben gedruckt). Ib. p. 5: Sed miror qua fronte frater meus ausus est deductionem tam frivolam fingere specialiter coram tam sciolo et venerabili audi- torio in ecclesia beate virginis Oxonie... Ib. p. 2: Consultum est michi omnino satisfacere duodecim argumentis, quibus videtur sibi infringere sentenciam evangelicam supradictam, tum quia imponit mihi blasfemiam, scandalum fraternum et heresim... Man vergleiche: Lewis, The History of John Wicleff, p. 364. 2 De civili dominio, p. 5. Secundo asserit idem doctor, ut scola testatur, quod in nullo casu licet viros ecclesiasticos coram seculari iudice conveniri... Sacerdotes debent corrigi per se ipsos vel suos episcopos: ergo in nullo casu debent corrigi per dominos seculares...
36 I. Abhandlung: Loserth. die er öffentlich verkündigte,1 und um derentwillen der Papst im Mai 1377 den Process gegen ihn einleiten liess. Dieser Satz fand unter den Mitgliedern der begüterten Orden begreiflicher Weise einen lebhaften Widerspruch. Während Wiclif ihn von der Katheder herab verfocht, brachten seine Gegner die Sache unter das Volk und regten es auf.2 Namentlich war es ein Benedictiner in Oxford, der in der Marienkirche daselbst wider Wiclif auftrat.3 So blieb der Streit nicht auf den kleinen Kreis der Gelehrten beschränkt, sondern verbreitete sich in weitere Volksschichten, und Wiclif sah sich genöthigt, jenem Buche, das er kurz zuvor vollendet hatte: "Von dem bürgerlichen Regimente‘ (De civili dominio) noch eine Fortsetzung zu geben." Sein Gegner hatte in der Marienkirche zu Oxford über das Thema gepredigt: die Priester dürfen entweder von einander oder von den Bischöfen gestraft werden, keinesfalls aber von einem weltlichen Herrn. Nun ist das eben der zweite Satz in dem Tractate, den Wiclif schon 1366 bekämpft haben soll.5 1 quas Johannes Wicliff publice praedicavit. Licet cap. XXXVII rogarem obnixius omne genus auditorii, fovere evan- gelicam veritatem (diese stete Berufung auf evangelische, d. h. in der Bibel begründete Wahrheiten gehört auch erst in die letzte Zeit Wiclif’s), qua dixi ecclesiasticos ad tantum posse delinquere, quod domini temporales possent ab eis legitime ac meritorie auferre temporalia, quantumcunque humanis legibus fuerint confirmata, surrepunt tamen emuli, nitentes veritatem istam dirimere. Et revera sepe revolvi in animo, quid move- bat illum dominum et socium de ordine sancti Benedicti inter omnes valentes Oxonie tam fingibiliter ac prepostere dictum negocium attemp- tare ... De civili dominio II, p. 1 (wird eben gedruckt). Ib. p. 5: Sed miror qua fronte frater meus ausus est deductionem tam frivolam fingere specialiter coram tam sciolo et venerabili audi- torio in ecclesia beate virginis Oxonie... Ib. p. 2: Consultum est michi omnino satisfacere duodecim argumentis, quibus videtur sibi infringere sentenciam evangelicam supradictam, tum quia imponit mihi blasfemiam, scandalum fraternum et heresim... Man vergleiche: Lewis, The History of John Wicleff, p. 364. 2 De civili dominio, p. 5. Secundo asserit idem doctor, ut scola testatur, quod in nullo casu licet viros ecclesiasticos coram seculari iudice conveniri... Sacerdotes debent corrigi per se ipsos vel suos episcopos: ergo in nullo casu debent corrigi per dominos seculares...
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 37 Der Gegner Wiclif’s dürfte jener William Wadford ge- wesen sein, den er in 18. Capitel des dritten Buches mit Namen nennt.1 Auf diese Opposition Wadford’s kommt nun Wiclif — als auf eine gegenwärtige — in seinem Buch ,Von der Kirche" im Jahre 1378 zu sprechen. Wenn da die Thesen Wadford’s etwas anders gestellt sind, so ist nicht zu vergessen, dass Wadford seinem Gegner auf der Katheder und der Kanzel ent- gegentrat und auf der Kanzel eine These stärker heraushob, die in der Streitschrift vielleicht fehlte. Daran aber, dass der bei Lewis citierte Gegner Wiclif’s kein anderer ist als William Wadford, und dass diese Polemik zehn Jahre später anzusetzen ist, wird man nach dem Vorgesagten nicht zweifeln dürfen. Man hat bisher immer den von Lewis abgedruckten Tractat Wiclif’s aus dem Grunde in das Jahr 1366 verlegt, weil dort von dem Lehenszins des Papstes, beziehungsweise der Ab- lehnung dieses Zinses gesprochen wird. Man hat aber ganz übersehen, dass es sich in dem Tractat in Wirklichkeit um ein Anderes handelt. Es sind die drei Thesen: 1 Cap. 18 (noch ungedruckt): Secundo incidentaliter patet solucio argu- mentorum, que doctor meus reverendus magister Willelmus Wadford multipliciter contra conclusionem in secundo huius positam de negacione civilis dominii clericorum (annotat). Er spricht von ihm mit hoher Achtung: Et revera obligor eo amplius huic doctori meo, quo in diversis gradibus ac actibus scolasticis didici ex eius exercitacione modesta mul- tas mihi notabiles veritates ... Auch in dem Tractate bei Lewis sagt Wiclif von seinem Gegner: Inter alia doctor meus reverendus... Ich weiss sehr wohl, dass William Wadford den Bettelorden zugehörte, aber sollte man nicht in den oben citierten Worten statt: socius de ordine s. Benedicti lesen dürfen: socius ordinis s. Benedicti: ein Allierter der Benedictiner. Man beachte, dass Wiclif an eben dieser Stelle seinen Gegner so charakterisiert, dass man in ihm nur einen Bettelmönch zu sehen vermag: Dictum est michi per discretos viros, quod sunt non- nulli eciam paupertatem evangelicam profitentes (so wird man doch zu- nächst nur von Bettelmönchen reden) transmeantes maria et se ipsos periculis itineris multiformibus exponentes (das trifft bei Wadford zu), ut exproprietarie contra professionem pecunias sibi accumulent... Ich verkenne andererseits auch die Schwierigkeit nicht, die darin liegt, dass Wiclif in seinen Predigten der Angriffe eines canis niger gedenkt (Serm. III, 188, 189). Auf jeden Fall müsste Wadford in derselben Zeit schon wie der Benedictiner die Polemik wider Wiclif begonnen haben.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 37 Der Gegner Wiclif’s dürfte jener William Wadford ge- wesen sein, den er in 18. Capitel des dritten Buches mit Namen nennt.1 Auf diese Opposition Wadford’s kommt nun Wiclif — als auf eine gegenwärtige — in seinem Buch ,Von der Kirche" im Jahre 1378 zu sprechen. Wenn da die Thesen Wadford’s etwas anders gestellt sind, so ist nicht zu vergessen, dass Wadford seinem Gegner auf der Katheder und der Kanzel ent- gegentrat und auf der Kanzel eine These stärker heraushob, die in der Streitschrift vielleicht fehlte. Daran aber, dass der bei Lewis citierte Gegner Wiclif’s kein anderer ist als William Wadford, und dass diese Polemik zehn Jahre später anzusetzen ist, wird man nach dem Vorgesagten nicht zweifeln dürfen. Man hat bisher immer den von Lewis abgedruckten Tractat Wiclif’s aus dem Grunde in das Jahr 1366 verlegt, weil dort von dem Lehenszins des Papstes, beziehungsweise der Ab- lehnung dieses Zinses gesprochen wird. Man hat aber ganz übersehen, dass es sich in dem Tractat in Wirklichkeit um ein Anderes handelt. Es sind die drei Thesen: 1 Cap. 18 (noch ungedruckt): Secundo incidentaliter patet solucio argu- mentorum, que doctor meus reverendus magister Willelmus Wadford multipliciter contra conclusionem in secundo huius positam de negacione civilis dominii clericorum (annotat). Er spricht von ihm mit hoher Achtung: Et revera obligor eo amplius huic doctori meo, quo in diversis gradibus ac actibus scolasticis didici ex eius exercitacione modesta mul- tas mihi notabiles veritates ... Auch in dem Tractate bei Lewis sagt Wiclif von seinem Gegner: Inter alia doctor meus reverendus... Ich weiss sehr wohl, dass William Wadford den Bettelorden zugehörte, aber sollte man nicht in den oben citierten Worten statt: socius de ordine s. Benedicti lesen dürfen: socius ordinis s. Benedicti: ein Allierter der Benedictiner. Man beachte, dass Wiclif an eben dieser Stelle seinen Gegner so charakterisiert, dass man in ihm nur einen Bettelmönch zu sehen vermag: Dictum est michi per discretos viros, quod sunt non- nulli eciam paupertatem evangelicam profitentes (so wird man doch zu- nächst nur von Bettelmönchen reden) transmeantes maria et se ipsos periculis itineris multiformibus exponentes (das trifft bei Wadford zu), ut exproprietarie contra professionem pecunias sibi accumulent... Ich verkenne andererseits auch die Schwierigkeit nicht, die darin liegt, dass Wiclif in seinen Predigten der Angriffe eines canis niger gedenkt (Serm. III, 188, 189). Auf jeden Fall müsste Wadford in derselben Zeit schon wie der Benedictiner die Polemik wider Wiclif begonnen haben.
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38 I. Abhandlung: Loserth. 1. Die weltlichen Herren sind nicht berechtigt, in einem gegebenen Falle rechtmässiger Weise dem Clerus das Kirchen- gut zu nehmen. 2. In keinem Falle dürfen Geistliche vor das weltliche Gericht gezogen werden. 3. Jede Entziehung zeitlichen Gutes von der Kirche ist ungerecht. Vom Lehenszins hatte Wiclif kein Wort gesprochen. Diese Frage zog erst sein Gegner in den Streit, und Wiclif tadelt das, denn der Gegenstand gehöre nicht hieher. Er sagt: Dieser Doctor verlangt unter heftigem Drängen und viel Ge- räusch, indem er die Gemüther erhitzt, dass ich seinen Argu- menten folge, namentlich jenem, das er gegen das Recht des Königs zu Gunsten des Papstthums aufgestellt hat, nämlich: Eine jede Herrschaft, die Jemandem nur bedingungsweise ge- schenkt ist, erlischt mit dem Wegfall der Bedingung. Nun hat der Papst dem Könige England unter der Bedingung ge- schenkt, dass er ihm alljährlich 700 Mark zahle.1 Diese Be- dingung wird nicht eingehalten; folglich verliert der König sein Land. Ich wundere mich auf das Höchste, sagt Wiclif weiter, warum man mit solchem Drängen die Lösung dieser Frage von mir verlangt, da mir dies Gebiet doch so fern liegt und für meine Thesen ganz belanglos ist, wie es ja einem jeden speculativen Theologen — und als solchen bezeichnete sich Wiclif mit Vorliebe2 — und Juristen fremd ist. Und doch waren wir darin übereingekommen, keine Ausflüchte zu suchen, son- dern uns allein an die gestellten Fragen zu halten.3 Daraus wird klar, dass in den Thesen von einer Be- kämpfung des dem Papst zu zahlenden Lehenszinses keine Rede war, sondern diese Sache von dem Gegner muthwillig herein- gezogen wurde, um, wie Wiclif sagt, seine Person bei der 2 3 1 300 Mark, die oben zu den 1000 fehlen, werden für Irland gerechnet. S. De Ecclesia, p. 305, p. 143. Et miror quam plurimum quod cum tanta instancia expetunt solucionem huius, racionem et tractatum istius materie et specialiter, cum sit ipse mihi et racionibus meis indifferens sed cuicunque speculativo theologo vel legiste. Et pepigimus quod non quaerendo diverticulas alienas, peripsimata fructus que colimus, vel ambages procedet directe ad impro- bandum questionem quam principaliter pepigit impugnare.
38 I. Abhandlung: Loserth. 1. Die weltlichen Herren sind nicht berechtigt, in einem gegebenen Falle rechtmässiger Weise dem Clerus das Kirchen- gut zu nehmen. 2. In keinem Falle dürfen Geistliche vor das weltliche Gericht gezogen werden. 3. Jede Entziehung zeitlichen Gutes von der Kirche ist ungerecht. Vom Lehenszins hatte Wiclif kein Wort gesprochen. Diese Frage zog erst sein Gegner in den Streit, und Wiclif tadelt das, denn der Gegenstand gehöre nicht hieher. Er sagt: Dieser Doctor verlangt unter heftigem Drängen und viel Ge- räusch, indem er die Gemüther erhitzt, dass ich seinen Argu- menten folge, namentlich jenem, das er gegen das Recht des Königs zu Gunsten des Papstthums aufgestellt hat, nämlich: Eine jede Herrschaft, die Jemandem nur bedingungsweise ge- schenkt ist, erlischt mit dem Wegfall der Bedingung. Nun hat der Papst dem Könige England unter der Bedingung ge- schenkt, dass er ihm alljährlich 700 Mark zahle.1 Diese Be- dingung wird nicht eingehalten; folglich verliert der König sein Land. Ich wundere mich auf das Höchste, sagt Wiclif weiter, warum man mit solchem Drängen die Lösung dieser Frage von mir verlangt, da mir dies Gebiet doch so fern liegt und für meine Thesen ganz belanglos ist, wie es ja einem jeden speculativen Theologen — und als solchen bezeichnete sich Wiclif mit Vorliebe2 — und Juristen fremd ist. Und doch waren wir darin übereingekommen, keine Ausflüchte zu suchen, son- dern uns allein an die gestellten Fragen zu halten.3 Daraus wird klar, dass in den Thesen von einer Be- kämpfung des dem Papst zu zahlenden Lehenszinses keine Rede war, sondern diese Sache von dem Gegner muthwillig herein- gezogen wurde, um, wie Wiclif sagt, seine Person bei der 2 3 1 300 Mark, die oben zu den 1000 fehlen, werden für Irland gerechnet. S. De Ecclesia, p. 305, p. 143. Et miror quam plurimum quod cum tanta instancia expetunt solucionem huius, racionem et tractatum istius materie et specialiter, cum sit ipse mihi et racionibus meis indifferens sed cuicunque speculativo theologo vel legiste. Et pepigimus quod non quaerendo diverticulas alienas, peripsimata fructus que colimus, vel ambages procedet directe ad impro- bandum questionem quam principaliter pepigit impugnare.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 39 Curie anzuschwärzen, ihn nach der Verschärfung der kirchlichen Censuren1 seiner Pfründen zu berauben, seinen Gegner dagegen bei der Curie in ein helles Licht zu stellen und um zu bewirken, dass hierauf die Abteien noch mehr und noch ungescheuter weltliches Gut anhäufen dürfen.? Es ist darnach ein Zufall, dass Wiclif sich über eine Frage äusserte, deren Beantwortung ihm, wie er selbst sagte, nicht zukam. Und da er die ihm gestellte Falle deutlich erkannte, so beantwortet er diese Fragen gar nicht selbst, sondern sandte dem Gegner jene Antworten zu, die, wie er gehört habe, in einer Versammlung von einer Anzahl von Lords gegeben worden seien. Dass Wiclif bei dieser Berathung der Lords nicht selbst anwesend war, sieht man aus seiner eigenen Erklärung: ,Mein Gegner möge sich an jene Antwort halten, von der ich höre, dass sie von weltlichen Herren in einer gewissen Versammlung gegeben worden sei."s Er beruft sich demnach auf das Hören- sagen. Dass er an die Parlamentsverhandlung des Jahres 1366 gedacht hat, ist möglich, wiewohl er sich auch noch auf eine spätere Zeit beziehen könnte; aber sicher ist erstens, dass er selbst mit dem Parlament von 1366 nichts zu thun hat, zweitens, dass es seine eigenen, und zwar die einer späteren Zeit an- gehörenden Motive sind, die er den ersten sechs Lords in den Mund legt, und drittens, dass nur die Antwort des letzten Lords dem Parlamentsbeschluss von 1366 völlig entspricht. 3 1 Sed tres cause dicte sunt michi cur hoc facit: primo ut persona mea sit ad Romanam curiam diffamata et aggravatis censuris (demnach müssten schon vor 1367 kirchliche Censuren gegen Wiclif erlassen worden sein, was für diese Zeit, zumal wenn man bedenkt, dass er sieben Jahre später als Gesandter nach Brügge geht, um mit den Ge- sandten des Papstes zu verhandeln, nicht gut möglich ist) ab ecclesia- sticis beneficiis sit privata. Et tertia causa ut dominante domino papa regno Angliae liberius co- piosius et voluptuosius sine freno correpcionis fraterne sint abbathiis civilia dominia cumulata. Auch dies passt nur auf die Zeit des guten Parlaments. Transmitto doctorem meum reverendum ad solucionem huius argumenti, quam audivi in quodam consilio a dominis secularibus esse datam .. . So auch in der Folge: fertur respondisse, nicht: respondit.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 39 Curie anzuschwärzen, ihn nach der Verschärfung der kirchlichen Censuren1 seiner Pfründen zu berauben, seinen Gegner dagegen bei der Curie in ein helles Licht zu stellen und um zu bewirken, dass hierauf die Abteien noch mehr und noch ungescheuter weltliches Gut anhäufen dürfen.? Es ist darnach ein Zufall, dass Wiclif sich über eine Frage äusserte, deren Beantwortung ihm, wie er selbst sagte, nicht zukam. Und da er die ihm gestellte Falle deutlich erkannte, so beantwortet er diese Fragen gar nicht selbst, sondern sandte dem Gegner jene Antworten zu, die, wie er gehört habe, in einer Versammlung von einer Anzahl von Lords gegeben worden seien. Dass Wiclif bei dieser Berathung der Lords nicht selbst anwesend war, sieht man aus seiner eigenen Erklärung: ,Mein Gegner möge sich an jene Antwort halten, von der ich höre, dass sie von weltlichen Herren in einer gewissen Versammlung gegeben worden sei."s Er beruft sich demnach auf das Hören- sagen. Dass er an die Parlamentsverhandlung des Jahres 1366 gedacht hat, ist möglich, wiewohl er sich auch noch auf eine spätere Zeit beziehen könnte; aber sicher ist erstens, dass er selbst mit dem Parlament von 1366 nichts zu thun hat, zweitens, dass es seine eigenen, und zwar die einer späteren Zeit an- gehörenden Motive sind, die er den ersten sechs Lords in den Mund legt, und drittens, dass nur die Antwort des letzten Lords dem Parlamentsbeschluss von 1366 völlig entspricht. 3 1 Sed tres cause dicte sunt michi cur hoc facit: primo ut persona mea sit ad Romanam curiam diffamata et aggravatis censuris (demnach müssten schon vor 1367 kirchliche Censuren gegen Wiclif erlassen worden sein, was für diese Zeit, zumal wenn man bedenkt, dass er sieben Jahre später als Gesandter nach Brügge geht, um mit den Ge- sandten des Papstes zu verhandeln, nicht gut möglich ist) ab ecclesia- sticis beneficiis sit privata. Et tertia causa ut dominante domino papa regno Angliae liberius co- piosius et voluptuosius sine freno correpcionis fraterne sint abbathiis civilia dominia cumulata. Auch dies passt nur auf die Zeit des guten Parlaments. Transmitto doctorem meum reverendum ad solucionem huius argumenti, quam audivi in quodam consilio a dominis secularibus esse datam .. . So auch in der Folge: fertur respondisse, nicht: respondit.
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40 I. Abhandlung: Loserth. Von Wichtigkeit ist es, dass Wiclif selbst gesteht, dieser Gegenstand sei ihm fremd. Aus alledem ergibt sich aber, dass Wiclif 1366 noch nicht jene Rolle gespielt haben kann, die man ihm bisher zuerkannt hat. Ist man aber einmal dahin gelangt, das Entstehen des bei Lewis gedruckten Tractates in das Jahr 1377 oder 1378 zu verlegen, dann klären sich auch gewisse undeutliche Angaben auf, in denen man Widersprüche hat entdecken wollen.1 Grosse Schwierigkeiten hat den meisten Wiclifforschern bisher die Erklärung jener Stelle dieses Tractates bereitet, aus der hervorleuchtet, dass er in einem besonderen Verhältniss zum Könige gestanden: „Ich aber, da ich ein besonderer Cleriker des Königs bin, will auch als solcher gern eine Ant- wort geben."2 Lewis, Vaughan, Pauli und Shirley waren der Ansicht, Wiclif bezeichne sich hiedurch als königlicher Caplan. Dafür findet sich in den Urkunden und sonstigen Nach- richten auch nicht die Spur eines Beweises. Daher war Lechler der Meinung, Wiclif sei ,als des Königs Beauftragter, gleich- sam als clericaler Sachverständiger oder (modern ausgedrückt) als Regierungscommissär zu den Parlamenten berufen worden, wogegen Buddensieg der Meinung ist, er habe irgend eine Vertrauensstellung am Hofe eingenommen. Lechler kommt dem Sachverhalt am nächsten, doch irrt er insofern, als die Sache nicht zum Jahre 1366 oder 1367 gehört. Dass Wiclif im Jahre 1378 dem Parlament ein Gutachten als Sachver- ständiger in theologischen Fragen vorlegte und hiezu vom König bestellt war, weiss man seit der Ausgabe seines Buches „Von der Kirche‘ ganz genau.3 Im Jahre 1378 konnte er dem- 1 Dazu gehört der Satz, von dem Lechler meinte, er beziehe sich auf eine Thätigkeit Wiclif’s im Parlamente: Si ego assererem talia contra regem meum, olim fuissent in parliamento dominorum Anglie ventilata. So konnte er 1378 gut schreiben, denn wir wissen, dass er schon vor diesem Jahre im Parlamente thätig war. Ego autem, cum sim peculiaris regis clericus, talis qualis volo libenter induere habitum. De Ecclesia, cap. VII, p. 142: Convenimus ex mandato domini regis ad dicendum secundum videre nostrum veritatem in casu nobis exposito. Gefragt wurden: canoniste, civiliste tam regni nostri quam imperii ; ob wirk- lich oder nur in ihren Schriften, wird nicht bemerkt. Er selbst antwortet als ,Theologe’, als der er ja auch in dem Tractate bei Lewis hervortritt.
40 I. Abhandlung: Loserth. Von Wichtigkeit ist es, dass Wiclif selbst gesteht, dieser Gegenstand sei ihm fremd. Aus alledem ergibt sich aber, dass Wiclif 1366 noch nicht jene Rolle gespielt haben kann, die man ihm bisher zuerkannt hat. Ist man aber einmal dahin gelangt, das Entstehen des bei Lewis gedruckten Tractates in das Jahr 1377 oder 1378 zu verlegen, dann klären sich auch gewisse undeutliche Angaben auf, in denen man Widersprüche hat entdecken wollen.1 Grosse Schwierigkeiten hat den meisten Wiclifforschern bisher die Erklärung jener Stelle dieses Tractates bereitet, aus der hervorleuchtet, dass er in einem besonderen Verhältniss zum Könige gestanden: „Ich aber, da ich ein besonderer Cleriker des Königs bin, will auch als solcher gern eine Ant- wort geben."2 Lewis, Vaughan, Pauli und Shirley waren der Ansicht, Wiclif bezeichne sich hiedurch als königlicher Caplan. Dafür findet sich in den Urkunden und sonstigen Nach- richten auch nicht die Spur eines Beweises. Daher war Lechler der Meinung, Wiclif sei ,als des Königs Beauftragter, gleich- sam als clericaler Sachverständiger oder (modern ausgedrückt) als Regierungscommissär zu den Parlamenten berufen worden, wogegen Buddensieg der Meinung ist, er habe irgend eine Vertrauensstellung am Hofe eingenommen. Lechler kommt dem Sachverhalt am nächsten, doch irrt er insofern, als die Sache nicht zum Jahre 1366 oder 1367 gehört. Dass Wiclif im Jahre 1378 dem Parlament ein Gutachten als Sachver- ständiger in theologischen Fragen vorlegte und hiezu vom König bestellt war, weiss man seit der Ausgabe seines Buches „Von der Kirche‘ ganz genau.3 Im Jahre 1378 konnte er dem- 1 Dazu gehört der Satz, von dem Lechler meinte, er beziehe sich auf eine Thätigkeit Wiclif’s im Parlamente: Si ego assererem talia contra regem meum, olim fuissent in parliamento dominorum Anglie ventilata. So konnte er 1378 gut schreiben, denn wir wissen, dass er schon vor diesem Jahre im Parlamente thätig war. Ego autem, cum sim peculiaris regis clericus, talis qualis volo libenter induere habitum. De Ecclesia, cap. VII, p. 142: Convenimus ex mandato domini regis ad dicendum secundum videre nostrum veritatem in casu nobis exposito. Gefragt wurden: canoniste, civiliste tam regni nostri quam imperii ; ob wirk- lich oder nur in ihren Schriften, wird nicht bemerkt. Er selbst antwortet als ,Theologe’, als der er ja auch in dem Tractate bei Lewis hervortritt.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 41 nach sehr wohl eine Bezeichnung für seine Stellung zum König- thum wie die oben genannte gebrauchen, ohne dass man dann erst weit hergeholte Erklärungsversuche hiefür zu Hilfe nehmen muss. Noch einige andere, wenn auch nicht so gewichtige Momente sprechen dafür, dass der fragliche Tractat um 1378 abgefasst ist: man wird z. B. finden, dass er in diesem nahezu dieselbe Protestationsformel, die bei allen akademischen Vor- trägen theologischen Inhalts anzuführen Brauch war, anwendet, wie in dem eben in jener Zeit abgefassten zweiten Buch ,Von der bürgerlichen Herrschaft'.1 Dieselbe Phrase wendet er an, offenbar deswegen, weil sie ihm zur Hand ist. Der Tractat wurde verfasst, nachdem Wiclif sein erstes Buch "Von der bürgerlichen Herrschaft' bereits geschrieben hatte, und er ist wohl auch die unmittelbare Ursache, dass dieses Buch durch ein zweites und drittes fortgesetzt wurde. Ware es schon früher vorhanden gewesen, so hätte Wiclif be- reits im 37. Capitel des ersten Buches darauf Rücksicht ge- nommen.2 Dass das zweite Buch um 1377 oder 1378, jeden- falls noch vor dem Ausbruch des Schismas verfasst wurde, darüber wird unten gesprochen werden. Wie wenig sich Wiclif bis dahin mit kirchenpolitischen Fragen im eigentlichen Sinne beschäftigt hatte, wie sehr er diese und andere Thesen von seinem ureigenen, dem streng theologisch-wissenschaftlichen 1 Man vergleiche: Lewis, p. 366. De civili dominio II, cap. XI (ungedruckt). Ego autem tamquam humilis et obediencialis filius Romane ecclesie protestans me nihil velle asserere quod sonaret iniuriam dicte ecclesie vel racionabiliter offenderet pias aures. De civili dominio I, p. 269: Talia que in disciplinatum Christi pre- pediunt, si occasione adiacencie temporalium clericis molestant, tunc sunt temporalia ipsa per manum laicam a clericis subtrahenda. Utrum autem hodie sit ecclesia in casu isto, non est meum discutere, sed politi- corum qui intendunt praxi et statui regnorum. Fast ebenso liest man in dem Tractat bei Lewis: Et miror quam plurimum quod cum tanta in- stancia impetunt ... tractatum istius materie, cum sit ipse mihi et ra- cionibus meis indifferens sed cuicunque speculativo theologo vel legiste- ...Protestor publice quod non intendo personam aliquam diffa- mare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nec video, quomodo id offenderet pias aures.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 41 nach sehr wohl eine Bezeichnung für seine Stellung zum König- thum wie die oben genannte gebrauchen, ohne dass man dann erst weit hergeholte Erklärungsversuche hiefür zu Hilfe nehmen muss. Noch einige andere, wenn auch nicht so gewichtige Momente sprechen dafür, dass der fragliche Tractat um 1378 abgefasst ist: man wird z. B. finden, dass er in diesem nahezu dieselbe Protestationsformel, die bei allen akademischen Vor- trägen theologischen Inhalts anzuführen Brauch war, anwendet, wie in dem eben in jener Zeit abgefassten zweiten Buch ,Von der bürgerlichen Herrschaft'.1 Dieselbe Phrase wendet er an, offenbar deswegen, weil sie ihm zur Hand ist. Der Tractat wurde verfasst, nachdem Wiclif sein erstes Buch "Von der bürgerlichen Herrschaft' bereits geschrieben hatte, und er ist wohl auch die unmittelbare Ursache, dass dieses Buch durch ein zweites und drittes fortgesetzt wurde. Ware es schon früher vorhanden gewesen, so hätte Wiclif be- reits im 37. Capitel des ersten Buches darauf Rücksicht ge- nommen.2 Dass das zweite Buch um 1377 oder 1378, jeden- falls noch vor dem Ausbruch des Schismas verfasst wurde, darüber wird unten gesprochen werden. Wie wenig sich Wiclif bis dahin mit kirchenpolitischen Fragen im eigentlichen Sinne beschäftigt hatte, wie sehr er diese und andere Thesen von seinem ureigenen, dem streng theologisch-wissenschaftlichen 1 Man vergleiche: Lewis, p. 366. De civili dominio II, cap. XI (ungedruckt). Ego autem tamquam humilis et obediencialis filius Romane ecclesie protestans me nihil velle asserere quod sonaret iniuriam dicte ecclesie vel racionabiliter offenderet pias aures. De civili dominio I, p. 269: Talia que in disciplinatum Christi pre- pediunt, si occasione adiacencie temporalium clericis molestant, tunc sunt temporalia ipsa per manum laicam a clericis subtrahenda. Utrum autem hodie sit ecclesia in casu isto, non est meum discutere, sed politi- corum qui intendunt praxi et statui regnorum. Fast ebenso liest man in dem Tractat bei Lewis: Et miror quam plurimum quod cum tanta in- stancia impetunt ... tractatum istius materie, cum sit ipse mihi et ra- cionibus meis indifferens sed cuicunque speculativo theologo vel legiste- ...Protestor publice quod non intendo personam aliquam diffa- mare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nec video, quomodo id offenderet pias aures.
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42 I. Abhandlung : Loserth. Standpunkte aus betrachtete, sieht man aus dem Satze: �Wenn der Besitz der Temporalien die Kirche belastet, so ist sie von ihnen zu befreien. Ob aber die Kirche heutzutage in dem Falle ist, das zu untersuchen ist nicht meine Sache; das bleibe den Staatsmännern überlassen." Wenn der Tractat somit nicht früher als 1377 oder 1378 geschrieben sein kann, so entfallen alle Schlussfolgerungen, die man bisher aus der früheren Abfassungszeit gezogen hat. Es wurde oben bemerkt, es sei wohl möglich, dass Wiclif bei der Frage der Zahlung des Lehengeldes an den Papst die Ereignisse von 1366 im Auge hat. Es ist aber gleichwohl auch möglich, dass er auf Ereig- nisse des Jahres 1374 anspielt. Denn, wie uns ein sonst nicht schlecht unterrichteter englischer Chronist erzählt, langten auch in diesem Jahre ähnliche Forderungen des Papstes in England an wie 1365. Das Eulogium Historiarum meldet zum Jahre 1374: Nach Pfingsten berief der König eine grosse Versammlung von Prälaten und Herren nach Westminster. In der Mitte des Heiligthums sassen Prinz Eduard und der Erzbischof von Canterbury William Witlesey.1 Zur Seite des Erzbischofs sassen alle Prälaten, zur Seite des Prinzen die weltlichen Herren. Vor dem Prinzen und dem Erzbischof sassen in einer Bank neben einander vier Magister der Theologie, nämlich der Provinzial der Predigermönche Johannes Owtred, dann ein Mönch von Durham, Johann Mardisle, und Thomas Ashburne, ein Augustiner. Die Decretisten und Legisten sassen seitwärts. Der Kanzler erhob sich und verkündete den Zweck der Berufung. Der Papst habe dem König eine Bulle gesandt; darin schreibe er, da er selbst als Vicar Christi Herr aller Tempo- ralien sei, geistlicher Oberherr und Lehensherr über England kraft der Schenkung des Königs Johann, so möge der König für ihn als Unterstützung in seinem Kampf gegen die Floren- tiner eine Steuer im Lande erheben lassen und ihm zusenden. Ihr Prälaten, sagt also an, ist der Papst als Vicar Christi unser Herr? Ihr Herren aus dem Laienstand möget morgen antworten, was es mit der Schenkung König Johanns für eine Bewandtniss habe. 1 Witlesey wurde 1368 Erzbischof von Canterbury, daher ist nicht etwa eine Verwechslung mit 1366 möglich.
42 I. Abhandlung : Loserth. Standpunkte aus betrachtete, sieht man aus dem Satze: �Wenn der Besitz der Temporalien die Kirche belastet, so ist sie von ihnen zu befreien. Ob aber die Kirche heutzutage in dem Falle ist, das zu untersuchen ist nicht meine Sache; das bleibe den Staatsmännern überlassen." Wenn der Tractat somit nicht früher als 1377 oder 1378 geschrieben sein kann, so entfallen alle Schlussfolgerungen, die man bisher aus der früheren Abfassungszeit gezogen hat. Es wurde oben bemerkt, es sei wohl möglich, dass Wiclif bei der Frage der Zahlung des Lehengeldes an den Papst die Ereignisse von 1366 im Auge hat. Es ist aber gleichwohl auch möglich, dass er auf Ereig- nisse des Jahres 1374 anspielt. Denn, wie uns ein sonst nicht schlecht unterrichteter englischer Chronist erzählt, langten auch in diesem Jahre ähnliche Forderungen des Papstes in England an wie 1365. Das Eulogium Historiarum meldet zum Jahre 1374: Nach Pfingsten berief der König eine grosse Versammlung von Prälaten und Herren nach Westminster. In der Mitte des Heiligthums sassen Prinz Eduard und der Erzbischof von Canterbury William Witlesey.1 Zur Seite des Erzbischofs sassen alle Prälaten, zur Seite des Prinzen die weltlichen Herren. Vor dem Prinzen und dem Erzbischof sassen in einer Bank neben einander vier Magister der Theologie, nämlich der Provinzial der Predigermönche Johannes Owtred, dann ein Mönch von Durham, Johann Mardisle, und Thomas Ashburne, ein Augustiner. Die Decretisten und Legisten sassen seitwärts. Der Kanzler erhob sich und verkündete den Zweck der Berufung. Der Papst habe dem König eine Bulle gesandt; darin schreibe er, da er selbst als Vicar Christi Herr aller Tempo- ralien sei, geistlicher Oberherr und Lehensherr über England kraft der Schenkung des Königs Johann, so möge der König für ihn als Unterstützung in seinem Kampf gegen die Floren- tiner eine Steuer im Lande erheben lassen und ihm zusenden. Ihr Prälaten, sagt also an, ist der Papst als Vicar Christi unser Herr? Ihr Herren aus dem Laienstand möget morgen antworten, was es mit der Schenkung König Johanns für eine Bewandtniss habe. 1 Witlesey wurde 1368 Erzbischof von Canterbury, daher ist nicht etwa eine Verwechslung mit 1366 möglich.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 43 Der König wandte sich zuerst an den Erzbischof. Ich kann nicht leugnen, sagte dieser, der Papst ist Aller Herr. Und so antworten die Prälaten alle der Reihe nach. Der Provinzial der Prediger bat, man möchte ihm die Antwort er- sparen, der Mönch von Durham brachte die bekannte Theorie von den zwei Schwertern vor. Dagegen vertrat Mardisle, wohl ein Minorit, die Theorie der Minoriten: Weder hatte Christus eine weltliche Herrschaft, noch hat er sie seinen Jüngern hinter- lassen, vielmehr hat er gelehrt, wie man alles Irdische hinter sich lassen soll. Dies erwies er durch Schriftstellen, Citate aus den Kirchenvätern, aus den Beispielen frommer Klosterbrüder und den Decreten der Kirche und zeigte, dass der Papst auf eine weltliche Herrschaft keinen Anspruch habe. Zwar habe Bonifaz VIII. sich zum Herrn über alle Reiche erhoben, aber hiebei in Frankreich und England Schiffbruch gelitten. Christus habe dem Apostelfürsten wohl ein geistliches Vicariat, keines- wegs aber eine weltliche Herrschaft gegeben. In seinem irdi- schen Besitz ist der Papst kein Nachfolger Petri, sondern des Kaisers Constantin, wie schon der heil. Thomas erweise. Man hört hier eine Stimme sprechen, die ganz an Wiclif mahnt. Es sind die Lehren, die er später verkündet. Zweifellos war Mardisle ein Gesinnungsgenosse Wiclif’s. Nach einer unbe- deutenden Rede des Augustiners schloss der König für diesen Tag die Berathung. Die Rede des Minderbruders muss einen bedeutenden Eindruck gemacht haben, denn sie riss den Erzbischof zu der spitzigen Bemerkung hin: Wahrlich, guten Rath hat man in England noch gefunden, als die Minderbrüder nicht da waren. Schlagfertig entgegnete der Prinz: Wegen deiner Ein- falt mussten wir sie wohl berufen. Denn wäre es auf dich angekommen, wir hätten das Reich preisgeben müssen. Nach einigem Zögern bekannte der Erzbischof am nächsten Tage, dass dem Papst nicht die Herrschaft über England gebühre. Dieser Ansicht waren nun alle Prälaten, auch der Mönch von Dur- ham. Und wo sind jetzt deine beiden Schwerter? fragte der Prinz. Ja, Herr, heute bin ich mit besserer Einsicht ge- wappnet.1 1 Eulogium Historiarum III, 337.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 43 Der König wandte sich zuerst an den Erzbischof. Ich kann nicht leugnen, sagte dieser, der Papst ist Aller Herr. Und so antworten die Prälaten alle der Reihe nach. Der Provinzial der Prediger bat, man möchte ihm die Antwort er- sparen, der Mönch von Durham brachte die bekannte Theorie von den zwei Schwertern vor. Dagegen vertrat Mardisle, wohl ein Minorit, die Theorie der Minoriten: Weder hatte Christus eine weltliche Herrschaft, noch hat er sie seinen Jüngern hinter- lassen, vielmehr hat er gelehrt, wie man alles Irdische hinter sich lassen soll. Dies erwies er durch Schriftstellen, Citate aus den Kirchenvätern, aus den Beispielen frommer Klosterbrüder und den Decreten der Kirche und zeigte, dass der Papst auf eine weltliche Herrschaft keinen Anspruch habe. Zwar habe Bonifaz VIII. sich zum Herrn über alle Reiche erhoben, aber hiebei in Frankreich und England Schiffbruch gelitten. Christus habe dem Apostelfürsten wohl ein geistliches Vicariat, keines- wegs aber eine weltliche Herrschaft gegeben. In seinem irdi- schen Besitz ist der Papst kein Nachfolger Petri, sondern des Kaisers Constantin, wie schon der heil. Thomas erweise. Man hört hier eine Stimme sprechen, die ganz an Wiclif mahnt. Es sind die Lehren, die er später verkündet. Zweifellos war Mardisle ein Gesinnungsgenosse Wiclif’s. Nach einer unbe- deutenden Rede des Augustiners schloss der König für diesen Tag die Berathung. Die Rede des Minderbruders muss einen bedeutenden Eindruck gemacht haben, denn sie riss den Erzbischof zu der spitzigen Bemerkung hin: Wahrlich, guten Rath hat man in England noch gefunden, als die Minderbrüder nicht da waren. Schlagfertig entgegnete der Prinz: Wegen deiner Ein- falt mussten wir sie wohl berufen. Denn wäre es auf dich angekommen, wir hätten das Reich preisgeben müssen. Nach einigem Zögern bekannte der Erzbischof am nächsten Tage, dass dem Papst nicht die Herrschaft über England gebühre. Dieser Ansicht waren nun alle Prälaten, auch der Mönch von Dur- ham. Und wo sind jetzt deine beiden Schwerter? fragte der Prinz. Ja, Herr, heute bin ich mit besserer Einsicht ge- wappnet.1 1 Eulogium Historiarum III, 337.
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44 I. Abhandlung: Iroserth. „Und nun bekannten alle Laien und sagten, dass König Johann das Reich ohne Einwilligung desselben und der Barone an den Papst gegeben, was er rechtmässiger Weise nicht habe thun können. Daher, sagten sie, habe jene Schenkung keine Giltigkeit." Mit dieser Antwort wurden die Boten an den Papst gesandt. Wie man sieht, stimmt die Antwort der weltlichen Herren fast wörtlich mit der überein, die Wiclif in dem genannten Tractat dem siebenten Lord in den Mund legt. Auch sonst wickelt sich die ganze Sache äusserlich gleich ab, und schliesslich wird man auch in der Rede des Kanzlers Ausdrücke finden, die an den Tractat mahnen. Auch die Zeit stimmt gut. Ende Mai 1374 sendet Gregor XI. seine Gesandten nach England, um Alles für den Friedenscongress von Brügge vorzubereiten. Da war es nun selbstverständlich, dass für die englischen Gesandten, die nach Brügge abzugehen hatten, Instructionen ausgearbeitet wurden. Das wird der Zweck gewesen sein, weshalb die Versammlung nach West- minster berufen wurde, und dass da der alte Anspruch des Papstes auf den englischen Lehenszins auch zur Verhandlung kam, darf man wohl als sicher bezeichnen. Wiclif brauchte demnach in seiner Streitschrift auf die „Anrempelung‘ des Benedictiners nicht erst auf Aeusserungen zurückgreifen, die vor mehr als zehn Jahren gefallen waren. Die Verhandlungen von 1374 waren ihm um so mehr in Er- innerung, als er selbst ja eines der Mitglieder der Gesandtschaft war, die einige Wochen später nach Brügge gieng, um den Frieden zwischen Staat und Kirche zu vereinbaren. Wenn man schon von einer kirchenpolitischen Thätigkeit Wiclif’s sprechen will, so beginnt sie nicht 1366, sondern erst 1374 mit seiner Theilnahme an dem Friedenscongresse in Brügge. 4. England und das Papstthum vom Frieden von Brétigny bis zum Congress von Brügge. Der Friede von Brétigny, der nach so langen Anstrengun- gen zustande gekommen war, hatte dem Reiche einen grossen Machtzuwachs und die langersehnte Ruhe gebracht. Doch hatte
44 I. Abhandlung: Iroserth. „Und nun bekannten alle Laien und sagten, dass König Johann das Reich ohne Einwilligung desselben und der Barone an den Papst gegeben, was er rechtmässiger Weise nicht habe thun können. Daher, sagten sie, habe jene Schenkung keine Giltigkeit." Mit dieser Antwort wurden die Boten an den Papst gesandt. Wie man sieht, stimmt die Antwort der weltlichen Herren fast wörtlich mit der überein, die Wiclif in dem genannten Tractat dem siebenten Lord in den Mund legt. Auch sonst wickelt sich die ganze Sache äusserlich gleich ab, und schliesslich wird man auch in der Rede des Kanzlers Ausdrücke finden, die an den Tractat mahnen. Auch die Zeit stimmt gut. Ende Mai 1374 sendet Gregor XI. seine Gesandten nach England, um Alles für den Friedenscongress von Brügge vorzubereiten. Da war es nun selbstverständlich, dass für die englischen Gesandten, die nach Brügge abzugehen hatten, Instructionen ausgearbeitet wurden. Das wird der Zweck gewesen sein, weshalb die Versammlung nach West- minster berufen wurde, und dass da der alte Anspruch des Papstes auf den englischen Lehenszins auch zur Verhandlung kam, darf man wohl als sicher bezeichnen. Wiclif brauchte demnach in seiner Streitschrift auf die „Anrempelung‘ des Benedictiners nicht erst auf Aeusserungen zurückgreifen, die vor mehr als zehn Jahren gefallen waren. Die Verhandlungen von 1374 waren ihm um so mehr in Er- innerung, als er selbst ja eines der Mitglieder der Gesandtschaft war, die einige Wochen später nach Brügge gieng, um den Frieden zwischen Staat und Kirche zu vereinbaren. Wenn man schon von einer kirchenpolitischen Thätigkeit Wiclif’s sprechen will, so beginnt sie nicht 1366, sondern erst 1374 mit seiner Theilnahme an dem Friedenscongresse in Brügge. 4. England und das Papstthum vom Frieden von Brétigny bis zum Congress von Brügge. Der Friede von Brétigny, der nach so langen Anstrengun- gen zustande gekommen war, hatte dem Reiche einen grossen Machtzuwachs und die langersehnte Ruhe gebracht. Doch hatte
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 45 er viele Streitpunkte unerledigt gelassen und trug daher schon vom Anfang den Keim neuer Kämpfe in sich. Schon zu Leb- zeiten Johanns des Guten waren die Friedensbedingungen schwer auszuführen; wie erst unter seinem Sohne Karl V., der sich in einen Frieden nicht schicken konnte, der Frankreich eines erheblichen Theiles von seinem Länderbesitz beraubte? Als der schwarze Prinz 1367 nach Spanien gieng, um den ver- triebenen König Pedro den Grausamen wieder auf den Thron zu erheben, wogegen Frankreich den Bastard Heinrich Trastamare unterstützte, war der Krieg unvermeidlich geworden. Er brach 1369 aus und nahm bei dem Hass, mit dem im ganzen Süden Frankreichs die englische Herrschaft verfolgt wurde, eine für England um so schlimmere Wendung, als schwere Erkrankung den Kriegshelden Prinzen Eduard nöthigte, sich nach England zurückzuziehen. Diese Ereignisse mussten auch auf die Be- ziehungen Englands zur Curie zurückwirken. Wenn sich auch das Verhältniss beider Mächte seit dem Pontificate Innocenz VI. erheblich gebessert hatte, so fehlte doch viel, dass es zu einem vollen Einverständniss in den strittigen Fragen gekommen wäre. Wahrend das Papstthum von seinen alten Ansprüchen keinen einzigen preisgab, hielt das englische Königthum an den Bestimmungen fest, die das Parla- ment diesen Ansprüchen gegenüber getroffen hatte. Wiclif hat an einer Stelle seines Buches ,Von der Kirche‘ sehr gut die beider- seitigen Ansprüche zusammengestellt; anderseits gab die Curie in einem hochbedeutsamen Schriftstücke der Zeit Bonifaz IX. — es ist vom 4. Februar 1391 datiert 1 — eine treffliche Ueber- sicht über die gesetzgeberische Thätigkeit Eduards III. in kirchenpolitischen Fragen. Es lohnt sich, bei beiden Stücken einen Augenblick zu verweilen. Nach den Angaben Wiclif’s nimmt der Papst als Ober- lehensherr das Verfügungsrecht über die Güter der englischen Kirche in Anspruch; die weltliche Gewalt darf sich demnach in keinem Fall ein Recht auf die Kirchengüter Englands an- massen, es darf der Geistlichkeit, wie sehr sie auch immer fehlen mag oder wie sehr ihre Missbräuche zur Schwächung des Reiches beitragen, in keinem Fall das Kirchengut entzogen 1 Raynald, Ann. Eccl. 1391, 15.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 45 er viele Streitpunkte unerledigt gelassen und trug daher schon vom Anfang den Keim neuer Kämpfe in sich. Schon zu Leb- zeiten Johanns des Guten waren die Friedensbedingungen schwer auszuführen; wie erst unter seinem Sohne Karl V., der sich in einen Frieden nicht schicken konnte, der Frankreich eines erheblichen Theiles von seinem Länderbesitz beraubte? Als der schwarze Prinz 1367 nach Spanien gieng, um den ver- triebenen König Pedro den Grausamen wieder auf den Thron zu erheben, wogegen Frankreich den Bastard Heinrich Trastamare unterstützte, war der Krieg unvermeidlich geworden. Er brach 1369 aus und nahm bei dem Hass, mit dem im ganzen Süden Frankreichs die englische Herrschaft verfolgt wurde, eine für England um so schlimmere Wendung, als schwere Erkrankung den Kriegshelden Prinzen Eduard nöthigte, sich nach England zurückzuziehen. Diese Ereignisse mussten auch auf die Be- ziehungen Englands zur Curie zurückwirken. Wenn sich auch das Verhältniss beider Mächte seit dem Pontificate Innocenz VI. erheblich gebessert hatte, so fehlte doch viel, dass es zu einem vollen Einverständniss in den strittigen Fragen gekommen wäre. Wahrend das Papstthum von seinen alten Ansprüchen keinen einzigen preisgab, hielt das englische Königthum an den Bestimmungen fest, die das Parla- ment diesen Ansprüchen gegenüber getroffen hatte. Wiclif hat an einer Stelle seines Buches ,Von der Kirche‘ sehr gut die beider- seitigen Ansprüche zusammengestellt; anderseits gab die Curie in einem hochbedeutsamen Schriftstücke der Zeit Bonifaz IX. — es ist vom 4. Februar 1391 datiert 1 — eine treffliche Ueber- sicht über die gesetzgeberische Thätigkeit Eduards III. in kirchenpolitischen Fragen. Es lohnt sich, bei beiden Stücken einen Augenblick zu verweilen. Nach den Angaben Wiclif’s nimmt der Papst als Ober- lehensherr das Verfügungsrecht über die Güter der englischen Kirche in Anspruch; die weltliche Gewalt darf sich demnach in keinem Fall ein Recht auf die Kirchengüter Englands an- massen, es darf der Geistlichkeit, wie sehr sie auch immer fehlen mag oder wie sehr ihre Missbräuche zur Schwächung des Reiches beitragen, in keinem Fall das Kirchengut entzogen 1 Raynald, Ann. Eccl. 1391, 15.
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46 I. Abhandlung: Loserth. werden; sie sind eximirt von der Gerichtsbarkeit des Königs und stehen, sowohl was ihre Person als auch was ihre Güter betrifft, unmittelbar unter dem Papst, seinen Stellvertretern und Collectoren. Zum Zeichen dessen liefern sie an den Papst die Erträgnisse des ersten Jahres aus allen Pfründen ab. Dem ensprechend darf der Papst in völlig unumschränkter Weise die Kirchenstellen im Lande versehen. Dagegen behauptet die weltliche Macht: wenn man dem Papst das Verfügungsrecht über die geistlichen Güter einräume, die mehr als den vierten Theil des Landes ausmachen, so ist der englische König nicht König von ganz England. Diese Güter lägen dann wohl in England, gehören dem Reiche aber nicht an, da sie nicht unter der Gewalt des Königs, sondern der des Papstes stünden. Da die Geistlichkeit für den Papst auch das weltliche Regiment in Anspruch nimmt, zwei so ver- schiedene Gewalten aber nicht gleichzeitig die bürgerliche Herrschaft führen können, so würde sich ergeben, dass der König in Bezug auf den Besitz der todten Hand entweder gar nichts zu sagen habe, oder seine Herrschaft unter der des Papstes, gleichsam als dessen Statthalter hätte. Das ist aber falsch. Kraft seiner königlichen Gewalt hat er die Macht, geistliches Gut einzuziehen, wenn die Geistlichkeit den Be� fehlen des Königs trotzt (pro contemptu). Der König muss die oberste richterliche Gewalt auch dem Clerus gegenüber be- sitzen, denn die Cleriker sind nicht unfehlbar, sondern wie jeder Andere aus dem Volk Irrthümern und Lastern unter- worfen; wenn also dem König nicht die Möglichkeit gegeben wäre, sie an Leib und Gut zu strafen, so gienge das König- thum seiner obersten richterlichen Gewalt verlustig, und die Geistlichkeit wäre dem König ebenso wenig untergeben, als er etwa ein Recht über Engel oder Teufel hat. Sie wären wohl in seinem Lande, doch hätte er ihnen nichts zu befehlen, und sie glichen jenen Söldnerbanden, die nun von fremden Königen erhalten, die Reiche verwüsten. Man weiss aber, fährt Wiclif fort, dass es hierzulande des Königs Recht ist, dass beim Todesfall jener Priester, die Lehen vom Könige haben," 1 Sed ut meminerunt recencius iuris regis, obtentum est privilegio lauda- bili regni nostri, quod in mortibus multorum sacerdotum, qui de rege tenent in feodo, temporalia cedant regi. De Eccl., p. 340.
46 I. Abhandlung: Loserth. werden; sie sind eximirt von der Gerichtsbarkeit des Königs und stehen, sowohl was ihre Person als auch was ihre Güter betrifft, unmittelbar unter dem Papst, seinen Stellvertretern und Collectoren. Zum Zeichen dessen liefern sie an den Papst die Erträgnisse des ersten Jahres aus allen Pfründen ab. Dem ensprechend darf der Papst in völlig unumschränkter Weise die Kirchenstellen im Lande versehen. Dagegen behauptet die weltliche Macht: wenn man dem Papst das Verfügungsrecht über die geistlichen Güter einräume, die mehr als den vierten Theil des Landes ausmachen, so ist der englische König nicht König von ganz England. Diese Güter lägen dann wohl in England, gehören dem Reiche aber nicht an, da sie nicht unter der Gewalt des Königs, sondern der des Papstes stünden. Da die Geistlichkeit für den Papst auch das weltliche Regiment in Anspruch nimmt, zwei so ver- schiedene Gewalten aber nicht gleichzeitig die bürgerliche Herrschaft führen können, so würde sich ergeben, dass der König in Bezug auf den Besitz der todten Hand entweder gar nichts zu sagen habe, oder seine Herrschaft unter der des Papstes, gleichsam als dessen Statthalter hätte. Das ist aber falsch. Kraft seiner königlichen Gewalt hat er die Macht, geistliches Gut einzuziehen, wenn die Geistlichkeit den Be� fehlen des Königs trotzt (pro contemptu). Der König muss die oberste richterliche Gewalt auch dem Clerus gegenüber be- sitzen, denn die Cleriker sind nicht unfehlbar, sondern wie jeder Andere aus dem Volk Irrthümern und Lastern unter- worfen; wenn also dem König nicht die Möglichkeit gegeben wäre, sie an Leib und Gut zu strafen, so gienge das König- thum seiner obersten richterlichen Gewalt verlustig, und die Geistlichkeit wäre dem König ebenso wenig untergeben, als er etwa ein Recht über Engel oder Teufel hat. Sie wären wohl in seinem Lande, doch hätte er ihnen nichts zu befehlen, und sie glichen jenen Söldnerbanden, die nun von fremden Königen erhalten, die Reiche verwüsten. Man weiss aber, fährt Wiclif fort, dass es hierzulande des Königs Recht ist, dass beim Todesfall jener Priester, die Lehen vom Könige haben," 1 Sed ut meminerunt recencius iuris regis, obtentum est privilegio lauda- bili regni nostri, quod in mortibus multorum sacerdotum, qui de rege tenent in feodo, temporalia cedant regi. De Eccl., p. 340.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 47 die Temporalien an den König zurückfallen. Kraft seines Patronatrechtes gibt er ledig gewordene Beneficien aus;1 erst wenn er einem Capitel die Erlaubniss ertheilt hat, schreitet es zur Wahl und präsentirt den Gewählten dem König, der ihn annimmt oder zurückweist, wie es ihm beliebt, und dem es zusteht, Domcapiteln unter Umständen ihre Temporalien zu entziehen. Aehnlich liest man in dem Actenstücke Bonifaz' IX.: Eduard III. habe verfügt, dass die Wahlen der Erzbischöfe, Bischöfe, Aebte und anderer Würdenträger in England durch- aus frei sein sollen, in der Weise, wie es durch die Vorfahren Eduards III. der englischen Kirche zugestanden worden sei;" die Patronatsrechte sollten frei und ungehindert gehandhabt werden dürfen; falls die Curie bei irgend einem geistlichen Gute eine Reservation, Collation oder Provision zum Schaden der freien Wahl vornehme, so soll der jeweilige König von England die Beförderung zu den geistlichen Würden in die Hand nehmen und sie so durchführen, wie sie geschah, ehe noch die freie Wahl angeordnet wurde; die Besetzung ist so durchzuführen, dass die Wahlberechtigten sich an den König wenden und ihn bitten, die Wahl vornehmen zu dürfen, und hierauf die Bitte anfügen, die getroffene Wahl zu bestätigen." Wenn bezüglich einer Klosterstiftung, deren Patronats- recht der König hat, Reservationen, Collationen oder Provi- sionen durch die Curie erfolgen, so dass das Wahlrecht gestört 1 Unde ex iure patronatus confert beneficia interim vacancia ... Et licenciato capitulo ad novam eleccionem presentato sibi electo appro- bat vel reprobat sicut placet. Unde... preter istas regales aufert sepe temporalia a capitulis eciam invitis... Raynald 1391, 15: Eduardus (stabiliverat) quod libere electiones archi- episcopatuum, episcopatuum et omnium aliarum dignitatum et benefi- ciorum in Anglia tenerent et amodo in modo, sicut fuerant concesse per progenitores Eduardi. Et in casu, quo de aliquo archiepiscopatu ... reservacio, collacio vel provisio facta foret per curiam Romanam in impedimentum eleccionum . . . rex Anglie haberet pro illa vice collaciones ad archiepiscopatus episcopatus ... sicut progenitores sui habuerunt antequam libere elec- ciones forent concesse ... sub certa forma et condicione videlicet ad petendum licenciam regis de eligendo et post eleccionem factam de ha- bendo assensum regium et nullo alio modo...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 47 die Temporalien an den König zurückfallen. Kraft seines Patronatrechtes gibt er ledig gewordene Beneficien aus;1 erst wenn er einem Capitel die Erlaubniss ertheilt hat, schreitet es zur Wahl und präsentirt den Gewählten dem König, der ihn annimmt oder zurückweist, wie es ihm beliebt, und dem es zusteht, Domcapiteln unter Umständen ihre Temporalien zu entziehen. Aehnlich liest man in dem Actenstücke Bonifaz' IX.: Eduard III. habe verfügt, dass die Wahlen der Erzbischöfe, Bischöfe, Aebte und anderer Würdenträger in England durch- aus frei sein sollen, in der Weise, wie es durch die Vorfahren Eduards III. der englischen Kirche zugestanden worden sei;" die Patronatsrechte sollten frei und ungehindert gehandhabt werden dürfen; falls die Curie bei irgend einem geistlichen Gute eine Reservation, Collation oder Provision zum Schaden der freien Wahl vornehme, so soll der jeweilige König von England die Beförderung zu den geistlichen Würden in die Hand nehmen und sie so durchführen, wie sie geschah, ehe noch die freie Wahl angeordnet wurde; die Besetzung ist so durchzuführen, dass die Wahlberechtigten sich an den König wenden und ihn bitten, die Wahl vornehmen zu dürfen, und hierauf die Bitte anfügen, die getroffene Wahl zu bestätigen." Wenn bezüglich einer Klosterstiftung, deren Patronats- recht der König hat, Reservationen, Collationen oder Provi- sionen durch die Curie erfolgen, so dass das Wahlrecht gestört 1 Unde ex iure patronatus confert beneficia interim vacancia ... Et licenciato capitulo ad novam eleccionem presentato sibi electo appro- bat vel reprobat sicut placet. Unde... preter istas regales aufert sepe temporalia a capitulis eciam invitis... Raynald 1391, 15: Eduardus (stabiliverat) quod libere electiones archi- episcopatuum, episcopatuum et omnium aliarum dignitatum et benefi- ciorum in Anglia tenerent et amodo in modo, sicut fuerant concesse per progenitores Eduardi. Et in casu, quo de aliquo archiepiscopatu ... reservacio, collacio vel provisio facta foret per curiam Romanam in impedimentum eleccionum . . . rex Anglie haberet pro illa vice collaciones ad archiepiscopatus episcopatus ... sicut progenitores sui habuerunt antequam libere elec- ciones forent concesse ... sub certa forma et condicione videlicet ad petendum licenciam regis de eligendo et post eleccionem factam de ha- bendo assensum regium et nullo alio modo...
Strana 48
48 I. Abhandlung: Loserth. ist, so hat der König das Recht, die Pfründe einem tauglichen Manne zu verleihen.1 In gleicher Weise wird vorgegangen, wenn die Patronatsrechte jener Geschlechter, deren Lehens- herr der König ist, verletzt werden.2 Jene, die ein Patronats- recht haben, sollen es auch ausüben: thun sie das binnen einem halben Jahre nicht, so fällt das Recht der Präsentation an den König.s Sollten Jene, denen staatlicherseits die Pfründen ver- liehen sind, durch die Inhaber päpstlicher Provisionen gehin- dert sein, ihre Pfründe in Besitz zu nehmen, so werden die päpstlichen Provisoren und Executoren in Haft genommen und nicht früher befreit, bis sie genügende Busse gethan, auf ihre Provision feierlich verzichtet und Urfehde geschworen haben." Man sieht aus dieser interessanten Darstellung Bonifaz' IX., dass die oben angeführten Verordnungen Eduards III. die ganze Zeit seiner Regierung hindurch ihre gesetzliche Kraft behielten; inwieweit es möglich war, sie durchzuführen, werden die Verhandlungen ersichtlich machen, die am guten Parla- mente gepflogen wurden. Die einfache Gegenüberstellung der kirchlichen und staatlichen Ansprüche zeigt, dass da unüber- brückbare Gegensätze vorhanden waren. Den Ansprüchen des Papstes gegenüber waren staatlicherseits Grundsätze auf- gestellt, die zwar die völlige Freiheit der englischen Kirche betonten, in Wirklichkeit aber doch einer völligen Abhängig- keit vom Königthum nahekamen. Diese Grundsätze hat Wiclif 1 Si de aliqua domo religiosorum, de fundacione seu patronatu regis facta foret reservacio, collacio vel provisio in impedimentum libere eleccionis, haberet dictus rex, qui tunc esset, illa vice collacionem ad dandum ipsam dignitatem alicui persone idoneae... In casu quo collacio, reservacio vel provisio facta foret in curia Ro- mana ... dictus rex haberet collacionem pro illa vice... Si tales patroni non praesentarent ad talia beneficia infra dimidium an- num, episcopus loci conferret post lapsum temporis infra unum mensem post dictum dimidium annum, tunc dictus rex haberet praesentaciones et collaciones, sicut habet de aliis de patronatu seu fundacione propria... In casu quo presentati regis vel presentati aliorum patronorum vel de eorum fundatoribus... essent impediti per tales provisores, ita quod non possent habere possessiones de talibus beneficiis virtute presenta- cionum seu collacionum sic eis factarum ... tunc essent huiusmodi pro- visores et eorum procuratores, executores et notarii attachiati per eorum corpora et positi ad responsionem suam, et si forent convicti, manerent in persona absque deliberacione...
48 I. Abhandlung: Loserth. ist, so hat der König das Recht, die Pfründe einem tauglichen Manne zu verleihen.1 In gleicher Weise wird vorgegangen, wenn die Patronatsrechte jener Geschlechter, deren Lehens- herr der König ist, verletzt werden.2 Jene, die ein Patronats- recht haben, sollen es auch ausüben: thun sie das binnen einem halben Jahre nicht, so fällt das Recht der Präsentation an den König.s Sollten Jene, denen staatlicherseits die Pfründen ver- liehen sind, durch die Inhaber päpstlicher Provisionen gehin- dert sein, ihre Pfründe in Besitz zu nehmen, so werden die päpstlichen Provisoren und Executoren in Haft genommen und nicht früher befreit, bis sie genügende Busse gethan, auf ihre Provision feierlich verzichtet und Urfehde geschworen haben." Man sieht aus dieser interessanten Darstellung Bonifaz' IX., dass die oben angeführten Verordnungen Eduards III. die ganze Zeit seiner Regierung hindurch ihre gesetzliche Kraft behielten; inwieweit es möglich war, sie durchzuführen, werden die Verhandlungen ersichtlich machen, die am guten Parla- mente gepflogen wurden. Die einfache Gegenüberstellung der kirchlichen und staatlichen Ansprüche zeigt, dass da unüber- brückbare Gegensätze vorhanden waren. Den Ansprüchen des Papstes gegenüber waren staatlicherseits Grundsätze auf- gestellt, die zwar die völlige Freiheit der englischen Kirche betonten, in Wirklichkeit aber doch einer völligen Abhängig- keit vom Königthum nahekamen. Diese Grundsätze hat Wiclif 1 Si de aliqua domo religiosorum, de fundacione seu patronatu regis facta foret reservacio, collacio vel provisio in impedimentum libere eleccionis, haberet dictus rex, qui tunc esset, illa vice collacionem ad dandum ipsam dignitatem alicui persone idoneae... In casu quo collacio, reservacio vel provisio facta foret in curia Ro- mana ... dictus rex haberet collacionem pro illa vice... Si tales patroni non praesentarent ad talia beneficia infra dimidium an- num, episcopus loci conferret post lapsum temporis infra unum mensem post dictum dimidium annum, tunc dictus rex haberet praesentaciones et collaciones, sicut habet de aliis de patronatu seu fundacione propria... In casu quo presentati regis vel presentati aliorum patronorum vel de eorum fundatoribus... essent impediti per tales provisores, ita quod non possent habere possessiones de talibus beneficiis virtute presenta- cionum seu collacionum sic eis factarum ... tunc essent huiusmodi pro- visores et eorum procuratores, executores et notarii attachiati per eorum corpora et positi ad responsionem suam, et si forent convicti, manerent in persona absque deliberacione...
Strana 49
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 49 in sich aufgenommen, vertheidigt und weiter ausgebildet; sie bilden genau betrachtet einige der Fundamente seiner grossen Werke: ,Von der bürgerlichen Herrschaft (De civili dominio)’, �Von der Kirche (De Ecclesia)’, �Dem könig- lichen Amte (De potestate regis)‘ u. s. w. Neben solchen Befugnissen des Königthums konnten die Ansprüche des Papstthums nicht bestehen. Die Streitfrage konnte zeitweise zurückgestellt werden, der Kampf aber zwischen Staats- und Kirchengewalt bei dem geringfügigsten Anlass wieder auflodern, und er musste es, wenn bei dem Wieder- ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und England das Papstthum in den Verdacht kam, dem französischen Königthum eine Stütze zu bieten. Seit dem Wiederausbruch des Krieges wurden in der That die älteren Verordnungen gegen alle Ein- griffe des Papstthums in die Verwaltung der englischen Kirche hervorgesucht und in Anwendung gebracht. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung das Vorgehen gegen den päpstlichen Col- lector Arnold Garnier. Dieser erschien im Februar 1372, mit päpstlichen Beglaubigungsschreiben versehen, in England. Als Franzose — er war Domherr von Chalons — mit doppeltem Misstrauen aufgenommen, erhielt er zwar die Erlaubniss, die päpstlichen Gefalle im Lande einzuheben, doch erst nachdem er im Palaste zu Westminster, umgeben von den Räthen und Würdenträgern der Krone,1 geschworen, dem Könige und der Krone treu zu sein," den Gesetzen des Landes zu gehorchen, nichts zu unternehmen, was dem Könige, dem Reiche und den Gesetzen des Landes Gefahr bringen könnte, dem Könige, wenn es Noth thue, einen guten und getreuen Rath zu er- theilen,4 die Entschliessungen des Königs, falls er von ihnen Forma iuramenti Arnaldi pape thesaurarii. Abgedruckt bei Lechler II, 575 und 576. Der französische Text bei Rymer, Foedera III, 2, 933: Hec est forma iuramenti Arnaldi de Granario collectoris domini pape Gregorii XI. in ecclesia Anglicana. Et dividitur sacramentum in decem articulos ... Promitto et iuro, quod ero fidelis ... regi et corone sue ... 3 Nec faciam ... quod possit esse dampnosum vobis vel regno ac legibus vestris.... Bonum et fidele consilium vobis dabo, super quanto ex vestra parte fuero requisitus.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 49 in sich aufgenommen, vertheidigt und weiter ausgebildet; sie bilden genau betrachtet einige der Fundamente seiner grossen Werke: ,Von der bürgerlichen Herrschaft (De civili dominio)’, �Von der Kirche (De Ecclesia)’, �Dem könig- lichen Amte (De potestate regis)‘ u. s. w. Neben solchen Befugnissen des Königthums konnten die Ansprüche des Papstthums nicht bestehen. Die Streitfrage konnte zeitweise zurückgestellt werden, der Kampf aber zwischen Staats- und Kirchengewalt bei dem geringfügigsten Anlass wieder auflodern, und er musste es, wenn bei dem Wieder- ausbruch des Krieges zwischen Frankreich und England das Papstthum in den Verdacht kam, dem französischen Königthum eine Stütze zu bieten. Seit dem Wiederausbruch des Krieges wurden in der That die älteren Verordnungen gegen alle Ein- griffe des Papstthums in die Verwaltung der englischen Kirche hervorgesucht und in Anwendung gebracht. Sehr lehrreich ist in dieser Beziehung das Vorgehen gegen den päpstlichen Col- lector Arnold Garnier. Dieser erschien im Februar 1372, mit päpstlichen Beglaubigungsschreiben versehen, in England. Als Franzose — er war Domherr von Chalons — mit doppeltem Misstrauen aufgenommen, erhielt er zwar die Erlaubniss, die päpstlichen Gefalle im Lande einzuheben, doch erst nachdem er im Palaste zu Westminster, umgeben von den Räthen und Würdenträgern der Krone,1 geschworen, dem Könige und der Krone treu zu sein," den Gesetzen des Landes zu gehorchen, nichts zu unternehmen, was dem Könige, dem Reiche und den Gesetzen des Landes Gefahr bringen könnte, dem Könige, wenn es Noth thue, einen guten und getreuen Rath zu er- theilen,4 die Entschliessungen des Königs, falls er von ihnen Forma iuramenti Arnaldi pape thesaurarii. Abgedruckt bei Lechler II, 575 und 576. Der französische Text bei Rymer, Foedera III, 2, 933: Hec est forma iuramenti Arnaldi de Granario collectoris domini pape Gregorii XI. in ecclesia Anglicana. Et dividitur sacramentum in decem articulos ... Promitto et iuro, quod ero fidelis ... regi et corone sue ... 3 Nec faciam ... quod possit esse dampnosum vobis vel regno ac legibus vestris.... Bonum et fidele consilium vobis dabo, super quanto ex vestra parte fuero requisitus.
Strana 50
50 I. Abhandlung : Loserth. Kunde bekomme, geheim zu halten,1 keinen brieflichen Verkehr mit der Curie zu unterhalten," welcher dem Reiche gefährlich wäre, die päpstlichen Schreiben stets vor ihrer Publication zur Kenntniss des königlichen Rathes zu bringen, keine Schätze ausser Land zu führen, von denen der König nicht Kunde habe, und England ohne Einwilligung des Königs nicht zu verlassen.3 Ueber diesen Eidschwur Arnold Garnier's sind von den neueren Biographen Wiclif's einige beachtenswerthe Bemer- kungen gemacht worden, und dies nöthigt uns, der Sache auch unsererseits hier schon Beachtung zu schenken, wiewohl der Gegenstand einer späteren Zeit angehört. Wiclif schrieb über diesen Eid ein ausführliches Gut- achten, das er, wie es scheint, dem geheimen Rathe vorlegte." Indem er die einzelnen Punkte dieses Eidschwures durchnimmt, meint er, dass es hiebei nicht ohne Meineid abgegangen sein könne. Man möge, sagt er, nur Punkt 2 ins Auge fassen: Hier schwört Garnier, nichts zu thun, nichts zu veranlassen und nichts zu erlauben, das irgendwie dem Könige, dem Reiche und dessen Gesetzen und Unterthanen verderblich sein könnte. Wenn nun der Mann seinem Auftrage gemäss Gelder im Lande erhebt und dessen Schätze erschöpft, thut er nicht etwas, was dem Könige und dem ganzen Reiche verderblich ist? Erfahrene Leute sagen, dass diese Schätze nicht uns, sondern unseren Feinden zugute kommen.5 Und ist denn der Zweck, zu dem dies Geld erhoben wird, ein guter? Wird denn das Reich durch die päpstlichen Plünderungszüge nicht verarmen, und wenn dann ein Landesfeind erscheint, wovon 1 Consilium vestrum ... celabo et secretum tenebo ... unde dampnum, preiudicium vel dedecus possit sequi vobis vel regno vestro... Nullam execucionem literarum seu mandatorum papalium per me vel alium faciam vel fieri permittam quod possit esse ... preiudiciale vestre regali majestati ... Nullas literas papales et alias recipiam, si non illas portem, tradam et deliberem .. . concilio vestro, antequam fuerint publicate ... Non transibo extra regnum Anglie sine speciali licencia regis... Gedruckt bei Lechler II, 576—579, s. dazu Lechler I, 340—342. 355. 356. Quantum ad retribucionem corporalis suffragii dicunt experti, quod non nostri sed inimici nostri cum thesauro per ipsum extracto de Anglia relevantur ...
50 I. Abhandlung : Loserth. Kunde bekomme, geheim zu halten,1 keinen brieflichen Verkehr mit der Curie zu unterhalten," welcher dem Reiche gefährlich wäre, die päpstlichen Schreiben stets vor ihrer Publication zur Kenntniss des königlichen Rathes zu bringen, keine Schätze ausser Land zu führen, von denen der König nicht Kunde habe, und England ohne Einwilligung des Königs nicht zu verlassen.3 Ueber diesen Eidschwur Arnold Garnier's sind von den neueren Biographen Wiclif's einige beachtenswerthe Bemer- kungen gemacht worden, und dies nöthigt uns, der Sache auch unsererseits hier schon Beachtung zu schenken, wiewohl der Gegenstand einer späteren Zeit angehört. Wiclif schrieb über diesen Eid ein ausführliches Gut- achten, das er, wie es scheint, dem geheimen Rathe vorlegte." Indem er die einzelnen Punkte dieses Eidschwures durchnimmt, meint er, dass es hiebei nicht ohne Meineid abgegangen sein könne. Man möge, sagt er, nur Punkt 2 ins Auge fassen: Hier schwört Garnier, nichts zu thun, nichts zu veranlassen und nichts zu erlauben, das irgendwie dem Könige, dem Reiche und dessen Gesetzen und Unterthanen verderblich sein könnte. Wenn nun der Mann seinem Auftrage gemäss Gelder im Lande erhebt und dessen Schätze erschöpft, thut er nicht etwas, was dem Könige und dem ganzen Reiche verderblich ist? Erfahrene Leute sagen, dass diese Schätze nicht uns, sondern unseren Feinden zugute kommen.5 Und ist denn der Zweck, zu dem dies Geld erhoben wird, ein guter? Wird denn das Reich durch die päpstlichen Plünderungszüge nicht verarmen, und wenn dann ein Landesfeind erscheint, wovon 1 Consilium vestrum ... celabo et secretum tenebo ... unde dampnum, preiudicium vel dedecus possit sequi vobis vel regno vestro... Nullam execucionem literarum seu mandatorum papalium per me vel alium faciam vel fieri permittam quod possit esse ... preiudiciale vestre regali majestati ... Nullas literas papales et alias recipiam, si non illas portem, tradam et deliberem .. . concilio vestro, antequam fuerint publicate ... Non transibo extra regnum Anglie sine speciali licencia regis... Gedruckt bei Lechler II, 576—579, s. dazu Lechler I, 340—342. 355. 356. Quantum ad retribucionem corporalis suffragii dicunt experti, quod non nostri sed inimici nostri cum thesauro per ipsum extracto de Anglia relevantur ...
Strana 51
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 51 wird man das Heer besolden?1 Oder wenn der Procurator schwöre, dem Könige und dem Reiche stets ein guter und ge- treuer Rathmann zu sein, so möge ihn doch das Parlament auf diesen Eid hin fragen, wie viel Geld er das Jahr über an die Curie sende oder wie viel zu senden er versprochen habe." Erst dann werde das Parlament sehen, ob da nicht eine Schädigung der Landesinteressen vorliege. Wird er die Wahr- heit verheimlichen, dann wird es klar sein, dass seine Schatzun- gen dem Reiche verderblich seien. Zu welchem Zwecke ist die englische Kirche dotiert worden? Doch nur dazu, dass sie in den Stand gesetzt werde, fromme Almosen auszutheilen. Wie soll es denn dem Reiche nicht verderblich und präjudi- cierlich sein, wenn diese Dotation dem ursprünglichen Zwecke entfremdet werde? Wenn ein jeder Cleriker unseres Reiches gezwungen ist, den Ertrag des ersten Jahres aus seiner Pfründe zu geben, so schleppt er diesen nicht in Naturallieferungen, wie er sie selbst erhält, sondern in guter, klingender Münze nach London. Das ist doch wohl im wahrsten Sinne des Wortes ein weltlich Ding (res purissime temporalis). Ja, fügt denn da der Procurator unserem Reiche nicht thatsächlich grossen Schaden zu? Er soll keine päpstlichen Schriftstücke oder Aufträge des Papstes, die dem Königreiche präjudicierlich wären, ausführen: aber man hat den Beweis in der Hand, dass er es thatsächlich thut. So ist er doch sicher — und das ist auch die Ansicht sehr Vieler — ein Meineidiger. Wenn man in ähnlicher Weise die übrigen Punkte des Eides durchgehe, werde man finden, dass er in keiner Weise die Ehre des Königs und Reiches wahrt, sondern das Gegentheil thut: ein Meineidiger gegen Gott und die Menschheit. Als solcher muss er aber nicht in Schutz genommen, sondern aus dem Land gejagt werden. Im Uebrigen ist Wiclif ganz dafür, dass der Procurator verhalten werde, einen solchen Eid zu leisten. Ja, er geht noch viel weiter. Er verlangt einen solchen Eid von jedem 1 Item, foret tam preiudiciale quam dampnosum, regnum Anglie tantum depauperari pecunia quod, assistente invasione hostium, rex non haberet, unde dispertiretur exercitui suo stipendium... Parliamentum debet onerare eum virtute iuramenti prestiti, quod vere dicat sibi, quantum de pecunia vel equivalenti pro uno anno transmisit ad curiam vel promisit aut sciverit transmitti ...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 51 wird man das Heer besolden?1 Oder wenn der Procurator schwöre, dem Könige und dem Reiche stets ein guter und ge- treuer Rathmann zu sein, so möge ihn doch das Parlament auf diesen Eid hin fragen, wie viel Geld er das Jahr über an die Curie sende oder wie viel zu senden er versprochen habe." Erst dann werde das Parlament sehen, ob da nicht eine Schädigung der Landesinteressen vorliege. Wird er die Wahr- heit verheimlichen, dann wird es klar sein, dass seine Schatzun- gen dem Reiche verderblich seien. Zu welchem Zwecke ist die englische Kirche dotiert worden? Doch nur dazu, dass sie in den Stand gesetzt werde, fromme Almosen auszutheilen. Wie soll es denn dem Reiche nicht verderblich und präjudi- cierlich sein, wenn diese Dotation dem ursprünglichen Zwecke entfremdet werde? Wenn ein jeder Cleriker unseres Reiches gezwungen ist, den Ertrag des ersten Jahres aus seiner Pfründe zu geben, so schleppt er diesen nicht in Naturallieferungen, wie er sie selbst erhält, sondern in guter, klingender Münze nach London. Das ist doch wohl im wahrsten Sinne des Wortes ein weltlich Ding (res purissime temporalis). Ja, fügt denn da der Procurator unserem Reiche nicht thatsächlich grossen Schaden zu? Er soll keine päpstlichen Schriftstücke oder Aufträge des Papstes, die dem Königreiche präjudicierlich wären, ausführen: aber man hat den Beweis in der Hand, dass er es thatsächlich thut. So ist er doch sicher — und das ist auch die Ansicht sehr Vieler — ein Meineidiger. Wenn man in ähnlicher Weise die übrigen Punkte des Eides durchgehe, werde man finden, dass er in keiner Weise die Ehre des Königs und Reiches wahrt, sondern das Gegentheil thut: ein Meineidiger gegen Gott und die Menschheit. Als solcher muss er aber nicht in Schutz genommen, sondern aus dem Land gejagt werden. Im Uebrigen ist Wiclif ganz dafür, dass der Procurator verhalten werde, einen solchen Eid zu leisten. Ja, er geht noch viel weiter. Er verlangt einen solchen Eid von jedem 1 Item, foret tam preiudiciale quam dampnosum, regnum Anglie tantum depauperari pecunia quod, assistente invasione hostium, rex non haberet, unde dispertiretur exercitui suo stipendium... Parliamentum debet onerare eum virtute iuramenti prestiti, quod vere dicat sibi, quantum de pecunia vel equivalenti pro uno anno transmisit ad curiam vel promisit aut sciverit transmitti ...
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52 I. Abhandlung: Loserth. französischen und überhaupt von jedem ausländischen Geist- lichen. Auch jeder einheimische Cleriker, der im Rathe des Königs sitze, müsse, wenn er Verdacht errege, einen der- artigen Eid schwören und falls dann sein Verrath an den Tag tritt, nach den Gesetzen des Landes gestraft werden. Er verfehlt nicht, gelegentlich alle diese ,Fremdlinge‘ als ,Landes- verräther‘ zu brandmarken. In dieser Erörterung hat Wiclif, wie mit Recht gesagt wurde, ,den Nachweis zu erbringen versucht, dass ein unver- söhnlicher Widerspruch bestehe zwischen der von Staatswegen ertheilten Bewilligung, für die Curie Gelder einzutreiben einer- seits und der Absicht, die Landesinteressen unverletzt zu be- wahren andererseits‘.1 Aber Lechler hat wie bezüglich der Abfassungszeit des von Lewis gedruckten Tractates auch hier übersehen, dass die Ausführungen Wiclif's über den Eid- schwur Garnier's einer späteren Zeit angehören. Er meint, dass dieser kurze Artikel Wiclif’s spätestens im Jahre 1374 geschrieben wurde, weil von Arnold Garnier als von einem noch immer im Lande befindlichen Mann die Rede ist, der seine Geschäfte noch jetzt betreibe. Wahrscheinlich gehöre der Aufsatz schon in das Jahr 1373, ja möglicher Weise schon in das Jahr 1372. Damit wird Wiclif schon für das Jahr 1372 eine Bedeutung zuerkannt, die er damals nicht gehabt hat und wie er sie erst seit den Tagen von Brügge und des guten Parlamentes erlangt haben mochte. Da ist zunächst zu bemerken, dass Wiclif über Garnier nicht anders in seinem Buche ,De officio regis‘ spricht,? und doch ist dies Buch kaum vor 1379 geschrieben worden. Es werden Wiclif hier Dinge in den Mund gelegt, die er 1372 noch nicht vertheidigt hätte. In Wirklichkeit stammen auch diese Ausführungen Wiclif’s aus einer viel späteren Zeit; es findet sich in ihnen denn auch eine Stelle, die es ausdrücklich her- vorhebt, dass sie erst der Zeit des Königs Richard angehören, was Lechler übersehen hat. Indem man die Zeit der Ab- fassung der beiden genannten Abhandlungen Wiclif's viel zu früh angesetzt hat, hat man von Wiclif's Thätigkeit in kirchen- 1 Lechler I, 341. 2 De officio regis, p. 108.
52 I. Abhandlung: Loserth. französischen und überhaupt von jedem ausländischen Geist- lichen. Auch jeder einheimische Cleriker, der im Rathe des Königs sitze, müsse, wenn er Verdacht errege, einen der- artigen Eid schwören und falls dann sein Verrath an den Tag tritt, nach den Gesetzen des Landes gestraft werden. Er verfehlt nicht, gelegentlich alle diese ,Fremdlinge‘ als ,Landes- verräther‘ zu brandmarken. In dieser Erörterung hat Wiclif, wie mit Recht gesagt wurde, ,den Nachweis zu erbringen versucht, dass ein unver- söhnlicher Widerspruch bestehe zwischen der von Staatswegen ertheilten Bewilligung, für die Curie Gelder einzutreiben einer- seits und der Absicht, die Landesinteressen unverletzt zu be- wahren andererseits‘.1 Aber Lechler hat wie bezüglich der Abfassungszeit des von Lewis gedruckten Tractates auch hier übersehen, dass die Ausführungen Wiclif's über den Eid- schwur Garnier's einer späteren Zeit angehören. Er meint, dass dieser kurze Artikel Wiclif’s spätestens im Jahre 1374 geschrieben wurde, weil von Arnold Garnier als von einem noch immer im Lande befindlichen Mann die Rede ist, der seine Geschäfte noch jetzt betreibe. Wahrscheinlich gehöre der Aufsatz schon in das Jahr 1373, ja möglicher Weise schon in das Jahr 1372. Damit wird Wiclif schon für das Jahr 1372 eine Bedeutung zuerkannt, die er damals nicht gehabt hat und wie er sie erst seit den Tagen von Brügge und des guten Parlamentes erlangt haben mochte. Da ist zunächst zu bemerken, dass Wiclif über Garnier nicht anders in seinem Buche ,De officio regis‘ spricht,? und doch ist dies Buch kaum vor 1379 geschrieben worden. Es werden Wiclif hier Dinge in den Mund gelegt, die er 1372 noch nicht vertheidigt hätte. In Wirklichkeit stammen auch diese Ausführungen Wiclif’s aus einer viel späteren Zeit; es findet sich in ihnen denn auch eine Stelle, die es ausdrücklich her- vorhebt, dass sie erst der Zeit des Königs Richard angehören, was Lechler übersehen hat. Indem man die Zeit der Ab- fassung der beiden genannten Abhandlungen Wiclif's viel zu früh angesetzt hat, hat man von Wiclif's Thätigkeit in kirchen- 1 Lechler I, 341. 2 De officio regis, p. 108.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 53 politischen Dingen ein falsches Bild gewonnen. Man ist denn auch genöthigt, den Höhepunkt seines kirchenpolitischen Wirkens da zu sehen, wo wir erst die Anfänge hievon finden — am Congress zu Brügge. 5. Der Friedenscongress zu Brügge. Trotzdem das englische Parlament die Lehenszinsforderung des Papstes abgelehnt hatte, scheinen die Beziehungen des Papstthums zu England keine schlechten gewesen zu sein. Mehr als einer seiner Vorgänger war Urban V. bemüht, die Quelle des ewigen Streites zwischen England und Frankreich endlich zu verstopfen. Englische Chronisten meinen etwas übertrieben, das sei der eigentliche Zweck seiner Rückkehr nach Avignon gewesen. Und zwar habe er, ihn zu erreichen, auch schärfere Mittel anwenden wollen. Er habe die Absicht gehabt, im März 1371 nach Paris zu gehen, um den französi- schen König für seinen Plan zu gewinnen; dann habe er selbst nach Brügge gehen wollen, wo beide Könige erscheinen sollten. Hier hätte er einen Frieden um jeden Preis zustande bringen wollen: den Widerstrebenden hätte er mit kirchlichen Cen- suren bedroht. Leider ereilte den Papst der Tod, bevor er noch den ersten Theil dieser Aufgabe erledigt hatte. Der tiefe Schmerz englischer Chronisten um den Heimgang dieses lauteren Charakters deutet wohl auch darauf hin, dass die Lehenszins- forderung des Jahres 1365 das englische Publicum in keine allzugrosse Aufregung versetzte. Ihm folgte Gregor XI., ein Brudersohn Clemens’ VI., auf dem päpstlichen Stuhle nach, ein Papst, der von den gleichen Absichten beseelt war wie sein Vor- gänger. Von dem, was er für das Recht der Kirche hielt, hätte er natürlich kein Titelchen preisgegeben, und es wurde ihm that- sächlich ausserordentlich schwer, dem König in einigen minder wichtigen Punkten entgegenzukommen. Allen Forderungen und Wünschen des Parlaments zum Trotz bestand das System der kirchlichen Provisionen und Reservationen und Annaten wie bisher weiter: um die volle Freiheit der Kirchenwahlen war es auch dem König wenig zu thun; er war es zufrieden, wenn die englische Kirche zu den schweren Kriegslasten das Ihrige beitrug. Bald im Anfange des neuen Pontificates wurden
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 53 politischen Dingen ein falsches Bild gewonnen. Man ist denn auch genöthigt, den Höhepunkt seines kirchenpolitischen Wirkens da zu sehen, wo wir erst die Anfänge hievon finden — am Congress zu Brügge. 5. Der Friedenscongress zu Brügge. Trotzdem das englische Parlament die Lehenszinsforderung des Papstes abgelehnt hatte, scheinen die Beziehungen des Papstthums zu England keine schlechten gewesen zu sein. Mehr als einer seiner Vorgänger war Urban V. bemüht, die Quelle des ewigen Streites zwischen England und Frankreich endlich zu verstopfen. Englische Chronisten meinen etwas übertrieben, das sei der eigentliche Zweck seiner Rückkehr nach Avignon gewesen. Und zwar habe er, ihn zu erreichen, auch schärfere Mittel anwenden wollen. Er habe die Absicht gehabt, im März 1371 nach Paris zu gehen, um den französi- schen König für seinen Plan zu gewinnen; dann habe er selbst nach Brügge gehen wollen, wo beide Könige erscheinen sollten. Hier hätte er einen Frieden um jeden Preis zustande bringen wollen: den Widerstrebenden hätte er mit kirchlichen Cen- suren bedroht. Leider ereilte den Papst der Tod, bevor er noch den ersten Theil dieser Aufgabe erledigt hatte. Der tiefe Schmerz englischer Chronisten um den Heimgang dieses lauteren Charakters deutet wohl auch darauf hin, dass die Lehenszins- forderung des Jahres 1365 das englische Publicum in keine allzugrosse Aufregung versetzte. Ihm folgte Gregor XI., ein Brudersohn Clemens’ VI., auf dem päpstlichen Stuhle nach, ein Papst, der von den gleichen Absichten beseelt war wie sein Vor- gänger. Von dem, was er für das Recht der Kirche hielt, hätte er natürlich kein Titelchen preisgegeben, und es wurde ihm that- sächlich ausserordentlich schwer, dem König in einigen minder wichtigen Punkten entgegenzukommen. Allen Forderungen und Wünschen des Parlaments zum Trotz bestand das System der kirchlichen Provisionen und Reservationen und Annaten wie bisher weiter: um die volle Freiheit der Kirchenwahlen war es auch dem König wenig zu thun; er war es zufrieden, wenn die englische Kirche zu den schweren Kriegslasten das Ihrige beitrug. Bald im Anfange des neuen Pontificates wurden
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54 I. Abhandlung: Loserth. zwei englische Bischofssitze durch Provision, der dritte nach dem Wunsch des Königs besetzt. Papstthum und Königthum hätten sich in ähnlicher Weise auch in Zukunft leicht ver- tragen, wäre nicht der leidige Krieg gewesen, der einerseits dem englischen Kirchengut schwere Lasten auferlegte, anderer- seits das Misstrauen des Volkes gegen dieses ,französische" Papstthum wach erhielt. Wenn man die Register dieses Papstes durchliest, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, seine Regierung habe gar kein anderes Ziel gekannt als die Ver- söhnung der feindlichen Mächte. Dass dies Ziel nicht erreicht wurde, lag am wenigsten an dem Papste. Es ist eines seiner ersten Geschäfte, den Gesandten, die noch von Urban V. beauftragt waren, für den Frieden zu wirken, ihre Vollmachten zu erneuern.1 In beweglichen Worten wendet er sich ein halbes Jahr später an Eduard III., den an Siegen und Ehren reichen Fürsten, mit eindringlichen Mahnungen zum Frieden:2 Er freue sich über seine Geneigtheit zum Frieden und dass schon Zeit und Ort für die Unterhandlungen fest- gestellt seien. Man dürfe eines guten Ausgangs gewärtig sein. Der König möge seine Gesandten mit genügenden Vollmachten ausrüsten und ihn über alles Wichtige unterrichten. Wo er der guten Sache dienen könne, wolle er sich nicht versagen." In gleicher Weise hatte êr sich an den König von Frankreich gewendet. Auch hier fand er ein freundliches Entgegenkommen. Freilich hatten die Gesandtschaften, die in Calais zusammen- getreten waren, vorläufig keinen Erfolg zu verzeichnen: der Franzose, stolz auf die letzten Erfolge, erhob hohe Forderungen, der Engländer wollte die Arbeit langer Jahre nicht in einem Augenblicke preisgeben. In beiden Ländern hatte der Clerus schwere Lasten zu tragen. In England war die Stimmung eine dem Clerus in hohem Grade feindliche. Das Parlament, das 1371 in Westminster zusammentrat, verlangte vom König, dass er die Geistlichen aus den höchsten Staatsämtern entfernen und diese an Laien geben möge, denn die Laien könne man jederzeit vor den weltlichen Gerichtshöfen zur Verantwortung 1 Raynaldi, Ann. Eccl. 1371, 1, ddo. 9. März 1371. 2 Raynaldi, ddo. 25. Sept. 1371. 3 Rymer, Foedera III2, 188, 189.
54 I. Abhandlung: Loserth. zwei englische Bischofssitze durch Provision, der dritte nach dem Wunsch des Königs besetzt. Papstthum und Königthum hätten sich in ähnlicher Weise auch in Zukunft leicht ver- tragen, wäre nicht der leidige Krieg gewesen, der einerseits dem englischen Kirchengut schwere Lasten auferlegte, anderer- seits das Misstrauen des Volkes gegen dieses ,französische" Papstthum wach erhielt. Wenn man die Register dieses Papstes durchliest, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, seine Regierung habe gar kein anderes Ziel gekannt als die Ver- söhnung der feindlichen Mächte. Dass dies Ziel nicht erreicht wurde, lag am wenigsten an dem Papste. Es ist eines seiner ersten Geschäfte, den Gesandten, die noch von Urban V. beauftragt waren, für den Frieden zu wirken, ihre Vollmachten zu erneuern.1 In beweglichen Worten wendet er sich ein halbes Jahr später an Eduard III., den an Siegen und Ehren reichen Fürsten, mit eindringlichen Mahnungen zum Frieden:2 Er freue sich über seine Geneigtheit zum Frieden und dass schon Zeit und Ort für die Unterhandlungen fest- gestellt seien. Man dürfe eines guten Ausgangs gewärtig sein. Der König möge seine Gesandten mit genügenden Vollmachten ausrüsten und ihn über alles Wichtige unterrichten. Wo er der guten Sache dienen könne, wolle er sich nicht versagen." In gleicher Weise hatte êr sich an den König von Frankreich gewendet. Auch hier fand er ein freundliches Entgegenkommen. Freilich hatten die Gesandtschaften, die in Calais zusammen- getreten waren, vorläufig keinen Erfolg zu verzeichnen: der Franzose, stolz auf die letzten Erfolge, erhob hohe Forderungen, der Engländer wollte die Arbeit langer Jahre nicht in einem Augenblicke preisgeben. In beiden Ländern hatte der Clerus schwere Lasten zu tragen. In England war die Stimmung eine dem Clerus in hohem Grade feindliche. Das Parlament, das 1371 in Westminster zusammentrat, verlangte vom König, dass er die Geistlichen aus den höchsten Staatsämtern entfernen und diese an Laien geben möge, denn die Laien könne man jederzeit vor den weltlichen Gerichtshöfen zur Verantwortung 1 Raynaldi, Ann. Eccl. 1371, 1, ddo. 9. März 1371. 2 Raynaldi, ddo. 25. Sept. 1371. 3 Rymer, Foedera III2, 188, 189.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 55 ziehen. So legte damals der Bischof Wilhelm von Wykeham sein Kanzleramt nieder; seinem Beispiele folgten der Schatz- meister und Siegelbewahrer. Alle Aemter wurden nun mit Laien besetzt. Auch zu den Steuern wurde die Geistlichkeit scharf herangezogen. Schon für das Jahr 1369 hatte sie einen dreijährigen Zehent gegeben; im folgenden Jahre wurde gerade- zu behauptet, dass das Geld, das nun auch wieder der Clerus beizusteuern hatte, auch zur Vertheidigung der Kirche ver- wendet werde. Noch schärfer war die Besteuerung des Clerus im Jahre 1371. Die Priester hatten nach dem Erträgniss ihres Ein- kommens eine Abgabe zu zahlen; selbst die kleinsten Pfründen wurden belastet. Die Geistlichkeit mochte sich noch so heftig dagegen auflehnen und sich auf ihre Freiheiten berufen, es half ihr wenig. In den Versammlungen des Parlamentes wurde in deutlicher Weise auf die Einziehung des Kirchengutes an- gespielt, der sich der Clerus aussetze, wenn er nicht, ohne sich zu weigern, zu den schweren Lasten des Krieges beitrage. Nicht alle Lords sprachen ihre Drohungen in so lehrhafter Weise aus wie jener, der den Geistlichen im Parlament die Fabel von der unbefiederten Eule zum Besten gab.2 Manche wie der junge Earl von Pembroke äusserten sich heftig: Im Fall eines Krieges dürfe man den Clerus mehr besteuern als die Anderen; ja er soll in offener Parlamentssitzung dafür eingetreten sein, dass der Geistlichkeit alle Rechte und Freiheiten genommen werden. Als dann der junge Graf — er zählte erst 25 Jahre — bei dem Versuche, La Rochelle zu entsetzen, sammt seiner Kriegscasse, in der sich nicht weniger als 20.000 Mark be- fanden, gefangen wurde, da sagte man im englischen Clerus: ,Wie habe man auch nur Glück haben können: man sehe doch deutlich, das sei das Geld, das man der Kirche genommen."3 Der unglückliche Verlauf des Feldzuges nöthigte den König, die Leitung des Krieges selbst in die Hand zu nehmen. Die Regierung wurde seinem Enkel Richard II. übergeben. In den Vollmachten für ihn wird betont, dass bei Erledigungen 2 3 1 Walsingham I, 313. Die Stelle findet sich im 2. Theile ,De civili dominio', cap. I (im Druck). Auch in Shirley, Fasciculi Zizanniorum, p. XXI. Walsingham I, 314: quia collecta fuerat de sancta ecclesia. Auch 1373 wurde die Kirche nach dem Recept Pembroke's scharf mitgenommen,
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 55 ziehen. So legte damals der Bischof Wilhelm von Wykeham sein Kanzleramt nieder; seinem Beispiele folgten der Schatz- meister und Siegelbewahrer. Alle Aemter wurden nun mit Laien besetzt. Auch zu den Steuern wurde die Geistlichkeit scharf herangezogen. Schon für das Jahr 1369 hatte sie einen dreijährigen Zehent gegeben; im folgenden Jahre wurde gerade- zu behauptet, dass das Geld, das nun auch wieder der Clerus beizusteuern hatte, auch zur Vertheidigung der Kirche ver- wendet werde. Noch schärfer war die Besteuerung des Clerus im Jahre 1371. Die Priester hatten nach dem Erträgniss ihres Ein- kommens eine Abgabe zu zahlen; selbst die kleinsten Pfründen wurden belastet. Die Geistlichkeit mochte sich noch so heftig dagegen auflehnen und sich auf ihre Freiheiten berufen, es half ihr wenig. In den Versammlungen des Parlamentes wurde in deutlicher Weise auf die Einziehung des Kirchengutes an- gespielt, der sich der Clerus aussetze, wenn er nicht, ohne sich zu weigern, zu den schweren Lasten des Krieges beitrage. Nicht alle Lords sprachen ihre Drohungen in so lehrhafter Weise aus wie jener, der den Geistlichen im Parlament die Fabel von der unbefiederten Eule zum Besten gab.2 Manche wie der junge Earl von Pembroke äusserten sich heftig: Im Fall eines Krieges dürfe man den Clerus mehr besteuern als die Anderen; ja er soll in offener Parlamentssitzung dafür eingetreten sein, dass der Geistlichkeit alle Rechte und Freiheiten genommen werden. Als dann der junge Graf — er zählte erst 25 Jahre — bei dem Versuche, La Rochelle zu entsetzen, sammt seiner Kriegscasse, in der sich nicht weniger als 20.000 Mark be- fanden, gefangen wurde, da sagte man im englischen Clerus: ,Wie habe man auch nur Glück haben können: man sehe doch deutlich, das sei das Geld, das man der Kirche genommen."3 Der unglückliche Verlauf des Feldzuges nöthigte den König, die Leitung des Krieges selbst in die Hand zu nehmen. Die Regierung wurde seinem Enkel Richard II. übergeben. In den Vollmachten für ihn wird betont, dass bei Erledigungen 2 3 1 Walsingham I, 313. Die Stelle findet sich im 2. Theile ,De civili dominio', cap. I (im Druck). Auch in Shirley, Fasciculi Zizanniorum, p. XXI. Walsingham I, 314: quia collecta fuerat de sancta ecclesia. Auch 1373 wurde die Kirche nach dem Recept Pembroke's scharf mitgenommen,
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56 I. Abhandlung: Loserth. von Kirchen deren Wahlrecht geachtet werden müsse. Be- stätigungen seien, wenn nöthig, zu verweigern.1 Die stolze Armada, die Rochelle entsetzen sollte, konnte widriger Winde wegen nicht einmal auslaufen. „Traurig kehrte der König heim.2 900.000 Mark waren umsonst aufgewendet worden." Die steigende Bedrängniss des Landes legte ihm den Ge- danken nahe, einen endgiltigen Frieden zu schliessen, und die vielen Briefe, die der Papst ihm bisher in dieser Angelegenheit zugesandt hatte, boten ein gutes Anknüpfungsmittel." Sie hätten ihn, schreibt er, geneigt gemacht, zu jeder Stunde die Unterhandlungen zu beginnen. Auch den dringendsten Uebel- ständen konnte dann abgeholfen werden; denn es war zweifel- los, dass bei diesen Verhandlungen auch der kirchliche Zwist zur Sprache kommen würde. Eben fasste das Parlament einen Beschluss, der die volle Freiheit der englischen Kirchenwahlen betonte, ein Beschluss, der diese nicht blos dem Papstthum, sondern auch der königlichen Gewalt gegenüber sicherstellen sollte.4 Was die pragmatische Sanction viele Jahrzehnte später für Frankreich feststellte, wurde hier schon in diesem Augen- blick mit Nachdruck verlangt. Es war eine Strömung, welcher sich der König nicht entziehen konnte. Am 8. Jänner 1373 schickte er seine Boten an den Papst ab und gab ihnen die Weisung, in die Verhandlung über gewisse Punkte einzutreten; sie betrafen vornehmlich das Patronatsrecht der Krone, die Freiheit der Bischofswahlen, die Citation von Engländern an die Curie u. s. w.5 Wie nöthig es schien, hierin Verkehrungen zu treffen, sieht man daraus, dass der Papst noch in diesem Jahre das erledigte Erzbisthum York 2 8 1 Rymer III, 206. Rediit ad terram tristis... Rymer III, 211. De potestate tractandi de pace. Walsingham I, 316: Hoc anno in parliamento erat decretum, quod ecclesie cathedrales suis gauderent eleccionibus et quod rex de cetero contra electos non scriberet sed per litteras suas ad eorum confirmacionem iuvaret. Darnach waren die Uebergriffe des Königs der Geistlichkeit noch mehr zuwider als die Provisionen des Papstes. S. Beilage Nr. 2. Schreiben des Papstes ddo. Avignon 1373, Dec. 21: Super certis articulis iuspatronatus, regaliam et quedam alia iura eccle- siarum regni Anglie concernentibus.
56 I. Abhandlung: Loserth. von Kirchen deren Wahlrecht geachtet werden müsse. Be- stätigungen seien, wenn nöthig, zu verweigern.1 Die stolze Armada, die Rochelle entsetzen sollte, konnte widriger Winde wegen nicht einmal auslaufen. „Traurig kehrte der König heim.2 900.000 Mark waren umsonst aufgewendet worden." Die steigende Bedrängniss des Landes legte ihm den Ge- danken nahe, einen endgiltigen Frieden zu schliessen, und die vielen Briefe, die der Papst ihm bisher in dieser Angelegenheit zugesandt hatte, boten ein gutes Anknüpfungsmittel." Sie hätten ihn, schreibt er, geneigt gemacht, zu jeder Stunde die Unterhandlungen zu beginnen. Auch den dringendsten Uebel- ständen konnte dann abgeholfen werden; denn es war zweifel- los, dass bei diesen Verhandlungen auch der kirchliche Zwist zur Sprache kommen würde. Eben fasste das Parlament einen Beschluss, der die volle Freiheit der englischen Kirchenwahlen betonte, ein Beschluss, der diese nicht blos dem Papstthum, sondern auch der königlichen Gewalt gegenüber sicherstellen sollte.4 Was die pragmatische Sanction viele Jahrzehnte später für Frankreich feststellte, wurde hier schon in diesem Augen- blick mit Nachdruck verlangt. Es war eine Strömung, welcher sich der König nicht entziehen konnte. Am 8. Jänner 1373 schickte er seine Boten an den Papst ab und gab ihnen die Weisung, in die Verhandlung über gewisse Punkte einzutreten; sie betrafen vornehmlich das Patronatsrecht der Krone, die Freiheit der Bischofswahlen, die Citation von Engländern an die Curie u. s. w.5 Wie nöthig es schien, hierin Verkehrungen zu treffen, sieht man daraus, dass der Papst noch in diesem Jahre das erledigte Erzbisthum York 2 8 1 Rymer III, 206. Rediit ad terram tristis... Rymer III, 211. De potestate tractandi de pace. Walsingham I, 316: Hoc anno in parliamento erat decretum, quod ecclesie cathedrales suis gauderent eleccionibus et quod rex de cetero contra electos non scriberet sed per litteras suas ad eorum confirmacionem iuvaret. Darnach waren die Uebergriffe des Königs der Geistlichkeit noch mehr zuwider als die Provisionen des Papstes. S. Beilage Nr. 2. Schreiben des Papstes ddo. Avignon 1373, Dec. 21: Super certis articulis iuspatronatus, regaliam et quedam alia iura eccle- siarum regni Anglie concernentibus.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 57 und die Bisthümer Ely und Worcester besetzte, ohne sich um das Wahlrecht der Cleriker zu kümmern; daher die Klage Walsingham’s: ,Aber das Statut des Parlaments katte keinen Erfolg." Der Papst erwiderte zu Ende des Jahres die Gesandt- schaft des Königs: er sandte die Bischöfe Bernhard von Pam- pelona, Rudolf von Sinigaglia und den Propst von Valencia Egidio Sancii Mumonis dahin ab. Am 21. December erhielten sie ihre Weisungen: der Papst erklärte zunächst, dem König bis an die Grenzen des Möglichen entgegenzukommen. Man wolle sich zuvörderst über die principielle Frage der Besetzung englischer Kirchenämter einigen und zu diesem Zwecke die Erledigung schwebender Fragen bis auf künftigen Mittsommer vertagen. Wer jetzt kraft päpstlicher Verleihung in England ein Kirchengut innehabe, soll in dessen Besitz in keiner Weise gekränkt werden; gelange in der Zwischenzeit ein Kirchen- gut, auf das der König sein Präsentationsrecht behaupte, zur Erledigung, so soll er keine Neuerungen treffen, die etwa anderen besseren Ansprüchen im Wege stehen könnten. Ueber alle diese Punkte soll durch gegenseitige Gesandtschaften ver- handelt werden und der König hierüber binnen vier Monaten seine Willensmeinung kundthun. Was die Citationen betreffe, so wolle man von dem persönlichen Erscheinen der Citierten ein ganzes Jahr hindurch absehen, die Streitfragen sollen in- zwischen aber durch Vollmachten so weiter verhandelt werden, als ob keine Vorladung erfolgt wäre. In ahnlichen Fallen sollen Vorladungen, falls die Streitfragen durch Bevollmächtigte nicht entschieden werden könnten, nach Köln, Lüttich oder anderen England naheliegenden Orten Flanderns erfolgen. Inzwischen setzte der Papst seine Friedensarbeit unver- drossen fort. Am 10. Marz 1374 sandte er eine Botschaft an den Herzog von Anjou und bat ihn, in demselben Sinne thätig zu sein.1 Eine gleiche Botschaft gieng an den Herzog von Lan- caster ab. Bevor noch die päpstliche Gesandtschaft in England eingetroffen war, hatte auch der König eine neue Botschaft an den Papst abgesendet: der Bischof von Bangor und die übrigen Boten hätten berichtet, was ihnen der Papst aufgetragen. Er 1 Reg. Greg. XI., Cod. 270 Fol. 87a.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 57 und die Bisthümer Ely und Worcester besetzte, ohne sich um das Wahlrecht der Cleriker zu kümmern; daher die Klage Walsingham’s: ,Aber das Statut des Parlaments katte keinen Erfolg." Der Papst erwiderte zu Ende des Jahres die Gesandt- schaft des Königs: er sandte die Bischöfe Bernhard von Pam- pelona, Rudolf von Sinigaglia und den Propst von Valencia Egidio Sancii Mumonis dahin ab. Am 21. December erhielten sie ihre Weisungen: der Papst erklärte zunächst, dem König bis an die Grenzen des Möglichen entgegenzukommen. Man wolle sich zuvörderst über die principielle Frage der Besetzung englischer Kirchenämter einigen und zu diesem Zwecke die Erledigung schwebender Fragen bis auf künftigen Mittsommer vertagen. Wer jetzt kraft päpstlicher Verleihung in England ein Kirchengut innehabe, soll in dessen Besitz in keiner Weise gekränkt werden; gelange in der Zwischenzeit ein Kirchen- gut, auf das der König sein Präsentationsrecht behaupte, zur Erledigung, so soll er keine Neuerungen treffen, die etwa anderen besseren Ansprüchen im Wege stehen könnten. Ueber alle diese Punkte soll durch gegenseitige Gesandtschaften ver- handelt werden und der König hierüber binnen vier Monaten seine Willensmeinung kundthun. Was die Citationen betreffe, so wolle man von dem persönlichen Erscheinen der Citierten ein ganzes Jahr hindurch absehen, die Streitfragen sollen in- zwischen aber durch Vollmachten so weiter verhandelt werden, als ob keine Vorladung erfolgt wäre. In ahnlichen Fallen sollen Vorladungen, falls die Streitfragen durch Bevollmächtigte nicht entschieden werden könnten, nach Köln, Lüttich oder anderen England naheliegenden Orten Flanderns erfolgen. Inzwischen setzte der Papst seine Friedensarbeit unver- drossen fort. Am 10. Marz 1374 sandte er eine Botschaft an den Herzog von Anjou und bat ihn, in demselben Sinne thätig zu sein.1 Eine gleiche Botschaft gieng an den Herzog von Lan- caster ab. Bevor noch die päpstliche Gesandtschaft in England eingetroffen war, hatte auch der König eine neue Botschaft an den Papst abgesendet: der Bischof von Bangor und die übrigen Boten hätten berichtet, was ihnen der Papst aufgetragen. Er 1 Reg. Greg. XI., Cod. 270 Fol. 87a.
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58 I. Abhandlung : Loserth. wünsche, dass die Verhandlungen in Brügge oder Calais statt- finden, Se. Heiligkeit habe die Wahl.1 Eine abermalige Botschaft des Papstes wurde am 1. Mai ausgesendet. Er werde, heisst es darin, demnächst seine Ge- sandten abschicken: der König möge ihnen zu ihren Bezügen verhelfen." Die Kosten für die Reise und den Aufenthalt der Nuntien in England wurden nämlich vom englischen Clerus getragen. In diesem Sinne schrieb der Papst auch an die Erz- bischöfe von York und Canterbury." Drei Tage später bringt der Papst eine Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum 22. Juli in Vorschlag:4 der König möge dem Nuntius Egidio Sancii Glauben schenken. Der König hatte inzwischen jenen grossen Rath von Pralaten und Baronen versammelt, der zweifellos die Bedingungen für den Frieden mit der Kirche festzustellen hatte und der nach Pfingsten (21. Mai) zusammen- trat.5 Dass hiebei auch die Lehenszinsforderung abgelehnt wurde, kann als sicher angenommen werden; die übrigen Punkte betrafen die Freiheit der kirchlichen Wahlen und die Patronatsrechte des Königs. Die Boten des Königs waren der Bischof von Bangor, der Ritter William Burton, der Doctor der Theologie Magister Owtred und der Jurist Magister Jo- hannes Schepeye.“ Sie erhielten über alle Punkte Aufklärung und die Weisung, dass über deren Aufnahme in England Be- richt erstattet werden solle. Die Antwort des Papstes scheint nicht unbefriedigend gelautet zu haben. Er sandte zunächst noch den Archidiakon Walther von Scirlavoe mit Aufträgen an den Papst. Dem Grafen Ludwig von Flandern schreibt er, dass er demnächst seine Gesandten nach Brügge schicken werde. Er möge sie dort gut aufnehmen." Eine ganze Fluth 2 5 1 Rymer III, 3, 15. Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 100. s Ebenda. 4 Fol. 102. Continuatio Eulogii Historiarum III, 337—339. 6 Higden, Polychr. VIII, p. 379: Eodem anno missi fuerunt... ad suppli- candum pape, ut supersederet de reservacionibus beneficiorum in Anglia in curia sua... et precipue ut electi ad episcopales dignitates in po- sterum in Anglia de electionibus gaudere permitteret et ut possent a suis metropolitanis ut quondam solebat fieri, confirmari ac super diversis aliis in quibus tam rex quam regnum senciebant plurimum se gravari. 7 Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 109—110.
58 I. Abhandlung : Loserth. wünsche, dass die Verhandlungen in Brügge oder Calais statt- finden, Se. Heiligkeit habe die Wahl.1 Eine abermalige Botschaft des Papstes wurde am 1. Mai ausgesendet. Er werde, heisst es darin, demnächst seine Ge- sandten abschicken: der König möge ihnen zu ihren Bezügen verhelfen." Die Kosten für die Reise und den Aufenthalt der Nuntien in England wurden nämlich vom englischen Clerus getragen. In diesem Sinne schrieb der Papst auch an die Erz- bischöfe von York und Canterbury." Drei Tage später bringt der Papst eine Verlängerung des Waffenstillstandes bis zum 22. Juli in Vorschlag:4 der König möge dem Nuntius Egidio Sancii Glauben schenken. Der König hatte inzwischen jenen grossen Rath von Pralaten und Baronen versammelt, der zweifellos die Bedingungen für den Frieden mit der Kirche festzustellen hatte und der nach Pfingsten (21. Mai) zusammen- trat.5 Dass hiebei auch die Lehenszinsforderung abgelehnt wurde, kann als sicher angenommen werden; die übrigen Punkte betrafen die Freiheit der kirchlichen Wahlen und die Patronatsrechte des Königs. Die Boten des Königs waren der Bischof von Bangor, der Ritter William Burton, der Doctor der Theologie Magister Owtred und der Jurist Magister Jo- hannes Schepeye.“ Sie erhielten über alle Punkte Aufklärung und die Weisung, dass über deren Aufnahme in England Be- richt erstattet werden solle. Die Antwort des Papstes scheint nicht unbefriedigend gelautet zu haben. Er sandte zunächst noch den Archidiakon Walther von Scirlavoe mit Aufträgen an den Papst. Dem Grafen Ludwig von Flandern schreibt er, dass er demnächst seine Gesandten nach Brügge schicken werde. Er möge sie dort gut aufnehmen." Eine ganze Fluth 2 5 1 Rymer III, 3, 15. Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 100. s Ebenda. 4 Fol. 102. Continuatio Eulogii Historiarum III, 337—339. 6 Higden, Polychr. VIII, p. 379: Eodem anno missi fuerunt... ad suppli- candum pape, ut supersederet de reservacionibus beneficiorum in Anglia in curia sua... et precipue ut electi ad episcopales dignitates in po- sterum in Anglia de electionibus gaudere permitteret et ut possent a suis metropolitanis ut quondam solebat fieri, confirmari ac super diversis aliis in quibus tam rex quam regnum senciebant plurimum se gravari. 7 Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 109—110.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 59 von Briefen geht nach England : an den König, den schwarzen Prinzen, den Herzog von Lancaster, die Erzbischöfe von Canter- bury und York und den Bischof von London. An den Hof wird gemeldet, dass der Bischof von Sinigaglia Rudolphus de Castello und Egidio Sancii als päpstliche Unterhändler nach Brügge beordert seien. Die Erzbischöfe und der Bischof von London werden angewiesen, in herkömmlicher Weise für den Unterhalt der Nuntien zu sorgen.1 Am 2. Juni richtet er die Bitte an den König, dieser möge sich für die Friedensver- handlungen mit Frankreich vorsehen und einen von seinen Söhnen zum Congress nach Brügge abordnen. Auch der König von Frankreich werde einen seiner Verwandten schicken. Er selbst habe lange genug für den Frieden gearbeitet. Das Blutvergiessen schreie zum Himmel empor. Der Erzbischof von Ravenna und der Bischof von Carpentras seien zu ihm abgesandt. Er möge ihnen in Allem Glauben schenken. An den schwarzen Prinzen, an Heinrich von Lancaster und Wil- helm Latimer wurde in ähnlichem Sinne geschrieben und Ludwig von Flandern angegangen, bei den Genannten im In- teresse des Friedens thätig zu sein.? Die Frist, binnen der die Verhandlungen zu Ende gebracht werden sollten, wurde bis Allerheiligen ausgedehnt. Als William von Wittlesey, der Erzbischof von Canter- bury, am 5. Juli gestorben war, folgte, den Landesgesetzen ge- mäss, eine freie Wahl. Sie fiel auf einen Mann, in welchem man wohl einen ausgesprochenen Gegner der Kirchenpolitik Eduards III. sehen darf: Simon Langham. Schon einmal hatte er, als Nachfolger Simon Islip's, den erzbischöflichen Sitz in England eingenommen, nicht zu Wiclif’s Freude, den er — der Antisimon, wie er ihn im Gegensatz zu seinem würdigen Vorgänger nennt — seiner Stelle als Vorstand der Canter- buryhall enthob. Wiclif spricht mit offener Missachtung von ihm, die freilich einen persönlichen Beigeschmack hat.4 — Der König war über die getroffene Wahl in hohem Grade empört; 1 Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 111. Ebenda Cod. 186, Fol 133a. 3 Cod. 286, Fol. 296. De Ecclesia, p. 371. 2 *
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 59 von Briefen geht nach England : an den König, den schwarzen Prinzen, den Herzog von Lancaster, die Erzbischöfe von Canter- bury und York und den Bischof von London. An den Hof wird gemeldet, dass der Bischof von Sinigaglia Rudolphus de Castello und Egidio Sancii als päpstliche Unterhändler nach Brügge beordert seien. Die Erzbischöfe und der Bischof von London werden angewiesen, in herkömmlicher Weise für den Unterhalt der Nuntien zu sorgen.1 Am 2. Juni richtet er die Bitte an den König, dieser möge sich für die Friedensver- handlungen mit Frankreich vorsehen und einen von seinen Söhnen zum Congress nach Brügge abordnen. Auch der König von Frankreich werde einen seiner Verwandten schicken. Er selbst habe lange genug für den Frieden gearbeitet. Das Blutvergiessen schreie zum Himmel empor. Der Erzbischof von Ravenna und der Bischof von Carpentras seien zu ihm abgesandt. Er möge ihnen in Allem Glauben schenken. An den schwarzen Prinzen, an Heinrich von Lancaster und Wil- helm Latimer wurde in ähnlichem Sinne geschrieben und Ludwig von Flandern angegangen, bei den Genannten im In- teresse des Friedens thätig zu sein.? Die Frist, binnen der die Verhandlungen zu Ende gebracht werden sollten, wurde bis Allerheiligen ausgedehnt. Als William von Wittlesey, der Erzbischof von Canter- bury, am 5. Juli gestorben war, folgte, den Landesgesetzen ge- mäss, eine freie Wahl. Sie fiel auf einen Mann, in welchem man wohl einen ausgesprochenen Gegner der Kirchenpolitik Eduards III. sehen darf: Simon Langham. Schon einmal hatte er, als Nachfolger Simon Islip's, den erzbischöflichen Sitz in England eingenommen, nicht zu Wiclif’s Freude, den er — der Antisimon, wie er ihn im Gegensatz zu seinem würdigen Vorgänger nennt — seiner Stelle als Vorstand der Canter- buryhall enthob. Wiclif spricht mit offener Missachtung von ihm, die freilich einen persönlichen Beigeschmack hat.4 — Der König war über die getroffene Wahl in hohem Grade empört; 1 Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 111. Ebenda Cod. 186, Fol 133a. 3 Cod. 286, Fol. 296. De Ecclesia, p. 371. 2 *
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60 I. Abhandlung: Loserth. er sah hierin geradezu eine Beleidigung und entzog den Wählern seinen Schutz. Sie hatten ,viele Güter‘ aufzuwenden, ehe sie die Gnade des Königs wieder erlangten.1 Aber auch dem Papst gefiel die Wahl nicht : ihm lag ja vor Allem daran, dass die vorhandenen Gegensätze nicht noch mehr verschärft würden," und dies in einem Augenblick, wo man daran gieng, sie überhaupt aus der Welt zu schaffen. So wurde die Wahl Langham's für ungiltig erklärt und ein Mann gewählt, den wir nach Jahresfrist als Friedensunterhändler thätig finden: Simon Sudbury, bisherigen Bischof von London. Am 26. Juli fertigte Eduard III. die Vollmachten für seine Boten zum Friedenscongresse aus: für Johann Gilbert, Bischof von Bangor, Johann Wiclif, Professor der Theologie, Johann Guter von Segovia, Johann von Multon, Doctor der Rechte, den Ritter Wilhelm von Burton, einen gewiegten Kenner des englischen Rechtes: Robert von Bealknap und ebenso Johann von Henington. Sie hatten den gemessenen Auftrag, aus ihrer Mitte eine engere Commission zu wählen, welcher der Bischof von Bangor angehören müsse, und die Verhandlungen auf jenen Grundlagen weiter zu führen, die durch die letzte Gesandt- schaft an den Papst festgelegt worden waren. Diese Grund- lagen sind in den Vollmachtschreiben nur in allgemeinen Um- rissen gezeichnet.3 Es ist das erste Mal, dass Wiclif nach- weislich eine politische Mission hat. Ob er sich schon vordem in kirchenpolitischen Fragen hervorgethan, steht nach den obigen Ausführungen keineswegs so fest, als die neueren Wiclifforscher angenommen haben. Wir würden die Frage, wenn sie gestellt wird, eher verneinen. Hätte man eine Persön- lichkeit aussuchen wollen, deren Name ein Programm bedeutet, so hätte man sich zweifellos an jenen Minderbruder Johann Mardisle halten müssen, der auf der grossen Pfingstversammlung dieses Jahres zu Westminster den Grundsatz von der evan- 1 Walsingham I, 317. 2 Ebenda: Postulacioni factae rex consentire noluit sed nec papa nec cardinales. Ut ea, que honorem sancte ecclesie et conservacionem iurium corone nostre et regni nostri Angliae concernere poterunt, in ea parte intuitu Dei et sancte sedis apostolice feliciter expediantur et debitum capiant complementum. 3
60 I. Abhandlung: Loserth. er sah hierin geradezu eine Beleidigung und entzog den Wählern seinen Schutz. Sie hatten ,viele Güter‘ aufzuwenden, ehe sie die Gnade des Königs wieder erlangten.1 Aber auch dem Papst gefiel die Wahl nicht : ihm lag ja vor Allem daran, dass die vorhandenen Gegensätze nicht noch mehr verschärft würden," und dies in einem Augenblick, wo man daran gieng, sie überhaupt aus der Welt zu schaffen. So wurde die Wahl Langham's für ungiltig erklärt und ein Mann gewählt, den wir nach Jahresfrist als Friedensunterhändler thätig finden: Simon Sudbury, bisherigen Bischof von London. Am 26. Juli fertigte Eduard III. die Vollmachten für seine Boten zum Friedenscongresse aus: für Johann Gilbert, Bischof von Bangor, Johann Wiclif, Professor der Theologie, Johann Guter von Segovia, Johann von Multon, Doctor der Rechte, den Ritter Wilhelm von Burton, einen gewiegten Kenner des englischen Rechtes: Robert von Bealknap und ebenso Johann von Henington. Sie hatten den gemessenen Auftrag, aus ihrer Mitte eine engere Commission zu wählen, welcher der Bischof von Bangor angehören müsse, und die Verhandlungen auf jenen Grundlagen weiter zu führen, die durch die letzte Gesandt- schaft an den Papst festgelegt worden waren. Diese Grund- lagen sind in den Vollmachtschreiben nur in allgemeinen Um- rissen gezeichnet.3 Es ist das erste Mal, dass Wiclif nach- weislich eine politische Mission hat. Ob er sich schon vordem in kirchenpolitischen Fragen hervorgethan, steht nach den obigen Ausführungen keineswegs so fest, als die neueren Wiclifforscher angenommen haben. Wir würden die Frage, wenn sie gestellt wird, eher verneinen. Hätte man eine Persön- lichkeit aussuchen wollen, deren Name ein Programm bedeutet, so hätte man sich zweifellos an jenen Minderbruder Johann Mardisle halten müssen, der auf der grossen Pfingstversammlung dieses Jahres zu Westminster den Grundsatz von der evan- 1 Walsingham I, 317. 2 Ebenda: Postulacioni factae rex consentire noluit sed nec papa nec cardinales. Ut ea, que honorem sancte ecclesie et conservacionem iurium corone nostre et regni nostri Angliae concernere poterunt, in ea parte intuitu Dei et sancte sedis apostolice feliciter expediantur et debitum capiant complementum. 3
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 61 gelischen Armuth der Kirche so muthig und erfolgreich ver- treten hatte. Statt dessen finden wir noch kurz zuvor jenen Mönch von Durham thätig, der damals mit seiner Zweischwerter- theorie dem Papstthum auch in weltlichen Dingen die oberste Leitung eingeräumt hatte. Es war eben der Friede, den die Gesandtschaft zu fördern hatte. Scharf ausgeprägte Gegner der Curie wird man ihr schon deswegen nicht beigegeben haben. Es ist ja bezeichnend, dass eine so gute Quelle, wie es der Fortsetzer des Polychronicons ist, von den Gesandten überhaupt nur zwei nennt : den Bischof von Bangor und William Burton, weil sie schon früher erwähnt wurden, und dann fortfährt: ,Da war auch ein Doctor der Theologie dabei, ein Jurist und zwei Landrechtkundige." Sie hatten den Auftrag, über gewisse zwi- schen König- und Papstthum strittige Fragen zu verhandeln. Hätte Wiclif sich bisher bei staatsrechtlichen oder kirchen- politischen Fragen jenen glänzenden Ruf schon erworben: man hätte doch zum Allermindesten seinen Namen genannt, mochte man sonst auch recht kühl von ihm sprechen. Ebenso schweig- sam verhält sich Walsingham. Man muss überhaupt genauer, als dies bisher geschehen ist, die beiden Gesandtschaften, die in Brügge tagten, von einander scheiden. Wiclif gieng am 27. Juli nach Brügge ab, am 1. September kehrte er wieder nach England zurück.1 Der Herzog von Lancaster geht erst im nächsten Jahre zu Anfang Februar mit Simon von Sudbury, dem Bischof von London, nach Brügge," und dennoch sagt die neuere Wiclifforschung: ,Abgesehen von den Beziehungen zu ausländischen Notabilitäten war der Aufenthalt in Brügge für Wiclif folgenreich durch die näheren Beziehungen, in die er zu dem Herzog von Lancaster trat. Es konnte gar nicht fehlen, dass zwischen beiden Man- nern, so lange sie bei jenem Congress in Flandern beschäftigt waren, häufige Berührung, geschäftlicher und geselliger Ge- dankenaustausch stattfand.“3 1 Buddensieg, Johann von Wiclif, p. 134, Note. 2 Polychron. VIII, 381: Hoc eciam anno circa festum Purificacionis dux Lancastriae, magister Simon de Sudbury, episcopus Londonie cum aliis missi fuerunt ad villam de Bruges... Lechler I, 349—351. 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 61 gelischen Armuth der Kirche so muthig und erfolgreich ver- treten hatte. Statt dessen finden wir noch kurz zuvor jenen Mönch von Durham thätig, der damals mit seiner Zweischwerter- theorie dem Papstthum auch in weltlichen Dingen die oberste Leitung eingeräumt hatte. Es war eben der Friede, den die Gesandtschaft zu fördern hatte. Scharf ausgeprägte Gegner der Curie wird man ihr schon deswegen nicht beigegeben haben. Es ist ja bezeichnend, dass eine so gute Quelle, wie es der Fortsetzer des Polychronicons ist, von den Gesandten überhaupt nur zwei nennt : den Bischof von Bangor und William Burton, weil sie schon früher erwähnt wurden, und dann fortfährt: ,Da war auch ein Doctor der Theologie dabei, ein Jurist und zwei Landrechtkundige." Sie hatten den Auftrag, über gewisse zwi- schen König- und Papstthum strittige Fragen zu verhandeln. Hätte Wiclif sich bisher bei staatsrechtlichen oder kirchen- politischen Fragen jenen glänzenden Ruf schon erworben: man hätte doch zum Allermindesten seinen Namen genannt, mochte man sonst auch recht kühl von ihm sprechen. Ebenso schweig- sam verhält sich Walsingham. Man muss überhaupt genauer, als dies bisher geschehen ist, die beiden Gesandtschaften, die in Brügge tagten, von einander scheiden. Wiclif gieng am 27. Juli nach Brügge ab, am 1. September kehrte er wieder nach England zurück.1 Der Herzog von Lancaster geht erst im nächsten Jahre zu Anfang Februar mit Simon von Sudbury, dem Bischof von London, nach Brügge," und dennoch sagt die neuere Wiclifforschung: ,Abgesehen von den Beziehungen zu ausländischen Notabilitäten war der Aufenthalt in Brügge für Wiclif folgenreich durch die näheren Beziehungen, in die er zu dem Herzog von Lancaster trat. Es konnte gar nicht fehlen, dass zwischen beiden Man- nern, so lange sie bei jenem Congress in Flandern beschäftigt waren, häufige Berührung, geschäftlicher und geselliger Ge- dankenaustausch stattfand.“3 1 Buddensieg, Johann von Wiclif, p. 134, Note. 2 Polychron. VIII, 381: Hoc eciam anno circa festum Purificacionis dux Lancastriae, magister Simon de Sudbury, episcopus Londonie cum aliis missi fuerunt ad villam de Bruges... Lechler I, 349—351. 3
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62 I. Abhandlung: Loserth. Wielif dürfte nach alledem bisher in kirchenpolitischen Fragen noch nicht öffentlich aufgetreten sein; wenigstens be- sitzen wir keine Zeugnisse darüber, da jene, die man immer als solche angeführt hat, in eine spätere Zeit gehören. Wäre er bisher im Sinne Johann Mardisle’s thätig gewesen, so wäre er wohl ebenso wenig wie dieser als ,Friedensbote‘ nach Brügge gesandt worden. Wie hätte sich dazu auch ein Mann eignen können, von dem man bisher immer meinte, dass er schon 1371 die Confiscation des englischen Kirchengutes auf die Tagesordnung des Parlaments gestellt hatte, oder dass er schon 1366 in schneidiger Weise die Forderung des Lehenszinses abgewiesen habe. So wenig etwa ein Ludwig von Baiern einen und den anderen seiner gelehrten Bundesgenossen, einen Marsiglio oder Jandun oder einen Occam, nach Avignon geschickt hätte, so wenig wäre Eduard III. darauf verfallen, Wiclif nach Brügge zu senden, wäre dieser damals schon auf jener Ent- wicklungsstufe gestanden, auf der wir ihn allerdings schon drei Jahre später finden. Wie hätte ein Mann mit den Vertretern des Papstthums verkehren sollen, der dem Papstthum schon da- mals gesagt haben soll, es tauge nicht zur Regierung der Kirche. Wiclif gieng mit nach Brügge — nicht als Kirchenpolitiker, son- dern, wie er sich wohl einmal selbst bezeichnet hat, als ,purer" Theologe; denn neben den Civilisten und Canonisten sollte auch der Bibelkundige gehört werden, ganz wie dies bei seinen spä- teren Gutachten der Fall ist, die er auch als ,Theologe‘ vor- gelegt hat. Vielleicht hat man auch die Bedeutung des ,Brügger" Aufenthaltes für die spätere Entwicklung Wiclif’s zu hoch ange- schlagen, den man ja mit dem Aufenthalt Luther's in Rom im Jahre 1510 verglichen hat. Die Uebelstände in der Hierarchie konnte Wiclif in der Heimat ebenso gut studieren als in der Fremde. Weder über den Beginn der Verhandlungen über kirchen- politische Fragen — die anderen lassen wir bei Seite — noch über deren Fortgang sind wir genügend unterrichtet. Glatt können sie in keinem Fall abgelaufen sein. Schon am 21. October wurde der Termin, um über die einzelnen Fragen weiter zu verhandeln, bis Ende November verlängert.1 Für die Curie 1 Cum dudum ambasciatores ... Edwardi regis... ad nostram accessissent presenciam ac super certis articulis ius patronatus, regaliam, et quedam
62 I. Abhandlung: Loserth. Wielif dürfte nach alledem bisher in kirchenpolitischen Fragen noch nicht öffentlich aufgetreten sein; wenigstens be- sitzen wir keine Zeugnisse darüber, da jene, die man immer als solche angeführt hat, in eine spätere Zeit gehören. Wäre er bisher im Sinne Johann Mardisle’s thätig gewesen, so wäre er wohl ebenso wenig wie dieser als ,Friedensbote‘ nach Brügge gesandt worden. Wie hätte sich dazu auch ein Mann eignen können, von dem man bisher immer meinte, dass er schon 1371 die Confiscation des englischen Kirchengutes auf die Tagesordnung des Parlaments gestellt hatte, oder dass er schon 1366 in schneidiger Weise die Forderung des Lehenszinses abgewiesen habe. So wenig etwa ein Ludwig von Baiern einen und den anderen seiner gelehrten Bundesgenossen, einen Marsiglio oder Jandun oder einen Occam, nach Avignon geschickt hätte, so wenig wäre Eduard III. darauf verfallen, Wiclif nach Brügge zu senden, wäre dieser damals schon auf jener Ent- wicklungsstufe gestanden, auf der wir ihn allerdings schon drei Jahre später finden. Wie hätte ein Mann mit den Vertretern des Papstthums verkehren sollen, der dem Papstthum schon da- mals gesagt haben soll, es tauge nicht zur Regierung der Kirche. Wiclif gieng mit nach Brügge — nicht als Kirchenpolitiker, son- dern, wie er sich wohl einmal selbst bezeichnet hat, als ,purer" Theologe; denn neben den Civilisten und Canonisten sollte auch der Bibelkundige gehört werden, ganz wie dies bei seinen spä- teren Gutachten der Fall ist, die er auch als ,Theologe‘ vor- gelegt hat. Vielleicht hat man auch die Bedeutung des ,Brügger" Aufenthaltes für die spätere Entwicklung Wiclif’s zu hoch ange- schlagen, den man ja mit dem Aufenthalt Luther's in Rom im Jahre 1510 verglichen hat. Die Uebelstände in der Hierarchie konnte Wiclif in der Heimat ebenso gut studieren als in der Fremde. Weder über den Beginn der Verhandlungen über kirchen- politische Fragen — die anderen lassen wir bei Seite — noch über deren Fortgang sind wir genügend unterrichtet. Glatt können sie in keinem Fall abgelaufen sein. Schon am 21. October wurde der Termin, um über die einzelnen Fragen weiter zu verhandeln, bis Ende November verlängert.1 Für die Curie 1 Cum dudum ambasciatores ... Edwardi regis... ad nostram accessissent presenciam ac super certis articulis ius patronatus, regaliam, et quedam
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 63 scheinen die Forderungen Englands unannehmbar gewesen zu sein; denn noch an dem nämlichen Tage schreibt Gregor XI. an den König, er möge seinen Geist dem Frieden mit der Kirche ernstlich zuwenden und den an ihn gesandten Nuntien vollen Glauben schenken.1 Der Prinz von Wales wird auf- gefordert, auf den König in diesem Sinne einzuwirken." Zu Anfang des folgenden Jahres gedenkt Eduard III. der Arbeiten auf dem Congresse8 und mahnt Gregor XI., den Bischof von Carpentras in Gemeinschaft mit Pileus Mittel und Wege zu finden, dass der Friede zwischen Frankreich und England abgeschlossen werde. Am 9. Jänner meldet er dem englischen Könige, dass er seine Abreise nach Rom für den kommenden Herbst festgesetzt habe: je ferner er sei, desto dringender empfehle er die Angelegenheiten der Kirche dem Schutze des Königs. Einen Monat später beklagt er in einem ausführlichen Schreiben an beide Monarchen deren Zwist, er hoffe, dass endlich ,der Nebel dieses beklagenswerthen und eingewurzelten Krieges sich lösen und beide Staaten gegen den gemeinsamen Feind der Christenheit ziehen würden. Seine Ge- sandten seien angewiesen, zur Herstellung des Friedens thätig zu sein.4 Mittlerweile wurde der Waffenstillstand zwischen bei- den Staaten, die Frist zur Vereinbarung des Friedens zwischen England und der Curie immer weiter verlängert. Auch in dem Stand der Personen fand ein mehrfacher Wechsel statt: am 20. Februar erhalten Simon, der Bischof von London, Graf Salisbury, Johann Cobham, Frank de Hale, Arnold Savage, John von Scepeye und Simon von Multon ihre Vollmachten." 2 4 iura alia ecclesiarum regni Anglie concernentibus nonnulla nobis ex- posuissent, nos dicto regi tamquam peramabili ac peculiari filio nostro cupientes ... complacere ac sperantes de bona concordia super dictis articulis inter Romanam ecclesiam et eundum regem ... voluntatem nostram duximus declarandam ... Datum Avin. XII Kal. Nov. anno IV. (1374 Oct. 21). Der Wille zur Verständigung sei, wie der Papst durch Egidio Sanzii gehört habe, da. Der Termin, um über die Artikel über- einzukommen, wurde bis Andreae verlängert, Reg. Greg. XI. Ebenda Fol. 151. Ebenda. 3 Rymer III, 3, 23. Rog, Greg. XI., Cod. 271, Fol. 7b. Rymer III, 3, 35. 5
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 63 scheinen die Forderungen Englands unannehmbar gewesen zu sein; denn noch an dem nämlichen Tage schreibt Gregor XI. an den König, er möge seinen Geist dem Frieden mit der Kirche ernstlich zuwenden und den an ihn gesandten Nuntien vollen Glauben schenken.1 Der Prinz von Wales wird auf- gefordert, auf den König in diesem Sinne einzuwirken." Zu Anfang des folgenden Jahres gedenkt Eduard III. der Arbeiten auf dem Congresse8 und mahnt Gregor XI., den Bischof von Carpentras in Gemeinschaft mit Pileus Mittel und Wege zu finden, dass der Friede zwischen Frankreich und England abgeschlossen werde. Am 9. Jänner meldet er dem englischen Könige, dass er seine Abreise nach Rom für den kommenden Herbst festgesetzt habe: je ferner er sei, desto dringender empfehle er die Angelegenheiten der Kirche dem Schutze des Königs. Einen Monat später beklagt er in einem ausführlichen Schreiben an beide Monarchen deren Zwist, er hoffe, dass endlich ,der Nebel dieses beklagenswerthen und eingewurzelten Krieges sich lösen und beide Staaten gegen den gemeinsamen Feind der Christenheit ziehen würden. Seine Ge- sandten seien angewiesen, zur Herstellung des Friedens thätig zu sein.4 Mittlerweile wurde der Waffenstillstand zwischen bei- den Staaten, die Frist zur Vereinbarung des Friedens zwischen England und der Curie immer weiter verlängert. Auch in dem Stand der Personen fand ein mehrfacher Wechsel statt: am 20. Februar erhalten Simon, der Bischof von London, Graf Salisbury, Johann Cobham, Frank de Hale, Arnold Savage, John von Scepeye und Simon von Multon ihre Vollmachten." 2 4 iura alia ecclesiarum regni Anglie concernentibus nonnulla nobis ex- posuissent, nos dicto regi tamquam peramabili ac peculiari filio nostro cupientes ... complacere ac sperantes de bona concordia super dictis articulis inter Romanam ecclesiam et eundum regem ... voluntatem nostram duximus declarandam ... Datum Avin. XII Kal. Nov. anno IV. (1374 Oct. 21). Der Wille zur Verständigung sei, wie der Papst durch Egidio Sanzii gehört habe, da. Der Termin, um über die Artikel über- einzukommen, wurde bis Andreae verlängert, Reg. Greg. XI. Ebenda Fol. 151. Ebenda. 3 Rymer III, 3, 23. Rog, Greg. XI., Cod. 271, Fol. 7b. Rymer III, 3, 35. 5
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64 I. Abhandlung: Loserth. Ende Marz wird der königliche Schatzmeister Heinrich von Wakefield gemahnt, bei seinem Herrn für den Frieden zu wirken.1 Um den Beschwerden über die Residenz der Bischöfe, ein Uebelstand, über den man auch in England aufs Heftigste klagte, abzuhelfen, wurden alle Pralaten ermahnt, innerhalb einer gegebenen Frist an ihre Kirchen und in ihre Klöster zu gehen.2 Dass man in England nicht geneigt war, in der Kirchenpolitik neue Bahnen einzuschlagen, erfuhr man eben erst in diesen Tagen aus der Behandlung der Cardi- näle, welche in England Pfründen besassen: Wie von den übrigen Geistlichen, so wurde auch von ihnen der Zehent er- hoben." An den König, den Prinzen von Wales, Johann von Lancaster und sonstige massgebende Personen des Landes richtet der Papst am 25. April 1375 die eindringlichsten Schreiben." Die Prinzessin von Wales und Wilhelm von Latimer werden ersucht, für den Frieden zu wirken; wiederholte Bitten gehen an die Könige von England und Frankreich und deren Söhne und Brüder: ein rascher Friedensschluss sei nöthig; man er- fahre von Leuten, die aus dem Orient kommen, dass die Sara- cenen den Untergang ihres Glaubens erwarten. Endlich wurde, wenigstens vorlaufig, auf ein Jahr der Waffenstillstand verein- bart und verkündigt.5 Noch hielt Gregor XI. seine Aufgabe nicht für beendet: Nachdem er durch den König Friedrich von Sicilien Schiffe hatte bereitstellen lassen, die ihn nach Rom führen sollten, meldet er am 28. Juli, er müsse im Interesse der englisch-französischen Friedensverhandlungen seine Fahrt nach Italien bis zum nächsten Frühjahr verschieben.“ Diese Thatsache wird den Königen von Sicilien, Aragonien, Castilien, England und Navarra, den Herzogen Albrecht und Leopold von Oesterreich, den Pisanern, Römern und Anderen mitgetheilt. Ueber die kirchenpolitischen Verhandlungen erfährt man so gut wie nichts. Es ist anzunehmen, dass es bei der Debatte über die zunächstliegenden concreten Falle auch zu principiellen Erörterungen kam. Leider ist auch hierüber nichts aufbewahrt. 1 Reg. Greg. XI. 2 Ib. ddo. 29. März 1375. 8 Ib. 4 Ib. 5 Rymer III, 3, 33. Reg. Greg. XI., 1. c., Fol. 47a. 6
64 I. Abhandlung: Loserth. Ende Marz wird der königliche Schatzmeister Heinrich von Wakefield gemahnt, bei seinem Herrn für den Frieden zu wirken.1 Um den Beschwerden über die Residenz der Bischöfe, ein Uebelstand, über den man auch in England aufs Heftigste klagte, abzuhelfen, wurden alle Pralaten ermahnt, innerhalb einer gegebenen Frist an ihre Kirchen und in ihre Klöster zu gehen.2 Dass man in England nicht geneigt war, in der Kirchenpolitik neue Bahnen einzuschlagen, erfuhr man eben erst in diesen Tagen aus der Behandlung der Cardi- näle, welche in England Pfründen besassen: Wie von den übrigen Geistlichen, so wurde auch von ihnen der Zehent er- hoben." An den König, den Prinzen von Wales, Johann von Lancaster und sonstige massgebende Personen des Landes richtet der Papst am 25. April 1375 die eindringlichsten Schreiben." Die Prinzessin von Wales und Wilhelm von Latimer werden ersucht, für den Frieden zu wirken; wiederholte Bitten gehen an die Könige von England und Frankreich und deren Söhne und Brüder: ein rascher Friedensschluss sei nöthig; man er- fahre von Leuten, die aus dem Orient kommen, dass die Sara- cenen den Untergang ihres Glaubens erwarten. Endlich wurde, wenigstens vorlaufig, auf ein Jahr der Waffenstillstand verein- bart und verkündigt.5 Noch hielt Gregor XI. seine Aufgabe nicht für beendet: Nachdem er durch den König Friedrich von Sicilien Schiffe hatte bereitstellen lassen, die ihn nach Rom führen sollten, meldet er am 28. Juli, er müsse im Interesse der englisch-französischen Friedensverhandlungen seine Fahrt nach Italien bis zum nächsten Frühjahr verschieben.“ Diese Thatsache wird den Königen von Sicilien, Aragonien, Castilien, England und Navarra, den Herzogen Albrecht und Leopold von Oesterreich, den Pisanern, Römern und Anderen mitgetheilt. Ueber die kirchenpolitischen Verhandlungen erfährt man so gut wie nichts. Es ist anzunehmen, dass es bei der Debatte über die zunächstliegenden concreten Falle auch zu principiellen Erörterungen kam. Leider ist auch hierüber nichts aufbewahrt. 1 Reg. Greg. XI. 2 Ib. ddo. 29. März 1375. 8 Ib. 4 Ib. 5 Rymer III, 3, 33. Reg. Greg. XI., 1. c., Fol. 47a. 6
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 65 Am eingehendsten wurde über die Freiheit der Kirchenwahlen in England gehandelt: in Zukunft sollte an den Collegien und Kathedralkirchen und in den Klöstern frei gewählt werden, wie das altem Rechte und Herkommen gemäss sei; man wird zweifellos auch die Belastung der englischen Kirche durch die unaufhörlichen Schatzungen der Curie eifrig besprochen haben, ohne dass es hierüber zu einem Ergebnisse kam: so kläglich war dieses, dass es so kirchlich gesinnten Schriftstellern wie Thomas Walsingham aufgefallen ist. Von jenen Fragen, um derentwillen so lange Unterhandlungen gepflogen worden waren, erwähnt denn auch der schliessliche Bericht kein Wort. Das Ganze, worüber man eine Uebereinkunft erzielte, liegt in jenen sechs Bullen zu Tage, die Gregor XI. am 1. September 1375 erliess, und die einzelne Zugeständnisse enthielten, die sich auf die Vergangenheit bezogen, der Zukunft aber in keiner Weise prajudicierten. In der ersten findet sich ein persönliches Zuge- ständniss an den König. Da es im Reiche viele Cleriker gebe, die kraft der Verleihung des Königs Würde, Amt und Pfründen besitzen, bestätige man ihnen diesen Besitz, vorausgesetzt, dass sie für dieses Amt taugen, auch für den Fall, wenn die Stellen der Reservation des Papstes unterlägen.1 Da es unter einzelnen Würdenträgern der Kirche Streit gebe, indem einige vom Kö- nige unmittelbar ihre Würde erhalten haben, wogegen der Papst andere Persönlichkeiten ernannt hatte, so wird der Be- sitz jener anerkannt und diesen Schweigen auferlegt. Der Papst wird die letzteren in anderer Weise entschädigen.2 Einst hatte Urban V. in einem Mandat an die Metropoliten und Suffraganen verordnet, dass alle Geistlichen binnen Monatsfrist Namen, Eigenschaft und Taxen ihrer Pfründen, falls sie für den Zehent taxirt sind, angeben und sich die Reservation für alle vorbe- halten. Diese Generalreservation wurde nun aufgehoben;" die Pfründen werden denen belassen, die sie auf die königliche Ernennung hin innehaben. Da viele Personen, die ihres Amtes und anderer Dinge wegen bei der Curie erscheinen sollen, wegen der Kriege zwischen Frankreich und England nicht dahin gelangen können, so werden sie für die näch- 2 1 Rymer III, 3, 34. Ib. 35. 3 Ib. 36.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 65 Am eingehendsten wurde über die Freiheit der Kirchenwahlen in England gehandelt: in Zukunft sollte an den Collegien und Kathedralkirchen und in den Klöstern frei gewählt werden, wie das altem Rechte und Herkommen gemäss sei; man wird zweifellos auch die Belastung der englischen Kirche durch die unaufhörlichen Schatzungen der Curie eifrig besprochen haben, ohne dass es hierüber zu einem Ergebnisse kam: so kläglich war dieses, dass es so kirchlich gesinnten Schriftstellern wie Thomas Walsingham aufgefallen ist. Von jenen Fragen, um derentwillen so lange Unterhandlungen gepflogen worden waren, erwähnt denn auch der schliessliche Bericht kein Wort. Das Ganze, worüber man eine Uebereinkunft erzielte, liegt in jenen sechs Bullen zu Tage, die Gregor XI. am 1. September 1375 erliess, und die einzelne Zugeständnisse enthielten, die sich auf die Vergangenheit bezogen, der Zukunft aber in keiner Weise prajudicierten. In der ersten findet sich ein persönliches Zuge- ständniss an den König. Da es im Reiche viele Cleriker gebe, die kraft der Verleihung des Königs Würde, Amt und Pfründen besitzen, bestätige man ihnen diesen Besitz, vorausgesetzt, dass sie für dieses Amt taugen, auch für den Fall, wenn die Stellen der Reservation des Papstes unterlägen.1 Da es unter einzelnen Würdenträgern der Kirche Streit gebe, indem einige vom Kö- nige unmittelbar ihre Würde erhalten haben, wogegen der Papst andere Persönlichkeiten ernannt hatte, so wird der Be- sitz jener anerkannt und diesen Schweigen auferlegt. Der Papst wird die letzteren in anderer Weise entschädigen.2 Einst hatte Urban V. in einem Mandat an die Metropoliten und Suffraganen verordnet, dass alle Geistlichen binnen Monatsfrist Namen, Eigenschaft und Taxen ihrer Pfründen, falls sie für den Zehent taxirt sind, angeben und sich die Reservation für alle vorbe- halten. Diese Generalreservation wurde nun aufgehoben;" die Pfründen werden denen belassen, die sie auf die königliche Ernennung hin innehaben. Da viele Personen, die ihres Amtes und anderer Dinge wegen bei der Curie erscheinen sollen, wegen der Kriege zwischen Frankreich und England nicht dahin gelangen können, so werden sie für die näch- 2 1 Rymer III, 3, 34. Ib. 35. 3 Ib. 36.
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66 I. Abhandlung: Loserth. sten drei Jahre dieser Pflicht enthoben; die Citationen sollen in Schwebe bleiben und die Betreffenden, wenn es Noth thut, an Orten, die England so nahe liegen wie Brügge, entschieden werden. Die noch nicht entrichteten Annaten seien zu er- lassen; von Einkünften der Cardinale in England dürfen Ab- gaben erhoben, diese aber nur für kirchliche Zwecke, nament- lich zur Ausbesserung und Herstellung baufallig gewordener Kirchen verwendet werden.1 Es handelte sich somit im Wesent- lichen um die Festhaltung des Status quo. Wenn der Papst das Zugeständniss machte, dass das System der Reservationen auf England in Zukunft keine Anwendung mehr finden werde, so sollte doch auch der König fürderhin nicht mehr die Pfründen einfach auf seinen Befehl hin vergeben.2 Von der Freiheit der Wahlen ist keine Rede, und die Schuld hievon schiebt Walsingham nicht etwa auf den starren Widerspruch der Curie, sondern auf die Nachgiebigkeit jener Pralaten, ,die es wussten, dass man durch die Gunst der Curie viel leichter als durch freie Wahl in den Besitz jener Würden gelangen konnte, die sie anstrebten'. Damit wird deutlich auf den Bischof Johann Gilbert von Bangor hingewiesen, der schon eilf Tage später zum Bischof von Herford befördet wurde. Mit den Bullen vom 1. September hörten übrigens die Verhandlungen des Nuntius mit dem Könige von England nicht auf; denn fünf Tage später erhält Egidio Sanzii vom Papste die Vollmacht, die Verhandlungen über das Weihnachtsfest hinaus und unter Um- ständen bis Ostern 1376 fortzuführen.4 Weder im Clerus noch im Volke mochte man hievon sonderlich erbaut sein. Auf jenen wurden zunächst die Kosten für den englischen Nuntius ab- gewälzt. Im Uebrigen stand es auch mit den politischen Ver- handlungen nicht viel besser. Englische Schriftsteller be- schuldigen die Franzosen geradezu der Treulosigkeit; sie hätten 1 Rymer III, 3, 36. Tandem concordatum est inter eos, quod papa de cetero reservationibus beneficiorum minime uteretur, et quod rex beneficia per breve ,Quare impedit' ulterius non conferret. Walsingham I, 317. 4 Reg. Greg. XI, Cod. 286, Fol. 296. 5 Walsingham I, 318. 2 3
66 I. Abhandlung: Loserth. sten drei Jahre dieser Pflicht enthoben; die Citationen sollen in Schwebe bleiben und die Betreffenden, wenn es Noth thut, an Orten, die England so nahe liegen wie Brügge, entschieden werden. Die noch nicht entrichteten Annaten seien zu er- lassen; von Einkünften der Cardinale in England dürfen Ab- gaben erhoben, diese aber nur für kirchliche Zwecke, nament- lich zur Ausbesserung und Herstellung baufallig gewordener Kirchen verwendet werden.1 Es handelte sich somit im Wesent- lichen um die Festhaltung des Status quo. Wenn der Papst das Zugeständniss machte, dass das System der Reservationen auf England in Zukunft keine Anwendung mehr finden werde, so sollte doch auch der König fürderhin nicht mehr die Pfründen einfach auf seinen Befehl hin vergeben.2 Von der Freiheit der Wahlen ist keine Rede, und die Schuld hievon schiebt Walsingham nicht etwa auf den starren Widerspruch der Curie, sondern auf die Nachgiebigkeit jener Pralaten, ,die es wussten, dass man durch die Gunst der Curie viel leichter als durch freie Wahl in den Besitz jener Würden gelangen konnte, die sie anstrebten'. Damit wird deutlich auf den Bischof Johann Gilbert von Bangor hingewiesen, der schon eilf Tage später zum Bischof von Herford befördet wurde. Mit den Bullen vom 1. September hörten übrigens die Verhandlungen des Nuntius mit dem Könige von England nicht auf; denn fünf Tage später erhält Egidio Sanzii vom Papste die Vollmacht, die Verhandlungen über das Weihnachtsfest hinaus und unter Um- ständen bis Ostern 1376 fortzuführen.4 Weder im Clerus noch im Volke mochte man hievon sonderlich erbaut sein. Auf jenen wurden zunächst die Kosten für den englischen Nuntius ab- gewälzt. Im Uebrigen stand es auch mit den politischen Ver- handlungen nicht viel besser. Englische Schriftsteller be- schuldigen die Franzosen geradezu der Treulosigkeit; sie hätten 1 Rymer III, 3, 36. Tandem concordatum est inter eos, quod papa de cetero reservationibus beneficiorum minime uteretur, et quod rex beneficia per breve ,Quare impedit' ulterius non conferret. Walsingham I, 317. 4 Reg. Greg. XI, Cod. 286, Fol. 296. 5 Walsingham I, 318. 2 3
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 67 die ganzen zwei Jahre hindurch nicht an den Frieden, sondern an den Kampf gedacht, die alten Waffen erneuert und neue geschmiedet, um im gegebenen Augenblick kampfbereit zu sein. Die Engländer hätten sich dagegen durchaus thöricht und unvorsichtig benommen, indem sie sich allein auf die Weisheit ihres Herzogs verliessen und meinten, er werde sie durch seine Beredsamkeit herausreissen. Von diesen Gedanken beseelt, hätten sie ihre Zeit unter Schmausereien und eitlen Spielen vergeudet. Beide Parteien schieden aus Brügge, ohne dass man das ersehnte Ziel erreichte. Gregor XI. hatte es bis zum letzten Augenblicke an Mahnungen zum Frieden nicht fehlen lassen. Noch am 20. September sandte er an den König Carl, an den Prinzen von Wales, den Herzog von Anjou, Philipp von Burgund, an die französischen Gesandten in Brügge die ge- messensten Befehle. Auch als die Gesandtschaften Brügge verlassen hatten, gab er seine Bemühungen nicht auf. Am 28. November liess er eine neue Reihe von Friedensmahnungen ausgehen; die Verhandlungen zogen sich endlos weiter, ohne vorläufig zu einem regelmässigen Abschlusse zu kommen. 6. Das gute Parlament. Es konnte nicht fehlen, dass das Parlament auf die Vor- gänge in Brügge zurückkam. Es trat am Montag nach Georgi (28. April) 1376 in London zusammen und tagte nahezu neun Wochen.1 Man hat es später das gute genannt;? ob es gerade deswegen in der dankbaren Erinnerung des Volkes fortlebte, weil es, wie man jüngstens angenommen hat, mit besonderer 1 Chron. a monacho S. Albani: Quod incepit circa Octavas S. Georgii et duravit fere continue per novem hebdomadas. Das wäre bis Peter und Paul. In der Continuatio des Polychronicon Higden's liest man: Quod usque ad finem mensis Iulii fere duravit. Ueber den Anfang siehe Acts and Monuments by John Foxe, p. 786. Das Beiwort findet sich zuerst bei Walsingham in einem zwischen zwei Sätzen eingeschobenen Satz, von denen der erste und der zweite den eingetretenen Systemwechsel melden. Hist. Angl. I, 324; Ypodigma Neu- striae, p. 324 zum Parlament von 1377. In hoc autem parliamento abro- gata sunt statuta parliamenti superioris. Quod bonum merito vocabatur. Et rege volente personae abiudicatae pristino statui restituuntur.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 67 die ganzen zwei Jahre hindurch nicht an den Frieden, sondern an den Kampf gedacht, die alten Waffen erneuert und neue geschmiedet, um im gegebenen Augenblick kampfbereit zu sein. Die Engländer hätten sich dagegen durchaus thöricht und unvorsichtig benommen, indem sie sich allein auf die Weisheit ihres Herzogs verliessen und meinten, er werde sie durch seine Beredsamkeit herausreissen. Von diesen Gedanken beseelt, hätten sie ihre Zeit unter Schmausereien und eitlen Spielen vergeudet. Beide Parteien schieden aus Brügge, ohne dass man das ersehnte Ziel erreichte. Gregor XI. hatte es bis zum letzten Augenblicke an Mahnungen zum Frieden nicht fehlen lassen. Noch am 20. September sandte er an den König Carl, an den Prinzen von Wales, den Herzog von Anjou, Philipp von Burgund, an die französischen Gesandten in Brügge die ge- messensten Befehle. Auch als die Gesandtschaften Brügge verlassen hatten, gab er seine Bemühungen nicht auf. Am 28. November liess er eine neue Reihe von Friedensmahnungen ausgehen; die Verhandlungen zogen sich endlos weiter, ohne vorläufig zu einem regelmässigen Abschlusse zu kommen. 6. Das gute Parlament. Es konnte nicht fehlen, dass das Parlament auf die Vor- gänge in Brügge zurückkam. Es trat am Montag nach Georgi (28. April) 1376 in London zusammen und tagte nahezu neun Wochen.1 Man hat es später das gute genannt;? ob es gerade deswegen in der dankbaren Erinnerung des Volkes fortlebte, weil es, wie man jüngstens angenommen hat, mit besonderer 1 Chron. a monacho S. Albani: Quod incepit circa Octavas S. Georgii et duravit fere continue per novem hebdomadas. Das wäre bis Peter und Paul. In der Continuatio des Polychronicon Higden's liest man: Quod usque ad finem mensis Iulii fere duravit. Ueber den Anfang siehe Acts and Monuments by John Foxe, p. 786. Das Beiwort findet sich zuerst bei Walsingham in einem zwischen zwei Sätzen eingeschobenen Satz, von denen der erste und der zweite den eingetretenen Systemwechsel melden. Hist. Angl. I, 324; Ypodigma Neu- striae, p. 324 zum Parlament von 1377. In hoc autem parliamento abro- gata sunt statuta parliamenti superioris. Quod bonum merito vocabatur. Et rege volente personae abiudicatae pristino statui restituuntur.
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68 I. Abhandlung : Loserth. Schärfe gegen die unerträglich gewordenen Uebergriffe der Curie einschritt, möchten wir sehr bezweifeln.1 Jener Schrift- steller, der dies zierende Beiwort zum ersten Male gebrauchte, hatte sicher hiebei etwas ganz Anderes im Auge. Ihm erschien als die bedeutendste Leistung jener Tage der Zusammenbruch des Laienregiments und die Wiedereinsetzung der Leitung der Bischöfe. Wenn man indessen bedenkt, dass alle Stände des Reiches in seltener Einmüthigkeit, unerschrocken und doch vorsichtig zugleich die schwierigsten Dinge des Staatslebens anfassten — neben der zerrütteten Verwaltung des Landes auch heikle persönliche Fragen berührten, so mag man sich diesen Beinamen immerhin als einen wohlverdienten gefallen lassen. Mit grossem Nachdruck (instanter) stellte die Regierung neue, bisher unerhörte Forderungen an die Gemeinen." Ein Sturm der Entrüstung gieng durch die Reihen der Ritter aus den Grafschaften und der Bürger. Schon in den letzten Jahren waren die Lasten schier unerträglich. Nun forderte ein Regiment neue Auflagen, das weder im Felde noch in der Verwaltung das Mindeste geleistet hatte. Und doch mussten dem Staate in seiner Noth die Mittel zu seiner Erhaltung ge- reicht werden. Da wandten sich die Gemeinen an einige Bischöfe des Landes: die von Norwich, St. David, London und Carlisle. Aber diese wichen aus. Sie wussten, es würden Dinge zur Sprache kommen, deren Durchführung einen starken Arm forderte (rem esse arduam previdentes ..... res forte brachium exposcebat). Sie wiesen die Bittsteller an die Barone. Wenn diese mit im Bunde seien, könne man selbst bei der Ungnade des Königs drohende Gefahren leichter bestehen. Man gewann Heinrich Percy, Richard Stafford, Guido von Bryan und Henry le Scrope und verstärkte ihre Zahl durch 2 1 Lechler, Johann von Wiclif I, 354. Cont. Ranulphi de Higden: In quo quidem parliamento rex a communi- bus Angliae quoddam subsidium petiit ad defensionem regni. Chronicon a mon. S. Albani: ubi instanter postulatum est regi subsidium de com- muni plebe. Hier findet man offenbar ganz zuverlässige Berichte, denn der Autor stand mit den Parlamentsmitgliedern selbst in Verbindung und berichtet nach deren Erzählungen: qui etiam iureiurando mihi retulit quod narro.
68 I. Abhandlung : Loserth. Schärfe gegen die unerträglich gewordenen Uebergriffe der Curie einschritt, möchten wir sehr bezweifeln.1 Jener Schrift- steller, der dies zierende Beiwort zum ersten Male gebrauchte, hatte sicher hiebei etwas ganz Anderes im Auge. Ihm erschien als die bedeutendste Leistung jener Tage der Zusammenbruch des Laienregiments und die Wiedereinsetzung der Leitung der Bischöfe. Wenn man indessen bedenkt, dass alle Stände des Reiches in seltener Einmüthigkeit, unerschrocken und doch vorsichtig zugleich die schwierigsten Dinge des Staatslebens anfassten — neben der zerrütteten Verwaltung des Landes auch heikle persönliche Fragen berührten, so mag man sich diesen Beinamen immerhin als einen wohlverdienten gefallen lassen. Mit grossem Nachdruck (instanter) stellte die Regierung neue, bisher unerhörte Forderungen an die Gemeinen." Ein Sturm der Entrüstung gieng durch die Reihen der Ritter aus den Grafschaften und der Bürger. Schon in den letzten Jahren waren die Lasten schier unerträglich. Nun forderte ein Regiment neue Auflagen, das weder im Felde noch in der Verwaltung das Mindeste geleistet hatte. Und doch mussten dem Staate in seiner Noth die Mittel zu seiner Erhaltung ge- reicht werden. Da wandten sich die Gemeinen an einige Bischöfe des Landes: die von Norwich, St. David, London und Carlisle. Aber diese wichen aus. Sie wussten, es würden Dinge zur Sprache kommen, deren Durchführung einen starken Arm forderte (rem esse arduam previdentes ..... res forte brachium exposcebat). Sie wiesen die Bittsteller an die Barone. Wenn diese mit im Bunde seien, könne man selbst bei der Ungnade des Königs drohende Gefahren leichter bestehen. Man gewann Heinrich Percy, Richard Stafford, Guido von Bryan und Henry le Scrope und verstärkte ihre Zahl durch 2 1 Lechler, Johann von Wiclif I, 354. Cont. Ranulphi de Higden: In quo quidem parliamento rex a communi- bus Angliae quoddam subsidium petiit ad defensionem regni. Chronicon a mon. S. Albani: ubi instanter postulatum est regi subsidium de com- muni plebe. Hier findet man offenbar ganz zuverlässige Berichte, denn der Autor stand mit den Parlamentsmitgliedern selbst in Verbindung und berichtet nach deren Erzählungen: qui etiam iureiurando mihi retulit quod narro.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert 69 vier Grafen: aus der March Edmund Mortimer, aus Warwick Thomas Beauchamp, aus Suffolk Wilhelm Ufford und aus Stafford Radulph von Stafford. Sie alle schwuren zusammen- zuhalten und thaten es gern, ,denn sie waren von einem glühen- den Eifer für des Königs Ehre, des Reiches Nutzen und des Volkes Frieden beseelt. Wie sehr die Noth des Augenblicks jedem Patrioten ans Herz griff, davon erzählt der Chronist von St. Alban eine reizende Geschichte: Ein Mitglied des Parlaments Thomas de la Hoo lag einst des Nachts auf seinem Lager und dachte kummervoll an die kommenden Geschäfte, wie es möglich wäre, den König zu einem geordneteren Leben zu führen und mit einem besseren Rath zu versehen, wie man die im Reiche eingewurzelten Missbräuche abthun und dem Volke Gerechtig- keit und Frieden verschaffen könnte. So von Sorgen gequält, schlief er endlich ein. Da umfieng ihn ein Traumbild: Er findet sich in das Capitel von St. Paul versetzt, mitten in die Geschäfte, an die er eben gedacht hatte. Während der Ver- handlung sieht er zur Erde und sieht hier sieben Goldstücke: man nennt sie Florentiner oder Nobles. Er hebt sie auf und forscht, wer sie wohl verloren haben könne. Niemand meldet sich. Da tritt von den Mönchen einer, es mochte wohl der alteste sein, an ihn heran und spricht: Das ist kein verlorenes Geld, wie du meinst. Das ist dir und deinen Genossen ver- liehen, zum Nutzen des Reiches, auf dass ihr es zu reformieren vermögt. Erwacht, denkt Thomas an des Traumes Bedeutung und erzählt ihn seinen Genossen. Und sie fühlten sich Alle gehoben, denn sie hatten nunmehr den Glauben gewonnen, dass ihnen die göttliche Hilfe nicht fehlen würde. Bei einer Vorverhandlung lehnten die Genannten alle Vorlagen der Regierung ab, bis nicht alle Missbräuche beseitigt und die Personen, die König und Reich geplündert, gestraft wären. Wer aber sollte Sprecher sein? Die Rachsucht der Gegner ist gross, auch sind sie stark und verschlagen. Da fiel man auf Petrus de la Mare aus der Grafschaft Herford, der ausgezeichnet war durch seine Unerschrockenheit und glänzende Beredsamkeit und stets bereit, für Wahrheit und Gerechtigkeit zu streiten. �Er sprach, wie wenn er eine Erleuchtung vom Himmel empfangen hätte. Bald nachher hat man seine muth-
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert 69 vier Grafen: aus der March Edmund Mortimer, aus Warwick Thomas Beauchamp, aus Suffolk Wilhelm Ufford und aus Stafford Radulph von Stafford. Sie alle schwuren zusammen- zuhalten und thaten es gern, ,denn sie waren von einem glühen- den Eifer für des Königs Ehre, des Reiches Nutzen und des Volkes Frieden beseelt. Wie sehr die Noth des Augenblicks jedem Patrioten ans Herz griff, davon erzählt der Chronist von St. Alban eine reizende Geschichte: Ein Mitglied des Parlaments Thomas de la Hoo lag einst des Nachts auf seinem Lager und dachte kummervoll an die kommenden Geschäfte, wie es möglich wäre, den König zu einem geordneteren Leben zu führen und mit einem besseren Rath zu versehen, wie man die im Reiche eingewurzelten Missbräuche abthun und dem Volke Gerechtig- keit und Frieden verschaffen könnte. So von Sorgen gequält, schlief er endlich ein. Da umfieng ihn ein Traumbild: Er findet sich in das Capitel von St. Paul versetzt, mitten in die Geschäfte, an die er eben gedacht hatte. Während der Ver- handlung sieht er zur Erde und sieht hier sieben Goldstücke: man nennt sie Florentiner oder Nobles. Er hebt sie auf und forscht, wer sie wohl verloren haben könne. Niemand meldet sich. Da tritt von den Mönchen einer, es mochte wohl der alteste sein, an ihn heran und spricht: Das ist kein verlorenes Geld, wie du meinst. Das ist dir und deinen Genossen ver- liehen, zum Nutzen des Reiches, auf dass ihr es zu reformieren vermögt. Erwacht, denkt Thomas an des Traumes Bedeutung und erzählt ihn seinen Genossen. Und sie fühlten sich Alle gehoben, denn sie hatten nunmehr den Glauben gewonnen, dass ihnen die göttliche Hilfe nicht fehlen würde. Bei einer Vorverhandlung lehnten die Genannten alle Vorlagen der Regierung ab, bis nicht alle Missbräuche beseitigt und die Personen, die König und Reich geplündert, gestraft wären. Wer aber sollte Sprecher sein? Die Rachsucht der Gegner ist gross, auch sind sie stark und verschlagen. Da fiel man auf Petrus de la Mare aus der Grafschaft Herford, der ausgezeichnet war durch seine Unerschrockenheit und glänzende Beredsamkeit und stets bereit, für Wahrheit und Gerechtigkeit zu streiten. �Er sprach, wie wenn er eine Erleuchtung vom Himmel empfangen hätte. Bald nachher hat man seine muth-
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70 I. Abhandlung : Loserth. volle Haltung in Gedichten und Liedern verherrlicht."1 „Dieser Mann war der Sprecher aus den Gemeinen." ,An seinem Mund hieng der Wahrspruch Aller." Unerschrocken trat er vor die Grossen des Reiches: er konnte im Uebrigen etwas wagen, denn hinter ihm stand die Partei des schwarzen Prinzen, die sorgenvoll und eifersüchtig die Stellung Lancaster's betrachtete. Vor dem Herzoge selbst stehend, begann er von den masslosen Auflagen zu reden, durch die das Land an den Rand des Verderbens gebracht sei. Heute fordere man den fünfzehnten, morgen den zehnten, übermorgen den neunten Theil alles Einkommens für den König. Man würde das geduldig ertragen, würde man sehen, dass König und Reich hieraus einen Vortheil zögen: das Volk verstehe, dass auf einem Kriegszug, zumal wenn er weniger glücklich verlaufe, so viel Geld aufgehe. Aber hier wisse man nicht, für welche Zwecke das Geld verwendet worden sei. Daher verlange das Volk Rechenschaft von denen, die es ge- nommen. Niemand wagte zu erwidern; selbst die Richter schwiegen, und der Herzog von Lancaster verliess mit seinen Gesinnungsgenossen das Haus. In einem Convent, der in der nächsten Nacht abgehalten wurde, liess er sich aus: Was denken diese Bastarde und Strauchritter zu thun? Glauben sie die Fürsten im Lande zu sein? Er schloss mit gewaltigen Drohungen. Zur rechten Zeit erinnerte ihn ein Ritter an die Stütze, die jene Partei an dem schwarzen Prinzen habe. Der gewähre ihnen Rath und wirk- same Hilfe. Auf ihrer Seite stünden die Bewohner von London, und das ganze Volk, ja auch die Ritter, würden gegen Lancaster Partei nehmen. Der Herzog musste einlenken; am folgenden Tage zeigte er sich in der Versammlung der Gemeinen von der liebenswürdigsten Seite. Aber hier begann Peter de la Mare das Sündenregister Lord Latimer's vorzulesen; nicht weniger als sechzig Verbrechen wurden ihm vorgehalten; nicht der geringste Vorwurf war der, dass er die Gelder des Landes für sich verwende, während das Reich Noth leide. Gäbe es 1 Der Bericht des Monachus S. Albani ist in hohem Grade gegen Lancaster eingenommen. Ich vermag ihm daher nicht in Allem zu folgen; aber der Gang der Verhandlungen dürfte im Ganzen richtig angegeben sein.
70 I. Abhandlung : Loserth. volle Haltung in Gedichten und Liedern verherrlicht."1 „Dieser Mann war der Sprecher aus den Gemeinen." ,An seinem Mund hieng der Wahrspruch Aller." Unerschrocken trat er vor die Grossen des Reiches: er konnte im Uebrigen etwas wagen, denn hinter ihm stand die Partei des schwarzen Prinzen, die sorgenvoll und eifersüchtig die Stellung Lancaster's betrachtete. Vor dem Herzoge selbst stehend, begann er von den masslosen Auflagen zu reden, durch die das Land an den Rand des Verderbens gebracht sei. Heute fordere man den fünfzehnten, morgen den zehnten, übermorgen den neunten Theil alles Einkommens für den König. Man würde das geduldig ertragen, würde man sehen, dass König und Reich hieraus einen Vortheil zögen: das Volk verstehe, dass auf einem Kriegszug, zumal wenn er weniger glücklich verlaufe, so viel Geld aufgehe. Aber hier wisse man nicht, für welche Zwecke das Geld verwendet worden sei. Daher verlange das Volk Rechenschaft von denen, die es ge- nommen. Niemand wagte zu erwidern; selbst die Richter schwiegen, und der Herzog von Lancaster verliess mit seinen Gesinnungsgenossen das Haus. In einem Convent, der in der nächsten Nacht abgehalten wurde, liess er sich aus: Was denken diese Bastarde und Strauchritter zu thun? Glauben sie die Fürsten im Lande zu sein? Er schloss mit gewaltigen Drohungen. Zur rechten Zeit erinnerte ihn ein Ritter an die Stütze, die jene Partei an dem schwarzen Prinzen habe. Der gewähre ihnen Rath und wirk- same Hilfe. Auf ihrer Seite stünden die Bewohner von London, und das ganze Volk, ja auch die Ritter, würden gegen Lancaster Partei nehmen. Der Herzog musste einlenken; am folgenden Tage zeigte er sich in der Versammlung der Gemeinen von der liebenswürdigsten Seite. Aber hier begann Peter de la Mare das Sündenregister Lord Latimer's vorzulesen; nicht weniger als sechzig Verbrechen wurden ihm vorgehalten; nicht der geringste Vorwurf war der, dass er die Gelder des Landes für sich verwende, während das Reich Noth leide. Gäbe es 1 Der Bericht des Monachus S. Albani ist in hohem Grade gegen Lancaster eingenommen. Ich vermag ihm daher nicht in Allem zu folgen; aber der Gang der Verhandlungen dürfte im Ganzen richtig angegeben sein.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 71 eine gute und gerechte Verwaltung, so könnte der König mit dem Seinen wohl auskommen. In gleicher Weise erhob Peter Anklage gegen Richard Lyons. Dieser machte den Versuch, den schwarzen Prinzen, der fast schon auf dem Sterbebette lag, mit tausend Mark zu bestechen, aber der sandte das Geld zurück, bedauerte freilich hinterher, es nicht den Rittern zur Verfügung gestellt zu haben.1 Vergebens waren die Versuche Lancaster’s, seine Freunde zu retten: sie wurden aus ihren Aemtern vertrieben. Was sie unrechtmässig erworben, mussten sie herausgeben. Latimer wurde für ehrlos erklärt, Lyons in den Kerker geworfen, und Alice Perrers, die Maitresse des alters- und geistesschwachen Königs, ,welche die Engländer bisher geduldet hatten, weil sie selbst ihren König vom Herzen liebten und sich scheuten, ihm nahezutreten’, vom Hofe entfernt. Durch den Tod des schwarzen Prinzen (8. Juni) hatte die Opposition der Gemeinen ihre beste Stütze verloren. Sie drangen stürmisch darauf, dass sein Sohn, der junge Richard von Bordeaux, dem Parlament als Erbe und Nachfolger vor- gestellt werde. Johann von Lancaster suchte vergebens, für sich selbst Stimmung zu machen. Er soll darauf gedrungen haben, dass ein Statut wegen der Nachfolge erlassen werde: er habe, heisst es, an ein Gesetz gedacht, welches (wie in Frankreich) die Frauen von der Nachfolge ausschloss;2 wenn dann noch, wie man von ihm argwöhnte, der junge Thron- folger vergiftet wäre, könnte ihm die Nachfolge nicht entgehen. Im Parlamente soll man ihm aber erwidert haben : Noch lebe der König, und gesetzt auch den Fall, er stürbe, so bleibt uns der junge Prinz. So lange die noch am Leben sind, soll uns die Nachfolgefrage wenig kümmern. Am 25. Juni wurde Richard in die Versammlung geführt und hier mit begeistertem Zuruf 1 Si misissem eius munera, bonam utique rem fecissem. Petiit insuper, ut exemplo Francorum legem statuerent, ne femina fieret heres regni. Consideravit enim senectutem regis, cuius mors erat in ianuis et iuventutem filii principis, quem, ut dicebatur, impotionare cogi- tabat, si aliter ad regnum pervenire non posset; quoniam hii duo, si de medio tollerentur et huiusmodi lex in communi parliamento sanciretur, ipse futurus esset proximus heres regni. Nam nullus masculus super- erat proximior eo regno. Chron. mon. S. Albani. Chron. Angliae, p. 92—93.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 71 eine gute und gerechte Verwaltung, so könnte der König mit dem Seinen wohl auskommen. In gleicher Weise erhob Peter Anklage gegen Richard Lyons. Dieser machte den Versuch, den schwarzen Prinzen, der fast schon auf dem Sterbebette lag, mit tausend Mark zu bestechen, aber der sandte das Geld zurück, bedauerte freilich hinterher, es nicht den Rittern zur Verfügung gestellt zu haben.1 Vergebens waren die Versuche Lancaster’s, seine Freunde zu retten: sie wurden aus ihren Aemtern vertrieben. Was sie unrechtmässig erworben, mussten sie herausgeben. Latimer wurde für ehrlos erklärt, Lyons in den Kerker geworfen, und Alice Perrers, die Maitresse des alters- und geistesschwachen Königs, ,welche die Engländer bisher geduldet hatten, weil sie selbst ihren König vom Herzen liebten und sich scheuten, ihm nahezutreten’, vom Hofe entfernt. Durch den Tod des schwarzen Prinzen (8. Juni) hatte die Opposition der Gemeinen ihre beste Stütze verloren. Sie drangen stürmisch darauf, dass sein Sohn, der junge Richard von Bordeaux, dem Parlament als Erbe und Nachfolger vor- gestellt werde. Johann von Lancaster suchte vergebens, für sich selbst Stimmung zu machen. Er soll darauf gedrungen haben, dass ein Statut wegen der Nachfolge erlassen werde: er habe, heisst es, an ein Gesetz gedacht, welches (wie in Frankreich) die Frauen von der Nachfolge ausschloss;2 wenn dann noch, wie man von ihm argwöhnte, der junge Thron- folger vergiftet wäre, könnte ihm die Nachfolge nicht entgehen. Im Parlamente soll man ihm aber erwidert haben : Noch lebe der König, und gesetzt auch den Fall, er stürbe, so bleibt uns der junge Prinz. So lange die noch am Leben sind, soll uns die Nachfolgefrage wenig kümmern. Am 25. Juni wurde Richard in die Versammlung geführt und hier mit begeistertem Zuruf 1 Si misissem eius munera, bonam utique rem fecissem. Petiit insuper, ut exemplo Francorum legem statuerent, ne femina fieret heres regni. Consideravit enim senectutem regis, cuius mors erat in ianuis et iuventutem filii principis, quem, ut dicebatur, impotionare cogi- tabat, si aliter ad regnum pervenire non posset; quoniam hii duo, si de medio tollerentur et huiusmodi lex in communi parliamento sanciretur, ipse futurus esset proximus heres regni. Nam nullus masculus super- erat proximior eo regno. Chron. mon. S. Albani. Chron. Angliae, p. 92—93.
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72 I. Abhandlung : Loserth. empfangen. Ihren Wunsch, ihn zum Prinzen von Wales er- nannt zu sehen, wies der König als einen Eingriff in seine Rechte zurück. Doch erhielt er den Titel noch vor Ablauf des Jahres. Das Parlament drängte indessen darauf, dass sich der König, um die Einflüsse seiner bisherigen Umgebung ganz zu vernichten, mit einem Rathe von zwölf Personen, Pralaten, Grafen und weisen Persönlichkeiten, umgebe, welche die ge- ringeren Geschäfte abwechselnd allein, die grösseren in ihrer Gesammtheit erledigen könnten: ein Wunsch, dem auch Jo� hann von Lancaster, Viele meinten freilich nicht gerne, zu- stimmte. Dieser Rath wurde auch eingesetzt, aber das Statut hatte kaum drei Monate Bestand.1 Inzwischen hatte man eine Liste zusammengestellt, die alle Beschwerden gegen die alte Verwaltung des Landes ent- hielt. Da wurde auch auf die diplomatischen Misserfolge der letzten zwei Jahre Rücksicht genommen. Schlimmer als die Beziehungen zu Frankreich wurde die kirchenpolitische Politik des Landes beurtheilt. Besonders scharf erklangen in der langen Bill — sie zählte nicht weniger als 140 Titel — die gegen die masslosen Ueberhebungen des Papstes gerich- teten Sätze." „In diesen Usurpationen des Papstthums sei die Quelle des Elends zu suchen, von dem ganz England heimgesucht sei." In übertriebener Weise wird der Papst für alle Plagen des Landes, für Seuchen und Hungersnoth, verantwortlich gemacht und die ganze Armuth des Landes ihm aufs Kerbholz ge- schrieben. Was an Taxen für erledigte geistliche Stellen nach Rom gezahlt werde, betrage fünfmal so viel als das Einkommen des Königs. Wenn ein Bischofssitz durch den Tod erledigt werde, lasse man eine Anzahl Verschiebungen eintreten; eine jede er- höhe das Einkommen der Curie, so dass sie nach einem Todes- fall die vier-, oft fünffachen Taxen einnehme. Die Mäkler aus der verworfenen Stadt Avignon befördern um Geld selbst elende Schurken; ungelehrte nichtsnutzige 1 Walsingham, Ypodigma Neustriae 322. 2 Notes out of the parliament rolls against the pope in Foxe's Acts and Monuments II, 786—788.
72 I. Abhandlung : Loserth. empfangen. Ihren Wunsch, ihn zum Prinzen von Wales er- nannt zu sehen, wies der König als einen Eingriff in seine Rechte zurück. Doch erhielt er den Titel noch vor Ablauf des Jahres. Das Parlament drängte indessen darauf, dass sich der König, um die Einflüsse seiner bisherigen Umgebung ganz zu vernichten, mit einem Rathe von zwölf Personen, Pralaten, Grafen und weisen Persönlichkeiten, umgebe, welche die ge- ringeren Geschäfte abwechselnd allein, die grösseren in ihrer Gesammtheit erledigen könnten: ein Wunsch, dem auch Jo� hann von Lancaster, Viele meinten freilich nicht gerne, zu- stimmte. Dieser Rath wurde auch eingesetzt, aber das Statut hatte kaum drei Monate Bestand.1 Inzwischen hatte man eine Liste zusammengestellt, die alle Beschwerden gegen die alte Verwaltung des Landes ent- hielt. Da wurde auch auf die diplomatischen Misserfolge der letzten zwei Jahre Rücksicht genommen. Schlimmer als die Beziehungen zu Frankreich wurde die kirchenpolitische Politik des Landes beurtheilt. Besonders scharf erklangen in der langen Bill — sie zählte nicht weniger als 140 Titel — die gegen die masslosen Ueberhebungen des Papstes gerich- teten Sätze." „In diesen Usurpationen des Papstthums sei die Quelle des Elends zu suchen, von dem ganz England heimgesucht sei." In übertriebener Weise wird der Papst für alle Plagen des Landes, für Seuchen und Hungersnoth, verantwortlich gemacht und die ganze Armuth des Landes ihm aufs Kerbholz ge- schrieben. Was an Taxen für erledigte geistliche Stellen nach Rom gezahlt werde, betrage fünfmal so viel als das Einkommen des Königs. Wenn ein Bischofssitz durch den Tod erledigt werde, lasse man eine Anzahl Verschiebungen eintreten; eine jede er- höhe das Einkommen der Curie, so dass sie nach einem Todes- fall die vier-, oft fünffachen Taxen einnehme. Die Mäkler aus der verworfenen Stadt Avignon befördern um Geld selbst elende Schurken; ungelehrte nichtsnutzige 1 Walsingham, Ypodigma Neustriae 322. 2 Notes out of the parliament rolls against the pope in Foxe's Acts and Monuments II, 786—788.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 73 Leute haben dann Pfründen bis zu 1000 Mark inne, indess sich Doctoren der Rechte und Magister der Theologie mit 20 Mark begnügen müssen, ein Umstand, durch den das Stu- dium in Abnahme komme.1 Fremdlinge, selbst Landesfeinde, die ihre Pfarrkinder nie gesehen haben, um sie auch keine Sorge tragen, besitzen Pfründen in England; den Gottesdienst bringen sie in Ver- achtung, das Geld schleppen sie hinweg und schaden der Kirche mehr als Juden und Saracenen. Und doch wolle das Gesetz der Kirche, dass die Pfründen aus reiner Liebe ohne Zahlung und ohne Protection verliehen werden; Gesetz und Vernunft, auch der gute Glaube verlangen, dass die Pfründen, die frommen Sinnes gestiftet werden, besetzt würden einzig und allein im Hinblick auf die Ehre Gottes und in Uebereinstim- mung mit den frommen Absichten der Stifter, aber nicht an fremde Leute, die mitten unter unseren Feinden leben. Seine Schäflein hat Gott dem heiligen Vater anvertraut, damit er sie weide, nicht damit er sie scheere. Das Beispiel der hohen Geistlichkeit wirke auf die Kirchen- patronatsherren zurück; auch diese verkaufen die Pfründen um ein Sündengeld, wie Gott an die Juden verkauft ward, die ihn zur Schlachtbank führten. Kein Fürst in der ganzen Christenheit ist so reich, dass er auch nur den vierten Theil der Schätze hätte, wie sie hier sündhafter Weise ausser Land geschleppt werden. Der Collector des Papstes, ein Franzose, und andere fremde Feinde des Königs leben dahier und spähen nach eng- lischen Würden; dabei erspähen sie die Geheimnisse des Landes zu dessen Schaden. Eben der Collector, welcher den Peterspfennig einhebe, besitze in London ein grosses Haus, mit Beamten und Dienern, als ob es eines Fürsten Zollhaus wäre. Von hier sende er jährlich an 20.000 Mark an den Papst. Cardinäle und andere Prälaten, Fremde und Ein- heimische, die aber bei der Curie weilen, haben die besten Pfründen im Lande; der Eine von ihnen, ein Cardinal, ist Decan von York, ein Anderer von Salisbury, Einer von Lincoln, 1 Ein Satz, den wir schon in den Klagen Eduards III. gegen Clemens VI. finden.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 73 Leute haben dann Pfründen bis zu 1000 Mark inne, indess sich Doctoren der Rechte und Magister der Theologie mit 20 Mark begnügen müssen, ein Umstand, durch den das Stu- dium in Abnahme komme.1 Fremdlinge, selbst Landesfeinde, die ihre Pfarrkinder nie gesehen haben, um sie auch keine Sorge tragen, besitzen Pfründen in England; den Gottesdienst bringen sie in Ver- achtung, das Geld schleppen sie hinweg und schaden der Kirche mehr als Juden und Saracenen. Und doch wolle das Gesetz der Kirche, dass die Pfründen aus reiner Liebe ohne Zahlung und ohne Protection verliehen werden; Gesetz und Vernunft, auch der gute Glaube verlangen, dass die Pfründen, die frommen Sinnes gestiftet werden, besetzt würden einzig und allein im Hinblick auf die Ehre Gottes und in Uebereinstim- mung mit den frommen Absichten der Stifter, aber nicht an fremde Leute, die mitten unter unseren Feinden leben. Seine Schäflein hat Gott dem heiligen Vater anvertraut, damit er sie weide, nicht damit er sie scheere. Das Beispiel der hohen Geistlichkeit wirke auf die Kirchen- patronatsherren zurück; auch diese verkaufen die Pfründen um ein Sündengeld, wie Gott an die Juden verkauft ward, die ihn zur Schlachtbank führten. Kein Fürst in der ganzen Christenheit ist so reich, dass er auch nur den vierten Theil der Schätze hätte, wie sie hier sündhafter Weise ausser Land geschleppt werden. Der Collector des Papstes, ein Franzose, und andere fremde Feinde des Königs leben dahier und spähen nach eng- lischen Würden; dabei erspähen sie die Geheimnisse des Landes zu dessen Schaden. Eben der Collector, welcher den Peterspfennig einhebe, besitze in London ein grosses Haus, mit Beamten und Dienern, als ob es eines Fürsten Zollhaus wäre. Von hier sende er jährlich an 20.000 Mark an den Papst. Cardinäle und andere Prälaten, Fremde und Ein- heimische, die aber bei der Curie weilen, haben die besten Pfründen im Lande; der Eine von ihnen, ein Cardinal, ist Decan von York, ein Anderer von Salisbury, Einer von Lincoln, 1 Ein Satz, den wir schon in den Klagen Eduards III. gegen Clemens VI. finden.
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74 I. Abhandlung: Loserth. wieder ein anderer Archidiakon von Canterbury oder Durham, Suffolk oder York, Einer besitzt die Pfründe von Thame und Nassington, ein Anderer von Bucks in der Kirche von Lincoln, und so sind noch viele Andere, die insgesammt jährlich 20.000 Mark aus dem Lande beziehen. Dabei ist noch gar nicht ein- gerechnet, was die einheimischen Mäkler Alles bekommen. Der Papst erhebt Auflagen und Subsidien vom englischen Clerus, um Franzosen, die von Engländern gefangen worden seien, auszulösen oder um seinen Krieg in der Lombardei führen zu können. Sein Collector habe in diesem Jahre zum ersten Male die Einkünfte des ersten Jahres aus allen er- ledigten Stellen in Anspruch genommen, was sonst doch nur bei Vacanzen ,in curia Romana‘ geschehe. Hätte das Reich auch einen Ueberfluss an Geld, die Collectoren des Papstes und die Bevollmächtigten der Cardinäle würden auch dieses gar bald aus dem Lande schleppen. Die Temporalien, die zu den geistlichen Würden gehören, vergebe der Papst mit der Zeit an Landesfeinde. Allen Ordens- häusern und religiösen Körperschaften, die bis zur Regierung des jetzigen Königs die freie Wahl ihrer Vorsteher besassen, hat der Papst ihre Rechte zu entziehen sich vermessen. Die Kosten der Legationen des Papstes werden von diesem stets auf den englischen Clerus abgewälzt; ironisch wird beigesetzt: das geschehe jedoch nur aus Liebe zu unserem Lande und zu dem englischen Gelde.1 Indem das Parlament seinen reinen Eifer für die heilige Kirche betonte, zählte es alle die Leiden auf, die ihm durch dieses Kirchenregiment zugefügt würden. Feindschaften und Unglücksfalle hätten in der Ungerechtigkeit ihren Ursprung. Hilfe thue noth, jetzt zur Feier der fünfzigjährigen Regierung des Königs, im Jahre der Freude und der Gnade, wäre der rechte Augenblick, die Mittel hiezu zu suchen. Man möge zwei Schreiben an den Papst senden, das eine lateinisch unter dem Siegel des Königs, das andere französisch unter den Siegeln des hohen Adels, und Abhilfe verlangen, wie das schon 1 Acts and Monuments II, 689. The Letter of the Nobles of England and Commons of the same to the Pope, against the Preservations and Pro- visions, which he had in England.
74 I. Abhandlung: Loserth. wieder ein anderer Archidiakon von Canterbury oder Durham, Suffolk oder York, Einer besitzt die Pfründe von Thame und Nassington, ein Anderer von Bucks in der Kirche von Lincoln, und so sind noch viele Andere, die insgesammt jährlich 20.000 Mark aus dem Lande beziehen. Dabei ist noch gar nicht ein- gerechnet, was die einheimischen Mäkler Alles bekommen. Der Papst erhebt Auflagen und Subsidien vom englischen Clerus, um Franzosen, die von Engländern gefangen worden seien, auszulösen oder um seinen Krieg in der Lombardei führen zu können. Sein Collector habe in diesem Jahre zum ersten Male die Einkünfte des ersten Jahres aus allen er- ledigten Stellen in Anspruch genommen, was sonst doch nur bei Vacanzen ,in curia Romana‘ geschehe. Hätte das Reich auch einen Ueberfluss an Geld, die Collectoren des Papstes und die Bevollmächtigten der Cardinäle würden auch dieses gar bald aus dem Lande schleppen. Die Temporalien, die zu den geistlichen Würden gehören, vergebe der Papst mit der Zeit an Landesfeinde. Allen Ordens- häusern und religiösen Körperschaften, die bis zur Regierung des jetzigen Königs die freie Wahl ihrer Vorsteher besassen, hat der Papst ihre Rechte zu entziehen sich vermessen. Die Kosten der Legationen des Papstes werden von diesem stets auf den englischen Clerus abgewälzt; ironisch wird beigesetzt: das geschehe jedoch nur aus Liebe zu unserem Lande und zu dem englischen Gelde.1 Indem das Parlament seinen reinen Eifer für die heilige Kirche betonte, zählte es alle die Leiden auf, die ihm durch dieses Kirchenregiment zugefügt würden. Feindschaften und Unglücksfalle hätten in der Ungerechtigkeit ihren Ursprung. Hilfe thue noth, jetzt zur Feier der fünfzigjährigen Regierung des Königs, im Jahre der Freude und der Gnade, wäre der rechte Augenblick, die Mittel hiezu zu suchen. Man möge zwei Schreiben an den Papst senden, das eine lateinisch unter dem Siegel des Königs, das andere französisch unter den Siegeln des hohen Adels, und Abhilfe verlangen, wie das schon 1 Acts and Monuments II, 689. The Letter of the Nobles of England and Commons of the same to the Pope, against the Preservations and Pro- visions, which he had in England.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 75 bei einer früheren Gelegenheit (1343, Mai) geschehen sei : unter Einem sollten alle Verordnungen der Regierung gegen die römischen Provisionen und Reservationen erneuert werden. Das sei durchaus nothwendig, da ja der Papst alle Beneficien der Welt als sein Eigenthum ansehe : �Dies Jahr hat er zwölf neue Cardinale creiert, so dass man jetzt dreissig zähle, wäh- rend zwölf vollkommen ausreichen: und alle diese Cardinale, etwa zwei oder drei ausgenommen, sind Feinde des Königs." Man sollte festsetzen, dass in Zukunft kein Geld mittelst Wechsel aus dem Lande geführt werde. Kein fremder Collector solle fernerhin im Lande verweilen und ebenso wenig sein Vollmachtträger, widrigenfalls Einer wie der Andere an Leib und Leben gestraft würden. Desgleichen soll ein jeder Eng- länder gestraft werden, der eine Collectorstelle bekleidet oder einen der fremden in Rom residierenden Pfründner vertritt. Zur vollständigen Aufklärung in allen diesen Dingen, vor- nehmlich soweit sie den päpstlichen Collector betreffen, von dessen Gunst oder Missgunst der ganze Clerus abhänge, wäre es zweckmässig, wenn man Mr. John Strensale, den Pfarrer von St. Botolph in Holborn, vor die Lords und Gemeinen kommen und verhören liesse; da er durch volle fünf Jahre dem Collector geholfen, so könnte er viele hier gewünschte Auskünfte ertheilen. Der Collector, um den es sich hier handelt, war der be- kannte Arnold Garnier,1 der zuletzt noch vor einem Jahre eine ganze Serie von Briefen an den König, die Prinzen und an� dere Grosse des Landes übergab, um die ,armen‘ Cardinäle vor dem ihnen drohenden Zehent zu schützen. Dem Könige, der nun von neuen Rathgebern umgeben war, von denen mindestens einige den heftigen Ton des Schrift- stückes missbilligten, wenn sie auch sachlich dagegen kaum etwas einzuwenden hatten, wurde es schwer, eine befriedigende Antwort zu geben. Er konnte mit Recht darauf hinweisen, dass er sich die grösste Mühe nicht habe verdriessen lassen, den Wünschen des Parlamentes gerecht zu werden, durch 1 Wie schon Lechler bemerkt hat. Doch hat er übersehen, dass im April des Jahres 1376 wohl schon von fünf Jahren gesprochen werden konnte, wenn auch das fünfte noch nicht abgelaufen war.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 75 bei einer früheren Gelegenheit (1343, Mai) geschehen sei : unter Einem sollten alle Verordnungen der Regierung gegen die römischen Provisionen und Reservationen erneuert werden. Das sei durchaus nothwendig, da ja der Papst alle Beneficien der Welt als sein Eigenthum ansehe : �Dies Jahr hat er zwölf neue Cardinale creiert, so dass man jetzt dreissig zähle, wäh- rend zwölf vollkommen ausreichen: und alle diese Cardinale, etwa zwei oder drei ausgenommen, sind Feinde des Königs." Man sollte festsetzen, dass in Zukunft kein Geld mittelst Wechsel aus dem Lande geführt werde. Kein fremder Collector solle fernerhin im Lande verweilen und ebenso wenig sein Vollmachtträger, widrigenfalls Einer wie der Andere an Leib und Leben gestraft würden. Desgleichen soll ein jeder Eng- länder gestraft werden, der eine Collectorstelle bekleidet oder einen der fremden in Rom residierenden Pfründner vertritt. Zur vollständigen Aufklärung in allen diesen Dingen, vor- nehmlich soweit sie den päpstlichen Collector betreffen, von dessen Gunst oder Missgunst der ganze Clerus abhänge, wäre es zweckmässig, wenn man Mr. John Strensale, den Pfarrer von St. Botolph in Holborn, vor die Lords und Gemeinen kommen und verhören liesse; da er durch volle fünf Jahre dem Collector geholfen, so könnte er viele hier gewünschte Auskünfte ertheilen. Der Collector, um den es sich hier handelt, war der be- kannte Arnold Garnier,1 der zuletzt noch vor einem Jahre eine ganze Serie von Briefen an den König, die Prinzen und an� dere Grosse des Landes übergab, um die ,armen‘ Cardinäle vor dem ihnen drohenden Zehent zu schützen. Dem Könige, der nun von neuen Rathgebern umgeben war, von denen mindestens einige den heftigen Ton des Schrift- stückes missbilligten, wenn sie auch sachlich dagegen kaum etwas einzuwenden hatten, wurde es schwer, eine befriedigende Antwort zu geben. Er konnte mit Recht darauf hinweisen, dass er sich die grösste Mühe nicht habe verdriessen lassen, den Wünschen des Parlamentes gerecht zu werden, durch 1 Wie schon Lechler bemerkt hat. Doch hat er übersehen, dass im April des Jahres 1376 wohl schon von fünf Jahren gesprochen werden konnte, wenn auch das fünfte noch nicht abgelaufen war.
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76 I. Abhandlung : Loserth. Statuten habe er nach Möglichkeit Abhilfe zu schaffen gesucht, die langwierigsten Verhandlungen mit dem Papste nicht ge- scheut, und auch jetzt führe er sie noch weiter. Aber wie schwer hielt es, den Forderungen des Parlamentes gerecht zu werden. In denselben Tagen, wo das Parlament einen so drohenden Ton gegen die Anzapfungen des Landes durch die ausländische Hierarchie anschlug, sandte Gregor XI. eine Bulle an den Erzbischof von Canterbury, in welcher er zürnend Klage führt, dass die Geistlichkeit der Erzdiöcese York ihrer Pflicht, die 60.000 Goldgulden in zwei Terminen zu bezahlen, gar nicht, jene von Canterbury nur theilweise nachgekommen sei, und in welcher er unter Androhung von Bann und Se- questration die unverzügliche Zahlung der schuldigen Summen verlangt: die Kirche sei in grosser Noth; um ihre Herrschaft in Italien aufrecht zu erhalten, sei dringend Hilfe geboten, sonst müsse sie ihren Gegnern erliegen.1 Soll man sich wun- dern, wenn die Gegner des hierarchischen Systems zunächst mit der Aufwerfung der Frage antworteten: Was ist Herr- schaft? Welche Herrschaft darf die Kirche ausüben? Eine geistige Herrschaft, wie sie die heilige Schrift fordert, oder eine weltliche, wie sie das Papstthum in Anspruch nahm? Während dieses einen blutigen Krieg in Italien führte, wo die Florentiner daran waren, der weltlichen Herrschaft der Päpste thatsächlich ein Ende zu machen, erschienen die ersten Bücher aus Wiclif’s ,Summa Theologiae‘ mit ihren wuchtigen Angriffen auf ,die Kirche‘ und auf den Anspruch der Hierarchie auf weltliche ,Herrschaft’. 7. Die ersten kirchenpolitischen Schriften Wielif’s. Das Buch vom göttlichen Regiment und die Schrift von den zehn Geboten. Unsere Wiclifforscher waren bisher geneigt, den Aufent- halt Wiclif’s in Brügge für seine Entwicklung ebenso hoch an- zuschlagen als jenen Luther's in Rom für dessen spätere Be- deutung. Wie übertrieben diese Annahme ist, geht aus den früheren Ausführungen deutlich genug hervor. Gleichwohl mag 1 Reg. Greg. XI., Cod. 281, Fol. 261b.
76 I. Abhandlung : Loserth. Statuten habe er nach Möglichkeit Abhilfe zu schaffen gesucht, die langwierigsten Verhandlungen mit dem Papste nicht ge- scheut, und auch jetzt führe er sie noch weiter. Aber wie schwer hielt es, den Forderungen des Parlamentes gerecht zu werden. In denselben Tagen, wo das Parlament einen so drohenden Ton gegen die Anzapfungen des Landes durch die ausländische Hierarchie anschlug, sandte Gregor XI. eine Bulle an den Erzbischof von Canterbury, in welcher er zürnend Klage führt, dass die Geistlichkeit der Erzdiöcese York ihrer Pflicht, die 60.000 Goldgulden in zwei Terminen zu bezahlen, gar nicht, jene von Canterbury nur theilweise nachgekommen sei, und in welcher er unter Androhung von Bann und Se- questration die unverzügliche Zahlung der schuldigen Summen verlangt: die Kirche sei in grosser Noth; um ihre Herrschaft in Italien aufrecht zu erhalten, sei dringend Hilfe geboten, sonst müsse sie ihren Gegnern erliegen.1 Soll man sich wun- dern, wenn die Gegner des hierarchischen Systems zunächst mit der Aufwerfung der Frage antworteten: Was ist Herr- schaft? Welche Herrschaft darf die Kirche ausüben? Eine geistige Herrschaft, wie sie die heilige Schrift fordert, oder eine weltliche, wie sie das Papstthum in Anspruch nahm? Während dieses einen blutigen Krieg in Italien führte, wo die Florentiner daran waren, der weltlichen Herrschaft der Päpste thatsächlich ein Ende zu machen, erschienen die ersten Bücher aus Wiclif’s ,Summa Theologiae‘ mit ihren wuchtigen Angriffen auf ,die Kirche‘ und auf den Anspruch der Hierarchie auf weltliche ,Herrschaft’. 7. Die ersten kirchenpolitischen Schriften Wielif’s. Das Buch vom göttlichen Regiment und die Schrift von den zehn Geboten. Unsere Wiclifforscher waren bisher geneigt, den Aufent- halt Wiclif’s in Brügge für seine Entwicklung ebenso hoch an- zuschlagen als jenen Luther's in Rom für dessen spätere Be- deutung. Wie übertrieben diese Annahme ist, geht aus den früheren Ausführungen deutlich genug hervor. Gleichwohl mag 1 Reg. Greg. XI., Cod. 281, Fol. 261b.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 77 es richtig sein, dass der Verkehr mit den ,Curialisten‘ einen bedeutenden Eindruck auf ihn machte. Er begann jetzt seine Ideen über die göttliche Herrschaft und das irdische Regiment, über Kirche und Staat in dickleibigen Büchern niederzulegen. Wer Wiclif's rasche Art zu arbeiten kennt, nimmt an der An- nahme nicht den mindesten Anstoss, dass diese grosse Fluth von reformatorischen Schriften von ihm in der kurzen Spanne von nur 8—10 Jahren ausgearbeitet wurde. Von 1376 an datieren wir sein Hauptwerk, das Lehrgebäude der Theologie, seine ,Summa theologiae‘. Man darf in dieser keinesfalls ein nach einem genau vorgefassten Plan geschriebenes Werk suchen: solche hat Wiclif überhaupt nur wenige geschrieben, etwa den ,Trialogus‘, wo die einzelnen Theile nach genauen ökonomischen Grundsätzen behandelt werden: aber doch auch hier nicht so, dass nicht ein Nachtrag nothwendig würde. Die bedeutendsten Bücher innerhalb der Summa danken ihr Entstehen zumeist nur einem Zufall. Er hat eine seiner bedeutendsten Schriften, die vom göttlichen Regiment, in die Summa gar nicht einbe- zogen, wiewohl wir sie zunächst da suchen würden, und ihr eine Stelle unmittelbar vor dem grossen Werke ,De civili do- minio‘ anweisen müssten.1 Bücher, die mehr oder minder dem Zufall ihr Entstehen danken, sind das berühmte Buch ,Von der Kirche‘ und ,De eivili dominio‘. Eben hatte er seine Ansichten über das bürgerliche Regiment — weitschweifig genug — in einem dicken Bande niedergelegt, als er in einen scharfen Kampf verwickelt wurde. Diesem dankt man es, dass aus dem einen Buch ein zweites, schliesslich noch ein ganz unförmliches drittes wurde. Sehen wir sein gerühmtes Buch ,Von der Kirche‘ ge- nauer an: es besteht aus Materien, die kaum zu einander ge- hören. In der Hauptsache ist es eine heftige Streitschrift und ein Gutachten, das er im Auftrag des Königs dem Parlament vorgelegt hat: zu beiden Stücken sind dann noch Dinge ge- kommen, die mit ihnen wenig gemein haben. Andererseits wird man finden, dass die Summa, wie sie uns heute vorliegt, zusammengestellt wurde, als langst alle Bände geschrieben Jetzt zum ersten Male in vortrefflicher Weise ediert von Reginald Lane Poole, zugleich mit den ersten vier Büchern der berühmten Schrift des Erzbischofs von Armagh Richard Fitzralph, London 1890 (Wyclif Society).
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 77 es richtig sein, dass der Verkehr mit den ,Curialisten‘ einen bedeutenden Eindruck auf ihn machte. Er begann jetzt seine Ideen über die göttliche Herrschaft und das irdische Regiment, über Kirche und Staat in dickleibigen Büchern niederzulegen. Wer Wiclif's rasche Art zu arbeiten kennt, nimmt an der An- nahme nicht den mindesten Anstoss, dass diese grosse Fluth von reformatorischen Schriften von ihm in der kurzen Spanne von nur 8—10 Jahren ausgearbeitet wurde. Von 1376 an datieren wir sein Hauptwerk, das Lehrgebäude der Theologie, seine ,Summa theologiae‘. Man darf in dieser keinesfalls ein nach einem genau vorgefassten Plan geschriebenes Werk suchen: solche hat Wiclif überhaupt nur wenige geschrieben, etwa den ,Trialogus‘, wo die einzelnen Theile nach genauen ökonomischen Grundsätzen behandelt werden: aber doch auch hier nicht so, dass nicht ein Nachtrag nothwendig würde. Die bedeutendsten Bücher innerhalb der Summa danken ihr Entstehen zumeist nur einem Zufall. Er hat eine seiner bedeutendsten Schriften, die vom göttlichen Regiment, in die Summa gar nicht einbe- zogen, wiewohl wir sie zunächst da suchen würden, und ihr eine Stelle unmittelbar vor dem grossen Werke ,De civili do- minio‘ anweisen müssten.1 Bücher, die mehr oder minder dem Zufall ihr Entstehen danken, sind das berühmte Buch ,Von der Kirche‘ und ,De eivili dominio‘. Eben hatte er seine Ansichten über das bürgerliche Regiment — weitschweifig genug — in einem dicken Bande niedergelegt, als er in einen scharfen Kampf verwickelt wurde. Diesem dankt man es, dass aus dem einen Buch ein zweites, schliesslich noch ein ganz unförmliches drittes wurde. Sehen wir sein gerühmtes Buch ,Von der Kirche‘ ge- nauer an: es besteht aus Materien, die kaum zu einander ge- hören. In der Hauptsache ist es eine heftige Streitschrift und ein Gutachten, das er im Auftrag des Königs dem Parlament vorgelegt hat: zu beiden Stücken sind dann noch Dinge ge- kommen, die mit ihnen wenig gemein haben. Andererseits wird man finden, dass die Summa, wie sie uns heute vorliegt, zusammengestellt wurde, als langst alle Bände geschrieben Jetzt zum ersten Male in vortrefflicher Weise ediert von Reginald Lane Poole, zugleich mit den ersten vier Büchern der berühmten Schrift des Erzbischofs von Armagh Richard Fitzralph, London 1890 (Wyclif Society).
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78 I. Abhandlung : Loserth. waren. Nur so erklart sich, dass schon in den ersten Theilen, deren Abfassung auf 1376 oder 1377 zu setzen ist, Dinge stehen, die er erst 1380 oder noch später geschrieben haben kann. Der Gedanke, ein systematisches Werk zu verfassen, dürfte ihm in späteren Jahren gekommen sein. Er hat dann zwölf seiner Hauptwerke auf dem Gebiete der Theologie unter einem Titel zu einem Ganzen vereinigt.1 Wäre diese Summa von vornherein nach einem bestimmten Plane ausgearbeitet worden, dann würde die Arbeit viel abgerundeter sein, es würden ihr namentlich die endlosen ermüdenden Wiederholungen fehlen, die sich jetzt zumal vom 7.—12. Buche finden. Als Wiclif an die Abfassung des ersten dieser Werke schritt, fuhlte er sich zweifellos an einem bedeutsamen Wendepunkt seines Lebens angelangt.2 Da ein jeder Christ, sagt er, und vor- nehmlich ein Theologe, als tugendhafter Mann sterben muss, und da nur jener selig sterben kann, der gut gelebt hat, so will ich die restliche Zeit meines Lebens, ob mir Gott noch viele oder wenig Jahre zugelegt hat, der Tugend leben," und da von allen Gütern das niedrigste — die Herrschaft — heutzu- tage am meisten erstrebt wird, so will ich denn mit der Herr- schaft beginnen.4 Ich will mich aber bei meinen Aus- führungen durchaus an die heil. Schrift halten, der ich mich ,aus Religion und besonderem Gehorsam gelobt habe‘. Er fühlt sich ausschliesslich als Theologe — die Stellung eines Kirchenpolitikers bezeichnet er ganz anders. Die ganze ihm noch zugemessene Zeit will er der Theologie widmen. Auch sein Bekenntniss, sich allein an die Bibel halten zu wollen, deutet auf keine allzufrühe Periode, ohne dass ich genau zu sagen vermöchte, in welche Zeit die Abfassung fallt. 1 S. Shirley, A Catalogue of the Original Works of John Wyclif, p. 6. Poole, 1. c., p. XXIII. Ich möchte glauben, dass der Libellus, quem porre- xit parliamento, den Niederschlag von den grossen Tractaten ,De dominio divino‘ und ,De dominio civili‘ bildet. Beide enthalten die wissenschaft- liche Begründung. Die Abfassungszeit von ,De dominio divino‘ ist dann auch auf circa 1377 zu setzen. Tempus est mihi per totum residuum vitae meae tam speculative quam practice secundum mensuram, quam Deus donaverit, inniti virtutibus, ut sic salubrius discam mori. Ut cecitas hominum sit melius ad sensum scripture professoribus huius sciencie declarata, consonum videtur a dominio inchoandum.
78 I. Abhandlung : Loserth. waren. Nur so erklart sich, dass schon in den ersten Theilen, deren Abfassung auf 1376 oder 1377 zu setzen ist, Dinge stehen, die er erst 1380 oder noch später geschrieben haben kann. Der Gedanke, ein systematisches Werk zu verfassen, dürfte ihm in späteren Jahren gekommen sein. Er hat dann zwölf seiner Hauptwerke auf dem Gebiete der Theologie unter einem Titel zu einem Ganzen vereinigt.1 Wäre diese Summa von vornherein nach einem bestimmten Plane ausgearbeitet worden, dann würde die Arbeit viel abgerundeter sein, es würden ihr namentlich die endlosen ermüdenden Wiederholungen fehlen, die sich jetzt zumal vom 7.—12. Buche finden. Als Wiclif an die Abfassung des ersten dieser Werke schritt, fuhlte er sich zweifellos an einem bedeutsamen Wendepunkt seines Lebens angelangt.2 Da ein jeder Christ, sagt er, und vor- nehmlich ein Theologe, als tugendhafter Mann sterben muss, und da nur jener selig sterben kann, der gut gelebt hat, so will ich die restliche Zeit meines Lebens, ob mir Gott noch viele oder wenig Jahre zugelegt hat, der Tugend leben," und da von allen Gütern das niedrigste — die Herrschaft — heutzu- tage am meisten erstrebt wird, so will ich denn mit der Herr- schaft beginnen.4 Ich will mich aber bei meinen Aus- führungen durchaus an die heil. Schrift halten, der ich mich ,aus Religion und besonderem Gehorsam gelobt habe‘. Er fühlt sich ausschliesslich als Theologe — die Stellung eines Kirchenpolitikers bezeichnet er ganz anders. Die ganze ihm noch zugemessene Zeit will er der Theologie widmen. Auch sein Bekenntniss, sich allein an die Bibel halten zu wollen, deutet auf keine allzufrühe Periode, ohne dass ich genau zu sagen vermöchte, in welche Zeit die Abfassung fallt. 1 S. Shirley, A Catalogue of the Original Works of John Wyclif, p. 6. Poole, 1. c., p. XXIII. Ich möchte glauben, dass der Libellus, quem porre- xit parliamento, den Niederschlag von den grossen Tractaten ,De dominio divino‘ und ,De dominio civili‘ bildet. Beide enthalten die wissenschaft- liche Begründung. Die Abfassungszeit von ,De dominio divino‘ ist dann auch auf circa 1377 zu setzen. Tempus est mihi per totum residuum vitae meae tam speculative quam practice secundum mensuram, quam Deus donaverit, inniti virtutibus, ut sic salubrius discam mori. Ut cecitas hominum sit melius ad sensum scripture professoribus huius sciencie declarata, consonum videtur a dominio inchoandum.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 79 Die Herrschaft als solche, lehrt Wiclif, kommt Gott allein zu, denn wenn die heil. Schrift vom ,Herrn‘ spreche, meine sie Gott.1 Nicht wie irdische Könige durch ihre Vasallen, sondern unmittelbar regiert er Alles, was er besitzt. Er theilt seine Herrschaft aus, ohne auf sie zu verzichten: �sowie ein Herr von seiner Herrschaft nichts verliert, wenn er seinem Sclaven etwas gibt'. Herrschaft ist nicht gleichbedeutend mit Eigenthum und verträgt sich mit der ,Gemeinschaft", erst die Sünde hat das Eigenthum eingefuhrt.2 Christus und die Apostel haben weltlichen Besitz um ihn allein zu haben, verschmäht, sie haben ihn mit Allen getheilt, um die überirdische Herrschaft zu gewinnen. Die Gaben des Geistes vertheilt Gott aus seiner Herrschaft, sie werden gegeben, ohne dass die Quelle der Gaben erschöpft wird. Solche Gaben allein hat die Kirche bis zu ihrer ,Verkaiserung‘ ausgetheilt, aber keinesfalls um Geld und Geldeswerth." Die Art zu schenken sei eine doppelte: die vollkommene eignet Gott, der an die Menschen gibt, ohne an seiner Herr- schaft etwas einzubüssen, das ist die Schenkung durch ,Mit- theilung‘; die unvollkommene ist die durch Uebertragung, diese bereichert den Begabten und beraubt den Geber. Von ihr spricht die Bibel, wenn sie sagt: das Reich wird von einem Volke an ein anderes übertragen. Gott theilt in passendster Weise dem Menschen seine Gaben zu, der Mensch vertheilt sie oft unpassend und unter Missbrauch seiner Gewalt. Gottes Art, nur dem Würdigen zu schenken, muss für die Menschen die Richtschnur sein.4 Indem sie diese nicht einhalten, kommt 1 Quandoque dominus affirmative et assertive per se ponitur in scriptura, sumitur pro Deo simpliciter... Patet igitur, quod non est de racione dominii, in quantum huiusmodi, quod sit proprietarium et per consequens, quod donans quidquam alteri alienet a se dominium ... Communicacio non obest vero dominio nec proprietas ipsum per se sequitur quin pocius omnis proprietas fuerat racione peccati vel dominancium vel incommunicancium introducta. Inolevit in religione christiana quod dona Dei usque ad temporalia Deo dicata numismate, non vendantur vel a ministris ecclesie abdicentur. Et patet quod Deus propriissime donat hominibus dona sua; creature autem vel minus proprie vel nimium abusive ... Deus habet dominium verissimum sui dati et cum hoc optimum modum dandi. Quare
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 79 Die Herrschaft als solche, lehrt Wiclif, kommt Gott allein zu, denn wenn die heil. Schrift vom ,Herrn‘ spreche, meine sie Gott.1 Nicht wie irdische Könige durch ihre Vasallen, sondern unmittelbar regiert er Alles, was er besitzt. Er theilt seine Herrschaft aus, ohne auf sie zu verzichten: �sowie ein Herr von seiner Herrschaft nichts verliert, wenn er seinem Sclaven etwas gibt'. Herrschaft ist nicht gleichbedeutend mit Eigenthum und verträgt sich mit der ,Gemeinschaft", erst die Sünde hat das Eigenthum eingefuhrt.2 Christus und die Apostel haben weltlichen Besitz um ihn allein zu haben, verschmäht, sie haben ihn mit Allen getheilt, um die überirdische Herrschaft zu gewinnen. Die Gaben des Geistes vertheilt Gott aus seiner Herrschaft, sie werden gegeben, ohne dass die Quelle der Gaben erschöpft wird. Solche Gaben allein hat die Kirche bis zu ihrer ,Verkaiserung‘ ausgetheilt, aber keinesfalls um Geld und Geldeswerth." Die Art zu schenken sei eine doppelte: die vollkommene eignet Gott, der an die Menschen gibt, ohne an seiner Herr- schaft etwas einzubüssen, das ist die Schenkung durch ,Mit- theilung‘; die unvollkommene ist die durch Uebertragung, diese bereichert den Begabten und beraubt den Geber. Von ihr spricht die Bibel, wenn sie sagt: das Reich wird von einem Volke an ein anderes übertragen. Gott theilt in passendster Weise dem Menschen seine Gaben zu, der Mensch vertheilt sie oft unpassend und unter Missbrauch seiner Gewalt. Gottes Art, nur dem Würdigen zu schenken, muss für die Menschen die Richtschnur sein.4 Indem sie diese nicht einhalten, kommt 1 Quandoque dominus affirmative et assertive per se ponitur in scriptura, sumitur pro Deo simpliciter... Patet igitur, quod non est de racione dominii, in quantum huiusmodi, quod sit proprietarium et per consequens, quod donans quidquam alteri alienet a se dominium ... Communicacio non obest vero dominio nec proprietas ipsum per se sequitur quin pocius omnis proprietas fuerat racione peccati vel dominancium vel incommunicancium introducta. Inolevit in religione christiana quod dona Dei usque ad temporalia Deo dicata numismate, non vendantur vel a ministris ecclesie abdicentur. Et patet quod Deus propriissime donat hominibus dona sua; creature autem vel minus proprie vel nimium abusive ... Deus habet dominium verissimum sui dati et cum hoc optimum modum dandi. Quare
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80 I. Abhandlung : Loserth. es, dass es so viele usurpierte Herrschaften gibt und solche, die es nur dem Namen nach sind. Er erörtert weiter, dass Gott sich selbst schenke, den Prädestinierten den heil. Geist und dessen Gaben verleihe. Man sieht, wie sich schon dieser Tractat in seinen Grund- linien gegen die Herrschaft der Priester wendet, wie sie damals geübt ward. Wahre Herrschaft muss nicht nothwendig mit Eigenthum verbunden sein. Nicht Einer erhalt die Gaben Gottes, sondern — ohne Vermittlung — Alle. Ein jeder Christ hängt demnach unmittelbar von Gott selbst ab. Der Ver- mittlung der Priester bedarf es nicht. An das Buch von der göttlichen Herrschaft schliesst sich unmittelbar das Buch der (zehn) Gebote an (liber mandatorum). Es beginnt mit der Definition des Rechtes im Allgemeinen und der Gerechtigkeit, des Fundamentes jeder bürgerlichen Herr- schaft. Gott kann kein Unrecht dulden: Es muss gestraft werden. Das Unrecht muss man, eben weil die Strafe nicht ausbleibt, geduldig tragen. Ein Recht kann Niemand ohne Gottes Willen erwerben oder verlieren. Gott hat weder Chri- stus noch einem der Apostel ein Recht auf bürgerliche Herr- schaft gegeben.1 Der Apostel besass nicht einmal das Recht, sich die nothwendigen Lebensmittel von irgend einem Reichen zu nehmen. Wenn jetzt der Vicar Christi etwa zehn Clerikern über hundert Pfründen verleiht, so gibt er keinem einzigen ein Recht darauf, weil er es eben nicht geben kann.? Um daher das Recht zu kennen und im gegebenen Fall recht zu urtheilen, muss man den Willen Gottes kennen. Kein Mensch ergo non sibi principalissime et propriissime competeret donandi racio, cum sit metrum aliis donacionibus per quod illi racionem suam parti- cipant... Sicut Christus non habuit potestatem ad regnandum civiliter in Judea, sic nec apostolus habuit potestatem ad exigendum vite necessaria ab avaris, cum de iure primo limitatum fuit oppositum. Unde sicut Chri- stus debuit de iure didragma solvere, eciam ne regnet civiliter, sic apo- stolus et ceteri spiritu Dei ducti de iure debent supererogacionis opus consultum perficere. Et patet, quod vicarius Christi providens decem clericis super centum beneficiis ad collacionem Petri spectantibus non confert unieuique ius ad quodlibet eorum.
80 I. Abhandlung : Loserth. es, dass es so viele usurpierte Herrschaften gibt und solche, die es nur dem Namen nach sind. Er erörtert weiter, dass Gott sich selbst schenke, den Prädestinierten den heil. Geist und dessen Gaben verleihe. Man sieht, wie sich schon dieser Tractat in seinen Grund- linien gegen die Herrschaft der Priester wendet, wie sie damals geübt ward. Wahre Herrschaft muss nicht nothwendig mit Eigenthum verbunden sein. Nicht Einer erhalt die Gaben Gottes, sondern — ohne Vermittlung — Alle. Ein jeder Christ hängt demnach unmittelbar von Gott selbst ab. Der Ver- mittlung der Priester bedarf es nicht. An das Buch von der göttlichen Herrschaft schliesst sich unmittelbar das Buch der (zehn) Gebote an (liber mandatorum). Es beginnt mit der Definition des Rechtes im Allgemeinen und der Gerechtigkeit, des Fundamentes jeder bürgerlichen Herr- schaft. Gott kann kein Unrecht dulden: Es muss gestraft werden. Das Unrecht muss man, eben weil die Strafe nicht ausbleibt, geduldig tragen. Ein Recht kann Niemand ohne Gottes Willen erwerben oder verlieren. Gott hat weder Chri- stus noch einem der Apostel ein Recht auf bürgerliche Herr- schaft gegeben.1 Der Apostel besass nicht einmal das Recht, sich die nothwendigen Lebensmittel von irgend einem Reichen zu nehmen. Wenn jetzt der Vicar Christi etwa zehn Clerikern über hundert Pfründen verleiht, so gibt er keinem einzigen ein Recht darauf, weil er es eben nicht geben kann.? Um daher das Recht zu kennen und im gegebenen Fall recht zu urtheilen, muss man den Willen Gottes kennen. Kein Mensch ergo non sibi principalissime et propriissime competeret donandi racio, cum sit metrum aliis donacionibus per quod illi racionem suam parti- cipant... Sicut Christus non habuit potestatem ad regnandum civiliter in Judea, sic nec apostolus habuit potestatem ad exigendum vite necessaria ab avaris, cum de iure primo limitatum fuit oppositum. Unde sicut Chri- stus debuit de iure didragma solvere, eciam ne regnet civiliter, sic apo- stolus et ceteri spiritu Dei ducti de iure debent supererogacionis opus consultum perficere. Et patet, quod vicarius Christi providens decem clericis super centum beneficiis ad collacionem Petri spectantibus non confert unieuique ius ad quodlibet eorum.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 81 kann richten, ohne seine Rechte zu kennen.1 Gottes Wille ist nicht unverborgen: er liegt in seinem Gesetze vor. Sein Wille ist das ungeschaffene Gesetz; unter diesem stehen alle die weltlichen Rechte, wie sie heissen mögen: das römische, athe- nische, englische u. s. w. Eine andere Eintheilung ist die in das Natur- und Civilrecht. Er geht auf die Unterschiede der Gesetze im alten und neuen Bunde ein und erörtert die Vor- züge der letzteren. Der Pontifex des neuen Bundes ist Jesus Christus. Seinem Gesetze gegenüber stehen die Statuten der Menschen. Sie haben nur dann einen Werth, wenn sie. die Mittel bieten, durch die das Gesetz Christi erfüllt werden kann. Jedes andere Gesetz gilt nicht. Denn Gott kann keine Gewalt eingesetzt haben, damit Gesetze gegeben werden, die mit seinen im Widerspruch stehen. Solche gibt es aber heutzutage in der Kirche, wie die Gesetze, nach welchen die Geistlichkeit welt- liches Gut erpresst, was ganz gegen das Beispiel der ersten Kirche ist. Augustinus hat sich gegen so viele Traditionen in der Kirche ausgesprochen: was würde er wohl heute zu den Kirchengesetzen sagen, zu den Extravaganten, zu den Ge- setzen über die primi fructus und die Reservationen? Solche Traditionen belasten Gottes Gesetz. In den folgenden Capiteln kommt er auf die zehn Gebote selbst. Bei ihrer Auslegung geht er auf die subtilsten Dinge ein und behandelt doch andererseits wieder ganz gewöhnliche Vor- kommnisse. So erklärt er, dass der Cleriker beim Gebet in der Kirche jede Silbe scharf betone, Mitte und Ende eines Verses durch eine ausreichende Ruhepause heraushebe und das volle Ende des Spruches abwarte, mit dem der andere Cleriker sich an ihn wendet. Denn wenn wir zusammen schreien wie die Hunde in einem Sack, wenn wir, dieweil wir im Chore sitzen, unseren Geist auf dem Markt haben, unsere Stimme bei der Hymne, unser Sinnen bei Schmaus und Tanz, ja da sind wir in schlechter Vorbereitung, Gott um etwas zu bitten. Wir sammeln nicht, wie wir sollen, die Herzen der Laien für ihn, sondern zerstreuen sie, als ob wir seine Gegner 1 Et patet quod omnis homo sit necessitatus ad iudicandum se ipsum... cognoscere ista iura, potissime cum sine illorum noticia nemo potest recte civiliter iudicare . .. iudicium ad dampnacionem eternam aufugere.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 81 kann richten, ohne seine Rechte zu kennen.1 Gottes Wille ist nicht unverborgen: er liegt in seinem Gesetze vor. Sein Wille ist das ungeschaffene Gesetz; unter diesem stehen alle die weltlichen Rechte, wie sie heissen mögen: das römische, athe- nische, englische u. s. w. Eine andere Eintheilung ist die in das Natur- und Civilrecht. Er geht auf die Unterschiede der Gesetze im alten und neuen Bunde ein und erörtert die Vor- züge der letzteren. Der Pontifex des neuen Bundes ist Jesus Christus. Seinem Gesetze gegenüber stehen die Statuten der Menschen. Sie haben nur dann einen Werth, wenn sie. die Mittel bieten, durch die das Gesetz Christi erfüllt werden kann. Jedes andere Gesetz gilt nicht. Denn Gott kann keine Gewalt eingesetzt haben, damit Gesetze gegeben werden, die mit seinen im Widerspruch stehen. Solche gibt es aber heutzutage in der Kirche, wie die Gesetze, nach welchen die Geistlichkeit welt- liches Gut erpresst, was ganz gegen das Beispiel der ersten Kirche ist. Augustinus hat sich gegen so viele Traditionen in der Kirche ausgesprochen: was würde er wohl heute zu den Kirchengesetzen sagen, zu den Extravaganten, zu den Ge- setzen über die primi fructus und die Reservationen? Solche Traditionen belasten Gottes Gesetz. In den folgenden Capiteln kommt er auf die zehn Gebote selbst. Bei ihrer Auslegung geht er auf die subtilsten Dinge ein und behandelt doch andererseits wieder ganz gewöhnliche Vor- kommnisse. So erklärt er, dass der Cleriker beim Gebet in der Kirche jede Silbe scharf betone, Mitte und Ende eines Verses durch eine ausreichende Ruhepause heraushebe und das volle Ende des Spruches abwarte, mit dem der andere Cleriker sich an ihn wendet. Denn wenn wir zusammen schreien wie die Hunde in einem Sack, wenn wir, dieweil wir im Chore sitzen, unseren Geist auf dem Markt haben, unsere Stimme bei der Hymne, unser Sinnen bei Schmaus und Tanz, ja da sind wir in schlechter Vorbereitung, Gott um etwas zu bitten. Wir sammeln nicht, wie wir sollen, die Herzen der Laien für ihn, sondern zerstreuen sie, als ob wir seine Gegner 1 Et patet quod omnis homo sit necessitatus ad iudicandum se ipsum... cognoscere ista iura, potissime cum sine illorum noticia nemo potest recte civiliter iudicare . .. iudicium ad dampnacionem eternam aufugere.
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82 I. Abhandlung : Loserth. wären. Selbst für solche Fragen nimmt er seine Belegstellen aus der Bibel.1 Er eifert gegen die Idioten einerseits, die wie stumm vor den Bildern sitzen, gegen die Fabulisten andererseits, die dem Volke Geschichten aus dem weltlichen Treiben zum Besten geben. Beides heisst nicht Sabbatheiligung, sondern Entweihung des Sabbats. Noch ist er weit entfernt, gegen die grossen Tempel und Palastbauten des Clerus zu eifern. Während er einige Jahre später mit Vorliebe das Motiv ver- wendet, dass Christus im Freien gebetet, führt er hier nicht weniger als sechs Gründe an, um derentwillen die Gebete in der Kirche abgehalten werden. Er findet, dass der Besuch einer Kirche den Menschen an die Wanderung durchs Leben mahnt, und in diesem Sinne lobt er die Wallfahrten zu den Grabstätten der Heiligen.? Gegen die blossen ,Lippengebete" eifert er mit aller Kraft, und als bestes, weil wirksamstes und zugleich kürzestes Gebet empfiehlt er das Vaterunser, dessen einzelne Theile er sorgsam auslegt. Von der Geistlichkeit spricht er im Allgemeinen noch mit grosser Achtung. Wahrend er einige Jahre später lehrt, die Messe eines schlechten Priesters nützt zu nichts, erklärt er hier noch: Auch dem unwürdigen Priester muss man seine Reverenz bezeugen. Während er schon 2—3 Jahre später auch von den Fürbitten für die Todten nichts wissen will, erörtert er hier die Verpflichtungen des Lebenden, den Todten im Gebete zu helfen.3 Man wird sich nicht wundern, seinem noch ungebrochenen Glauben an das Fegefeuer zu begegnen. Was die Fürbitten für die Todten betrifft, meint er allerdings schon hier: am wirksamsten hilft man den Todten durch Werke der Barmherzigkeit gegen die Lebenden. Aus der Art, wie er das fünfte Gebot behandelt, geht wohl zweifellos hervor, dass der Tractat noch vor dem Ausbruch seines Kampfes wider das Papstthum geschrieben ist. Dem Adel werden bei der Auslegung des siebenten Gebotes seine Erpressungen bei dem armen Volke scharf vorgehalten: es ist ein Diebstahl, den sie begehen. Diebstähle sind auch 8 1 Esdrae VIII° scribitur: Legerunt in libro legis Dei et distincte et appa- rate ad intelligendum, et intellexerunt. 2 Fideles autem limina sanctorum visitando considerant cum Apostolo XIII Hebre.: Non habemus hic manentem... Parentes mortui sunt iuvandi.
82 I. Abhandlung : Loserth. wären. Selbst für solche Fragen nimmt er seine Belegstellen aus der Bibel.1 Er eifert gegen die Idioten einerseits, die wie stumm vor den Bildern sitzen, gegen die Fabulisten andererseits, die dem Volke Geschichten aus dem weltlichen Treiben zum Besten geben. Beides heisst nicht Sabbatheiligung, sondern Entweihung des Sabbats. Noch ist er weit entfernt, gegen die grossen Tempel und Palastbauten des Clerus zu eifern. Während er einige Jahre später mit Vorliebe das Motiv ver- wendet, dass Christus im Freien gebetet, führt er hier nicht weniger als sechs Gründe an, um derentwillen die Gebete in der Kirche abgehalten werden. Er findet, dass der Besuch einer Kirche den Menschen an die Wanderung durchs Leben mahnt, und in diesem Sinne lobt er die Wallfahrten zu den Grabstätten der Heiligen.? Gegen die blossen ,Lippengebete" eifert er mit aller Kraft, und als bestes, weil wirksamstes und zugleich kürzestes Gebet empfiehlt er das Vaterunser, dessen einzelne Theile er sorgsam auslegt. Von der Geistlichkeit spricht er im Allgemeinen noch mit grosser Achtung. Wahrend er einige Jahre später lehrt, die Messe eines schlechten Priesters nützt zu nichts, erklärt er hier noch: Auch dem unwürdigen Priester muss man seine Reverenz bezeugen. Während er schon 2—3 Jahre später auch von den Fürbitten für die Todten nichts wissen will, erörtert er hier die Verpflichtungen des Lebenden, den Todten im Gebete zu helfen.3 Man wird sich nicht wundern, seinem noch ungebrochenen Glauben an das Fegefeuer zu begegnen. Was die Fürbitten für die Todten betrifft, meint er allerdings schon hier: am wirksamsten hilft man den Todten durch Werke der Barmherzigkeit gegen die Lebenden. Aus der Art, wie er das fünfte Gebot behandelt, geht wohl zweifellos hervor, dass der Tractat noch vor dem Ausbruch seines Kampfes wider das Papstthum geschrieben ist. Dem Adel werden bei der Auslegung des siebenten Gebotes seine Erpressungen bei dem armen Volke scharf vorgehalten: es ist ein Diebstahl, den sie begehen. Diebstähle sind auch 8 1 Esdrae VIII° scribitur: Legerunt in libro legis Dei et distincte et appa- rate ad intelligendum, et intellexerunt. 2 Fideles autem limina sanctorum visitando considerant cum Apostolo XIII Hebre.: Non habemus hic manentem... Parentes mortui sunt iuvandi.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 83 die Plünderungen, die der Clerus, gestützt auf seinen Schein der Heiligkeit und Gerechtigkeit, vornimmt. Und an diesem Diebstahl nehmen alle Priester, die obersten bis zum untersten, theil. So nimmt der Papst mit dem Recht, ein geistliches Beneficium zu ertheilen, die Erträgnisse des ersten Jahres in Anspruch, und dies noch neben den jährlichen Lasten, welche die Curie der Kirche auflegt. Und doch darf der Papst keine weltliche Herrschaft beanspruchen. Nichtsdestoweniger thut er dies. Unter solchen Umständen hat der Rath des Königs die Pflicht, dagegen einzuschreiten.1 In weltlichen Dingen steht der König höher als der Papst. Das Einsammeln der Erträgnisse des ersten Jahres von den geistlichen Gütern im Lande ist Simonie, ebenso die Erpressung von Ablassgeldern, denn die geistlichen Arzneien sollen anders nicht als ohne Entgeld verabreicht werden. Sind aber die Sünder mit Ge- walt zum Guten zu zwingen, so hat das die Laienhand zu verrichten. Die Polemik gegen die Zustände in der Kirche ist in dem ganzen Buche noch eine massvolle; sie ändert sich nicht in dem folgenden Buche ,Vom Stande der Unschuld', das einen Nachtrag zur Lehre von den zehn Geboten enthält. 8. Das erste Buch von der bürgerlichen Herrschaft. Hätte Wiclif seine Lehren und Schriften in jenem Geleise gehalten, in dem die ersten Bände seines Lehrgebäudes der Theologie sich bewegen, die Hierarchie hätte kaum jemals einen Anlass gefunden, wider ihn aufzutreten. Nun begann er aber, zunächst noch im Anschluss an Fitz Ralph, jene Grund- sätze, wie sie soeben noch in den Verhandlungen des guten Parlaments lebhaft verfochten und wohl auch bestritten worden waren, von seinem Lehrstuhl herab zu vertheidigen und legte sie schliesslich in seinem Buche ,Von der bürgerlichen Herr- schaft‘ nieder. Hier finden sich formlich als Niederschlag jener Ideen, von denen das gute Parlament beherrscht war: Lehr- sätze und Behauptungen, die der Kirche jede weltliche Herr� 1 Procurator autem pape rectificaret suam curam(?) coram regis consilio, qui debet velle efficaciter tales extorsiones dirimere ... 6*
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 83 die Plünderungen, die der Clerus, gestützt auf seinen Schein der Heiligkeit und Gerechtigkeit, vornimmt. Und an diesem Diebstahl nehmen alle Priester, die obersten bis zum untersten, theil. So nimmt der Papst mit dem Recht, ein geistliches Beneficium zu ertheilen, die Erträgnisse des ersten Jahres in Anspruch, und dies noch neben den jährlichen Lasten, welche die Curie der Kirche auflegt. Und doch darf der Papst keine weltliche Herrschaft beanspruchen. Nichtsdestoweniger thut er dies. Unter solchen Umständen hat der Rath des Königs die Pflicht, dagegen einzuschreiten.1 In weltlichen Dingen steht der König höher als der Papst. Das Einsammeln der Erträgnisse des ersten Jahres von den geistlichen Gütern im Lande ist Simonie, ebenso die Erpressung von Ablassgeldern, denn die geistlichen Arzneien sollen anders nicht als ohne Entgeld verabreicht werden. Sind aber die Sünder mit Ge- walt zum Guten zu zwingen, so hat das die Laienhand zu verrichten. Die Polemik gegen die Zustände in der Kirche ist in dem ganzen Buche noch eine massvolle; sie ändert sich nicht in dem folgenden Buche ,Vom Stande der Unschuld', das einen Nachtrag zur Lehre von den zehn Geboten enthält. 8. Das erste Buch von der bürgerlichen Herrschaft. Hätte Wiclif seine Lehren und Schriften in jenem Geleise gehalten, in dem die ersten Bände seines Lehrgebäudes der Theologie sich bewegen, die Hierarchie hätte kaum jemals einen Anlass gefunden, wider ihn aufzutreten. Nun begann er aber, zunächst noch im Anschluss an Fitz Ralph, jene Grund- sätze, wie sie soeben noch in den Verhandlungen des guten Parlaments lebhaft verfochten und wohl auch bestritten worden waren, von seinem Lehrstuhl herab zu vertheidigen und legte sie schliesslich in seinem Buche ,Von der bürgerlichen Herr- schaft‘ nieder. Hier finden sich formlich als Niederschlag jener Ideen, von denen das gute Parlament beherrscht war: Lehr- sätze und Behauptungen, die der Kirche jede weltliche Herr� 1 Procurator autem pape rectificaret suam curam(?) coram regis consilio, qui debet velle efficaciter tales extorsiones dirimere ... 6*
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84 I. Abhandlung : Loserth. schaft durchaus absprechen. Manche Sätze scheinen geradezu der langen Bill des guten Parlaments entnommen zu sein. So wenn er über die Bedrückung der englischen Kirche durch die Curie, die früher ungewohnten Provisionen, Exemptionen, Geldforderungen und frivolen Appellationen klagt oder über die Besetzung englischer Bisthümer mit unfähigen Leuten oder solchen, die ihr Hirtenamt gar nicht ausfüllen wollen. Ja, sagt er, wenn heute ein Bischof in England es wagen würde, sich einem derartigen Befehl des Papstes zu widersetzen, dann wird er excommuniciert und abgesetzt.1 Wie jene Verhandlungen, so machte auch dieses Buch grossen Eindruck, und dies trotz der schwerfalligen Form, in der es auftritt. Zwar zeigt es nicht die Regellosigkeit — um nicht gerade zu sagen Zer- fahrenheit — der späteren Schriften Wiclif's, hervorgerufen durch den Drang, immer Alles sagen zu wollen, und ist dem- nach noch frei von jenen endlosen Wiederholungen der folgen- den Bände, aber das schwere scholastische Rüstzeug hängt ihm noch an und macht die Lectüre nicht eben zu einer erquick- lichen. Im zweiten und dritten Band greift er überdies nicht selten auf frühere Ausführungen zurück. Das erste Buch ent- hält vier Haupttheile: Im ersten führt er den Satz durch, dass Niemand, der in sündhaftem Zustand sich befindet, ein Amt bekleiden oder eine Herrschaft ausüben darf." Eine bürger- liche Herrschaft kann nur der Missverstand dem Schlechten zuerkennen. Weder eine Zeugenaussage noch ein Richter- spruch, weder körperlicher Besitz noch Erbschaft, Tausch oder Schenkung geben einem solchen ein Recht auf Herrschaft. Kein Mensch kann ohne Gottes Willen einem anderen geben; er kann nur mittheilen, was Gott gibt, dieser aber gibt nur dem Begnadeten. Nur dem Gerechten gebührt die Herrschaft. Wie 1 Sed nimium coartata est in Anglia per insolitas provisiones et pecuniarias exempciones et per frivolas appellaciones. Quantumcunque quidam in- habilis episcopus cum bullis papalibus fuerit presentatus, ymmo (quod plus est) papa providente curato non presentato sed disposito, ut curam pastoralis officii nunquam exerceat: si episcopus non mandatis pape in illo paruerit, excommunicatur, suspenditur et inhabilitatur... Nemo ut est in peccato mortali habet iusticiam ad donum Dei... qui- libet existens in gracia gratificante finaliter nedum habet ius sed in re habet omnia bona Dei ... quilibet existens in peccateo mortali caret iusto dominio quoad Deum, ergo et simpliciter iusto dominio u. s. w.
84 I. Abhandlung : Loserth. schaft durchaus absprechen. Manche Sätze scheinen geradezu der langen Bill des guten Parlaments entnommen zu sein. So wenn er über die Bedrückung der englischen Kirche durch die Curie, die früher ungewohnten Provisionen, Exemptionen, Geldforderungen und frivolen Appellationen klagt oder über die Besetzung englischer Bisthümer mit unfähigen Leuten oder solchen, die ihr Hirtenamt gar nicht ausfüllen wollen. Ja, sagt er, wenn heute ein Bischof in England es wagen würde, sich einem derartigen Befehl des Papstes zu widersetzen, dann wird er excommuniciert und abgesetzt.1 Wie jene Verhandlungen, so machte auch dieses Buch grossen Eindruck, und dies trotz der schwerfalligen Form, in der es auftritt. Zwar zeigt es nicht die Regellosigkeit — um nicht gerade zu sagen Zer- fahrenheit — der späteren Schriften Wiclif's, hervorgerufen durch den Drang, immer Alles sagen zu wollen, und ist dem- nach noch frei von jenen endlosen Wiederholungen der folgen- den Bände, aber das schwere scholastische Rüstzeug hängt ihm noch an und macht die Lectüre nicht eben zu einer erquick- lichen. Im zweiten und dritten Band greift er überdies nicht selten auf frühere Ausführungen zurück. Das erste Buch ent- hält vier Haupttheile: Im ersten führt er den Satz durch, dass Niemand, der in sündhaftem Zustand sich befindet, ein Amt bekleiden oder eine Herrschaft ausüben darf." Eine bürger- liche Herrschaft kann nur der Missverstand dem Schlechten zuerkennen. Weder eine Zeugenaussage noch ein Richter- spruch, weder körperlicher Besitz noch Erbschaft, Tausch oder Schenkung geben einem solchen ein Recht auf Herrschaft. Kein Mensch kann ohne Gottes Willen einem anderen geben; er kann nur mittheilen, was Gott gibt, dieser aber gibt nur dem Begnadeten. Nur dem Gerechten gebührt die Herrschaft. Wie 1 Sed nimium coartata est in Anglia per insolitas provisiones et pecuniarias exempciones et per frivolas appellaciones. Quantumcunque quidam in- habilis episcopus cum bullis papalibus fuerit presentatus, ymmo (quod plus est) papa providente curato non presentato sed disposito, ut curam pastoralis officii nunquam exerceat: si episcopus non mandatis pape in illo paruerit, excommunicatur, suspenditur et inhabilitatur... Nemo ut est in peccato mortali habet iusticiam ad donum Dei... qui- libet existens in gracia gratificante finaliter nedum habet ius sed in re habet omnia bona Dei ... quilibet existens in peccateo mortali caret iusto dominio quoad Deum, ergo et simpliciter iusto dominio u. s. w.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 85 steht es da um die Herrschaft der Priester? Die gewöhnliche Ansicht ist die, dass Gott diesen das Regiment über alle zu- gewiesen hat; dagegen ist zu sagen: Der Priester ist nicht Herr, sondern Diener seiner Heerde, er hat nicht den Auftrag zu herrschen, sondern zu lehren und zu predigen, er kann nicht zugleich Herr und Diener sein. Die bürgerliche Herr- schaft kann er nicht haben, die evangelische kommt jedem Christen zu, nach dieser Seite ist jeder Christ Priester und König. Für das körperliche Regiment sind weltliche Herrscher bestimmt. Ein Gregor der Grosse hat sich nicht Heiligster Vater, sondern Knecht der Knechte Gottes genannt und damit keine Lüge ersonnen, sondern Worte gesprochen, die der Sache, d. h. seinem Amte entsprachen. Beim christlichen oder evangeli- schen Regimente ist jener der Höhere, der dem Nächsten am meisten dient, und der Reichste der, welcher irdisches Gut am meisten verachtet. Die Herrschaft muss auf dem Fundament der Liebe ruhen; ihre Eigenschaften kennt man aus den Worten des heil. Paulus. Darnach kann man leicht ermessen, ob ein Herrscher ihre Bedingungen erfüllt. Der zweite Theil erörtert die Beziehungen zwischen gött- lichem und menschlichem Gesetz. Jenes reicht zur Regierung der Welt vollkommen hin. Daher braucht man neben ihm strenge genommen weder ein bürgerliches Gesetzbuch noch ein canonisches Recht. Der dritte Theil behandelt vorwiegend politische Fragen. Das Königthum sei nothwendig, um die Gesetze durchzuführen, den Staat in Ordnung zu halten und die Rebellen abzuwehren. Der König muss in Uebereinstimmung mit dem Gesetze Gottes herrschen, die Förderer dieses Gesetzes belohnen, die Feinde strafen und dem Lande den Frieden erhalten. Zu dem Zweck muss er dies Gesetz, die Bibel, kennen. Am besten wäre, es würde die Welt blos nach diesem Gesetze regiert, schlechter sei das Regiment der Könige, am schlechtesten jenes der Priester, die ihre gleissnerischen Ueberlieferungen dem Gesetze Gottes vorziehen. Die Frage, ob man einem Tyrannen ge- horchen dürfe, habe schon Christus beantwortet. Hierin sehe man, wie unpassend und habgierig sich unsere Priester gegen die weltlichen Fürsten stemmen, wenn diese zum Schutz des Reiches Collecten oder den Zehent fordern. Es ist kein Zweifel,
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 85 steht es da um die Herrschaft der Priester? Die gewöhnliche Ansicht ist die, dass Gott diesen das Regiment über alle zu- gewiesen hat; dagegen ist zu sagen: Der Priester ist nicht Herr, sondern Diener seiner Heerde, er hat nicht den Auftrag zu herrschen, sondern zu lehren und zu predigen, er kann nicht zugleich Herr und Diener sein. Die bürgerliche Herr- schaft kann er nicht haben, die evangelische kommt jedem Christen zu, nach dieser Seite ist jeder Christ Priester und König. Für das körperliche Regiment sind weltliche Herrscher bestimmt. Ein Gregor der Grosse hat sich nicht Heiligster Vater, sondern Knecht der Knechte Gottes genannt und damit keine Lüge ersonnen, sondern Worte gesprochen, die der Sache, d. h. seinem Amte entsprachen. Beim christlichen oder evangeli- schen Regimente ist jener der Höhere, der dem Nächsten am meisten dient, und der Reichste der, welcher irdisches Gut am meisten verachtet. Die Herrschaft muss auf dem Fundament der Liebe ruhen; ihre Eigenschaften kennt man aus den Worten des heil. Paulus. Darnach kann man leicht ermessen, ob ein Herrscher ihre Bedingungen erfüllt. Der zweite Theil erörtert die Beziehungen zwischen gött- lichem und menschlichem Gesetz. Jenes reicht zur Regierung der Welt vollkommen hin. Daher braucht man neben ihm strenge genommen weder ein bürgerliches Gesetzbuch noch ein canonisches Recht. Der dritte Theil behandelt vorwiegend politische Fragen. Das Königthum sei nothwendig, um die Gesetze durchzuführen, den Staat in Ordnung zu halten und die Rebellen abzuwehren. Der König muss in Uebereinstimmung mit dem Gesetze Gottes herrschen, die Förderer dieses Gesetzes belohnen, die Feinde strafen und dem Lande den Frieden erhalten. Zu dem Zweck muss er dies Gesetz, die Bibel, kennen. Am besten wäre, es würde die Welt blos nach diesem Gesetze regiert, schlechter sei das Regiment der Könige, am schlechtesten jenes der Priester, die ihre gleissnerischen Ueberlieferungen dem Gesetze Gottes vorziehen. Die Frage, ob man einem Tyrannen ge- horchen dürfe, habe schon Christus beantwortet. Hierin sehe man, wie unpassend und habgierig sich unsere Priester gegen die weltlichen Fürsten stemmen, wenn diese zum Schutz des Reiches Collecten oder den Zehent fordern. Es ist kein Zweifel,
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86 I. Abhandlung: Loserth. dass sie zur Vertheidigung des Vaterlandes mitverpflichtet sind, und zwar müssen sie, da sie zu den sonstigen Lasten des Landes weniger herangezogen werden, mit ihren weltlichen Gütern in erster Linie einstehen. Wie man sieht, eignet sich Wiclif Motive an, die bei verschiedenen Berathungen im Parla- mente vorgebracht worden waren. Die Priester, fügt er hinzu, müssten auch schon deswegen mehr beitragen, weil sie nach der Bibel sich mit Wenigem zufriedenstellen und um ausserer Güter willen keinen Lärm erheben sollen. „Wir dürfen gegen die Laien, wenn diese ihre politischen Rechte ausüben, nicht murren. Bei unserem Clerus aber entspricht der Schmerz über den Verlust irdischen Gutes der Liebe zu diesem. Ihr Kampf gegen die Besteuerung beweist nur ihre Verweltlichung." Principieller Anhänger eines Tyrannen möchte aber Wiclif nicht sein wollen. Könnte man eine solche Macht dadurch stürzen, dass man ihr die finan- ziellen Mittel entziehe, so möchte er dazu rathen. Nachdem er noch über Erb- und Wahlmonarchie und über die Knecht- schaft gesprochen, zieht er im vierten Theile die Schlüsse aus den bisherigen Sätzen. Sie gelten zum grösseren Theile der Secularisierung des englischen Kirchengutes. Da man im Parla- ment zweifellos den Umstand scharf betont hatte, dass das der Kirche gegebene Gut ihr auf immer gegeben sei, so geht Wiclif auf diese Frage ein: Schenkungen für ewige Zeiten gibt es nicht; alle hierüber bestehenden Privilegien sind ungiltig. Die Frage der Einziehung des Kirchengutes wird breit erörtert, und der Zusammenhang mit den im Parlament gefallenen Aeusserun- gen tritt mehrfach zu Tage. Heute, klagt er, achten wir mehr auf Privilegien und Bullen als auf die guten Werke ihres Be- sitzers, und doch wissen wir, wie unmöglich es ist, dass der Papst durch die blosse Kraft dieser Bullen Jemanden zu seinem Amte befahige oder unfahig mache. Die Geistlichkeit kann mit ihrem Gute Missbrauch treiben, dann sind die weltlichen Herren verpflichtet, es ihnen wegzunehmen.1 Wenn der Besitz weltlichen Gutes den Clerus an der Erfüllung seiner Pflichten hindert, dann muss er ihm genommen werden. Ob 1 Magnum iuvamen foret ecclesiastico divitiarum ablatio, posito quod retardarent eum ab officio debito Deo suo ...
86 I. Abhandlung: Loserth. dass sie zur Vertheidigung des Vaterlandes mitverpflichtet sind, und zwar müssen sie, da sie zu den sonstigen Lasten des Landes weniger herangezogen werden, mit ihren weltlichen Gütern in erster Linie einstehen. Wie man sieht, eignet sich Wiclif Motive an, die bei verschiedenen Berathungen im Parla- mente vorgebracht worden waren. Die Priester, fügt er hinzu, müssten auch schon deswegen mehr beitragen, weil sie nach der Bibel sich mit Wenigem zufriedenstellen und um ausserer Güter willen keinen Lärm erheben sollen. „Wir dürfen gegen die Laien, wenn diese ihre politischen Rechte ausüben, nicht murren. Bei unserem Clerus aber entspricht der Schmerz über den Verlust irdischen Gutes der Liebe zu diesem. Ihr Kampf gegen die Besteuerung beweist nur ihre Verweltlichung." Principieller Anhänger eines Tyrannen möchte aber Wiclif nicht sein wollen. Könnte man eine solche Macht dadurch stürzen, dass man ihr die finan- ziellen Mittel entziehe, so möchte er dazu rathen. Nachdem er noch über Erb- und Wahlmonarchie und über die Knecht- schaft gesprochen, zieht er im vierten Theile die Schlüsse aus den bisherigen Sätzen. Sie gelten zum grösseren Theile der Secularisierung des englischen Kirchengutes. Da man im Parla- ment zweifellos den Umstand scharf betont hatte, dass das der Kirche gegebene Gut ihr auf immer gegeben sei, so geht Wiclif auf diese Frage ein: Schenkungen für ewige Zeiten gibt es nicht; alle hierüber bestehenden Privilegien sind ungiltig. Die Frage der Einziehung des Kirchengutes wird breit erörtert, und der Zusammenhang mit den im Parlament gefallenen Aeusserun- gen tritt mehrfach zu Tage. Heute, klagt er, achten wir mehr auf Privilegien und Bullen als auf die guten Werke ihres Be- sitzers, und doch wissen wir, wie unmöglich es ist, dass der Papst durch die blosse Kraft dieser Bullen Jemanden zu seinem Amte befahige oder unfahig mache. Die Geistlichkeit kann mit ihrem Gute Missbrauch treiben, dann sind die weltlichen Herren verpflichtet, es ihnen wegzunehmen.1 Wenn der Besitz weltlichen Gutes den Clerus an der Erfüllung seiner Pflichten hindert, dann muss er ihm genommen werden. Ob 1 Magnum iuvamen foret ecclesiastico divitiarum ablatio, posito quod retardarent eum ab officio debito Deo suo ...
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 87 aber die Kirche heute in dieser Lage ist, das zu beurtheilen ist nicht meine Sache, sondern der Politiker, denen die Sorge für den guten Stand des Reiches am Herzen liegen muss: Ich, fugt er hinzu, spreche diese Wahrheiten nur bedingungs- weise aus und stelle sie als ausführbar hin, überlasse aber die Prüfung darüber den weltlichen Herren.1 Gott billigt den Besitz weltlicher Güter durch die Kirche nur dann, wenn sie ein Mittel sind, das zur Beobachtung seines Gesetzes anleitet, tritt aber das Gegentheil ein, so fehlt die göttliche Anerkennung und darnach das Recht auf den Besitz. Das darf man keinesfalls in Zweifel ziehen, denn der Ungerechte besitzt unrechtmässig, was er besitzt. Der Grund, weshalb die weltlichen Herren die Kirche dotiert haben, war die Ausbreitung der christlichen Religion: fallt dieser Grund hinweg, so muss auch die Dotation selbst fallen. Auf den Besitztitel einer derartigen Schenkung darf sich daher ein Cleriker, der wider Christi Gesetz lebt, am wenigsten stützen, und da es nur ge- recht ist, ihn seines Besitzes zu entkleiden, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass Gott weltlichen Herren den Auftrag er- theilt, diese Gerechtigkeit zu erfüllen. Der König ist daher bei Strafe ewiger Verdammung verpflichtet, dem Clerus, der infolge seines weltlichen Besitzes in Lastern ver- härtet ist, diesen zu entziehen; thut er dies nicht, dann übt er an Gott Verrath, arbeitet für den Satan und ist ein Feind seines eigenen Reiches. Man sagt nun freilich: der König, der in solcher Art vorgehen würde, verfiele dem Bann, da er an der Zerrüttung der Kirche arbeite, für deren Erhaltung heilige Märtyrer, wie St. Thomas von Canterbury, ihr Leben gelassen. Darauf ist zu erwidern: Kein Mensch kann excommuniciert werden, es sei denn, er excommuniciere sich selbst, d. h. er verliere Gottes Gnade. Die Excommunication ist überhaupt ein Wort, das die Bibel nicht kennt. Der Temporalien wegen darf über- haupt Niemand gebannt werden. Wenn man weder aus dem alten noch dem neuen Bunde zu erweisen vermöge, dass jemals ein Mensch des Geldes wegen gebannt worden sei, woher kommt uns dies Recht zu? Besteht die Erbauung der Kirche 1 De dominio civili S. 269.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 87 aber die Kirche heute in dieser Lage ist, das zu beurtheilen ist nicht meine Sache, sondern der Politiker, denen die Sorge für den guten Stand des Reiches am Herzen liegen muss: Ich, fugt er hinzu, spreche diese Wahrheiten nur bedingungs- weise aus und stelle sie als ausführbar hin, überlasse aber die Prüfung darüber den weltlichen Herren.1 Gott billigt den Besitz weltlicher Güter durch die Kirche nur dann, wenn sie ein Mittel sind, das zur Beobachtung seines Gesetzes anleitet, tritt aber das Gegentheil ein, so fehlt die göttliche Anerkennung und darnach das Recht auf den Besitz. Das darf man keinesfalls in Zweifel ziehen, denn der Ungerechte besitzt unrechtmässig, was er besitzt. Der Grund, weshalb die weltlichen Herren die Kirche dotiert haben, war die Ausbreitung der christlichen Religion: fallt dieser Grund hinweg, so muss auch die Dotation selbst fallen. Auf den Besitztitel einer derartigen Schenkung darf sich daher ein Cleriker, der wider Christi Gesetz lebt, am wenigsten stützen, und da es nur ge- recht ist, ihn seines Besitzes zu entkleiden, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass Gott weltlichen Herren den Auftrag er- theilt, diese Gerechtigkeit zu erfüllen. Der König ist daher bei Strafe ewiger Verdammung verpflichtet, dem Clerus, der infolge seines weltlichen Besitzes in Lastern ver- härtet ist, diesen zu entziehen; thut er dies nicht, dann übt er an Gott Verrath, arbeitet für den Satan und ist ein Feind seines eigenen Reiches. Man sagt nun freilich: der König, der in solcher Art vorgehen würde, verfiele dem Bann, da er an der Zerrüttung der Kirche arbeite, für deren Erhaltung heilige Märtyrer, wie St. Thomas von Canterbury, ihr Leben gelassen. Darauf ist zu erwidern: Kein Mensch kann excommuniciert werden, es sei denn, er excommuniciere sich selbst, d. h. er verliere Gottes Gnade. Die Excommunication ist überhaupt ein Wort, das die Bibel nicht kennt. Der Temporalien wegen darf über- haupt Niemand gebannt werden. Wenn man weder aus dem alten noch dem neuen Bunde zu erweisen vermöge, dass jemals ein Mensch des Geldes wegen gebannt worden sei, woher kommt uns dies Recht zu? Besteht die Erbauung der Kirche 1 De dominio civili S. 269.
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88 I. Abhandlung: Loserth. etwa in der Anhäufung von Temporalien oder nicht vielmehr in der von Tugenden? Das, ruft Wiclif aus, behaupte ich kühn: Aus der Vertheidigung der Temporalien wird Niemand ein Märtyrer; dagegen ist ihre Entziehung ein treffliches Mittel, die zügellose Wuth der Priester zu dämpfen.1 Der abscheu- lichste Missbrauch ist es, den wir mit diesem ,Armengut' treiben, indem wir es benützen, um der Welt unseren ,pomphaften" Ehrgeiz zu zeigen. Wir müssen in Niedrigkeit und Aermlich- keit leben und, was von diesen Almosen übrig ist, den Armen zuwenden. Niemand darf der Kirche Englands das Recht nehmen, diese ,Armengüter‘ den Klostergeistlichen, falls sie mit ihnen Missbrauch treiben, zu entziehen, und namentlich wenn sie hiedurch von der Nachfolge Christi und der Apostel abgehalten werden. Noch einmal kommt Wiclif auf das Funda- ment aller seiner Ausführungen zurück: Nicht Gott und daher auch nicht der Mensch2 kann Jemandem eine Schenkung machen, der sich nicht im Zustand der Gnade befindet. Wenn nun der Laie sieht, wie der Cleriker die Bedingung bricht, unter der allein eine Schenkung bestehen kann, und demnach in guter Absicht ihm das Gut entzieht, so ist kein Zweifel, dass er Gerechtigkeit ausübt. Man darf demnach keinesfalls wider einen solchen Laien mit Censuren und anderen Kirchen- strafen einschreiten. Und doch halte man heutzutage die Ex- communication für das beste Mittel, den Zehent hereinzubringen, eine Ansicht, die durchaus irrig sei,3 denn in Wahrheit gibt es ganz andere Mittel: ein heiligenmässiges Leben, Eifer im Predigtamt, Darreichung der Sacramente und heilsame Er- mahnungen. Wie dürfte man Jemanden des Zehents halber excommunicieren! Wer das thäte, überschritte seine Befugnisse. Freilich könnte man einwenden: Wenn die Kirche excommu- niciert, thut sie dies nicht ungerechter Weise. Die Kirche?! Was ist denn die Kirche? Man sieht, das grosse Buch Wiclif’s von der Kirche, das schon der Zeit angehört, die hier nicht mehr darzustellen ist, wirft seinen 1 S. 316. Oportet enim Deus prius donare omne quod creatura sua donat. Sed Deum contestor, quod nunquam audivi evidenciam racionis in oppo- situm militantis, quomodo licet ecclesiastico .. sic prosequi propter de- cimas per censuras ...
88 I. Abhandlung: Loserth. etwa in der Anhäufung von Temporalien oder nicht vielmehr in der von Tugenden? Das, ruft Wiclif aus, behaupte ich kühn: Aus der Vertheidigung der Temporalien wird Niemand ein Märtyrer; dagegen ist ihre Entziehung ein treffliches Mittel, die zügellose Wuth der Priester zu dämpfen.1 Der abscheu- lichste Missbrauch ist es, den wir mit diesem ,Armengut' treiben, indem wir es benützen, um der Welt unseren ,pomphaften" Ehrgeiz zu zeigen. Wir müssen in Niedrigkeit und Aermlich- keit leben und, was von diesen Almosen übrig ist, den Armen zuwenden. Niemand darf der Kirche Englands das Recht nehmen, diese ,Armengüter‘ den Klostergeistlichen, falls sie mit ihnen Missbrauch treiben, zu entziehen, und namentlich wenn sie hiedurch von der Nachfolge Christi und der Apostel abgehalten werden. Noch einmal kommt Wiclif auf das Funda- ment aller seiner Ausführungen zurück: Nicht Gott und daher auch nicht der Mensch2 kann Jemandem eine Schenkung machen, der sich nicht im Zustand der Gnade befindet. Wenn nun der Laie sieht, wie der Cleriker die Bedingung bricht, unter der allein eine Schenkung bestehen kann, und demnach in guter Absicht ihm das Gut entzieht, so ist kein Zweifel, dass er Gerechtigkeit ausübt. Man darf demnach keinesfalls wider einen solchen Laien mit Censuren und anderen Kirchen- strafen einschreiten. Und doch halte man heutzutage die Ex- communication für das beste Mittel, den Zehent hereinzubringen, eine Ansicht, die durchaus irrig sei,3 denn in Wahrheit gibt es ganz andere Mittel: ein heiligenmässiges Leben, Eifer im Predigtamt, Darreichung der Sacramente und heilsame Er- mahnungen. Wie dürfte man Jemanden des Zehents halber excommunicieren! Wer das thäte, überschritte seine Befugnisse. Freilich könnte man einwenden: Wenn die Kirche excommu- niciert, thut sie dies nicht ungerechter Weise. Die Kirche?! Was ist denn die Kirche? Man sieht, das grosse Buch Wiclif’s von der Kirche, das schon der Zeit angehört, die hier nicht mehr darzustellen ist, wirft seinen 1 S. 316. Oportet enim Deus prius donare omne quod creatura sua donat. Sed Deum contestor, quod nunquam audivi evidenciam racionis in oppo- situm militantis, quomodo licet ecclesiastico .. sic prosequi propter de- cimas per censuras ...
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 89 Schatten voraus. In der That hat er, was er in der nächsten Zeit hierüber in behaglicher Breite gesagt hat, schon im 43. Capitel seines Buches von der bürgerlichen Herrschaft angedeutet: Die Gesammtheit Aller, die zur Seligkeit vorherbestimmt sind, sie bilden die Kirche, nicht jene Hierarchie, die sich dafür ausgibt.1 Eben mit jener Hierarchie gerieth Wiclif jetzt in einen schweren Kampf. 9. Die achtzehn Thesen Wiclif’s und die Versammlung in St. Paul. Das gute Parlament war kaum entlassen, als Lancaster seinen alten Einfluss wieder erhielt. Der König, so wird er- zählt, sei wegen der Plünderung des Klosters Evesham durch Leute des Grafen von Warwick aufs Höchste erbittert gewesen. Diese erhoben sich Anfangs Juli 1376, zogen den kirchlichen Censuren zum Trotz gegen das Kloster, erbrachen und ver- brannten die Zellen der Mönche und verübten mancherlei Grausamkeiten.2 Sie hätten das Kloster zerstört, hätte der König nicht selbst eingegriffen. Diese Ausschreitungen sollen ihn bewogen haben, seine Räthe zu entlassen und sich wieder an Lancaster zu halten. In Wirklichkeit bewog ihn die Sehn- sucht nach Alice Perrers zu einer Aenderung in der inneren Politik, denn Lancaster begünstigte ihre Zurückkunft. Die Lords und Prälaten, die den Rath des Königs gebildet hatten, ,wurden nach Hause geschickt: der König bedürfe ihrer nicht mehr‘. Die Beschlüsse des letzten Parlaments, erklärte Lan- caster, seien ungiltig, denn das sei in Wahrheit kein Parlament gewesen. So zerstörte ,die Zügellosigkeit eines Einzigen die Hoffnungen Aller, und der allgemeine Unwille machte sich in heftigen Verwünschungen Luft." �Wie eine Ceder des Libanon stand die Maitresse da und überhob sich umsomehr, je eifriger das Volk ihren Sturz begehrt hatte." Der Erzbischof und seine Suffragane, denen die Aufrechthaltung der Beschlüsse 2 1 Pro solucione huius materie necesse est supponere unam veritatem me- taphysicam ... quod ecclesia catholica . .. sit universitas praedestina- torum ... De dominio civili I, 358. Walsingham I, 322. 3 Chron. Angliae 103.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 89 Schatten voraus. In der That hat er, was er in der nächsten Zeit hierüber in behaglicher Breite gesagt hat, schon im 43. Capitel seines Buches von der bürgerlichen Herrschaft angedeutet: Die Gesammtheit Aller, die zur Seligkeit vorherbestimmt sind, sie bilden die Kirche, nicht jene Hierarchie, die sich dafür ausgibt.1 Eben mit jener Hierarchie gerieth Wiclif jetzt in einen schweren Kampf. 9. Die achtzehn Thesen Wiclif’s und die Versammlung in St. Paul. Das gute Parlament war kaum entlassen, als Lancaster seinen alten Einfluss wieder erhielt. Der König, so wird er- zählt, sei wegen der Plünderung des Klosters Evesham durch Leute des Grafen von Warwick aufs Höchste erbittert gewesen. Diese erhoben sich Anfangs Juli 1376, zogen den kirchlichen Censuren zum Trotz gegen das Kloster, erbrachen und ver- brannten die Zellen der Mönche und verübten mancherlei Grausamkeiten.2 Sie hätten das Kloster zerstört, hätte der König nicht selbst eingegriffen. Diese Ausschreitungen sollen ihn bewogen haben, seine Räthe zu entlassen und sich wieder an Lancaster zu halten. In Wirklichkeit bewog ihn die Sehn- sucht nach Alice Perrers zu einer Aenderung in der inneren Politik, denn Lancaster begünstigte ihre Zurückkunft. Die Lords und Prälaten, die den Rath des Königs gebildet hatten, ,wurden nach Hause geschickt: der König bedürfe ihrer nicht mehr‘. Die Beschlüsse des letzten Parlaments, erklärte Lan- caster, seien ungiltig, denn das sei in Wahrheit kein Parlament gewesen. So zerstörte ,die Zügellosigkeit eines Einzigen die Hoffnungen Aller, und der allgemeine Unwille machte sich in heftigen Verwünschungen Luft." �Wie eine Ceder des Libanon stand die Maitresse da und überhob sich umsomehr, je eifriger das Volk ihren Sturz begehrt hatte." Der Erzbischof und seine Suffragane, denen die Aufrechthaltung der Beschlüsse 2 1 Pro solucione huius materie necesse est supponere unam veritatem me- taphysicam ... quod ecclesia catholica . .. sit universitas praedestina- torum ... De dominio civili I, 358. Walsingham I, 322. 3 Chron. Angliae 103.
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90 I. Abhandlung: Loserth. des guten Parlamentes anvertraut war, glichen ,stummen Hunden, die nicht zu bellen vermögen‘. Lord Latimer’s und Richard Stury’s Sorge war es, an den Gegnern Rache zu nehmen. Peter de la Mare wurde vor den Hof geladen und, ohne dass dem Rechte sein Lauf gelassen worden wäre, alsbald nach Nottingham ins Gefängniss geschickt. Man erzählte sich, es sei auf seinen Tod abgesehen gewesen. Percy habe verhindert, dass er nicht im nächsten Walde enthauptet wurde. William Wykeham, der Bischof von Winchester, verlor das Kanzleramt und, weil er dieses schlecht verwaltet habe, auch seine Temporalien und wurde aus der Nähe des Königs verbannt. Am 27. Jänner 1377 trat das neue Parlament zusammen. Es stand ganz unter dem Einflusse Lancaster's. Die Ritter aus den Grafschaften hatte er selbst gewählt; keiner von denen, die im guten Parlament mit den Gemeinen gestimmt hatten, sollte erscheinen, nur zwölf Gegner Lancaster's kamen wieder, weil die Grafschaften erklärten, keinen Anderen wählen zu wollen. Ein Günstling Lancaster's, Thomas Hungerford, wurde Sprecher: ,Er besass keinen anderen Wunsch und Willen, als das zur Sprache kommen zu lassen, was seinem Herrn gefiel." Seine eigenen Anhänger liess Lancaster genau überwachen. Als einer und der andere aus der Opposition zu Gunsten des alten Sprechers das Wort ergriff, wurden sie mit dem Tode bedroht. Die Stelle des alten, kranken Königs nahm dessen Enkel Richard II. ein. Der Bischof Adam Houghton von St. Davids eröffnete als Kanzler die Versammlung mit einer Ansprache, die in starken neuen Forderungen ausklang: Jede über 14 Jahre alte Person sollte 4 Pfennige Kopfsteuer zahlen und von der Zahlung nur Bettler und Bettelorden ausgeschlossen sein. Die weltliche Geistlichkeit wurde zu 12, die im Kloster lebende zu 4 Pfennigen taxiert. Die Beschlüsse des guten Parlaments wurden nun auch förmlich aufgehoben und die von jenem Parlament entfernten Personen wieder eingesetzt. Als die Geist- lichkeit sich um die Zurückberufung Wykeham’s abmühte, er- reichte sie mit Mühe so viel, dass er der für den 3. Februar einberufenen Versammlung beiwohnen durfte. Die Lage des Clerus war keine erfreuliche. Eben jetzt giengen die schwersten Angriffe auf ihn nieder — von einer Seite, von der er sich's kaum versehen hatte.
90 I. Abhandlung: Loserth. des guten Parlamentes anvertraut war, glichen ,stummen Hunden, die nicht zu bellen vermögen‘. Lord Latimer’s und Richard Stury’s Sorge war es, an den Gegnern Rache zu nehmen. Peter de la Mare wurde vor den Hof geladen und, ohne dass dem Rechte sein Lauf gelassen worden wäre, alsbald nach Nottingham ins Gefängniss geschickt. Man erzählte sich, es sei auf seinen Tod abgesehen gewesen. Percy habe verhindert, dass er nicht im nächsten Walde enthauptet wurde. William Wykeham, der Bischof von Winchester, verlor das Kanzleramt und, weil er dieses schlecht verwaltet habe, auch seine Temporalien und wurde aus der Nähe des Königs verbannt. Am 27. Jänner 1377 trat das neue Parlament zusammen. Es stand ganz unter dem Einflusse Lancaster's. Die Ritter aus den Grafschaften hatte er selbst gewählt; keiner von denen, die im guten Parlament mit den Gemeinen gestimmt hatten, sollte erscheinen, nur zwölf Gegner Lancaster's kamen wieder, weil die Grafschaften erklärten, keinen Anderen wählen zu wollen. Ein Günstling Lancaster's, Thomas Hungerford, wurde Sprecher: ,Er besass keinen anderen Wunsch und Willen, als das zur Sprache kommen zu lassen, was seinem Herrn gefiel." Seine eigenen Anhänger liess Lancaster genau überwachen. Als einer und der andere aus der Opposition zu Gunsten des alten Sprechers das Wort ergriff, wurden sie mit dem Tode bedroht. Die Stelle des alten, kranken Königs nahm dessen Enkel Richard II. ein. Der Bischof Adam Houghton von St. Davids eröffnete als Kanzler die Versammlung mit einer Ansprache, die in starken neuen Forderungen ausklang: Jede über 14 Jahre alte Person sollte 4 Pfennige Kopfsteuer zahlen und von der Zahlung nur Bettler und Bettelorden ausgeschlossen sein. Die weltliche Geistlichkeit wurde zu 12, die im Kloster lebende zu 4 Pfennigen taxiert. Die Beschlüsse des guten Parlaments wurden nun auch förmlich aufgehoben und die von jenem Parlament entfernten Personen wieder eingesetzt. Als die Geist- lichkeit sich um die Zurückberufung Wykeham’s abmühte, er- reichte sie mit Mühe so viel, dass er der für den 3. Februar einberufenen Versammlung beiwohnen durfte. Die Lage des Clerus war keine erfreuliche. Eben jetzt giengen die schwersten Angriffe auf ihn nieder — von einer Seite, von der er sich's kaum versehen hatte.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 91 Erst in diesen Tagen tritt Wiclif bedeutender auf. Wer den zeitgenössischen Quellen nachgeht, wird finden, dass sie erst von dieser Zeit an von ihm Notiz nehmen.1 In den Anfang des Jahres 1377 verlegen sie Wiclif's Auftreten in kirchenpolitischen Fragen. Er ist es nun, der Lancaster in dessen Kampf gegen Wykeham die Feder geliehen. Erst jetzt genügt ihm sein stilles Studierzimmer, seine Lehrkanzel nicht mehr, um von hier aus seine Sätze zu verkünden. Sie werden in allgemein verständlicher Form in die Menge ge- worfen und die Kirchen von London zum Schauplatz dieser Kämpfe erkoren. Man wird bemerken, dass schon in den letzten Capiteln seines Buches vom bürgerlichen Regiment einige scharf markierte Sätze stehen. Sie ragen wie Wegweiser in einer unübersehbaren Ebene auf. Eben diese Sätze sind es, die er als die Hauptpunkte herausgehoben und zweifellos in populärer Form einzeln von der Katheder und der Kanzel herab vorgetragen hat. Das sind seine achtzehn Thesen.? Sie richten trotz alledem, was zuletzt darüber gesagt wurde," ihre Spitze ins- gesammt gegen das herrschende Kirchenregiment. Die ersten 1 Das wichtigste Zeugniss, dass Wiclif jetzt erst als ,Reformator‘ auftritt, gibt uns die Curie selbst, indem sie in den nach England abgehenden Schriftstücken, die Wiclif’s Sätze verdammen, im Frühlinge 1377 aus- drücklich bemerkt, sie habe es für ihre heiligste Pflicht angesehen, den Anfängen einer so verderblichen Krankheit entgegenzu- treten: Quare cum tam letiferam pestem, cui, si eius non obstatur principiis et ipsa radicitus evellatur, sero posset medicina parari. Thomas Walsingham fügt da, wo von der Abfassung der Sta- tuten des guten Parlaments gesprochen wird, die Worte an: Per idem tempus surrexit in universitate Oxoniensi (er machte sich demnach zuerst in Oxford, nicht im Parlament von 1365/66 bemerkbar) quidam borealis. Ebenso im Ypodigma Neustriae und so auch im Appendix zu Higdon’s Polychronicon: Circa idem tempus surrexit in uni- versitate Oxoniensi quidam magister Johannes Wiclif. Das einzige Chro- nicon Angliae sagt: qui iam a multis annis in scholis in singulis actis suis contra ecclesiam latraverat. Auch diese Notiz sagt schliesslich doch, dass seine bisherige Opposition auf die Katheder beschränkt war, und zweitens, dass sie sich auf vereinzelte Acte bezog. Gedruckt in ihrer ursprünglichen Fassung mit den sonstigen Erläu- terungen über das bürgerliche Regiment in ,De dominio civili‘ I, 251 ff. Lechler I, 378.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 91 Erst in diesen Tagen tritt Wiclif bedeutender auf. Wer den zeitgenössischen Quellen nachgeht, wird finden, dass sie erst von dieser Zeit an von ihm Notiz nehmen.1 In den Anfang des Jahres 1377 verlegen sie Wiclif's Auftreten in kirchenpolitischen Fragen. Er ist es nun, der Lancaster in dessen Kampf gegen Wykeham die Feder geliehen. Erst jetzt genügt ihm sein stilles Studierzimmer, seine Lehrkanzel nicht mehr, um von hier aus seine Sätze zu verkünden. Sie werden in allgemein verständlicher Form in die Menge ge- worfen und die Kirchen von London zum Schauplatz dieser Kämpfe erkoren. Man wird bemerken, dass schon in den letzten Capiteln seines Buches vom bürgerlichen Regiment einige scharf markierte Sätze stehen. Sie ragen wie Wegweiser in einer unübersehbaren Ebene auf. Eben diese Sätze sind es, die er als die Hauptpunkte herausgehoben und zweifellos in populärer Form einzeln von der Katheder und der Kanzel herab vorgetragen hat. Das sind seine achtzehn Thesen.? Sie richten trotz alledem, was zuletzt darüber gesagt wurde," ihre Spitze ins- gesammt gegen das herrschende Kirchenregiment. Die ersten 1 Das wichtigste Zeugniss, dass Wiclif jetzt erst als ,Reformator‘ auftritt, gibt uns die Curie selbst, indem sie in den nach England abgehenden Schriftstücken, die Wiclif’s Sätze verdammen, im Frühlinge 1377 aus- drücklich bemerkt, sie habe es für ihre heiligste Pflicht angesehen, den Anfängen einer so verderblichen Krankheit entgegenzu- treten: Quare cum tam letiferam pestem, cui, si eius non obstatur principiis et ipsa radicitus evellatur, sero posset medicina parari. Thomas Walsingham fügt da, wo von der Abfassung der Sta- tuten des guten Parlaments gesprochen wird, die Worte an: Per idem tempus surrexit in universitate Oxoniensi (er machte sich demnach zuerst in Oxford, nicht im Parlament von 1365/66 bemerkbar) quidam borealis. Ebenso im Ypodigma Neustriae und so auch im Appendix zu Higdon’s Polychronicon: Circa idem tempus surrexit in uni- versitate Oxoniensi quidam magister Johannes Wiclif. Das einzige Chro- nicon Angliae sagt: qui iam a multis annis in scholis in singulis actis suis contra ecclesiam latraverat. Auch diese Notiz sagt schliesslich doch, dass seine bisherige Opposition auf die Katheder beschränkt war, und zweitens, dass sie sich auf vereinzelte Acte bezog. Gedruckt in ihrer ursprünglichen Fassung mit den sonstigen Erläu- terungen über das bürgerliche Regiment in ,De dominio civili‘ I, 251 ff. Lechler I, 378.
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92 I. Abhandlung: Loserth. fünf Sätze handeln ausschliesslich vom Eigenthums- und Erb- recht, aber, wie man nicht verkennen darf, vornehmlich im Hinblick auf den Besitzstand der todten Hand. Diese Auf- fassung haben auch schon die Zeitgenossen, vorab die Curie, gehabt. Nach diesen Sätzen ist das Eigenthums- und Erbrecht nicht ein unbedingt und schlechthin giltiges, sondern durchaus abhängig von dem Willen und der Gnade Gottes.1 Die starke Beziehung dieser Sätze auf die weltliche Herrschaft und den Besitz der Kirche sieht man aus der Erläuterung, die Wiclif einem Satze beigefügt hat. Noch deutlicher wird dies bei den folgenden Thesen, so wenn es heisst: Weltliche Herren haben das Recht, der Kirche, falls sie auf Abwege geräth, den welt- lichen Besitz zu nehmen. Die folgenden Sätze verwahren sich gegen jene Strafen, die in diesem Falle das herrschende Kirchen- regiment verfügen würde: "Niemand kann einen Menschen zu seiner Verdammniss in den Bann legen, wenn dieser sich nicht zuerst selbst bannt." �Es ist unmöglich, dass der Stellvertreter Christi kraft seiner Bullen oder auf seine oder seiner Cardinäle blosse Willensmeinung hin Jemandem die göttliche Gnade ver- leihen oder entziehen kann." „Er darf über keinen Ort anders als in Gottes Sache das Interdict aussprechen." �Der Bannfluch gilt nur dann, wenn er gegen einen Widersacher Gottes ge- richtet ist.‘ „Niemals hat Christus oder seine Apostel der Temporalien wegen den Bann ausgesprochen, noch weniger besitzen die Nachfolger Christi die Befugniss, mittelst Censuren durch den Zwang bürgerlicher Gesetze die Temporalien zu erpressen." �Es ist unmöglich, dass der Papst oder ein anderer Christ durch die blosse Prätension, die Löse- und Bindegewalt zu haben, sie auch besitzt; nur dann wird er lösen und binden können, wenn er sich mit dem Gesetz Christi in Ueberein- stimmung befindet." �Jeder Geistliche, auch der Papst nicht ausgeschlossen, darf von seinen Untergebenen, wenn es der Kirche von Nutzen ist, gestraft werden." Als wollte Wiclif allen Nachdruck auf die Secularisierung des Kirchengutes legen, kommt er noch in zwei Sätzen darauf zurück, dass der ,Kirche, die mit weltlichem Gute Missbrauch treibt, der Besitz genommen werden dürfe", oder wie es in der siebzehnten These heisst: 1 Lechler I, 378.
92 I. Abhandlung: Loserth. fünf Sätze handeln ausschliesslich vom Eigenthums- und Erb- recht, aber, wie man nicht verkennen darf, vornehmlich im Hinblick auf den Besitzstand der todten Hand. Diese Auf- fassung haben auch schon die Zeitgenossen, vorab die Curie, gehabt. Nach diesen Sätzen ist das Eigenthums- und Erbrecht nicht ein unbedingt und schlechthin giltiges, sondern durchaus abhängig von dem Willen und der Gnade Gottes.1 Die starke Beziehung dieser Sätze auf die weltliche Herrschaft und den Besitz der Kirche sieht man aus der Erläuterung, die Wiclif einem Satze beigefügt hat. Noch deutlicher wird dies bei den folgenden Thesen, so wenn es heisst: Weltliche Herren haben das Recht, der Kirche, falls sie auf Abwege geräth, den welt- lichen Besitz zu nehmen. Die folgenden Sätze verwahren sich gegen jene Strafen, die in diesem Falle das herrschende Kirchen- regiment verfügen würde: "Niemand kann einen Menschen zu seiner Verdammniss in den Bann legen, wenn dieser sich nicht zuerst selbst bannt." �Es ist unmöglich, dass der Stellvertreter Christi kraft seiner Bullen oder auf seine oder seiner Cardinäle blosse Willensmeinung hin Jemandem die göttliche Gnade ver- leihen oder entziehen kann." „Er darf über keinen Ort anders als in Gottes Sache das Interdict aussprechen." �Der Bannfluch gilt nur dann, wenn er gegen einen Widersacher Gottes ge- richtet ist.‘ „Niemals hat Christus oder seine Apostel der Temporalien wegen den Bann ausgesprochen, noch weniger besitzen die Nachfolger Christi die Befugniss, mittelst Censuren durch den Zwang bürgerlicher Gesetze die Temporalien zu erpressen." �Es ist unmöglich, dass der Papst oder ein anderer Christ durch die blosse Prätension, die Löse- und Bindegewalt zu haben, sie auch besitzt; nur dann wird er lösen und binden können, wenn er sich mit dem Gesetz Christi in Ueberein- stimmung befindet." �Jeder Geistliche, auch der Papst nicht ausgeschlossen, darf von seinen Untergebenen, wenn es der Kirche von Nutzen ist, gestraft werden." Als wollte Wiclif allen Nachdruck auf die Secularisierung des Kirchengutes legen, kommt er noch in zwei Sätzen darauf zurück, dass der ,Kirche, die mit weltlichem Gute Missbrauch treibt, der Besitz genommen werden dürfe", oder wie es in der siebzehnten These heisst: 1 Lechler I, 378.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 93 ,Sowohl weltliche Herren, als auch andere, die der Kirche Besitzungen geschenkt haben, dürfen sie ihr wieder entziehen, wenn es ihr zum Heile gereicht oder Sünden hiedurch verhütet werden, ohne dass sie irgend eine kirchliche Censur fürchten müssen, denn alle diese Schenkungen sind nur bedingungs- weise gemacht."1 Diese Thesen vertheidigte Wiclif, wohl im Herbste und Winter 1376 vor seinen Schülern in Oxford. Er sah voraus, dass er nicht unangefochten bleiben würde, hätte es aber gern gesehen, wenn der Streit auf die Katheder beschränkt geblieben wäre, bald aber, klagt er, ,pfiffen die Spatzen von allen Dächern davon', und so konnte es nicht fehlen, dass gelehrte Widersacher, geistliche und auch weltliche Würdenträger davon Kenntniss erhielten; die ersteren verflochten ihn sofort in einen lebhaften Streit, die zweiten suchten um die kirchlichen Censuren wider ihn nach, den weltlichen Machthabern aber empfahl er sich durch seine lebhaften Angriffe auf den weltlichen Besitz des Clerus.? Für Wiclif selbst war damit eine Zeit ausserordent- licher Fruchtbarkeit auf literarischem Gebiete gekommen, die erst mit seinem Tode endet. Es ist ja ganz zweifellos, dass Wiclif den Wunsch hegte, dass die einzelnen Sätze soweit als möglich in die Wirklichkeit umgesetzt würden. Die Kirche muss arm sein, wie sie es in den Tagen der Apostel gewesen, ist jetzt einer seiner Hauptsätze. Darum ist er noch ein warmer Freund der Bettel- mönche und sind sie es, die der Herzog von Lancaster be- stimmt, den kühnen Mann zu vertheidigen. Wiclif mag in den Erläuterungen, mit denen er später nothgedrungen seine Thesen versah, noch so eifrig versichern, es sei seine Absicht nicht, die weltlichen Herren zur Einziehung des Kirchengutes 1 Wenn Lechler von 19 Thesen spricht, so ist das ein Irrthum, den er Walsingham entnommen hat, es sind nur 18. Nummer 7 ist nur eine Einschränkung zu Nummer 6. Ista et plura alia isti errorum magistri publice ad fidei nostre subver- sionem asserunt et affirmant, in tantum quod domini et magnates terrae et multi de populo ipsos tamquam sanctos prophetas reputent ... quia tantam potestatem ad auferendum temporalia a viris eccle- siasticis ipsis attribuunt. Higden's Polychr. Appendix.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 93 ,Sowohl weltliche Herren, als auch andere, die der Kirche Besitzungen geschenkt haben, dürfen sie ihr wieder entziehen, wenn es ihr zum Heile gereicht oder Sünden hiedurch verhütet werden, ohne dass sie irgend eine kirchliche Censur fürchten müssen, denn alle diese Schenkungen sind nur bedingungs- weise gemacht."1 Diese Thesen vertheidigte Wiclif, wohl im Herbste und Winter 1376 vor seinen Schülern in Oxford. Er sah voraus, dass er nicht unangefochten bleiben würde, hätte es aber gern gesehen, wenn der Streit auf die Katheder beschränkt geblieben wäre, bald aber, klagt er, ,pfiffen die Spatzen von allen Dächern davon', und so konnte es nicht fehlen, dass gelehrte Widersacher, geistliche und auch weltliche Würdenträger davon Kenntniss erhielten; die ersteren verflochten ihn sofort in einen lebhaften Streit, die zweiten suchten um die kirchlichen Censuren wider ihn nach, den weltlichen Machthabern aber empfahl er sich durch seine lebhaften Angriffe auf den weltlichen Besitz des Clerus.? Für Wiclif selbst war damit eine Zeit ausserordent- licher Fruchtbarkeit auf literarischem Gebiete gekommen, die erst mit seinem Tode endet. Es ist ja ganz zweifellos, dass Wiclif den Wunsch hegte, dass die einzelnen Sätze soweit als möglich in die Wirklichkeit umgesetzt würden. Die Kirche muss arm sein, wie sie es in den Tagen der Apostel gewesen, ist jetzt einer seiner Hauptsätze. Darum ist er noch ein warmer Freund der Bettel- mönche und sind sie es, die der Herzog von Lancaster be- stimmt, den kühnen Mann zu vertheidigen. Wiclif mag in den Erläuterungen, mit denen er später nothgedrungen seine Thesen versah, noch so eifrig versichern, es sei seine Absicht nicht, die weltlichen Herren zur Einziehung des Kirchengutes 1 Wenn Lechler von 19 Thesen spricht, so ist das ein Irrthum, den er Walsingham entnommen hat, es sind nur 18. Nummer 7 ist nur eine Einschränkung zu Nummer 6. Ista et plura alia isti errorum magistri publice ad fidei nostre subver- sionem asserunt et affirmant, in tantum quod domini et magnates terrae et multi de populo ipsos tamquam sanctos prophetas reputent ... quia tantam potestatem ad auferendum temporalia a viris eccle- siasticis ipsis attribuunt. Higden's Polychr. Appendix.
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94 I. Abhandlung: Loserth. anzuspornen: die wahre Tendenz liegt doch unverhüllt da. Schon wenn er sagt: Ob aber die Kirche sich heutzutage in dem Zustande befinde, dass ihr die Temporalien entzogen werden dürfen oder nicht, das zu untersuchen komme nicht ihm zu, sondern den weltlichen Herren, gibt er ihnen einen deutlichen Fingerzeig für ihr weiteres Vorgehen. Was will man weiter sagen? Auf seine Lehren hin hat das an kirchlichen Stiftungen reichste Land, hat Böhmen in kürzester Zeit fast das gesammte Kirchengut eingezogen und einen un- geheuren Umsturz in den Besitzverhältnissen zuwege gebracht. Es ist nothwendig, zu zeigen, dass er schon jetzt — oder erst jetzt — diese Ansichten verkündet, denn sie sind es, die ihm die Anklagen bei der Curie zugezogen haben. So lehrt er jetzt: „Wenn der Besitz der Kirche — doch nur Armengut — sich in Laienhand befände, wie könnte er zweckmässiger aus- getheilt werden?" �Würden die Laien im Besitz des Bodens sein, der jetzt sozusagen eingekerkert ist, so würde er reichlichere Früchte tragen, er könnte mehr Vieh ernähren und wäre auch, was bei der Abwehr auswärtiger Feinde vor Allem in Betracht kommt, stärker bevölkert." �Eine solche Enteignung würde die Frömmigkeit des Volkes heben." �Der grosse Besitz bringt der Kirche und den Kirchen kein Heil." �Am besten wäre es, wenn man von Staatswegen jeden Cleriker mit der noth- wendigen Nahrung und Kleidung versieht." Allerdings hat Wiclif, als er die starke Wirkung dieser Thesen zu spüren bekam, ihnen einige Einschränkungen angefügt. Aber wen konnten die feinsten Haarspaltereien und Spitzfindigkeiten noch täuschen? Wenn er lehrte, es gibt keine für ewig begründete Herrschaft, so erwartet man, also gibt es auch jene Ewigkeit der Stiftungen nicht, und sie darf also nicht gelten, von der die Stiftsbriefe der stolzesten Abteien sprechen. So haben trotz der gelehrtesten Commentare die Zeitgenossen die Sache verstanden — Freunde Wiclif’s und seine Gegner. Die kirch- lichen Behörden zumal fanden, dass diese Thesen ihren zeit- lichen Besitzstand auf das Heftigste bedrohten, und das erklärt auch, dass nun die Hierarchie auf einmal gegen den bisher wenig genug beachteten Professor Stellung nahm. Klangen doch, wie die Curie nicht mit Unrecht klagte, die einzelnen Sätze an die ,verderblichen‘ Lehren eines Marsiglio von Padua und
94 I. Abhandlung: Loserth. anzuspornen: die wahre Tendenz liegt doch unverhüllt da. Schon wenn er sagt: Ob aber die Kirche sich heutzutage in dem Zustande befinde, dass ihr die Temporalien entzogen werden dürfen oder nicht, das zu untersuchen komme nicht ihm zu, sondern den weltlichen Herren, gibt er ihnen einen deutlichen Fingerzeig für ihr weiteres Vorgehen. Was will man weiter sagen? Auf seine Lehren hin hat das an kirchlichen Stiftungen reichste Land, hat Böhmen in kürzester Zeit fast das gesammte Kirchengut eingezogen und einen un- geheuren Umsturz in den Besitzverhältnissen zuwege gebracht. Es ist nothwendig, zu zeigen, dass er schon jetzt — oder erst jetzt — diese Ansichten verkündet, denn sie sind es, die ihm die Anklagen bei der Curie zugezogen haben. So lehrt er jetzt: „Wenn der Besitz der Kirche — doch nur Armengut — sich in Laienhand befände, wie könnte er zweckmässiger aus- getheilt werden?" �Würden die Laien im Besitz des Bodens sein, der jetzt sozusagen eingekerkert ist, so würde er reichlichere Früchte tragen, er könnte mehr Vieh ernähren und wäre auch, was bei der Abwehr auswärtiger Feinde vor Allem in Betracht kommt, stärker bevölkert." �Eine solche Enteignung würde die Frömmigkeit des Volkes heben." �Der grosse Besitz bringt der Kirche und den Kirchen kein Heil." �Am besten wäre es, wenn man von Staatswegen jeden Cleriker mit der noth- wendigen Nahrung und Kleidung versieht." Allerdings hat Wiclif, als er die starke Wirkung dieser Thesen zu spüren bekam, ihnen einige Einschränkungen angefügt. Aber wen konnten die feinsten Haarspaltereien und Spitzfindigkeiten noch täuschen? Wenn er lehrte, es gibt keine für ewig begründete Herrschaft, so erwartet man, also gibt es auch jene Ewigkeit der Stiftungen nicht, und sie darf also nicht gelten, von der die Stiftsbriefe der stolzesten Abteien sprechen. So haben trotz der gelehrtesten Commentare die Zeitgenossen die Sache verstanden — Freunde Wiclif’s und seine Gegner. Die kirch- lichen Behörden zumal fanden, dass diese Thesen ihren zeit- lichen Besitzstand auf das Heftigste bedrohten, und das erklärt auch, dass nun die Hierarchie auf einmal gegen den bisher wenig genug beachteten Professor Stellung nahm. Klangen doch, wie die Curie nicht mit Unrecht klagte, die einzelnen Sätze an die ,verderblichen‘ Lehren eines Marsiglio von Padua und
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 95 Johannes von Jandun an und ,schienen nicht blos in Bezug auf den Glauben gefährlich, sondern drohten das ganze Staats- wesen umzustürzen‘. Den Planen Lancaster's musste es durchaus entsprechen, eine Persönlichkeit wie Wiclif zur Seite zu haben. In London gewannen Wiclif’s Lehren überall Boden; namentlich Mit- glieder des Herrenstandes schlossen sich in grosser Zahl an ihn an; aber auch das niedere Volk hörte seine Predigten gern. Er trat in verschiedenen Kirchen Londons als gefeierter Redner auf. Ein zeitgenössischer Gegner Wiclif’s entwirft von ihm folgendes Bild aus jenen Tagen:1 Geschützt durch den Herzog von Lancaster und andere Herren, wurde er kühner und predigte über diesen verwünschten Gegenstand mit solchem Eifer, dass er nicht blos die Herren, sondern auch die Bürger von London in seinen Irrthum verstrickte. Er war aber nicht nur ein ausgezeichneter Redner, sondern auch ein verstockter Heuchler, der durchaus nur auf seinen Ruhm bedacht war. So stellte er sich, als verachte er alle Güter dieser Welt; Darum pflog er keine Gemeinschaft mit den Mitgliedern be- sitzender Orden und hielt zu den Bettelorden, deren Liebe zur Armuth er bis in die Sterne erhob.2 Ihn aber, sein Wissen und seine erprobte Rechtlichkeit konnten Lancaster und Heinrich Percy nicht genug preisen° und von ihrer Gunst getragen, scheute er sich nicht, seine hohlen Reden weithin auszubreiten und sie in allen Kirchen der Stadt zu verkünden. Das Aerger- lichste für die Geistlichkeit bestand, wie Walsingham meldet, darin, dass Wiclif die Thesen verkündete, knapp und schroff, wie er sie aufgeschrieben hatte, ohne ihnen irgendwelche Ein- schränkungen beizugeben. Ganz London war seines Rufes voll. Nur die Bischöfe wollten die längste Zeit nichts hören, und der Erzbischof lag gar ,in tiefem Schlafe‘. 1 Chronicon a monacho S. Albani, p. 116. Simulabatque se spernere temporalia tamquam instabilia et caduca pre eternorum amore. Et ideo non erat cum possessionatis eius conver- sacio, sed ut magis plebis mentes deluderet, ordinibus adhesit Mendi- cancium, eorum paupertatem approbans. Dux tamen et dominus Heinricus Percy eius sentencius collaudabant et scienciam et probitatem coelotenus extollere satagebant. Acciditque et... de ecclesia in ecclesiam percurrendo auribus insereret plurimorum in- sanias suas falsas.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 95 Johannes von Jandun an und ,schienen nicht blos in Bezug auf den Glauben gefährlich, sondern drohten das ganze Staats- wesen umzustürzen‘. Den Planen Lancaster's musste es durchaus entsprechen, eine Persönlichkeit wie Wiclif zur Seite zu haben. In London gewannen Wiclif’s Lehren überall Boden; namentlich Mit- glieder des Herrenstandes schlossen sich in grosser Zahl an ihn an; aber auch das niedere Volk hörte seine Predigten gern. Er trat in verschiedenen Kirchen Londons als gefeierter Redner auf. Ein zeitgenössischer Gegner Wiclif’s entwirft von ihm folgendes Bild aus jenen Tagen:1 Geschützt durch den Herzog von Lancaster und andere Herren, wurde er kühner und predigte über diesen verwünschten Gegenstand mit solchem Eifer, dass er nicht blos die Herren, sondern auch die Bürger von London in seinen Irrthum verstrickte. Er war aber nicht nur ein ausgezeichneter Redner, sondern auch ein verstockter Heuchler, der durchaus nur auf seinen Ruhm bedacht war. So stellte er sich, als verachte er alle Güter dieser Welt; Darum pflog er keine Gemeinschaft mit den Mitgliedern be- sitzender Orden und hielt zu den Bettelorden, deren Liebe zur Armuth er bis in die Sterne erhob.2 Ihn aber, sein Wissen und seine erprobte Rechtlichkeit konnten Lancaster und Heinrich Percy nicht genug preisen° und von ihrer Gunst getragen, scheute er sich nicht, seine hohlen Reden weithin auszubreiten und sie in allen Kirchen der Stadt zu verkünden. Das Aerger- lichste für die Geistlichkeit bestand, wie Walsingham meldet, darin, dass Wiclif die Thesen verkündete, knapp und schroff, wie er sie aufgeschrieben hatte, ohne ihnen irgendwelche Ein- schränkungen beizugeben. Ganz London war seines Rufes voll. Nur die Bischöfe wollten die längste Zeit nichts hören, und der Erzbischof lag gar ,in tiefem Schlafe‘. 1 Chronicon a monacho S. Albani, p. 116. Simulabatque se spernere temporalia tamquam instabilia et caduca pre eternorum amore. Et ideo non erat cum possessionatis eius conver- sacio, sed ut magis plebis mentes deluderet, ordinibus adhesit Mendi- cancium, eorum paupertatem approbans. Dux tamen et dominus Heinricus Percy eius sentencius collaudabant et scienciam et probitatem coelotenus extollere satagebant. Acciditque et... de ecclesia in ecclesiam percurrendo auribus insereret plurimorum in- sanias suas falsas.
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96 I. Abhandlung : Loserth. Die Ersten, die sich wider Wiclif’s Thesen erhoben, waren Mönche aus den besitzenden Orden, denen die Theorien Wiclif’s zunächst gefährlich zu werden drohten, und vereinzelte Bundes- genossen, die sie aus anderen Orden sich zugesellten.1 Die Universität Oxford und den englischen Episcopat traf der scharfe Tadel des Papstes: Jene haben ihre Pflicht nicht er- füllt, und diese werden gescholten, dass man den Einbruch des bösen Feindes in den englischen Schafstall eher in Rom als in England merke. Mit besonderem Eifer begannen Oxforder Mönche den Kampf; sie führten in die Polemik jenen gröberen Ton ein, über den sich Wiclif beschwerte.2 Aber auch die Bischöfe blieben nicht unthätig, doch hätten sie die ganze Sache lieber auf heimischer Erde entschieden. Für den 19. Februar — es war ein Donnerstag — luden sie Wiclif nach St. Paul vor, 1 An mehreren Stellen spricht Wiclif von seinen Anklägern. In seiner Vertheidigung vor den Bischöfen: Et quae per pueros reportata est sen- tencia fidei, quam dixi in scholis et alibi, ac magis, per pueros eciam usque ad Romanam curiam transportata ... Walsingham, Hist. Angl. I, 357. Genauer nennt er den Anzeiger in einer Predigt: Quidam autem canis niger mordet medio isto duplici aliorum scripta... Ist das jener Benedictiner, dessen die Einleitung zum zweiten Buch von der bürger- lichen Herrschaft gedenkt? Wiclif fährt in der Predigt fort: Correspon- denter dictus tolstanus vel sui catuli dicuntur reportasse usque ad cu- riam Romanam, sed nimis ydiotice, quia quousque nec hii nec illi in- telligunt duo verba. Dixit enim quidam doctor (Wiclif) catholice, quod quilibet existens in gracia gratificante finaliter nedum habet ius ad rem sed ius in re super omnia bona Dei. Et ibi balbucientes catuli loco istorum duorum verborum gratificante finaliter reportarunt usque ad Romanam curiam nimis ydiotice ista duo gratifice et fideliter; et sic emerunt, quod conclusio quam nescierunt construere, foret tamquam here- tica condempnata... Dass es Oxforder Einflüsse waren, dafür spricht noch die Stelle: Sed ista preconizacio mendax indicat, quod sit eius- dem scole et eiusdem secte plus sciolus, qui artem mendacii tamquam virtuosam Oxonii introduxit... Vgl. Fasc. ziz. 239. Dort ist erklärt, warum Wiclif sich zu einem Schimpfworte hinreissen liess: Voco autem istum dominum et sibi si- miles (da könnte man also wohl auch an den Bettelmönch William Wadeford denken) canem nigrum, quia sic vocavit Carmelita publice praedicando me vulpem; et ipsos canes vulpem illam usque ad exitum insequentes. Et gaudeo, quod sunt adeo concordati tamquam Herodes et Pilatus, quod omnes istae religiones privatae sunt, ut idem niger canis asserit, essencialiter idem ordo. S. auch Fasc. ziz., p. 3. Die Sache der besitzenden Orden ist demnach die Sache aller Orden.
96 I. Abhandlung : Loserth. Die Ersten, die sich wider Wiclif’s Thesen erhoben, waren Mönche aus den besitzenden Orden, denen die Theorien Wiclif’s zunächst gefährlich zu werden drohten, und vereinzelte Bundes- genossen, die sie aus anderen Orden sich zugesellten.1 Die Universität Oxford und den englischen Episcopat traf der scharfe Tadel des Papstes: Jene haben ihre Pflicht nicht er- füllt, und diese werden gescholten, dass man den Einbruch des bösen Feindes in den englischen Schafstall eher in Rom als in England merke. Mit besonderem Eifer begannen Oxforder Mönche den Kampf; sie führten in die Polemik jenen gröberen Ton ein, über den sich Wiclif beschwerte.2 Aber auch die Bischöfe blieben nicht unthätig, doch hätten sie die ganze Sache lieber auf heimischer Erde entschieden. Für den 19. Februar — es war ein Donnerstag — luden sie Wiclif nach St. Paul vor, 1 An mehreren Stellen spricht Wiclif von seinen Anklägern. In seiner Vertheidigung vor den Bischöfen: Et quae per pueros reportata est sen- tencia fidei, quam dixi in scholis et alibi, ac magis, per pueros eciam usque ad Romanam curiam transportata ... Walsingham, Hist. Angl. I, 357. Genauer nennt er den Anzeiger in einer Predigt: Quidam autem canis niger mordet medio isto duplici aliorum scripta... Ist das jener Benedictiner, dessen die Einleitung zum zweiten Buch von der bürger- lichen Herrschaft gedenkt? Wiclif fährt in der Predigt fort: Correspon- denter dictus tolstanus vel sui catuli dicuntur reportasse usque ad cu- riam Romanam, sed nimis ydiotice, quia quousque nec hii nec illi in- telligunt duo verba. Dixit enim quidam doctor (Wiclif) catholice, quod quilibet existens in gracia gratificante finaliter nedum habet ius ad rem sed ius in re super omnia bona Dei. Et ibi balbucientes catuli loco istorum duorum verborum gratificante finaliter reportarunt usque ad Romanam curiam nimis ydiotice ista duo gratifice et fideliter; et sic emerunt, quod conclusio quam nescierunt construere, foret tamquam here- tica condempnata... Dass es Oxforder Einflüsse waren, dafür spricht noch die Stelle: Sed ista preconizacio mendax indicat, quod sit eius- dem scole et eiusdem secte plus sciolus, qui artem mendacii tamquam virtuosam Oxonii introduxit... Vgl. Fasc. ziz. 239. Dort ist erklärt, warum Wiclif sich zu einem Schimpfworte hinreissen liess: Voco autem istum dominum et sibi si- miles (da könnte man also wohl auch an den Bettelmönch William Wadeford denken) canem nigrum, quia sic vocavit Carmelita publice praedicando me vulpem; et ipsos canes vulpem illam usque ad exitum insequentes. Et gaudeo, quod sunt adeo concordati tamquam Herodes et Pilatus, quod omnes istae religiones privatae sunt, ut idem niger canis asserit, essencialiter idem ordo. S. auch Fasc. ziz., p. 3. Die Sache der besitzenden Orden ist demnach die Sache aller Orden.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 97 ,um von den Wunderdingen Kunde zu geben, die seinem Munde entströmt waren‘. Nach der None,1 d. h. 2—3 Uhr Nachmittags erschien Wiclif, begleitet von dem Herzoge von Lancaster, dem Grossmarschall Heinrich Percy und anderen Freunden. Der Herzog, ein Freund der Bettelmönche, wie es auch Wiclif noch war, hatte ihm vier Bettelmönche als Ver- theidiger beigegeben. ,Und es war gar nicht schwer," sagt der zeitgenössische Mönch von St. Alban, ,diese Brüder zu zwingen, da sie doch aus freien Stücken Hilfe bringen wollten."2 Hatte sich doch schon auf der Versammlung von 1374 jener Bettel- mönch ganz in dem Geiste geäussert, der nun in Wiclif lebte." Gesinnungsgenossen sprachen diesem, der etwas zaghaft sein mochte, Muth zu: er möge Leute nicht fürchten, die ihm an Gelehrsamkeit in keiner Weise gewachsen seien. Er möge den Pöbel nicht fürchten: hinter ihm stünden so mächtige Herren. Eine ungeheure Volksmenge hatte sich angesammelt, so dass es selbst den Herren schwer wurde, durchzukommen. Gleich beim Eintritt in die Kirche stiessen die Parteien feind- lich gegen einander. Als Percy die Volksmassen zurückzutreten hiess," verwies ihm dies der Bischof von London, Courtenay: Eine solche ,Schulmeisterei"5 sich anzumassen, habe er kein Recht. Hätte er davon eine Ahnung gehabt, so hätte er ihm den Eintritt versagt. Worauf Lancaster: �Eben diese Schul- meisterei will ich hier ausüben, auch wenn sie Dir nicht gefallt." 1 Lechler meint, die Sitzung in St. Paul habe noch vor 9 Uhr Vormittags geendet. Wie er das damit in Einklang bringt, dass noch vor dem Vor- gang in St. Paul die Parlamentssitzung an diesem Tage stattgefunden (duxit hunc furorem, quod eodem die, ante prandium, in parliamento apud Westmonasterium assistente praeside duce...), der Lancaster anwohnte, verstehe ich nicht. Lechler hat nicht erkannt, dass die horae, nach denen der Chronist rechnet, horae canonicae sind, die hora nona, die None auf 2—3 Uhr Nachmittags fällt und so die ganze Sache klappt: Früh Parlamentssitzung, Nachmittag Versammlung in St. Paul. Nec erat difficile cogere fratres volentes auxilium ferre. S. oben. Der Chronist von St. Albans steht natürlich auf der Gegenseite Wiclif’s. Darnach ist es Percy, der das Volk anfährt, commissa sibi abutens potestate. Das Wort magisteria darf man mit Lechler nicht mit ,Meisterschaft“ übersetzen.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 97 ,um von den Wunderdingen Kunde zu geben, die seinem Munde entströmt waren‘. Nach der None,1 d. h. 2—3 Uhr Nachmittags erschien Wiclif, begleitet von dem Herzoge von Lancaster, dem Grossmarschall Heinrich Percy und anderen Freunden. Der Herzog, ein Freund der Bettelmönche, wie es auch Wiclif noch war, hatte ihm vier Bettelmönche als Ver- theidiger beigegeben. ,Und es war gar nicht schwer," sagt der zeitgenössische Mönch von St. Alban, ,diese Brüder zu zwingen, da sie doch aus freien Stücken Hilfe bringen wollten."2 Hatte sich doch schon auf der Versammlung von 1374 jener Bettel- mönch ganz in dem Geiste geäussert, der nun in Wiclif lebte." Gesinnungsgenossen sprachen diesem, der etwas zaghaft sein mochte, Muth zu: er möge Leute nicht fürchten, die ihm an Gelehrsamkeit in keiner Weise gewachsen seien. Er möge den Pöbel nicht fürchten: hinter ihm stünden so mächtige Herren. Eine ungeheure Volksmenge hatte sich angesammelt, so dass es selbst den Herren schwer wurde, durchzukommen. Gleich beim Eintritt in die Kirche stiessen die Parteien feind- lich gegen einander. Als Percy die Volksmassen zurückzutreten hiess," verwies ihm dies der Bischof von London, Courtenay: Eine solche ,Schulmeisterei"5 sich anzumassen, habe er kein Recht. Hätte er davon eine Ahnung gehabt, so hätte er ihm den Eintritt versagt. Worauf Lancaster: �Eben diese Schul- meisterei will ich hier ausüben, auch wenn sie Dir nicht gefallt." 1 Lechler meint, die Sitzung in St. Paul habe noch vor 9 Uhr Vormittags geendet. Wie er das damit in Einklang bringt, dass noch vor dem Vor- gang in St. Paul die Parlamentssitzung an diesem Tage stattgefunden (duxit hunc furorem, quod eodem die, ante prandium, in parliamento apud Westmonasterium assistente praeside duce...), der Lancaster anwohnte, verstehe ich nicht. Lechler hat nicht erkannt, dass die horae, nach denen der Chronist rechnet, horae canonicae sind, die hora nona, die None auf 2—3 Uhr Nachmittags fällt und so die ganze Sache klappt: Früh Parlamentssitzung, Nachmittag Versammlung in St. Paul. Nec erat difficile cogere fratres volentes auxilium ferre. S. oben. Der Chronist von St. Albans steht natürlich auf der Gegenseite Wiclif’s. Darnach ist es Percy, der das Volk anfährt, commissa sibi abutens potestate. Das Wort magisteria darf man mit Lechler nicht mit ,Meisterschaft“ übersetzen.
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98 I. Abhandlung: Loserth. In der Marienkirche angelangt, nahmen der Herzog und die Barone des Landes, der Erzbischof und die Bischöfe ihre Sitze ein. Percy forderte Wiclif auf,1 Platz zu nehmen, denn wer so viel zu beantworten habe, bedürfe wohl eines weicheren Sitzes. Da fuhr Courtenay auf: Unbillig darf sich jemand setzen, der zur Verantwortung geladen sei. Es entstand ein Wortwechsel, dem bald heftiges Schelten folgte. Lancaster mischte sich ein und wurde, als er die Stichelreden des Bischofs nicht in gleicher Münze zahlen konnte, grob: den Uebermuth des englischen Clerus werde er zu beugen wissen und seien seine Mitglieder — Courtenay stammte mütterlicherseits aus königlichem Geblüt — auch aus dem edelsten Stamme ent- sprossen. Ganz zweifellos ein Hinweis auf die Secularisations- gedanken, mit denen er sich trug. Schliesslich stiess er, so wird gemeldet, eine heftige Drohung gegen den Bischof aus. Für diesen traten die Bürger ein, aber gewiss nicht um dieser Drohung willen," sondern weil sie in Lancaster einen grimmigen Feind sahen. Hatte er doch noch diesen Tag Anträge stellen lassen, welche die Freiheit der Stadt gefährdeten. Die Ver- sammlung in St. Paul löste sich auf. Tags darauf entstand eine Rottierung gegen den Herzog: man verlangte die Restitu- tion der Anordnungen des guten Parlaments, zuvörderst Zurück- berufung seines Sprechers und Aufrechterhaltung der städti- schen Freiheiten. Lancaster hatte sich zu weit vorgewagt: Er nahm jetzt einen Vergleich an, der unter der Vermittlung der Prinzessin von Wales zu Stande kam und auf den hin auch Wykeham seine Temporalien wieder erhielt. Worauf indess Lancaster's Plane hinausgiengen, sieht man ziemlich deutlich aus Wiclif’s zweitem, vornehmlich aber aus dem dritten Band seines Buches von der bürgerlichen Herrschaft. Man pflegt hier bei neueren Geschichtschreibern auch die äussere Ge- stalt Wiclif’s zu zeichnen ,nach alten und ursprünglichen Portraits'. Was man sich unter diesen Portraits des 14. Jahrhunderts vorstellen soll?! Wenn uns ein Zeitgenosse sein Aeusseres geschildert hätte, hätten wir mehr davon. Tunc dux in aura submurmurans ita: Mallem, ait, arreptis eius crini- bus eum abstrahere de ecclesia quam talia tolerare. Diese Worte hat Lancaster vor sich in die Luft geflüstert. Nichtsdestoweniger ver- nimmt sie das ,aufgeregte‘, also gleich von Anfang an nicht ruhige Volk.
98 I. Abhandlung: Loserth. In der Marienkirche angelangt, nahmen der Herzog und die Barone des Landes, der Erzbischof und die Bischöfe ihre Sitze ein. Percy forderte Wiclif auf,1 Platz zu nehmen, denn wer so viel zu beantworten habe, bedürfe wohl eines weicheren Sitzes. Da fuhr Courtenay auf: Unbillig darf sich jemand setzen, der zur Verantwortung geladen sei. Es entstand ein Wortwechsel, dem bald heftiges Schelten folgte. Lancaster mischte sich ein und wurde, als er die Stichelreden des Bischofs nicht in gleicher Münze zahlen konnte, grob: den Uebermuth des englischen Clerus werde er zu beugen wissen und seien seine Mitglieder — Courtenay stammte mütterlicherseits aus königlichem Geblüt — auch aus dem edelsten Stamme ent- sprossen. Ganz zweifellos ein Hinweis auf die Secularisations- gedanken, mit denen er sich trug. Schliesslich stiess er, so wird gemeldet, eine heftige Drohung gegen den Bischof aus. Für diesen traten die Bürger ein, aber gewiss nicht um dieser Drohung willen," sondern weil sie in Lancaster einen grimmigen Feind sahen. Hatte er doch noch diesen Tag Anträge stellen lassen, welche die Freiheit der Stadt gefährdeten. Die Ver- sammlung in St. Paul löste sich auf. Tags darauf entstand eine Rottierung gegen den Herzog: man verlangte die Restitu- tion der Anordnungen des guten Parlaments, zuvörderst Zurück- berufung seines Sprechers und Aufrechterhaltung der städti- schen Freiheiten. Lancaster hatte sich zu weit vorgewagt: Er nahm jetzt einen Vergleich an, der unter der Vermittlung der Prinzessin von Wales zu Stande kam und auf den hin auch Wykeham seine Temporalien wieder erhielt. Worauf indess Lancaster's Plane hinausgiengen, sieht man ziemlich deutlich aus Wiclif’s zweitem, vornehmlich aber aus dem dritten Band seines Buches von der bürgerlichen Herrschaft. Man pflegt hier bei neueren Geschichtschreibern auch die äussere Ge- stalt Wiclif’s zu zeichnen ,nach alten und ursprünglichen Portraits'. Was man sich unter diesen Portraits des 14. Jahrhunderts vorstellen soll?! Wenn uns ein Zeitgenosse sein Aeusseres geschildert hätte, hätten wir mehr davon. Tunc dux in aura submurmurans ita: Mallem, ait, arreptis eius crini- bus eum abstrahere de ecclesia quam talia tolerare. Diese Worte hat Lancaster vor sich in die Luft geflüstert. Nichtsdestoweniger ver- nimmt sie das ,aufgeregte‘, also gleich von Anfang an nicht ruhige Volk.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 99 10. Wiclif’s Ideen über die Einzichung des englischen Kirchengutes. Das zweite und dritte Buch von der bürgerlichen Herrschaft. Mit grösster Erbitterung blickte der grösste Theil des englischen Clerus auf die letzten Vorgänge zurück. Auf Wiclif giengen jetzt alle die schweren Angriffe nieder, auf die er im zweiten und dritten Bande seines Buches vom bürgerlichen Regiment antwortet. Er thut das nicht mehr in der ruhigen Form, in der sein erster Band gehalten ist. Schon der zweite trägt einen durchaus polemischen Zug an sich. Noch immer ist er aber von jener auflodernden Heftigkeit entfernt, die sich in seinen späteren Streitschriften findet. Selten nimmt die Polemik einen persönlichen Zug an. Er ist gegen seine Wider- sacher durchaus höflich und entgegenkommend. Freilich wurde ihm dies Entgegenkommen schlecht vergolten. Klagt er doch gleich im Beginn der Erörterungen des zweiten Bandes darüber, dass seine Gegner diese Dinge in die Oeffentlichkeit hinaus- tragen, bevor sie schulmässig behandelt worden seien.1 Die weltliche Herrschaft des Clerus, lehrt er nunmehr, ist, welcher Art sie auch immer sein mag, abzuweisen, das Kirchengut muss sequestrirt oder ganz eingezogen und neu ausgetheilt werden. Es ist nun durchaus natürlich, dass solche Lehren, die den weltlichen Herren das Recht geben, der Kirche die Temporalien zu entziehen, falls sie von ihnen einen schlechten Gebrauch macht, in den Kreisen der begüterten Orden den schlechtesten Eindruck machten. Ein Benedictiner in Oxford — oder vielleicht ein Affiliirter der Benedictiner," denn wie es scheint, war er selbst Bettelmönch — William Wadford," warf Wiclif Blasphemie, Scandal, Hochmuth und Ketzerei vor." 1 Et revera, sepe revolvi in animo, quid movebat illum dominum et so- cium de ordine sancti Benedicti inter omnes valentes ecclesie Oxonie tam singulariter ac prepostere dictum negocium attemptare ... De ci- vili dominio II, 1 (im Druck). S. oben S. 93—96. S. oben S. 96. Sed pretermittendo talia consultum est mihi omnino satisfacere duodecim argumentis ... quia imponit mihi blasfemiam, scandalum, superbiam et heresim ... De civili dominio II, 2. 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 99 10. Wiclif’s Ideen über die Einzichung des englischen Kirchengutes. Das zweite und dritte Buch von der bürgerlichen Herrschaft. Mit grösster Erbitterung blickte der grösste Theil des englischen Clerus auf die letzten Vorgänge zurück. Auf Wiclif giengen jetzt alle die schweren Angriffe nieder, auf die er im zweiten und dritten Bande seines Buches vom bürgerlichen Regiment antwortet. Er thut das nicht mehr in der ruhigen Form, in der sein erster Band gehalten ist. Schon der zweite trägt einen durchaus polemischen Zug an sich. Noch immer ist er aber von jener auflodernden Heftigkeit entfernt, die sich in seinen späteren Streitschriften findet. Selten nimmt die Polemik einen persönlichen Zug an. Er ist gegen seine Wider- sacher durchaus höflich und entgegenkommend. Freilich wurde ihm dies Entgegenkommen schlecht vergolten. Klagt er doch gleich im Beginn der Erörterungen des zweiten Bandes darüber, dass seine Gegner diese Dinge in die Oeffentlichkeit hinaus- tragen, bevor sie schulmässig behandelt worden seien.1 Die weltliche Herrschaft des Clerus, lehrt er nunmehr, ist, welcher Art sie auch immer sein mag, abzuweisen, das Kirchengut muss sequestrirt oder ganz eingezogen und neu ausgetheilt werden. Es ist nun durchaus natürlich, dass solche Lehren, die den weltlichen Herren das Recht geben, der Kirche die Temporalien zu entziehen, falls sie von ihnen einen schlechten Gebrauch macht, in den Kreisen der begüterten Orden den schlechtesten Eindruck machten. Ein Benedictiner in Oxford — oder vielleicht ein Affiliirter der Benedictiner," denn wie es scheint, war er selbst Bettelmönch — William Wadford," warf Wiclif Blasphemie, Scandal, Hochmuth und Ketzerei vor." 1 Et revera, sepe revolvi in animo, quid movebat illum dominum et so- cium de ordine sancti Benedicti inter omnes valentes ecclesie Oxonie tam singulariter ac prepostere dictum negocium attemptare ... De ci- vili dominio II, 1 (im Druck). S. oben S. 93—96. S. oben S. 96. Sed pretermittendo talia consultum est mihi omnino satisfacere duodecim argumentis ... quia imponit mihi blasfemiam, scandalum, superbiam et heresim ... De civili dominio II, 2. 3
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100 I. Abhandlung: Loserth. Sich zu vertheidigen, war er genöthigt, dem ersten Bande seines Werkes von der bürgerlichen Herrschaft einen zweiten folgen zu lassen. Wir würden diesen, da der Gegenstand sach- lich ziemlich erschöpft war, sonst wohl kaum erhalten haben. Er knüpft unmittelbar an den sechsten seiner von Gregor XI. verurtheilten Sätze an, den er im 35. Capitel des ersten Bandes behandelt hatte: dass die weltlichen Herren berechtigt seien, der Kirche, wenn sie auf Abwege geräth, den weltlichen Besitz zu entziehen. Er fügt zu den alteren Beispielen noch einige andere hinzu: Belegstellen aus der Bibel und der Geschichte. Konnte man den Templern ihren Besitz in England und Frank- reich ,an einem Tage‘ einziehen, so werde das wohl auch mit dem weltlichen Gut überhaupt geschehen können. Sein Gegner predigte in der Marienkirche zu Oxford:1 die Priester dürfen gestraft werden entweder von einander oder von den Bischöfen, in keinem Falle aber von den weltlichen Herren. Dagegen sagt Wiclif: Wenn der geistliche Arm versagt, muss der welt- liche eingreifen: dass man berechtigt sei, vom Clerus, der sich dagegen in einem zu London abgehaltenen Parlamente ent- schieden gewehrt hatte, Beihilfen zu begehren, betont er aufs Neue und gibt ein interessantes Bruchstück aus einer Parla- mentssitzung zum Besten, in welcher ein Lord drohender Weise dem Clerus die Fabel von der Eule vorhält, die, weil sie sich weigerte, einzelne Federn herzugeben, die man ihr vordem geliehen hatte, um bei der Winterkalte ihre Blösse zu decken, schliesslich von den erzürnten Vögeln zerrissen ward." Die weltlichen Herren haben die Aufgabe, die Unglaubigen und Ungetreuen zu bessern. Damit muss man daheim be- ginnen. Und nun erzählt Wiclif von Secularisationen in grossem Massstab, die eintreten könnten und3 zu denen er offen ge- 1 Sed miror, qua fronte frater meus ausus est deductionem tam frivolam fingere, specialiter coram tam sciolo et venerabili auditorio in ecclesia beate virginis Mariae Oxonii. De civili dominio II, 5. Ebenda S. 7. Unde diebus nostris audivi quendam de valentioribus dominis regni (den Herzog von Lancaster) monachis de sua fundatione concedere quod tot monachis, quot sunt modo, quoad omnia vitae necessaria subductis curis seculi ministraret eciam copiosius. quam modo .. . Informatusque fuit per quendam virum ecclesiasticum hoc esse licitum ... De civili dominio II, 13.
100 I. Abhandlung: Loserth. Sich zu vertheidigen, war er genöthigt, dem ersten Bande seines Werkes von der bürgerlichen Herrschaft einen zweiten folgen zu lassen. Wir würden diesen, da der Gegenstand sach- lich ziemlich erschöpft war, sonst wohl kaum erhalten haben. Er knüpft unmittelbar an den sechsten seiner von Gregor XI. verurtheilten Sätze an, den er im 35. Capitel des ersten Bandes behandelt hatte: dass die weltlichen Herren berechtigt seien, der Kirche, wenn sie auf Abwege geräth, den weltlichen Besitz zu entziehen. Er fügt zu den alteren Beispielen noch einige andere hinzu: Belegstellen aus der Bibel und der Geschichte. Konnte man den Templern ihren Besitz in England und Frank- reich ,an einem Tage‘ einziehen, so werde das wohl auch mit dem weltlichen Gut überhaupt geschehen können. Sein Gegner predigte in der Marienkirche zu Oxford:1 die Priester dürfen gestraft werden entweder von einander oder von den Bischöfen, in keinem Falle aber von den weltlichen Herren. Dagegen sagt Wiclif: Wenn der geistliche Arm versagt, muss der welt- liche eingreifen: dass man berechtigt sei, vom Clerus, der sich dagegen in einem zu London abgehaltenen Parlamente ent- schieden gewehrt hatte, Beihilfen zu begehren, betont er aufs Neue und gibt ein interessantes Bruchstück aus einer Parla- mentssitzung zum Besten, in welcher ein Lord drohender Weise dem Clerus die Fabel von der Eule vorhält, die, weil sie sich weigerte, einzelne Federn herzugeben, die man ihr vordem geliehen hatte, um bei der Winterkalte ihre Blösse zu decken, schliesslich von den erzürnten Vögeln zerrissen ward." Die weltlichen Herren haben die Aufgabe, die Unglaubigen und Ungetreuen zu bessern. Damit muss man daheim be- ginnen. Und nun erzählt Wiclif von Secularisationen in grossem Massstab, die eintreten könnten und3 zu denen er offen ge- 1 Sed miror, qua fronte frater meus ausus est deductionem tam frivolam fingere, specialiter coram tam sciolo et venerabili auditorio in ecclesia beate virginis Mariae Oxonii. De civili dominio II, 5. Ebenda S. 7. Unde diebus nostris audivi quendam de valentioribus dominis regni (den Herzog von Lancaster) monachis de sua fundatione concedere quod tot monachis, quot sunt modo, quoad omnia vitae necessaria subductis curis seculi ministraret eciam copiosius. quam modo .. . Informatusque fuit per quendam virum ecclesiasticum hoc esse licitum ... De civili dominio II, 13.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 101 rathen habe. Er habe, sagt er, einen der mächtigsten Herren in England sagen hören, dass er die Mönche, so viel ihrer seien, viel besser unterhalten könnte, wenn man ihnen die Sorgen für das Weltliche abgenommen hätte, als jetzt, wo sie sich unter Vernachlässigung ihrer Pflichten in alle weltlichen Geschäfte einmischen. Dieser Herr sei von einem geistlichen Manne, wir dürfen nicht zweifeln, dass es Wiclif selber war, unter- richtet worden, dass das erlaubt sei, denn es wäre dem Staat und den Mönchen erspriesslich und gäbe den Letzteren ein Mittel an die Hand, ihr Gelübde und ihre Regel besser zu halten, die sie gelobt haben. In der Hand weltlicher Herren wären die Dominien viel ertragreicher. Zum Schaden des Staates mischen sich jetzt die Cleriker in dessen Geschäfte und sind gezwungen, ihre Temporalien untauglichen Leuten, nichtsthuenden Domherren oder solchen Grossen zu überlassen, vor denen sie sich fürchten. Der Clerus von heute, durch solche Bande an die Welt gefesselt, ist nur noch dem Namen nach evangelisch. �O wie glücklich!" ruft Wiclif aus, ,wäre unser Reich und wie ergiebig, wenn jede Pfarre wie einstens einen Rector hätte, der hier mit seiner Familie wohnte, wenn jedes Dominium des Reiches einen gerechten Herrn hätte, der eben- falls mit seiner Familie hier residierte: dann würde nicht so viel Ackerland brachliegen, es gäbe keinen Mangel an Ackerfrucht und Vieh, es wären Knechte und Handwerker zur Genüge vorhanden, die von den weltlichen Herren beschäftigt würden.1 Jetzt aber kümmern sich die Pächter (mercenarii), welche die Herrschaft des Clerus nicht nur mit Unwillen er- tragen, sondern geradezu verabscheuen, nicht um den Feldbau, weil das Land nicht ihnen gehört, oder stehlen, weil niemand 1 O quam sanctum et fertile foret regnum Angliae, si (ut olim) quelibet parrochialis ecclesia haberet unum sanctum rectorem cum sua familia residentem, quodlibet regni dominium haberet unum iustum dominum cum uxore et liberis cum proporcionali familia residentem, tune enim non sterilescerent in Anglia tot terre arabiles nec rarescerent ex de- fectu yconomie tante caristie arteficialium pecorum terre nascencium, sed regnum habundaret omni genere huiusmodi bonorum, adessentque servi atque artifices labori debito per civiles dominos mancipati. Nunc vero mercenarii...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 101 rathen habe. Er habe, sagt er, einen der mächtigsten Herren in England sagen hören, dass er die Mönche, so viel ihrer seien, viel besser unterhalten könnte, wenn man ihnen die Sorgen für das Weltliche abgenommen hätte, als jetzt, wo sie sich unter Vernachlässigung ihrer Pflichten in alle weltlichen Geschäfte einmischen. Dieser Herr sei von einem geistlichen Manne, wir dürfen nicht zweifeln, dass es Wiclif selber war, unter- richtet worden, dass das erlaubt sei, denn es wäre dem Staat und den Mönchen erspriesslich und gäbe den Letzteren ein Mittel an die Hand, ihr Gelübde und ihre Regel besser zu halten, die sie gelobt haben. In der Hand weltlicher Herren wären die Dominien viel ertragreicher. Zum Schaden des Staates mischen sich jetzt die Cleriker in dessen Geschäfte und sind gezwungen, ihre Temporalien untauglichen Leuten, nichtsthuenden Domherren oder solchen Grossen zu überlassen, vor denen sie sich fürchten. Der Clerus von heute, durch solche Bande an die Welt gefesselt, ist nur noch dem Namen nach evangelisch. �O wie glücklich!" ruft Wiclif aus, ,wäre unser Reich und wie ergiebig, wenn jede Pfarre wie einstens einen Rector hätte, der hier mit seiner Familie wohnte, wenn jedes Dominium des Reiches einen gerechten Herrn hätte, der eben- falls mit seiner Familie hier residierte: dann würde nicht so viel Ackerland brachliegen, es gäbe keinen Mangel an Ackerfrucht und Vieh, es wären Knechte und Handwerker zur Genüge vorhanden, die von den weltlichen Herren beschäftigt würden.1 Jetzt aber kümmern sich die Pächter (mercenarii), welche die Herrschaft des Clerus nicht nur mit Unwillen er- tragen, sondern geradezu verabscheuen, nicht um den Feldbau, weil das Land nicht ihnen gehört, oder stehlen, weil niemand 1 O quam sanctum et fertile foret regnum Angliae, si (ut olim) quelibet parrochialis ecclesia haberet unum sanctum rectorem cum sua familia residentem, quodlibet regni dominium haberet unum iustum dominum cum uxore et liberis cum proporcionali familia residentem, tune enim non sterilescerent in Anglia tot terre arabiles nec rarescerent ex de- fectu yconomie tante caristie arteficialium pecorum terre nascencium, sed regnum habundaret omni genere huiusmodi bonorum, adessentque servi atque artifices labori debito per civiles dominos mancipati. Nunc vero mercenarii...
Strana 102
102 I. Abhandlung : Loserth. da ist, der sie beaufsichtigt. Schliesslich werden sie zügellos und zerrütten die Güter des Reiches. Die Geistlichkeit, mit weltlichen Geschäften beladen, thut es auch an äusserem Prunk den Weltlichen gleich oder sucht sie darin zu übertreffen. Wie wäre das anders, wenn weltliche Herren jene Temporalien in Besitz hätten; da würden mehr Familienbande geknüpft, die Bevölkerung würde stärker und hiedurch der Staat wachsen; dann könnten sich die Priester, wie es ihnen geziemt, beschau- lichem Leben widmen. Auch der Grund, den sie für die ewige Dotation anführen, nämlich dass nach dem Tode eines Herrn der Nachfolger ihnen nicht gewogen wäre, möchte hinwegfallen: denn dann könnten sie reichlich von den Almosen leben, die ihnen gegeben würden." Diese Ansicht Wiclif’s fand vorerst unter den Gelehrten des Landes viele Gegner und wohl noch kaum einen wahren Freund: Selbst die, welche es besser mit ihm meinten, mochten darüber spotten, andere schalten heftig und nannten ihn ein Buch der Hölle. Er selbst tröstet sich mit dem Erlöser, den die Pharisäer gleichfalls anhörten und — auslachten.1 Die folgenden Bemerkungen gelten der principiellen Seite der Frage. Aus Stellen der Bibel, des römischen, englischen und Kirchenrechtes, aus der Geschichte früherer englischer Könige, namentlich Wilhelms I. und II. wird erwiesen, dass das Königthum zu einem solchen Vorgehen gegen den Clerus durchaus berechtigt sei. Das Strafrecht des Staates sei oft genug ausgeübt worden, und hievon dürfe auch der Papst nicht ausgenommen werden. Wenn man Gesetze anführe, die eine Entfremdung von Kirchengut verbieten, so vergesse man ganz, dass es bestimmte Falle gebe, in denen man selbst an die Kirchengeräthe greifen dürfe: wenn es sich darum handle, Gefangene auszulösen. In Ranulphus de Higden, den Wiclif für seine historischen Er- läuterungen überhaupt gern als Quelle citiert, könne man lesen, was die Klöster alles hergegeben haben, um König Richard aus der Haft zu lösen: Wolle, Ringe der Prälaten, Gefasse 1 Hec sentencia licet a quibusdam doctoribus sit derisa et ab aliis ver- berata, dicendo quod sum liber inferni, a nullo tamen efficaciter est impugnata... Die Anhäufung von Grund und Boden in der todten Hand war eben mit ihren Nachtheilen zu offenkundig.
102 I. Abhandlung : Loserth. da ist, der sie beaufsichtigt. Schliesslich werden sie zügellos und zerrütten die Güter des Reiches. Die Geistlichkeit, mit weltlichen Geschäften beladen, thut es auch an äusserem Prunk den Weltlichen gleich oder sucht sie darin zu übertreffen. Wie wäre das anders, wenn weltliche Herren jene Temporalien in Besitz hätten; da würden mehr Familienbande geknüpft, die Bevölkerung würde stärker und hiedurch der Staat wachsen; dann könnten sich die Priester, wie es ihnen geziemt, beschau- lichem Leben widmen. Auch der Grund, den sie für die ewige Dotation anführen, nämlich dass nach dem Tode eines Herrn der Nachfolger ihnen nicht gewogen wäre, möchte hinwegfallen: denn dann könnten sie reichlich von den Almosen leben, die ihnen gegeben würden." Diese Ansicht Wiclif’s fand vorerst unter den Gelehrten des Landes viele Gegner und wohl noch kaum einen wahren Freund: Selbst die, welche es besser mit ihm meinten, mochten darüber spotten, andere schalten heftig und nannten ihn ein Buch der Hölle. Er selbst tröstet sich mit dem Erlöser, den die Pharisäer gleichfalls anhörten und — auslachten.1 Die folgenden Bemerkungen gelten der principiellen Seite der Frage. Aus Stellen der Bibel, des römischen, englischen und Kirchenrechtes, aus der Geschichte früherer englischer Könige, namentlich Wilhelms I. und II. wird erwiesen, dass das Königthum zu einem solchen Vorgehen gegen den Clerus durchaus berechtigt sei. Das Strafrecht des Staates sei oft genug ausgeübt worden, und hievon dürfe auch der Papst nicht ausgenommen werden. Wenn man Gesetze anführe, die eine Entfremdung von Kirchengut verbieten, so vergesse man ganz, dass es bestimmte Falle gebe, in denen man selbst an die Kirchengeräthe greifen dürfe: wenn es sich darum handle, Gefangene auszulösen. In Ranulphus de Higden, den Wiclif für seine historischen Er- läuterungen überhaupt gern als Quelle citiert, könne man lesen, was die Klöster alles hergegeben haben, um König Richard aus der Haft zu lösen: Wolle, Ringe der Prälaten, Gefasse 1 Hec sentencia licet a quibusdam doctoribus sit derisa et ab aliis ver- berata, dicendo quod sum liber inferni, a nullo tamen efficaciter est impugnata... Die Anhäufung von Grund und Boden in der todten Hand war eben mit ihren Nachtheilen zu offenkundig.
Strana 103
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 103 der Kirchen, Kreuze, Kelche, selbst das Gold, das an den Gestellen der Heiligen angebracht war, wurde abgekratzt. Und ich wüsste nicht zu sagen, dass das ein Unrecht war." Ebenso ist erlaubt, dem Clerus sein Geld zu nehmen, wenn er es habsüchtiger Weise anhäuft, während er die Armen hungern lässt. Wenn die Kirche an gewissen Dingen, wie z. B. Kelchen, Ueberfluss hat, darf man sie hinweggeben, um anderes Fehlende, etwa Todtenbahren zu kaufen. Wie sollten denn also die weltlichen Herren nicht erst einschreiten dürfen, wenn der Clerus seine Pflicht nicht thut, im Amte lau, im Leben ausschweifend ist? Man muss nur sorgen, dass der Clerus seine Wohnung und Kleidung und mässige Nahrung erhält. Verboten müsste es sein, das ,Armengut‘ — denn solches ist das Kirchengut — auf kostspielige Bauten zu verwenden." Wozu braucht die Kirche solchen Reichthum? Konnte sie sich vor der Zeit Sylvesters und Constantins in ihrer Armuth be- helfen, so kann sie es auch jetzt. Die Kirche reich zu machen, dazu hatte kein Kaiser noch überhaupt ein weltlicher Fürst ein Recht. Denn mit dem Reichthum ist das Ziel, zu dem sie geschaffen, geändert. Besser als die Regel Constantins war die der Apostel, denen alles gemein war. Als man die Kirche dotierte, geschah das eben so sehr zum Nutzen des Staates als zur Ehre der Kirche: wie reimt sich’s aber damit, dass man nun diese Stiftungen zu Missbräuchen verwendet? Und wenn man sagen wollte: Von den Mönchen sind ja nicht alle schlecht, es gibt auch gute unter ihnen, so darf man den Ein- wand nicht gelten lassen: der Gerechte wird mit dem Un� gerechten gestraft, wenn er demselben Geschlechte angehört. Wie der König und jeder weltliche Würdenträger sein Amt verliert, wenn er in eine Sünde fallt oder nur dem Namen nach 1 Pro redempcione Richardi capta est tota lana monachorum alborum et canonicorum quin eciam praelatorum anuli, vasa, cruces, calices cum auro de feretris sanctorum abraso, sunt conflata. De civili dominio II, 9 aus Ranulph’s Polychronicon ed. Lumby VIII, 128. Sumptuositas in esculentis et edificiis facit torpentes in religione Christi superna postponere et inniti mundi spectaculis. Hier nimmt der Kampf gegen die palastähnlichen Bauten der Mönche den Anfang — das Ende war der Klostersturm der Hussiten.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 103 der Kirchen, Kreuze, Kelche, selbst das Gold, das an den Gestellen der Heiligen angebracht war, wurde abgekratzt. Und ich wüsste nicht zu sagen, dass das ein Unrecht war." Ebenso ist erlaubt, dem Clerus sein Geld zu nehmen, wenn er es habsüchtiger Weise anhäuft, während er die Armen hungern lässt. Wenn die Kirche an gewissen Dingen, wie z. B. Kelchen, Ueberfluss hat, darf man sie hinweggeben, um anderes Fehlende, etwa Todtenbahren zu kaufen. Wie sollten denn also die weltlichen Herren nicht erst einschreiten dürfen, wenn der Clerus seine Pflicht nicht thut, im Amte lau, im Leben ausschweifend ist? Man muss nur sorgen, dass der Clerus seine Wohnung und Kleidung und mässige Nahrung erhält. Verboten müsste es sein, das ,Armengut‘ — denn solches ist das Kirchengut — auf kostspielige Bauten zu verwenden." Wozu braucht die Kirche solchen Reichthum? Konnte sie sich vor der Zeit Sylvesters und Constantins in ihrer Armuth be- helfen, so kann sie es auch jetzt. Die Kirche reich zu machen, dazu hatte kein Kaiser noch überhaupt ein weltlicher Fürst ein Recht. Denn mit dem Reichthum ist das Ziel, zu dem sie geschaffen, geändert. Besser als die Regel Constantins war die der Apostel, denen alles gemein war. Als man die Kirche dotierte, geschah das eben so sehr zum Nutzen des Staates als zur Ehre der Kirche: wie reimt sich’s aber damit, dass man nun diese Stiftungen zu Missbräuchen verwendet? Und wenn man sagen wollte: Von den Mönchen sind ja nicht alle schlecht, es gibt auch gute unter ihnen, so darf man den Ein- wand nicht gelten lassen: der Gerechte wird mit dem Un� gerechten gestraft, wenn er demselben Geschlechte angehört. Wie der König und jeder weltliche Würdenträger sein Amt verliert, wenn er in eine Sünde fallt oder nur dem Namen nach 1 Pro redempcione Richardi capta est tota lana monachorum alborum et canonicorum quin eciam praelatorum anuli, vasa, cruces, calices cum auro de feretris sanctorum abraso, sunt conflata. De civili dominio II, 9 aus Ranulph’s Polychronicon ed. Lumby VIII, 128. Sumptuositas in esculentis et edificiis facit torpentes in religione Christi superna postponere et inniti mundi spectaculis. Hier nimmt der Kampf gegen die palastähnlichen Bauten der Mönche den Anfang — das Ende war der Klostersturm der Hussiten.
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104 I. Abhandlung: Loserth. Herrscher bleibt, so auch der Papst. Von einer principiellen Verwerfung des Papstthums ist Wiclif im Augenblick, als er dies schrieb, zu Anfang 1377, noch weit entfernt. Die be- treffende Stelle ist dafür in hohem Grade bezeichnend.1 Nicht als ob er gegen den dermaligen Papst oder eine bestimmte Person etwas Abträgliches behaupten und ihre Bestrafung ver- langen wolle, er biete nur jene Wahrheiten dar, die er in den Gesetzbüchern und Chroniken gefunden. Nachdem er schon im ersten Buche und dann wieder im neunten Capitel des zweiten betont, dass man unter Umständen auch den Papst strafen dürfe und warum also nicht auch der jetzige sündhafte Clerus dem weltlichen Strafgericht unterworfen werden solle, da sich einstens doch Cleriker, Päpste und Märtyrer für fremde Sünden selbst den Tyrannen unterwarfen, kommt er nochmals auf den Gegenstand zurück; der Papst kann von Laien abgeurtheilt werden, wenn er vom Glauben abweicht: er kann vom Glauben abweichen, demnach auch gestraft werden.2 Er bringt hier auch wieder eine Anzahl von Belegstellen aus der Geschichte: die Absetzung Johanns XII., Benedicts V., Johanns XVI. u. s. w., zuletzt noch die listige Art, wie Bonifaz VIII. seinen Vorgänger Cölestin V. zur Abdankung bewog. Aus einer Kaiserkrönung darf man nicht ableiten, dass der Papst höher stehe als der Monarch; er würde aber gewiss an Ansehen noch gewinnen, wenn er dem Kaiser nach der Krönung noch die Füsse wüsche. Ersichtlich sei, dass die 1 De civili dominio II, 11: Non intendo personam aliquam diffamare vel in dehonoracionem vel dedecus status papalis quicquam asserere ac aliquem clericum esse nunc pro illo peccato puniendum temere affirmare, sed istas veritates, quas leges et cronice referunt, reci- tare et ex illis condicionales vel de possibili veritates sequentes ex legi- bus recitare. Nec video quomodo id offenderet pias aures. Die Stelle ist unter den ,Protestationes‘ Wiclif’s schon gedruckt in Höfler, Anna von Luxemburg, S. 149. Sonst haben die Protestationen nur einen for- mellen Charakter. Die Schule verlangte sie. S. meine Bemerkung in der Hist. Zeitschrift LIII, 53. Hier wird man unbedenklich in dem Satze mehr als blosse Formel sehen dürfen. Si ergo clerici, pape et martyres erant subiecti meritorie tyrannis pro peccatis alienis, quare non econtra clerici nostri et solum nominetenus de sorte domini possent legitime puniri pro peccatis propriis per dominos christianos. Revera nos ipsos iurisdiccioni eorum subicimus, cum nos reatu proprio depredamus.
104 I. Abhandlung: Loserth. Herrscher bleibt, so auch der Papst. Von einer principiellen Verwerfung des Papstthums ist Wiclif im Augenblick, als er dies schrieb, zu Anfang 1377, noch weit entfernt. Die be- treffende Stelle ist dafür in hohem Grade bezeichnend.1 Nicht als ob er gegen den dermaligen Papst oder eine bestimmte Person etwas Abträgliches behaupten und ihre Bestrafung ver- langen wolle, er biete nur jene Wahrheiten dar, die er in den Gesetzbüchern und Chroniken gefunden. Nachdem er schon im ersten Buche und dann wieder im neunten Capitel des zweiten betont, dass man unter Umständen auch den Papst strafen dürfe und warum also nicht auch der jetzige sündhafte Clerus dem weltlichen Strafgericht unterworfen werden solle, da sich einstens doch Cleriker, Päpste und Märtyrer für fremde Sünden selbst den Tyrannen unterwarfen, kommt er nochmals auf den Gegenstand zurück; der Papst kann von Laien abgeurtheilt werden, wenn er vom Glauben abweicht: er kann vom Glauben abweichen, demnach auch gestraft werden.2 Er bringt hier auch wieder eine Anzahl von Belegstellen aus der Geschichte: die Absetzung Johanns XII., Benedicts V., Johanns XVI. u. s. w., zuletzt noch die listige Art, wie Bonifaz VIII. seinen Vorgänger Cölestin V. zur Abdankung bewog. Aus einer Kaiserkrönung darf man nicht ableiten, dass der Papst höher stehe als der Monarch; er würde aber gewiss an Ansehen noch gewinnen, wenn er dem Kaiser nach der Krönung noch die Füsse wüsche. Ersichtlich sei, dass die 1 De civili dominio II, 11: Non intendo personam aliquam diffamare vel in dehonoracionem vel dedecus status papalis quicquam asserere ac aliquem clericum esse nunc pro illo peccato puniendum temere affirmare, sed istas veritates, quas leges et cronice referunt, reci- tare et ex illis condicionales vel de possibili veritates sequentes ex legi- bus recitare. Nec video quomodo id offenderet pias aures. Die Stelle ist unter den ,Protestationes‘ Wiclif’s schon gedruckt in Höfler, Anna von Luxemburg, S. 149. Sonst haben die Protestationen nur einen for- mellen Charakter. Die Schule verlangte sie. S. meine Bemerkung in der Hist. Zeitschrift LIII, 53. Hier wird man unbedenklich in dem Satze mehr als blosse Formel sehen dürfen. Si ergo clerici, pape et martyres erant subiecti meritorie tyrannis pro peccatis alienis, quare non econtra clerici nostri et solum nominetenus de sorte domini possent legitime puniri pro peccatis propriis per dominos christianos. Revera nos ipsos iurisdiccioni eorum subicimus, cum nos reatu proprio depredamus.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 105 Kaiser das Recht haben, Papste zu strafen und abzusetzen. Wer behauptet, dass Päpste nicht gestraft werden können, ist ein Gottloser, denn er muthet ihm zu, dass er unfehlbar sei wie ein Gott. In England bestehe das Recht, die Geistlichkeit unter Umständen zu strafen, und dies Recht stehe mit der Bibel in keinem Widerspruch. Eine bürgerliche Herrschaft wollte Christus weder für sich, noch für seine Apostel begründen. Darum ist es auch nicht gestattet, um so weltliche Dinge, wie es die Temporalien sind, zu streiten. Der Kampf wird in der heil. Schrift ver- boten: ihm steht das Gebot der Nächstenliebe entgegen. In hundert und mehr Wendungen wiederholt Wiclif, dass man mit dem Nebenmenschen nicht kämpfen darf: um so viel weniger darf es der Papst — eine deutliche Anspielung auf Gregor XI., dessen Krieg gegen Florenz eben jetzt am heftigsten tobte. Aber gerade dieser Krieg gegen Florenz war es, der dem Papste arge finanzielle Verlegenheiten schuf und ihn zwang, auch die Geistlichkeit in England in schärfster Weise zu den Leistungen ,für die Kirche‘ heranzuziehen. An einem und demselben Tage sandte er nicht weniger als fünf Schriftstücke an Wilhelm von Emly. Alle Nuntien, Collectoren und Succol- lectoren werden an ihn gewiesen.1 Keinem Zahlungspflichtigen darf ein längerer Aufschub als auf zwei Jahre gewährt werden." In einem zweiten Schriftstück meldet der Papst dem Nuntius: die Bedürfnisse der Kirche seien gross, von allen Seiten dringen die Feinde heran, die gewöhnlichen Einkünfte der päpstlichen Kammer reichen nicht aus, alle Bedürfnisse zu befriedigen. Man müsse auf neue Hilfsquellen bedacht sein. Es sei noth- wendig, dass die römische Kirche, das Haupt und die Lehr- meisterin aller anderen, von diesen unterstützt werde. Daher erlasse er den Befehl, den päpstlichen Zehent auf drei Jahre zu erheben. Niemand soll von der Zahlung ausgenommen sein als die Cardinale, die in jenen Gegenden Pfründen besitzen. 2 1 E registro Greg. XI, Cod. 280, Fol. 393 et 24b Cod. Vat. Mandamus quod de fructibus, redditibus proventibus et aliis bonis et iuribus quibuscunque ad dictam cameram pertinentibus ultra duos annos de solvendis illis ei aliquam non concedas dilacionem...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 105 Kaiser das Recht haben, Papste zu strafen und abzusetzen. Wer behauptet, dass Päpste nicht gestraft werden können, ist ein Gottloser, denn er muthet ihm zu, dass er unfehlbar sei wie ein Gott. In England bestehe das Recht, die Geistlichkeit unter Umständen zu strafen, und dies Recht stehe mit der Bibel in keinem Widerspruch. Eine bürgerliche Herrschaft wollte Christus weder für sich, noch für seine Apostel begründen. Darum ist es auch nicht gestattet, um so weltliche Dinge, wie es die Temporalien sind, zu streiten. Der Kampf wird in der heil. Schrift ver- boten: ihm steht das Gebot der Nächstenliebe entgegen. In hundert und mehr Wendungen wiederholt Wiclif, dass man mit dem Nebenmenschen nicht kämpfen darf: um so viel weniger darf es der Papst — eine deutliche Anspielung auf Gregor XI., dessen Krieg gegen Florenz eben jetzt am heftigsten tobte. Aber gerade dieser Krieg gegen Florenz war es, der dem Papste arge finanzielle Verlegenheiten schuf und ihn zwang, auch die Geistlichkeit in England in schärfster Weise zu den Leistungen ,für die Kirche‘ heranzuziehen. An einem und demselben Tage sandte er nicht weniger als fünf Schriftstücke an Wilhelm von Emly. Alle Nuntien, Collectoren und Succol- lectoren werden an ihn gewiesen.1 Keinem Zahlungspflichtigen darf ein längerer Aufschub als auf zwei Jahre gewährt werden." In einem zweiten Schriftstück meldet der Papst dem Nuntius: die Bedürfnisse der Kirche seien gross, von allen Seiten dringen die Feinde heran, die gewöhnlichen Einkünfte der päpstlichen Kammer reichen nicht aus, alle Bedürfnisse zu befriedigen. Man müsse auf neue Hilfsquellen bedacht sein. Es sei noth- wendig, dass die römische Kirche, das Haupt und die Lehr- meisterin aller anderen, von diesen unterstützt werde. Daher erlasse er den Befehl, den päpstlichen Zehent auf drei Jahre zu erheben. Niemand soll von der Zahlung ausgenommen sein als die Cardinale, die in jenen Gegenden Pfründen besitzen. 2 1 E registro Greg. XI, Cod. 280, Fol. 393 et 24b Cod. Vat. Mandamus quod de fructibus, redditibus proventibus et aliis bonis et iuribus quibuscunque ad dictam cameram pertinentibus ultra duos annos de solvendis illis ei aliquam non concedas dilacionem...
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106 I. Abhandlung : Loserth. Für die Einhebung des Zehents werden alle möglichen Er- leichterungen gewährt: es soll jede Münze als Zahlung ge- nommen werden, die in jenen Diöcesen üblich sei.1 In dieser Zeit der Noth ertönen plötzlich aus England her Rufe, welche die Einziehung jenes Kirchengutes verlangten, aus dem das Papstthum die Mittel zur Vertheidigung seines Besitzstandes zog. Der alte Ruf der Minoriten wurde wieder laut: die Kirche soll arm sein, wie sie es in den Tagen der Apostel gewesen. Man wird sich die Erbitterung vorstellen können, mit der man solche Rufe vernahm. Diese kehrten stark genug in Wiclif’s drittem Band von der bürgerlichen Herrschaft wieder. Wer die späteren so ausserordentlich leidenschaftlichen Angriffe Wiclif’s auf die Bettelorden, ,diese Secten‘, wie er sie mit einem stehenden, seine äusserste Verachtung bekundenden Ausdrucke nennt, gelesen hat, der wird im höchsten Grade überrascht sein, über sie so Gutes zu vernehmen, wie das in den meisten Abschnitten dieses Buches der Fall ist. Als er diesen Theil in Angriff nahm, war eben die Verurtheilung der bekannten 19 Lehrsätze, die man aus dem ersten Bande aus- gezogen hatte, noch nicht erfolgt, und die Polemik wandte sich denn auch nur gegen jene Mitglieder besitzender Orden, die seine Lehren vom Nutzen der Secularisation des Kirchengutes angriffen. Darum hält er auch noch mit Angriffen auf das Papstthum zurück. Er meint wohl gelegentlich, das Papstthum selbst sollte diese nothwendige Reform der Kirche in die Hand nehmen und die Laien mit der Verwaltung des Kirchengutes beauftragen.? Er könnte mit demselben Rechte die Kirche von der ungeheuren Last befreien, die Sylvester im Bunde mit 1 E registro Greg. XI, Cod. 280, Fol. 39b: Ne de moneta, in qua fiet et fieri debebit solutio dicte decime, valeat hesitari, vitenturque gravamina, que propter hoc viri ecclesiastici hactenus sunt perpessi, volumus, quod per te et succollectores ... ipsa decima ad monetam communiter curren- tem levetur ..., ita quod praetextu alicuius cambii debitores et solutores dicte decime non graventur. Si dominus papa potest committere alienigene ydiote sine hoc, quod ministret in suo beneficio secundum aliquod officium clericale potestatem et officium spoliandi clericos non convictos ex inhabilitate officii, quin a maiori potest tradere laico potestatem et iniungere sibi ministerium auferendi bona ecclesie a quocunque clerico abutente ...
106 I. Abhandlung : Loserth. Für die Einhebung des Zehents werden alle möglichen Er- leichterungen gewährt: es soll jede Münze als Zahlung ge- nommen werden, die in jenen Diöcesen üblich sei.1 In dieser Zeit der Noth ertönen plötzlich aus England her Rufe, welche die Einziehung jenes Kirchengutes verlangten, aus dem das Papstthum die Mittel zur Vertheidigung seines Besitzstandes zog. Der alte Ruf der Minoriten wurde wieder laut: die Kirche soll arm sein, wie sie es in den Tagen der Apostel gewesen. Man wird sich die Erbitterung vorstellen können, mit der man solche Rufe vernahm. Diese kehrten stark genug in Wiclif’s drittem Band von der bürgerlichen Herrschaft wieder. Wer die späteren so ausserordentlich leidenschaftlichen Angriffe Wiclif’s auf die Bettelorden, ,diese Secten‘, wie er sie mit einem stehenden, seine äusserste Verachtung bekundenden Ausdrucke nennt, gelesen hat, der wird im höchsten Grade überrascht sein, über sie so Gutes zu vernehmen, wie das in den meisten Abschnitten dieses Buches der Fall ist. Als er diesen Theil in Angriff nahm, war eben die Verurtheilung der bekannten 19 Lehrsätze, die man aus dem ersten Bande aus- gezogen hatte, noch nicht erfolgt, und die Polemik wandte sich denn auch nur gegen jene Mitglieder besitzender Orden, die seine Lehren vom Nutzen der Secularisation des Kirchengutes angriffen. Darum hält er auch noch mit Angriffen auf das Papstthum zurück. Er meint wohl gelegentlich, das Papstthum selbst sollte diese nothwendige Reform der Kirche in die Hand nehmen und die Laien mit der Verwaltung des Kirchengutes beauftragen.? Er könnte mit demselben Rechte die Kirche von der ungeheuren Last befreien, die Sylvester im Bunde mit 1 E registro Greg. XI, Cod. 280, Fol. 39b: Ne de moneta, in qua fiet et fieri debebit solutio dicte decime, valeat hesitari, vitenturque gravamina, que propter hoc viri ecclesiastici hactenus sunt perpessi, volumus, quod per te et succollectores ... ipsa decima ad monetam communiter curren- tem levetur ..., ita quod praetextu alicuius cambii debitores et solutores dicte decime non graventur. Si dominus papa potest committere alienigene ydiote sine hoc, quod ministret in suo beneficio secundum aliquod officium clericale potestatem et officium spoliandi clericos non convictos ex inhabilitate officii, quin a maiori potest tradere laico potestatem et iniungere sibi ministerium auferendi bona ecclesie a quocunque clerico abutente ...
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 107 Constantin ihr aufgeladen hat. Kann der Papst dem Geist- lichen eine Pfründe einfach nehmen, ohne die Frage seiner Tauglichkeit oder Unfähigkeit auch nur aufzuwerfen, so darf er die Dominien wohl auch überhaupt wieder an den Laien- stand zurückgeben. Hier bezieht sich Wiclif, wie es scheint, auf eine bisher ganz unbekannte Thatsache aus seinem Leben, nach welcher der Papst ihm eine verliehene Pfründe in der Kirche zu Lincoln wieder abnahm und einem jungen Ausländer übertrug.1 Das minderte die Achtung, die er vor dem Oberhaupt der Kirche hat, noch nicht; er gebraucht im Gegentheil oftmals derartige Wendungen, die uns über seine Ergebenheit gegen den römischen Stuhl nicht im Zweifel lassen." Diese erhielt erst durch die Verurtheilung seiner 19 Lehrsätze im Jahre 1377 einen argen Stoss. Auch da unterscheidet er noch lange zwischen dem gegenwärtigen Papst und dem Papst- thume, mit dem er erst in den Achtzigerjahren vollständig bricht — in derselben Zeit, in der sein Kampf mit den Bettel- mönchen auf der Höhe stand. In dem Buch von der bürger- lichen Herrschaft spricht er von den Bettelmönchen nur Gutes. Sie sind es ja, die seinem Ideal von der christlichen Geistlich- keit am nächsten stehen: sie suchen im Anschluss an den Wandel Christi und seiner Apostel die höchste Vollkommenheit auf Erden zu erreichen. Noch ist er weit entfernt, etwa mit seinem berühmten Zeitgenossen Chaucer zu sagen: Er hörte freundlich stets die Beichte an Und absolvierte höchst gefällig dann, Und wo er gute Spenden nur empfieng, Da war auch seine Pönitenz gering. Dominus papa abbas ordinis christiani potens obligare suos sub- ditos ... si exoneraret eos ab illo officio (der Verwaltung des Kirchen- gutes), ut redeant ad vitam liberiorem secundum statum primitive ecclesie . .. Et fidem istius sentencie vellem cum humilitate michi impri- mere, cum dominus papa dedit michi prebendam in ecclesia Lincolniensi et facta sollicitudine ad colligendum sibi primos fructus quadraginta quinque librarum contulit uni iuveni transmarino eandem prebendam per viam reservacionis abdite non facta inquisicione de in- habilitate persone mee nec facta instancia ex parte mea pro huiusmodi dispensacione. Ideo absit Romano pontifici imponere hanc avariciam, ut preter questum ...
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 107 Constantin ihr aufgeladen hat. Kann der Papst dem Geist- lichen eine Pfründe einfach nehmen, ohne die Frage seiner Tauglichkeit oder Unfähigkeit auch nur aufzuwerfen, so darf er die Dominien wohl auch überhaupt wieder an den Laien- stand zurückgeben. Hier bezieht sich Wiclif, wie es scheint, auf eine bisher ganz unbekannte Thatsache aus seinem Leben, nach welcher der Papst ihm eine verliehene Pfründe in der Kirche zu Lincoln wieder abnahm und einem jungen Ausländer übertrug.1 Das minderte die Achtung, die er vor dem Oberhaupt der Kirche hat, noch nicht; er gebraucht im Gegentheil oftmals derartige Wendungen, die uns über seine Ergebenheit gegen den römischen Stuhl nicht im Zweifel lassen." Diese erhielt erst durch die Verurtheilung seiner 19 Lehrsätze im Jahre 1377 einen argen Stoss. Auch da unterscheidet er noch lange zwischen dem gegenwärtigen Papst und dem Papst- thume, mit dem er erst in den Achtzigerjahren vollständig bricht — in derselben Zeit, in der sein Kampf mit den Bettel- mönchen auf der Höhe stand. In dem Buch von der bürger- lichen Herrschaft spricht er von den Bettelmönchen nur Gutes. Sie sind es ja, die seinem Ideal von der christlichen Geistlich- keit am nächsten stehen: sie suchen im Anschluss an den Wandel Christi und seiner Apostel die höchste Vollkommenheit auf Erden zu erreichen. Noch ist er weit entfernt, etwa mit seinem berühmten Zeitgenossen Chaucer zu sagen: Er hörte freundlich stets die Beichte an Und absolvierte höchst gefällig dann, Und wo er gute Spenden nur empfieng, Da war auch seine Pönitenz gering. Dominus papa abbas ordinis christiani potens obligare suos sub- ditos ... si exoneraret eos ab illo officio (der Verwaltung des Kirchen- gutes), ut redeant ad vitam liberiorem secundum statum primitive ecclesie . .. Et fidem istius sentencie vellem cum humilitate michi impri- mere, cum dominus papa dedit michi prebendam in ecclesia Lincolniensi et facta sollicitudine ad colligendum sibi primos fructus quadraginta quinque librarum contulit uni iuveni transmarino eandem prebendam per viam reservacionis abdite non facta inquisicione de in- habilitate persone mee nec facta instancia ex parte mea pro huiusmodi dispensacione. Ideo absit Romano pontifici imponere hanc avariciam, ut preter questum ...
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108 I. Abhandlung : Loserth. Sieht man genauer zu, so wird man die ersten Linien des Risses zwischen Wiclif und den Bettelmönchen, der sich bald zu einer unüberbrückbaren Kluft erweitert, schon in diesem Buche finden. Denn wenn er auch noch in seinen Ausfuhrungen auf das verdienstliche Leben etwa der Minoriten hinweist, einen Heinrich von Gent — den Doctor Solemnis mit hohem Lobe preist, weil er das Leben Christi und der Apostel sich zum Vorbild genommen, wenn er auch sagt, der Armuth soll der Clerus sich weihen, mit der bürgerlichen Herrschaft hat er nichts zu thun, wäre dies der Fall, so wird er aufhören, Clerus zu sein,1 so spricht er doch hier schon den Satz aus, den er später mit Eifer versieht: Einen einzigen Orden soll es geben, und das ist der Orden Jesu Christi. Unser Abt ist Christus, und der war im höchsten Sinne arm.2 Unter den Bettelorden lobt er die Minoriten am meisten," aber schon meint er, ihre Vorzüge könne auch ein Weltgeistlicher erreichen. Ueber die wechselseitigen Beziehungen der Kirchen- zur Staats- gewalt sagt er: In Bezug auf kirchliche Dinge ist der Papst, in Bezug auf weltliche Dinge der Kaiser höher stehend. Jener hat von aller Civilgewalt abzusehen, dieser ihm in allen welt- lichen Dingen behilflich zu sein; die Päpste, den Königen zu gehorchen, Steuern zu entrichten u. s. w. Was die Excom- municationen betrifft, ist der Laie nicht verhalten, ihnen ohne weiteres zu gehorchen, selbst denen des Papstes nicht; man habe hiebei zunächst den Rath katholischer Doctoren, vor allem aber des Evangeliums einzuholen. Wenn also der Papst die Eng- länder excommunicieren und über das Reich das Interdict aussprechen wollte, weil ihm dieses keine finanziellen Mittel gewähren wollte, so hätte das Reich keinen Grund, solche Massregeln zu fürchten. Die Excommunication muss andere Motive haben — etwa den Ungehorsam gegen das Evangelium. Wenn man sagt, die Kirche habe ein Recht, auch bürgerlich zu herrschen, denn sie habe dies Recht gelehrt und vertheidige 1 Ex istis lucescit descripcio quod civile dominium est dominium proprie- tarium activi viatoris super bonis future plene secundum leges humanas. Si autem isti tituli dominandi et actus eorum commixti fuerint, tunc sic dominans non est pure clericus. Abbas noster fuit summe pauper. 3 Augustini non debent tam altam paupertatem habere sicut fratres Minores.
108 I. Abhandlung : Loserth. Sieht man genauer zu, so wird man die ersten Linien des Risses zwischen Wiclif und den Bettelmönchen, der sich bald zu einer unüberbrückbaren Kluft erweitert, schon in diesem Buche finden. Denn wenn er auch noch in seinen Ausfuhrungen auf das verdienstliche Leben etwa der Minoriten hinweist, einen Heinrich von Gent — den Doctor Solemnis mit hohem Lobe preist, weil er das Leben Christi und der Apostel sich zum Vorbild genommen, wenn er auch sagt, der Armuth soll der Clerus sich weihen, mit der bürgerlichen Herrschaft hat er nichts zu thun, wäre dies der Fall, so wird er aufhören, Clerus zu sein,1 so spricht er doch hier schon den Satz aus, den er später mit Eifer versieht: Einen einzigen Orden soll es geben, und das ist der Orden Jesu Christi. Unser Abt ist Christus, und der war im höchsten Sinne arm.2 Unter den Bettelorden lobt er die Minoriten am meisten," aber schon meint er, ihre Vorzüge könne auch ein Weltgeistlicher erreichen. Ueber die wechselseitigen Beziehungen der Kirchen- zur Staats- gewalt sagt er: In Bezug auf kirchliche Dinge ist der Papst, in Bezug auf weltliche Dinge der Kaiser höher stehend. Jener hat von aller Civilgewalt abzusehen, dieser ihm in allen welt- lichen Dingen behilflich zu sein; die Päpste, den Königen zu gehorchen, Steuern zu entrichten u. s. w. Was die Excom- municationen betrifft, ist der Laie nicht verhalten, ihnen ohne weiteres zu gehorchen, selbst denen des Papstes nicht; man habe hiebei zunächst den Rath katholischer Doctoren, vor allem aber des Evangeliums einzuholen. Wenn also der Papst die Eng- länder excommunicieren und über das Reich das Interdict aussprechen wollte, weil ihm dieses keine finanziellen Mittel gewähren wollte, so hätte das Reich keinen Grund, solche Massregeln zu fürchten. Die Excommunication muss andere Motive haben — etwa den Ungehorsam gegen das Evangelium. Wenn man sagt, die Kirche habe ein Recht, auch bürgerlich zu herrschen, denn sie habe dies Recht gelehrt und vertheidige 1 Ex istis lucescit descripcio quod civile dominium est dominium proprie- tarium activi viatoris super bonis future plene secundum leges humanas. Si autem isti tituli dominandi et actus eorum commixti fuerint, tunc sic dominans non est pure clericus. Abbas noster fuit summe pauper. 3 Augustini non debent tam altam paupertatem habere sicut fratres Minores.
Strana 109
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 109 es, so ist sie eben in Irrthum verfallen. Und dann, von welcher Kirche wird gesprochen: von der allgemeinen Kirche ist die römische so gut nur ein Theil wie die englische. Es mögen immerhin Papst und Cardinäle so sprechen; sind sie dann auch überhaupt nur Christen? Sind sie nicht vielleicht von Ewigkeit her verworfen (praesciti)? Man begegnet hier zum zweitenmal dem Fundamentalsatze der Wiclif’schen Theologie: die Kirche, das ist die Gesammtheit aller Prädestinierten. Man sage heute, auch den Mönchen stehe dies Civil- regiment zu. Ja, den Mönchen! Das Gesicht eines Mönches soll nach Petrus Comestor von Thränen überströmen, sein Brustton sei vor Seufzern rauh, sein Essen mager, sein Schlaf kurz, lang sein Gebet, sein Wandel moralisch, sein Auftreten demüthig. Sind das aber die Zeichen eines Mannes, der eine bürgerliche Herrschaft ausübt? Am besten thut man, wieder- holt er, wenn man das Klostergut einzieht. Den Mönchen gäbe man hiedurch Gelegenheit, sich zu erheben und die Kirche auf die Reinheit der ersten Zeit zu bringen. Die Weltlichen sollen ja nicht unterlassen, hier Hand anzulegen. Man scheue nicht davor zurück, weil etwa auf diese Weise die Gebete für die Stifter nicht verrichtet würden. Ist es denn sicher, dass diese Gebete etwas taugen? Man kümmere sich also nicht um die Erlaubniss des Papstes. In England sei es langst aner- kannt, dass die Mönche beim Erwerb von irdischen Gütern das rechte Mass überschritten haben.1 Daher habe schon Eduard I. ihm ein Ziel gesetzt.2 Leider sei dies Gesetz nicht 1 Unde postquam preceptum est in regno nostro religiosos in acquisitione temporalium supergredi proporcionalem et prosperum statum regni, or- dinarunt evangelice vel pocius legem evangelicum ab oculis eorum abs- conditam promulgarunt, quod non permitteretur redditus devolvi in manus religiosorum, nisi prius diligenter notato, quod dampnum cederet regi et regno ex redditibus sic mortificatis, ut vel sic fiat regi vel regno ante licenciam recompensa. Que lex si foret radicitus rimata et debite exe- cuta, non foret tanta monstruositas diviciarum religiosorum super no- stros seculares dominos, sed ipsa supposita foret in brevi legaliter disso- luta... Auch hier sieht man wieder, wie genau Wiclif in der Geschichte der kirchenpolitischen Kämpfe seines Jahrhunderts unterrichtet ist. Es ist die englische beziehungsweise englisch-französische Opposition gegen Bo- nifaz VIII., es sind die Lehren der Minoriten, die er aufnimmt und weiter führt, und die er den weltlichen Gewalten zur Verfügung stellt.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 109 es, so ist sie eben in Irrthum verfallen. Und dann, von welcher Kirche wird gesprochen: von der allgemeinen Kirche ist die römische so gut nur ein Theil wie die englische. Es mögen immerhin Papst und Cardinäle so sprechen; sind sie dann auch überhaupt nur Christen? Sind sie nicht vielleicht von Ewigkeit her verworfen (praesciti)? Man begegnet hier zum zweitenmal dem Fundamentalsatze der Wiclif’schen Theologie: die Kirche, das ist die Gesammtheit aller Prädestinierten. Man sage heute, auch den Mönchen stehe dies Civil- regiment zu. Ja, den Mönchen! Das Gesicht eines Mönches soll nach Petrus Comestor von Thränen überströmen, sein Brustton sei vor Seufzern rauh, sein Essen mager, sein Schlaf kurz, lang sein Gebet, sein Wandel moralisch, sein Auftreten demüthig. Sind das aber die Zeichen eines Mannes, der eine bürgerliche Herrschaft ausübt? Am besten thut man, wieder- holt er, wenn man das Klostergut einzieht. Den Mönchen gäbe man hiedurch Gelegenheit, sich zu erheben und die Kirche auf die Reinheit der ersten Zeit zu bringen. Die Weltlichen sollen ja nicht unterlassen, hier Hand anzulegen. Man scheue nicht davor zurück, weil etwa auf diese Weise die Gebete für die Stifter nicht verrichtet würden. Ist es denn sicher, dass diese Gebete etwas taugen? Man kümmere sich also nicht um die Erlaubniss des Papstes. In England sei es langst aner- kannt, dass die Mönche beim Erwerb von irdischen Gütern das rechte Mass überschritten haben.1 Daher habe schon Eduard I. ihm ein Ziel gesetzt.2 Leider sei dies Gesetz nicht 1 Unde postquam preceptum est in regno nostro religiosos in acquisitione temporalium supergredi proporcionalem et prosperum statum regni, or- dinarunt evangelice vel pocius legem evangelicum ab oculis eorum abs- conditam promulgarunt, quod non permitteretur redditus devolvi in manus religiosorum, nisi prius diligenter notato, quod dampnum cederet regi et regno ex redditibus sic mortificatis, ut vel sic fiat regi vel regno ante licenciam recompensa. Que lex si foret radicitus rimata et debite exe- cuta, non foret tanta monstruositas diviciarum religiosorum super no- stros seculares dominos, sed ipsa supposita foret in brevi legaliter disso- luta... Auch hier sieht man wieder, wie genau Wiclif in der Geschichte der kirchenpolitischen Kämpfe seines Jahrhunderts unterrichtet ist. Es ist die englische beziehungsweise englisch-französische Opposition gegen Bo- nifaz VIII., es sind die Lehren der Minoriten, die er aufnimmt und weiter führt, und die er den weltlichen Gewalten zur Verfügung stellt.
Strana 110
110 I. Abhandlung: Loserth. vollkommen durchgeführt worden, und man kann nun auf einen Verlust hinweisen, der all das Baargeld weit überragt, das der Staat aus den Abgaben erhält. Wenn es aber einmal dahin gekommen ist, dass man des Königs Almosen für andere fromme Zwecke verwendet, so wird man dann seine Entscheidungen nicht mehr in Rom holen, da wir ja unseren Herrgott haben, dessen Autorität die grössere ist. Damit das aber nicht indiscret geschehe, versammle man auf des Königs Befehl eine Synode. Man wird dann feststellen, dass unwürdige Cleriker keinesfalls zum Schaden des englischen Volkes auf so viele und grosse Einkünfte ein Recht besitzen. Der Schaden, der unserem englischen Reiche zugefügt wird, ist schon an und für sich durch die ungeheure Zahl unserer Cleriker und deren schlechte Beschaffenheit ein grosser. Diese Zahl mehrt sich im Verhältniss zur Grösse der Güter der todten Hand. Die Doctoren der Kirche müssen dagegen ihre Worte wie einen Bogen spannen, die weltlichen Herren die Hand aus- strecken, um diese Uebel zu bannen. Von dem Ertrag der eingezogenen Güter gebe man dem Clerus ein dürftiges Aus- kommen, theile den Armen zu und richte Kirchen und Häuser für den Gottesdienst her. Wie dann weiter mit dem einge- zogenen Gut zu verfahren ist, legt Wiclif in Kürze dar. Solche Stiftungen, wie England nur zu viel hat, sollte man in keinem Falle mehr errichten. Möge ja niemand glauben, dass selbst die grösste Menge von Seelenmessen, die für die Ruhe eines Potentaten gelesen werden, diesem nütze: mehr thue das Gebet der Armen. Es sei besser, wenn solcher Be- sitz nach einem Verstorbenen ,wie die Tropfen des Regens" unter die Armen vertheilt werde. Selbst ein Mann wie Beda habe in einem seiner Briefe die Schenkungen der englischen Könige an die Kirche im höchsten Grade thöricht genannt. Es bringe durchaus nur Gefahr, solche ,officielle‘ Fürbitter zu haben, denn es mache den Reichen übermüthig, da es ihm ein zu festes Vertrauen auf die Kraft dieser Gebete einflösse, die ja nur dann einen Werth haben, wenn der Betende selbst ein würdiger Jünger Christi ist, es hefte den Besitz bei der todten Hand fest, statt ihn den Armen zu lassen, und mehre die Zahl dieser unnützen Almosenträger, die den Staat in Verwirrung
110 I. Abhandlung: Loserth. vollkommen durchgeführt worden, und man kann nun auf einen Verlust hinweisen, der all das Baargeld weit überragt, das der Staat aus den Abgaben erhält. Wenn es aber einmal dahin gekommen ist, dass man des Königs Almosen für andere fromme Zwecke verwendet, so wird man dann seine Entscheidungen nicht mehr in Rom holen, da wir ja unseren Herrgott haben, dessen Autorität die grössere ist. Damit das aber nicht indiscret geschehe, versammle man auf des Königs Befehl eine Synode. Man wird dann feststellen, dass unwürdige Cleriker keinesfalls zum Schaden des englischen Volkes auf so viele und grosse Einkünfte ein Recht besitzen. Der Schaden, der unserem englischen Reiche zugefügt wird, ist schon an und für sich durch die ungeheure Zahl unserer Cleriker und deren schlechte Beschaffenheit ein grosser. Diese Zahl mehrt sich im Verhältniss zur Grösse der Güter der todten Hand. Die Doctoren der Kirche müssen dagegen ihre Worte wie einen Bogen spannen, die weltlichen Herren die Hand aus- strecken, um diese Uebel zu bannen. Von dem Ertrag der eingezogenen Güter gebe man dem Clerus ein dürftiges Aus- kommen, theile den Armen zu und richte Kirchen und Häuser für den Gottesdienst her. Wie dann weiter mit dem einge- zogenen Gut zu verfahren ist, legt Wiclif in Kürze dar. Solche Stiftungen, wie England nur zu viel hat, sollte man in keinem Falle mehr errichten. Möge ja niemand glauben, dass selbst die grösste Menge von Seelenmessen, die für die Ruhe eines Potentaten gelesen werden, diesem nütze: mehr thue das Gebet der Armen. Es sei besser, wenn solcher Be- sitz nach einem Verstorbenen ,wie die Tropfen des Regens" unter die Armen vertheilt werde. Selbst ein Mann wie Beda habe in einem seiner Briefe die Schenkungen der englischen Könige an die Kirche im höchsten Grade thöricht genannt. Es bringe durchaus nur Gefahr, solche ,officielle‘ Fürbitter zu haben, denn es mache den Reichen übermüthig, da es ihm ein zu festes Vertrauen auf die Kraft dieser Gebete einflösse, die ja nur dann einen Werth haben, wenn der Betende selbst ein würdiger Jünger Christi ist, es hefte den Besitz bei der todten Hand fest, statt ihn den Armen zu lassen, und mehre die Zahl dieser unnützen Almosenträger, die den Staat in Verwirrung
Strana 111
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 111 bringen. Es lebe ein Jeder so, dass er diese Zwischenträger nicht braucht, da Christus allein sein Mittler sei. Mit diesem Appell schliesst der ebenso wort- als gedankenreiche Tractat von der bürgerlichen Herrschaft. Niemals hatte man mit grösserem Nachdruck für die Secularisierung des Kirchengutes in England gesprochen. Es waren Weckrufe, die alle Leidenschaften wachrufen mussten. Bisher hatte der Herzog von Lancaster seine schützende Hand über Wiclif gehalten, er fragte sich, ob diese auch stark genug und ob sie geneigt sein würde, ihn vor dem Sturm zu schützen, der nun von Rom aus im Anzuge war. Excurse. 1. Wiclif und Occam. Am ausführlichsten spricht Wiclif über sein Verhältniss zu Occam in seinem Buch ,Von der Wahrheit der heil. Schrift’.1 Ein Doctor, den er bisher für seinen besonderen Freund und einen hervorragenden Vertheidiger ,der katholischen Wahrheit" gehalten, hat Wiclif mit persönlichen Verdächtigungen über- schüttet. Die will Wiclif geduldig tragen, aber einen Angriff, wobei Gottes Ehre und der Vortheil der Kirche in Frage kommt, darf er nicht dulden." Wenn ihm jemand vorwerfe, er und alle seine Gönner seien Ketzer, so dürfe er dazu nicht schweigen, weil dies ein Aergerniss gäbe. Unter den Vor� würfen, die ihm gemacht werden, ist nun auch der, dass er gleich allen Ketzern sich unter den Schutz des weltlichen Armes flüchte. Das hätte auch der Ketzer Occam und seine Anhänger gethan: vor das Gericht des Papstes wollten sie sich nicht stellen, ja dies hätten sie wie Gift geflohen. Das thue auch Wiclif. Dieser antwortet, die Annahme, dass der Venera- bilis Inceptor Occam ein Ketzer sei, könne sein Gegner nicht 1 Noch ungedruckt. Die hieher gehörenden Stellen hat Lechler II, 605 — 621 mitgetheilt. S. auch Fasc. Ziz. ed. Shirley LIII. tamen necesse est mihi ob honorem Dei et profectum ecclesie, ut tollam ab ea scandalum, quod darem ex taciturnitate culpabili..
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 111 bringen. Es lebe ein Jeder so, dass er diese Zwischenträger nicht braucht, da Christus allein sein Mittler sei. Mit diesem Appell schliesst der ebenso wort- als gedankenreiche Tractat von der bürgerlichen Herrschaft. Niemals hatte man mit grösserem Nachdruck für die Secularisierung des Kirchengutes in England gesprochen. Es waren Weckrufe, die alle Leidenschaften wachrufen mussten. Bisher hatte der Herzog von Lancaster seine schützende Hand über Wiclif gehalten, er fragte sich, ob diese auch stark genug und ob sie geneigt sein würde, ihn vor dem Sturm zu schützen, der nun von Rom aus im Anzuge war. Excurse. 1. Wiclif und Occam. Am ausführlichsten spricht Wiclif über sein Verhältniss zu Occam in seinem Buch ,Von der Wahrheit der heil. Schrift’.1 Ein Doctor, den er bisher für seinen besonderen Freund und einen hervorragenden Vertheidiger ,der katholischen Wahrheit" gehalten, hat Wiclif mit persönlichen Verdächtigungen über- schüttet. Die will Wiclif geduldig tragen, aber einen Angriff, wobei Gottes Ehre und der Vortheil der Kirche in Frage kommt, darf er nicht dulden." Wenn ihm jemand vorwerfe, er und alle seine Gönner seien Ketzer, so dürfe er dazu nicht schweigen, weil dies ein Aergerniss gäbe. Unter den Vor� würfen, die ihm gemacht werden, ist nun auch der, dass er gleich allen Ketzern sich unter den Schutz des weltlichen Armes flüchte. Das hätte auch der Ketzer Occam und seine Anhänger gethan: vor das Gericht des Papstes wollten sie sich nicht stellen, ja dies hätten sie wie Gift geflohen. Das thue auch Wiclif. Dieser antwortet, die Annahme, dass der Venera- bilis Inceptor Occam ein Ketzer sei, könne sein Gegner nicht 1 Noch ungedruckt. Die hieher gehörenden Stellen hat Lechler II, 605 — 621 mitgetheilt. S. auch Fasc. Ziz. ed. Shirley LIII. tamen necesse est mihi ob honorem Dei et profectum ecclesie, ut tollam ab ea scandalum, quod darem ex taciturnitate culpabili..
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112 I. Abhandlung : Loserth. erweisen, der selbst gerade da, wo man dem Occam den Vor- wurf einer Ketzerei machen könnte, diesem wortgetreu folge. „Ich aber,' sagt Wiclif, ,habe meine Conclusionen nicht aus Occam genommen: sie stammen aus der heil. Schrift und sind von heil. Doctoren oftmals angefuhrt worden.1 Eine Ketzerei Occam's wüsste ich nicht nachzuweisen. Auch dieser Doctor wird es nicht können. Ist er doch selbst in vielen Punkten sein Jünger. Ich aber freue mich, wenn ich in der Wahrheit auch mit Occam in Uebereinstimmung bin. Danach ist es richtig, dass Wiclif die meisten Schriften Occam’s kannte, wenn auch nicht alle, ohne von ihnen seinen Ausgangspunkt zu suchen oder sie wörtlich und ohne Prüfung zu übernehmen. 2. Papst Gregor XI. und Wiclif. Dass Wiclif nicht so früh, wie man bisher gemeint hat, als „Reformator‘ thätig war, ergibt sich auch aus einer Betrachtung der Art und Weise, wie Gregor XI. in Fragen des Glaubens und der Lehre vorgieng. Die Verurtheilung der 18 Thesen Wiclif’s durch Gregor XI. hat auf Wiclif einen so tiefen Ein- druck gemacht, dass wir die Folgen davon in allen seinen späteren Schriften spüren: in seinen ausserordentlich leiden- schaftlichen Ausfallen gegen diesen Papst, dessen Gestalt in wahrhaft fratzenhafter Weise bei ihm verstellt ist. Wer sie liest, meint, darin in gewissem Sinne einen persönlichen Zug zu sehen. Und doch ist Gregor XI. gegen Wiclif nicht härter und nicht anders verfahren als sonst, wenn er irgendwo eine Abweichung vom rechten Glauben zu bemerken vermeinte. Gewiss war Wiclif ihm verhasst, aber nicht anders als ein jeder andere Ketzer, und nicht anders als gegen Wiclif ist 1 Quantum ad exprobacionem Inceptoris Occam, quem dicit me sequi nec aliquid novitatis invenire nisi quod in libris suis inseritur, hic dico tria: primo quod ego nescio ipsum probare fuisse hereticum, sicut forte nec doctor; secundo dico quod conclusiones mec nec ab ipso nec ab me sumpserunt originem, cum sint in scriptura sacra stabilite ..; tercio dico quantum ad libros huius Venerabilis In- ceptoris, quos ego vidi (demnach wohl nicht alle), doctor est in pluri- bus sequax suus assiduus . . .
112 I. Abhandlung : Loserth. erweisen, der selbst gerade da, wo man dem Occam den Vor- wurf einer Ketzerei machen könnte, diesem wortgetreu folge. „Ich aber,' sagt Wiclif, ,habe meine Conclusionen nicht aus Occam genommen: sie stammen aus der heil. Schrift und sind von heil. Doctoren oftmals angefuhrt worden.1 Eine Ketzerei Occam's wüsste ich nicht nachzuweisen. Auch dieser Doctor wird es nicht können. Ist er doch selbst in vielen Punkten sein Jünger. Ich aber freue mich, wenn ich in der Wahrheit auch mit Occam in Uebereinstimmung bin. Danach ist es richtig, dass Wiclif die meisten Schriften Occam’s kannte, wenn auch nicht alle, ohne von ihnen seinen Ausgangspunkt zu suchen oder sie wörtlich und ohne Prüfung zu übernehmen. 2. Papst Gregor XI. und Wiclif. Dass Wiclif nicht so früh, wie man bisher gemeint hat, als „Reformator‘ thätig war, ergibt sich auch aus einer Betrachtung der Art und Weise, wie Gregor XI. in Fragen des Glaubens und der Lehre vorgieng. Die Verurtheilung der 18 Thesen Wiclif’s durch Gregor XI. hat auf Wiclif einen so tiefen Ein- druck gemacht, dass wir die Folgen davon in allen seinen späteren Schriften spüren: in seinen ausserordentlich leiden- schaftlichen Ausfallen gegen diesen Papst, dessen Gestalt in wahrhaft fratzenhafter Weise bei ihm verstellt ist. Wer sie liest, meint, darin in gewissem Sinne einen persönlichen Zug zu sehen. Und doch ist Gregor XI. gegen Wiclif nicht härter und nicht anders verfahren als sonst, wenn er irgendwo eine Abweichung vom rechten Glauben zu bemerken vermeinte. Gewiss war Wiclif ihm verhasst, aber nicht anders als ein jeder andere Ketzer, und nicht anders als gegen Wiclif ist 1 Quantum ad exprobacionem Inceptoris Occam, quem dicit me sequi nec aliquid novitatis invenire nisi quod in libris suis inseritur, hic dico tria: primo quod ego nescio ipsum probare fuisse hereticum, sicut forte nec doctor; secundo dico quod conclusiones mec nec ab ipso nec ab me sumpserunt originem, cum sint in scriptura sacra stabilite ..; tercio dico quantum ad libros huius Venerabilis In- ceptoris, quos ego vidi (demnach wohl nicht alle), doctor est in pluri- bus sequax suus assiduus . . .
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 113 dieser Papst vorgegangen gegen Ketzereien, die er in Deutsch- land, in Italien und Frankreich bemerkte. Besorgt um die Reinhaltung der Kirchenlehre wie kaum ein anderer seiner Vor- gänger, durfte er auch England keine Ausnahme gestatten. Sobald er eine Abweichung von der Lehre der Kirche fand, zögerte er nicht, dagegen einzuschreiten, und dass er gegen Wiclif nicht früher als 1377 vorgieng, darf auch mit als ein Beweis gelten, dass dessen ,reformatorisches' Auftreten nicht viel früher anzusetzen ist. Dass er nicht blos gegen die ,Irrlehre" in England allein auftrat, wird meistens zu wenig betont, und es ist daher nothwendig, darauf hinzuweisen. Es ist in seinem Vorgehen gegen Wiclif nichts Ausserordentliches zu sehen. Am 29. October 1374 liess er ein in catalanischer Sprache ver- fasstes Buch eines Raimund Lul(?), weil es ketzerische Lehren enthalte, mit Beschlag belegen.1 Am 21. Juli 1375 schreibt er an die Markgrafen Friedrich, Balthasar und Wilhelm von Meissen, sie möchten dem Inquisitor Hermann von Hetstadt Hilfe und Förderung erweisen. In gleichem Sinne schreibt er an Günther von Schwarzburg.? In einem Dorfe Savoyens hatten Waldesier den Inquisitor Antonio Salviani, der in einer Kirche wider sie gepredigt hatte, erschlagen. Da liess der Papst nicht nur gegen die Mörder eine gründliche Untersuchung einleiten, sondern gieng den Waldesiern im nördlichen Italien, in Savoyen, dem Delphinat, in Venaissin und anderen Landschaften überhaupt scharf zu Leibe. Nicht weniger als 20 Schriftstücke sind noch im Jahre 1375 wider sie ausgegangen. Zunächst wurde der Graf Amadeo von Savoyen ersucht, die Uebelthäter zu strafen und zu diesem Zwecke dem Bischof von Turin in der Auskundschaftung der Schuldigen an die Hand zu gehen." Dieselbe Weisung gieng an den Inquisitor in der oberen 1 Francisco Borelle et Petro de Sancto Amantio officialibus episcopi Bar- chinonensis: quod quendam librum in vulgari editum (in pergamenis et vulgari cathalanico scriptum) per Raymundum Lul.. (cod. Bul.) conti- nentem certos errores hereticales, quem habet notarius dicti episcopi recipiant et mittant fideliter pape. Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 201. Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 39ab... quod fratri Hermanno de Hetstede ordinis praedicatorum inquisitori heretice pravitatis prestent auxilium et favorem ... Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 19. 3
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 113 dieser Papst vorgegangen gegen Ketzereien, die er in Deutsch- land, in Italien und Frankreich bemerkte. Besorgt um die Reinhaltung der Kirchenlehre wie kaum ein anderer seiner Vor- gänger, durfte er auch England keine Ausnahme gestatten. Sobald er eine Abweichung von der Lehre der Kirche fand, zögerte er nicht, dagegen einzuschreiten, und dass er gegen Wiclif nicht früher als 1377 vorgieng, darf auch mit als ein Beweis gelten, dass dessen ,reformatorisches' Auftreten nicht viel früher anzusetzen ist. Dass er nicht blos gegen die ,Irrlehre" in England allein auftrat, wird meistens zu wenig betont, und es ist daher nothwendig, darauf hinzuweisen. Es ist in seinem Vorgehen gegen Wiclif nichts Ausserordentliches zu sehen. Am 29. October 1374 liess er ein in catalanischer Sprache ver- fasstes Buch eines Raimund Lul(?), weil es ketzerische Lehren enthalte, mit Beschlag belegen.1 Am 21. Juli 1375 schreibt er an die Markgrafen Friedrich, Balthasar und Wilhelm von Meissen, sie möchten dem Inquisitor Hermann von Hetstadt Hilfe und Förderung erweisen. In gleichem Sinne schreibt er an Günther von Schwarzburg.? In einem Dorfe Savoyens hatten Waldesier den Inquisitor Antonio Salviani, der in einer Kirche wider sie gepredigt hatte, erschlagen. Da liess der Papst nicht nur gegen die Mörder eine gründliche Untersuchung einleiten, sondern gieng den Waldesiern im nördlichen Italien, in Savoyen, dem Delphinat, in Venaissin und anderen Landschaften überhaupt scharf zu Leibe. Nicht weniger als 20 Schriftstücke sind noch im Jahre 1375 wider sie ausgegangen. Zunächst wurde der Graf Amadeo von Savoyen ersucht, die Uebelthäter zu strafen und zu diesem Zwecke dem Bischof von Turin in der Auskundschaftung der Schuldigen an die Hand zu gehen." Dieselbe Weisung gieng an den Inquisitor in der oberen 1 Francisco Borelle et Petro de Sancto Amantio officialibus episcopi Bar- chinonensis: quod quendam librum in vulgari editum (in pergamenis et vulgari cathalanico scriptum) per Raymundum Lul.. (cod. Bul.) conti- nentem certos errores hereticales, quem habet notarius dicti episcopi recipiant et mittant fideliter pape. Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 201. Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 39ab... quod fratri Hermanno de Hetstede ordinis praedicatorum inquisitori heretice pravitatis prestent auxilium et favorem ... Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 19. 3
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114 I. Abhandlung: Loserth. Lombardei.1 Gleich darauf ersuchte er den König von Frank- reich, er möchte den Inquisitor von Frankreich vorrufen, sich über die im Delphinate herrschenden Ketzereien belehren lassen und dann das Seinige thun, dass diese Ketzereien ausgetilgt werden." Dem Papste hatte der Inquisitor gemeldet: es gebe im Delphinate gar so viele Ketzer, und das sei kein Wunder, denn der Gubernator Karl von Bainville kümmere sich nicht um sie, daher nehmen sie an Zahl fortwährend zu; es sei die allerhöchste Zeit, gegen sie einzuschreiten. Der Erzbischof von Paris erhielt den Befehl, den König zu bewegen, eine Abordnung in den Delphinat zu senden, um den Sachverhalt zu untersuchen.? Dem Ritter Antonio de Vinayo wird verboten, den Ketzern Schutz zu geben. In demselben Sinne wird an zahlreiche Grosse im Delphinate geschrieben.4 Dem Gouverneur wird befohlen, seine frühere Lässigkeit fahren zu lassen." Strenge Weisungen wurden an die Bichöfe jener Länder, an die Inquisitoren und die Landesobrigkeiten gesandt. Eine hinreichende Anzahl von Glaubenspredigern hat sich dahin zu verfügen.“ Dem Bischof von Marseille und dem Inqui- sitor Borelli wird aufgetragen, genaue Sorge zu tragen, dass die Prälaten in ihren Städten den Unterhalt für die gefangenen Ketzer beistellen, ebenso erhalten sie Machtbefugniss, in ge- wissen Landschaften Ketzer und der Ketzerei Verdächtige zu verfolgen, zur Anlage von Kerkern für die Ketzer und zur Erhaltung der Inquisitoren haben endlich der Erzbischof von 1 2 5 6 Reg. Greg. XI., Col. 271, Fol. 19. Carolo regi ... quod evocato ad se inquisitore Francie, a quo de non- nullis hereticis in partibus Dalphinatus consistentibus poterit informari, ad ipsos hereticos extirpandos prestet auxilium et favorem. Dat. Avin. Non. Maii anno V. Ibid. Fol. 29. 30. Ebenda Fol. 30. Antonio domino de Vinayo (quod hereticis non faveat) ... Pluribus aliis super eodem . . . Johanni de Viviaco .. . Bernardo de Monte Lorico, Helionore domine de Castro Villani, Archando de Archiis... domino de Malebeco, Gaufredo de Claremonte ... Ademario de Rossilione ... etc. eodem modo ... Quatenus preteritam negligenciam emendare procuret... Cod. 267, Fol. 49. 50. Fol. 31, Fol. 37 de dato XV Kal. Julii... V Id. Aug. und Non. Octobris.
114 I. Abhandlung: Loserth. Lombardei.1 Gleich darauf ersuchte er den König von Frank- reich, er möchte den Inquisitor von Frankreich vorrufen, sich über die im Delphinate herrschenden Ketzereien belehren lassen und dann das Seinige thun, dass diese Ketzereien ausgetilgt werden." Dem Papste hatte der Inquisitor gemeldet: es gebe im Delphinate gar so viele Ketzer, und das sei kein Wunder, denn der Gubernator Karl von Bainville kümmere sich nicht um sie, daher nehmen sie an Zahl fortwährend zu; es sei die allerhöchste Zeit, gegen sie einzuschreiten. Der Erzbischof von Paris erhielt den Befehl, den König zu bewegen, eine Abordnung in den Delphinat zu senden, um den Sachverhalt zu untersuchen.? Dem Ritter Antonio de Vinayo wird verboten, den Ketzern Schutz zu geben. In demselben Sinne wird an zahlreiche Grosse im Delphinate geschrieben.4 Dem Gouverneur wird befohlen, seine frühere Lässigkeit fahren zu lassen." Strenge Weisungen wurden an die Bichöfe jener Länder, an die Inquisitoren und die Landesobrigkeiten gesandt. Eine hinreichende Anzahl von Glaubenspredigern hat sich dahin zu verfügen.“ Dem Bischof von Marseille und dem Inqui- sitor Borelli wird aufgetragen, genaue Sorge zu tragen, dass die Prälaten in ihren Städten den Unterhalt für die gefangenen Ketzer beistellen, ebenso erhalten sie Machtbefugniss, in ge- wissen Landschaften Ketzer und der Ketzerei Verdächtige zu verfolgen, zur Anlage von Kerkern für die Ketzer und zur Erhaltung der Inquisitoren haben endlich der Erzbischof von 1 2 5 6 Reg. Greg. XI., Col. 271, Fol. 19. Carolo regi ... quod evocato ad se inquisitore Francie, a quo de non- nullis hereticis in partibus Dalphinatus consistentibus poterit informari, ad ipsos hereticos extirpandos prestet auxilium et favorem. Dat. Avin. Non. Maii anno V. Ibid. Fol. 29. 30. Ebenda Fol. 30. Antonio domino de Vinayo (quod hereticis non faveat) ... Pluribus aliis super eodem . . . Johanni de Viviaco .. . Bernardo de Monte Lorico, Helionore domine de Castro Villani, Archando de Archiis... domino de Malebeco, Gaufredo de Claremonte ... Ademario de Rossilione ... etc. eodem modo ... Quatenus preteritam negligenciam emendare procuret... Cod. 267, Fol. 49. 50. Fol. 31, Fol. 37 de dato XV Kal. Julii... V Id. Aug. und Non. Octobris.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 115 Arles und andere Erzbischöfe und Suffragane die Summe von 5800 Goldgulden aufzubringen. Zugleich wurden gewisse Ver- ordnungen Bonifaz' VIII. erneuert. Das Predigtamt in den von der Ketzerei angesteckten Landschaften wird nunmehr den Predigermönchen, den Eremiten, Carmelitern und Mino- riten übertragen.1 Wir erfahren aus der Bulle, dass er vor- nehmlich die Landschaften um Arles, Aix, Viennois, Tarantaise meinte, die voll von Ketzern sind. Gegen diese wird, wie man sieht, ein förmlicher Vernichtungskrieg eingeleitet — doch ist nicht beabsichtigt, ihn in blutiger Weise in Scene zu setzen. Dahin deuten wenigstens die Acten aus einem Ketzerprocess, der unter Leitung des Inquisitors Francesco Borelli im Juni 1376 zu Grenoble geführt wurde. Die Richter halten es für heiliger, ein Verbrechen ungesühnt zu lassen, als einen Schuldlosen zu strafen, denn in peinlichen Sachen müssen die Beweise klarer sein als der Sonnenschein, und um eines blossen Verdachtes willen darf Niemand als Verbrecher ver- urtheilt werden." Aus diesen Processen erfahren wir, dass die Curie selbst hierzulande hiebei nicht mehr auf die werkthätige Hilfe des weltlichen Armes rechnen durfte; wenigstens fand Borelli schon das Jahr zuvor Grund zu Beschwerden, dass ihm die nothwendige Unterstützung der Laiengewalt fehle," und Gregor XI. sah sich gezwungen, hierüber nicht blos an den Gouverneur des Delphinates von Vienne zu schreiben, sondern auch den Herzog Ludwig von Anjou zu ersuchen, 1 Cum sicut relatibus fidedignis dolenter audivimus in partibus Arela- tensis, Aquensis, Ebredunensis et Viennensis (... oben ist auch noch Tarantaise genannt) civitatum diocesium ... sint nonnulle persone utrius- que sexus infecte diversis erroribus heretice pravitatis, et hoc ex de- fectu predicatorum catholice puritatis . . . mandamus qua- tenus etc.... Reg. Greg. XI, Cod. 267, Fol. 22a. Ex arch. Vat. Miscell. ab anno 1376, Sig. 237: sanccius existimantes fascinus (sic) impunitum dimittere quam innocentem dampnare, maxime quia in criminalibus oportet esse probaciones luce clariores, presertim eciam cum nullus debeat propter solam suspicionem quamvis vehementem de tanto crimine condempnari... Gregorius XI gubernatori ac consiliario Dalphinatus Viennensis quod impedimenta per ipsos facta inquisitori heretice pravitatis in Dalphinatu in suo inquisicionis officio contenta in cedula interclusa studeant emen- dare ... Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 78.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 115 Arles und andere Erzbischöfe und Suffragane die Summe von 5800 Goldgulden aufzubringen. Zugleich wurden gewisse Ver- ordnungen Bonifaz' VIII. erneuert. Das Predigtamt in den von der Ketzerei angesteckten Landschaften wird nunmehr den Predigermönchen, den Eremiten, Carmelitern und Mino- riten übertragen.1 Wir erfahren aus der Bulle, dass er vor- nehmlich die Landschaften um Arles, Aix, Viennois, Tarantaise meinte, die voll von Ketzern sind. Gegen diese wird, wie man sieht, ein förmlicher Vernichtungskrieg eingeleitet — doch ist nicht beabsichtigt, ihn in blutiger Weise in Scene zu setzen. Dahin deuten wenigstens die Acten aus einem Ketzerprocess, der unter Leitung des Inquisitors Francesco Borelli im Juni 1376 zu Grenoble geführt wurde. Die Richter halten es für heiliger, ein Verbrechen ungesühnt zu lassen, als einen Schuldlosen zu strafen, denn in peinlichen Sachen müssen die Beweise klarer sein als der Sonnenschein, und um eines blossen Verdachtes willen darf Niemand als Verbrecher ver- urtheilt werden." Aus diesen Processen erfahren wir, dass die Curie selbst hierzulande hiebei nicht mehr auf die werkthätige Hilfe des weltlichen Armes rechnen durfte; wenigstens fand Borelli schon das Jahr zuvor Grund zu Beschwerden, dass ihm die nothwendige Unterstützung der Laiengewalt fehle," und Gregor XI. sah sich gezwungen, hierüber nicht blos an den Gouverneur des Delphinates von Vienne zu schreiben, sondern auch den Herzog Ludwig von Anjou zu ersuchen, 1 Cum sicut relatibus fidedignis dolenter audivimus in partibus Arela- tensis, Aquensis, Ebredunensis et Viennensis (... oben ist auch noch Tarantaise genannt) civitatum diocesium ... sint nonnulle persone utrius- que sexus infecte diversis erroribus heretice pravitatis, et hoc ex de- fectu predicatorum catholice puritatis . . . mandamus qua- tenus etc.... Reg. Greg. XI, Cod. 267, Fol. 22a. Ex arch. Vat. Miscell. ab anno 1376, Sig. 237: sanccius existimantes fascinus (sic) impunitum dimittere quam innocentem dampnare, maxime quia in criminalibus oportet esse probaciones luce clariores, presertim eciam cum nullus debeat propter solam suspicionem quamvis vehementem de tanto crimine condempnari... Gregorius XI gubernatori ac consiliario Dalphinatus Viennensis quod impedimenta per ipsos facta inquisitori heretice pravitatis in Dalphinatu in suo inquisicionis officio contenta in cedula interclusa studeant emen- dare ... Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 78.
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116 I. Abhandlung : Loserth. sich beim König dafür einzusetzen, dass das Gouvernement im Delphinate einem Anderen verliehen werde.1 Bekannter als alle diese Vorgänge ist das Verhalten Gregors XI. gegenüber einem der sogenannten Vorläufer der husitischen Bewegung — Milicz von Kremsier. Am 10. Februar 1374 richtete der Papst ein Schreiben an Karl IV.: Er habe vernommen, dass ein gewisser Milicius unter dem Scheine der Heiligkeit sich das Predigtamt anmasse und nicht blos ärgerliche, sondern geradezu ketzerische Lehren im böhmischen Lande und den Nachbarprovinzen ausstreue. Der Erzbischof von Prag und die Bischöfe von Leitomischl, Olmütz und Breslau seien bereits beauftragt, fleissige Inquisition im Lande zu halten, der Kaiser aber werde ihnen seine Unterstützung nicht ver- sagen.2 Schliesslich wandte sich der Papst nochmals in diesem Jahre — es war am 15. October — an Karl IV.: diesmal galt es dem Sachsenspiegel, aus dem er eine Zahl von Sätzen, die von einer Commission gelehrter Männer ausgehoben wurden, verdammte. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln, Magdeburg, Prag und Regensburg nebst ihren Suffraganen seien beauftragt, die Processe zu veröffentlichen, und der Kaiser wird ersucht, hiezu seine Unterstützung zu gewahren." Man wird aus alledem entnehmen, dass der Papst mit besonderem Eifer gegen die Ketzereien aller Länder auftritt. Sein Vorgehen gegen Wiclif ist daher kein vereinzelter Fall und nicht, wie man wohl gemeint hat, hervorgerufen aus der Furcht vor dem Verlust der Güter der todten Hand. Es ist etwas an dem, dass die Curialisten4 diesen ja auch später von keiner geringeren als der Hand Raffaels verherrlichten 1 De quo videbitur recipere iuramentum fidelitatis Romane ecclesie debi- tum a Carolo regis Francorum primogenito prestandum VI Kal. Oct. anno V. Ibid. Cod. 271, Fol. 145. Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. XIIIa et Indice Fol. III, übrigens auch in Raynald (gut) abgedruckt. Reg. Greg. XI„, Cod. 270, Fol. 62b. Recte ergo Platina Gregorii obitum describens eum vocat virum sanctum. Ipse Urbanus VI ita eciam de eo loquitur. Nam cum legati regis Ca- stellae apud eum recenter electum exponerent legacionem suam et unus eorum Alvarus Martini facta mencione Gregorii dixisset: felicis recor- dacionis ... Urbanus dixit: Dicatis sanctae memoriae ... quia ego re- puto eum sanctum ... Baluze Vitae paparum Aven. I, 1202.
116 I. Abhandlung : Loserth. sich beim König dafür einzusetzen, dass das Gouvernement im Delphinate einem Anderen verliehen werde.1 Bekannter als alle diese Vorgänge ist das Verhalten Gregors XI. gegenüber einem der sogenannten Vorläufer der husitischen Bewegung — Milicz von Kremsier. Am 10. Februar 1374 richtete der Papst ein Schreiben an Karl IV.: Er habe vernommen, dass ein gewisser Milicius unter dem Scheine der Heiligkeit sich das Predigtamt anmasse und nicht blos ärgerliche, sondern geradezu ketzerische Lehren im böhmischen Lande und den Nachbarprovinzen ausstreue. Der Erzbischof von Prag und die Bischöfe von Leitomischl, Olmütz und Breslau seien bereits beauftragt, fleissige Inquisition im Lande zu halten, der Kaiser aber werde ihnen seine Unterstützung nicht ver- sagen.2 Schliesslich wandte sich der Papst nochmals in diesem Jahre — es war am 15. October — an Karl IV.: diesmal galt es dem Sachsenspiegel, aus dem er eine Zahl von Sätzen, die von einer Commission gelehrter Männer ausgehoben wurden, verdammte. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln, Magdeburg, Prag und Regensburg nebst ihren Suffraganen seien beauftragt, die Processe zu veröffentlichen, und der Kaiser wird ersucht, hiezu seine Unterstützung zu gewahren." Man wird aus alledem entnehmen, dass der Papst mit besonderem Eifer gegen die Ketzereien aller Länder auftritt. Sein Vorgehen gegen Wiclif ist daher kein vereinzelter Fall und nicht, wie man wohl gemeint hat, hervorgerufen aus der Furcht vor dem Verlust der Güter der todten Hand. Es ist etwas an dem, dass die Curialisten4 diesen ja auch später von keiner geringeren als der Hand Raffaels verherrlichten 1 De quo videbitur recipere iuramentum fidelitatis Romane ecclesie debi- tum a Carolo regis Francorum primogenito prestandum VI Kal. Oct. anno V. Ibid. Cod. 271, Fol. 145. Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. XIIIa et Indice Fol. III, übrigens auch in Raynald (gut) abgedruckt. Reg. Greg. XI„, Cod. 270, Fol. 62b. Recte ergo Platina Gregorii obitum describens eum vocat virum sanctum. Ipse Urbanus VI ita eciam de eo loquitur. Nam cum legati regis Ca- stellae apud eum recenter electum exponerent legacionem suam et unus eorum Alvarus Martini facta mencione Gregorii dixisset: felicis recor- dacionis ... Urbanus dixit: Dicatis sanctae memoriae ... quia ego re- puto eum sanctum ... Baluze Vitae paparum Aven. I, 1202.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 117 Papst bald nach seinem Tode unter die Heiligen versetzen: sie haben dazu ihren Grund. In der Beleuchtung, in der freilich Wiclif diesen Papst erscheinen lässt, nimmt er sich ganz anders aus, und es verlohnt sich, einen Augenblick bei diesem Punkte stehen zu bleiben. Die schweren Angriffe gegen das Papstthum, die sich in Wiclif’s späteren Schriften finden, zeigen meist im Hintergrund die Persönlichkeit Gregors XI. Die Verfluchung der Thesen hat er diesem Papste nimmer verziehen. Was er über den Werth der päpstlichen Bullen, über die Excommunicationen des Papstes u. s. w. sagt, darf nur von diesem Gesichtswinkel aus betrachtet werden. �Ein einziges Wort des heil. Petrus gilt mehr als alle päpstlichen Bullen." �Thöricht sind jene Geist- lichen, die Christi Lehre verlassen und solche Apokryphen studieren.1 Des Papstes Entscheidungen haben keinen Werth."2 „Wenn der Papst auch viele Leute Ketzer nennt und sie als solche auszutilgen befiehlt, so thut er das nicht auf Geheiss Christi, sondern kraft seiner eingebildeten Gewalt." ,Da der Sohn Gottes nicht gekommen, die Seelen zu verderben, son- dern zu retten, so darf der Papst nicht auf ein falsches Zeugniss hin einen Christen tödten." Das sind nur vereinzelte Stellen, zu denen sich noch hundert ähnliche finden, wo Wiclif Gregor XI. nicht genannt, wohl aber gemeint hat. Es fehlt auch an solchen nicht, wo er ihn mit Namen nennt. Wenn er an Urbans VI. Gegenpapst, den Cardinal Robert, erinnert, da sagt er wohl: "Hat denn Gregor XI. mit grösserem Rechte als dieser das Papstthum besessen?" Die Angriffe gegen den Collector Arnoldus de Granario gelten doch in letzter Linie diesem Papste. Wiederholt nennt er den Papst Gregor XI. einen Uebertreter des Dekalogs.4 Heftig tadelt er an ihm, dass er nicht dulden will, dass man dem den Landesgesetzen ungehorsamen Clerus die Temporalien wegnimmt.5 Auf Kosten Gregors XI. wird Urban VI. über Gebühr erhoben.“ Am meisten wird ihm, woran dieser Papst persönlich gewiss recht unschuldig war, seine Hab- und Blutgier zum Vorwurf gemacht. 2 Dial. 22, 10. 1 Dial. 14, 20. 3 De Offic. regis p. 121. 4 Serm. III, 39 u. a. 5 Ib. 413. 6 De Offic. regis p. 121.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 117 Papst bald nach seinem Tode unter die Heiligen versetzen: sie haben dazu ihren Grund. In der Beleuchtung, in der freilich Wiclif diesen Papst erscheinen lässt, nimmt er sich ganz anders aus, und es verlohnt sich, einen Augenblick bei diesem Punkte stehen zu bleiben. Die schweren Angriffe gegen das Papstthum, die sich in Wiclif’s späteren Schriften finden, zeigen meist im Hintergrund die Persönlichkeit Gregors XI. Die Verfluchung der Thesen hat er diesem Papste nimmer verziehen. Was er über den Werth der päpstlichen Bullen, über die Excommunicationen des Papstes u. s. w. sagt, darf nur von diesem Gesichtswinkel aus betrachtet werden. �Ein einziges Wort des heil. Petrus gilt mehr als alle päpstlichen Bullen." �Thöricht sind jene Geist- lichen, die Christi Lehre verlassen und solche Apokryphen studieren.1 Des Papstes Entscheidungen haben keinen Werth."2 „Wenn der Papst auch viele Leute Ketzer nennt und sie als solche auszutilgen befiehlt, so thut er das nicht auf Geheiss Christi, sondern kraft seiner eingebildeten Gewalt." ,Da der Sohn Gottes nicht gekommen, die Seelen zu verderben, son- dern zu retten, so darf der Papst nicht auf ein falsches Zeugniss hin einen Christen tödten." Das sind nur vereinzelte Stellen, zu denen sich noch hundert ähnliche finden, wo Wiclif Gregor XI. nicht genannt, wohl aber gemeint hat. Es fehlt auch an solchen nicht, wo er ihn mit Namen nennt. Wenn er an Urbans VI. Gegenpapst, den Cardinal Robert, erinnert, da sagt er wohl: "Hat denn Gregor XI. mit grösserem Rechte als dieser das Papstthum besessen?" Die Angriffe gegen den Collector Arnoldus de Granario gelten doch in letzter Linie diesem Papste. Wiederholt nennt er den Papst Gregor XI. einen Uebertreter des Dekalogs.4 Heftig tadelt er an ihm, dass er nicht dulden will, dass man dem den Landesgesetzen ungehorsamen Clerus die Temporalien wegnimmt.5 Auf Kosten Gregors XI. wird Urban VI. über Gebühr erhoben.“ Am meisten wird ihm, woran dieser Papst persönlich gewiss recht unschuldig war, seine Hab- und Blutgier zum Vorwurf gemacht. 2 Dial. 22, 10. 1 Dial. 14, 20. 3 De Offic. regis p. 121. 4 Serm. III, 39 u. a. 5 Ib. 413. 6 De Offic. regis p. 121.
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118 I. Abhandlung: Loserth. Das ganze avignonesische System, nicht diesen Papst hätte er wegen der blutigen Greuelscenen im Kriege gegen Florenz zur Verantwortung ziehen müssen: denn dieser Papst erntete doch nur, was sein Vorgänger in Avignon gesüet. Auch im Einzelnen erhebt Wiclif heftige Anklagen gegen Gregor XI. Nie, seit dem Anbeginn der Kirche habe irgend ein Papst sich so schreckliche Ketzereien zu Schulden kommen lassen wie dieser.1 Es sei ein wahres Glück, dass Gott endlich ein Einsehen gehabt und ihn und seine Genossen hinwegnahm." Er geht auf einzelne Verbrechen dieses Papstes ein — Dinge, die ja freilich theils an sich unrichtig sind, theils in seltsamer Uebertreibung dargestellt werden. Wenn man nun das ge- sammte Verfahren Gregors XI. in diesen dogmatischen sowohl als kirchenpolitischen Fragen im Auge behält, so würde man es geradezu als etwas Seltsames bezeichnen, wenn er einen so grossen Zeitraum seines Pontificats hätte verstreichen lassen, ohne den Ereignissen in England, die ja weitaus wichtiger waren, als jene, die den Sachsenspiegel berühren, seine Auf- merksamkeit zuzuwenden. Beilagen. 1. Zur Lehenszinsforderung. a) Urban V. lässt dem Könige Eduard die Forderung zur Bezahlung des seit vielen Jahren rückständigen Lehenszinses durch den Abt Johann von St. Bavo in Gent überreichen. Avignon 1365, Juni 6. Dilecto filio Johanni abbati monasterii sancti Bavonis Gandensis ordinis s. Benedicti Tornacensis diocesis apo- stolice sedis nuncio salutem etc. Cum carissimus in Christo filius noster Edwardus rex Anglie et Hybernie pro multis annis preteritis magnam quantitatem pecunie Romane ecclesie solvere teneatur, nos dicto regi pro solutione huiusmodi pecunie scribimus secundum for- 1 De Eccl. 353. 2 S. 358.
118 I. Abhandlung: Loserth. Das ganze avignonesische System, nicht diesen Papst hätte er wegen der blutigen Greuelscenen im Kriege gegen Florenz zur Verantwortung ziehen müssen: denn dieser Papst erntete doch nur, was sein Vorgänger in Avignon gesüet. Auch im Einzelnen erhebt Wiclif heftige Anklagen gegen Gregor XI. Nie, seit dem Anbeginn der Kirche habe irgend ein Papst sich so schreckliche Ketzereien zu Schulden kommen lassen wie dieser.1 Es sei ein wahres Glück, dass Gott endlich ein Einsehen gehabt und ihn und seine Genossen hinwegnahm." Er geht auf einzelne Verbrechen dieses Papstes ein — Dinge, die ja freilich theils an sich unrichtig sind, theils in seltsamer Uebertreibung dargestellt werden. Wenn man nun das ge- sammte Verfahren Gregors XI. in diesen dogmatischen sowohl als kirchenpolitischen Fragen im Auge behält, so würde man es geradezu als etwas Seltsames bezeichnen, wenn er einen so grossen Zeitraum seines Pontificats hätte verstreichen lassen, ohne den Ereignissen in England, die ja weitaus wichtiger waren, als jene, die den Sachsenspiegel berühren, seine Auf- merksamkeit zuzuwenden. Beilagen. 1. Zur Lehenszinsforderung. a) Urban V. lässt dem Könige Eduard die Forderung zur Bezahlung des seit vielen Jahren rückständigen Lehenszinses durch den Abt Johann von St. Bavo in Gent überreichen. Avignon 1365, Juni 6. Dilecto filio Johanni abbati monasterii sancti Bavonis Gandensis ordinis s. Benedicti Tornacensis diocesis apo- stolice sedis nuncio salutem etc. Cum carissimus in Christo filius noster Edwardus rex Anglie et Hybernie pro multis annis preteritis magnam quantitatem pecunie Romane ecclesie solvere teneatur, nos dicto regi pro solutione huiusmodi pecunie scribimus secundum for- 1 De Eccl. 353. 2 S. 358.
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Studion zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 119 mam presentibus interclusam; de tua igitur solicitudine et cir- cumspectione fideli gerentes in domino fiduciam specialem volumus et tue discretioni in virtute sancte obedientie preci- piendo mandamus, quatenus receptis presentibus quam cito commode poteris ad presentiam dicti regis studeas te transferre sibique litteras quas ei dirigimus quasque tibi cum presentibus mittimus ex parte nostra presentes et iustos apud eum secun- dum prudentiam tibi datam a domino, quod de dicta pecunia velit celeriter satisfacere ecclesie prelibate, que ipsa pecunia pro defensione terrarum suarum, que ab impiis comitivis per- versarum gentium occupantur cotidie ac destruuntur immaniter, et pro aliis suis necessitatibus multum indiget de presenti; ce- terum ad informationem tuam copiam earundem literarum quas dicto regi transmittimus et quandam cedulam interclusam presentibus destinamus. Datum Avinione VIII. idus Iunii anno tertio. (Ep. secr. Urbani V., tom. 247, fol. 113. — Mitgetheilt von Dr. S. Steinherz.) b) Urban V. an König Eduard III.: Credenzschreiben für den in Angelegenheiten des Lehenszinses an ihn abgesandten Nuntius Bischof Peter von Lissabon. — Avignon 1365, Sep- tember 28. Carissimo in Christo filio Edwardo regi Anglie illustri salutem etc. Venerabilem fratrem nostrum Petrum episcopum Ulix- bonensem apostolicae sedis nuncium latorem presentium virum circumspectum et probitate multiplici decoratum pro quibus- dam arduis negociis per nos sibi commissis ad serenitatem tuam transmittimus de presenti. Quare serenitatem eandem rogamus attente, quatenus dicto episcopo in hiis, que tibi ex parte nostra narrabit, velis fidem credulam adhibere. Datum Avinione IV. Kal. Octob. anno tercio. (Arch. Vat. ep. Urbani V., tom. 247, fol. 155. — Mitgetheilt von Dr. S. Steinherz.)
Studion zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 119 mam presentibus interclusam; de tua igitur solicitudine et cir- cumspectione fideli gerentes in domino fiduciam specialem volumus et tue discretioni in virtute sancte obedientie preci- piendo mandamus, quatenus receptis presentibus quam cito commode poteris ad presentiam dicti regis studeas te transferre sibique litteras quas ei dirigimus quasque tibi cum presentibus mittimus ex parte nostra presentes et iustos apud eum secun- dum prudentiam tibi datam a domino, quod de dicta pecunia velit celeriter satisfacere ecclesie prelibate, que ipsa pecunia pro defensione terrarum suarum, que ab impiis comitivis per- versarum gentium occupantur cotidie ac destruuntur immaniter, et pro aliis suis necessitatibus multum indiget de presenti; ce- terum ad informationem tuam copiam earundem literarum quas dicto regi transmittimus et quandam cedulam interclusam presentibus destinamus. Datum Avinione VIII. idus Iunii anno tertio. (Ep. secr. Urbani V., tom. 247, fol. 113. — Mitgetheilt von Dr. S. Steinherz.) b) Urban V. an König Eduard III.: Credenzschreiben für den in Angelegenheiten des Lehenszinses an ihn abgesandten Nuntius Bischof Peter von Lissabon. — Avignon 1365, Sep- tember 28. Carissimo in Christo filio Edwardo regi Anglie illustri salutem etc. Venerabilem fratrem nostrum Petrum episcopum Ulix- bonensem apostolicae sedis nuncium latorem presentium virum circumspectum et probitate multiplici decoratum pro quibus- dam arduis negociis per nos sibi commissis ad serenitatem tuam transmittimus de presenti. Quare serenitatem eandem rogamus attente, quatenus dicto episcopo in hiis, que tibi ex parte nostra narrabit, velis fidem credulam adhibere. Datum Avinione IV. Kal. Octob. anno tercio. (Arch. Vat. ep. Urbani V., tom. 247, fol. 155. — Mitgetheilt von Dr. S. Steinherz.)
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120 I. Abhandlung: Loserth. 2. Gregor XI. gibt seinen englischen Nuntien, den Bischöfen Bernhard von Pampelona, Rudolf von Sinigaglia und dem Propst von Valencia Egidio Sancii Mumonis Weisungen für die nächsten Verhandlungen zur Herstellung des kirchlichen Friedens in England. — Avignon 1373, Dec. 21. (Reg. Greg. XI., Cod. 286, fol. 296a—297a.) Gregorius episcopus, servus servorum Dei venerabilibus fratribus Bernhardo Pampilonensi et Radulpho Senogaliensi episcopis ac dilecto filio Egidio Sancii Mumonis preposito ecclesie Valentinensis legum doctori apostolice sedis nunciis salutem et apostolicam benediccionem. Cum dudum ambassia- tores carissimi in Christo filii nostri Edwardi regis Anglie illustris ad nostram accessissent presenciam ac super certis articulis ius patronatus, regaliam et quedam alia iura eccle- siarum regni Anglie concernentibus nonnulla nobis exposuissent, nos dicto regi tamquam preamabili et peculiari filio nostro cupientes quantum poteramus salva consciencia complacere, et sperantes de bona concordia super dictis articulis inter Ro- manam ecclesiam et eundem regem divino mediante suffragio reformanda voluntatem nostram videlicet XII Kal. Jan. ponti- ficatus nostri anno III in forma que sequitur duximus decla- randam: primo quod omnes et singule cause que occasione beneficiorum ecclesiasticorum, que in regno Anglie in regalia vacavisse dicuntur, apud sedem apostolicam et in curia dicti regis vel earum altera agitantur, de presenti usque ad instans festum nativitatis beati Johannis Baptiste suspendantur apud eandem sedem, dum tamen fiat in prefata dicti regis curia illud idem, et quod interim in causis ipsis nullatenus proce- datur. Quo quidem lapso termino cause predicte, nisi super eis fuerit medio tempore concordatum, vel alius terminus pro- rogatus, ille videlicet que apud sedem ventilantur, (apud) ean- dem in eodem statu eciam quoad processus et censuras eccle- siasticas et citatos, ut personaliter comparerent, resumantur et sint in quo erant die suspensionis supradicte et in eis possit procedi absque alia citacione ac si nulla facta fuisset suspensio.
120 I. Abhandlung: Loserth. 2. Gregor XI. gibt seinen englischen Nuntien, den Bischöfen Bernhard von Pampelona, Rudolf von Sinigaglia und dem Propst von Valencia Egidio Sancii Mumonis Weisungen für die nächsten Verhandlungen zur Herstellung des kirchlichen Friedens in England. — Avignon 1373, Dec. 21. (Reg. Greg. XI., Cod. 286, fol. 296a—297a.) Gregorius episcopus, servus servorum Dei venerabilibus fratribus Bernhardo Pampilonensi et Radulpho Senogaliensi episcopis ac dilecto filio Egidio Sancii Mumonis preposito ecclesie Valentinensis legum doctori apostolice sedis nunciis salutem et apostolicam benediccionem. Cum dudum ambassia- tores carissimi in Christo filii nostri Edwardi regis Anglie illustris ad nostram accessissent presenciam ac super certis articulis ius patronatus, regaliam et quedam alia iura eccle- siarum regni Anglie concernentibus nonnulla nobis exposuissent, nos dicto regi tamquam preamabili et peculiari filio nostro cupientes quantum poteramus salva consciencia complacere, et sperantes de bona concordia super dictis articulis inter Ro- manam ecclesiam et eundem regem divino mediante suffragio reformanda voluntatem nostram videlicet XII Kal. Jan. ponti- ficatus nostri anno III in forma que sequitur duximus decla- randam: primo quod omnes et singule cause que occasione beneficiorum ecclesiasticorum, que in regno Anglie in regalia vacavisse dicuntur, apud sedem apostolicam et in curia dicti regis vel earum altera agitantur, de presenti usque ad instans festum nativitatis beati Johannis Baptiste suspendantur apud eandem sedem, dum tamen fiat in prefata dicti regis curia illud idem, et quod interim in causis ipsis nullatenus proce- datur. Quo quidem lapso termino cause predicte, nisi super eis fuerit medio tempore concordatum, vel alius terminus pro- rogatus, ille videlicet que apud sedem ventilantur, (apud) ean- dem in eodem statu eciam quoad processus et censuras eccle- siasticas et citatos, ut personaliter comparerent, resumantur et sint in quo erant die suspensionis supradicte et in eis possit procedi absque alia citacione ac si nulla facta fuisset suspensio.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 121 Item, quod illi, qui auctoritate apostolica in dicto regno beneficia ecclesiastica quecunque possident, alias in possessione fuerint, in possessione sua remaneant, nec in ea occasione pre- missa quomodolibet molestentur. Item, quod si medio tempore contingat in dicto regno aliquas cathedrales ecclesias, monasteria, prelaturas aut digni- tates alias vacantes, ex quorum vacacione in beneficiis, super quibus litigatur vel quibusvis aliis per sedem apostolicam collatis aut conferendis aut vacaciones huiusmodi, idem rex pretendat, se presentacionem habere, non faciat dicta beneficia occasione vacacionum huiusmodi aliquam novitatem in preiudicium dicto- rum litigancium aut aliorum, qui collacionem beneficiorum ipso- rum a sede apostolica habuissent nec huiusmodi vacacio dictis litigantibus aut aliis predictis aliquod preiudicium affere possit. Item, quod interim tractetur concordia super premissis inter Romanam ecclesiam et regem prefatos per nuncios illuc per dominum nostrum papam vel per ipsum regem ad Roma- nam curiam transmittendos; contentatur autem dominus noster, quod super huiusmodi tractatu hic vel ibi faciendo rex obcionem (sic) habeat, sed idem domino nostro suam super hoc, rex ipse inter quatuor menses a datis presencium computandos signi- ficet voluntatem. Item, quod idem rex debeat certificare dominum nostrum infra huiusmodi quatuor menses proxime secuturos per suas literas authenticas suo sigillo sigillatas, si sibi placuerint supra- scripta. Alioquin ex nunc pro tunc suspensio huiusmodi nullius sit roboris vel momenti. Item ordinavit dominus noster, quod in omnibus et sin- gulis causis regaliam antedictam non concernentibus, que de dicto regno in dicta Romana curia ventilantur, et que cum potestate citandi aliquos ut in eadem curia personaliter com- pareant sunt commisse, suspenduntur huiusmodi citaciones per- sonales usque ad unum annum a datis presencium computandum, et nichilominus interim per procuratores in causis ipsis perso- naliter procedatur, ac si nulla decreta fuisset citacio personalis; et de causis similibus infra predictum annum proponendum in curia ordinavit dominus noster ob regis contemplacionem et revelacionem regnicolarum, quod si partes querelam proponentes citacionem decerni pecierint, personaliter causas huiusmodi do-
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 121 Item, quod illi, qui auctoritate apostolica in dicto regno beneficia ecclesiastica quecunque possident, alias in possessione fuerint, in possessione sua remaneant, nec in ea occasione pre- missa quomodolibet molestentur. Item, quod si medio tempore contingat in dicto regno aliquas cathedrales ecclesias, monasteria, prelaturas aut digni- tates alias vacantes, ex quorum vacacione in beneficiis, super quibus litigatur vel quibusvis aliis per sedem apostolicam collatis aut conferendis aut vacaciones huiusmodi, idem rex pretendat, se presentacionem habere, non faciat dicta beneficia occasione vacacionum huiusmodi aliquam novitatem in preiudicium dicto- rum litigancium aut aliorum, qui collacionem beneficiorum ipso- rum a sede apostolica habuissent nec huiusmodi vacacio dictis litigantibus aut aliis predictis aliquod preiudicium affere possit. Item, quod interim tractetur concordia super premissis inter Romanam ecclesiam et regem prefatos per nuncios illuc per dominum nostrum papam vel per ipsum regem ad Roma- nam curiam transmittendos; contentatur autem dominus noster, quod super huiusmodi tractatu hic vel ibi faciendo rex obcionem (sic) habeat, sed idem domino nostro suam super hoc, rex ipse inter quatuor menses a datis presencium computandos signi- ficet voluntatem. Item, quod idem rex debeat certificare dominum nostrum infra huiusmodi quatuor menses proxime secuturos per suas literas authenticas suo sigillo sigillatas, si sibi placuerint supra- scripta. Alioquin ex nunc pro tunc suspensio huiusmodi nullius sit roboris vel momenti. Item ordinavit dominus noster, quod in omnibus et sin- gulis causis regaliam antedictam non concernentibus, que de dicto regno in dicta Romana curia ventilantur, et que cum potestate citandi aliquos ut in eadem curia personaliter com- pareant sunt commisse, suspenduntur huiusmodi citaciones per- sonales usque ad unum annum a datis presencium computandum, et nichilominus interim per procuratores in causis ipsis perso- naliter procedatur, ac si nulla decreta fuisset citacio personalis; et de causis similibus infra predictum annum proponendum in curia ordinavit dominus noster ob regis contemplacionem et revelacionem regnicolarum, quod si partes querelam proponentes citacionem decerni pecierint, personaliter causas huiusmodi do-
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122 I. Abhandlung: Loserth. minus noster committet Colonie, Leodii vel in Flandria seu locis vicinis Anglie citra mare, ubi partes ipse secure possint personaliter comparere, vel si partes ipse pocius hic elegerint in Romana curia per procuratores litigabitur super causis ipsis. Datum et actum Avenione XII Kal. Januarii pontifi- catus eiusdem domini nostri pape anno III. 3. Gregor XI. bewilligt auf Bitte Johann’s von Cobham, dass zu besserer Unterhaltung des von ihm zu Cobham gestifteten Collegiums die Einkünfte einer der Kirchen seines Patronats bestimmt werden. — Villanova 1376, Juni 28. (Reg. Greg. XI., Cod. 287, Fol. 131. Liber de indultis.) Venerabili fratri episcopo Roffensi salutem etc. Justis petencium desideriis et illis presertim, per que ecclesiasticarum personarum nobis et apostolice sedi devotarum necessitatibus consuli valeat, ut libenter annuimus eaque favore prosequimur oportuno: sane peticio tua pro parte dilecti filii nobilis viri Johannis de Cobham militis Roffensis diocesis nobis nuper exhibita continebat, quod olim ipse ad honorem Dei et beate virginis Marie quoddam collegium perpetuum unius magistri et ceterorum capellanorum et aliorum ministrorum Deo perpetuo serviencium in ecclesia de Cobham dicte diocesis canonice fun- davit et ipsum collegium de suis bonis temporalibus competenter prout potuit dotavit ac certa statuta pro eorum magistri, ca- pellanorum et aliorum ministrorum gubernacione et regimine fuerunt salubriter ordinata, que omnia per sedem apostolicam approbata extiterunt et eciam confirmata quodque per pesti- lencias et alia infortunia, que a nonnullis temporibus citra in partibus Anglie plus solito invaluerunt, redditus dicti collegii sunt in tantum diminuti, quod prefati, magister, capellani et alii ministri Deo servientes in eodem non valent ex eisdem redditibus sufficienter sustentari, nonnulleque ecclesie parro- chiales Cantuariensis et Roffensis diocesium ipsi collegio propin- que de iure patronatus ipsius militis existunt, quare pro parte dicti militis nobis fuit humiliter supplicatum, ut in augmentum cultus divini et dicti collegii stabilitatem unam de dictis eccle-
122 I. Abhandlung: Loserth. minus noster committet Colonie, Leodii vel in Flandria seu locis vicinis Anglie citra mare, ubi partes ipse secure possint personaliter comparere, vel si partes ipse pocius hic elegerint in Romana curia per procuratores litigabitur super causis ipsis. Datum et actum Avenione XII Kal. Januarii pontifi- catus eiusdem domini nostri pape anno III. 3. Gregor XI. bewilligt auf Bitte Johann’s von Cobham, dass zu besserer Unterhaltung des von ihm zu Cobham gestifteten Collegiums die Einkünfte einer der Kirchen seines Patronats bestimmt werden. — Villanova 1376, Juni 28. (Reg. Greg. XI., Cod. 287, Fol. 131. Liber de indultis.) Venerabili fratri episcopo Roffensi salutem etc. Justis petencium desideriis et illis presertim, per que ecclesiasticarum personarum nobis et apostolice sedi devotarum necessitatibus consuli valeat, ut libenter annuimus eaque favore prosequimur oportuno: sane peticio tua pro parte dilecti filii nobilis viri Johannis de Cobham militis Roffensis diocesis nobis nuper exhibita continebat, quod olim ipse ad honorem Dei et beate virginis Marie quoddam collegium perpetuum unius magistri et ceterorum capellanorum et aliorum ministrorum Deo perpetuo serviencium in ecclesia de Cobham dicte diocesis canonice fun- davit et ipsum collegium de suis bonis temporalibus competenter prout potuit dotavit ac certa statuta pro eorum magistri, ca- pellanorum et aliorum ministrorum gubernacione et regimine fuerunt salubriter ordinata, que omnia per sedem apostolicam approbata extiterunt et eciam confirmata quodque per pesti- lencias et alia infortunia, que a nonnullis temporibus citra in partibus Anglie plus solito invaluerunt, redditus dicti collegii sunt in tantum diminuti, quod prefati, magister, capellani et alii ministri Deo servientes in eodem non valent ex eisdem redditibus sufficienter sustentari, nonnulleque ecclesie parro- chiales Cantuariensis et Roffensis diocesium ipsi collegio propin- que de iure patronatus ipsius militis existunt, quare pro parte dicti militis nobis fuit humiliter supplicatum, ut in augmentum cultus divini et dicti collegii stabilitatem unam de dictis eccle-
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 123 siis, que de ipsius militis iure patronatus existit, cuiusque fructus annui secundum taxacionem decime quadraginta librarum sterlingorum summam non excedant, eisdem collegio reservata congrua porcione pro perpetuo vicario in eadem ecclesia Do- mino servituro et ibidem ad presentacionem dictorum magistri et collegii instituendo incorporare, annectere et unire de beni- gnitate apostolica dignaremur. Nos igitur eisdem magistro et collegio, ut onera sibi incumbencia facilius supportare valeant, de alicuius subvencionis auxilio, quantum cum Deo possumus, providere volentes, ipsorum magistri et collegii ac huiusmodi dicti militis supplicacionibus inclinati, fraternitati tue, de qua in hiis et aliis specialem in Domino fiduciam obtinemus, per apostolica scripta committimus et mandamus, quatenus unam ex predictis parrochialibus ecclesiis, que de patronatu ipsius militis existit et cuius fructus redditus et proventus annui secun- dum huiusmodi taxacionem decime quadraginta librarum ster- lingorum valorem annuum non excedant, de qua tibi videbitur; super quo tuam conscienciam oneramus, eisdem magistro et collegio auctoritate apostolica incorpores, annectas perpetuo et unias, ita quod cedente vel decedente ipsius ecclesie rectore, quam sic univeris, vel ecclesiam ipsam alias dimittente, liceat eisdem magistro et personis dicti collegii corporalem possessionem dicte parrochialis ecclesie sic unite iuriumque et pertinenciarum ipsius per se vel alium seu alios auctoritate propria apprehen- dere et tenere ipsamque ecclesiam in perpetuum retinere fructus- que ipsius in supportacionem dictorum onerum et utilitatem magistri et collegii predictorum convertere valeant diocesani loci et cuiuscunque alterius licencia minime requisita, reservata tamen prius et assignata per te de ipsius ecclesie quam unies proventibus pro perpetuo vicario per loci diocesanum ad pre- sentacionem dictorum magistri et collegii in eadem canonice instituendo et perpetuo ibidem vicario domino servituro porcione congrua, ex qua idem vicarius valeat congrue sustentari, epi- scopalia iura solvere et alia sibi incumbencia onera supportare, contradictores per censuram ecclesiasticam appellacione post- posita compescendo, non obstantibus felicis recordacionis Ur- bani pape V. predecessoris nostri et aliis constitucionibus apostolicis contrariis quibuscunque. Seu si aliqui super provi- sionibus sibi faciendis de huiusmodi parrochialibus ecclesiis vel
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 123 siis, que de ipsius militis iure patronatus existit, cuiusque fructus annui secundum taxacionem decime quadraginta librarum sterlingorum summam non excedant, eisdem collegio reservata congrua porcione pro perpetuo vicario in eadem ecclesia Do- mino servituro et ibidem ad presentacionem dictorum magistri et collegii instituendo incorporare, annectere et unire de beni- gnitate apostolica dignaremur. Nos igitur eisdem magistro et collegio, ut onera sibi incumbencia facilius supportare valeant, de alicuius subvencionis auxilio, quantum cum Deo possumus, providere volentes, ipsorum magistri et collegii ac huiusmodi dicti militis supplicacionibus inclinati, fraternitati tue, de qua in hiis et aliis specialem in Domino fiduciam obtinemus, per apostolica scripta committimus et mandamus, quatenus unam ex predictis parrochialibus ecclesiis, que de patronatu ipsius militis existit et cuius fructus redditus et proventus annui secun- dum huiusmodi taxacionem decime quadraginta librarum ster- lingorum valorem annuum non excedant, de qua tibi videbitur; super quo tuam conscienciam oneramus, eisdem magistro et collegio auctoritate apostolica incorpores, annectas perpetuo et unias, ita quod cedente vel decedente ipsius ecclesie rectore, quam sic univeris, vel ecclesiam ipsam alias dimittente, liceat eisdem magistro et personis dicti collegii corporalem possessionem dicte parrochialis ecclesie sic unite iuriumque et pertinenciarum ipsius per se vel alium seu alios auctoritate propria apprehen- dere et tenere ipsamque ecclesiam in perpetuum retinere fructus- que ipsius in supportacionem dictorum onerum et utilitatem magistri et collegii predictorum convertere valeant diocesani loci et cuiuscunque alterius licencia minime requisita, reservata tamen prius et assignata per te de ipsius ecclesie quam unies proventibus pro perpetuo vicario per loci diocesanum ad pre- sentacionem dictorum magistri et collegii in eadem canonice instituendo et perpetuo ibidem vicario domino servituro porcione congrua, ex qua idem vicarius valeat congrue sustentari, epi- scopalia iura solvere et alia sibi incumbencia onera supportare, contradictores per censuram ecclesiasticam appellacione post- posita compescendo, non obstantibus felicis recordacionis Ur- bani pape V. predecessoris nostri et aliis constitucionibus apostolicis contrariis quibuscunque. Seu si aliqui super provi- sionibus sibi faciendis de huiusmodi parrochialibus ecclesiis vel
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124 I. Abhandlung : Loserth. aliis beneficiis ecclesiasticis in illis partibus speciales vel gene- rales apostolice sedis vel legatorum eius literas impetrarint, eciamsi per eas ad inhibicionem reservacionem et decretum vel alias quomodolibet sit processum, quas literas et processus habitos per easdem et quecunque inde secuta ad prefatam parrochialem ecclesiam quam sic unies volumus non extendi. Sed nullum per hoc eis quoad assecucionem parrochialium eccle- siarum ac beneficiorum aliorum preiudicium generari, seu quibuscunque privilegiis, indulgenciis et literis apostolicis gene- ralibus vel specialibus, quorumcunque tenorum existant, per que presentibus non expressa vel totaliter non inserta effectus earum impediri valeat quomodolibet vel differri, et de quo euiusque toto tenore de verbo ad verbum habenda sit in nostris literis mencio specialis, nos enim ex nunc irritum decernimus et inane, si secus super hiis a quoquam quavis auctoritate scienter vel ignoranter contigerit attemptari. Datum apud Villam novam Avenionensis diocesis IIII Kal. Julii anno VI. 4. Aus den Registern Gregors XI. Urkunden und Regesten zur Geschichte der Unterhand- lungen zwischen Papst Gregor XI. und Eduard III. in den Jahren 1374—1377. 1. Gregorius XI. duci Andegavensi, quod laborans pro facienda pace inter reges Francie et Anglie ad hoc eciam ani- mum suum disponat et credat apostolicis nunciis. Dat. Aven. VI Id. Marcii pont. anno IV. (1374, März 10). (E Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 87a.) 2. Johanni duci Lancastrie super eodem. Dat. ut supra. 3. Edwardo regi Anglie, quod recepit literas suas et mittet nuncios apostolicos pro negocio, pro quo scribit. Quibus prebeat favorem in percipiendis procuracionibus. Datum ap. Villam novam Kal. Maii anno IV. (1374, Mai 1). (Ibid., Fol. 100.) 4. Archiepiscopo Cantuariensi, quod solvat et procuret solvi procuraciones dictis nunciis. Datum ut supra. (Ibid.)
124 I. Abhandlung : Loserth. aliis beneficiis ecclesiasticis in illis partibus speciales vel gene- rales apostolice sedis vel legatorum eius literas impetrarint, eciamsi per eas ad inhibicionem reservacionem et decretum vel alias quomodolibet sit processum, quas literas et processus habitos per easdem et quecunque inde secuta ad prefatam parrochialem ecclesiam quam sic unies volumus non extendi. Sed nullum per hoc eis quoad assecucionem parrochialium eccle- siarum ac beneficiorum aliorum preiudicium generari, seu quibuscunque privilegiis, indulgenciis et literis apostolicis gene- ralibus vel specialibus, quorumcunque tenorum existant, per que presentibus non expressa vel totaliter non inserta effectus earum impediri valeat quomodolibet vel differri, et de quo euiusque toto tenore de verbo ad verbum habenda sit in nostris literis mencio specialis, nos enim ex nunc irritum decernimus et inane, si secus super hiis a quoquam quavis auctoritate scienter vel ignoranter contigerit attemptari. Datum apud Villam novam Avenionensis diocesis IIII Kal. Julii anno VI. 4. Aus den Registern Gregors XI. Urkunden und Regesten zur Geschichte der Unterhand- lungen zwischen Papst Gregor XI. und Eduard III. in den Jahren 1374—1377. 1. Gregorius XI. duci Andegavensi, quod laborans pro facienda pace inter reges Francie et Anglie ad hoc eciam ani- mum suum disponat et credat apostolicis nunciis. Dat. Aven. VI Id. Marcii pont. anno IV. (1374, März 10). (E Reg. Greg. XI., Cod. 270, Fol. 87a.) 2. Johanni duci Lancastrie super eodem. Dat. ut supra. 3. Edwardo regi Anglie, quod recepit literas suas et mittet nuncios apostolicos pro negocio, pro quo scribit. Quibus prebeat favorem in percipiendis procuracionibus. Datum ap. Villam novam Kal. Maii anno IV. (1374, Mai 1). (Ibid., Fol. 100.) 4. Archiepiscopo Cantuariensi, quod solvat et procuret solvi procuraciones dictis nunciis. Datum ut supra. (Ibid.)
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 125 5. Alexandro electo Eboracenci; ut supra. (Ibid.) 6. Edwardo regi Anglie, quod proroget capitula treuge usque ad festum sancte Marie Magdalene (Juli 22) et quod credat nuncio apostolico (Egidio Sancii). Datum ap. Villam novam IV Non. Maii anno IV (1374, Mai 4). (Ibid., Fol. 102.) 7. Ludovico comiti Flandrie scribuntur multa super colla- cione ecclesie facta Brugensi Petro Mazoerii et (pro) conservacione iurium suorum. Dat. Salon. VI Kal. Junii anno IV (1374, Mai 27). (Ibid., Fol. 109.) 8. Eidem, quod apostolicos nuncios, quos pro certis ne- gociis mittit Brugis (sic), velit favorabiliter pertractare. Dat. Salon. V Kal. Junii anno IV (1374, Mai 28). (Ibid., Fol. 110.) 9. Edwardo regi Anglie, quod mittit in festo b. Johannis Baptiste nuncios apostolicos Senogaliensem episcopum et Egi- dium Sancii Brugis (sic) cum sufficienti mandato, de quo sibi scripsit. Dat. Salon. III Kal. Junii anno IV (1374, Mai 30). (Ibid., Fol. 111.) 10. Edwardo principi., super eodem. Dat ut supra. (Ibid.) 11. Johanni duci Lancastrie, super eodem. (Ibid., Fol. 111.) 12. Archiepiscopis Cantuariensi, Eboracensi, episcopo Lon- doniensi, quod solvant nuncio procuraciones consuetas. (Ibid., Fol. 111.) 13. Edwardo regie Anglie, quod disponens se ad pacem cum rege Francie mittat unuin ex filiis pro ipsa tractanda et credat apostolicis nunciis. Dat. Salon. IIII Non. Junii anno IV (1374, Juni 2). So werde auch der König von Frankreich thun. Seine Bemü- hungen seien ebenso lang als erfolglos gewesen. Das Blutvergiessen schreie zum Himmel auf. Ermahnungen, Frieden zu schliessen. Der Erzbischof von Ravenna und der Bischof von Carpentras kommen als Nuntien. Er soll ihnen Glauben schenken.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 125 5. Alexandro electo Eboracenci; ut supra. (Ibid.) 6. Edwardo regi Anglie, quod proroget capitula treuge usque ad festum sancte Marie Magdalene (Juli 22) et quod credat nuncio apostolico (Egidio Sancii). Datum ap. Villam novam IV Non. Maii anno IV (1374, Mai 4). (Ibid., Fol. 102.) 7. Ludovico comiti Flandrie scribuntur multa super colla- cione ecclesie facta Brugensi Petro Mazoerii et (pro) conservacione iurium suorum. Dat. Salon. VI Kal. Junii anno IV (1374, Mai 27). (Ibid., Fol. 109.) 8. Eidem, quod apostolicos nuncios, quos pro certis ne- gociis mittit Brugis (sic), velit favorabiliter pertractare. Dat. Salon. V Kal. Junii anno IV (1374, Mai 28). (Ibid., Fol. 110.) 9. Edwardo regi Anglie, quod mittit in festo b. Johannis Baptiste nuncios apostolicos Senogaliensem episcopum et Egi- dium Sancii Brugis (sic) cum sufficienti mandato, de quo sibi scripsit. Dat. Salon. III Kal. Junii anno IV (1374, Mai 30). (Ibid., Fol. 111.) 10. Edwardo principi., super eodem. Dat ut supra. (Ibid.) 11. Johanni duci Lancastrie, super eodem. (Ibid., Fol. 111.) 12. Archiepiscopis Cantuariensi, Eboracensi, episcopo Lon- doniensi, quod solvant nuncio procuraciones consuetas. (Ibid., Fol. 111.) 13. Edwardo regie Anglie, quod disponens se ad pacem cum rege Francie mittat unuin ex filiis pro ipsa tractanda et credat apostolicis nunciis. Dat. Salon. IIII Non. Junii anno IV (1374, Juni 2). So werde auch der König von Frankreich thun. Seine Bemü- hungen seien ebenso lang als erfolglos gewesen. Das Blutvergiessen schreie zum Himmel auf. Ermahnungen, Frieden zu schliessen. Der Erzbischof von Ravenna und der Bischof von Carpentras kommen als Nuntien. Er soll ihnen Glauben schenken.
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126 I. Abhandlung: Loserth. 14. Edwardo principi Wallie Johanni duci Lancastrie Guilelmo domino de Latimer super codem. (Ibid., Fol. 133a.) 15. Ludovico comiti Flandrie, quod det operam efficacem penes dictos reges. Datum ut supra. (Ibid.) 16. Carolo regi Francie, quod disponat se ad pacem cum rege Anglie et mittat solemnes nuncios Brugis pro facienda treuga et tractanda pace. Datum Novis Av. dioc. II Id. Aug. an. IV (1375, Aug. 12). (Ibid., Fol. 138.) Ludovico duci Andegavensi Philippo duci Burgundie Ludovico Flandrie comiti Pluribus allis. ut supra. (Ibid.) 17. Edwardo regi Anglie, quod disponat animum suum ad tractatum pacis cum Romana ecclesia et credat apostolicis nunciis. Datum Aven. XII Kal. Nov. anno IV (1374, Oct. 21). (Ibid., Fol. 151.) 18. Edwardo principi Wallie, quod inducat dictum regem genitorem suum ad premissa. Dat. ut supra. (Ibid.) 19. Gregorius XI Guilelmo episcopo Carpentarensi ap. nuncio, quod perquirat vias pacis inter reges Francie et Anglie. Aven. VI Id. Jan. a. V (1575, Jan. 8). (Ibid., Cod. 271, Fol. 95b.) 20. Eduardo regi Anglie: intimatur accessus domini nostri ad urbem in autumpno futuro et oblacio ipsius ad bona regis et regni cum recommendacione personarum ecclesiasticarum eidem. Dat. Aven. V Id. Jan. anno V (1375, Jänner 9). 21. Gregor XI. an Eduard III. von England (und Karl V. von Frankreich): klagt über den langen Zwist zwischen den beiden Staaten und hofft, sie werden nach Beilegung des Streites
126 I. Abhandlung: Loserth. 14. Edwardo principi Wallie Johanni duci Lancastrie Guilelmo domino de Latimer super codem. (Ibid., Fol. 133a.) 15. Ludovico comiti Flandrie, quod det operam efficacem penes dictos reges. Datum ut supra. (Ibid.) 16. Carolo regi Francie, quod disponat se ad pacem cum rege Anglie et mittat solemnes nuncios Brugis pro facienda treuga et tractanda pace. Datum Novis Av. dioc. II Id. Aug. an. IV (1375, Aug. 12). (Ibid., Fol. 138.) Ludovico duci Andegavensi Philippo duci Burgundie Ludovico Flandrie comiti Pluribus allis. ut supra. (Ibid.) 17. Edwardo regi Anglie, quod disponat animum suum ad tractatum pacis cum Romana ecclesia et credat apostolicis nunciis. Datum Aven. XII Kal. Nov. anno IV (1374, Oct. 21). (Ibid., Fol. 151.) 18. Edwardo principi Wallie, quod inducat dictum regem genitorem suum ad premissa. Dat. ut supra. (Ibid.) 19. Gregorius XI Guilelmo episcopo Carpentarensi ap. nuncio, quod perquirat vias pacis inter reges Francie et Anglie. Aven. VI Id. Jan. a. V (1575, Jan. 8). (Ibid., Cod. 271, Fol. 95b.) 20. Eduardo regi Anglie: intimatur accessus domini nostri ad urbem in autumpno futuro et oblacio ipsius ad bona regis et regni cum recommendacione personarum ecclesiasticarum eidem. Dat. Aven. V Id. Jan. anno V (1375, Jänner 9). 21. Gregor XI. an Eduard III. von England (und Karl V. von Frankreich): klagt über den langen Zwist zwischen den beiden Staaten und hofft, sie werden nach Beilegung des Streites
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 127 vereint gegen den immer mehr erstarkenden Erbfeind der Christenheit ziehen. Seine Gesandten seien angewiesen, zur Herstellung des Friedens thätig zu sein. Avignon 1375, Febr. 9.1 (Ibid., Cod. 271, Fol. 7b—8b.) 22. Edwardo regi Anglie, quod ammoveat arrestum positum super responsionibus et quantitatibus pecuniarum spectancium ad hospitale sancti Johannis et Robertum magistrum eiusdem hospitalis et fratres eiusdem habeat recommendatos. Dat. Aven. Id. Febr. anno V (1375, Febr. 13). (Ibid.) 23. Monentur omnes prelati cuiuscunque dignitatis et gradus, ut infra certum terminum a Romana curia recedant et in suis ecclesiis et monasteriis resideant. Dat. Aven. IV Kal. Aprilis anno V (1375, Marz 29). (Ibid., Cod. 286.) 24. Henrico de Wakefeldis, regis Anglie thesaurario, quod promoveat pacem inter reges Francie et Anglie. Datum Aven. IV Kal. April. anno V (1375, März 29). (Ibid.) 25. Gregorius XI. Edwardo principi Walliae, quod com- pellat nonnullas gentes regias conantes petere nomine regio decimas ab arrendatoribus bonorum cardinalium ... Datum ut Nr. 29. 26. Johanni duci Lancastrie 27. Thesaurario regis Anglie super eodem. 28. Thesaurario hospicii regis 29. Gregor XI. an Eduard III.: Dieser möge seinen Be- amten verbieten, von den in England Beneficien besitzenden Cardinälen den verlangten Zehent von allen ihren geistlichen Einkünften einzuheben. Avignon 1375, April 23. (Ibid., Cod. 271, Fol. 121b.) Carissimo in Christo filio Eduuardo regi Anglie illustri salutem etc. Ad illa te fili carissime libenter inducimus ac precibus exhortamur, que honestatem sapiunt teque in con- spectu regis eterni reddere valeant graciosum. Sane nuper Die lateinischen Regesten sind den vaticanischen Registerbänden selbst entnommen. Daher der Wechsel in der Sprache.
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 127 vereint gegen den immer mehr erstarkenden Erbfeind der Christenheit ziehen. Seine Gesandten seien angewiesen, zur Herstellung des Friedens thätig zu sein. Avignon 1375, Febr. 9.1 (Ibid., Cod. 271, Fol. 7b—8b.) 22. Edwardo regi Anglie, quod ammoveat arrestum positum super responsionibus et quantitatibus pecuniarum spectancium ad hospitale sancti Johannis et Robertum magistrum eiusdem hospitalis et fratres eiusdem habeat recommendatos. Dat. Aven. Id. Febr. anno V (1375, Febr. 13). (Ibid.) 23. Monentur omnes prelati cuiuscunque dignitatis et gradus, ut infra certum terminum a Romana curia recedant et in suis ecclesiis et monasteriis resideant. Dat. Aven. IV Kal. Aprilis anno V (1375, Marz 29). (Ibid., Cod. 286.) 24. Henrico de Wakefeldis, regis Anglie thesaurario, quod promoveat pacem inter reges Francie et Anglie. Datum Aven. IV Kal. April. anno V (1375, März 29). (Ibid.) 25. Gregorius XI. Edwardo principi Walliae, quod com- pellat nonnullas gentes regias conantes petere nomine regio decimas ab arrendatoribus bonorum cardinalium ... Datum ut Nr. 29. 26. Johanni duci Lancastrie 27. Thesaurario regis Anglie super eodem. 28. Thesaurario hospicii regis 29. Gregor XI. an Eduard III.: Dieser möge seinen Be- amten verbieten, von den in England Beneficien besitzenden Cardinälen den verlangten Zehent von allen ihren geistlichen Einkünften einzuheben. Avignon 1375, April 23. (Ibid., Cod. 271, Fol. 121b.) Carissimo in Christo filio Eduuardo regi Anglie illustri salutem etc. Ad illa te fili carissime libenter inducimus ac precibus exhortamur, que honestatem sapiunt teque in con- spectu regis eterni reddere valeant graciosum. Sane nuper Die lateinischen Regesten sind den vaticanischen Registerbänden selbst entnommen. Daher der Wechsel in der Sprache.
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128 I. Abhandlung : Loserth. accepimus, quod nonnulle gentes tue, preter (ut firmiter cre- dimus) conscienciam tuam, cum sis princeps catholicus, deci- mam fructuum et proventuum omnium beneficiorum ecclesiasti- corum que nonnulli ex venerabilibus fratribus nostris sancte Ro- mane ecclesie cardinalibus intra regnum tuum Anglie obtinent, a gentibus dictarum cardinalium seu arrendatoribus beneficiorum ipsorum nomine regio (ut pretendunt) exigere conantur atque volunt. Cum autem regiam maiestatem non decent talia, nova tamen et inaudita, cum in dedecus regium vergere dinoscuntur, aliquatenus tolerare, eandem maiestatem regiam rogamus et hortamur in domino, eam attencius deprecantes, quatenus pro nostra et apostolice sedis reverencia et sicut nobis placere de- sideras, huiusmodi gentes regias, ut ab exaccione dicte decime et a quocunque impedimento prefatis cardinalibus in pre- missis prestando prorsus abstineant, compellas ipsosque cardi- nales eorumque gentes et procuratores habere velis favorabiliter commendatos, ita quod omnipotentem dominum tibi constituas propicium nosque proinde sinceram devocionem tuam dignis in domino laudibus attollamus. Dat. Avenione VIIII Kal. Maii anno V. 30. Gregor XI. an den Nuntius Arnold Garnier: theilt ihm mit, dass er im Interesse einiger in England Beneficien besitzenden Cardinäle an den König und einige Grosse die beigeschlossenen Briefe geschrieben; er möge sie befördern und auf ihre Vollziehung bedacht sein. Avignon 1375, April 26. (E reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 122b.) Dilecto filio Arnoldo Garnerii canonico Cathalaniensi licenciato in legibus apostolice sedis nuncio salutem etc. In fa- vorem nonnullorum venerabilium1 fratrum nostrorum sancte Ro- mane ecelesie cardinalium, qui in regno Anglie beneficia obtinent, carissimo in Christo filio nostro Eduuardo regi Anglie illustri et nonnullis aliis scribimus, prout continent cedule presentibus intercluse. Quocirca discrecionem tuam hortamur attencius, tibi nichilominus per apostolica scripta mandantes, quatenus literas ipsas eidem regi et aliis quibus diriguntur presentes seu presentari facias et apud ipsos, quod ea que scribimus adim- 1 MS.: venerabilibus fratribus nostris.
128 I. Abhandlung : Loserth. accepimus, quod nonnulle gentes tue, preter (ut firmiter cre- dimus) conscienciam tuam, cum sis princeps catholicus, deci- mam fructuum et proventuum omnium beneficiorum ecclesiasti- corum que nonnulli ex venerabilibus fratribus nostris sancte Ro- mane ecclesie cardinalibus intra regnum tuum Anglie obtinent, a gentibus dictarum cardinalium seu arrendatoribus beneficiorum ipsorum nomine regio (ut pretendunt) exigere conantur atque volunt. Cum autem regiam maiestatem non decent talia, nova tamen et inaudita, cum in dedecus regium vergere dinoscuntur, aliquatenus tolerare, eandem maiestatem regiam rogamus et hortamur in domino, eam attencius deprecantes, quatenus pro nostra et apostolice sedis reverencia et sicut nobis placere de- sideras, huiusmodi gentes regias, ut ab exaccione dicte decime et a quocunque impedimento prefatis cardinalibus in pre- missis prestando prorsus abstineant, compellas ipsosque cardi- nales eorumque gentes et procuratores habere velis favorabiliter commendatos, ita quod omnipotentem dominum tibi constituas propicium nosque proinde sinceram devocionem tuam dignis in domino laudibus attollamus. Dat. Avenione VIIII Kal. Maii anno V. 30. Gregor XI. an den Nuntius Arnold Garnier: theilt ihm mit, dass er im Interesse einiger in England Beneficien besitzenden Cardinäle an den König und einige Grosse die beigeschlossenen Briefe geschrieben; er möge sie befördern und auf ihre Vollziehung bedacht sein. Avignon 1375, April 26. (E reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 122b.) Dilecto filio Arnoldo Garnerii canonico Cathalaniensi licenciato in legibus apostolice sedis nuncio salutem etc. In fa- vorem nonnullorum venerabilium1 fratrum nostrorum sancte Ro- mane ecelesie cardinalium, qui in regno Anglie beneficia obtinent, carissimo in Christo filio nostro Eduuardo regi Anglie illustri et nonnullis aliis scribimus, prout continent cedule presentibus intercluse. Quocirca discrecionem tuam hortamur attencius, tibi nichilominus per apostolica scripta mandantes, quatenus literas ipsas eidem regi et aliis quibus diriguntur presentes seu presentari facias et apud ipsos, quod ea que scribimus adim- 1 MS.: venerabilibus fratribus nostris.
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 129 pleant viis et modis quibus poteris, diligenter insistas. Dat. Avinione VI Kal. Maii anno V. 31. Johanne principisse Walliarum, ut se (pro pace) inter- ponat. 1375, Apr. 25. (Ibid., Fol. 128.) 32. Guilelmo de Latimer, super eodem. 33. Gregor XI. dem Erzbischof Pileus von Ravenna und dem Bischof Wilhelm von Carpentras: Sie mögen zum Zwecke der rascheren Herstellung des Friedens und zur Sammlung des Kreuzzugsheeres die beigeschlossenen Briefe den Königen von England und Frankreich und den Brüdern dieses und Söhnen jenes übergeben. Villanova 1375, Mai 18. (Ibid., Fol. 35b.) 34. Carolo regi Francie mittuntur certi christiani venientes de partibus Saracenorum, asserentes Saracenos timere finem et excidium legis sue, exhortando propterea eum ad pacem. Villanove 1375, Mai 18. (Ibid., Fol. 33.) 35. Edwardo regi Anglie 36. Philippo duci Burgundie 37. Johanni duci Lancastrie 38. Johanni duci Bituricensi 39. Edwardo primogenito regis Anglie 40. Edmundo comiti Cantabrigie 41. Thome comiti Herfordie 42. Cantuariensi et Eboracensi archiepiscopis communi- catur et mandatur, ut subsidia decimalia in regno Anglie nuper imposita ad certam florenorum summam solvant partem eos contingentem ac a personis suarum civitatis et diocesis ac pro- vinciis quibuscunque exigunt et percipiant contradictores per censuram ecclesiasticam compellendo. Datum apud Villam novam Aven. dioc. Id. Julii anno V (1375, Juli 15). super eodem. (Ibid., Cod. 286.) 43. Gregor XI. an den Clerus von England, statt des ihm auferlegten Zehents 100.000 Gulden zu zahlen, und zwar 30.000 zu Allerheiligen, 30.000 zu Joh. Baptist und den Rest,
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 129 pleant viis et modis quibus poteris, diligenter insistas. Dat. Avinione VI Kal. Maii anno V. 31. Johanne principisse Walliarum, ut se (pro pace) inter- ponat. 1375, Apr. 25. (Ibid., Fol. 128.) 32. Guilelmo de Latimer, super eodem. 33. Gregor XI. dem Erzbischof Pileus von Ravenna und dem Bischof Wilhelm von Carpentras: Sie mögen zum Zwecke der rascheren Herstellung des Friedens und zur Sammlung des Kreuzzugsheeres die beigeschlossenen Briefe den Königen von England und Frankreich und den Brüdern dieses und Söhnen jenes übergeben. Villanova 1375, Mai 18. (Ibid., Fol. 35b.) 34. Carolo regi Francie mittuntur certi christiani venientes de partibus Saracenorum, asserentes Saracenos timere finem et excidium legis sue, exhortando propterea eum ad pacem. Villanove 1375, Mai 18. (Ibid., Fol. 33.) 35. Edwardo regi Anglie 36. Philippo duci Burgundie 37. Johanni duci Lancastrie 38. Johanni duci Bituricensi 39. Edwardo primogenito regis Anglie 40. Edmundo comiti Cantabrigie 41. Thome comiti Herfordie 42. Cantuariensi et Eboracensi archiepiscopis communi- catur et mandatur, ut subsidia decimalia in regno Anglie nuper imposita ad certam florenorum summam solvant partem eos contingentem ac a personis suarum civitatis et diocesis ac pro- vinciis quibuscunque exigunt et percipiant contradictores per censuram ecclesiasticam compellendo. Datum apud Villam novam Aven. dioc. Id. Julii anno V (1375, Juli 15). super eodem. (Ibid., Cod. 286.) 43. Gregor XI. an den Clerus von England, statt des ihm auferlegten Zehents 100.000 Gulden zu zahlen, und zwar 30.000 zu Allerheiligen, 30.000 zu Joh. Baptist und den Rest,
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130 I. Abhandlung : Losorth. sobald der Friede zwischen England und Frankreich zu Stande kommt. Villa Nova 1375, Juli 15. (Ibid.) 44. Gregor XI. an den Nuntius, Bischof Johann von Sarlat: die für seine Rückkehr nach Rom bereitgehaltenen Schiffe des Königs Friedrich von Sicilien mögen abbestellt werden, da er im Interesse der englisch-französischen Friedensverhandlungen seine Fahrt nach Italien bis zum nächsten Frühjahr verschieben müsse. Villanova 1375, Juli 28. Venerabili fratri Johanni episcopo Sarlatensi apostolice sedis nuncio salutem etc. Hiis diebus tue fraternitati scripsimus, quod, si alique galee carissimi in Christo filii nostri Frederici regis Trinacrie illustris pro nostro adventu ad urbem pararentur, earum differretur recessus usque ad vicesimum diem mensis Augusti proxime secuturi. Cum autem carissimi in Christo filii nostri Caroli regis Francorum illustris et dilecti filii nobilis vir Johannis ducis Lancastrie carissimi in Christo filii nostri Edwardi regis Anglie illustris nati tractatoris pacis inter dictos reges auctore domino faciende et nonnullorum aliorum magna- torum nec non prelatorum et populorum supplicancium, quod pro favore dicte pacis remanere in instanti tempore in his parti- bus debeamus, precibus clementer inducti accessum nostrum ad partes Italie ad tempus veris proxime futuri provide duxerimus differrendum, nam pro tanto negocio si essemus in Italia, ad partes istas merito veniremus: volumus, quod si idem rex de galeis huiusmodi ordinasset, sibi regracieris ex parte nostra et huiusmodi dilacionem exponas, rogando eum, quod tempore dicti veris, si eum requiremus, huiusmodi galeas habeat preparatas. Sibi autem non scribimus, quia nescimus, si dictis galeis aliquid ordinaret. Dat. ap. Villamnovam V. Kal. Aug. anno V. (Ibid., Cod. 271, Fol. 43a.) 45. Gregor XI. an Peter von Aragonien: Er müsse die Reise nach Italien wegen der zwischen England und Frankreich schwebenden Friedensverhandlungen verschieben. Villanova 1375, August 2. Carissimo in Christo filio Petro regi Arragonum .. . Cum noviter inter carissimos in Christo filios nostros Carolum
130 I. Abhandlung : Losorth. sobald der Friede zwischen England und Frankreich zu Stande kommt. Villa Nova 1375, Juli 15. (Ibid.) 44. Gregor XI. an den Nuntius, Bischof Johann von Sarlat: die für seine Rückkehr nach Rom bereitgehaltenen Schiffe des Königs Friedrich von Sicilien mögen abbestellt werden, da er im Interesse der englisch-französischen Friedensverhandlungen seine Fahrt nach Italien bis zum nächsten Frühjahr verschieben müsse. Villanova 1375, Juli 28. Venerabili fratri Johanni episcopo Sarlatensi apostolice sedis nuncio salutem etc. Hiis diebus tue fraternitati scripsimus, quod, si alique galee carissimi in Christo filii nostri Frederici regis Trinacrie illustris pro nostro adventu ad urbem pararentur, earum differretur recessus usque ad vicesimum diem mensis Augusti proxime secuturi. Cum autem carissimi in Christo filii nostri Caroli regis Francorum illustris et dilecti filii nobilis vir Johannis ducis Lancastrie carissimi in Christo filii nostri Edwardi regis Anglie illustris nati tractatoris pacis inter dictos reges auctore domino faciende et nonnullorum aliorum magna- torum nec non prelatorum et populorum supplicancium, quod pro favore dicte pacis remanere in instanti tempore in his parti- bus debeamus, precibus clementer inducti accessum nostrum ad partes Italie ad tempus veris proxime futuri provide duxerimus differrendum, nam pro tanto negocio si essemus in Italia, ad partes istas merito veniremus: volumus, quod si idem rex de galeis huiusmodi ordinasset, sibi regracieris ex parte nostra et huiusmodi dilacionem exponas, rogando eum, quod tempore dicti veris, si eum requiremus, huiusmodi galeas habeat preparatas. Sibi autem non scribimus, quia nescimus, si dictis galeis aliquid ordinaret. Dat. ap. Villamnovam V. Kal. Aug. anno V. (Ibid., Cod. 271, Fol. 43a.) 45. Gregor XI. an Peter von Aragonien: Er müsse die Reise nach Italien wegen der zwischen England und Frankreich schwebenden Friedensverhandlungen verschieben. Villanova 1375, August 2. Carissimo in Christo filio Petro regi Arragonum .. . Cum noviter inter carissimos in Christo filios nostros Carolum
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Studien zur Kirchonpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 131 Francorum et Edwardum Anglie reges invicem discordantes sit facta treuga sub spe pacis commodius pertractande et per prefatum regem Francie ac dilectum filium nobilem virum Johannem ducem Lancastrie prefati regis Anglie natum trac- tatorem dicte pacis et per nuncios nostros, quos ad tractandum dictam treugam et pacem habuimus pro ut habemus in partibus Flandrie, nobis fuerit instantissime supplicatum, ut cum per- fectione tractatus eiusdem pacis nostra presencia in his par- tibus necessaria existimatur, predictum nostrum recessum digna- remur differre, nos premissam pacem non solum regnis et terris memoratorum regum sed toti christianitati perutilem, pro qua si essemus in urbe ad partes rediremus easdem, summis desi- deriis affectantes... Datum apud Villam novam Avenion. dioc. IIII Non Aug. anno V (1375, August 2). (E Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 43b.) 46. Eodem modo Ludwico regi Ungarie. Henrico regi Castelle. 47. „ „ 48. Edwardo regi Anglie. „ „ Carolo regi Navarre. 49. „ „ Alberto et Leupoldo ducibus Austrie. 50. „ 51. Antianis populi et consilio et communitati „ „ civ. Pisan. nec non 52. „ „ Petro de Gambacurtis militi. 53. „ populo Romano. 54. An Egidio Sancii Mumonis: Der Papst habe ihm, dem Bernhard von Pampelona und Radulph von Sinigaglia Aufträge nach Flandern mitgegeben. Inzwischen seien sie zurückgekehrt und der König von England Willens, einen Boten nach Brügge zu senden. Es mögen daher die damals fest- gestellten Bedingungen bis zu Christi Himmelfahrt gelten. Datum apud Pontemsorgie 1375, Sept. 6. (Ibid., Cod. 267, Fol. 84b.) 55. Ordinatur, ut archiepiscopi Cantuariensis et Ebora- censis Egidio Sancii ap. sed. nuncio procuraciones in regno Anglie sibi assignatas a suis subditis exigant ... Datum ap. Pontemsorgie VIII Id. Sept. anno V (1375, Sept. 6). (Ibid., Cod. 286.)
Studien zur Kirchonpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 131 Francorum et Edwardum Anglie reges invicem discordantes sit facta treuga sub spe pacis commodius pertractande et per prefatum regem Francie ac dilectum filium nobilem virum Johannem ducem Lancastrie prefati regis Anglie natum trac- tatorem dicte pacis et per nuncios nostros, quos ad tractandum dictam treugam et pacem habuimus pro ut habemus in partibus Flandrie, nobis fuerit instantissime supplicatum, ut cum per- fectione tractatus eiusdem pacis nostra presencia in his par- tibus necessaria existimatur, predictum nostrum recessum digna- remur differre, nos premissam pacem non solum regnis et terris memoratorum regum sed toti christianitati perutilem, pro qua si essemus in urbe ad partes rediremus easdem, summis desi- deriis affectantes... Datum apud Villam novam Avenion. dioc. IIII Non Aug. anno V (1375, August 2). (E Reg. Greg. XI., Cod. 271, Fol. 43b.) 46. Eodem modo Ludwico regi Ungarie. Henrico regi Castelle. 47. „ „ 48. Edwardo regi Anglie. „ „ Carolo regi Navarre. 49. „ „ Alberto et Leupoldo ducibus Austrie. 50. „ 51. Antianis populi et consilio et communitati „ „ civ. Pisan. nec non 52. „ „ Petro de Gambacurtis militi. 53. „ populo Romano. 54. An Egidio Sancii Mumonis: Der Papst habe ihm, dem Bernhard von Pampelona und Radulph von Sinigaglia Aufträge nach Flandern mitgegeben. Inzwischen seien sie zurückgekehrt und der König von England Willens, einen Boten nach Brügge zu senden. Es mögen daher die damals fest- gestellten Bedingungen bis zu Christi Himmelfahrt gelten. Datum apud Pontemsorgie 1375, Sept. 6. (Ibid., Cod. 267, Fol. 84b.) 55. Ordinatur, ut archiepiscopi Cantuariensis et Ebora- censis Egidio Sancii ap. sed. nuncio procuraciones in regno Anglie sibi assignatas a suis subditis exigant ... Datum ap. Pontemsorgie VIII Id. Sept. anno V (1375, Sept. 6). (Ibid., Cod. 286.)
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132 I. Abhandlung : Loserth. 56. Gregor XI. an den Clerus von England: Dieser habe seinem Nuntius Egidio Sancii für die Zeit seiner Anwesenheit daselbst täglich sechs Goldgulden zu zahlen. Datum ap. Pontem- sorgie 1375, Sept. 6. (Ibid., Cod. 267, Fol. 85a.) 57. Egidio Sancii conceditur, ut contra quoscunque prelatos regni Anglie eidem non solventes procuraciones citaciones et moniciones per edicta publica facere valeat. Dat. ut supra. (Ibid., Cod. 271, Fol. 84a—85b. Cf. et Cod. 286.( 58. Egidio Sancii nuncio prorogandi quosdam articulos inter regnum Anglie et Romanam ecclesiam habitos et cura eos gerendi et exercendi conceditur facultas. Dat. ap. Pontemsorgie 1375, Sept. 6. (Ibid., Cod. 286, Fol. 296 a et Cod. 267, Fol. 84b.) 59. Egidio Sancii nuncio ad partes Anglie destinato procu- raciones debite assignantur. Datum apud Pontemsorgie V Id. Sept. anno V (1375, Sept. 9). (Ibid., Cod. 286, Fol. 287b.) 60. Universis archiepiscopis, episcopis aliisque prelatis regni Anglie mandatur, ut Egidio Sancii singulis diebus in sex florenis de camera pro expensionibus suis provideant. Datum ut Nr. 59. (Ibid., Fol. 297b. Cf. Nr. 56.) 61. Eidem Egidio datur facultas compellendi archiepiscopos Eboracensem et Cantuariensem ad solvendum procuraciones sibi debitas, et quod ipsi possint illas recipere a rege Anglie. Dat. ut. Nr. 59. (Ibid., Cod. 267, Fol. 88.) 62. Gregorius XI. nunciis Caroli regis Francorum Brugis, quod prosequantur pacem et concordiam inter reges Anglie et Francie et super premissis in dicendis archiepiscopo Raven- natensi et episcopo Carpentoratensi credant. Datum apud Pon- temsorgie Avenien. dioc. XII Kal. Oct. anno V (1375, Sep- tember 20). (Ibid., Cod. 271, Fol. 141b.) 63. Ludovico duci Andegavensi, quod prosequatur (ut supra).
132 I. Abhandlung : Loserth. 56. Gregor XI. an den Clerus von England: Dieser habe seinem Nuntius Egidio Sancii für die Zeit seiner Anwesenheit daselbst täglich sechs Goldgulden zu zahlen. Datum ap. Pontem- sorgie 1375, Sept. 6. (Ibid., Cod. 267, Fol. 85a.) 57. Egidio Sancii conceditur, ut contra quoscunque prelatos regni Anglie eidem non solventes procuraciones citaciones et moniciones per edicta publica facere valeat. Dat. ut supra. (Ibid., Cod. 271, Fol. 84a—85b. Cf. et Cod. 286.( 58. Egidio Sancii nuncio prorogandi quosdam articulos inter regnum Anglie et Romanam ecclesiam habitos et cura eos gerendi et exercendi conceditur facultas. Dat. ap. Pontemsorgie 1375, Sept. 6. (Ibid., Cod. 286, Fol. 296 a et Cod. 267, Fol. 84b.) 59. Egidio Sancii nuncio ad partes Anglie destinato procu- raciones debite assignantur. Datum apud Pontemsorgie V Id. Sept. anno V (1375, Sept. 9). (Ibid., Cod. 286, Fol. 287b.) 60. Universis archiepiscopis, episcopis aliisque prelatis regni Anglie mandatur, ut Egidio Sancii singulis diebus in sex florenis de camera pro expensionibus suis provideant. Datum ut Nr. 59. (Ibid., Fol. 297b. Cf. Nr. 56.) 61. Eidem Egidio datur facultas compellendi archiepiscopos Eboracensem et Cantuariensem ad solvendum procuraciones sibi debitas, et quod ipsi possint illas recipere a rege Anglie. Dat. ut. Nr. 59. (Ibid., Cod. 267, Fol. 88.) 62. Gregorius XI. nunciis Caroli regis Francorum Brugis, quod prosequantur pacem et concordiam inter reges Anglie et Francie et super premissis in dicendis archiepiscopo Raven- natensi et episcopo Carpentoratensi credant. Datum apud Pon- temsorgie Avenien. dioc. XII Kal. Oct. anno V (1375, Sep- tember 20). (Ibid., Cod. 271, Fol. 141b.) 63. Ludovico duci Andegavensi, quod prosequatur (ut supra).
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Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 133 64. Eduardo principi Vallie (ut supra). 65. Carolo regi Francie (ut supra). 66. Philippo duci Burgundie (ut supra). 67. Johanni episcopo Ambionensi (ut supra). 68. Gregor XI. an den gesammten englischen Clerus: den zu den Friedensverhandlungen bestimmten Gesandten die schuldige Procuration zu zahlen. Datum ap. Pontemsorgie (1375, Sept. 21). (Ibid., Cod. 267, Fol. 83b.) 69. Archiepiscopo Eboracensi quod habeat recommissum Egidium Sancii Mumonis apud regem Anglie in hiis, que secum habet agere. Dat. Aven. Kal. Oct. an. V (1375, Oct. 1). (Ibid., Fol. 23b.) So auch an den Bischof von Herford. 70. Roberto de Alis priori Anglie hospitalis sancti Johannis Jerusalemitanensis, quod procuret relaxari arrestatum pecunia- rum magistro hospitalis sancti Jeros. et conventui Rhodi per regem Anglie factum. Dat. Aven. Id. Oct. anno V (1375, Oct. 15). (Ibid., Cod. 271, Fol. 62.) 71. Ebenso an König Eduard. Die beschlagnahmten Gelder waren für den Kreuzzug bestimmt. 72. Ludovico regi Ungarie, quod increpet Florentinos molientes ipsum trahere a dileccione ecclesie. Dat. Av. Kal. Nov. anno V (1375, Nov. 1). 73. In eundem modum regine Ungarie. 74. Regi Edwardo, quod XXII fratres Hospitalis s. Johannis ad pugnandum contra Turcas ultra mare cum omnibus suis bonis libere transire per regnum suum permittat et eis auxi- lium prebeat. Dat. Aven. VI Kal. Dec. anno V (1375, Nov. 26). So auch an viele andere Fürsten. 75. Andree Contareno duci Veneciarum, quod velit mittere galeas aliquas per ipsum oblatas, quod in Kal. Marcii essent parate in portu Massiliensi. Aven. 1375, Nov. 27. (Ibid., Cod. 271.) So auch an die Königin von Sicilien. 76. Carolo regi Francie, quod inclinet animum suum ad pacem cum rege Anglie et mandet tractatoribus pacis pro
Studien zur Kirchenpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 133 64. Eduardo principi Vallie (ut supra). 65. Carolo regi Francie (ut supra). 66. Philippo duci Burgundie (ut supra). 67. Johanni episcopo Ambionensi (ut supra). 68. Gregor XI. an den gesammten englischen Clerus: den zu den Friedensverhandlungen bestimmten Gesandten die schuldige Procuration zu zahlen. Datum ap. Pontemsorgie (1375, Sept. 21). (Ibid., Cod. 267, Fol. 83b.) 69. Archiepiscopo Eboracensi quod habeat recommissum Egidium Sancii Mumonis apud regem Anglie in hiis, que secum habet agere. Dat. Aven. Kal. Oct. an. V (1375, Oct. 1). (Ibid., Fol. 23b.) So auch an den Bischof von Herford. 70. Roberto de Alis priori Anglie hospitalis sancti Johannis Jerusalemitanensis, quod procuret relaxari arrestatum pecunia- rum magistro hospitalis sancti Jeros. et conventui Rhodi per regem Anglie factum. Dat. Aven. Id. Oct. anno V (1375, Oct. 15). (Ibid., Cod. 271, Fol. 62.) 71. Ebenso an König Eduard. Die beschlagnahmten Gelder waren für den Kreuzzug bestimmt. 72. Ludovico regi Ungarie, quod increpet Florentinos molientes ipsum trahere a dileccione ecclesie. Dat. Av. Kal. Nov. anno V (1375, Nov. 1). 73. In eundem modum regine Ungarie. 74. Regi Edwardo, quod XXII fratres Hospitalis s. Johannis ad pugnandum contra Turcas ultra mare cum omnibus suis bonis libere transire per regnum suum permittat et eis auxi- lium prebeat. Dat. Aven. VI Kal. Dec. anno V (1375, Nov. 26). So auch an viele andere Fürsten. 75. Andree Contareno duci Veneciarum, quod velit mittere galeas aliquas per ipsum oblatas, quod in Kal. Marcii essent parate in portu Massiliensi. Aven. 1375, Nov. 27. (Ibid., Cod. 271.) So auch an die Königin von Sicilien. 76. Carolo regi Francie, quod inclinet animum suum ad pacem cum rege Anglie et mandet tractatoribus pacis pro
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134 I. Abhandlung: Loserth. parte sua, quod exequantur hoc liberali via. Dat. Av. IV Kal. Dec. an. V (1375, Nov. 28). Man war wieder darüber nicht einig, wo die Unterhand- lungen stattfinden sollen. 77. Regi Anglie (ut supra). 78. Duci Lancastrie (ut supra). 79. Tractatoribus pacis Pileo et Guilelmo... 80. Philippo d. Burgundie. 81. Ludovico Flandrie. 82. Ludovico Andegavensi. (Ibid., Fol. 200.) 83. Gregor XI. an den Erzbischof von Canterbury: Da die Geistlichkeit der Erzdiöcese York die erste schuldige Rate gar nicht, jene von Canterbury sie nicht ganz gezahlt hat, so ist das Geld binnen Monatfrist einzuheben. Avignon, 1376, Mai 7. (Ibid., Cod. 281, Fol. 261b.) 84. Gregor XI. an den Nuntius Bischof von Emly: Die päpstlichen Einkünfte in der ihm anvertrauten Provinz einzu- fordern und einzuschicken. Rom, 1377, März 8. (Ibid., Cod. 280, Fol. 39a.) 85. Gregor XI. an denselben: quod de omnibus et singulis bonis, creditis, fructibus, redditibus, procuracionibus, iuribus et observacionibus (in sua provincia) ac vero valore ipsorum... cameram apostolicam certificare procuret. Dat. ut Nr. 84. (Ibid., Fol. 39b.) 86. An denselben: dass er die säumigen Schuldner, Erz- bischöfe, Bischöfe etc. unter Androhung der Kirchenstrafen zur Zahlung mahne. (Ibid., Fol. 45b.) ,racione promocionis eorum ad prelaturas quibus presint'. 87. An denselben: Zur Vertheidigung der römischen Kirche brauche er Geld, die Bischöfe der ihm anvertrauten Provinz (Cashel) sind zu mahnen, ihm Beiträge cinzusenden. Datum wie oben. (Ibid., Fol. 49 a.)
134 I. Abhandlung: Loserth. parte sua, quod exequantur hoc liberali via. Dat. Av. IV Kal. Dec. an. V (1375, Nov. 28). Man war wieder darüber nicht einig, wo die Unterhand- lungen stattfinden sollen. 77. Regi Anglie (ut supra). 78. Duci Lancastrie (ut supra). 79. Tractatoribus pacis Pileo et Guilelmo... 80. Philippo d. Burgundie. 81. Ludovico Flandrie. 82. Ludovico Andegavensi. (Ibid., Fol. 200.) 83. Gregor XI. an den Erzbischof von Canterbury: Da die Geistlichkeit der Erzdiöcese York die erste schuldige Rate gar nicht, jene von Canterbury sie nicht ganz gezahlt hat, so ist das Geld binnen Monatfrist einzuheben. Avignon, 1376, Mai 7. (Ibid., Cod. 281, Fol. 261b.) 84. Gregor XI. an den Nuntius Bischof von Emly: Die päpstlichen Einkünfte in der ihm anvertrauten Provinz einzu- fordern und einzuschicken. Rom, 1377, März 8. (Ibid., Cod. 280, Fol. 39a.) 85. Gregor XI. an denselben: quod de omnibus et singulis bonis, creditis, fructibus, redditibus, procuracionibus, iuribus et observacionibus (in sua provincia) ac vero valore ipsorum... cameram apostolicam certificare procuret. Dat. ut Nr. 84. (Ibid., Fol. 39b.) 86. An denselben: dass er die säumigen Schuldner, Erz- bischöfe, Bischöfe etc. unter Androhung der Kirchenstrafen zur Zahlung mahne. (Ibid., Fol. 45b.) ,racione promocionis eorum ad prelaturas quibus presint'. 87. An denselben: Zur Vertheidigung der römischen Kirche brauche er Geld, die Bischöfe der ihm anvertrauten Provinz (Cashel) sind zu mahnen, ihm Beiträge cinzusenden. Datum wie oben. (Ibid., Fol. 49 a.)
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Studien zur Kirchonpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 135 Inhalt. Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen 1. Die Kirchenpolitik Eduards I. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kirchenpolitik Eduards III. vom Beginn des englisch-franzö- sischen Thronstreites bis zum Frieden von Bretigny. . . . . 3. Der päpstliche Lehenszins und das angebliche Auftreten Wiclif’s als Kirchenpolitiker in den Jahren 1365 und 1366 . . . . . 4. England und das Papstthum vom Frieden von Bretigny bis zum Congress von Brügge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Friedenscongress zu Brügge . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das gute Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die ersten kirchenpolitischen Schriften Wiclif’s. Das Buch vom 76 göttlichen Regiment und die Schrift von den zehn Geboten . 83 8. Das erste Buch von der bürgerlichen Herrschaft. . . . . . . . 9. Die achtzehn Thesen Wiclif’s und die Versammlung in St. Paul . 89 10. Wielif's Ideen über die Einziehung des englischen Kirchengutes. Das zweite und dritte Buch von der bürgerlichen Herrschaft. 99 4 19 30 44 53 67 Excurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Wiclif und Occam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Papst Gregor XI. und Wielif. ... . . . . . . . . . . . . . . 112 Beilagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Zur Lehenszinsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Gregor XI. an die englischen Nuntien etc. . . . . . . . . . . 120 3. Gregor XI. gewährt Johann von Cobham, dass für das von diesem gestiftete Collegium die Einkünfte einer der Kirchen seines Patronates bestimmt werden . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Aus den Registern Gregors XI. . . . . . . . . . . . . . . . 124 Ausgegeben am 28. April 1897.
Studien zur Kirchonpolitik Englands im 14. Jahrhundert. 135 Inhalt. Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkungen 1. Die Kirchenpolitik Eduards I. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kirchenpolitik Eduards III. vom Beginn des englisch-franzö- sischen Thronstreites bis zum Frieden von Bretigny. . . . . 3. Der päpstliche Lehenszins und das angebliche Auftreten Wiclif’s als Kirchenpolitiker in den Jahren 1365 und 1366 . . . . . 4. England und das Papstthum vom Frieden von Bretigny bis zum Congress von Brügge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Friedenscongress zu Brügge . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das gute Parlament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die ersten kirchenpolitischen Schriften Wiclif’s. Das Buch vom 76 göttlichen Regiment und die Schrift von den zehn Geboten . 83 8. Das erste Buch von der bürgerlichen Herrschaft. . . . . . . . 9. Die achtzehn Thesen Wiclif’s und die Versammlung in St. Paul . 89 10. Wielif's Ideen über die Einziehung des englischen Kirchengutes. Das zweite und dritte Buch von der bürgerlichen Herrschaft. 99 4 19 30 44 53 67 Excurse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Wiclif und Occam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Papst Gregor XI. und Wielif. ... . . . . . . . . . . . . . . 112 Beilagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Zur Lehenszinsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Gregor XI. an die englischen Nuntien etc. . . . . . . . . . . 120 3. Gregor XI. gewährt Johann von Cobham, dass für das von diesem gestiftete Collegium die Einkünfte einer der Kirchen seines Patronates bestimmt werden . . . . . . . . . . . . . . . 122 4. Aus den Registern Gregors XI. . . . . . . . . . . . . . . . 124 Ausgegeben am 28. April 1897.
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