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Název:
Ein Fürstenspiegel Karls IV.
Autor:
Steinherz, Samuel
Rok vydání:
1925
Místo vydání:
Praha
Česká národní bibliografie:
Počet stran celkem:
66
Počet stran předmluvy plus obsahu:
66
Obsah:
- 1: Titel
- 7: Studie
- 41: Edition
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Ein Fürstenspiegel Karls IV. Veröffentlicht von S. Steinherz Prag 1925 Verlag der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik Vertrieb: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus in Reichenberg
Ein Fürstenspiegel Karls IV. Veröffentlicht von S. Steinherz Prag 1925 Verlag der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik Vertrieb: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus in Reichenberg
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Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte Herausgegeben von der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik 3. Heft Prag 1925 Verlag der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik Vertrieb: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus in Reichenberg
Quellen und Forschungen aus dem Gebiete der Geschichte Herausgegeben von der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik 3. Heft Prag 1925 Verlag der Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste für die Tschechoslowakische Republik Vertrieb: Sudetendeutscher Verlag Franz Kraus in Reichenberg
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Im Jahre 1883 hat die Universitätsbibliothek in Prag von Johann Winzig, Pfarrer in Schweinitz (Sviny Trhové, im südlichen Böhmen), eine Papierhandschrift, dem ausgehenden Mittelalter an- gehörig, zum Geschenke erhalten. Es sind Aufzeichnungen ver- schiedenen Inhaltes und von verschiedenen Schreibern des XIV. und XV. Jahrhunderts, die in einem Bande vereinigt sind. Nach einem Vermerke auf Blatt 2 ist der Band im XV. Jahrhunderte der Kirche zu Schweinitz geschenkt1) worden, und man kann annehmen, daß er seit dieser Zeit in dem Pfarrarchiv des kleinen Städtchens ver- wahrt gewesen ist; das würde erklären, daß er den älteren Forschern unbekannt geblieben ist. Nachdem die Handschrift in die Prager Bibliothek gelangt war 2), unterzog sie der Beamte dieser Bibliothek, Ferdinand Tadra, einer Untersuchung; er fand, gleich auf den ersten Blättern, eine kleine Sammlung von Urkunden- und Brief- formularen aus der Zeit Karls IV. — das interessierte ihn haupt- sächlich —, dann eine Anzahl Aktenstücke zur Geschichte des großen Schismas, einige von ihnen veröffentlichte er 3), die Urkunden- und Briefformulare verwertete er in seiner Ausgabe der „Summa cancellariae Caroli IV“4); auf den weiteren Inhalt der Handschrift ging er nicht ein. Dann hat Josef Truhlař für sein Verzeichnis der lateinischen Handschriften der Prager Universitätsbibliothek unseren Band wieder vorgenommen und seinen Inhalt mitgeteilt 5). Seitdem ist er, soviel sich ersehen läßt, nicht weiter beachtet worden. Bei meinen Studien zur Geschichte Karls IV. wurde ich auf diese Handschrift aufmerksam, über welche Truhlař in seinem Handschriftenverzeichnis u. a. bemerkt „fol. 28 a—34 b (Caroli IV ad filium?) epistola de lege et moribus cesareis“. Dazu als Anfangs- und Schlußworte „letatus sum et letarer“ und „pars anime maxima fili nostre". Ein solches Schreiben, von Karl IV. an seinen Sohn gerichtet, war bisher unbekannt. Nun stellte sich allerdings gleich 1) „Iste liber datus est pro ecclesia in Swin“ von einer Hand des XV. Jahrhunderts. 2) Dort erhielt sie die Signatur VIII. A. 19. 3) „Nově nalezené rukopisy formulářů XIII. a XIV. století“ (Abhand- lungen der kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, VII. Folge, 2. Band, 1888, Nr. 3), S. 25 ff., mit einer sehr dürftigen Angabe des Inhaltes der ganzen Handschrift auf S. 6. 4) Einleitung S. X, XXXII und die Konkordanz-Tabelle auf S. XLI, in welcher unsere Handschrift an erster Stelle mit der Bezeichnung „Uc“ erscheint. 5) Catalogus codicum manu scriptorum Latinorum, qui in ces. r. biblio- theca publica atque universitatis Pragensis asservantur, 1, 529, nr. 1426.
Im Jahre 1883 hat die Universitätsbibliothek in Prag von Johann Winzig, Pfarrer in Schweinitz (Sviny Trhové, im südlichen Böhmen), eine Papierhandschrift, dem ausgehenden Mittelalter an- gehörig, zum Geschenke erhalten. Es sind Aufzeichnungen ver- schiedenen Inhaltes und von verschiedenen Schreibern des XIV. und XV. Jahrhunderts, die in einem Bande vereinigt sind. Nach einem Vermerke auf Blatt 2 ist der Band im XV. Jahrhunderte der Kirche zu Schweinitz geschenkt1) worden, und man kann annehmen, daß er seit dieser Zeit in dem Pfarrarchiv des kleinen Städtchens ver- wahrt gewesen ist; das würde erklären, daß er den älteren Forschern unbekannt geblieben ist. Nachdem die Handschrift in die Prager Bibliothek gelangt war 2), unterzog sie der Beamte dieser Bibliothek, Ferdinand Tadra, einer Untersuchung; er fand, gleich auf den ersten Blättern, eine kleine Sammlung von Urkunden- und Brief- formularen aus der Zeit Karls IV. — das interessierte ihn haupt- sächlich —, dann eine Anzahl Aktenstücke zur Geschichte des großen Schismas, einige von ihnen veröffentlichte er 3), die Urkunden- und Briefformulare verwertete er in seiner Ausgabe der „Summa cancellariae Caroli IV“4); auf den weiteren Inhalt der Handschrift ging er nicht ein. Dann hat Josef Truhlař für sein Verzeichnis der lateinischen Handschriften der Prager Universitätsbibliothek unseren Band wieder vorgenommen und seinen Inhalt mitgeteilt 5). Seitdem ist er, soviel sich ersehen läßt, nicht weiter beachtet worden. Bei meinen Studien zur Geschichte Karls IV. wurde ich auf diese Handschrift aufmerksam, über welche Truhlař in seinem Handschriftenverzeichnis u. a. bemerkt „fol. 28 a—34 b (Caroli IV ad filium?) epistola de lege et moribus cesareis“. Dazu als Anfangs- und Schlußworte „letatus sum et letarer“ und „pars anime maxima fili nostre". Ein solches Schreiben, von Karl IV. an seinen Sohn gerichtet, war bisher unbekannt. Nun stellte sich allerdings gleich 1) „Iste liber datus est pro ecclesia in Swin“ von einer Hand des XV. Jahrhunderts. 2) Dort erhielt sie die Signatur VIII. A. 19. 3) „Nově nalezené rukopisy formulářů XIII. a XIV. století“ (Abhand- lungen der kgl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, VII. Folge, 2. Band, 1888, Nr. 3), S. 25 ff., mit einer sehr dürftigen Angabe des Inhaltes der ganzen Handschrift auf S. 6. 4) Einleitung S. X, XXXII und die Konkordanz-Tabelle auf S. XLI, in welcher unsere Handschrift an erster Stelle mit der Bezeichnung „Uc“ erscheint. 5) Catalogus codicum manu scriptorum Latinorum, qui in ces. r. biblio- theca publica atque universitatis Pragensis asservantur, 1, 529, nr. 1426.
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8 heraus, daß Truhlař, dessen Angaben sonst zuverlässig sind, hier einen Fehler sich hatte zuschulden kommen lassen. Was er als Ein Schreiben bezeichnet, sind in Wirklichkeit zwei, mit „letatus sum" beginnt das erste, mit „pars anime etc.“ schließt das zweite Schreiben. Beide gehören zusammen, das zweite ist die Antwort auf das erste. Das erste Schreiben enthält eine Bitte des neuen römischen Königs an seinen Vater, den Kaiser: er sei durch Gottes Fügung im römischen Reiche zum Nachfolger des Kaisers bestimmt, aber die Furcht, daß er wegen seiner Jugend eine so große Last nicht tragen könne, quäle ihn ; er vertraue jedoch auf Gott und auf die Unterstützung durch den Vater, der mit seiner langen Erfahrung und mit seiner Geschicklichkeit ihm eine Richtschnur für die Re- gierung geben könne. Deshalb bitte er den Vater, er möge ihn belehren über Gesetz und Sitten eines römischen Kaisers. Auf dieses Schreiben folgt die Antwort des Vaters: er sei über diese Bitte außerordentlich erfreut, er sehe in ihr einen deutlichen Beweis der Reife des Sohnes, dem die Wiederherstellung des zerstückelten römischen Reiches am Herzen liege, und der zur Regierung des römischen und böhmischen Reiches 6) und der anderen durch Gottes Gnade ihm untertanen Herrschaften die Be- lehrung durch den Vater wünsche. Und nun folgt eine ganze Ab- handlung, wie der Sohn sich verhalten solle: vor allem möge er Gott fürchten und lieben, gerecht sein, treu und wahrhaft, sein Wort unbedingt halten, niemals Furcht zeigen, sondern immer Gleichmut und Ruhe, er möge sich besonders vor der Habsucht hüten, ein milder, wohlwollender Herrscher sein, sich nicht über- heben, mit einem Worte, er möge ehrbar sein und die Schande hassen. Uber seine Umgebung, seine Räte und Hofleute, und wie er sich in den Anfängen seiner hohen Würde verhalten solle, werde er (der Kaiser) in vertraulichen Gesprächen ihm Aufklärung geben. Damit schließt das zweite Schreiben. Man sieht auf den ersten Blick, daß diese Schreiben nicht Originale sind: dem ersten folgt auf derselben Seite der Hand- schrift das zweite, beide sind von der gleichen Hand geschrieben und beide weisen die gleichen Mängel auf, das gänzliche Fehlen von Adresse, Unterfertigung und Datierung. Wie kam nun Truhlař auf die Vermutung, daß hier vielleicht ein Schreiben Karls IV. vorliege? Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es eine Stelle des zweiten Schreibens gewesen, die ihn zu dieser Vermutung geführt hat, die Stelle, daß der Sohn die Belehrung durch den Vater wünsche, um das römische und böh- mische Reich regieren zu können. Welcher deutsche Kaiser des Mittelalters konnte so zu seinem Sohne sprechen? Nur Karl IV. Nur auf ihn und seinen Sohn Wenzel passen solche Worte, einen anderen Kaiser, dessen Sohn bei Lebzeiten des Vaters römischer 6) Diese Stelle lautet wörtlich: „sed ne suspendamus diucius votum tue mentis optabile, quo ad gubernandum Romanorum Bohemieque regna, varia quoque mundi dominia tibi benignitate celesti, nobis adhuc robusta manu scep- trum tenentibus Laciale, subiecta, visus es flagranter deposcere —
8 heraus, daß Truhlař, dessen Angaben sonst zuverlässig sind, hier einen Fehler sich hatte zuschulden kommen lassen. Was er als Ein Schreiben bezeichnet, sind in Wirklichkeit zwei, mit „letatus sum" beginnt das erste, mit „pars anime etc.“ schließt das zweite Schreiben. Beide gehören zusammen, das zweite ist die Antwort auf das erste. Das erste Schreiben enthält eine Bitte des neuen römischen Königs an seinen Vater, den Kaiser: er sei durch Gottes Fügung im römischen Reiche zum Nachfolger des Kaisers bestimmt, aber die Furcht, daß er wegen seiner Jugend eine so große Last nicht tragen könne, quäle ihn ; er vertraue jedoch auf Gott und auf die Unterstützung durch den Vater, der mit seiner langen Erfahrung und mit seiner Geschicklichkeit ihm eine Richtschnur für die Re- gierung geben könne. Deshalb bitte er den Vater, er möge ihn belehren über Gesetz und Sitten eines römischen Kaisers. Auf dieses Schreiben folgt die Antwort des Vaters: er sei über diese Bitte außerordentlich erfreut, er sehe in ihr einen deutlichen Beweis der Reife des Sohnes, dem die Wiederherstellung des zerstückelten römischen Reiches am Herzen liege, und der zur Regierung des römischen und böhmischen Reiches 6) und der anderen durch Gottes Gnade ihm untertanen Herrschaften die Be- lehrung durch den Vater wünsche. Und nun folgt eine ganze Ab- handlung, wie der Sohn sich verhalten solle: vor allem möge er Gott fürchten und lieben, gerecht sein, treu und wahrhaft, sein Wort unbedingt halten, niemals Furcht zeigen, sondern immer Gleichmut und Ruhe, er möge sich besonders vor der Habsucht hüten, ein milder, wohlwollender Herrscher sein, sich nicht über- heben, mit einem Worte, er möge ehrbar sein und die Schande hassen. Uber seine Umgebung, seine Räte und Hofleute, und wie er sich in den Anfängen seiner hohen Würde verhalten solle, werde er (der Kaiser) in vertraulichen Gesprächen ihm Aufklärung geben. Damit schließt das zweite Schreiben. Man sieht auf den ersten Blick, daß diese Schreiben nicht Originale sind: dem ersten folgt auf derselben Seite der Hand- schrift das zweite, beide sind von der gleichen Hand geschrieben und beide weisen die gleichen Mängel auf, das gänzliche Fehlen von Adresse, Unterfertigung und Datierung. Wie kam nun Truhlař auf die Vermutung, daß hier vielleicht ein Schreiben Karls IV. vorliege? Aller Wahrscheinlichkeit nach ist es eine Stelle des zweiten Schreibens gewesen, die ihn zu dieser Vermutung geführt hat, die Stelle, daß der Sohn die Belehrung durch den Vater wünsche, um das römische und böh- mische Reich regieren zu können. Welcher deutsche Kaiser des Mittelalters konnte so zu seinem Sohne sprechen? Nur Karl IV. Nur auf ihn und seinen Sohn Wenzel passen solche Worte, einen anderen Kaiser, dessen Sohn bei Lebzeiten des Vaters römischer 6) Diese Stelle lautet wörtlich: „sed ne suspendamus diucius votum tue mentis optabile, quo ad gubernandum Romanorum Bohemieque regna, varia quoque mundi dominia tibi benignitate celesti, nobis adhuc robusta manu scep- trum tenentibus Laciale, subiecta, visus es flagranter deposcere —
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9 und böhmischer König gewesen ist, hat es im Mittelalter nicht gegeben 7). Wenzel war schon als Kind von zwei Jahren zum König von Böhmen gekrönt worden, am 15. Juni 1363. Dreizehn Jahre später — am 10. Juni 1376 —wurde er von den deutschen Kurfürsten zum römischen Könige, zum Nachfolger seines noch lebenden Vaters, des Kaisers Karl IV., gewählt. Truhlař mochte sich sagen, es sei doch ganz gut möglich, daß Wenzel nach dieser Wahl über die Pflichten, die ihm die neue Würde auferlegte, Belehrung wünschte — er war doch erst fünfzehn Jahre alt. Und die beste Belehrung konnte er von seinem Vater Karl IV. erwarten, der seit dreißig Jahren die deutsche Krone trug und sich als Meister in der Kunst des Regierens erwiesen hatte. Karl wiederum hätte die Gelegenheit benützt, um in seiner lehrhaften Art seine Ansicht über die Pflichten eines römischen Kaisers darzulegen, damit der Sohn für das ganze Leben eine Richtschnur, eine Art Herrscherbrevier, habe — der- selbe Karl IV., der ja auch in der Einleitung zu seiner Selbst- biographie seinem Sohne gute Lehren gegeben hat. Aber solche Erwägungen, die sich auf die Worte „das römische und böhmische Reich“ stützen, reichen nur aus, um mit allem Vorbehalte eine Vermutung auszusprechen, wie es Truhlař getan hat 8). Sie reichen nur aus, um zu sagen: es ist möglich, daß die beiden Schreiben von Wenzel und Karl IV. herrühren. Jeder, der das Schriftwesen des Mittelalters kennt, wird gleich hinzufügen, es ist ebensogut das Gegenteil möglich: daß Wenzel und Karl von solchen Schreiben nicht ein Wort gewußt haben, daß wir es mit Fälschungen oder besser gesagt Erfindungen zu tun haben. Wie viel solcher erfundener Dokumente sind uns erhalten! Eine unabsehbare Reihe von Urkunden und Briefen, auf den Namen von Päpsten, Kaisern, Königen usw., oft aus gewinn- süchtigen Motiven angefertigt, aber auch solche, die nur der Eitelkeit dienten, oder endlich erfundene Dokumente, die keinen anderen Zweck hatten, als zum Unterricht verwendet zu werden, Stil- übungen, Muster für Kanzleischreiber usw. Und gerade aus der Zeit Karls IV. haben wir ein Beispiel, das eine fatale Ahnlichkeit mit unseren Schreiben zeigt: es ist ein angeblicher Brief Wenzels an seinen Vater Karl, mit Vorwürfen, daß der Vater ihn schon jetzt zur königlichen Würde erhoben habe, trotzdem er noch ganz unreif, ganz ungeeignet sei 9). Der Brief bezieht sich auf das Ereignis von 1363, auf die Krönung Wenzels zum Könige von Böhmen 10). Zu welchem Zwecke er geschrieben und wer sein Ur- 7) In späterer Zeit, unter den Habsburgern des XVI. Jahrhunderts, lassen sich allerdings solche Fälle nachweisen, bei Ferdinand I. und Maximilian II., bei Maximilian II. und Rudolf II. Aber sie können hier nicht in Betracht kommen, da unsere Handschrift dem Mittelalter (XIV. und XV. Jahrhundert) angehört. 8) Deshalb hat Truhlař zu „Caroli IV ad filium“ ein Fragezeichen hinzu- gesetzt. 9) Gedruckt bei Pelzel, Karl IV., 2, Urkundenbuch, S. 366, nr. 330, und bei Tadra, Summa cancellariae, S. 33, nr. 55. 10) Pelzel (a. a. O., 2, 729), Palacky (Geschichte von Böhmen, II, 2, 368)
9 und böhmischer König gewesen ist, hat es im Mittelalter nicht gegeben 7). Wenzel war schon als Kind von zwei Jahren zum König von Böhmen gekrönt worden, am 15. Juni 1363. Dreizehn Jahre später — am 10. Juni 1376 —wurde er von den deutschen Kurfürsten zum römischen Könige, zum Nachfolger seines noch lebenden Vaters, des Kaisers Karl IV., gewählt. Truhlař mochte sich sagen, es sei doch ganz gut möglich, daß Wenzel nach dieser Wahl über die Pflichten, die ihm die neue Würde auferlegte, Belehrung wünschte — er war doch erst fünfzehn Jahre alt. Und die beste Belehrung konnte er von seinem Vater Karl IV. erwarten, der seit dreißig Jahren die deutsche Krone trug und sich als Meister in der Kunst des Regierens erwiesen hatte. Karl wiederum hätte die Gelegenheit benützt, um in seiner lehrhaften Art seine Ansicht über die Pflichten eines römischen Kaisers darzulegen, damit der Sohn für das ganze Leben eine Richtschnur, eine Art Herrscherbrevier, habe — der- selbe Karl IV., der ja auch in der Einleitung zu seiner Selbst- biographie seinem Sohne gute Lehren gegeben hat. Aber solche Erwägungen, die sich auf die Worte „das römische und böhmische Reich“ stützen, reichen nur aus, um mit allem Vorbehalte eine Vermutung auszusprechen, wie es Truhlař getan hat 8). Sie reichen nur aus, um zu sagen: es ist möglich, daß die beiden Schreiben von Wenzel und Karl IV. herrühren. Jeder, der das Schriftwesen des Mittelalters kennt, wird gleich hinzufügen, es ist ebensogut das Gegenteil möglich: daß Wenzel und Karl von solchen Schreiben nicht ein Wort gewußt haben, daß wir es mit Fälschungen oder besser gesagt Erfindungen zu tun haben. Wie viel solcher erfundener Dokumente sind uns erhalten! Eine unabsehbare Reihe von Urkunden und Briefen, auf den Namen von Päpsten, Kaisern, Königen usw., oft aus gewinn- süchtigen Motiven angefertigt, aber auch solche, die nur der Eitelkeit dienten, oder endlich erfundene Dokumente, die keinen anderen Zweck hatten, als zum Unterricht verwendet zu werden, Stil- übungen, Muster für Kanzleischreiber usw. Und gerade aus der Zeit Karls IV. haben wir ein Beispiel, das eine fatale Ahnlichkeit mit unseren Schreiben zeigt: es ist ein angeblicher Brief Wenzels an seinen Vater Karl, mit Vorwürfen, daß der Vater ihn schon jetzt zur königlichen Würde erhoben habe, trotzdem er noch ganz unreif, ganz ungeeignet sei 9). Der Brief bezieht sich auf das Ereignis von 1363, auf die Krönung Wenzels zum Könige von Böhmen 10). Zu welchem Zwecke er geschrieben und wer sein Ur- 7) In späterer Zeit, unter den Habsburgern des XVI. Jahrhunderts, lassen sich allerdings solche Fälle nachweisen, bei Ferdinand I. und Maximilian II., bei Maximilian II. und Rudolf II. Aber sie können hier nicht in Betracht kommen, da unsere Handschrift dem Mittelalter (XIV. und XV. Jahrhundert) angehört. 8) Deshalb hat Truhlař zu „Caroli IV ad filium“ ein Fragezeichen hinzu- gesetzt. 9) Gedruckt bei Pelzel, Karl IV., 2, Urkundenbuch, S. 366, nr. 330, und bei Tadra, Summa cancellariae, S. 33, nr. 55. 10) Pelzel (a. a. O., 2, 729), Palacky (Geschichte von Böhmen, II, 2, 368)
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10 heber gewesen ist, ist bis jetzt nicht festgestellt worden 11). Aber es braucht keine weitere Erörterung, daß der angebliche Aussteller, Wenzel, damals zwei Jahre alt, mit dem Briefe nichts zu tun hat; und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Brief in der Kanzlei Karls IV. geschrieben ist 12). Könnte es sich nicht bei unseren Schreiben ebenso verhalten? Könnten nicht auch sie von einem Beamten der Kanzlei Karls oder Wenzels oder von irgend einem anderen zu einem uns unbekannten Zwecke geschrieben sein, ohne daß der Kaiser und sein Sohn davon wußten? Um diese Frage zu beantworten, werden wir zuerst versuchen, aus der Uberlieferung unserer Stücke Aufschlüsse zu ge- winnen. Sie sind, soweit bisher festgestellt werden konnte, nur in der genannten Handschrift der Prager Universitätsbibliothek (VIII. A 19) erhalten. Truhlař hat den Inhalt der Handschrift mitgeteilt 13) es sind außer unseren Schreiben Formulare von Briefen aus der Zeit Karls IV., die unter dem Namen „Lucifer-Brief“ bekannte Satire gegen die höhere Geistlichkeit und die römische Kurie, einzelne Akten zur Geschichte des großen Schismas, ein angebliches Schreiben des Aristoteles an Alexander den Großen, ein Tractatus de informatione praedicatoris, das Schachbuch des Jacob von Cessole, Burchards Beschreibung des Heiligen Landes usw. — also eine bunte Reihe von Schriften, und wie man schon beim ersten Durchblättern des Bandes bemerkt, von verschiedenen Händen geschrieben. Man darf annehmen, daß ein böhmischer Geistlicher im XV. Jahr- hunderte 14) alle diese einzelnen Schriften in seinem Besitze hatte und Huber (Regesta imperii VIII, nr. 3958 a) haben den Brief auf die böhmische Krönung Wenzels bezogen, dagegen Höfler (Mitteilungen des Vereines für Ge- schichte der Deutschen in Böhmen, 3, 113) auf die Krönung Wenzels zum römischen König im Jahre 1376, und ihm haben sich Weizsäcker (Deutsche Reichstagsakten, 1, S. LXXXVI und 125, Note 1) und Lindner (Forschungen zur deutschen Geschichte, 14, 267, Note 4) angeschlossen. Entscheidend ist folgende Stelle des Briefes „vestra vero deliberacio me nondum mereri possi- bilem, cui velud parvulo fascemine trahentes, ne membra obliquentur in curvum, adhuc nutricum adheret frequencia, cui etiam nosse nedum bene operari manet incognitum, ad regie dignitatis fastigia sublimastis“. Man konnte einem Kinde von zwei Jahren die Worte in den Mund legen, es habe noch die Kinderfrauen um sich, damit seine Beine nicht krumm würden, aber nicht einem Jüngling von fünfzehn Jahren, welches Alter Wenzel bei der Krönung von 1376 erreicht hatte. 11) Pelzel hält den „Hofkanzler, den die Schreibart verrate“ — das ist im Jahre 1363 Johann von Neumarkt — für den Verfasser; Palacky drückt sich unbestimmt aus, er spricht von dem Briefe, den „man“ den neugekrönten Wenzel an seinen Vater schreiben ließ; Höfler hält den Brief für echt, d. h. wirklich von Wenzel selbst oder in seinem Auftrage geschrieben. Dagegen sagt Weizsäcker über den Brief: „das Latein ist gekünstelt, der Text ziemlich ver- dorben, das Ganze ist nichts anderes als Stilprobe, und nur dadurch wird seine Abgeschmacktheit entschuldigt“. 12) Wie man aus der Konkordanz-Tabelle in Tadras Ausgabe der „Summa cancellariae“ (S. XLII zu Nr. LV) sieht, enthält die Mehrzahl der Handschriften der „Summa“ den Brief. 13) Vgl. Anmerkung 5. 14) Für diese Vermutung sprechen die von Truhlař (a. a. O. zu Fol. 139 b und 194 b) mitgeteilten Notizen in čechischer Sprache, und der Umstand, daß die Handschrift im XV. Jahrhunderte der Pfarre in Schweinitz geschenkt worden ist.
10 heber gewesen ist, ist bis jetzt nicht festgestellt worden 11). Aber es braucht keine weitere Erörterung, daß der angebliche Aussteller, Wenzel, damals zwei Jahre alt, mit dem Briefe nichts zu tun hat; und es ist sehr wahrscheinlich, daß der Brief in der Kanzlei Karls IV. geschrieben ist 12). Könnte es sich nicht bei unseren Schreiben ebenso verhalten? Könnten nicht auch sie von einem Beamten der Kanzlei Karls oder Wenzels oder von irgend einem anderen zu einem uns unbekannten Zwecke geschrieben sein, ohne daß der Kaiser und sein Sohn davon wußten? Um diese Frage zu beantworten, werden wir zuerst versuchen, aus der Uberlieferung unserer Stücke Aufschlüsse zu ge- winnen. Sie sind, soweit bisher festgestellt werden konnte, nur in der genannten Handschrift der Prager Universitätsbibliothek (VIII. A 19) erhalten. Truhlař hat den Inhalt der Handschrift mitgeteilt 13) es sind außer unseren Schreiben Formulare von Briefen aus der Zeit Karls IV., die unter dem Namen „Lucifer-Brief“ bekannte Satire gegen die höhere Geistlichkeit und die römische Kurie, einzelne Akten zur Geschichte des großen Schismas, ein angebliches Schreiben des Aristoteles an Alexander den Großen, ein Tractatus de informatione praedicatoris, das Schachbuch des Jacob von Cessole, Burchards Beschreibung des Heiligen Landes usw. — also eine bunte Reihe von Schriften, und wie man schon beim ersten Durchblättern des Bandes bemerkt, von verschiedenen Händen geschrieben. Man darf annehmen, daß ein böhmischer Geistlicher im XV. Jahr- hunderte 14) alle diese einzelnen Schriften in seinem Besitze hatte und Huber (Regesta imperii VIII, nr. 3958 a) haben den Brief auf die böhmische Krönung Wenzels bezogen, dagegen Höfler (Mitteilungen des Vereines für Ge- schichte der Deutschen in Böhmen, 3, 113) auf die Krönung Wenzels zum römischen König im Jahre 1376, und ihm haben sich Weizsäcker (Deutsche Reichstagsakten, 1, S. LXXXVI und 125, Note 1) und Lindner (Forschungen zur deutschen Geschichte, 14, 267, Note 4) angeschlossen. Entscheidend ist folgende Stelle des Briefes „vestra vero deliberacio me nondum mereri possi- bilem, cui velud parvulo fascemine trahentes, ne membra obliquentur in curvum, adhuc nutricum adheret frequencia, cui etiam nosse nedum bene operari manet incognitum, ad regie dignitatis fastigia sublimastis“. Man konnte einem Kinde von zwei Jahren die Worte in den Mund legen, es habe noch die Kinderfrauen um sich, damit seine Beine nicht krumm würden, aber nicht einem Jüngling von fünfzehn Jahren, welches Alter Wenzel bei der Krönung von 1376 erreicht hatte. 11) Pelzel hält den „Hofkanzler, den die Schreibart verrate“ — das ist im Jahre 1363 Johann von Neumarkt — für den Verfasser; Palacky drückt sich unbestimmt aus, er spricht von dem Briefe, den „man“ den neugekrönten Wenzel an seinen Vater schreiben ließ; Höfler hält den Brief für echt, d. h. wirklich von Wenzel selbst oder in seinem Auftrage geschrieben. Dagegen sagt Weizsäcker über den Brief: „das Latein ist gekünstelt, der Text ziemlich ver- dorben, das Ganze ist nichts anderes als Stilprobe, und nur dadurch wird seine Abgeschmacktheit entschuldigt“. 12) Wie man aus der Konkordanz-Tabelle in Tadras Ausgabe der „Summa cancellariae“ (S. XLII zu Nr. LV) sieht, enthält die Mehrzahl der Handschriften der „Summa“ den Brief. 13) Vgl. Anmerkung 5. 14) Für diese Vermutung sprechen die von Truhlař (a. a. O. zu Fol. 139 b und 194 b) mitgeteilten Notizen in čechischer Sprache, und der Umstand, daß die Handschrift im XV. Jahrhunderte der Pfarre in Schweinitz geschenkt worden ist.
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11 und sie zusammen binden ließ. Den entgegengesetzten Weg müssen wir in unserer Untersuchung gehen, wir müssen den Band in seine ursprünglichen Teile zerlegen, um die Lagen und Schreiber fest- zustellen. Und da ergibt sich, daß der Band aus achtzehn Lagen besteht, aus Quinternen, Sexternen und einem Quatern15), die eine Hand des XV. Jahrhunderts mit „primus, secundus, etc.“ be- zeichnet hat 16). Die Lage, die unsere Stücke enthält, ist in der Reihe die dritte; durch ihren Inhalt ist sie in Zusammenhang mit den vorhergehenden, durch ihre Schrift mit den unmittelbar fol- genden Lagen, so daß wir auch diese kurz besprechen müssen. Die erste Lage (Sextern) Fol. 1 a—12 b ist von Einer Hand beschrieben 17), die noch dem XIV. Jahrhundert zugehört. Der Schreiber — nennen wir ihn A —hat hier eingetragen: Fol. 2 a bis 4 a ein undatiertes Schreiben eines Guido an Veltrand18) (eine Predigt über die Verderbnis der Zeit); Fol. 4 b fünf Arengen von Urkunden 19); Fol. 4 b—5 a ein Schreiben des Herzogs von Anjou an König Wenzel und die Antwort Wenzels, in beiden Schreiben fehlt das Datum, sie gehören jedoch zu 138220); Fol. 5 b—5 a das Schreiben der Kardinäle über die Wahl Urbans VI. von 1378 Mai 821); endlich Fol. 6 a—12 b Formulare von Briefen des Kanzlers Johann von Neumarkt, Karls IV., usw., es ist der erste Teil der „Summa cancellariae“, 39 Stücke22), vom letzten ist jedoch nur der Anfang eingetragen. Das Schreiben des Herzogs von Anjou ermöglicht uns zwei Folgerungen: erstens, daß die Aufzeichnungen dieser Lage 15) Es sind acht Quinterne (Lage 2, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 17), neun Sexterne (Lage 1, 3, 8, 12, 13, 14, 15, 16, 18) und ein Quatern (Lage 4). 16) Dazu ist nach Herstellung des Bandes noch eine Paginierung vor- genommen worden, jedoch nur von 1—90, dann wurden nicht mehr die Seiten, sondern die Blätter gezählt, und zwar von 100—199, worauf mit 1000 fortgesetzt und mit 1053 abgeschlossen wurde. Auf diese Paginierung und Foliierung be- zieht sich der Index, der auf der Innenseite des vorderen Deckels eingeklebt ist. 17) Ausgenommen das stark gekürzte Formular einer Urkunde (Verkauf von Grundstücken mit Zubehör durch Petrus und Johannes) auf Fol. 1 b, das von einer anderen Hand des XIV. Jahrhunderts herrührt, und die Notizen über den Inhalt des Bandes auf Fol. 1 a und 1 b, die Schreiber des XV. Jahrhunderts hinzugefügt haben. Der Vollständigkeit wegen sei noch bemerkt, daß Fol. 1 a den Anfang des Schreibens von Guido (siehe die folgende Anmerkung) enthält, und zwar von der Hand desselben Schreibers A, der dann auf Fol. 2 a—4 a dieses Schreiben kopiert hat. 18) In der Abschrift desselben Briefes auf Fol. 23 a werden Aussteller und Adressat genauer bezeichnet „Guido Gelrati de Amaso studens Bononiensis“, „religioso viro fratri Veltrando in Sala amico suo singulari“. Ich konnte weder über die eine noch die andere Persönlichkeit etwas in Erfahrung bringen. 19) Als Beispiel sei die erste angeführt: „evanescunt (korr. aus „elabescunt“ simul cum tempore quae geruntur in tempore, nisi a voce testium et a scripti memoria recipiant fundamentum“. 20) Die beiden Schreiben, veröffentlicht von Tadra (in der in Anmerkung 3 angegebenen Schrift S. 27—28) beziehen sich auf den Zug des Herzogs von Anjou nach Neapel, vgl. dazu Valois, La France et le grand schisme d'occident, 2, 8 ff., 278 ff. 21) Uber dieses Schreiben vgl. meine Schrift „Das Schisma von 1378 und die Haltung Karls IV.“ (Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichts- forschung, 21, 609, 612). 22) Sie sind aus der Konkordanz-Tabelle in Tadras Ausgabe der „Summa cancellariae“ (S. XLI, Spalte „Uc“) ersichtlich.
11 und sie zusammen binden ließ. Den entgegengesetzten Weg müssen wir in unserer Untersuchung gehen, wir müssen den Band in seine ursprünglichen Teile zerlegen, um die Lagen und Schreiber fest- zustellen. Und da ergibt sich, daß der Band aus achtzehn Lagen besteht, aus Quinternen, Sexternen und einem Quatern15), die eine Hand des XV. Jahrhunderts mit „primus, secundus, etc.“ be- zeichnet hat 16). Die Lage, die unsere Stücke enthält, ist in der Reihe die dritte; durch ihren Inhalt ist sie in Zusammenhang mit den vorhergehenden, durch ihre Schrift mit den unmittelbar fol- genden Lagen, so daß wir auch diese kurz besprechen müssen. Die erste Lage (Sextern) Fol. 1 a—12 b ist von Einer Hand beschrieben 17), die noch dem XIV. Jahrhundert zugehört. Der Schreiber — nennen wir ihn A —hat hier eingetragen: Fol. 2 a bis 4 a ein undatiertes Schreiben eines Guido an Veltrand18) (eine Predigt über die Verderbnis der Zeit); Fol. 4 b fünf Arengen von Urkunden 19); Fol. 4 b—5 a ein Schreiben des Herzogs von Anjou an König Wenzel und die Antwort Wenzels, in beiden Schreiben fehlt das Datum, sie gehören jedoch zu 138220); Fol. 5 b—5 a das Schreiben der Kardinäle über die Wahl Urbans VI. von 1378 Mai 821); endlich Fol. 6 a—12 b Formulare von Briefen des Kanzlers Johann von Neumarkt, Karls IV., usw., es ist der erste Teil der „Summa cancellariae“, 39 Stücke22), vom letzten ist jedoch nur der Anfang eingetragen. Das Schreiben des Herzogs von Anjou ermöglicht uns zwei Folgerungen: erstens, daß die Aufzeichnungen dieser Lage 15) Es sind acht Quinterne (Lage 2, 5, 6, 7, 9, 10, 11, 17), neun Sexterne (Lage 1, 3, 8, 12, 13, 14, 15, 16, 18) und ein Quatern (Lage 4). 16) Dazu ist nach Herstellung des Bandes noch eine Paginierung vor- genommen worden, jedoch nur von 1—90, dann wurden nicht mehr die Seiten, sondern die Blätter gezählt, und zwar von 100—199, worauf mit 1000 fortgesetzt und mit 1053 abgeschlossen wurde. Auf diese Paginierung und Foliierung be- zieht sich der Index, der auf der Innenseite des vorderen Deckels eingeklebt ist. 17) Ausgenommen das stark gekürzte Formular einer Urkunde (Verkauf von Grundstücken mit Zubehör durch Petrus und Johannes) auf Fol. 1 b, das von einer anderen Hand des XIV. Jahrhunderts herrührt, und die Notizen über den Inhalt des Bandes auf Fol. 1 a und 1 b, die Schreiber des XV. Jahrhunderts hinzugefügt haben. Der Vollständigkeit wegen sei noch bemerkt, daß Fol. 1 a den Anfang des Schreibens von Guido (siehe die folgende Anmerkung) enthält, und zwar von der Hand desselben Schreibers A, der dann auf Fol. 2 a—4 a dieses Schreiben kopiert hat. 18) In der Abschrift desselben Briefes auf Fol. 23 a werden Aussteller und Adressat genauer bezeichnet „Guido Gelrati de Amaso studens Bononiensis“, „religioso viro fratri Veltrando in Sala amico suo singulari“. Ich konnte weder über die eine noch die andere Persönlichkeit etwas in Erfahrung bringen. 19) Als Beispiel sei die erste angeführt: „evanescunt (korr. aus „elabescunt“ simul cum tempore quae geruntur in tempore, nisi a voce testium et a scripti memoria recipiant fundamentum“. 20) Die beiden Schreiben, veröffentlicht von Tadra (in der in Anmerkung 3 angegebenen Schrift S. 27—28) beziehen sich auf den Zug des Herzogs von Anjou nach Neapel, vgl. dazu Valois, La France et le grand schisme d'occident, 2, 8 ff., 278 ff. 21) Uber dieses Schreiben vgl. meine Schrift „Das Schisma von 1378 und die Haltung Karls IV.“ (Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichts- forschung, 21, 609, 612). 22) Sie sind aus der Konkordanz-Tabelle in Tadras Ausgabe der „Summa cancellariae“ (S. XLI, Spalte „Uc“) ersichtlich.
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12 nicht vor dem Jahre 1382 entstanden sind 23); zweitens, daß ihr Schreiber (A) der Kanzlei des Königs Wenzel angehört hat. Denn wie wäre er sonst zur Kenntnis des Briefwechsels zwischen dem Herzog von Anjou und dem König gelangt? Und diese Folgerung wird durch die anderen Aufzeichnungen dieses Schreibers, besonders durch seine Sammlung von Formularen bestätigt. Die zweite Lage (Quintern) Fol. 13 a—22 b bildet die un- mittelbare Fortsetzung der ersten, Schreiber A hat auf Fol. 13 a das Formular, das er auf Fol. 12 b begonnen hatte, zu Ende ge- schrieben 24) und noch acht weitere Stücke25) auf Fol. 13 a—14 b hinzugefügt. Dann setzt eine zweite Hand — B — ein, die dem XV. Jahrhunderte zuzuweisen ist. Auf Fol. 15 a—16 a hat dieser Schreiber den Lucifer-Brief 26), auf Fol. 16 b—22 b das angebliche Schreiben des Aristoteles an Alexander den Großen 27) eingetragen aber der Text bricht mitten im Satze ab. Des Zusammenhanges wegen möge gleich die vierte Lage (Quatern) Fol. 35 a—42 a folgen. Hier finden wir auf Fol. 35 a—41 a eine dritte Hand — C —, eben- falls aus dem XV. Jahrhunderte, von ihr sind drei Aktenstücke, die sich auf die Anfänge des großen Schismas beziehen 28), ein- getragen. Dann zeigt sich wiederum Schreiber B, der auf Fol. 41 b bis 42 a den Aristoteles-Brief zu Ende schrieb29). Uber die Per- 23) Zum mindesten von Fol. 4 b an. Es liegt auf der Hand, daß diese Fest- stellung für die auf Fol. 6 a—12 b stehende Sammlung von Briefformularen von Bedeutung ist. Auf den ersten Blick wird es auffallend erscheinen, daß Tadra, der unsere Handschrift, d. h. die eben erwähnte Sammlung von Brief- formularen als „die verhältnismäßig älteste Redaktion“ der Summa cancellariae bezeichnet (siehe die Einleitung zu seiner Ausgabe S. XXXII) und der anderer- seits den Brief des Herzogs von Anjou veröffentlicht hat, davon nichts erwähnt. Aber seine Ausgabe der „Summa“ weist so viele Fehler auf, daß es auf einen mehr nicht ankommt. 24) Es ist das Formular Tadra Nr. L = S. 31. 25) Siehe die Konkordanz-Tabelle bei Tadra. 26) Und zwar mit der Uberschrift „epistola contra antipapam et eius car- dinales ex parte regis Anglie“. Uber diese im XIV. und XV. Jahrhunderte weit verbreitete Schrift vgl. Lorenz (Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 23, 398) und Wattenbach (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1892, S. 95 ff.). 27) Úber diese im XI. oder XII. Jahrhunderte entstandene, viel gelesene Schrift vgl. Uberweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie, I110, 408; ich benützte den Text in der Handschrift der Prager Universitätsbibliothek VIII. D 1 (Fol. 151 b—165b). 28) Erklärung der ultramontanen Kardinäle gegen Urban VI., Anagni 1378 August 9 (siehe Raynald. Annal. eccles. 1378, nr. 48—50); Erklärungen des Königs Richard II. von England und der Republik Florenz gegen die ultra- montanen Kardinäle (ebenda, nr. 51—55). 29) B hatte also nicht nur die zweite, sondern auch die vierte Lage vor sich, als er den Aristoteles-Brief zu schreiben begann. Und da die zweite Lage die unmittelbare Fortsetzung der ersten ist (siehe oben) und auch gegenwärtig ihr in unserer Handschrift folgt, so ergibt sich folgendes: Schreiber B hatte die erste, zweite und vierte Lage in seinem Besitze. Die erste Lage war bereits vollständig beschrieben, von der zweiten nur die zwei ersten Blätter; von der vierten Lage waren Fol. 41 b und das ganze Blatt 42 noch frei — und diesen freien Raum der zweiten und vierten Lage hat dann B für seine Abschriften des Lucifer- und Aristoteles-Briefes benützt. Wir finden somit in den genannten Lagen (I, II, IV) drei Gruppen von Schriftstücken: die älteste besteht aus den Aufzeichnungen des Kanzleischreibers A aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts
12 nicht vor dem Jahre 1382 entstanden sind 23); zweitens, daß ihr Schreiber (A) der Kanzlei des Königs Wenzel angehört hat. Denn wie wäre er sonst zur Kenntnis des Briefwechsels zwischen dem Herzog von Anjou und dem König gelangt? Und diese Folgerung wird durch die anderen Aufzeichnungen dieses Schreibers, besonders durch seine Sammlung von Formularen bestätigt. Die zweite Lage (Quintern) Fol. 13 a—22 b bildet die un- mittelbare Fortsetzung der ersten, Schreiber A hat auf Fol. 13 a das Formular, das er auf Fol. 12 b begonnen hatte, zu Ende ge- schrieben 24) und noch acht weitere Stücke25) auf Fol. 13 a—14 b hinzugefügt. Dann setzt eine zweite Hand — B — ein, die dem XV. Jahrhunderte zuzuweisen ist. Auf Fol. 15 a—16 a hat dieser Schreiber den Lucifer-Brief 26), auf Fol. 16 b—22 b das angebliche Schreiben des Aristoteles an Alexander den Großen 27) eingetragen aber der Text bricht mitten im Satze ab. Des Zusammenhanges wegen möge gleich die vierte Lage (Quatern) Fol. 35 a—42 a folgen. Hier finden wir auf Fol. 35 a—41 a eine dritte Hand — C —, eben- falls aus dem XV. Jahrhunderte, von ihr sind drei Aktenstücke, die sich auf die Anfänge des großen Schismas beziehen 28), ein- getragen. Dann zeigt sich wiederum Schreiber B, der auf Fol. 41 b bis 42 a den Aristoteles-Brief zu Ende schrieb29). Uber die Per- 23) Zum mindesten von Fol. 4 b an. Es liegt auf der Hand, daß diese Fest- stellung für die auf Fol. 6 a—12 b stehende Sammlung von Briefformularen von Bedeutung ist. Auf den ersten Blick wird es auffallend erscheinen, daß Tadra, der unsere Handschrift, d. h. die eben erwähnte Sammlung von Brief- formularen als „die verhältnismäßig älteste Redaktion“ der Summa cancellariae bezeichnet (siehe die Einleitung zu seiner Ausgabe S. XXXII) und der anderer- seits den Brief des Herzogs von Anjou veröffentlicht hat, davon nichts erwähnt. Aber seine Ausgabe der „Summa“ weist so viele Fehler auf, daß es auf einen mehr nicht ankommt. 24) Es ist das Formular Tadra Nr. L = S. 31. 25) Siehe die Konkordanz-Tabelle bei Tadra. 26) Und zwar mit der Uberschrift „epistola contra antipapam et eius car- dinales ex parte regis Anglie“. Uber diese im XIV. und XV. Jahrhunderte weit verbreitete Schrift vgl. Lorenz (Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, 23, 398) und Wattenbach (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1892, S. 95 ff.). 27) Úber diese im XI. oder XII. Jahrhunderte entstandene, viel gelesene Schrift vgl. Uberweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie, I110, 408; ich benützte den Text in der Handschrift der Prager Universitätsbibliothek VIII. D 1 (Fol. 151 b—165b). 28) Erklärung der ultramontanen Kardinäle gegen Urban VI., Anagni 1378 August 9 (siehe Raynald. Annal. eccles. 1378, nr. 48—50); Erklärungen des Königs Richard II. von England und der Republik Florenz gegen die ultra- montanen Kardinäle (ebenda, nr. 51—55). 29) B hatte also nicht nur die zweite, sondern auch die vierte Lage vor sich, als er den Aristoteles-Brief zu schreiben begann. Und da die zweite Lage die unmittelbare Fortsetzung der ersten ist (siehe oben) und auch gegenwärtig ihr in unserer Handschrift folgt, so ergibt sich folgendes: Schreiber B hatte die erste, zweite und vierte Lage in seinem Besitze. Die erste Lage war bereits vollständig beschrieben, von der zweiten nur die zwei ersten Blätter; von der vierten Lage waren Fol. 41 b und das ganze Blatt 42 noch frei — und diesen freien Raum der zweiten und vierten Lage hat dann B für seine Abschriften des Lucifer- und Aristoteles-Briefes benützt. Wir finden somit in den genannten Lagen (I, II, IV) drei Gruppen von Schriftstücken: die älteste besteht aus den Aufzeichnungen des Kanzleischreibers A aus dem Ende des XIV. Jahrhunderts
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13 sönlichkeit der beiden Schreiber B und C ließe sich aus ihren Auf- zeichnungen höch tens folgern, daß sie dem geistlichen Stande angehört haben 30), mehr nicht. Die dritte Lage ist ein Sextern (Fol. 23 a—34 b), der in zwei scharf abgegrenzte Teile zerfällt: Fol. 23 a—27 b gehören dem einen Schreiber, Fol. 28 a—34 b einem zweiten an. Keiner von ihnen hat an den Aufzeichnungen in Lage I, II, IV einen Anteil, wir werden sie daher mit D und E bezeichnen können. Die Schrift von D ist leicht, gewandt und entspricht der Urkundenschrift des aus- gehenden XIV. Jahrhunderts vollkommen. Dieser Schreiber31) hat nun auf den ersten Blättern der dritten Lage Stücke eingetragen, die sich bereits in der ersten Lage fanden: auf Fol. 23 a—24 b das Schreiben des Guido an Veltrand, jedoch mit dem ganzen gelehrten Apparat von Zitaten 32), mit dem Schlußwunsche „vale vir dei et memento mei“, mit der Adresse und Unterfertigung33), was alles in der Abschrift in Lage I fehlt; dann folgen auf Fol. 24 b vier Urkunden-Arengen, die sich in der gleichen Reihenfolge, ebenfalls nach dem Schreiben des Guido, in Lage I finden; auf Fol. 25 a das Schreiben der Kardinäle von 1378 Mai 8, wie in Lage I, aber unser Schreiber D bietet wiederum mehr als Schreiber A, er hat auch die volle Adresse mitgeteilt „invictissimo principi domino K. IIII Ro- manorum imperatori semper augusto et Bohemie regi“34). An dieses Schreiben schließen sich auf Fol. 25 a vier weitere Urkunden- Arengen an 35), auf Fol. 25 a—25 b das Formular einer Urkunde über die Verleihung des ius regale an eine böhmische Stadt36), und auf Fol. 25 b der Anfang eines Urkundenformulars 37). Dann folgen (Lage I, I1), die zweite bilden die Abschriften der auf das Schisma bezüglichen Akten, die vom Schreiber C des XV. Jahrhunderts herrühren (Lage IV); die letzte sind die Abschriften des Lucifer- und Aristoteles-Briefes vom Schreiber B des XV. Jahrhunderts (Lage II, IV). 30) Das könnte man daraus folgern, daß beide sich für die Anfänge des Schismas interessieren, C, der die drei Aktenstücke von 1378 kopierte, und B, der den Lucifer-Brief für eine gegen den Avignonesischen Papst Clemens VII. gerichtete Schrift hielt. 31) Seine Aufzeichnungen hat D mit der Uberschrift (auf Fol. 23 a) „liber kzerrty“ versehen; wie ich einer freundlichen Mitteilung meines Kollegen, Prof. Spina, entnehme, könnte „kzerrty“ aus dem čechischen „k žertu“ erklärt werden, und dann würde „liber kzerrty“ bedeuten „Buch des Scherzes (der Ergötzung)“. 32) Sie stehen am Rande links und rechts, z. B. Fol. 23 a links „Paulus. Petrus. apostolus. psalmus. Ezechiel“ usw. 33) Siehe Anmerkung 18. 31) Trotzdem wird im Text der Adressat mit „regia celsitudo“ bezeichnet, was darin seine Erklärung finden wird, daß die Kardinäle gleichlautende Schrei- ben an den Kaiser und die christlichen Könige abschickten (siehe meine in An- merkung 21 erwähnte Schrift S. 612, N. 5). 35) Ich führe als Beispiel wiederum die erste an „cum ad benefaciendum omnibus simus debitores, pocius tamen illis benefacere tenemur, qui nobis familiares existunt“. 36) Veröffentlicht von Tadra (in der in Anmerkung 3 erwähnten Schrift S. 24). 37) „Ad perpetuam rei memoriam, humilibus et honestis supplicum votis libenter annuimus, illaque prosequimur favoribus opportunis. sane peticio pro parte N. continebat etc., quod H. et P. cupientes terrena in celestia et tran-
13 sönlichkeit der beiden Schreiber B und C ließe sich aus ihren Auf- zeichnungen höch tens folgern, daß sie dem geistlichen Stande angehört haben 30), mehr nicht. Die dritte Lage ist ein Sextern (Fol. 23 a—34 b), der in zwei scharf abgegrenzte Teile zerfällt: Fol. 23 a—27 b gehören dem einen Schreiber, Fol. 28 a—34 b einem zweiten an. Keiner von ihnen hat an den Aufzeichnungen in Lage I, II, IV einen Anteil, wir werden sie daher mit D und E bezeichnen können. Die Schrift von D ist leicht, gewandt und entspricht der Urkundenschrift des aus- gehenden XIV. Jahrhunderts vollkommen. Dieser Schreiber31) hat nun auf den ersten Blättern der dritten Lage Stücke eingetragen, die sich bereits in der ersten Lage fanden: auf Fol. 23 a—24 b das Schreiben des Guido an Veltrand, jedoch mit dem ganzen gelehrten Apparat von Zitaten 32), mit dem Schlußwunsche „vale vir dei et memento mei“, mit der Adresse und Unterfertigung33), was alles in der Abschrift in Lage I fehlt; dann folgen auf Fol. 24 b vier Urkunden-Arengen, die sich in der gleichen Reihenfolge, ebenfalls nach dem Schreiben des Guido, in Lage I finden; auf Fol. 25 a das Schreiben der Kardinäle von 1378 Mai 8, wie in Lage I, aber unser Schreiber D bietet wiederum mehr als Schreiber A, er hat auch die volle Adresse mitgeteilt „invictissimo principi domino K. IIII Ro- manorum imperatori semper augusto et Bohemie regi“34). An dieses Schreiben schließen sich auf Fol. 25 a vier weitere Urkunden- Arengen an 35), auf Fol. 25 a—25 b das Formular einer Urkunde über die Verleihung des ius regale an eine böhmische Stadt36), und auf Fol. 25 b der Anfang eines Urkundenformulars 37). Dann folgen (Lage I, I1), die zweite bilden die Abschriften der auf das Schisma bezüglichen Akten, die vom Schreiber C des XV. Jahrhunderts herrühren (Lage IV); die letzte sind die Abschriften des Lucifer- und Aristoteles-Briefes vom Schreiber B des XV. Jahrhunderts (Lage II, IV). 30) Das könnte man daraus folgern, daß beide sich für die Anfänge des Schismas interessieren, C, der die drei Aktenstücke von 1378 kopierte, und B, der den Lucifer-Brief für eine gegen den Avignonesischen Papst Clemens VII. gerichtete Schrift hielt. 31) Seine Aufzeichnungen hat D mit der Uberschrift (auf Fol. 23 a) „liber kzerrty“ versehen; wie ich einer freundlichen Mitteilung meines Kollegen, Prof. Spina, entnehme, könnte „kzerrty“ aus dem čechischen „k žertu“ erklärt werden, und dann würde „liber kzerrty“ bedeuten „Buch des Scherzes (der Ergötzung)“. 32) Sie stehen am Rande links und rechts, z. B. Fol. 23 a links „Paulus. Petrus. apostolus. psalmus. Ezechiel“ usw. 33) Siehe Anmerkung 18. 31) Trotzdem wird im Text der Adressat mit „regia celsitudo“ bezeichnet, was darin seine Erklärung finden wird, daß die Kardinäle gleichlautende Schrei- ben an den Kaiser und die christlichen Könige abschickten (siehe meine in An- merkung 21 erwähnte Schrift S. 612, N. 5). 35) Ich führe als Beispiel wiederum die erste an „cum ad benefaciendum omnibus simus debitores, pocius tamen illis benefacere tenemur, qui nobis familiares existunt“. 36) Veröffentlicht von Tadra (in der in Anmerkung 3 erwähnten Schrift S. 24). 37) „Ad perpetuam rei memoriam, humilibus et honestis supplicum votis libenter annuimus, illaque prosequimur favoribus opportunis. sane peticio pro parte N. continebat etc., quod H. et P. cupientes terrena in celestia et tran-
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14 auf Fol. 25 b—26 a zwei Dokumente aus der ersten Zeit des großen Schismas, ein Mandat des Königs Wenzel gegen die Anhänger und Agenten des Gegenpapstes Clemens VII. in Böhmen, ohne Datum, jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach zu 1379 gehörig, und ein Schreiben des französischen Königs Karl V. an den Bischof von Straßburg, mit der Bitte, dem clementistischen Legaten, Kardinal Wilhelm d'Aigrefeuille, Zutritt zu König Wenzel zu verschaffen, datiert „apud s. Germanum38) in Laya die XXII Junii“, als Jahr ist mit Sicherheit 1379 einzusetzen 39); Fol. 26 a—26 b enthält einen Brief ohne Adresse, Unterfertigung und Datierung, dessen Stil, wie Truhlař richtig bemerkt hat, Johann von Neumarkt ent- spricht 40); Fol. 26 b ein Formular einer Urkunde Karls IV.41); endlich sind auf Fol. 26 b—27 b zwei weitere Briefe ohne Adresse, Unterfertigung und Datierung eingetragen, die im Stil dem eben genannten verwandt sind. Was somit Schreiber D im ersten Teil der dritten Lage auf- gezeichnet hat, sind einerseits Arengen von Urkunden, Urkunden- formulare und Briefe im Stile Johanns von Neumarkt, andererseits Aktenstücke über das Schisma, die sich in der Kanzlei des Königs Wenzel befanden. Die Folgerung, die daraus abzuleiten ist, ist ein- leuchtend: D gehörte ebenso wie Schreiber A der Kanzlei des Königs Wenzel an. Er hat Aktenstücke von 1378 und 1379 in Händen gehabt, A solche von 1382. Ob beide Schreiber neben- einander in der königlichen Kanzlei gearbeitet haben, läßt sich nicht sagen; irgend eine Verbindung zwischen ihnen dürfte bestanden haben, da A die Aufzeichnungen von D benützt hat 42). Das Er- gebnis ist also: der erste Teil der Lage III rührt von einem Schreiber sitoria in eterna felici commercio commutare, et pie compacientes pauperum et miserabilium personarum necessitatibus, et ad opera. 38) Die Handschrift hat „Bermanum“. 39) Beide Stücke sind von Tadra (in der Anmerkung 3 erwähnten Schrift S. 25—27) abgedruckt. In dem Mandat Wenzels wird gesagt, daß es während der Abwesenheit des Königs von Böhmen erlassen werde, was auf den Aufenthalt Wenzels in Deutschland im Frühjahr 1379 oder im Sommer desselben Jahres bezogen werden könnte. Die beiden Stücke, die in der Handschrift unmittelbar einander folgen, dürften annähernd zu gleicher Zeit die königliche Kanzlei passiert haben, das Mandat Wenzels im Auslauf, das Schreiben des französischen Königs (das der Straßburger Bischof vorgelegt hatte) im Einlauf. Danach könnte man das Mandat in den August oder September 1379 setzen. 40) Ich werde dieses Schreiben sowie die beiden folgenden an anderer Stelle veröffentlichen. 41) Karl IV. als König von Böhmen erklärt den unmündigen J., Sohn des verstorbenen J. de V. als mündig. 42) Die Aufzeichnungen beider Schreiber beginnen mit den gleichen Stücken, dem Schreiben Guidos, und vier Urkunden-Arengen in derselben Reihenfolge. Man wird daraus den Schluß ziehen können, daß die eine Auf- zeichnung als Vorlage für die andere gedient hat. Aber da das Schreiben Guidos in der Aufzeichnung von D mehr enthält als in der von A, so kann D nicht die Aufzeichnung von A benützt haben. Zu dem gleichen Ergebnis führt eine Ver- gleichung des Schreibens von 1378 Mai 8, das beide Schreiber kopiert haben. Nicht nur, daß D die volle Adresse des Schreibens mitteilt, die in der Auf- zeichnung von A fehlt, es zeigt sich auch, daß Besonderheiten und Fehler, die der Text von D aufweist, von A übernommen worden sind.
14 auf Fol. 25 b—26 a zwei Dokumente aus der ersten Zeit des großen Schismas, ein Mandat des Königs Wenzel gegen die Anhänger und Agenten des Gegenpapstes Clemens VII. in Böhmen, ohne Datum, jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach zu 1379 gehörig, und ein Schreiben des französischen Königs Karl V. an den Bischof von Straßburg, mit der Bitte, dem clementistischen Legaten, Kardinal Wilhelm d'Aigrefeuille, Zutritt zu König Wenzel zu verschaffen, datiert „apud s. Germanum38) in Laya die XXII Junii“, als Jahr ist mit Sicherheit 1379 einzusetzen 39); Fol. 26 a—26 b enthält einen Brief ohne Adresse, Unterfertigung und Datierung, dessen Stil, wie Truhlař richtig bemerkt hat, Johann von Neumarkt ent- spricht 40); Fol. 26 b ein Formular einer Urkunde Karls IV.41); endlich sind auf Fol. 26 b—27 b zwei weitere Briefe ohne Adresse, Unterfertigung und Datierung eingetragen, die im Stil dem eben genannten verwandt sind. Was somit Schreiber D im ersten Teil der dritten Lage auf- gezeichnet hat, sind einerseits Arengen von Urkunden, Urkunden- formulare und Briefe im Stile Johanns von Neumarkt, andererseits Aktenstücke über das Schisma, die sich in der Kanzlei des Königs Wenzel befanden. Die Folgerung, die daraus abzuleiten ist, ist ein- leuchtend: D gehörte ebenso wie Schreiber A der Kanzlei des Königs Wenzel an. Er hat Aktenstücke von 1378 und 1379 in Händen gehabt, A solche von 1382. Ob beide Schreiber neben- einander in der königlichen Kanzlei gearbeitet haben, läßt sich nicht sagen; irgend eine Verbindung zwischen ihnen dürfte bestanden haben, da A die Aufzeichnungen von D benützt hat 42). Das Er- gebnis ist also: der erste Teil der Lage III rührt von einem Schreiber sitoria in eterna felici commercio commutare, et pie compacientes pauperum et miserabilium personarum necessitatibus, et ad opera. 38) Die Handschrift hat „Bermanum“. 39) Beide Stücke sind von Tadra (in der Anmerkung 3 erwähnten Schrift S. 25—27) abgedruckt. In dem Mandat Wenzels wird gesagt, daß es während der Abwesenheit des Königs von Böhmen erlassen werde, was auf den Aufenthalt Wenzels in Deutschland im Frühjahr 1379 oder im Sommer desselben Jahres bezogen werden könnte. Die beiden Stücke, die in der Handschrift unmittelbar einander folgen, dürften annähernd zu gleicher Zeit die königliche Kanzlei passiert haben, das Mandat Wenzels im Auslauf, das Schreiben des französischen Königs (das der Straßburger Bischof vorgelegt hatte) im Einlauf. Danach könnte man das Mandat in den August oder September 1379 setzen. 40) Ich werde dieses Schreiben sowie die beiden folgenden an anderer Stelle veröffentlichen. 41) Karl IV. als König von Böhmen erklärt den unmündigen J., Sohn des verstorbenen J. de V. als mündig. 42) Die Aufzeichnungen beider Schreiber beginnen mit den gleichen Stücken, dem Schreiben Guidos, und vier Urkunden-Arengen in derselben Reihenfolge. Man wird daraus den Schluß ziehen können, daß die eine Auf- zeichnung als Vorlage für die andere gedient hat. Aber da das Schreiben Guidos in der Aufzeichnung von D mehr enthält als in der von A, so kann D nicht die Aufzeichnung von A benützt haben. Zu dem gleichen Ergebnis führt eine Ver- gleichung des Schreibens von 1378 Mai 8, das beide Schreiber kopiert haben. Nicht nur, daß D die volle Adresse des Schreibens mitteilt, die in der Auf- zeichnung von A fehlt, es zeigt sich auch, daß Besonderheiten und Fehler, die der Text von D aufweist, von A übernommen worden sind.
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15 (D) der Kanzlei des Königs Wenzel her, welcher aller Wahrschein- lichkeit nach dieser Kanzlei in den Anfängen der Regierung Wenzels angehört hat 43) Nun kommen wir zum zweiten Teil der Lage III, welcher die beiden Schreiben, die den Gegenstand dieser Untersuchung bilden, enthält. Sie nehmen Fol. 28 a—34 b ein und sind von E geschrieben, in einer kleinen, unschönen Schrift, die man der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts zuweisen kann44). Bei beiden Schreiben sind die ersten Zeilen so angeordnet, daß sie Raum für eine Initiale frei lassen. Das erste Schreiben hat die Uberschrift „de lege et moribus cesareis“, aber nicht von der Hand des Textes, sondern von einer Hand des XV. Jahrhunderts. Schreiber E läßt sich auch weiter in unserer Handschrift nachweisen. Die ganze fünfte Lage und der größte Teil der sechsten (Quinterne, Fol. 43 a—52 b, 53 a—62 b) zeigen seine Hand. Auf Fol. 43 a—48 a hat er einen Tractatus de informacione predicatoris geschrieben, dann begann er das Schach- buch des Jacob von Cessole zu kopieren, aber er kam damit nicht zu Ende. Nach Fol. 62 a verschwindet seine Schrift, eine andere Hand hat die Arbeit fortgesetzt und beendet45). Es hat sich gezeigt, daß die Aufzeichnungen im ersten Teil der Lage III von einem Schreiber der Kanzlei des Königs Wenzel herrühren; kann man vom zweiten Teil dieser Lage dasselbe sagen? Oder mit anderen Worten, hat auch Schreiber E der königlichen Kanzlei angehört? Als E seine Arbeit begann, fand er die erste Hälfte der dritten Lage bereits beschrieben vor, und zwar mit Arengen von Urkunden, mit Urkundenformularen, mit Abschriften von Akten der königlichen Kanzlei und mit Briefen im Stile des Johann von Neumarkt. Von alledem findet sich in den Aufzeich- nungen von E nicht ein Wort. Als er mit unseren Schreiben fertig 43) Das ist daraus zu schließen, daß er die Stücke von 1379 kopiert hat, die nur in diesem Jahr von Belang waren, später nicht mehr. Aus dem gleichen Grunde ist anzunehmen, daß Schreiber A im Jahre 1382 in der königlichen Kanzlei bedienstet war, weil er die beiden auf den Zug des Herzogs von Anjou nach Neapel bezüglichen Stücke kopiert hat. 44) Der kursive Zug ist in der Schrift noch nicht ausgeprägt, wiederholt werden die Buchstaben noch einzeln nebeneinander gesetzt, die eckigen Formen der Buchstaben sind noch nicht durchgedrungen, e und o, b und d zeigen Run- dungen, a hat einen Querstrich. 45) Die Schrift wird von Fol. 45 a etwas größer und die Zeilen sind nicht mehr aneinander gedrängt. Von Fol. 48 b an, d. h. vom Beginn des Schach- buches, wird die Seite in zwei Spalten beschrieben, an den entsprechenden Stellen Raum für eine Zeichnung frei gelassen, und es zeigen sich leichte Ver- änderungen der Schrift: sie wird etwas spitziger, eckiger, der kursive Zug nimmt zu. Mitten in der ersten Spalte von 60 b hört die Schrift von E auf, eine andere Hand, die große Ahnlichkeit mit A hat, setzt ein, schreibt jedoch nur ein kleines Stück, worauf noch auf derselben Seite wiederum die Schrift von E erscheint und bis Fol. 62 a bleibt. Dann verschwindet sie endgültig, und auf Fol. 62 b, der letzten Seite von Lage VI, zeigt sich eine neue Hand, mit einer sehr spitzigen Kursive, die dem XV. Jahrhundert angehört. Von ihr ist der Rest des Schach- buches und Burkharts Beschreibung des heiligen Landes (eine Schrift des XIII. Jahrhunderts) geschrieben. Die weiteren Lagen der Handschrift, durchweg von Händen des XV. Jahrhunderts beschrieben, kommen für uns nicht in Betracht.
15 (D) der Kanzlei des Königs Wenzel her, welcher aller Wahrschein- lichkeit nach dieser Kanzlei in den Anfängen der Regierung Wenzels angehört hat 43) Nun kommen wir zum zweiten Teil der Lage III, welcher die beiden Schreiben, die den Gegenstand dieser Untersuchung bilden, enthält. Sie nehmen Fol. 28 a—34 b ein und sind von E geschrieben, in einer kleinen, unschönen Schrift, die man der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts zuweisen kann44). Bei beiden Schreiben sind die ersten Zeilen so angeordnet, daß sie Raum für eine Initiale frei lassen. Das erste Schreiben hat die Uberschrift „de lege et moribus cesareis“, aber nicht von der Hand des Textes, sondern von einer Hand des XV. Jahrhunderts. Schreiber E läßt sich auch weiter in unserer Handschrift nachweisen. Die ganze fünfte Lage und der größte Teil der sechsten (Quinterne, Fol. 43 a—52 b, 53 a—62 b) zeigen seine Hand. Auf Fol. 43 a—48 a hat er einen Tractatus de informacione predicatoris geschrieben, dann begann er das Schach- buch des Jacob von Cessole zu kopieren, aber er kam damit nicht zu Ende. Nach Fol. 62 a verschwindet seine Schrift, eine andere Hand hat die Arbeit fortgesetzt und beendet45). Es hat sich gezeigt, daß die Aufzeichnungen im ersten Teil der Lage III von einem Schreiber der Kanzlei des Königs Wenzel herrühren; kann man vom zweiten Teil dieser Lage dasselbe sagen? Oder mit anderen Worten, hat auch Schreiber E der königlichen Kanzlei angehört? Als E seine Arbeit begann, fand er die erste Hälfte der dritten Lage bereits beschrieben vor, und zwar mit Arengen von Urkunden, mit Urkundenformularen, mit Abschriften von Akten der königlichen Kanzlei und mit Briefen im Stile des Johann von Neumarkt. Von alledem findet sich in den Aufzeich- nungen von E nicht ein Wort. Als er mit unseren Schreiben fertig 43) Das ist daraus zu schließen, daß er die Stücke von 1379 kopiert hat, die nur in diesem Jahr von Belang waren, später nicht mehr. Aus dem gleichen Grunde ist anzunehmen, daß Schreiber A im Jahre 1382 in der königlichen Kanzlei bedienstet war, weil er die beiden auf den Zug des Herzogs von Anjou nach Neapel bezüglichen Stücke kopiert hat. 44) Der kursive Zug ist in der Schrift noch nicht ausgeprägt, wiederholt werden die Buchstaben noch einzeln nebeneinander gesetzt, die eckigen Formen der Buchstaben sind noch nicht durchgedrungen, e und o, b und d zeigen Run- dungen, a hat einen Querstrich. 45) Die Schrift wird von Fol. 45 a etwas größer und die Zeilen sind nicht mehr aneinander gedrängt. Von Fol. 48 b an, d. h. vom Beginn des Schach- buches, wird die Seite in zwei Spalten beschrieben, an den entsprechenden Stellen Raum für eine Zeichnung frei gelassen, und es zeigen sich leichte Ver- änderungen der Schrift: sie wird etwas spitziger, eckiger, der kursive Zug nimmt zu. Mitten in der ersten Spalte von 60 b hört die Schrift von E auf, eine andere Hand, die große Ahnlichkeit mit A hat, setzt ein, schreibt jedoch nur ein kleines Stück, worauf noch auf derselben Seite wiederum die Schrift von E erscheint und bis Fol. 62 a bleibt. Dann verschwindet sie endgültig, und auf Fol. 62 b, der letzten Seite von Lage VI, zeigt sich eine neue Hand, mit einer sehr spitzigen Kursive, die dem XV. Jahrhundert angehört. Von ihr ist der Rest des Schach- buches und Burkharts Beschreibung des heiligen Landes (eine Schrift des XIII. Jahrhunderts) geschrieben. Die weiteren Lagen der Handschrift, durchweg von Händen des XV. Jahrhunderts beschrieben, kommen für uns nicht in Betracht.
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16 geworden war, nahm er eine neue Lage Papier und schrieb den Tractatus de informacione predicatoris, dann das Schachbuch des Jacob von Cessole — aber nicht eine einzige Arenga, nicht ein ein- ziges Urkundenformular. Aus dem Traktat für Prediger46) könnte man eher schließen, daß E ein Pfarrer gewesen sei und das Schach- buch des Jacob von Cessole, ein im späteren Mittelalter außer- ordentlich verbreitetes Buch47), hat Geistlichen und Laien (insofern die letzteren des Lesens kundig waren) Unterhaltung und Belehrung geboten. Diese Schriften gewähren keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß E Kanzleischreiber gewesen ist. Andererseits kann man an der Tatsache nicht vorbeigehen, daß die dritte Lage Auf- zeichnungen zweier Schreiber, D und E, enthält, von denen der eine (D) der königlichen Kanzlei angehört hat. Wir werden daraus den Schluß ziehen, daß zwischen diesen beiden Schreibern Be- ziehungen bestanden haben — aber welcher Art diese Beziehungen waren, liegt völlig im Dunkel 48). Wir kommen daher zum Ergebnis: aus der Uberlieferung unserer beiden Schreiben in cod. VIII. A 19 lassen sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß ihr Schreiber der königlichen oder einer anderen Kanzlei angehört hat, gewinnen; dagegen kann man annehmen, daß er mit einem Mitgliede der königlichen Kanzlei in Verbindung war, mit einem Manne, der in den Anfängen der Regierung des Königs Wenzel in dessen Kanzlei tätig gewesen ist. Es ist früher festgestellt worden, daß unsere Schreiben nicht Originale sind, und daß nur die Prager Handschrift, d. h. Schreiber E, sie uns überliefert hat. Hat E diese Schreiben selbst verfaßt? Diese Frage läßt sich mit voller Sicherheit beantworten. Wer den unten folgenden Text der beiden Schreiben durchsieht, wird gleich bemerken, daß er voll von Fehlern überliefert ist. Da lesen win z. B. vastinii für vastum, quam orbem für quam ob rem, invenies an Stelle von iuvenes, curam an Stelle von terram, ecclesia statt eciam, civitatem für comam, aput aurum statt caput aureum, bis 46) Úber dieses Traktat vgl. Truhlař (in der in Anmerkung 5 erwähnten Schrift 1, 530); seine Angabe, daß der Traktat von einem auctor quidem Bohemus herrühre, trifft für die von Patera (Sitzungsberichte der böhm. Gesellschaft der Wissenschaften 1890, S. 355) benützte Handschrift des Klosters Wilhering zu, aber nicht für unsere Handschrift, die an allen Stellen, wo die Wilheringer Handschrift „boemicum (boemice)“ hat, „theotonicum“ setzt'. 47) Vgl. Vetter, Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen nebst den Schachbüchern des Jacob von Cessole und Jacob Mennel (Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz, Ergänzungsband, Frauenfeld 1892), Ein- leitung S. XLI, XLIV, wonach gegen 200 Handschriften und 36 Drucke der Schrift des Jacob von Cessole erhalten sind, darunter Ubersetzungen des lateini- schen Textes ins Italienische, Spanische, Französische, Englische, Nieder- ländische, Deutsche, Schwedische, Čechische. Die Prager Universitätsbibliothek besitzt neun Handschriften des lateinischen Textes. 48) Schon die Frage, ob E die Abschriften zu eigenem Gebrauch ange- fertigt hat, oder ob er Lohnschreiber (vielleicht für A oder D) gewesen ist, läßt sich nicht beantworten.
16 geworden war, nahm er eine neue Lage Papier und schrieb den Tractatus de informacione predicatoris, dann das Schachbuch des Jacob von Cessole — aber nicht eine einzige Arenga, nicht ein ein- ziges Urkundenformular. Aus dem Traktat für Prediger46) könnte man eher schließen, daß E ein Pfarrer gewesen sei und das Schach- buch des Jacob von Cessole, ein im späteren Mittelalter außer- ordentlich verbreitetes Buch47), hat Geistlichen und Laien (insofern die letzteren des Lesens kundig waren) Unterhaltung und Belehrung geboten. Diese Schriften gewähren keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß E Kanzleischreiber gewesen ist. Andererseits kann man an der Tatsache nicht vorbeigehen, daß die dritte Lage Auf- zeichnungen zweier Schreiber, D und E, enthält, von denen der eine (D) der königlichen Kanzlei angehört hat. Wir werden daraus den Schluß ziehen, daß zwischen diesen beiden Schreibern Be- ziehungen bestanden haben — aber welcher Art diese Beziehungen waren, liegt völlig im Dunkel 48). Wir kommen daher zum Ergebnis: aus der Uberlieferung unserer beiden Schreiben in cod. VIII. A 19 lassen sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß ihr Schreiber der königlichen oder einer anderen Kanzlei angehört hat, gewinnen; dagegen kann man annehmen, daß er mit einem Mitgliede der königlichen Kanzlei in Verbindung war, mit einem Manne, der in den Anfängen der Regierung des Königs Wenzel in dessen Kanzlei tätig gewesen ist. Es ist früher festgestellt worden, daß unsere Schreiben nicht Originale sind, und daß nur die Prager Handschrift, d. h. Schreiber E, sie uns überliefert hat. Hat E diese Schreiben selbst verfaßt? Diese Frage läßt sich mit voller Sicherheit beantworten. Wer den unten folgenden Text der beiden Schreiben durchsieht, wird gleich bemerken, daß er voll von Fehlern überliefert ist. Da lesen win z. B. vastinii für vastum, quam orbem für quam ob rem, invenies an Stelle von iuvenes, curam an Stelle von terram, ecclesia statt eciam, civitatem für comam, aput aurum statt caput aureum, bis 46) Úber dieses Traktat vgl. Truhlař (in der in Anmerkung 5 erwähnten Schrift 1, 530); seine Angabe, daß der Traktat von einem auctor quidem Bohemus herrühre, trifft für die von Patera (Sitzungsberichte der böhm. Gesellschaft der Wissenschaften 1890, S. 355) benützte Handschrift des Klosters Wilhering zu, aber nicht für unsere Handschrift, die an allen Stellen, wo die Wilheringer Handschrift „boemicum (boemice)“ hat, „theotonicum“ setzt'. 47) Vgl. Vetter, Das Schachzabelbuch Kunrats von Ammenhausen nebst den Schachbüchern des Jacob von Cessole und Jacob Mennel (Bibliothek älterer Schriftwerke der deutschen Schweiz, Ergänzungsband, Frauenfeld 1892), Ein- leitung S. XLI, XLIV, wonach gegen 200 Handschriften und 36 Drucke der Schrift des Jacob von Cessole erhalten sind, darunter Ubersetzungen des lateini- schen Textes ins Italienische, Spanische, Französische, Englische, Nieder- ländische, Deutsche, Schwedische, Čechische. Die Prager Universitätsbibliothek besitzt neun Handschriften des lateinischen Textes. 48) Schon die Frage, ob E die Abschriften zu eigenem Gebrauch ange- fertigt hat, oder ob er Lohnschreiber (vielleicht für A oder D) gewesen ist, läßt sich nicht beantworten.
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17 für beatus, brevis scenix für brevius strinxit usw. Niemals hat ein Autor seine eigene Schrift so verunstaltet. Daraus folgt, daß E, der unsere Stücke geschrieben, sie nicht verfaßt haben kann, sondern daß er eine Abschrift angefertigt hat, nach einer Vorlage, die wir nicht kennen 49). Dieses Ergebnis ist für eine Untersuchung nach den Regeln der diplomatischen Kritik von Bedeutung. Briefe Wenzels und Karls IV. — und als solche geben sich unsere Stücke aus — bieten einer solchen Untersuchung gute Angriffspunkte: wir können das Siegel, die kanzleigemäße Schrift 50), die Art wie der Titel beziehungs- weise die Unterfertigung und die Adresse geschrieben ist 51), prüfen. Aber eine solche Prüfung der sogenannten äußeren Merkmale ist nur bei Originalen möglich, nicht bei Abschriften, wie es unsere Stücke sind. Nicht viel besser steht es mit einer Untersuchung der inneren Merkmale. Nicht nur daß in unseren Schreiben formelle Teile, wie der Titel beziehungsweise die Unterfertigung, das Datum und die Adresse fehlen, eine viel größere Schwierigkeit entsteht dadurch, daß Material gleicher Art, aus dem wir den Maßstab für die Beurteilung unserer Schreiben gewinnen könnten, so gut wie unbekannt ist. Ein einziges Schreiben Wenzels an seinen Vater Karl ist im Original erhalten, ein Schreiben, das nach der an- sprechenden Vermutung des Herausgebers zum Jahre 1368 gehört, und von Wenzel, der damals im achten Lebensjahre stand, selbst geschrieben ist 52). Von einem zweiten Schreiben Wenzels an Karl, 49) Die Vorlage kann bereits alle Fehler gehabt haben, sie können aber auch von unserem Schreiber E verschuldet sein. Im ersteren Falle hätte er ge- wissenhaft gearbeitet, d. h. seine Vorlage getreulich nachgeschrieben, im anderen Falle hätte er nachlässig und unbekümmert um Sinn oder Unsinn des von ihm geschriebenen eine Seite nach der anderen kopiert. Wollte man dieses Problem lösen, so könnte man die anderen von E angefertigten Abschriften (Tractatus de informatione und Schachbuch) prüfen, ob sie korrekt oder fehlerhaft gemacht worden sind — vorausgesetzt, daß die von E benützten Vorlagen sich sicher- stellen ließen. Ich habe von einer solchen Untersuchung abgesehen, da sie sich von dem Ziel dieser Publikation zu weit entfernt, und weil sie im günstigsten Falle zu dem Ergebnis führen würde: die von E angefertigten Abschriften des tractatus und des Schachbuches seien nach dieser oder jener Vorlage korrekt gemacht, und es spreche daher die Vermutung dafür, daß auch unsere Schreiben von E gewissenhaft nach der (unbekannten) Vorlage kopiert worden seien. Dann würde schon diese Vorlage die vielen und groben Fehler enthalten haben, und könnte daher auch nichts anderes als eine Abschrift gewesen sein. 50) In der Regel sind diese Briefe von einem Notar der Kanzlei, und nur in Ausnahmsfällen vom Herrscher selbst geschrieben. 51) Der Titel wird über dem Texte, gewöhnlich in zwei Zeilen, in die Mitte des Blattes geschrieben; nur in Briefen an den Papst, und oft auch an die Kar- dinäle, wird der Titel unter den Text als Unterfertigung gesetzt. Die Zeilen der auf der Rückseite geschriebenen Adresse kreuzen sich mit den Zeilen des Textes (vgl. Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger, S. 19, 79, 84). 52) Das Schreiben ist von Lechner (Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung, VI. Ergänzungsband, S. 351) veröffentlicht. Nach An- sicht Lechners (ebenda, S. 339, 341) wäre der Brief auch von Wenzel verfaßt; aber man erkennt die von der Kanzlei gelieferte Vorlage, die der Knabe so gut er konnte nachschrieb, an den Fehlern, die er machte (Zeile 1 dingnetur statt dignetur, 3 rengni statt regni, 4 consuleum statt consulum, 5 hiis statt huius,
17 für beatus, brevis scenix für brevius strinxit usw. Niemals hat ein Autor seine eigene Schrift so verunstaltet. Daraus folgt, daß E, der unsere Stücke geschrieben, sie nicht verfaßt haben kann, sondern daß er eine Abschrift angefertigt hat, nach einer Vorlage, die wir nicht kennen 49). Dieses Ergebnis ist für eine Untersuchung nach den Regeln der diplomatischen Kritik von Bedeutung. Briefe Wenzels und Karls IV. — und als solche geben sich unsere Stücke aus — bieten einer solchen Untersuchung gute Angriffspunkte: wir können das Siegel, die kanzleigemäße Schrift 50), die Art wie der Titel beziehungs- weise die Unterfertigung und die Adresse geschrieben ist 51), prüfen. Aber eine solche Prüfung der sogenannten äußeren Merkmale ist nur bei Originalen möglich, nicht bei Abschriften, wie es unsere Stücke sind. Nicht viel besser steht es mit einer Untersuchung der inneren Merkmale. Nicht nur daß in unseren Schreiben formelle Teile, wie der Titel beziehungsweise die Unterfertigung, das Datum und die Adresse fehlen, eine viel größere Schwierigkeit entsteht dadurch, daß Material gleicher Art, aus dem wir den Maßstab für die Beurteilung unserer Schreiben gewinnen könnten, so gut wie unbekannt ist. Ein einziges Schreiben Wenzels an seinen Vater Karl ist im Original erhalten, ein Schreiben, das nach der an- sprechenden Vermutung des Herausgebers zum Jahre 1368 gehört, und von Wenzel, der damals im achten Lebensjahre stand, selbst geschrieben ist 52). Von einem zweiten Schreiben Wenzels an Karl, 49) Die Vorlage kann bereits alle Fehler gehabt haben, sie können aber auch von unserem Schreiber E verschuldet sein. Im ersteren Falle hätte er ge- wissenhaft gearbeitet, d. h. seine Vorlage getreulich nachgeschrieben, im anderen Falle hätte er nachlässig und unbekümmert um Sinn oder Unsinn des von ihm geschriebenen eine Seite nach der anderen kopiert. Wollte man dieses Problem lösen, so könnte man die anderen von E angefertigten Abschriften (Tractatus de informatione und Schachbuch) prüfen, ob sie korrekt oder fehlerhaft gemacht worden sind — vorausgesetzt, daß die von E benützten Vorlagen sich sicher- stellen ließen. Ich habe von einer solchen Untersuchung abgesehen, da sie sich von dem Ziel dieser Publikation zu weit entfernt, und weil sie im günstigsten Falle zu dem Ergebnis führen würde: die von E angefertigten Abschriften des tractatus und des Schachbuches seien nach dieser oder jener Vorlage korrekt gemacht, und es spreche daher die Vermutung dafür, daß auch unsere Schreiben von E gewissenhaft nach der (unbekannten) Vorlage kopiert worden seien. Dann würde schon diese Vorlage die vielen und groben Fehler enthalten haben, und könnte daher auch nichts anderes als eine Abschrift gewesen sein. 50) In der Regel sind diese Briefe von einem Notar der Kanzlei, und nur in Ausnahmsfällen vom Herrscher selbst geschrieben. 51) Der Titel wird über dem Texte, gewöhnlich in zwei Zeilen, in die Mitte des Blattes geschrieben; nur in Briefen an den Papst, und oft auch an die Kar- dinäle, wird der Titel unter den Text als Unterfertigung gesetzt. Die Zeilen der auf der Rückseite geschriebenen Adresse kreuzen sich mit den Zeilen des Textes (vgl. Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV. und seiner Nachfolger, S. 19, 79, 84). 52) Das Schreiben ist von Lechner (Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung, VI. Ergänzungsband, S. 351) veröffentlicht. Nach An- sicht Lechners (ebenda, S. 339, 341) wäre der Brief auch von Wenzel verfaßt; aber man erkennt die von der Kanzlei gelieferte Vorlage, die der Knabe so gut er konnte nachschrieb, an den Fehlern, die er machte (Zeile 1 dingnetur statt dignetur, 3 rengni statt regni, 4 consuleum statt consulum, 5 hiis statt huius,
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18 das in die Formularsammlung „Summa cancellariae“ aufgenommen ist 53), ist nur der Anfang überliefert und es fehlt jeder Anhaltspunkt, dieses Formular einem bestimmten Jahre zuzuweisen 54). Noch schlechter ist es mit Briefen Karls IV. an seinen Sohn bestellt: nicht ein einziger ist bis jetzt ans Licht gekommen 55). Es fehlt also jedes Vergleichsmaterial für unser zweites Stück, für das an- gebliche Schreiben Karls an Wenzel, aber auch für das erste, für das Schreiben, das Wenzel an seinen Vater gerichtet haben soll, ist die Basis der Untersuchung sehr klein geworden 56). Unter solchen Umständen wird man von einer diplomatischen Kritik unserer Stücke nicht viel erwarten dürfen. Immerhin kann ein solcher Versuch gemacht werden, denn in dem ersten Stücke finden sich einzelne Stellen, die eine Vergleichung mit den beiden anderen Briefen Wenzels zulassen: die Anrede „excolende mi genitor et domine metuende", die im Text abwechselnd gebrauchten Ausdrücke „vestra serenitas, vestra maiestas, cesarea maiestas, paterna dilectio" endlich der Schlußwunsch „valeat ad vota feliæ maiestas vestra“ Was die Anrede „excolende mi genitor et domine metuende" betrifft, so hat der Originalbrief an dieser Stelle „serenissime princeps et genitor preamantissime“, stimmt also im charakteristi- schen Wort57) „genitor“ mit unserem Schreiben überein. Aber die 8 dominio statt dominico), an den der Kanzleisprache eigentümlichen Aus- drücken wie „vestra imperialis celsitudo, nostra serenitas etc.“, und an der Eingangs- und Schlußformel des Briefes. 53) Tadra, Summa cancellariae, S. 33, nr. 56. 54) Das Stück hat die Uberschrift „filius imperatoris scribit patri, ut remuneret quendam ad eum cum litera missum“; beachtenswert ist, daß es sowohl in der Prager Handschrift VIII. A. 19 (nach Tadra die „verhältnismäßig“ älteste Redaktion der „Summa“), als auch in der Görlitzer Handschrift (deren Vorlage nach Lulvés die erste Redaktion der „Summa“ ist) und in der Leipziger Handschrift Rep. II, nr. 71, fehlt. 55) Weizsäcker (Deutsche Reichstagsakten, 1, S. LXXXVI und 125, Note 1) spricht von einer „kleinen Korrespondenz zwischen Wenzel und seinem Vater, die aus einem Briefe des ersteren, worin er selbst seine Erhebung zu früh findet, und aus der Antwort des letzteren, worin er die wegen der Jugend Wenzels möglichen Bedenken zu widerlegen sucht, besteht“. Er hält beide Schreiben, die sich auf die Wahl Wenzels in Deutschland beziehen sollen, für Stilproben, die keinerlei geschichtlichen Wert besitzen. Diese kleine Korrespondenz existiert in Wirklichkeit gar nicht. Der angebliche Brief Wenzels bezieht sich auf seine Krönung in Prag, nicht auf die Wahl in Deutschland (vgl. oben Anmerkung 10), und das Schreiben Karls ist nicht an Wenzel gerichtet, sondern ein „offener Brief, für diejenigen, welche wider die Wahl Wenzels (nämlich in Deutschland) der Jugend halber Einwürfe und Schwierigkeiten machen könnten“. So sagt Pelzel (Kaiser Karl IV., 2, 897), auf den sich Weizsäcker beruft. Pelzel hat auch aus dem Inhalt dieses „offenen Briefes“ einiges mitgeteilt — das ist alles, was wir über dieses Schriftstück wissen. Welche Quelle Pelzel benützt hat, ist bis jetzt nicht festgestellt worden. 56) Zu den zwei oben erwähnten Schreiben Wenzels könnte man noch den fingierten Brief (siehe die vorhergehende Anmerkung) hinzunehmen, da er aller Wahrscheinlichkeit nach in der Kanzlei Karls IV. geschrieben ist (siehe oben Anmerkung 12). 57) Das Wort wird vorwiegend in der Kanzleisprache gebraucht und in feierlicher, gewählter Rede (vgl. die Schreiben Wenzels bei Palacky, Uber Formel- bücher, 2, Nr. 17—20; Pelzel, Karl IV., 2, Urkundenbuch Nr. 249, Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 37, 344, und die feier-
18 das in die Formularsammlung „Summa cancellariae“ aufgenommen ist 53), ist nur der Anfang überliefert und es fehlt jeder Anhaltspunkt, dieses Formular einem bestimmten Jahre zuzuweisen 54). Noch schlechter ist es mit Briefen Karls IV. an seinen Sohn bestellt: nicht ein einziger ist bis jetzt ans Licht gekommen 55). Es fehlt also jedes Vergleichsmaterial für unser zweites Stück, für das an- gebliche Schreiben Karls an Wenzel, aber auch für das erste, für das Schreiben, das Wenzel an seinen Vater gerichtet haben soll, ist die Basis der Untersuchung sehr klein geworden 56). Unter solchen Umständen wird man von einer diplomatischen Kritik unserer Stücke nicht viel erwarten dürfen. Immerhin kann ein solcher Versuch gemacht werden, denn in dem ersten Stücke finden sich einzelne Stellen, die eine Vergleichung mit den beiden anderen Briefen Wenzels zulassen: die Anrede „excolende mi genitor et domine metuende", die im Text abwechselnd gebrauchten Ausdrücke „vestra serenitas, vestra maiestas, cesarea maiestas, paterna dilectio" endlich der Schlußwunsch „valeat ad vota feliæ maiestas vestra“ Was die Anrede „excolende mi genitor et domine metuende" betrifft, so hat der Originalbrief an dieser Stelle „serenissime princeps et genitor preamantissime“, stimmt also im charakteristi- schen Wort57) „genitor“ mit unserem Schreiben überein. Aber die 8 dominio statt dominico), an den der Kanzleisprache eigentümlichen Aus- drücken wie „vestra imperialis celsitudo, nostra serenitas etc.“, und an der Eingangs- und Schlußformel des Briefes. 53) Tadra, Summa cancellariae, S. 33, nr. 56. 54) Das Stück hat die Uberschrift „filius imperatoris scribit patri, ut remuneret quendam ad eum cum litera missum“; beachtenswert ist, daß es sowohl in der Prager Handschrift VIII. A. 19 (nach Tadra die „verhältnismäßig“ älteste Redaktion der „Summa“), als auch in der Görlitzer Handschrift (deren Vorlage nach Lulvés die erste Redaktion der „Summa“ ist) und in der Leipziger Handschrift Rep. II, nr. 71, fehlt. 55) Weizsäcker (Deutsche Reichstagsakten, 1, S. LXXXVI und 125, Note 1) spricht von einer „kleinen Korrespondenz zwischen Wenzel und seinem Vater, die aus einem Briefe des ersteren, worin er selbst seine Erhebung zu früh findet, und aus der Antwort des letzteren, worin er die wegen der Jugend Wenzels möglichen Bedenken zu widerlegen sucht, besteht“. Er hält beide Schreiben, die sich auf die Wahl Wenzels in Deutschland beziehen sollen, für Stilproben, die keinerlei geschichtlichen Wert besitzen. Diese kleine Korrespondenz existiert in Wirklichkeit gar nicht. Der angebliche Brief Wenzels bezieht sich auf seine Krönung in Prag, nicht auf die Wahl in Deutschland (vgl. oben Anmerkung 10), und das Schreiben Karls ist nicht an Wenzel gerichtet, sondern ein „offener Brief, für diejenigen, welche wider die Wahl Wenzels (nämlich in Deutschland) der Jugend halber Einwürfe und Schwierigkeiten machen könnten“. So sagt Pelzel (Kaiser Karl IV., 2, 897), auf den sich Weizsäcker beruft. Pelzel hat auch aus dem Inhalt dieses „offenen Briefes“ einiges mitgeteilt — das ist alles, was wir über dieses Schriftstück wissen. Welche Quelle Pelzel benützt hat, ist bis jetzt nicht festgestellt worden. 56) Zu den zwei oben erwähnten Schreiben Wenzels könnte man noch den fingierten Brief (siehe die vorhergehende Anmerkung) hinzunehmen, da er aller Wahrscheinlichkeit nach in der Kanzlei Karls IV. geschrieben ist (siehe oben Anmerkung 12). 57) Das Wort wird vorwiegend in der Kanzleisprache gebraucht und in feierlicher, gewählter Rede (vgl. die Schreiben Wenzels bei Palacky, Uber Formel- bücher, 2, Nr. 17—20; Pelzel, Karl IV., 2, Urkundenbuch Nr. 249, Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 37, 344, und die feier-
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19 stärkste Ahnlichkeit zeigt sich im Formular der „Summa“: „sere- nissime ac invictissime princeps“ lautet die Anrede „amantissime genitor et domine pertimende“ 58). Andererseits finden wir zu den in unserem Schreiben abwechselnd gebrauchten Worten „vestra serenitas, vestra maiestas etc.“ das Gegenstück im Originalbrief 59) „vestra imperialis celsitudo, vestra paternitas, vestrae cesareae maiestatis paternalis clementia“, also der gleiche Wechsel der Aus- drücke wie in unserem Schreiben. Dagegen können wir den in unserem Schreiben gebrauchten Schlußwunsch „valeat ad vota felix maiestas vestra“ im Originalbrief 60) nicht nachweisen. Dort heißt es „personam vestram incolumem altissimus conservet cum dierum felicitate longeva“. Ob diese im Jahre 1368 gebrauchte Formel später bei Schreiben an den Kaiser61) außer Gebrauch kam oder ob der Verfasser unseres Schreibens eigenmächtig von dem Kanzlei- brauch abwich — diese Fragen lassen sich nicht beantworten, da das Vergleichsmaterial winzig klein ist. Und deshalb wird man nicht sagen können, daß der Schlußwunsch unseres Schreibens „valeat ad vota etc.“ nicht üblich gewesen 62), und daher Verdacht erweckend sei. Dasselbe Argument gilt jedoch auch für die andere Seite. Wir werden dem Umstande, daß die in unserem Schreiben liche Ansprache des Mantuanischen Gesandten an König Wenzel, ebenda, 349). Im Latein als Verkehrssprache und Sprache des täglichen Lebens, wie wir sie in der Selbstbiographie Karls IV. finden, wird das Wort „pater“ gebraucht. Es ist eine seltene Ausnahme, daß im fingierten Briefe Wenzels (Tadra, Summa can- cellariae, nr. 55) einmal „amantissime pater“ steht. 58) Ebenso stimmt das fingierte Schreiben mit unserem Stücke überein: „serenissime ac invictissime princeps, metuende domine et genitor peramande“. 59) Das Formular (Tadra, Summa, nr. 56), das nur den Anfang des Schrei- bens enthält, kommt nicht in Betracht; im fingierten Briefe Wenzels findet sich „vestra serenitas“". 60) Der fingierte Brief hat keinen Schlußwunsch (und ebensowenig das Formular, siehe die vorhergehende Anmerkung). 61) Sie ist in Briefen Karls IV. und Wenzels an den Papst üblich (vgl. Tadra, Summa, nr. 229; Kaiser, Collectarius perpetuarum formarum, nr. 193; Palacky, Uber Formelbücher, 2, Nr. 42). In der Regel wird sie bei solchen Schrei- ben in den Formularbüchern abgekürzt („personam vestram etc.“ oder „per- sonam etc.“, z. B. Tadra, a. a. O., Nr. 230, 231, 233, 235, 239, 273) oder ganz weggelassen (z. B. Palacky, a. a. O., Nr. 36, 40, 43—45, 48, 55, 59). In den For- mularsammlungen läßt sich ein einziges Beispiel für den Gebrauch dieses Schluß- wunsches in Briefen Karls und Wenzels an weltliche Fürsten finden (Karl IV. an eine Königin: „conservet vos etc.“ bei Kaiser, collectarius, nr. 266; siehe auch die folgende Anmerkung Nr. 62). In diesem Zusammenhange mag noch erwähnt werden, daß die Rede, die der Mantuanische Gesandte 1383 vor König Wenzel hielt, mit den Worten schloß „altissimus conservet vestram maiestatem per tempora longiora“ (Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 37, 350). 62) Für derartige Untersuchungen fehlen bis jetzt alle Vorarbeiten. In den Formularsammlungen wird bei Briefen Karls und Wenzels an Könige und Königinnen in der Regel der Schlußwunsch weggelassen (z. B. Kaiser, Collectarius, nr. 244, 261, 264, 274, 277, Palacky, Über Formelbücher, 2, Nr. 62, 68, 72, 75, 82—85, 90, 92, 93). Der Schlußwunsch in unserem zweiten Schreiben „vale ut cupimus, pars animae maxima, fili, nostrae" ist ganz individuell gehalten, ebenso wie im Schreiben Karls an seinen Bruder, den Markgrafen Johann von Mähren „vale, germane carissime, in filio gloriosae virginis, qui est omnium vera salus“ (Tadra, Summa cancellariae, nr. 9).
19 stärkste Ahnlichkeit zeigt sich im Formular der „Summa“: „sere- nissime ac invictissime princeps“ lautet die Anrede „amantissime genitor et domine pertimende“ 58). Andererseits finden wir zu den in unserem Schreiben abwechselnd gebrauchten Worten „vestra serenitas, vestra maiestas etc.“ das Gegenstück im Originalbrief 59) „vestra imperialis celsitudo, vestra paternitas, vestrae cesareae maiestatis paternalis clementia“, also der gleiche Wechsel der Aus- drücke wie in unserem Schreiben. Dagegen können wir den in unserem Schreiben gebrauchten Schlußwunsch „valeat ad vota felix maiestas vestra“ im Originalbrief 60) nicht nachweisen. Dort heißt es „personam vestram incolumem altissimus conservet cum dierum felicitate longeva“. Ob diese im Jahre 1368 gebrauchte Formel später bei Schreiben an den Kaiser61) außer Gebrauch kam oder ob der Verfasser unseres Schreibens eigenmächtig von dem Kanzlei- brauch abwich — diese Fragen lassen sich nicht beantworten, da das Vergleichsmaterial winzig klein ist. Und deshalb wird man nicht sagen können, daß der Schlußwunsch unseres Schreibens „valeat ad vota etc.“ nicht üblich gewesen 62), und daher Verdacht erweckend sei. Dasselbe Argument gilt jedoch auch für die andere Seite. Wir werden dem Umstande, daß die in unserem Schreiben liche Ansprache des Mantuanischen Gesandten an König Wenzel, ebenda, 349). Im Latein als Verkehrssprache und Sprache des täglichen Lebens, wie wir sie in der Selbstbiographie Karls IV. finden, wird das Wort „pater“ gebraucht. Es ist eine seltene Ausnahme, daß im fingierten Briefe Wenzels (Tadra, Summa can- cellariae, nr. 55) einmal „amantissime pater“ steht. 58) Ebenso stimmt das fingierte Schreiben mit unserem Stücke überein: „serenissime ac invictissime princeps, metuende domine et genitor peramande“. 59) Das Formular (Tadra, Summa, nr. 56), das nur den Anfang des Schrei- bens enthält, kommt nicht in Betracht; im fingierten Briefe Wenzels findet sich „vestra serenitas“". 60) Der fingierte Brief hat keinen Schlußwunsch (und ebensowenig das Formular, siehe die vorhergehende Anmerkung). 61) Sie ist in Briefen Karls IV. und Wenzels an den Papst üblich (vgl. Tadra, Summa, nr. 229; Kaiser, Collectarius perpetuarum formarum, nr. 193; Palacky, Uber Formelbücher, 2, Nr. 42). In der Regel wird sie bei solchen Schrei- ben in den Formularbüchern abgekürzt („personam vestram etc.“ oder „per- sonam etc.“, z. B. Tadra, a. a. O., Nr. 230, 231, 233, 235, 239, 273) oder ganz weggelassen (z. B. Palacky, a. a. O., Nr. 36, 40, 43—45, 48, 55, 59). In den For- mularsammlungen läßt sich ein einziges Beispiel für den Gebrauch dieses Schluß- wunsches in Briefen Karls und Wenzels an weltliche Fürsten finden (Karl IV. an eine Königin: „conservet vos etc.“ bei Kaiser, collectarius, nr. 266; siehe auch die folgende Anmerkung Nr. 62). In diesem Zusammenhange mag noch erwähnt werden, daß die Rede, die der Mantuanische Gesandte 1383 vor König Wenzel hielt, mit den Worten schloß „altissimus conservet vestram maiestatem per tempora longiora“ (Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 37, 350). 62) Für derartige Untersuchungen fehlen bis jetzt alle Vorarbeiten. In den Formularsammlungen wird bei Briefen Karls und Wenzels an Könige und Königinnen in der Regel der Schlußwunsch weggelassen (z. B. Kaiser, Collectarius, nr. 244, 261, 264, 274, 277, Palacky, Über Formelbücher, 2, Nr. 62, 68, 72, 75, 82—85, 90, 92, 93). Der Schlußwunsch in unserem zweiten Schreiben „vale ut cupimus, pars animae maxima, fili, nostrae" ist ganz individuell gehalten, ebenso wie im Schreiben Karls an seinen Bruder, den Markgrafen Johann von Mähren „vale, germane carissime, in filio gloriosae virginis, qui est omnium vera salus“ (Tadra, Summa cancellariae, nr. 9).
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20 gebrauchte Anrede „excolende mi genitor etc.“ und die Ausdrücke „vestra maiestas etc.“ sich auch in den beiden anderen Briefen Wenzels an seinen Vater nachweisen lassen, nicht zu viel Gewicht beilegen dürfen. Wir werden aus dieser Ubereinstimmung nur den Schluß ableiten können: unser erstes Stück, der angebliche Brief Wenzels an Karl IV. kann in seiner Fassung nicht als kanzleiwidrig bezeichnet werden. Wer immer diesen Brief geschrieben hat, wußte wie Briefe Wenzels an seinen Vater aussehen. * Auf festeren Boden kommen wir, wenn wir die beiden Schrei- ben nach einer anderen Richtung untersuchen. Sie sind in den Abschriften, die uns vorliegen, ohne Datum; können wir diese Lücke ergänzen, können wir aus den Schreiben selbst die Zeit ihre€ Abfassung bestimmen? Für diese Untersuchung sind zwei feste Punkte gegeben. Erstens, daß die Schreiben auf Karl IV. und dessen Sohn Wenzel bezogen werden müssen, daß nur Wenzel es gewesen sein könnte, der sich an seinen Vater, den Kaiser, mit der Bitte um Belehrung gewandt hat 63). Beide Schreiben gehen davon aus, daß Wenzel zur Nachfolge in die Kaiserwürde berufen ist, und diese Berufung war erfolgt durch seine Wahl zum römischen Könige am 10. Juni 1376. Andererseits ist Karl IV., der das zweite Schrei- ben verfaßt haben soll, am 29. November 1378 gestorben. Es muß also das erste Schreiben nach dem 10. Juni 1376, das zweite vor dem 29. November 1378 geschrieben sein. Entsprechen die beiden Schreiben nicht diesen Bedingungen, so brauchen wir keinen weiteren Beweis für ihre Unechtheit. Sehen wir nun, ob sie in diesen Rahmen passen. Gleich zu Beginn des ersten Schreibens finden wir die Be- merkung, daß der Schreiber, nämlich der neue römische König, durch die Gnade Gottes in dem Heimatlande und in mehreren Fürstentümern und verschiedenen Herrschaften zum rechtmäßigen Erben des Kaisers gemacht worden sei 64). Was unter dem Heimat- lande gemeint ist, wird durch die entsprechende Stelle im zweiten Schreiben 65) erklärt: es ist das Königreich Böhmen. Nun war Wenzel allerdings nicht in Böhmen geboren, sondern außerhalb des Landes, in Nürnberg, aber er war der Sohn des böhmischen Königs Karl, der Enkel der Přemyslidin Elisabeth, er hatte in Böhmen seine Kindheit und Jugend verbracht, und war schon als Kind von zwei Jahren in Prag zum König, zum Nachfolger seines Vaters in der Herrschaft über Böhmen gekrönt worden. Wenn also Wenzel sich „rechtmäßiger Erbe im Heimatlande“ nannte, so entsprachen diese Worte vollkommen der Meinung, die jedermann im Lande hatte. 63) Vgl. oben S. 8. 64) „Letatus sum — — eo quod preter natale regnum pluresque prin- cipatus diversaque, in quibus divinitate propitia factus sum vestrae serenitatis — heres legitimus 65) Siehe Anmerkung 6.
20 gebrauchte Anrede „excolende mi genitor etc.“ und die Ausdrücke „vestra maiestas etc.“ sich auch in den beiden anderen Briefen Wenzels an seinen Vater nachweisen lassen, nicht zu viel Gewicht beilegen dürfen. Wir werden aus dieser Ubereinstimmung nur den Schluß ableiten können: unser erstes Stück, der angebliche Brief Wenzels an Karl IV. kann in seiner Fassung nicht als kanzleiwidrig bezeichnet werden. Wer immer diesen Brief geschrieben hat, wußte wie Briefe Wenzels an seinen Vater aussehen. * Auf festeren Boden kommen wir, wenn wir die beiden Schrei- ben nach einer anderen Richtung untersuchen. Sie sind in den Abschriften, die uns vorliegen, ohne Datum; können wir diese Lücke ergänzen, können wir aus den Schreiben selbst die Zeit ihre€ Abfassung bestimmen? Für diese Untersuchung sind zwei feste Punkte gegeben. Erstens, daß die Schreiben auf Karl IV. und dessen Sohn Wenzel bezogen werden müssen, daß nur Wenzel es gewesen sein könnte, der sich an seinen Vater, den Kaiser, mit der Bitte um Belehrung gewandt hat 63). Beide Schreiben gehen davon aus, daß Wenzel zur Nachfolge in die Kaiserwürde berufen ist, und diese Berufung war erfolgt durch seine Wahl zum römischen Könige am 10. Juni 1376. Andererseits ist Karl IV., der das zweite Schrei- ben verfaßt haben soll, am 29. November 1378 gestorben. Es muß also das erste Schreiben nach dem 10. Juni 1376, das zweite vor dem 29. November 1378 geschrieben sein. Entsprechen die beiden Schreiben nicht diesen Bedingungen, so brauchen wir keinen weiteren Beweis für ihre Unechtheit. Sehen wir nun, ob sie in diesen Rahmen passen. Gleich zu Beginn des ersten Schreibens finden wir die Be- merkung, daß der Schreiber, nämlich der neue römische König, durch die Gnade Gottes in dem Heimatlande und in mehreren Fürstentümern und verschiedenen Herrschaften zum rechtmäßigen Erben des Kaisers gemacht worden sei 64). Was unter dem Heimat- lande gemeint ist, wird durch die entsprechende Stelle im zweiten Schreiben 65) erklärt: es ist das Königreich Böhmen. Nun war Wenzel allerdings nicht in Böhmen geboren, sondern außerhalb des Landes, in Nürnberg, aber er war der Sohn des böhmischen Königs Karl, der Enkel der Přemyslidin Elisabeth, er hatte in Böhmen seine Kindheit und Jugend verbracht, und war schon als Kind von zwei Jahren in Prag zum König, zum Nachfolger seines Vaters in der Herrschaft über Böhmen gekrönt worden. Wenn also Wenzel sich „rechtmäßiger Erbe im Heimatlande“ nannte, so entsprachen diese Worte vollkommen der Meinung, die jedermann im Lande hatte. 63) Vgl. oben S. 8. 64) „Letatus sum — — eo quod preter natale regnum pluresque prin- cipatus diversaque, in quibus divinitate propitia factus sum vestrae serenitatis — heres legitimus 65) Siehe Anmerkung 6.
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21 Aber Wenzel konnte sich auch auf eine ausdrückliche Verfügung seines Vaters berufen. Im Jahre 1376 hatte Karl IV. eine Erb- teilungs- und Erbfolgeordnung für seine drei Söhne errichtet. Dar- nach sollte der römische König Wenzel als ältester Sohn nicht nur das Königreich Böhmen erben, sondern auch die schlesischen Fürstentümer Breslau, Glogau, Frankenstein, Schweidnitz, Jauer, einen Teil der Ober- und Nieder-Lausitz, und alle Herrschaften, Schlösser, Güter, Lehen usw., die Kaiser Karl in Bayern, Schwaben, Franken, Voigtland, Meißen, wie überhaupt in Deutschland für die Krone Böhmen erworben hatte 66). Der zweite Sohn, Siegmund, sollte die Alt- und Neumark Brandenburg, der dritte, Johann, das neugebildete Fürstentum Görlitz erhalten. Diese Erbteilung ist von Karl IV. mit Urkunde 67) vom 21. Dezember 1376 angeordnet worden, und auf Grund dieser Anordnung konnte Wenzel mit Fug und Recht sagen, daß nicht nur das Heimatland, sondern auch mehrere Fürstentümer und verschiedene Herrschaften sein recht- mäßiges Erbe seien. Es stimmt also diese Bemerkung unseres Schrei- bens mit den Tatsachen überein, und sie gestattet uns auch, die Zeit der Abfassung des ersten Schreibens etwas genauer anzugeben: es ist nach der von Karl IV. verfügten Erbteilung, also nach dem 21. Dezember 1376 entstanden. Ein anscheinend belangloses Wort findet sich am Schlusse des ersten Schreibens: der römische König richtet an seinen Vater die Bitte, ihm schriftlich68) zu antworten. Die erste Folgerung, die sich aufdrängt, ist: Vater und Sohn waren von einander getrennt, als dieser Brief geschrieben wurde. Das wird auch im zweiten Schreiben ausdrücklich gesagt: „was deine Genossen, dein Gefolge, Räte und Hofleute betrifft“ heißt es hier „und wie du dich im Anfang deiner hohen Würde benehmen sollst, darüber werde ich dich besser in vertraulichen Gesprächen, sobald wir uns wiedersehen werden, unterrichten“ 69). Aus der Bitte um schriftliche Antwort geht jedoch noch etwas anderes hervor: der Schreiber rechnete darauf, daß die Abwesenheit des Vaters noch geraume Zeit dauern werde, und der Vater, d. h. Karl IV., war derselben Ansicht, denn sonst hätte er sich nicht dran gemacht, ein so umfangreiches Schrift- stück, wie es sein Schreiben ist, auszuarbeiten. Entsprechen diese Folgerungen den Tatsachen? Können wir nachweisen, daß Karl und Wenzel in dem Zeitraum zwischen 21. Dezember 1376 und 29. November 1378 von einander getrennt waren, und zwar für längere Zeit? Ein solcher Nachweis läßt sich wirklich erbringen. Im März 66) und außerdem die Lehenshoheit über die anderen noch unter eigenen Fürsten stehenden schlesischen Fürstentümer, über Mähren, und über einen Teil des Herzogtums Görlitz. 67) Veröffentlicht von Schlesinger in den Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 31, 5 ff. 68) „quam ob rem paternae dilectioni — — supplico reverenter, quatinus — illis me per suas literas erudire dignetur lege et moribus 69) „de comilitibus tuis — — necnon quem modum — — in primordio huius tui altissimi principatus tenere te deceat, secretis te potius, cum vide- bimus nos vicissim, erudiemus affatibus —
21 Aber Wenzel konnte sich auch auf eine ausdrückliche Verfügung seines Vaters berufen. Im Jahre 1376 hatte Karl IV. eine Erb- teilungs- und Erbfolgeordnung für seine drei Söhne errichtet. Dar- nach sollte der römische König Wenzel als ältester Sohn nicht nur das Königreich Böhmen erben, sondern auch die schlesischen Fürstentümer Breslau, Glogau, Frankenstein, Schweidnitz, Jauer, einen Teil der Ober- und Nieder-Lausitz, und alle Herrschaften, Schlösser, Güter, Lehen usw., die Kaiser Karl in Bayern, Schwaben, Franken, Voigtland, Meißen, wie überhaupt in Deutschland für die Krone Böhmen erworben hatte 66). Der zweite Sohn, Siegmund, sollte die Alt- und Neumark Brandenburg, der dritte, Johann, das neugebildete Fürstentum Görlitz erhalten. Diese Erbteilung ist von Karl IV. mit Urkunde 67) vom 21. Dezember 1376 angeordnet worden, und auf Grund dieser Anordnung konnte Wenzel mit Fug und Recht sagen, daß nicht nur das Heimatland, sondern auch mehrere Fürstentümer und verschiedene Herrschaften sein recht- mäßiges Erbe seien. Es stimmt also diese Bemerkung unseres Schrei- bens mit den Tatsachen überein, und sie gestattet uns auch, die Zeit der Abfassung des ersten Schreibens etwas genauer anzugeben: es ist nach der von Karl IV. verfügten Erbteilung, also nach dem 21. Dezember 1376 entstanden. Ein anscheinend belangloses Wort findet sich am Schlusse des ersten Schreibens: der römische König richtet an seinen Vater die Bitte, ihm schriftlich68) zu antworten. Die erste Folgerung, die sich aufdrängt, ist: Vater und Sohn waren von einander getrennt, als dieser Brief geschrieben wurde. Das wird auch im zweiten Schreiben ausdrücklich gesagt: „was deine Genossen, dein Gefolge, Räte und Hofleute betrifft“ heißt es hier „und wie du dich im Anfang deiner hohen Würde benehmen sollst, darüber werde ich dich besser in vertraulichen Gesprächen, sobald wir uns wiedersehen werden, unterrichten“ 69). Aus der Bitte um schriftliche Antwort geht jedoch noch etwas anderes hervor: der Schreiber rechnete darauf, daß die Abwesenheit des Vaters noch geraume Zeit dauern werde, und der Vater, d. h. Karl IV., war derselben Ansicht, denn sonst hätte er sich nicht dran gemacht, ein so umfangreiches Schrift- stück, wie es sein Schreiben ist, auszuarbeiten. Entsprechen diese Folgerungen den Tatsachen? Können wir nachweisen, daß Karl und Wenzel in dem Zeitraum zwischen 21. Dezember 1376 und 29. November 1378 von einander getrennt waren, und zwar für längere Zeit? Ein solcher Nachweis läßt sich wirklich erbringen. Im März 66) und außerdem die Lehenshoheit über die anderen noch unter eigenen Fürsten stehenden schlesischen Fürstentümer, über Mähren, und über einen Teil des Herzogtums Görlitz. 67) Veröffentlicht von Schlesinger in den Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 31, 5 ff. 68) „quam ob rem paternae dilectioni — — supplico reverenter, quatinus — illis me per suas literas erudire dignetur lege et moribus 69) „de comilitibus tuis — — necnon quem modum — — in primordio huius tui altissimi principatus tenere te deceat, secretis te potius, cum vide- bimus nos vicissim, erudiemus affatibus —
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22 des Jahres 1377 begab sich Karl in die Mark Brandenburg und verblieb dort bis in den November 70); in derselben Zeit war Wenzel im südlichen Deutschland (in Rotenburg und Nürnberg), dann in Böhmen 71). Erst im Dezember 1377 traf der junge König mit seinem Vater in Aachen 72) zusammen, um mit ihm die Reise nach Paris zu unternehmen. Von da an blieben sie bis zum Tode Karls beisammen. Also den größten Teil des Jahres 1377 waren Vater und Sohn ge- trennt73), und auf diese Zeit, als Karl in der Mark Brandenburg sich aufhielt, beziehen sich unsere Schreiben. Ist dieses Ergebnis zutreffend, so müssen auch alle anderen Angaben in diesen Schreiben damit übereinstimmen. Es finden sich allerdings nur wenige, die für eine solche Untersuchung heran- gezogen werden können. In dem ersten Schreiben nennt der neue römische König die Kaiserkrone 74) die schwerste Last für „den zarten Nacken seiner Mannbarkeit“, er fürchtet, daß „seine jugendlichen Arme ein so schweres Banner" nicht werden tragen können, und er hofft, daß Gott seiner „zarten Jugend“ Kraft verleihen werde 75) Man mag von diesen Worten noch so viel auf Rechnung des neuen, von Johann von Neumarkt eingeführten, Briefstils setzen76), so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß der Schreiber seine Jugend sehr hervorgehoben, den Zweifel, ob er den ihm gestellten Aufgaben gewachsen sein werde, sehr betont hat. Darf man annehmen, daß König Wenzel im Sommer 1377 solche Worte gebraucht hat? Er war doch seit einem Jahre römischer König, er hatte das 16. Lebens- jahr vollendet — in diesem Alter hatte sein Vater Karl IV. die Ver- 70) Huber, Regesta imperii VIII, nr. 5761 —5828. 71) Kluckhuhn, Wenzels Jugendjahre (Dissertation, Halle 1914), S. 149 bis 150, 154—155. 72) Huber, a. a. O., nr. 5852. 73) Selbst wenn man der Aufzeichnung in den annales Reinhardsbrunnenses (siehe Huber, a. a. O., nr. 5773 a) Glauben schenkt, einer Aufzeichnung, die uns erzählt, daß am 19. Mai 1377 die Söhne Karls IV., nämlich Wenzel (der nicht „rex Romanorum“, sondern „rex Boemorum“ genannt wird), Siegmund (der schon als „rex Ungariae“ erscheint) und Johann mit ihrem Vater im Kloster Jerichow in der Mark gewesen sein sollen, könnte es sich nur um einen kurzen Aufenthalt Wenzels bei seinem Vater handeln; denn die Anwesenheit Wenzels in Rotenburg a. T. am 31. Mai 1377 ist durch eine Reihe von Urkunden sicher bezeugt. 74) Hier wird bereits von der Kaiserkrone (diadema cesareum) gesprochen, weil sie nur dem römischen Könige zukommt, ebenso wie es im vorhergehenden Satze heißt „in regno imperioque Romano preordinavit me vobis succedere rex celestis“. 75) — — dum si quidem excellentissimum diadema cesareum, pondus prae ceteris gravissimum, teneramque pubertatis meae cervicem solerti cura praemetior. — — sed ne tam grande vexillum iuvenes ferre lacerti deficiant, cogor pavere. —— in eo tamen, qui me ad tale tantumque sublimavit fastigium, spero indubie, quod ad optime regendum tenellam iuventutem meam et viribus fortificabit robustis et moribus inveterabit maturis". 76) Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 103, „zunächst strebte er (Johann von Neumarkt), seinen lateinischen Stil immer mehr dem Ideal, d. h. dem göttlichen Tullius anzunähern. Verschiedene Mittel sollen ihn dazu führen, vor allem die Steigerung der Wortfülle, der ,copia verborum", in der er offenbar den Hauptzweck der poetischen Beredtsamkeit sieht. Er bildet die Häufung der Synonymen zur festen Manier aus.
22 des Jahres 1377 begab sich Karl in die Mark Brandenburg und verblieb dort bis in den November 70); in derselben Zeit war Wenzel im südlichen Deutschland (in Rotenburg und Nürnberg), dann in Böhmen 71). Erst im Dezember 1377 traf der junge König mit seinem Vater in Aachen 72) zusammen, um mit ihm die Reise nach Paris zu unternehmen. Von da an blieben sie bis zum Tode Karls beisammen. Also den größten Teil des Jahres 1377 waren Vater und Sohn ge- trennt73), und auf diese Zeit, als Karl in der Mark Brandenburg sich aufhielt, beziehen sich unsere Schreiben. Ist dieses Ergebnis zutreffend, so müssen auch alle anderen Angaben in diesen Schreiben damit übereinstimmen. Es finden sich allerdings nur wenige, die für eine solche Untersuchung heran- gezogen werden können. In dem ersten Schreiben nennt der neue römische König die Kaiserkrone 74) die schwerste Last für „den zarten Nacken seiner Mannbarkeit“, er fürchtet, daß „seine jugendlichen Arme ein so schweres Banner" nicht werden tragen können, und er hofft, daß Gott seiner „zarten Jugend“ Kraft verleihen werde 75) Man mag von diesen Worten noch so viel auf Rechnung des neuen, von Johann von Neumarkt eingeführten, Briefstils setzen76), so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß der Schreiber seine Jugend sehr hervorgehoben, den Zweifel, ob er den ihm gestellten Aufgaben gewachsen sein werde, sehr betont hat. Darf man annehmen, daß König Wenzel im Sommer 1377 solche Worte gebraucht hat? Er war doch seit einem Jahre römischer König, er hatte das 16. Lebens- jahr vollendet — in diesem Alter hatte sein Vater Karl IV. die Ver- 70) Huber, Regesta imperii VIII, nr. 5761 —5828. 71) Kluckhuhn, Wenzels Jugendjahre (Dissertation, Halle 1914), S. 149 bis 150, 154—155. 72) Huber, a. a. O., nr. 5852. 73) Selbst wenn man der Aufzeichnung in den annales Reinhardsbrunnenses (siehe Huber, a. a. O., nr. 5773 a) Glauben schenkt, einer Aufzeichnung, die uns erzählt, daß am 19. Mai 1377 die Söhne Karls IV., nämlich Wenzel (der nicht „rex Romanorum“, sondern „rex Boemorum“ genannt wird), Siegmund (der schon als „rex Ungariae“ erscheint) und Johann mit ihrem Vater im Kloster Jerichow in der Mark gewesen sein sollen, könnte es sich nur um einen kurzen Aufenthalt Wenzels bei seinem Vater handeln; denn die Anwesenheit Wenzels in Rotenburg a. T. am 31. Mai 1377 ist durch eine Reihe von Urkunden sicher bezeugt. 74) Hier wird bereits von der Kaiserkrone (diadema cesareum) gesprochen, weil sie nur dem römischen Könige zukommt, ebenso wie es im vorhergehenden Satze heißt „in regno imperioque Romano preordinavit me vobis succedere rex celestis“. 75) — — dum si quidem excellentissimum diadema cesareum, pondus prae ceteris gravissimum, teneramque pubertatis meae cervicem solerti cura praemetior. — — sed ne tam grande vexillum iuvenes ferre lacerti deficiant, cogor pavere. —— in eo tamen, qui me ad tale tantumque sublimavit fastigium, spero indubie, quod ad optime regendum tenellam iuventutem meam et viribus fortificabit robustis et moribus inveterabit maturis". 76) Burdach, Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 103, „zunächst strebte er (Johann von Neumarkt), seinen lateinischen Stil immer mehr dem Ideal, d. h. dem göttlichen Tullius anzunähern. Verschiedene Mittel sollen ihn dazu führen, vor allem die Steigerung der Wortfülle, der ,copia verborum", in der er offenbar den Hauptzweck der poetischen Beredtsamkeit sieht. Er bildet die Häufung der Synonymen zur festen Manier aus.
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23 waltung des luxemburgischen Gebietes in Italien unter den schwierig- sten Verhältnissen geführt und in der Schlacht von S. Felice einen Sieg erfochten, und Wenzel sollte jetzt so wenig selbstbewußt ge- sprochen haben? Man wird diese Frage unbedenklich mit „Ja€ beantworten können. Denn noch zu Ende des Jahres 1378, als Karl IV. gestorben war, ließ Wenzel in ein Schreiben an einen be- freundeten König77) die Worte setzen, daß der Tod des Kaisers „unserer blühenden Jugend, von der wir hofften, daß sie noch lange Zeit von einem solchen Vater und Führer geleitet werden würde" zu rasch zuvorgekommen sei, und den Jüngling gezwungen habe, Lasten von unerträglichem Gewicht auf sich zu nehmen 78). Und gerade zum Jahre 1377 passen die Worte unseres Schreibens. Karl IV. hatte sich in die Mark Brandenburg zurückgezogen und Wenzel wie zur Probe die eigentliche Regierung in Deutschland überlassen. Er hatte ihn am 22. Februar 1377 zum Reichsverweser ernannt, und nun sollte Wenzel zum ersten Male selbst die Zügel führen, in Deutschland und Böhmen selbst Entscheidungen treffen. Er sollte die verworrenen und der königlichen Autorität höchst abträglichen Verhältnisse im südlichen Deutschland ordnen, mit dem schwäbischen Städtebund ins reine kommen — und nun sah Wenzel, was man von ihm erwarte und verlange. Er hatte bisher seine königliche Würde fast wie ein Festkleid getragen, die Re- gierungssorgen und Plagen waren Sache des Vaters gewesen, aber jetzt sollte er sie auf sich nehmen, und da kam ihm zum Be- wußtsein, daß er zu jung sei, daß seine Kräfte nicht ausreichen, daß er von den Regierungsgeschäften noch nichts wisse. Aus dieser Lage und in dieser geistigen Verfassung schrieb er an seinen Vater. Ganz anders dachte der Vater über den Sohn. Er war stolz auf ihn, er sah in ihm schon den Helden und großen Herrscher. „Es ist ein deutliches Zeichen deiner Reife“ antwortete er ihm, „daß, wenn du auch das Alter der Mannbarkeit kaum erreicht hast, doch das anstrebst, was der Wiederaufrichtung des seit langem darnieder- liegenden Gemeinwesens dient, und das in viele Teile zerstückelte römische Reich zu einem Ganzen zusammenfaßt; was durch uns und unsere erhabenen Vorgänger nicht entsprechend durchgeführt 77) Nicht wie bei Huber, Regesta, nr. 5951 a, steht, an einen Bruder Wenzels. Das Schreiben (gedruckt bei Pelzel, Karl IV., 2, Urkundenbuch, Nr. 249) hat allerdings die Anrede „serenissime princeps, frater carissime“, aber man sieht aus der Stelle „vobis serenissime princeps — — quem sincerum eiusdem geni- toris nostri fuisse scimus amicum et fratrem“, daß es nicht an einen Bruder Wenzels, d. h. an einen Sohn Karls IV., gerichtet war. Dagegen entsprach es der höfischen Etikette, einen befreundeten König sowohl als Bruder des jetzt regierenden Königs Wenzel, als auch des verstorbenen Kaisers Karl IV. zu bezeichnen. 78) Pelzel, a. a. O. „impia mors — — quondam domini Karoli — nostram, quam adhuc longa per tempora tanto patre tantoque ductore [Pelzel „doctore“] dirigi speravimus, floridam iuventutem nimis immature praeveniens, — — importabiles adolescenti labores amplius tali sublato magistro non tolerabili pondere subire compellit“. In dem gleichzeitigen Schreiben Wenzels an den Papst Urban VI. (ebenda, Nr. 250) heißt es „immatura — — mors eius ingentem “ et indelebilem planctum nostris iuvenibus precordiis dereliquit“.
23 waltung des luxemburgischen Gebietes in Italien unter den schwierig- sten Verhältnissen geführt und in der Schlacht von S. Felice einen Sieg erfochten, und Wenzel sollte jetzt so wenig selbstbewußt ge- sprochen haben? Man wird diese Frage unbedenklich mit „Ja€ beantworten können. Denn noch zu Ende des Jahres 1378, als Karl IV. gestorben war, ließ Wenzel in ein Schreiben an einen be- freundeten König77) die Worte setzen, daß der Tod des Kaisers „unserer blühenden Jugend, von der wir hofften, daß sie noch lange Zeit von einem solchen Vater und Führer geleitet werden würde" zu rasch zuvorgekommen sei, und den Jüngling gezwungen habe, Lasten von unerträglichem Gewicht auf sich zu nehmen 78). Und gerade zum Jahre 1377 passen die Worte unseres Schreibens. Karl IV. hatte sich in die Mark Brandenburg zurückgezogen und Wenzel wie zur Probe die eigentliche Regierung in Deutschland überlassen. Er hatte ihn am 22. Februar 1377 zum Reichsverweser ernannt, und nun sollte Wenzel zum ersten Male selbst die Zügel führen, in Deutschland und Böhmen selbst Entscheidungen treffen. Er sollte die verworrenen und der königlichen Autorität höchst abträglichen Verhältnisse im südlichen Deutschland ordnen, mit dem schwäbischen Städtebund ins reine kommen — und nun sah Wenzel, was man von ihm erwarte und verlange. Er hatte bisher seine königliche Würde fast wie ein Festkleid getragen, die Re- gierungssorgen und Plagen waren Sache des Vaters gewesen, aber jetzt sollte er sie auf sich nehmen, und da kam ihm zum Be- wußtsein, daß er zu jung sei, daß seine Kräfte nicht ausreichen, daß er von den Regierungsgeschäften noch nichts wisse. Aus dieser Lage und in dieser geistigen Verfassung schrieb er an seinen Vater. Ganz anders dachte der Vater über den Sohn. Er war stolz auf ihn, er sah in ihm schon den Helden und großen Herrscher. „Es ist ein deutliches Zeichen deiner Reife“ antwortete er ihm, „daß, wenn du auch das Alter der Mannbarkeit kaum erreicht hast, doch das anstrebst, was der Wiederaufrichtung des seit langem darnieder- liegenden Gemeinwesens dient, und das in viele Teile zerstückelte römische Reich zu einem Ganzen zusammenfaßt; was durch uns und unsere erhabenen Vorgänger nicht entsprechend durchgeführt 77) Nicht wie bei Huber, Regesta, nr. 5951 a, steht, an einen Bruder Wenzels. Das Schreiben (gedruckt bei Pelzel, Karl IV., 2, Urkundenbuch, Nr. 249) hat allerdings die Anrede „serenissime princeps, frater carissime“, aber man sieht aus der Stelle „vobis serenissime princeps — — quem sincerum eiusdem geni- toris nostri fuisse scimus amicum et fratrem“, daß es nicht an einen Bruder Wenzels, d. h. an einen Sohn Karls IV., gerichtet war. Dagegen entsprach es der höfischen Etikette, einen befreundeten König sowohl als Bruder des jetzt regierenden Königs Wenzel, als auch des verstorbenen Kaisers Karl IV. zu bezeichnen. 78) Pelzel, a. a. O. „impia mors — — quondam domini Karoli — nostram, quam adhuc longa per tempora tanto patre tantoque ductore [Pelzel „doctore“] dirigi speravimus, floridam iuventutem nimis immature praeveniens, — — importabiles adolescenti labores amplius tali sublato magistro non tolerabili pondere subire compellit“. In dem gleichzeitigen Schreiben Wenzels an den Papst Urban VI. (ebenda, Nr. 250) heißt es „immatura — — mors eius ingentem “ et indelebilem planctum nostris iuvenibus precordiis dereliquit“.
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24 werden konnte, weil die hartnäckige und eingewurzelte Anmabung einiger Rebellen außerordentlich zunahm, wird mit Gottes Hilfe besser von dir erfüllt werden“79). Anmaßung einiger Rebellen — wen meinte der Kaiser? Solche Rebellen gab es 1377 in Italien und Deutschland: in Italien waren es die Visconti in Mailand und die Republik Florenz, in Deutschland der schwäbische Städtebund. Seit dem Jahre 1372 waren die „kaiserlichen Generalvikare“ von Mailand, Bernabò und Galeazzo Visconti vom Kaiser geächtet 80) aber sie kümmerten sich nicht darum, noch beim Tode Karls IV. (1378) war die Reichsacht gegen sie nicht widerrufen81). Ganz ähnlich stand es mit den Florentinern. Sie hatten sich 1375 in einen Kampf gegen die weltliche Herrschaft des Papsttums gestürzt 82) und in diesen Kampf hatte auch Karl IV. über Aufforderung des Papstes Gregor XI. eingegriffen, indem er am 5. April 1376 die Reichsacht über die Florentiner verhängte83). Der Erfolg war der gleiche wie bei den Visconti, die Florentiner führten den Kampf fort, erst im Herbst 1378 kam es zum Frieden zwischen ihnen und Papst Urban VI.84) — und ihre Beziehungen zum Deutschen Reiche waren noch völlig unterbrochen, als Karl IV. starb 85). Viel emp- 79) „Clarum tuae pubertatis —— argumentum, dum vix adultam contingens aetatem illa videris appetere, quae et rei publicae dudum prostratae restauracioni conveniant, et per plura dispersum Romanum imperium fragmenta in unum corpus componant, ita quod, rebellium quorundam in nos praeeuntesque longe nos illustres Augustos obstinata nimium invalescente protervia longis radicata temporibus, per nos illosque apte non potuit perfici, per te deo auspice possit aptius adimpleri“. Ahnliche Worte finden sich in den Schreiben Karls IV. und der Kurfürsten an Papst Gregor XI. von 1376 Juni 10, 12 „cum tam Italiae quam aliae partes imperii insolitis rebellionibus et dampnabilium novitatum dissidiis sint istis modernis temporibus inhumaniter involutae“ (Weizsäcker, Deutsche Reichstagsakten, 1, Nr. 80, 82, S. 121, 124). 80) Huber, Regesta imperii VIII, nr. 5115, 5116, vom 3. August 1372, weitere gegen die gebannten Visconti gerichtete Urkunden Karls IV. von 1374 November 11, 23, ebenda, nr. 5433 und add. 1, nr. 7409. 81) Sie wurde erst von Wenzel mit Diplom vom 17. Jänner 1380 auf- gehoben, vgl. Sickel, Vicariat der Visconti (Sitzungsberichte der Wiener Aka- demie 30, 43). 82) Gherardi, La guerra dei Fiorentini con papa Gregorio XI (Archivio storico italiano, serie III, tomo 511, 38 ff.). 83) Schreiben Gregors XI. an den Erzbischof Johann von Prag von 1376 Februar 23, mit der Bitte, beim Kaiser Schritte zu tun, damit er die Kirche im Kampfe gegen die Florentiner unterstütze (Palacky, Uber Formelbücher, 2, 25). Darauf hin hatte Karl IV. am 26. März die Florentiner aufgefordert, von der Unterstützung der Rebellion gegen die römische Kirche abzustehen, und ihnen angekündigt, daß er eine feierliche Gesandtschaft an sie abschicken werde (Huber, Regesta, nr. 5549). In den nächsten Tagen dürfte ein weiteres Schreiben des Papstes in dieser Sache an Karl IV. gelangt sein, so daß er sich zum letzten Schritt entschloß und am 5. April die Acht über die Florentiner verhängte (ebenda, nr. 5560). 84) Gherardi, a. a. O., 123—126. 85) Das ersieht man aus den von Huber herausgegebenen Regesten. Sie enthalten aus der Zeit von 1376 April 5 — 1378 November 29 eine einzige Urkunde Karls für Angehörige der Stadt Florenz: es ist die Urkunde von 1376 Dezember 5, Ernennung des Allexus und Tedicus, Söhne des Jacob de Albizis von Florenz zu lateranensischen Pfalzgrafen (Huber, Regesta, nr. 5724) — vorausgesetzt, daß diese Urkunde echt ist. Gherardi (a. a. O., 80, Note 7) erwähnt, daß im Floren- tiner Staatsarchiv nur das Schreiben Karls IV. von 1376 März 26 (siehe oben
24 werden konnte, weil die hartnäckige und eingewurzelte Anmabung einiger Rebellen außerordentlich zunahm, wird mit Gottes Hilfe besser von dir erfüllt werden“79). Anmaßung einiger Rebellen — wen meinte der Kaiser? Solche Rebellen gab es 1377 in Italien und Deutschland: in Italien waren es die Visconti in Mailand und die Republik Florenz, in Deutschland der schwäbische Städtebund. Seit dem Jahre 1372 waren die „kaiserlichen Generalvikare“ von Mailand, Bernabò und Galeazzo Visconti vom Kaiser geächtet 80) aber sie kümmerten sich nicht darum, noch beim Tode Karls IV. (1378) war die Reichsacht gegen sie nicht widerrufen81). Ganz ähnlich stand es mit den Florentinern. Sie hatten sich 1375 in einen Kampf gegen die weltliche Herrschaft des Papsttums gestürzt 82) und in diesen Kampf hatte auch Karl IV. über Aufforderung des Papstes Gregor XI. eingegriffen, indem er am 5. April 1376 die Reichsacht über die Florentiner verhängte83). Der Erfolg war der gleiche wie bei den Visconti, die Florentiner führten den Kampf fort, erst im Herbst 1378 kam es zum Frieden zwischen ihnen und Papst Urban VI.84) — und ihre Beziehungen zum Deutschen Reiche waren noch völlig unterbrochen, als Karl IV. starb 85). Viel emp- 79) „Clarum tuae pubertatis —— argumentum, dum vix adultam contingens aetatem illa videris appetere, quae et rei publicae dudum prostratae restauracioni conveniant, et per plura dispersum Romanum imperium fragmenta in unum corpus componant, ita quod, rebellium quorundam in nos praeeuntesque longe nos illustres Augustos obstinata nimium invalescente protervia longis radicata temporibus, per nos illosque apte non potuit perfici, per te deo auspice possit aptius adimpleri“. Ahnliche Worte finden sich in den Schreiben Karls IV. und der Kurfürsten an Papst Gregor XI. von 1376 Juni 10, 12 „cum tam Italiae quam aliae partes imperii insolitis rebellionibus et dampnabilium novitatum dissidiis sint istis modernis temporibus inhumaniter involutae“ (Weizsäcker, Deutsche Reichstagsakten, 1, Nr. 80, 82, S. 121, 124). 80) Huber, Regesta imperii VIII, nr. 5115, 5116, vom 3. August 1372, weitere gegen die gebannten Visconti gerichtete Urkunden Karls IV. von 1374 November 11, 23, ebenda, nr. 5433 und add. 1, nr. 7409. 81) Sie wurde erst von Wenzel mit Diplom vom 17. Jänner 1380 auf- gehoben, vgl. Sickel, Vicariat der Visconti (Sitzungsberichte der Wiener Aka- demie 30, 43). 82) Gherardi, La guerra dei Fiorentini con papa Gregorio XI (Archivio storico italiano, serie III, tomo 511, 38 ff.). 83) Schreiben Gregors XI. an den Erzbischof Johann von Prag von 1376 Februar 23, mit der Bitte, beim Kaiser Schritte zu tun, damit er die Kirche im Kampfe gegen die Florentiner unterstütze (Palacky, Uber Formelbücher, 2, 25). Darauf hin hatte Karl IV. am 26. März die Florentiner aufgefordert, von der Unterstützung der Rebellion gegen die römische Kirche abzustehen, und ihnen angekündigt, daß er eine feierliche Gesandtschaft an sie abschicken werde (Huber, Regesta, nr. 5549). In den nächsten Tagen dürfte ein weiteres Schreiben des Papstes in dieser Sache an Karl IV. gelangt sein, so daß er sich zum letzten Schritt entschloß und am 5. April die Acht über die Florentiner verhängte (ebenda, nr. 5560). 84) Gherardi, a. a. O., 123—126. 85) Das ersieht man aus den von Huber herausgegebenen Regesten. Sie enthalten aus der Zeit von 1376 April 5 — 1378 November 29 eine einzige Urkunde Karls für Angehörige der Stadt Florenz: es ist die Urkunde von 1376 Dezember 5, Ernennung des Allexus und Tedicus, Söhne des Jacob de Albizis von Florenz zu lateranensischen Pfalzgrafen (Huber, Regesta, nr. 5724) — vorausgesetzt, daß diese Urkunde echt ist. Gherardi (a. a. O., 80, Note 7) erwähnt, daß im Floren- tiner Staatsarchiv nur das Schreiben Karls IV. von 1376 März 26 (siehe oben
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25 findlicher war die Niederlage, die Karl durch den schwäbischen Städtebund erlitten hatte. Die verbündeten Städte hatten sich geweigert, dem neuen römischen König Wenzel die Huldigung zu leisten, wenn nicht vorher ihr Bund anerkannt und ihnen die aus- drückliche Zusicherung gegeben werde, keine der Städte zu ver- kaufen, zu verpfänden, oder mit außerordentlichen Steuern zu beschweren 86). Diese Forderungen hatte Karl rundweg abgelehnt und war im Oktober 1376 mit Acht und offenem Krieg gegen die Städte vorgegangen, aber ohne Erfolg. Im Frühjahr 1377 machte er Frieden mit dem Bund, indem er die wichtigste Forderung zu- gestand. Am 31. Mai 1377 wurden von König Wenzel, der eine entsprechende Vollmacht von seinem Vater hatte, die Städte aus der Acht entlassen, ihre Privilegien und Freiheiten bestätigt, und im eigenen Namen und im Namen Karls IV. ihnen urkundlich zu- gesichert, daß sie weder verkauft noch verpfändet oder mit außer- ordentlichen Steuern beschwert werden sollten 87). Also Rebellen in Italien, die sich um den Kaiser nicht kümmerten, und Rebellen in Deutschland, die über ihn gesiegt hatten, — das war die Lage im Sommer 1377. Nun wird die Stelle im Schreiben des Kaisers an seinen Sohn verständlich, und man begreift, daß er gerade im Jahre 1377 allen Grund hatte, über die „hartnäckige und eingewurzelte Anmaßung einiger Rebellen“ zu klagen. In demselben Schreiben findet sich auch eine auf den ersten Blick auffallende Bemerkung. Der Kaiser spricht davon, daß er noch „mit kräftiger Hand das lateinische Scepter“88) führe, d. h. als römischer Kaiser regiere. Mit kräftiger Hand — das soll Karl IV. im Jahre 1377 von sich gesagt haben? In den offiziellen Schreiben, die er und die Kurfürsten über die Wahl Wenzels zum römischen König im Juni 1376 an Papst Gregor XI. sandten, wurde diese Wahl damit begründet, daß das römische Reich einen kräftigen und starken Statthalter brauche, da Krankheit und Alter die Kräfte des Kaisers Karl IV. erschöpft hätten 89). Man wird mit Recht bezweifeln, daß dieser Grund für die Kurfürsten maßgebend Anmerkung Nr. 83) vorhanden sei und fügt hinzu ,delle altre può ragionevolmente argomentarsi dalle risposte de' nostri, che citeremo tra breve“. Aber von solchen Antwortschreiben der Florentiner, sei es an Karl IV. selbst oder an andere, aus welchen man auf weitere Schreiben Karls an die Stadt Florenz schließen könnte, findet sich bei Gherardi nichts, außer dem Schreiben der Florentiner an Karl von 1376 Mai 6 (Antwort auf dessen Schreiben vom 26. März 1376) und dem (auch Karl übersandten) Rundschreiben von 1376 September 28, betreffend die Forderungen des Papstes Gregor XI. (a. a. O., VIIII, 262, Nr. 218 und 276, Nr. 307). — Es sei noch auf einen anderen Punkt aufmerksam gemacht. Weiz- säcker (Reichstagsakten, 1, 92, Note) erwähnt, daß die über Florenz verhängte Acht durch öffentlichen Anschlag in Nürnberg bekannt gemacht worden sei, aber in einem Schreiben Gregors XI. an Karl IV. von 1377 Dezember 4 (ebenda, 145) wird darüber geklagt, daß der Kaiser die Achterklärung bis jetzt nicht habe bekannt machen lassen. 86) Schreiben des Städtebundes an den Rat zu Frankfurt von 1376 No- vember 8 (Huber, Regesta, Reichssachen Nr. 630). 87) Ebenda, Nr. 5777. 88) Vgl. Anmerkung Nr. 6. 89) Weizsäcker, Reichstagsakten, 1, Nr. 79, 81.
25 findlicher war die Niederlage, die Karl durch den schwäbischen Städtebund erlitten hatte. Die verbündeten Städte hatten sich geweigert, dem neuen römischen König Wenzel die Huldigung zu leisten, wenn nicht vorher ihr Bund anerkannt und ihnen die aus- drückliche Zusicherung gegeben werde, keine der Städte zu ver- kaufen, zu verpfänden, oder mit außerordentlichen Steuern zu beschweren 86). Diese Forderungen hatte Karl rundweg abgelehnt und war im Oktober 1376 mit Acht und offenem Krieg gegen die Städte vorgegangen, aber ohne Erfolg. Im Frühjahr 1377 machte er Frieden mit dem Bund, indem er die wichtigste Forderung zu- gestand. Am 31. Mai 1377 wurden von König Wenzel, der eine entsprechende Vollmacht von seinem Vater hatte, die Städte aus der Acht entlassen, ihre Privilegien und Freiheiten bestätigt, und im eigenen Namen und im Namen Karls IV. ihnen urkundlich zu- gesichert, daß sie weder verkauft noch verpfändet oder mit außer- ordentlichen Steuern beschwert werden sollten 87). Also Rebellen in Italien, die sich um den Kaiser nicht kümmerten, und Rebellen in Deutschland, die über ihn gesiegt hatten, — das war die Lage im Sommer 1377. Nun wird die Stelle im Schreiben des Kaisers an seinen Sohn verständlich, und man begreift, daß er gerade im Jahre 1377 allen Grund hatte, über die „hartnäckige und eingewurzelte Anmaßung einiger Rebellen“ zu klagen. In demselben Schreiben findet sich auch eine auf den ersten Blick auffallende Bemerkung. Der Kaiser spricht davon, daß er noch „mit kräftiger Hand das lateinische Scepter“88) führe, d. h. als römischer Kaiser regiere. Mit kräftiger Hand — das soll Karl IV. im Jahre 1377 von sich gesagt haben? In den offiziellen Schreiben, die er und die Kurfürsten über die Wahl Wenzels zum römischen König im Juni 1376 an Papst Gregor XI. sandten, wurde diese Wahl damit begründet, daß das römische Reich einen kräftigen und starken Statthalter brauche, da Krankheit und Alter die Kräfte des Kaisers Karl IV. erschöpft hätten 89). Man wird mit Recht bezweifeln, daß dieser Grund für die Kurfürsten maßgebend Anmerkung Nr. 83) vorhanden sei und fügt hinzu ,delle altre può ragionevolmente argomentarsi dalle risposte de' nostri, che citeremo tra breve“. Aber von solchen Antwortschreiben der Florentiner, sei es an Karl IV. selbst oder an andere, aus welchen man auf weitere Schreiben Karls an die Stadt Florenz schließen könnte, findet sich bei Gherardi nichts, außer dem Schreiben der Florentiner an Karl von 1376 Mai 6 (Antwort auf dessen Schreiben vom 26. März 1376) und dem (auch Karl übersandten) Rundschreiben von 1376 September 28, betreffend die Forderungen des Papstes Gregor XI. (a. a. O., VIIII, 262, Nr. 218 und 276, Nr. 307). — Es sei noch auf einen anderen Punkt aufmerksam gemacht. Weiz- säcker (Reichstagsakten, 1, 92, Note) erwähnt, daß die über Florenz verhängte Acht durch öffentlichen Anschlag in Nürnberg bekannt gemacht worden sei, aber in einem Schreiben Gregors XI. an Karl IV. von 1377 Dezember 4 (ebenda, 145) wird darüber geklagt, daß der Kaiser die Achterklärung bis jetzt nicht habe bekannt machen lassen. 86) Schreiben des Städtebundes an den Rat zu Frankfurt von 1376 No- vember 8 (Huber, Regesta, Reichssachen Nr. 630). 87) Ebenda, Nr. 5777. 88) Vgl. Anmerkung Nr. 6. 89) Weizsäcker, Reichstagsakten, 1, Nr. 79, 81.
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26 gewesen sei, gerade den Sohn Karls zu wählen — aber an der Tat- sache, daß Karl einige Monate vorher erkrankt, und zwar schwer erkrankt war, ist kein Zweifel möglich90). Und ebenso ist es un- zweifelhaft, daß er im Dezember 1377 auf der Reise nach Paris erkrankte und daß sein Aufenthalt am französischen Hofe durch schweres Leiden sehr gestört war 91). Ende November 1378 ist er, 62 Jahre alt, gestorben. Wir sehen also, daß Karl in den ersten Monaten des Jahres 1376 und wiederum zu Ende 1377 schwer leidend war —ist dann anzunehmen, daß er im Frühjahr und Sommer 1377, während seines Aufenthaltes in der Mark Brandenburg, sich so gesund und kräftig gefühlt hat? Die Frage läßt sich, allerdings nur für das Frühjahr, mit Sicherheit beantworten. Am 23. März 1377 schrieb Karl IV. aus Berlin an seinen Hauptmann in Breslau, Thimo von Colditz: „auch wisset, das wir von gotis genaden hie in “ 92). der marken zu Brandenburg frisch und gesunt seyn" Die Feststellung, daß unsere Schreiben sich auf das Jahr 1377 beziehen, führt zur Folgerung, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch in diesem Jahre entstanden sind. Denn wie sollte ein Fälscher in späterer Zeit, als Wenzel bereits die Regierung angetreten hatte, darauf verfallen sein, von ihm zu sagen, daß er rechtmäßiger Erbe im Heimatlande und in mehreren Fürstentümern und verschiedenen Herrschaften sei? Oder Karl die Worte in den Mund zu legen, daß er Wenzel über die Auswahl seiner Räte und seines Gefolges mündlich belehren werde, „sobald wir uns wieder sehen werden?“ Solche Be- merkungen paßten für die Zeit, bevor Wenzel die Herrschaft über- nommen hatte und als Karl IV. von ihm getrennt war, also zum Jahre 1377, aber zu keinem späteren. Wer in späterer Zeit, nach dem Tode Karls, einen Fürstenspiegel auf dessen Namen schrieb, hätte als Fälscher ein Meisterstück geliefert, wenn er in seine Schrift solche Bemerkungen, nur zur Täuschung seiner Leser, aufgenommen hätte. Wir werden das um so weniger glauben, als ja diese Be- merkungen für den Fürstenspiegel selbst und für den Zweck, den ein Fälscher mit einer solchen Schrift verfolgt haben kann, z. B. König Wenzel zu zeigen, wie er hätte regieren sollen, ganz belanglos 90) Siehe das oben (Anmerkung Nr. 83) erwähnte Schreiben des Papstes an den Erzbischof Johann von Prag von 1376 Februar 23, in dem es heißt: „nuper audita gravi aegritudine, quam imperialis serenitas passa fuit, de eius obitu —— timuimus vehementer“. Und Karl selbst fügte einem Briefe an Gregor XI. vom 30. März 1376 die Nachschrift bei: „sanctissime pater et domine pertimende, libenter venissem modo ad vos, sed gravor adhuc infirmitate valde“ (Weiz- säcker, a. a. O., 1, Nr. 60). 91) Huber, Regesta, Nr. 5857 ab. 92) Korn, Breslauer Urkundenbuch, 1, 249, Nr. 304; aber am 17. Juni desselben Jahres hatte Karl während seines Aufenthaltes in Magdeburg einen so schweren Anfall von Podagra, daß er den Wagen, mit dem er zum Rathause gefahren war, nicht verlassen konnte (Magdeburger Schöppenchronik [= Chro- niken der Deutschen Städte VII], S. 273).
26 gewesen sei, gerade den Sohn Karls zu wählen — aber an der Tat- sache, daß Karl einige Monate vorher erkrankt, und zwar schwer erkrankt war, ist kein Zweifel möglich90). Und ebenso ist es un- zweifelhaft, daß er im Dezember 1377 auf der Reise nach Paris erkrankte und daß sein Aufenthalt am französischen Hofe durch schweres Leiden sehr gestört war 91). Ende November 1378 ist er, 62 Jahre alt, gestorben. Wir sehen also, daß Karl in den ersten Monaten des Jahres 1376 und wiederum zu Ende 1377 schwer leidend war —ist dann anzunehmen, daß er im Frühjahr und Sommer 1377, während seines Aufenthaltes in der Mark Brandenburg, sich so gesund und kräftig gefühlt hat? Die Frage läßt sich, allerdings nur für das Frühjahr, mit Sicherheit beantworten. Am 23. März 1377 schrieb Karl IV. aus Berlin an seinen Hauptmann in Breslau, Thimo von Colditz: „auch wisset, das wir von gotis genaden hie in “ 92). der marken zu Brandenburg frisch und gesunt seyn" Die Feststellung, daß unsere Schreiben sich auf das Jahr 1377 beziehen, führt zur Folgerung, daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach auch in diesem Jahre entstanden sind. Denn wie sollte ein Fälscher in späterer Zeit, als Wenzel bereits die Regierung angetreten hatte, darauf verfallen sein, von ihm zu sagen, daß er rechtmäßiger Erbe im Heimatlande und in mehreren Fürstentümern und verschiedenen Herrschaften sei? Oder Karl die Worte in den Mund zu legen, daß er Wenzel über die Auswahl seiner Räte und seines Gefolges mündlich belehren werde, „sobald wir uns wieder sehen werden?“ Solche Be- merkungen paßten für die Zeit, bevor Wenzel die Herrschaft über- nommen hatte und als Karl IV. von ihm getrennt war, also zum Jahre 1377, aber zu keinem späteren. Wer in späterer Zeit, nach dem Tode Karls, einen Fürstenspiegel auf dessen Namen schrieb, hätte als Fälscher ein Meisterstück geliefert, wenn er in seine Schrift solche Bemerkungen, nur zur Täuschung seiner Leser, aufgenommen hätte. Wir werden das um so weniger glauben, als ja diese Be- merkungen für den Fürstenspiegel selbst und für den Zweck, den ein Fälscher mit einer solchen Schrift verfolgt haben kann, z. B. König Wenzel zu zeigen, wie er hätte regieren sollen, ganz belanglos 90) Siehe das oben (Anmerkung Nr. 83) erwähnte Schreiben des Papstes an den Erzbischof Johann von Prag von 1376 Februar 23, in dem es heißt: „nuper audita gravi aegritudine, quam imperialis serenitas passa fuit, de eius obitu —— timuimus vehementer“. Und Karl selbst fügte einem Briefe an Gregor XI. vom 30. März 1376 die Nachschrift bei: „sanctissime pater et domine pertimende, libenter venissem modo ad vos, sed gravor adhuc infirmitate valde“ (Weiz- säcker, a. a. O., 1, Nr. 60). 91) Huber, Regesta, Nr. 5857 ab. 92) Korn, Breslauer Urkundenbuch, 1, 249, Nr. 304; aber am 17. Juni desselben Jahres hatte Karl während seines Aufenthaltes in Magdeburg einen so schweren Anfall von Podagra, daß er den Wagen, mit dem er zum Rathause gefahren war, nicht verlassen konnte (Magdeburger Schöppenchronik [= Chro- niken der Deutschen Städte VII], S. 273).
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27 sind. Sind unsere Schreiben gefälscht, so wird sie der Fälscher in dem Jahre angefertigt haben, auf welches die erwähnten Bemer- kungen hinweisen: d. i. im Jahre 1377. Wer kann der Fälscher gewesen sein? Am ehesten würde man ein Mitglied der Kanzlei Karls oder Wenzels vermuten. Denn die Notare der Kanzlei kannten den Stil königlicher Schreiben am besten, aber auch die Ereignisse der hohen Politik und die regierenden Häupter selbst; und im vor- liegenden Falle würde eine solche Erwägung noch durch die Uber- lieferung unserer Schreiben eine Art Stütze erhalten. Denn es hat sich gezeigt, daß der Schreiber unserer Stücke mit einem Mitgliede der Kanzlei Wenzels in Verbindung gewesen ist, mit einem Manne, der dieser Kanzlei in den ersten Jahren der Regierung Wenzels angehört hat 93) Aber gegen die Annahme einer Fälschung erheben sich doch Bedenken. Wenn einer der Notare Karls IV. oder Wenzels 94) im Jahre 1377 auf den Gedanken kam, einen Fürstenspiegel zu schreiben, weshalb verbarg er seinen Namen? Weshalb wählte er für seine Schrift eine so seltsame Verkleidung, indem er einen Brief Wenzels an seinen Vater Karl erfand, um dann den Fürstenspiegel als Ant- wort Karls auszugeben? Beide waren ja 1377 noch am Leben; und wenn auch in unseren Schreiben sich kein Wort findet, das als unehrerbietig oder für einen Kaiser und König unpassend bezeichnet werden könnte, so wäre es doch von einem Notar der kaiserlichen Kanzlei oder wer immer es gewesen sein mag, ein törichter Streich gewesen, bei Lebzeiten Karls und Wenzels gefälschte, auf ihren Namen gefälschte Schriftstücke zu verbreiten. Und noch dazu Schriften über einen Gegenstand, der so oft schon erörtert worden war, über welchen Thomas von Aquino, Agidius Romanus und Petrarca geschrieben hatten, über das Thema: wie Fürsten regieren sollen. Daß jemand in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts eine Schrift solchen Inhaltes nicht unter dem eigenen Namen, sondern unter dem Namen des Kaisers Karl IV. geschrieben hätte, daß ein Zeitgenosse und Verehrer Petrarcas 95) eine solche Scheu gezeigt hätte, selbst als Schriftsteller aufzutreten, wäre nicht zu erklären. * Zeigen sich somit Schwierigkeiten, wenn wir annehmen, daß die Schreiben gefälscht sind, so wird zu untersuchen sein, ob sie auch bei der Annahme des Gegenteils auftreten, bei der Annahme, daß die Schreiben echt sind. 93) Vgl. oben S. 16. 94) Sicherlich hätte Johann von Neumarkt eine solche Schrift verfassen können, aber seitdem er das Kanzleramt verloren hatte (1374), lebte er ab- seits vom Hofe in seiner Diözese Olmütz. In seinen Briefen (die Tadra heraus- gegeben hat, als „Summa cancellariae“ und „Cancellaria lohannis Noviforensis episcopi Olomucensis“ im Archiv für österreichische Geschichte, Band 68) findet sich nirgends eine Andeutung einer solchen Schrift. 95) „Tuscus ille, vatum quamvis tempore novissimus, primus forsan ingenio“ wird Petrarca im zweiten Schreiben genannt.
27 sind. Sind unsere Schreiben gefälscht, so wird sie der Fälscher in dem Jahre angefertigt haben, auf welches die erwähnten Bemer- kungen hinweisen: d. i. im Jahre 1377. Wer kann der Fälscher gewesen sein? Am ehesten würde man ein Mitglied der Kanzlei Karls oder Wenzels vermuten. Denn die Notare der Kanzlei kannten den Stil königlicher Schreiben am besten, aber auch die Ereignisse der hohen Politik und die regierenden Häupter selbst; und im vor- liegenden Falle würde eine solche Erwägung noch durch die Uber- lieferung unserer Schreiben eine Art Stütze erhalten. Denn es hat sich gezeigt, daß der Schreiber unserer Stücke mit einem Mitgliede der Kanzlei Wenzels in Verbindung gewesen ist, mit einem Manne, der dieser Kanzlei in den ersten Jahren der Regierung Wenzels angehört hat 93) Aber gegen die Annahme einer Fälschung erheben sich doch Bedenken. Wenn einer der Notare Karls IV. oder Wenzels 94) im Jahre 1377 auf den Gedanken kam, einen Fürstenspiegel zu schreiben, weshalb verbarg er seinen Namen? Weshalb wählte er für seine Schrift eine so seltsame Verkleidung, indem er einen Brief Wenzels an seinen Vater Karl erfand, um dann den Fürstenspiegel als Ant- wort Karls auszugeben? Beide waren ja 1377 noch am Leben; und wenn auch in unseren Schreiben sich kein Wort findet, das als unehrerbietig oder für einen Kaiser und König unpassend bezeichnet werden könnte, so wäre es doch von einem Notar der kaiserlichen Kanzlei oder wer immer es gewesen sein mag, ein törichter Streich gewesen, bei Lebzeiten Karls und Wenzels gefälschte, auf ihren Namen gefälschte Schriftstücke zu verbreiten. Und noch dazu Schriften über einen Gegenstand, der so oft schon erörtert worden war, über welchen Thomas von Aquino, Agidius Romanus und Petrarca geschrieben hatten, über das Thema: wie Fürsten regieren sollen. Daß jemand in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts eine Schrift solchen Inhaltes nicht unter dem eigenen Namen, sondern unter dem Namen des Kaisers Karl IV. geschrieben hätte, daß ein Zeitgenosse und Verehrer Petrarcas 95) eine solche Scheu gezeigt hätte, selbst als Schriftsteller aufzutreten, wäre nicht zu erklären. * Zeigen sich somit Schwierigkeiten, wenn wir annehmen, daß die Schreiben gefälscht sind, so wird zu untersuchen sein, ob sie auch bei der Annahme des Gegenteils auftreten, bei der Annahme, daß die Schreiben echt sind. 93) Vgl. oben S. 16. 94) Sicherlich hätte Johann von Neumarkt eine solche Schrift verfassen können, aber seitdem er das Kanzleramt verloren hatte (1374), lebte er ab- seits vom Hofe in seiner Diözese Olmütz. In seinen Briefen (die Tadra heraus- gegeben hat, als „Summa cancellariae“ und „Cancellaria lohannis Noviforensis episcopi Olomucensis“ im Archiv für österreichische Geschichte, Band 68) findet sich nirgends eine Andeutung einer solchen Schrift. 95) „Tuscus ille, vatum quamvis tempore novissimus, primus forsan ingenio“ wird Petrarca im zweiten Schreiben genannt.
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28 Wie steht es mit dem ersten, das angeblich von Wenzel her- rührt? Es ist vertraulicher Natur, nur für den Vater bestimmt, nur ihm konnte der neue römische König sein Herz ausschütten und sagen, er sei zu jung, er sei gequält von dem Zweifel, ob er den Anforderungen, die an einen römischen Kaiser gestellt würden, werde entsprechen können. Ein Schreiben solchen Inhaltes wird nicht in der Kanzlei, sondern vom König selbst geschrieben sein 96). Können wir Wenzel eine solche Leistung zumuten? Verstand er soviel Latein, um ein solches Schreiben abzufassen? Uber seine Erziehung sind uns keine Nachrichten überliefert, wir wissen nicht wer seine Lehrer gewesen sind und wie der Unterricht beschaffen war 97) — aber daß Wenzel schon von Kindheit an im Latein, in der internationalen Verkehrssprache jener Zeit unterrichtet worden ist, ist sicher 98). Und dieser Unterricht war erfolgreich, es ist durch Berichte von Gesandten, die mit König Wenzel verhandelten, bezeugt, daß er des Lateins vollständig mächtig gewesen ist99). Wir können daher mit Sicherheit annehmen, daß er ein solches Schreiben, wie es uns vorliegt, abzufassen imstande war. Anderer- seits ist früher dargelegt worden, daß der Inhalt des Schreibens ganz 96) Es ist damit nicht ausgeschlossen, daß er einen Entwurf eines solchen Schreibens durch seinen Sekretär aufsetzen ließ, dann dieses Konzept korri- gierte und ins reine schrieb. 97) Pelzel, Lebensgeschichte des römischen und böhmischen Königs Wenceslaus, 1, 17: „ich muß gestehen, daß ich über die Erziehung dieses Prinzen nichts gewisses sagen kann. Die Chronisten haben nichts aufgezeichnet, daraus man seine Hofmeister und Lehrer erraten könnte. Es ist außer Zweifel, daß Wenzel die ersten Grundsätze in Religion, Wissen und Denken von Geistlichen bekommen hat, denn die Laien gaben sich damals mit dem Erziehungsgeschäfte gar nicht ab.“ Mehr wissen wir auch heute nicht. Der Bemerkung Lindners (Geschichte des Deutschen Reiches unter König Wenzel, 1, 19): „Karl, der gelehrte Bildung so hoch schätzte, wird auch Sorge getragen haben, daßs sie seinem Sohne nicht fremd blieb“ ist zuzustimmen. Aber wenn Kluckhuhm (Wenzels Jugendjahre, S. 58) sagt, daß Karl IV. bei seinem Aufbruche nach Italien (1368) den Erzbischof Johann von Prag, „den Erzieher und Lehrer Wenzels", als Statthalter in Böhmen zurückließ, so ist in der Chronik des Benesch von Weitmül, auf die sich Kluckhuhn beruft, allerdings zu finden, daß der Erzbischof zum Statthalter ernannt worden ist, aber kein Wort, daß er Erzieher und Lehrer Wenzels gewesen sei. 98) Siehe das oben (Anmerkung Nr. 52) erwähnte Schreiben Wenzels an seinen Vater. 99) Bericht des Mantuanischen Gesandten Bonifacius de Cuppis von 1383 (Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 37, 350). Als der Gesandte eine lateinische Ansprache an Wenzel gehalten und einer der Räte des Königs sie ins Deutsche übersetzen wollte, sagte Wenzel: „Non est necesse, quoniam eum intellexi de verbo ad verbum.“ Bericht Edmund Dynters, der mit einer Gesandtschaft des Herzogs Anton von Brabant im Jahre 1412 nach Böhmen gekommen war. Die Gesandten überreichten Wenzel „literas serenissimi Karoli regis et aliorum principum Franciae in Latino scriptas, ipsemet aperuit, legit, et continentiam ipsarum nobis exposuit — — fuit enim bene literatus, Latinum congrue loquens“. Von dem Latein Wenzels gibt uns Dynter auch eine Probe: der König sagte zu den Gesandten „vadatis auditum missam in magna capella mea, et videatis reliquias, et redeatis ad me post prandium, tunc libenter vos audiam, quia nunc oportet me esse impeditum cum avunculo meo, duce Ernesto Austriae“ (Chronica nobilissimorum ducum. Lotharingae, ed. P. de Ram, 3, 73. 214).
28 Wie steht es mit dem ersten, das angeblich von Wenzel her- rührt? Es ist vertraulicher Natur, nur für den Vater bestimmt, nur ihm konnte der neue römische König sein Herz ausschütten und sagen, er sei zu jung, er sei gequält von dem Zweifel, ob er den Anforderungen, die an einen römischen Kaiser gestellt würden, werde entsprechen können. Ein Schreiben solchen Inhaltes wird nicht in der Kanzlei, sondern vom König selbst geschrieben sein 96). Können wir Wenzel eine solche Leistung zumuten? Verstand er soviel Latein, um ein solches Schreiben abzufassen? Uber seine Erziehung sind uns keine Nachrichten überliefert, wir wissen nicht wer seine Lehrer gewesen sind und wie der Unterricht beschaffen war 97) — aber daß Wenzel schon von Kindheit an im Latein, in der internationalen Verkehrssprache jener Zeit unterrichtet worden ist, ist sicher 98). Und dieser Unterricht war erfolgreich, es ist durch Berichte von Gesandten, die mit König Wenzel verhandelten, bezeugt, daß er des Lateins vollständig mächtig gewesen ist99). Wir können daher mit Sicherheit annehmen, daß er ein solches Schreiben, wie es uns vorliegt, abzufassen imstande war. Anderer- seits ist früher dargelegt worden, daß der Inhalt des Schreibens ganz 96) Es ist damit nicht ausgeschlossen, daß er einen Entwurf eines solchen Schreibens durch seinen Sekretär aufsetzen ließ, dann dieses Konzept korri- gierte und ins reine schrieb. 97) Pelzel, Lebensgeschichte des römischen und böhmischen Königs Wenceslaus, 1, 17: „ich muß gestehen, daß ich über die Erziehung dieses Prinzen nichts gewisses sagen kann. Die Chronisten haben nichts aufgezeichnet, daraus man seine Hofmeister und Lehrer erraten könnte. Es ist außer Zweifel, daß Wenzel die ersten Grundsätze in Religion, Wissen und Denken von Geistlichen bekommen hat, denn die Laien gaben sich damals mit dem Erziehungsgeschäfte gar nicht ab.“ Mehr wissen wir auch heute nicht. Der Bemerkung Lindners (Geschichte des Deutschen Reiches unter König Wenzel, 1, 19): „Karl, der gelehrte Bildung so hoch schätzte, wird auch Sorge getragen haben, daßs sie seinem Sohne nicht fremd blieb“ ist zuzustimmen. Aber wenn Kluckhuhm (Wenzels Jugendjahre, S. 58) sagt, daß Karl IV. bei seinem Aufbruche nach Italien (1368) den Erzbischof Johann von Prag, „den Erzieher und Lehrer Wenzels", als Statthalter in Böhmen zurückließ, so ist in der Chronik des Benesch von Weitmül, auf die sich Kluckhuhn beruft, allerdings zu finden, daß der Erzbischof zum Statthalter ernannt worden ist, aber kein Wort, daß er Erzieher und Lehrer Wenzels gewesen sei. 98) Siehe das oben (Anmerkung Nr. 52) erwähnte Schreiben Wenzels an seinen Vater. 99) Bericht des Mantuanischen Gesandten Bonifacius de Cuppis von 1383 (Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen, 37, 350). Als der Gesandte eine lateinische Ansprache an Wenzel gehalten und einer der Räte des Königs sie ins Deutsche übersetzen wollte, sagte Wenzel: „Non est necesse, quoniam eum intellexi de verbo ad verbum.“ Bericht Edmund Dynters, der mit einer Gesandtschaft des Herzogs Anton von Brabant im Jahre 1412 nach Böhmen gekommen war. Die Gesandten überreichten Wenzel „literas serenissimi Karoli regis et aliorum principum Franciae in Latino scriptas, ipsemet aperuit, legit, et continentiam ipsarum nobis exposuit — — fuit enim bene literatus, Latinum congrue loquens“. Von dem Latein Wenzels gibt uns Dynter auch eine Probe: der König sagte zu den Gesandten „vadatis auditum missam in magna capella mea, et videatis reliquias, et redeatis ad me post prandium, tunc libenter vos audiam, quia nunc oportet me esse impeditum cum avunculo meo, duce Ernesto Austriae“ (Chronica nobilissimorum ducum. Lotharingae, ed. P. de Ram, 3, 73. 214).
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29 der Lage entspricht, in der sich Wenzel im Frühjahr 1377 befand. Es läßt sich also weder in formeller noch in sachlicher Beziehung ein Einwand gegen die Echtheit dieses Schreibens erheben. Stellen wir die gleiche Frage an das zweite Stück, an die an- geblich von Karl IV. verfaßte Abhandlung, so wird es keines weit- läufigen Beweises bedürfen, daß Karl soviel Latein kannte, um eine solche Schrift abfassen zu können. Es wird genügen, auf die Stelle in seiner lateinisch geschriebenen Selbstbiographie zu ver- weisen, in der er von seinen Sprachkenntnissen erzählt. „Durch die Gnade Gottes“, sagt Karl, „habe ich nicht nur Böhmisch, sondern auch Französisch, Italienisch, Deutsch und Lateinisch so sprechen, schreiben und lesen gelernt, daß die eine Sprache wie die andere mir diente 100).“ Man könnte einwenden, die Sprache unserer Schrift sei anders als die der Selbstbiographie: in unserer Schrift findet man nicht selten lange ineinander verschlungene Sätze und ein förmliches Prunken mit einem reichen Wortschatz, in der Selbst- biographie dagegen sind die Sätze kurz und die Sprache einfach. Dieser Unterschied ist jedoch leicht zu erklären. In der Selbst- biographie haben wir den ersten Entwurf einer Schrift, von Karl IV. diktiert, in dem Latein, wie man es damals gesprochen hat, ein Ent- wurf, der nicht mehr revidiert worden ist101), dagegen ist unsere Abhandlung in langsamer Arbeit entstanden, sie schöpft aus Schriften von Cicero, Seneca, Petrarca, Autoren, die dem Verfasser auch in der Sprache als Vorbild erschienen. Ihnen suchte er gleichzukommen. Von den deutschen Königen der früheren Zeit würde man bei keinem die Vermutung, daß er eine solche Schrift verfaßt hätte, für zulässig halten. Aber solche Bedenken fallen bei Karl IV. weg, man braucht nur seine Selbstbiographie zu nennen. Sie ist nicht die einzige Schrift Karls, die uns erhalten ist. Noch als junger Mann, im Alter von 22 Jahren, hat er eine Predigt über eine Stelle des Matthäusevangeliums ausgearbeitet 102), und später, als König und Kaiser, mitten in den Geschäften der Diplomatie, Verwaltung, fürstlicher Repräsentation, hat er sich mit der Erklärung einzelner Stellen der Heiligen Schrift befaßt 103), er hat aus den verschiedenen Wenzelslegenden eine neue kompiliert104), die Vorrede zu dem Ge- schichtswerke des Johann von Marignola geschrieben 105) — einem solchen Manne können wir zutrauen, daß er eine Schrift, wie die vorliegende, geschrieben hat. Um so mehr, als er schon früher 100) Vita Caroli IV, cap. VIII (ed. Emler, Fontes rer. Bohem., 3, 348). 101) Ich werde diesen Satz in einer demnächst erscheinenden Schrift begründen. 102) Vita Caroli IV, cap. XI—XIII. 103) Vgl. die von K. Wotke herausgegebenen „moralitates Caroli IV“ (Zeitschrift des Vereines für Geschichte Mährens und Schlesiens, I, Heft 4, S. 41 ff.) und die Leichenrede auf Karl IV., gehalten vom Prager Erzbischof Johann Očko „[Karolus] psalterium in aliquibus locis pulcherrime exposuit, similiter evangelium“ (ed. Emler, Fontes rer. Bohem., 3, 427). 101) Vgl. Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit, S. 156—157, und Pekař, Die Wenzels- und Lndmilalegenden und die Echtheit Christians, S. 65—67. 105) Fontes rer. Bohem., 3, 492—493.
29 der Lage entspricht, in der sich Wenzel im Frühjahr 1377 befand. Es läßt sich also weder in formeller noch in sachlicher Beziehung ein Einwand gegen die Echtheit dieses Schreibens erheben. Stellen wir die gleiche Frage an das zweite Stück, an die an- geblich von Karl IV. verfaßte Abhandlung, so wird es keines weit- läufigen Beweises bedürfen, daß Karl soviel Latein kannte, um eine solche Schrift abfassen zu können. Es wird genügen, auf die Stelle in seiner lateinisch geschriebenen Selbstbiographie zu ver- weisen, in der er von seinen Sprachkenntnissen erzählt. „Durch die Gnade Gottes“, sagt Karl, „habe ich nicht nur Böhmisch, sondern auch Französisch, Italienisch, Deutsch und Lateinisch so sprechen, schreiben und lesen gelernt, daß die eine Sprache wie die andere mir diente 100).“ Man könnte einwenden, die Sprache unserer Schrift sei anders als die der Selbstbiographie: in unserer Schrift findet man nicht selten lange ineinander verschlungene Sätze und ein förmliches Prunken mit einem reichen Wortschatz, in der Selbst- biographie dagegen sind die Sätze kurz und die Sprache einfach. Dieser Unterschied ist jedoch leicht zu erklären. In der Selbst- biographie haben wir den ersten Entwurf einer Schrift, von Karl IV. diktiert, in dem Latein, wie man es damals gesprochen hat, ein Ent- wurf, der nicht mehr revidiert worden ist101), dagegen ist unsere Abhandlung in langsamer Arbeit entstanden, sie schöpft aus Schriften von Cicero, Seneca, Petrarca, Autoren, die dem Verfasser auch in der Sprache als Vorbild erschienen. Ihnen suchte er gleichzukommen. Von den deutschen Königen der früheren Zeit würde man bei keinem die Vermutung, daß er eine solche Schrift verfaßt hätte, für zulässig halten. Aber solche Bedenken fallen bei Karl IV. weg, man braucht nur seine Selbstbiographie zu nennen. Sie ist nicht die einzige Schrift Karls, die uns erhalten ist. Noch als junger Mann, im Alter von 22 Jahren, hat er eine Predigt über eine Stelle des Matthäusevangeliums ausgearbeitet 102), und später, als König und Kaiser, mitten in den Geschäften der Diplomatie, Verwaltung, fürstlicher Repräsentation, hat er sich mit der Erklärung einzelner Stellen der Heiligen Schrift befaßt 103), er hat aus den verschiedenen Wenzelslegenden eine neue kompiliert104), die Vorrede zu dem Ge- schichtswerke des Johann von Marignola geschrieben 105) — einem solchen Manne können wir zutrauen, daß er eine Schrift, wie die vorliegende, geschrieben hat. Um so mehr, als er schon früher 100) Vita Caroli IV, cap. VIII (ed. Emler, Fontes rer. Bohem., 3, 348). 101) Ich werde diesen Satz in einer demnächst erscheinenden Schrift begründen. 102) Vita Caroli IV, cap. XI—XIII. 103) Vgl. die von K. Wotke herausgegebenen „moralitates Caroli IV“ (Zeitschrift des Vereines für Geschichte Mährens und Schlesiens, I, Heft 4, S. 41 ff.) und die Leichenrede auf Karl IV., gehalten vom Prager Erzbischof Johann Očko „[Karolus] psalterium in aliquibus locis pulcherrime exposuit, similiter evangelium“ (ed. Emler, Fontes rer. Bohem., 3, 427). 101) Vgl. Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit, S. 156—157, und Pekař, Die Wenzels- und Lndmilalegenden und die Echtheit Christians, S. 65—67. 105) Fontes rer. Bohem., 3, 492—493.
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30 Schriften ähnlicher Art und in ähnlicher Form verfaßt haben soll. Das berichtet uns sein Zeitgenosse und Geschichtschreiber, der Prager Domherr Benesch von Weitmül: „Karl hat viele Briefe voll nützlicher und heilsamer Gedanken zu verschiedenen Zeiten an verschiedene Personen geschrieben, in Sprache und Auffassung so hervorragend, daß selbst die Magister der heiligen Theologie seine Begabung bewunderten“ 106). Man sieht schon aus den eben erwähnten Schriften Karls, daß er die Bibel — Altes und Neues Testament — kannte, wie nur irgend ein Geistlicher. Und wenn es noch eines ausdrücklichen Zeugnisses bedürfte, so liegt auch ein solches vor. „Die Bibel hatte Karl so im Gedächtnis,“ schreibt Benesch von Weitmül, „daß, wenn er im Bett, wie das seine Gewohnheit war, sich daraus vorlesen ließ, er aus dem Kopf den Vorleser, der das Buch hatte, berichtigen konnte107).“ Einem so bibelfesten Manne war es natürlich ein leichtes, zu jedem Satze gleich die passenden Stellen aus dem Alten und Neuen Testamente zu finden. Sehen wir nun, daß die ersten Abschnitte unserer Schrift von Bibelsprüchen förmlich überfließen 108) so werden wir daraus nicht den Schluß ziehen dürfen, so schreibt ein Geistlicher, sondern wir werden zum mindesten sagen müssen: so schreibt ein Geistlicher oder Kaiser Karl IV. Unsere Schrift zeigt jedoch, daß ihr Verfasser mehr gelesen hatte als die Bibel. Er kannte die Metamorphosen Ovids 109), die Schriften Ciceros „de officiis“ und „paradoxa Stoicorum“110), die Briefsammlung und die Dialoge von Seneca, seine Tragödien und ganz besonders sein Buch „de clementia“111), die Kaiserbiographien von Sueton 112), er übernimmt einen Satz aus den „Variae“ des Cassiodor 113), und er zitiert Augustinus 114), und wiederholt Petrarca. Und daß es dem Verfasser nicht ausschließlich darauf ankam, mit solchen Autoren die eigene Schrift aufzuputzen115), ersieht man daraus, daß er einige der genannten Bücher viel stärker benutzt 106) Ebd. 4, 507. 107) Ebenda. 108) Die Abschnitte über Habsucht und über Kostbarkeit des Goldes kommen nicht in Betracht, trotz der Fülle von Bibelzitaten, weil diese der Schrift Petrarcas „de avaritia“ entnommen sind. 109) Er zitiert Metamorph., 1, 89 („illud Nasonis“) und 149 („illud Ovidii in sui magni operis primordio“). 110) Zitiert werden mit Angabe des Autors („Cycero“, „Marcus“, „Tullius“) Stellen aus „de officiis“, I, 24, 42, 88, 90 und „paradoxa“, V, 34, 41; außerdem I, sind noch benützt, d. h. in den Text aufgenommen Stellen aus „de off.“, 23, 25, 35, 48, 85 und „parad.“, V, 33. 111) Zitiert (nur mit Angabe des Autors) Stellen aus epist. mor., II, 1, und „de clementia“ I, 5, 24, 25, 26, aus dial., VII, cap. 2, mit der Angabe,,Seneca de beata vita“, Tyestes Vers 615 mit der Angabe „liber tragediarum“; außer- dem sind noch benützt Stellen aus epist. mor., I, 10, dial., VII, cap. 4, 8, de clementia, I, 2, 3, 7, 9, 13, 14, 19, 20, 22. 112) Biographie von Nero, cap. 30 (ohne Angabe des Autors). 113) Zitiert Variae IX, 10 (mit der Angabe „Cassiodorus“). 114) De doctrina christiana IV, cap. 29 (mit der Angabe „Augustinus“). 115) Petrarca hatte empfohlen, die eigenen Schriften mit Sentenzen aus den klassischen Autoren auszuschmücken (Körting, Petrarcas Leben und Werke, S. 519).
30 Schriften ähnlicher Art und in ähnlicher Form verfaßt haben soll. Das berichtet uns sein Zeitgenosse und Geschichtschreiber, der Prager Domherr Benesch von Weitmül: „Karl hat viele Briefe voll nützlicher und heilsamer Gedanken zu verschiedenen Zeiten an verschiedene Personen geschrieben, in Sprache und Auffassung so hervorragend, daß selbst die Magister der heiligen Theologie seine Begabung bewunderten“ 106). Man sieht schon aus den eben erwähnten Schriften Karls, daß er die Bibel — Altes und Neues Testament — kannte, wie nur irgend ein Geistlicher. Und wenn es noch eines ausdrücklichen Zeugnisses bedürfte, so liegt auch ein solches vor. „Die Bibel hatte Karl so im Gedächtnis,“ schreibt Benesch von Weitmül, „daß, wenn er im Bett, wie das seine Gewohnheit war, sich daraus vorlesen ließ, er aus dem Kopf den Vorleser, der das Buch hatte, berichtigen konnte107).“ Einem so bibelfesten Manne war es natürlich ein leichtes, zu jedem Satze gleich die passenden Stellen aus dem Alten und Neuen Testamente zu finden. Sehen wir nun, daß die ersten Abschnitte unserer Schrift von Bibelsprüchen förmlich überfließen 108) so werden wir daraus nicht den Schluß ziehen dürfen, so schreibt ein Geistlicher, sondern wir werden zum mindesten sagen müssen: so schreibt ein Geistlicher oder Kaiser Karl IV. Unsere Schrift zeigt jedoch, daß ihr Verfasser mehr gelesen hatte als die Bibel. Er kannte die Metamorphosen Ovids 109), die Schriften Ciceros „de officiis“ und „paradoxa Stoicorum“110), die Briefsammlung und die Dialoge von Seneca, seine Tragödien und ganz besonders sein Buch „de clementia“111), die Kaiserbiographien von Sueton 112), er übernimmt einen Satz aus den „Variae“ des Cassiodor 113), und er zitiert Augustinus 114), und wiederholt Petrarca. Und daß es dem Verfasser nicht ausschließlich darauf ankam, mit solchen Autoren die eigene Schrift aufzuputzen115), ersieht man daraus, daß er einige der genannten Bücher viel stärker benutzt 106) Ebd. 4, 507. 107) Ebenda. 108) Die Abschnitte über Habsucht und über Kostbarkeit des Goldes kommen nicht in Betracht, trotz der Fülle von Bibelzitaten, weil diese der Schrift Petrarcas „de avaritia“ entnommen sind. 109) Er zitiert Metamorph., 1, 89 („illud Nasonis“) und 149 („illud Ovidii in sui magni operis primordio“). 110) Zitiert werden mit Angabe des Autors („Cycero“, „Marcus“, „Tullius“) Stellen aus „de officiis“, I, 24, 42, 88, 90 und „paradoxa“, V, 34, 41; außerdem I, sind noch benützt, d. h. in den Text aufgenommen Stellen aus „de off.“, 23, 25, 35, 48, 85 und „parad.“, V, 33. 111) Zitiert (nur mit Angabe des Autors) Stellen aus epist. mor., II, 1, und „de clementia“ I, 5, 24, 25, 26, aus dial., VII, cap. 2, mit der Angabe,,Seneca de beata vita“, Tyestes Vers 615 mit der Angabe „liber tragediarum“; außer- dem sind noch benützt Stellen aus epist. mor., I, 10, dial., VII, cap. 4, 8, de clementia, I, 2, 3, 7, 9, 13, 14, 19, 20, 22. 112) Biographie von Nero, cap. 30 (ohne Angabe des Autors). 113) Zitiert Variae IX, 10 (mit der Angabe „Cassiodorus“). 114) De doctrina christiana IV, cap. 29 (mit der Angabe „Augustinus“). 115) Petrarca hatte empfohlen, die eigenen Schriften mit Sentenzen aus den klassischen Autoren auszuschmücken (Körting, Petrarcas Leben und Werke, S. 519).
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31 hat, als man nach seinen Angaben vermuten könnte. Hat Karl IV. alle diese Bücher gekannt? Von vornherein könnte man annehmen, daß ein Mann seiner Geistesrichtung sich mit den wichtigsten Schriften von Augustinus vertraut gemacht hat. Eine solche Vermutung findet auch in ganz bestimmten Zeugnissen ihre Bestätigung. In der Vorrede zur Chronik Marignolas zitiert Karl das Werk Augustins „de civitate dei“ 116) und sein Kanzler Johann von Neumarkt sagt uns in der Vorrede zur deutschen Ubersetzung der „soliloquia“, daß der „allerdurch- leuchtigist fürst unde herr herr Karl der vierde — von gnaden des allmechtigen gotes so viel vernunft hat, und sich so fleisziclichen geubet hat in den heiligen geschriften, das er des grossen achperen lerers sanct Augustinus buch der liebkosunge —— und ouch ander seine puecher wol vornemen mugen in Latein, also sy geschriben und begriffen sint“ 117). Ganz dasselbe gilt von den Schriften Senecas. Nicht nur deshalb, weil Seneca im Mittelalter für einen Christen gehalten worden ist, für einen verehrungswürdigen Mann, der mit dem Apostel Paulus in Briefwechsel gestanden sei und den Hiero- nymus als Heiligen erklärt hatte 118), sondern auch weil man in ihm den großen Philosophen und Meister des Stils sah, weil Petrarca ihn aufs höchste geschätzt hat 119). Und Petrarca galt bei Karl IV. und seinem Kreis als Autorität 120). Eine direkte Nachricht, daß Karl IV. die Schriften Senecas gekannt hat, ist allerdings bis jetzt nicht ans Licht gekommen 121), aber wir haben solche Nachrichten über die Männer seiner nächsten Umgebung, über seinen Kanzler Johann von Neumarkt und den Prager Erzbischof Johann Očko 122) 116) Fontes rer. Bohem., 3, 492. 117) Benedict, Das Leben des heiligen Hieronymus in der Ubersetzung des Bischofs Johann VIII. von Olmütz (Bibliothek der mittelhochdeutschen Literatur in Böhmen, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Band 3), Einleitung, S. XXVII. 118) Vgl. Westenburg, Der Ursprung der Sage, daß Seneca Christ gewesen sei, S. 5, 7, wonach seit dem IX. Jahrhundert die Uberlieferung über Senecas Christentum keinem Zweifel begegnete. 119) Körting, Petrarca, S. 491, 492. 120) Nämlich auf dem Gebiete der Dichtkunst, des Prosastils, der Alter- tumswissenschaft, aber nicht als Politiker. Vgl. außer den Darstellungen von Friedjung (a.a. O., S. 296 ff.), Körting (a. a. O., S. 322 ff.), Voigt (Wieder- belebung des klassischen Altertums, 23, 263 ff.), Burdach (Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 63 ff., 106), und dessen „Bericht über Forschungen zum Ursprunge der neuhochdeutschen Schriftsprache und des deutschen Humanis- mus“ (Abhandlungen der Berliner Akademie 1903), S. 21, wonach von Petrarcas lateinischen Schriften in den mährischen Bibliotheken bemerkenswert viele Handschriften aus dem XIV. und dem Anfange des XV. Jahrhunderts vorliegen. 121) Es ist immerhin erwähnenswert, daß die Handschrift der Prager Universitätsbibliothek, VIII, H. 32, die nach den Ausführungen von Truhlař (Catalogus codicum, 1, 611) von Karl IV. der Prager Universität (dem Karls- Colleg) geschenkt worden ist, unter anderen auch „excerpta de Senecae epistolis" enthält. 122) Unter den Büchern, die Johann von Neumarkt im Jahre 1368 den Augustiner-Eremiten zu S. Thomas in Prag testamentarisch vermachte, sind auch ein „liber Senece in omnibus suis dictis" und die „tragedie Senece“ (Tadra, Kanceláře a písaři v zemích českých“, S. 273); Leichenrede auf Karl IV., gehalten vom Erzbischof Johann Očko, in welcher die Schrift Senecas „de remediis
31 hat, als man nach seinen Angaben vermuten könnte. Hat Karl IV. alle diese Bücher gekannt? Von vornherein könnte man annehmen, daß ein Mann seiner Geistesrichtung sich mit den wichtigsten Schriften von Augustinus vertraut gemacht hat. Eine solche Vermutung findet auch in ganz bestimmten Zeugnissen ihre Bestätigung. In der Vorrede zur Chronik Marignolas zitiert Karl das Werk Augustins „de civitate dei“ 116) und sein Kanzler Johann von Neumarkt sagt uns in der Vorrede zur deutschen Ubersetzung der „soliloquia“, daß der „allerdurch- leuchtigist fürst unde herr herr Karl der vierde — von gnaden des allmechtigen gotes so viel vernunft hat, und sich so fleisziclichen geubet hat in den heiligen geschriften, das er des grossen achperen lerers sanct Augustinus buch der liebkosunge —— und ouch ander seine puecher wol vornemen mugen in Latein, also sy geschriben und begriffen sint“ 117). Ganz dasselbe gilt von den Schriften Senecas. Nicht nur deshalb, weil Seneca im Mittelalter für einen Christen gehalten worden ist, für einen verehrungswürdigen Mann, der mit dem Apostel Paulus in Briefwechsel gestanden sei und den Hiero- nymus als Heiligen erklärt hatte 118), sondern auch weil man in ihm den großen Philosophen und Meister des Stils sah, weil Petrarca ihn aufs höchste geschätzt hat 119). Und Petrarca galt bei Karl IV. und seinem Kreis als Autorität 120). Eine direkte Nachricht, daß Karl IV. die Schriften Senecas gekannt hat, ist allerdings bis jetzt nicht ans Licht gekommen 121), aber wir haben solche Nachrichten über die Männer seiner nächsten Umgebung, über seinen Kanzler Johann von Neumarkt und den Prager Erzbischof Johann Očko 122) 116) Fontes rer. Bohem., 3, 492. 117) Benedict, Das Leben des heiligen Hieronymus in der Ubersetzung des Bischofs Johann VIII. von Olmütz (Bibliothek der mittelhochdeutschen Literatur in Böhmen, herausgegeben vom Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen, Band 3), Einleitung, S. XXVII. 118) Vgl. Westenburg, Der Ursprung der Sage, daß Seneca Christ gewesen sei, S. 5, 7, wonach seit dem IX. Jahrhundert die Uberlieferung über Senecas Christentum keinem Zweifel begegnete. 119) Körting, Petrarca, S. 491, 492. 120) Nämlich auf dem Gebiete der Dichtkunst, des Prosastils, der Alter- tumswissenschaft, aber nicht als Politiker. Vgl. außer den Darstellungen von Friedjung (a.a. O., S. 296 ff.), Körting (a. a. O., S. 322 ff.), Voigt (Wieder- belebung des klassischen Altertums, 23, 263 ff.), Burdach (Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 63 ff., 106), und dessen „Bericht über Forschungen zum Ursprunge der neuhochdeutschen Schriftsprache und des deutschen Humanis- mus“ (Abhandlungen der Berliner Akademie 1903), S. 21, wonach von Petrarcas lateinischen Schriften in den mährischen Bibliotheken bemerkenswert viele Handschriften aus dem XIV. und dem Anfange des XV. Jahrhunderts vorliegen. 121) Es ist immerhin erwähnenswert, daß die Handschrift der Prager Universitätsbibliothek, VIII, H. 32, die nach den Ausführungen von Truhlař (Catalogus codicum, 1, 611) von Karl IV. der Prager Universität (dem Karls- Colleg) geschenkt worden ist, unter anderen auch „excerpta de Senecae epistolis" enthält. 122) Unter den Büchern, die Johann von Neumarkt im Jahre 1368 den Augustiner-Eremiten zu S. Thomas in Prag testamentarisch vermachte, sind auch ein „liber Senece in omnibus suis dictis" und die „tragedie Senece“ (Tadra, Kanceláře a písaři v zemích českých“, S. 273); Leichenrede auf Karl IV., gehalten vom Erzbischof Johann Očko, in welcher die Schrift Senecas „de remediis
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32 Und der älteste Bibliothekskatalog der Prager Universität zeigt, daß schon zur Zeit Karls IV. in Prag eine ganze Reihe von Seneca- Handschriften, Texte, Kommentare und Indices, zur Verfügung stand 123). Einzelne Schriften Ciceros mag Karl schon in seiner Jugend noch während seines Aufenthaltes in Frankreich kennen gelernt haben 124). Dann kam Petrarca, der Cicero aufs höchste bewunderte, seine Sprache als unvergleichlich rühmte 125), und mit seiner Schwär- merei für die „himmlische“ Beredsamkeit Ciceros auch Johann von Neumarkt erfüllte 126). Auf Cicero beruft sich Karl in der Vor- rede zur Chronik Marignolas 127) — wir können also ohne Schwierig- keit annehmen, daß er ebenso die früher genannten Werke von Seneca, als auch die Schriften Ciceros „de officiis“ und „paradoxa" gekannt hat, um so mehr, als diese beiden Schriften seit Jahr- hunderten verbreitet waren 128). Auch die Kenntnis der Kaiser- biographien des Sueton, auf die ihn Petrarca aufmerksam gemacht hatte 129), können wir ihm ohneweiters zutrauen, ebenso wie der „Variae" Cassiodors, eines Werkes, das in Prag gerade zur Zeit Karls IV. bekannt und geschätzt war 130). Dagegen ist es auf den ersten Blick auffallend, daß ein so frommer Mann wie Karl Ovid gekannt haben soll, aber es sind die unverfänglichen Metamor- phosen 131), die in unserer Schrift zitiert sind. Außer diesen Autoren wird noch Petrarca angeführt, nicht mit seinem Namen, sondern mit einer Umschreibung, die soviel Anerkennung und Lob enthält, daß Petrarca selbst, wenn er noch gelebt hätte 132), damit zufrieden gewesen wäre: er wird genannt „jener Toscaner, der unter den Dichtern der Zeit nach der letzte, ' 133). Welche Schriften aber vielleicht durch seinen Geist der erste ist" fortuitorum“, ferner die „epistulae“ und auch der dem Seneca zugeschriebene „liber de quatuor virtutibus cardinalibus“ des Martinus de Bracara zitiert werden (Fontes rer. Boh., 3, 424, 428, 429). 123) Serapeum, 1850, Intelligenzblatt, S. 74, „quintus ordo“. 124) Burdach (Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 53) weist darauf hin, daß in Frankreich noch vor Petrarca rhetorische Kunst und Epistolarstil nach Ciceros Muster gepflegt worden sind. 125) Körting, Petrarca, S. 488. 126) Burdach, a. a. O., 100, 103. 127) Nämlich auf „Tullius primo rhetoricae“ (d. i. de inventione rhe- torica, 1. 1). 128) Vgl. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, 1, 479 ff., und Schaarschmidt, Joh. Saresberiensis, S. 92. 129) In dem Gutachten über die österreichischen Freiheitsbriefe (epist. sen., XVI, 5) von 1361 hatte Petrarca gerade auf die Biographie Neros, die in unserer Schrift benutzt ist, hingewiesen. Uber dieses Gutachten vgl. meine Schrift „Karl IV. und die österreichischen Freiheitsbriefe“ (Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung, 9, 67). 130) In dem ältesten Bibliothekskatalog der Prager Universität (Serapeum, 1850, Intelligenzblatt, S. 58 ff.) erscheinen unter anderen auch „epistolae Cassio- dori" (S. 67); in der Leichenrede auf Karl IV., gehalten von Adalbertus de Ericinio, werden die „Variae“ wiederholt zitiert (Fontes rer. Boh., 3, 437, 440), 131) In der oben (Anmerkung Nr. 121) erwähnten Handschrift, VIII, H. 32. findet sich auch ein „commentarius in Ovidii metamorphoses“; vgl. dazu Mani- tius, a. a. O., 1, 332. 132) Er war am 18. Juli 1374 gestorben. 133) Vgl. Anmerkung Nr. 95.
32 Und der älteste Bibliothekskatalog der Prager Universität zeigt, daß schon zur Zeit Karls IV. in Prag eine ganze Reihe von Seneca- Handschriften, Texte, Kommentare und Indices, zur Verfügung stand 123). Einzelne Schriften Ciceros mag Karl schon in seiner Jugend noch während seines Aufenthaltes in Frankreich kennen gelernt haben 124). Dann kam Petrarca, der Cicero aufs höchste bewunderte, seine Sprache als unvergleichlich rühmte 125), und mit seiner Schwär- merei für die „himmlische“ Beredsamkeit Ciceros auch Johann von Neumarkt erfüllte 126). Auf Cicero beruft sich Karl in der Vor- rede zur Chronik Marignolas 127) — wir können also ohne Schwierig- keit annehmen, daß er ebenso die früher genannten Werke von Seneca, als auch die Schriften Ciceros „de officiis“ und „paradoxa" gekannt hat, um so mehr, als diese beiden Schriften seit Jahr- hunderten verbreitet waren 128). Auch die Kenntnis der Kaiser- biographien des Sueton, auf die ihn Petrarca aufmerksam gemacht hatte 129), können wir ihm ohneweiters zutrauen, ebenso wie der „Variae" Cassiodors, eines Werkes, das in Prag gerade zur Zeit Karls IV. bekannt und geschätzt war 130). Dagegen ist es auf den ersten Blick auffallend, daß ein so frommer Mann wie Karl Ovid gekannt haben soll, aber es sind die unverfänglichen Metamor- phosen 131), die in unserer Schrift zitiert sind. Außer diesen Autoren wird noch Petrarca angeführt, nicht mit seinem Namen, sondern mit einer Umschreibung, die soviel Anerkennung und Lob enthält, daß Petrarca selbst, wenn er noch gelebt hätte 132), damit zufrieden gewesen wäre: er wird genannt „jener Toscaner, der unter den Dichtern der Zeit nach der letzte, ' 133). Welche Schriften aber vielleicht durch seinen Geist der erste ist" fortuitorum“, ferner die „epistulae“ und auch der dem Seneca zugeschriebene „liber de quatuor virtutibus cardinalibus“ des Martinus de Bracara zitiert werden (Fontes rer. Boh., 3, 424, 428, 429). 123) Serapeum, 1850, Intelligenzblatt, S. 74, „quintus ordo“. 124) Burdach (Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 53) weist darauf hin, daß in Frankreich noch vor Petrarca rhetorische Kunst und Epistolarstil nach Ciceros Muster gepflegt worden sind. 125) Körting, Petrarca, S. 488. 126) Burdach, a. a. O., 100, 103. 127) Nämlich auf „Tullius primo rhetoricae“ (d. i. de inventione rhe- torica, 1. 1). 128) Vgl. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, 1, 479 ff., und Schaarschmidt, Joh. Saresberiensis, S. 92. 129) In dem Gutachten über die österreichischen Freiheitsbriefe (epist. sen., XVI, 5) von 1361 hatte Petrarca gerade auf die Biographie Neros, die in unserer Schrift benutzt ist, hingewiesen. Uber dieses Gutachten vgl. meine Schrift „Karl IV. und die österreichischen Freiheitsbriefe“ (Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichtsforschung, 9, 67). 130) In dem ältesten Bibliothekskatalog der Prager Universität (Serapeum, 1850, Intelligenzblatt, S. 58 ff.) erscheinen unter anderen auch „epistolae Cassio- dori" (S. 67); in der Leichenrede auf Karl IV., gehalten von Adalbertus de Ericinio, werden die „Variae“ wiederholt zitiert (Fontes rer. Boh., 3, 437, 440), 131) In der oben (Anmerkung Nr. 121) erwähnten Handschrift, VIII, H. 32. findet sich auch ein „commentarius in Ovidii metamorphoses“; vgl. dazu Mani- tius, a. a. O., 1, 332. 132) Er war am 18. Juli 1374 gestorben. 133) Vgl. Anmerkung Nr. 95.
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33 Petrarcas unser Autor benützte, sagt er nicht. Eine läßt sich mit Sicherheit feststellen, es ist die Schrift „de avaritia vitanda“, die im Jahre 1358 entstanden ist, eine Abhandlung in Form zweier Briefe; der erste richtet sich gegen die Habsucht, der zweite be- handelt den Gebrauch des Wortes „golden“ bei den Schriftstellern 134) Diese Schrift, die von den Petrarca-Forschern nicht gerühmt wird 135) hat unser Autor benützt, eine Tatsache, die kaum einer Erklärung bedarf, wenn dieser Autor Karl IV. gewesen ist. Es wird genügen, an den persönlichen Verkehr Karls mit Petrarca zu erinnern, an den Briefwechsel zwischen den beiden, an die wiederholte durch den Kanzler Johann von Neumarkt übermittelte, Aufforderung an Petrarca, seine Bücher dem Kaiser zukommen zu lassen 136), und dann wird es niemand auffallend finden, daß Karl neben anderen Schriften Petrarcas auch die erwähnte Abhandlung gekannt und in seinem Besitze gehabt hat. Vergleicht man sie mit unserer Schrift, so zeigt sich eine erstaunliche Ahnlichkeit, das heißt, die Abhandlung Petrarcas ist in erstaunlicher Weise ausgebeutet worden. Nicht weniger als ein Drittel unserer Schrift ist dieser Vorlage entnommen, oft im Anschlusse an den Wortlaut, mit dem gelehrten Apparat, mit den Stellen aus den sogenannten „secreta Aristotelis“ und Valerius Maximus, und ganz besonders mit der Fülle von Beleg- stellen aus dem Alten und Neuen Testament, die Petrarca im zweiten Teil seiner Abhandlung ausgebreitet hat. Man kann den Verfasser unserer Schrift förmlich bei seiner Arbeit beobachten, wie er ein- zelne Worte der Vorlage ändert, wie er ganze Partien mit Zeichen versieht, um sie in seinen Text aufzunehmen oder um sie weg- zulassen, weil sie zu weitschweifig sind, oder ihm wegen ihrer Ten- denz nicht zusagen. Es ist lehrreich, einzelne dieser Anderungen zu verfolgen 137) In dem ersten Teil der Schrift hat Petrarca u. a. die Habsucht der Könige auf das schärfste verurteilt. „Ich habe noch“, schreibt er, „einiges über die Habsucht der Könige zu sagen, welche von allen die unwürdigste ist. Denn was ist häßlicher, als ein Mensch, der mitten zwischen Quellen dürstet und verschmachtet? So aber ist ein habsüchtiger König, der keine Reichtümer erworben hat und 134) Fracassetti (Lettere senili di Fr. Petrarca, 1, 134) hat die Vermutung ausgesprochen, daß die beiden Briefe an Zanobi di Strada gerichtet wurden, als dieser das Amt eines päpstlichen Sekretärs angetreten hatte; und dieser Ansicht hat sich Körting (Petrarca, S. 589) angeschlossen. Da das noch er- haltene „registrum literarum secretarum“ des Jahres 1358 Zanobi als Verfasser dieser „literae secretae“ nennt (siehe Thomaseth, Die Register und Sekretäre Urbans V. und Gregors XI, Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichts- forschung, 19, 421), muß seine Ernennung spätestens zu Beginn dieses Jahres erfolgt sein, und nicht 1359, wie Fracassetti (a. a. O., 345) und Körting (a. a. O., 259), oder zu Ende 1358 oder Beginn 1359, wie Voigt (a. a. O., 2, 5) annehmen. 135) Körting (a.a. O., S. 591) nennt sie „herzlich unbedeutend“ und Fracassetti (a. a. O., S. 353) erklärt, sie zeige „un abuso di erudizione“. 136) Vgl. die oben angeführten Werke von Voigt, Friedjung, Körting, Burdach. 137) Schrift. Siehe die Anmerkungen zu dem unten folgenden Abdrucke unserer
33 Petrarcas unser Autor benützte, sagt er nicht. Eine läßt sich mit Sicherheit feststellen, es ist die Schrift „de avaritia vitanda“, die im Jahre 1358 entstanden ist, eine Abhandlung in Form zweier Briefe; der erste richtet sich gegen die Habsucht, der zweite be- handelt den Gebrauch des Wortes „golden“ bei den Schriftstellern 134) Diese Schrift, die von den Petrarca-Forschern nicht gerühmt wird 135) hat unser Autor benützt, eine Tatsache, die kaum einer Erklärung bedarf, wenn dieser Autor Karl IV. gewesen ist. Es wird genügen, an den persönlichen Verkehr Karls mit Petrarca zu erinnern, an den Briefwechsel zwischen den beiden, an die wiederholte durch den Kanzler Johann von Neumarkt übermittelte, Aufforderung an Petrarca, seine Bücher dem Kaiser zukommen zu lassen 136), und dann wird es niemand auffallend finden, daß Karl neben anderen Schriften Petrarcas auch die erwähnte Abhandlung gekannt und in seinem Besitze gehabt hat. Vergleicht man sie mit unserer Schrift, so zeigt sich eine erstaunliche Ahnlichkeit, das heißt, die Abhandlung Petrarcas ist in erstaunlicher Weise ausgebeutet worden. Nicht weniger als ein Drittel unserer Schrift ist dieser Vorlage entnommen, oft im Anschlusse an den Wortlaut, mit dem gelehrten Apparat, mit den Stellen aus den sogenannten „secreta Aristotelis“ und Valerius Maximus, und ganz besonders mit der Fülle von Beleg- stellen aus dem Alten und Neuen Testament, die Petrarca im zweiten Teil seiner Abhandlung ausgebreitet hat. Man kann den Verfasser unserer Schrift förmlich bei seiner Arbeit beobachten, wie er ein- zelne Worte der Vorlage ändert, wie er ganze Partien mit Zeichen versieht, um sie in seinen Text aufzunehmen oder um sie weg- zulassen, weil sie zu weitschweifig sind, oder ihm wegen ihrer Ten- denz nicht zusagen. Es ist lehrreich, einzelne dieser Anderungen zu verfolgen 137) In dem ersten Teil der Schrift hat Petrarca u. a. die Habsucht der Könige auf das schärfste verurteilt. „Ich habe noch“, schreibt er, „einiges über die Habsucht der Könige zu sagen, welche von allen die unwürdigste ist. Denn was ist häßlicher, als ein Mensch, der mitten zwischen Quellen dürstet und verschmachtet? So aber ist ein habsüchtiger König, der keine Reichtümer erworben hat und 134) Fracassetti (Lettere senili di Fr. Petrarca, 1, 134) hat die Vermutung ausgesprochen, daß die beiden Briefe an Zanobi di Strada gerichtet wurden, als dieser das Amt eines päpstlichen Sekretärs angetreten hatte; und dieser Ansicht hat sich Körting (Petrarca, S. 589) angeschlossen. Da das noch er- haltene „registrum literarum secretarum“ des Jahres 1358 Zanobi als Verfasser dieser „literae secretae“ nennt (siehe Thomaseth, Die Register und Sekretäre Urbans V. und Gregors XI, Mitteilungen des Institutes für österr. Geschichts- forschung, 19, 421), muß seine Ernennung spätestens zu Beginn dieses Jahres erfolgt sein, und nicht 1359, wie Fracassetti (a. a. O., 345) und Körting (a. a. O., 259), oder zu Ende 1358 oder Beginn 1359, wie Voigt (a. a. O., 2, 5) annehmen. 135) Körting (a.a. O., S. 591) nennt sie „herzlich unbedeutend“ und Fracassetti (a. a. O., S. 353) erklärt, sie zeige „un abuso di erudizione“. 136) Vgl. die oben angeführten Werke von Voigt, Friedjung, Körting, Burdach. 137) Schrift. Siehe die Anmerkungen zu dem unten folgenden Abdrucke unserer
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34 sie auch nicht zu erwerben braucht, sondern dem sie in seinem Hause von selbst entstehen, und so oft sie auch ausgegeben sind, wieder neu sich bilden. In dieser Lage also ist er dürstend, zitternd, auf Geld erpicht, in Elend und Verzweiflung. Von dieser, um es gerade herauszusagen, Krankheit der Könige ist in den Geheimschriften des Aristoteles eine Einteilung in drei Arten zu lesen.“ Das alles steht in unserer Schrift, bis auf die Worte „von dieser, um es gerade herauszusagen, Krankheit der Könige usw.“. An ihrer Stelle finden wir etwas ganz anderes, nämlich „aber nicht alle Könige, mein Sohn, sind von der gleichen Begierde (Habsucht) ergriffen“. Noch schärfer hat sich Petrarca in den folgenden Sätzen ausgesprochen: „Daß ein König, der gegen seine Untertanen habsüchtig, gegen sich selbst freigebig ist, der schlechteste von allen ist, wird niemand leugnen. Aber fast alle (Könige) sind heute so, ein Teil der könig- lichen Majestät und ihre Hauptzierde ist die Habsucht. Sie halten sie (die Habsucht) um so mehr für erlaubt, je mächtiger sie sind, und unter dem Scheine königlicher Fürsorge wird wie mit einem schönen Schleier das scheußliche Laster verhüllt. Das ist bei Gott der Ruhm unserer Könige, das ist ihre Majestät." Von dieser ganzen peinlichen Erörterung hat unsere Schrift nur den ersten Satz übernommen, alles andere ist gestrichen. Und es gehört in dieselbe Linie, daß die Worte Petrarcas „dürfen wir uns wundern, wenn das Reich der Habsucht sich soweit erstreckt, wenn das Gold allen anderen Dingen vorgezogen wird", von unserer Schrift derart abgeändert werden, „vielleicht wird uns jemand entgegnen, niemand dürfe sich wundern, wenn die Könige und Fürsten Schätze sammeln, wenn sie das Gold allen anderen Dingen vorziehen, usw.“. Wer konnte solche Korrekturen an den Worten Petrarcas sich erlaubt haben? Ein Notar der kaiserlichen Kanzlei? Schwerlich. Keiner von ihnen hatte einen Grund, die Könige gegen den Vor- wurf der Habsucht in Schutz zu nehmen — aber Karl IV. hatte allen Grund. Er wußte, wie man in Italien und Deutschland über ihn sprach 138), er fühlte sich getroffen, und er wollte sich und seine Standesgenossen verteidigen. Deshalb sind die heftigen Worte Petrarcas in unserer Schrift verschwunden oder doch abgeschwächt. 138) Vgl. die von Huber (Regesta imperii, VIII, Einleitung, S. XXXIV XXXV) mitgeteilten Stellen aus M. Villani, Heinrich von Diessenhoven und Peter Suchenwirt. Dazu kommen noch einige andere: die „littera tradita im- peratori super infamia Florentinorum“ (Tadra, Summa cancellariae, nr. 23) mit dem Satze „nonne consideras, quantum avaritia sit in principe detestabilis et obscena?“, die Bemerkungen des Benvenuto Rambaldi da Imola in seinem liber augustalis, wenn auch dieses Werk erst nach dem Tode Karls, im Jahre 1385, geschrieben ist „in Italia [Karolus] victrices harpyas prae se ferens, nihil memorabile gessit, nam cum maximo potentatu veniens opera et favore Urbani quinti terribilis omnibus primo apparuit, sed cito cum magna pecunia sed maiore infamia reversus est ad patriam“ (Baseler Ausgabe der Werke Petrarcas, 1, 530), die Augsburger Chronik, die über die Geldforderungen Karls an die schwäbischen Städte von 1373 sagt, „daz was vor nie kainem kaiser noch küng nie beschechen“ (Chroniken der deutschen Städte, 4, 32), und das Urteil Twingers von Königshofen „dirre keyser stellete gar sere noch gute und noch lande und lüten“ (ebenda, 8, 491). Wie viele solche Außerungen mögen die Gesandten und Räte Karls gehört und ihrem Herrn berichtet haben!
34 sie auch nicht zu erwerben braucht, sondern dem sie in seinem Hause von selbst entstehen, und so oft sie auch ausgegeben sind, wieder neu sich bilden. In dieser Lage also ist er dürstend, zitternd, auf Geld erpicht, in Elend und Verzweiflung. Von dieser, um es gerade herauszusagen, Krankheit der Könige ist in den Geheimschriften des Aristoteles eine Einteilung in drei Arten zu lesen.“ Das alles steht in unserer Schrift, bis auf die Worte „von dieser, um es gerade herauszusagen, Krankheit der Könige usw.“. An ihrer Stelle finden wir etwas ganz anderes, nämlich „aber nicht alle Könige, mein Sohn, sind von der gleichen Begierde (Habsucht) ergriffen“. Noch schärfer hat sich Petrarca in den folgenden Sätzen ausgesprochen: „Daß ein König, der gegen seine Untertanen habsüchtig, gegen sich selbst freigebig ist, der schlechteste von allen ist, wird niemand leugnen. Aber fast alle (Könige) sind heute so, ein Teil der könig- lichen Majestät und ihre Hauptzierde ist die Habsucht. Sie halten sie (die Habsucht) um so mehr für erlaubt, je mächtiger sie sind, und unter dem Scheine königlicher Fürsorge wird wie mit einem schönen Schleier das scheußliche Laster verhüllt. Das ist bei Gott der Ruhm unserer Könige, das ist ihre Majestät." Von dieser ganzen peinlichen Erörterung hat unsere Schrift nur den ersten Satz übernommen, alles andere ist gestrichen. Und es gehört in dieselbe Linie, daß die Worte Petrarcas „dürfen wir uns wundern, wenn das Reich der Habsucht sich soweit erstreckt, wenn das Gold allen anderen Dingen vorgezogen wird", von unserer Schrift derart abgeändert werden, „vielleicht wird uns jemand entgegnen, niemand dürfe sich wundern, wenn die Könige und Fürsten Schätze sammeln, wenn sie das Gold allen anderen Dingen vorziehen, usw.“. Wer konnte solche Korrekturen an den Worten Petrarcas sich erlaubt haben? Ein Notar der kaiserlichen Kanzlei? Schwerlich. Keiner von ihnen hatte einen Grund, die Könige gegen den Vor- wurf der Habsucht in Schutz zu nehmen — aber Karl IV. hatte allen Grund. Er wußte, wie man in Italien und Deutschland über ihn sprach 138), er fühlte sich getroffen, und er wollte sich und seine Standesgenossen verteidigen. Deshalb sind die heftigen Worte Petrarcas in unserer Schrift verschwunden oder doch abgeschwächt. 138) Vgl. die von Huber (Regesta imperii, VIII, Einleitung, S. XXXIV XXXV) mitgeteilten Stellen aus M. Villani, Heinrich von Diessenhoven und Peter Suchenwirt. Dazu kommen noch einige andere: die „littera tradita im- peratori super infamia Florentinorum“ (Tadra, Summa cancellariae, nr. 23) mit dem Satze „nonne consideras, quantum avaritia sit in principe detestabilis et obscena?“, die Bemerkungen des Benvenuto Rambaldi da Imola in seinem liber augustalis, wenn auch dieses Werk erst nach dem Tode Karls, im Jahre 1385, geschrieben ist „in Italia [Karolus] victrices harpyas prae se ferens, nihil memorabile gessit, nam cum maximo potentatu veniens opera et favore Urbani quinti terribilis omnibus primo apparuit, sed cito cum magna pecunia sed maiore infamia reversus est ad patriam“ (Baseler Ausgabe der Werke Petrarcas, 1, 530), die Augsburger Chronik, die über die Geldforderungen Karls an die schwäbischen Städte von 1373 sagt, „daz was vor nie kainem kaiser noch küng nie beschechen“ (Chroniken der deutschen Städte, 4, 32), und das Urteil Twingers von Königshofen „dirre keyser stellete gar sere noch gute und noch lande und lüten“ (ebenda, 8, 491). Wie viele solche Außerungen mögen die Gesandten und Räte Karls gehört und ihrem Herrn berichtet haben!
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35 Petrarca hatte gesagt, die Hauptzierde der Könige sei die Hab- sucht, aber in unserer Schrift steht, nicht alle Könige sind hab- süchtig, und man darf ihnen nichts vorwerfen, wenn sie Schätze sammeln. Ein anderes Beispiel bieten uns Stellen aus dem zweiten Teil der Schrift Petrarcas. Der Gebrauch des Wortes „golden“ wird erörtert, zuerst bei den „profanen“ Schriftstellern, hauptsächlich bei Vergil, dann kommen Bibel und Legenden dran. „Wer würde nicht das Gold für sehr wertvoll halten,“ sagt Petrarca, „da durch Visionen und Träume sein Wert noch vergrößert wird ?“ Und dann erzählt er, daß der König Seleucus den Heliodor nach Jerusalem geschickt habe, um die Schätze des Tempels wegzunehmen; und als dieser sich dazu anschickte, sei er durch eine furchtbare Vision ab- geschreckt worden: er sah einen Reiter zum Schutze des Tempels herbeieilen, einen Reiter mit goldenen Waffen 139). „Sonderbar, sagt Petrarca, „als ob der himmlische Helfer einen heiligen Ort gegen Angriffe von Menschen mit keinen anderen Waffen verteidigen könnte, als mit goldenen!“ Weiter seien in Jerusalem durch vierzig Tage bewaffnete Reiter am Himmel gesehen worden 140); „bewaffnet mit welchen Waffen“? „Selbstverständlich mit goldenen“, sagt Petrarca. Endlich seien, während Juda Maccabaeus gegen Thimo- theus kämpfte, am Himmel Reiter erschienen, auf Pferden mit goldenem Zaume141) usw. Von dem ganzen Absatze hat unsere Schrift den Anfang und Schluß, und zwar im Wortlaute über- nommen, aber von den spöttischen Bemerkungen Petrarcas nichts. Und ebensowenig finden wir ein Wort von dem, was Petrarca aus der Legende von der heiligen Agnes 142) mitteilt, daß die Heilige, nachdem sie den Märtyrertod erlitten, in der Nacht ihren Eltern erschienen sei mit einem Gefolge von Jungfrauen, alle in gold- gestickten Kleidern, „wie wenn man nicht einmal im Himmel“, sagt Petrarca, „ohne Gold glücklich sein könnte“ — oder daß in der Legende vom heiligen Stephan 143) berichtet wird, er sei dem schlafenden Priester Lucian erschienen, in einem Mantel mit ein- gewebten goldenen Kreuzen, und mit einem goldenen Stab in der c Hand, mit dem er den Schlafenden berührte. „Hätte er ihn nicht“, fragt Petrarca, „ebenso mit der bloßen Hand berühren können oder mit einem hölzernen Stab? Das alles fehlt in unserer Schrift, und das ist, um ein Wort Petrarcas zu wiederholen, selbstverständlich, wenn sie von Karl IV. verfaßt ist. Denn bei ihm war jeder Zweifel an der buchstäblichen Wahrheit von allem und jedem, was die Bibel und die Heiligen- legenden berichten, ausgeschlossen, und an Visionen und Träume glaubte er, wie nur irgendeiner. Er hat in seiner Selbstbiographie 139) Lib. Machab. 2, 3, § 25. 140) Ebenda, 2, 5, § 2, 3. 141 Ebenda, 2, 10, § 29. 142) Acta sanctorum, Januar, II, 353. 143) Epistola Luciani de revelatione corporis Stefani martyris, Migne, Patrologia, 41, 809. 3*
35 Petrarca hatte gesagt, die Hauptzierde der Könige sei die Hab- sucht, aber in unserer Schrift steht, nicht alle Könige sind hab- süchtig, und man darf ihnen nichts vorwerfen, wenn sie Schätze sammeln. Ein anderes Beispiel bieten uns Stellen aus dem zweiten Teil der Schrift Petrarcas. Der Gebrauch des Wortes „golden“ wird erörtert, zuerst bei den „profanen“ Schriftstellern, hauptsächlich bei Vergil, dann kommen Bibel und Legenden dran. „Wer würde nicht das Gold für sehr wertvoll halten,“ sagt Petrarca, „da durch Visionen und Träume sein Wert noch vergrößert wird ?“ Und dann erzählt er, daß der König Seleucus den Heliodor nach Jerusalem geschickt habe, um die Schätze des Tempels wegzunehmen; und als dieser sich dazu anschickte, sei er durch eine furchtbare Vision ab- geschreckt worden: er sah einen Reiter zum Schutze des Tempels herbeieilen, einen Reiter mit goldenen Waffen 139). „Sonderbar, sagt Petrarca, „als ob der himmlische Helfer einen heiligen Ort gegen Angriffe von Menschen mit keinen anderen Waffen verteidigen könnte, als mit goldenen!“ Weiter seien in Jerusalem durch vierzig Tage bewaffnete Reiter am Himmel gesehen worden 140); „bewaffnet mit welchen Waffen“? „Selbstverständlich mit goldenen“, sagt Petrarca. Endlich seien, während Juda Maccabaeus gegen Thimo- theus kämpfte, am Himmel Reiter erschienen, auf Pferden mit goldenem Zaume141) usw. Von dem ganzen Absatze hat unsere Schrift den Anfang und Schluß, und zwar im Wortlaute über- nommen, aber von den spöttischen Bemerkungen Petrarcas nichts. Und ebensowenig finden wir ein Wort von dem, was Petrarca aus der Legende von der heiligen Agnes 142) mitteilt, daß die Heilige, nachdem sie den Märtyrertod erlitten, in der Nacht ihren Eltern erschienen sei mit einem Gefolge von Jungfrauen, alle in gold- gestickten Kleidern, „wie wenn man nicht einmal im Himmel“, sagt Petrarca, „ohne Gold glücklich sein könnte“ — oder daß in der Legende vom heiligen Stephan 143) berichtet wird, er sei dem schlafenden Priester Lucian erschienen, in einem Mantel mit ein- gewebten goldenen Kreuzen, und mit einem goldenen Stab in der c Hand, mit dem er den Schlafenden berührte. „Hätte er ihn nicht“, fragt Petrarca, „ebenso mit der bloßen Hand berühren können oder mit einem hölzernen Stab? Das alles fehlt in unserer Schrift, und das ist, um ein Wort Petrarcas zu wiederholen, selbstverständlich, wenn sie von Karl IV. verfaßt ist. Denn bei ihm war jeder Zweifel an der buchstäblichen Wahrheit von allem und jedem, was die Bibel und die Heiligen- legenden berichten, ausgeschlossen, und an Visionen und Träume glaubte er, wie nur irgendeiner. Er hat in seiner Selbstbiographie 139) Lib. Machab. 2, 3, § 25. 140) Ebenda, 2, 5, § 2, 3. 141 Ebenda, 2, 10, § 29. 142) Acta sanctorum, Januar, II, 353. 143) Epistola Luciani de revelatione corporis Stefani martyris, Migne, Patrologia, 41, 809. 3*
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36 den Traum, den er als Jüngling in Tarenzo gehabt hatte, aufs aus- führlichste erzählt 144), er war felsenfest davon überzeugt, daß Gott durch diesen Traum ihm eine Warnung vor Ausschweifungen erteilt habe; und er hat auch später, wie uns Erzbischof Johann Očko in seiner Leichenrede auf Karl berichtet, „wie ein Heiliger Wunder erlebt, in Träumen und in wachem Zustande, als Jüngling und als Greis, durch Voraussagen der Zukunft, und durch viele Visionen, die er hatte“ 145). Man sieht, die Anderungen, die unsere Schrift an ihrer Vorlage vorgenommen hat 146), lassen sich am einfachsten durch die An- nahme erklären, daß Karl IV. der Verfasser gewesen ist. Es hat sich auch gezeigt, daß in der ganzen Schrift nichts zu finden ist, was gegen diese Annahme eingewendet werden könnte. Sie stimmt mit den Ergebnissen, die aus der Uberlieferung der Schrift und aus der Untersuchung über Zeit und Umstände ihrer Abfassung ge- wonnen worden sind, überein. Dazu kommt etwas anderes. In seiner Selbstbiographie spricht Karl ebenfalls von den Pflichten eines Herrschers 147), nicht so ausführlich wie in unserer Schrift, sondern in aller Kürze, in einem einzigen Kapitel, und hier finden wir einen ähnlichen Inhalt wie in unserer Schrift, und manchmal auch die gleichen Sätze 148). Kann da noch ein Zweifel bestehen, daß auch unsere Schrift von Karl IV. herrührt? Damit können wir diese Erörterung abschließen. Ihre Ergeb- nisse seien hier wiederholt: in der Handschrift VIII. A 19, der Prager 141) Fontes rer. Boh. ed. Emler, 3, 346. 145) Ebenda, 429. 146) Dazu kommen noch die Bemerkungen Petrarcas (Baseler Ausgabe, 1, 549, 551) über die Bezeichnung der Peterskirche in Pavia (jetzt „s. Pietro in cielo d'oro") und über den Brauch, Bilder von Christus aus Gold anzufertigen. Beide sind von Karl IV. weggelassen worden, weil sie sein religiöses Gefühl ver- letzten. Wie sollte er, der die Reliquien von Heiligen in Gold und Edelsteinen fassen ließ und dem Haupte des heil. Wenzel eine goldene Krone schenkte, nicht über solche Bemerkungen entrüstet sein? Anders wird es zu erklären sein, daß die Worte Petrarcas über Prostitution (S. 554) von Karl weggelassen wurden: der Vater wollte vor seinem jungen Sohne über solche Dinge nicht sprechen. 147) In der Widmung an seine Nachfolger (cap. II). 148) Zweiter Abschnitt (über die Liebe zu Gott) „ — — Ecclesiasticus ,qui timetis dominum, diligite illum, et illuminabuntur corda vestra.“ audi fili atten- tius, quam saluberrima sunt haec precepta et quantus sit verae dilectionis effectus. ait enim ,et illuminabuntur corda vestra.“ sed quo lumine? certe non alio quam lumine sapientiae“. Selbstbiographie (a. a. O., 338) „si vero in timore domini ambulaveritis, sapientia vestrum erit initium“. — Ebenda „sed quis, fili, diligit vere deum? ille certe et non alius, qui ne confundatur, in eum plene sperans firmus in suis perseverat mandatis". Selbstbiographie (a. a. O.) „si igitur vultis effici filii dei, mandata patris vestri servate“. — Abschnitt über die Gerechtigkeit „ad hanc administrandam cunctis aequaliter, scito fili, reges fiunt, ob quod et ministri vocantur iusticiae et imaginem dei in terris dicuntur habere“. Selbstbiographie (a. a. O.) „(mandata patris vestri servate) quae annunciavit vobis per filium suum, dominum nostrum Jesum Christum, regem celestem, cuius typum et vices geritis in terris“. — Abschnitt über die Habsucht „hic procul dubio rex, ut idem inquit Valerius, non possedit divitias, sed a divitiis est possessus“. Selbstbiographie (a. a. O.) „avarus autem non dominatur, sed subditus est pecuniae dicioni“.
36 den Traum, den er als Jüngling in Tarenzo gehabt hatte, aufs aus- führlichste erzählt 144), er war felsenfest davon überzeugt, daß Gott durch diesen Traum ihm eine Warnung vor Ausschweifungen erteilt habe; und er hat auch später, wie uns Erzbischof Johann Očko in seiner Leichenrede auf Karl berichtet, „wie ein Heiliger Wunder erlebt, in Träumen und in wachem Zustande, als Jüngling und als Greis, durch Voraussagen der Zukunft, und durch viele Visionen, die er hatte“ 145). Man sieht, die Anderungen, die unsere Schrift an ihrer Vorlage vorgenommen hat 146), lassen sich am einfachsten durch die An- nahme erklären, daß Karl IV. der Verfasser gewesen ist. Es hat sich auch gezeigt, daß in der ganzen Schrift nichts zu finden ist, was gegen diese Annahme eingewendet werden könnte. Sie stimmt mit den Ergebnissen, die aus der Uberlieferung der Schrift und aus der Untersuchung über Zeit und Umstände ihrer Abfassung ge- wonnen worden sind, überein. Dazu kommt etwas anderes. In seiner Selbstbiographie spricht Karl ebenfalls von den Pflichten eines Herrschers 147), nicht so ausführlich wie in unserer Schrift, sondern in aller Kürze, in einem einzigen Kapitel, und hier finden wir einen ähnlichen Inhalt wie in unserer Schrift, und manchmal auch die gleichen Sätze 148). Kann da noch ein Zweifel bestehen, daß auch unsere Schrift von Karl IV. herrührt? Damit können wir diese Erörterung abschließen. Ihre Ergeb- nisse seien hier wiederholt: in der Handschrift VIII. A 19, der Prager 141) Fontes rer. Boh. ed. Emler, 3, 346. 145) Ebenda, 429. 146) Dazu kommen noch die Bemerkungen Petrarcas (Baseler Ausgabe, 1, 549, 551) über die Bezeichnung der Peterskirche in Pavia (jetzt „s. Pietro in cielo d'oro") und über den Brauch, Bilder von Christus aus Gold anzufertigen. Beide sind von Karl IV. weggelassen worden, weil sie sein religiöses Gefühl ver- letzten. Wie sollte er, der die Reliquien von Heiligen in Gold und Edelsteinen fassen ließ und dem Haupte des heil. Wenzel eine goldene Krone schenkte, nicht über solche Bemerkungen entrüstet sein? Anders wird es zu erklären sein, daß die Worte Petrarcas über Prostitution (S. 554) von Karl weggelassen wurden: der Vater wollte vor seinem jungen Sohne über solche Dinge nicht sprechen. 147) In der Widmung an seine Nachfolger (cap. II). 148) Zweiter Abschnitt (über die Liebe zu Gott) „ — — Ecclesiasticus ,qui timetis dominum, diligite illum, et illuminabuntur corda vestra.“ audi fili atten- tius, quam saluberrima sunt haec precepta et quantus sit verae dilectionis effectus. ait enim ,et illuminabuntur corda vestra.“ sed quo lumine? certe non alio quam lumine sapientiae“. Selbstbiographie (a. a. O., 338) „si vero in timore domini ambulaveritis, sapientia vestrum erit initium“. — Ebenda „sed quis, fili, diligit vere deum? ille certe et non alius, qui ne confundatur, in eum plene sperans firmus in suis perseverat mandatis". Selbstbiographie (a. a. O.) „si igitur vultis effici filii dei, mandata patris vestri servate“. — Abschnitt über die Gerechtigkeit „ad hanc administrandam cunctis aequaliter, scito fili, reges fiunt, ob quod et ministri vocantur iusticiae et imaginem dei in terris dicuntur habere“. Selbstbiographie (a. a. O.) „(mandata patris vestri servate) quae annunciavit vobis per filium suum, dominum nostrum Jesum Christum, regem celestem, cuius typum et vices geritis in terris“. — Abschnitt über die Habsucht „hic procul dubio rex, ut idem inquit Valerius, non possedit divitias, sed a divitiis est possessus“. Selbstbiographie (a. a. O.) „avarus autem non dominatur, sed subditus est pecuniae dicioni“.
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37 Universitätsbibliothek sind auf Fol. 28 a—34 b ein Schreiben Wenzels an seinen Vater Karl und dessen Antwort eingetragen; beide Schrift- stücke gehören zum Jahre 1377, als Wenzel zum ersten Male die Reichsgeschäfte in Deutschland führte und Karl sich in der Mark Brandenburg aufhielt; Wenzel erbat sich von seinem Vater eine Anweisung, wie er als deutscher König und Kaiser regieren solle, und Karl antwortete mit einer ganzen Abhandlung; von beiden Dokumenten liegt uns eine Abschrift vor, welche aus den ersten Jahren der Regierung Wenzels stammt. „Ich hoffe auf Gott“, hatte der junge König Wenzel seinem Vater geschrieben, „und auf die Unterstützung durch Eure Majestät, welche durch lange Erfahrung und wachsame Geschicklichkeit eine hervorragende Kenntnis der Regierung sich erworben hat.“ Die Worte waren zutreffend. Als Wenzel sie niederschrieb, war ein Menschenalter vergangen, seitdem Karl IV. die deutsche Krone trug. Und wer wollte seine „wachsame Geschicklichkeit“ bestreiten ? Mit ihr hatte Karl alles erreicht, was in Deutschland zu erreichen war: Burgen und Güter, Ortschaften und ganze Länder, die deutsche Königskrone für den Erstgeborenen, und ein Kurfürstentum für den zweiten Sohn. Das deutsche Königtum hatte durch ihn allerdings nicht an Macht gewonnen, aber sein eigenes Haus hatte er zum mächtigsten in Deutschland gemacht. Wenn ein Herrscher wie Karl IV. nach einer so langen Regierung einen Fürstenspiegel schrieb, wenn er seinen Sohn belehren wollte, wie er als König und Kaiser regieren solle — wer würde von einem solchen Autor und einer solchen Schrift nicht die wertvollsten Aufschlüsse erwarten? Aufschlüsse über die Regierung Karls, wie er in Deutschland jeden Widerstand überwunden, wie er mit dem apostolischen Stuhle, mit einer ganzen Reihe von Päpsten, das Einvernehmen erhalten, wie er das Verhältnis zu den Großmächten im Westen und Osten, zu Frankreich und Ungarn gestaltet hatte, wie Böhmen das reichste und blühendste Land in Deutschland geworden war — vielleicht sogar Aufschlüsse über die wichtigsten Fragen der Gegenwart, etwa wie Wenzel mit seinen Brüdern und den mährischen Vettern, mit den Fürsten und Städten in Deutschland, mit dem hohen Adel in Böhmen sich verhalten solle, usw. Wer mit solchen Erwartungen unsere Schrift durchsieht, wird " eine Enttäuschung erfahren. „Wenn du glücklich regieren willst, antwortete Karl seinem Sohne, „mußt du vor allem den himm- lischen König, der alles lenkt und von dem alle Herrschaft ab- hängt, fürchten und lieben.“ Dann sagt Karl, Wenzel müsse gerecht sein, standhaft, milde, er dürfe sich ja nicht der Habsucht ergeben, usw., das alles wird weitläufig, unter Berufung auf die Heilige Schrift, auf Cicero usw. ausgeführt, aber in ganz allgemeinen Worten, ohne jede Beziehung auf die Gegenwart, wie wenn Karl für die Fürsten aller Völker und aller Zeiten hätte schreiben wollen. Er erzählt
37 Universitätsbibliothek sind auf Fol. 28 a—34 b ein Schreiben Wenzels an seinen Vater Karl und dessen Antwort eingetragen; beide Schrift- stücke gehören zum Jahre 1377, als Wenzel zum ersten Male die Reichsgeschäfte in Deutschland führte und Karl sich in der Mark Brandenburg aufhielt; Wenzel erbat sich von seinem Vater eine Anweisung, wie er als deutscher König und Kaiser regieren solle, und Karl antwortete mit einer ganzen Abhandlung; von beiden Dokumenten liegt uns eine Abschrift vor, welche aus den ersten Jahren der Regierung Wenzels stammt. „Ich hoffe auf Gott“, hatte der junge König Wenzel seinem Vater geschrieben, „und auf die Unterstützung durch Eure Majestät, welche durch lange Erfahrung und wachsame Geschicklichkeit eine hervorragende Kenntnis der Regierung sich erworben hat.“ Die Worte waren zutreffend. Als Wenzel sie niederschrieb, war ein Menschenalter vergangen, seitdem Karl IV. die deutsche Krone trug. Und wer wollte seine „wachsame Geschicklichkeit“ bestreiten ? Mit ihr hatte Karl alles erreicht, was in Deutschland zu erreichen war: Burgen und Güter, Ortschaften und ganze Länder, die deutsche Königskrone für den Erstgeborenen, und ein Kurfürstentum für den zweiten Sohn. Das deutsche Königtum hatte durch ihn allerdings nicht an Macht gewonnen, aber sein eigenes Haus hatte er zum mächtigsten in Deutschland gemacht. Wenn ein Herrscher wie Karl IV. nach einer so langen Regierung einen Fürstenspiegel schrieb, wenn er seinen Sohn belehren wollte, wie er als König und Kaiser regieren solle — wer würde von einem solchen Autor und einer solchen Schrift nicht die wertvollsten Aufschlüsse erwarten? Aufschlüsse über die Regierung Karls, wie er in Deutschland jeden Widerstand überwunden, wie er mit dem apostolischen Stuhle, mit einer ganzen Reihe von Päpsten, das Einvernehmen erhalten, wie er das Verhältnis zu den Großmächten im Westen und Osten, zu Frankreich und Ungarn gestaltet hatte, wie Böhmen das reichste und blühendste Land in Deutschland geworden war — vielleicht sogar Aufschlüsse über die wichtigsten Fragen der Gegenwart, etwa wie Wenzel mit seinen Brüdern und den mährischen Vettern, mit den Fürsten und Städten in Deutschland, mit dem hohen Adel in Böhmen sich verhalten solle, usw. Wer mit solchen Erwartungen unsere Schrift durchsieht, wird " eine Enttäuschung erfahren. „Wenn du glücklich regieren willst, antwortete Karl seinem Sohne, „mußt du vor allem den himm- lischen König, der alles lenkt und von dem alle Herrschaft ab- hängt, fürchten und lieben.“ Dann sagt Karl, Wenzel müsse gerecht sein, standhaft, milde, er dürfe sich ja nicht der Habsucht ergeben, usw., das alles wird weitläufig, unter Berufung auf die Heilige Schrift, auf Cicero usw. ausgeführt, aber in ganz allgemeinen Worten, ohne jede Beziehung auf die Gegenwart, wie wenn Karl für die Fürsten aller Völker und aller Zeiten hätte schreiben wollen. Er erzählt
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38 uns die Geschichte von Cinna und Augustus, aber er sagt uns kein Wort über seine eigene Regierung, er spricht über die Habsucht und wie das Gold überall und zu allen Zeiten geschätzt worden sei, aber er schweigt völlig über das, was Wenzel brauchte und wissen wollte. Ein einziges Mal, gleich zu Beginn der Schrift, wird Deutsch- land und Böhmen genannt, und eine einzige Bemerkung über die Gegenwart (über die verstockten Rebellen) ist Karl — man könnte fast sagen, wider seinen Willen — entschlüpft. Trotzdem wird man unsere Schrift eine wertvolle Geschichts- quelle nennen können. Einmal als Dokument der Renaissance in Böhmen, als deren Vertreter bis jetzt der kaiserliche Kanzler Johann von Neumarkt bekannt war. Neben den Kanzler tritt nun der Kaiser selbst. Man sehe nur, wie in unserer Schrift Cicero und Seneca der Bibel und den Kirchenvätern den Platz streitig machen, es sind die Gedanken von Cicero und Seneca und auch ihre Worte, die wir wiederfinden, gerade nur, daß die Götter Senecas in den Einen Gott verwandelt sind. Man sehe den Anfang unserer Schrift, wo Karl sagt, daß er das lateinische Szepter führe, oder den Schluß mit den Comilites und Clientes, die Geschichte von Cinna und Augustus, die Anekdoten des Valerius Maximus — es ist Rom und immer wieder Rom. Und welche Verehrung für Petrarca! Wenn Johann von Neumarkt in seinen Briefen den großen Italiener in schwärmerischer Verzückung preist, so hat sich Karl allerdings von solchen Uberschwenglichkeiten ferngehalten, aber er nennt Petrarca doch den größten aller Geister, von seiner Schrift über die Hab- sucht kann sich Karl gar nicht losreißen, er hat fast alles von ihr übernommen. Fast alles. Und damit kommen wir auf einen wich- tigen Punkt. Friedjung hat in seinem Buche über Karl IV. dessen Regierung als einen letzten Höhepunkt der versinkenden alten Welt bezeichnet, und von Karl gesagt, er gehöre noch ganz dem scholastisch-gelehrten XIV. Jahrhunderte an, das sich um eine ganze Welt von dem Zeitalter der Renaissance unterscheide, von dem lebensfrohen, unchristlichen, hellenisierenden Jahrhundert des Lorenzo Magnifico und Leonardo da Vinci149). Dieses Urteil ist von Burdach aufs schärfste bekämpft worden, nach ihm ist Karl IV. der Vater des deutschen Humanismus und der deutschen Re- naissance 150). Man kann für beide Auffassungen in unserer Schrift Belege finden. Karl hat trotz aller Verehrung und Bewunderung Petrarcas seine spöttischen oder zweifelnden Bemerkungen über Bibel und Heiligenlegenden abgelehnt, weil für Karl jedes Wort der Bibel unantastbar, weil ihm Heiligenverehrung eine Herzenssache und jeder Zweifel an der buchstäblichen Wahrheit der Legenden ein Gräuel gewesen ist. Das ist tiefstes Mittelalter. Und wer den zweiten Abschnitt unserer Schrift, über die Liebe zu Gott, liest, wird blühende Scholastik, also auch das Mittelalter finden. Unsere Schrift zeigt den Kampf zweier geistiger Strömungen in einem so feinen und begabten Kopf wie es Karl IV. gewesen ist. 149) S. 4, 321. 150) Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 63.
38 uns die Geschichte von Cinna und Augustus, aber er sagt uns kein Wort über seine eigene Regierung, er spricht über die Habsucht und wie das Gold überall und zu allen Zeiten geschätzt worden sei, aber er schweigt völlig über das, was Wenzel brauchte und wissen wollte. Ein einziges Mal, gleich zu Beginn der Schrift, wird Deutsch- land und Böhmen genannt, und eine einzige Bemerkung über die Gegenwart (über die verstockten Rebellen) ist Karl — man könnte fast sagen, wider seinen Willen — entschlüpft. Trotzdem wird man unsere Schrift eine wertvolle Geschichts- quelle nennen können. Einmal als Dokument der Renaissance in Böhmen, als deren Vertreter bis jetzt der kaiserliche Kanzler Johann von Neumarkt bekannt war. Neben den Kanzler tritt nun der Kaiser selbst. Man sehe nur, wie in unserer Schrift Cicero und Seneca der Bibel und den Kirchenvätern den Platz streitig machen, es sind die Gedanken von Cicero und Seneca und auch ihre Worte, die wir wiederfinden, gerade nur, daß die Götter Senecas in den Einen Gott verwandelt sind. Man sehe den Anfang unserer Schrift, wo Karl sagt, daß er das lateinische Szepter führe, oder den Schluß mit den Comilites und Clientes, die Geschichte von Cinna und Augustus, die Anekdoten des Valerius Maximus — es ist Rom und immer wieder Rom. Und welche Verehrung für Petrarca! Wenn Johann von Neumarkt in seinen Briefen den großen Italiener in schwärmerischer Verzückung preist, so hat sich Karl allerdings von solchen Uberschwenglichkeiten ferngehalten, aber er nennt Petrarca doch den größten aller Geister, von seiner Schrift über die Hab- sucht kann sich Karl gar nicht losreißen, er hat fast alles von ihr übernommen. Fast alles. Und damit kommen wir auf einen wich- tigen Punkt. Friedjung hat in seinem Buche über Karl IV. dessen Regierung als einen letzten Höhepunkt der versinkenden alten Welt bezeichnet, und von Karl gesagt, er gehöre noch ganz dem scholastisch-gelehrten XIV. Jahrhunderte an, das sich um eine ganze Welt von dem Zeitalter der Renaissance unterscheide, von dem lebensfrohen, unchristlichen, hellenisierenden Jahrhundert des Lorenzo Magnifico und Leonardo da Vinci149). Dieses Urteil ist von Burdach aufs schärfste bekämpft worden, nach ihm ist Karl IV. der Vater des deutschen Humanismus und der deutschen Re- naissance 150). Man kann für beide Auffassungen in unserer Schrift Belege finden. Karl hat trotz aller Verehrung und Bewunderung Petrarcas seine spöttischen oder zweifelnden Bemerkungen über Bibel und Heiligenlegenden abgelehnt, weil für Karl jedes Wort der Bibel unantastbar, weil ihm Heiligenverehrung eine Herzenssache und jeder Zweifel an der buchstäblichen Wahrheit der Legenden ein Gräuel gewesen ist. Das ist tiefstes Mittelalter. Und wer den zweiten Abschnitt unserer Schrift, über die Liebe zu Gott, liest, wird blühende Scholastik, also auch das Mittelalter finden. Unsere Schrift zeigt den Kampf zweier geistiger Strömungen in einem so feinen und begabten Kopf wie es Karl IV. gewesen ist. 149) S. 4, 321. 150) Vom Mittelalter zur Reformation, 1, 63.
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39 Schriften der gleichen Art, Fürstenspiegel, hat es durch das ganze Mittelalter gegeben 151), sie sind von Geistlichen geschrieben, die allein als Gelehrte und als Schriftsteller aufgetreten sind, unsere Schrift ist die erste, die von einem „Fachmanne“, von einem Fürsten herrührt. Daß Karl die älteren Fürstenspiegel, z. B. eines Sedulius Scottus oder Jonas aus dem IX. Jahrhunderte gekannt hätte, ist so gut wie ausgeschlossen, sie waren längst vergessen. Aber auch von den Büchern der letzten Zeit, des Thomas von Aquino, Egidius Romanus und Petrarca 152) läßt sich keine Spur in der Schrift Karls finden. Sie ist also selbständig, d. h. nach den früher erwähnten Vorlagen geschrieben — im Jahre 1377, als Karl das 61. Lebensjahr vollendet hatte. In diesem Alter machte er sich daran, ein Buch zu schreiben, wie ein König regieren soll. Er wollte ein Idealbild ent- werfen, dem sein Sohn immer nachstreben sollte. Aber dazu reichten seine Fähigkeiten doch nicht aus. Er suchte Belehrung in den Schriften von Cicero, Seneca, Petrarca, aber sie waren stärker als er, ihre Gedanken und Worte gab er wieder, nicht seine eigenen 153) Ebenso wie die Selbstbiographie Karls zeigt auch diese Schrift, daß er als Herrscher größer gewesen ist wie als Schriftsteller. Aber sie ist zugleich ein Zeugnis seines geistigen Strebens, seiner unermüd- lichen Arbeit an sich selbst, an der eigenen Bildung. Sie ist ein Be- weis, daß er bis an sein Lebensende nicht nur mit den großen und kleinen Fragen der Politik, sondern auch mit den Wissenschaften sich beschäftigt hat. Es ist ein hübsches Bild, das man aus unserer Schrift gewinnen kann: wie Karl IV. auf die Fahrt in die Mark Brandenburg seine Bücher mitnimmt154), und dann in dem Schlosse zu Tangermünde sitzt155), vertieft in die Schriften von Cicero und Seneca. Einen solchen Kaiser hatte man in Deutschland noch nicht gesehen. 151) Für die ältere Zeit, d. h. für die Zeit des Mittelalters bis ins XI. Jahr- hundert sind alle einschlägigen Schriften in dem erwähnten Werk von Manitius besprochen. 152) Die Schrift des Egidius hatte Johann von Neumarkt für sich kopieren lassen („cancellaria Joh. Noviforensis“, herausgegeben von Tadra, Archiv für österr. Geschichte, 68, 118, Nr. 161). Die Schrift Petrarcas war an Francesco Carrara gerichtet und ist 1373 verfaßt worden (siehe Fracassetti, Lettere senili di Fr. Petrarca, 2, 381). Ich zweifle nicht, daß sie 1377 bereits in Böhmen bekannt war. 153) Es fehlt in unserer Schrift jeder Hinweis, daß ein Fürst die materielle und geistige Wohlfahrt seiner Untertanen fördern müsse, was doch Karl für Böhmen im reichsten Maße getan hat, oder daß er für Kirche und Gottesdienst sorgen müsse, was z. B. Thomas in seinem Buche (De regimine principum, II, cap. 16) besonders empfohlen hatte, und was Karl ebenfalls im reichsten Maße in Böhmen durchgeführt hat. 154) Das kann man aus der Art, wie Karl die Schriften von Cicero, Seneca und Petrarca benützt hat, mit Sicherheit folgern. 155) Dort hat Karl den Sommer und Herbst 1377 bis Anfang November verbracht.
39 Schriften der gleichen Art, Fürstenspiegel, hat es durch das ganze Mittelalter gegeben 151), sie sind von Geistlichen geschrieben, die allein als Gelehrte und als Schriftsteller aufgetreten sind, unsere Schrift ist die erste, die von einem „Fachmanne“, von einem Fürsten herrührt. Daß Karl die älteren Fürstenspiegel, z. B. eines Sedulius Scottus oder Jonas aus dem IX. Jahrhunderte gekannt hätte, ist so gut wie ausgeschlossen, sie waren längst vergessen. Aber auch von den Büchern der letzten Zeit, des Thomas von Aquino, Egidius Romanus und Petrarca 152) läßt sich keine Spur in der Schrift Karls finden. Sie ist also selbständig, d. h. nach den früher erwähnten Vorlagen geschrieben — im Jahre 1377, als Karl das 61. Lebensjahr vollendet hatte. In diesem Alter machte er sich daran, ein Buch zu schreiben, wie ein König regieren soll. Er wollte ein Idealbild ent- werfen, dem sein Sohn immer nachstreben sollte. Aber dazu reichten seine Fähigkeiten doch nicht aus. Er suchte Belehrung in den Schriften von Cicero, Seneca, Petrarca, aber sie waren stärker als er, ihre Gedanken und Worte gab er wieder, nicht seine eigenen 153) Ebenso wie die Selbstbiographie Karls zeigt auch diese Schrift, daß er als Herrscher größer gewesen ist wie als Schriftsteller. Aber sie ist zugleich ein Zeugnis seines geistigen Strebens, seiner unermüd- lichen Arbeit an sich selbst, an der eigenen Bildung. Sie ist ein Be- weis, daß er bis an sein Lebensende nicht nur mit den großen und kleinen Fragen der Politik, sondern auch mit den Wissenschaften sich beschäftigt hat. Es ist ein hübsches Bild, das man aus unserer Schrift gewinnen kann: wie Karl IV. auf die Fahrt in die Mark Brandenburg seine Bücher mitnimmt154), und dann in dem Schlosse zu Tangermünde sitzt155), vertieft in die Schriften von Cicero und Seneca. Einen solchen Kaiser hatte man in Deutschland noch nicht gesehen. 151) Für die ältere Zeit, d. h. für die Zeit des Mittelalters bis ins XI. Jahr- hundert sind alle einschlägigen Schriften in dem erwähnten Werk von Manitius besprochen. 152) Die Schrift des Egidius hatte Johann von Neumarkt für sich kopieren lassen („cancellaria Joh. Noviforensis“, herausgegeben von Tadra, Archiv für österr. Geschichte, 68, 118, Nr. 161). Die Schrift Petrarcas war an Francesco Carrara gerichtet und ist 1373 verfaßt worden (siehe Fracassetti, Lettere senili di Fr. Petrarca, 2, 381). Ich zweifle nicht, daß sie 1377 bereits in Böhmen bekannt war. 153) Es fehlt in unserer Schrift jeder Hinweis, daß ein Fürst die materielle und geistige Wohlfahrt seiner Untertanen fördern müsse, was doch Karl für Böhmen im reichsten Maße getan hat, oder daß er für Kirche und Gottesdienst sorgen müsse, was z. B. Thomas in seinem Buche (De regimine principum, II, cap. 16) besonders empfohlen hatte, und was Karl ebenfalls im reichsten Maße in Böhmen durchgeführt hat. 154) Das kann man aus der Art, wie Karl die Schriften von Cicero, Seneca und Petrarca benützt hat, mit Sicherheit folgern. 155) Dort hat Karl den Sommer und Herbst 1377 bis Anfang November verbracht.
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TEXI Meinen verehrten Kollegen, Herrn Hofrat RZACH und den Herren Professoren REITER und STEIN, die mich bei der Herstellung des Textes und dem Nachweis der Quellen unterstützt haben, spreche ich hiemit meinen wärmsten Dank aus.
TEXI Meinen verehrten Kollegen, Herrn Hofrat RZACH und den Herren Professoren REITER und STEIN, die mich bei der Herstellung des Textes und dem Nachweis der Quellen unterstützt haben, spreche ich hiemit meinen wärmsten Dank aus.
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L. (König Wenzel an Kaiser Karl IV. 1377.) Ersuchen um Belehrung, wie ein deutscher König und Kaiser regieren solle. Prag, Universitätsbibliothek, cod. VIII, A 19, Fol. 28 a, Kopie des ausgehenden XIV. Jahrhunderts. Letatus") sum et letarer hilarius, excolende mi genitor et domine metuende, eo quod preter natale regnum pluresque principatus diversaque, in quibus divinitate propicia factus sum Vestre Sereni- tatis heres legitimus, in regno imperioque Romano preordinavit me vobis succedere rex celestis, si pavor quidam ex diligenti con- sideracione progrediens ipsam quandoque non turbaret leticiam, dum si quidem excellentissimum dyadema cesareumb), pondus pre ceteris gravissimum, teneramque pubertatis mee cervicem solerti cura pre- mecior, sicut honos eximius ex ipsa dignitate clarissima me beando letificat, ita honus vastumc) immensa sui gravitate me terrendo sepe conturbat, non quia ingentes labores sudoresque assiduos, quibus parcere turpe puto, velim effugere, set ne tam grande vexillum iuvenesd) ferre lacerti defficiant, cogor pavere. verum etsi tali for- midine ob sincerum zelume) cordialeque desiderium rei publice gubernande!) feliciter interdum concuciar, in eo tamen, qui me ad tale tantumque sublimavit fastigium, spero indubie9), quod ad optime regendum tenellam iuventutem meam et viribus fortificabit robustis et moribus inveterabit maturis, qui eciam post eum alta magestatis sciencia, tam usu longevo quam arte pervigili usum iu- vante quesita, in dando michi normam modumque regnandi non minimam etati mee subministrat fiduciam. quam ob remh) paterne dileccioni Magestatique Cesaree unico cordis mei affectu supplico reverenter, quatinus illis me per suas literas erudire dignetur lege et moribus, quorum operante virtute voce et re verus potero vocari Augustus. Valeat ad vota felix Maiestas Vestra. Die folgenden mit a, b, c usw. bezeichneten Anmerkungen beziehen sich auf die Handschrift. b) „cezareum“ und so a) „etatus" mit freiem Raume für die Initiale d) „invenies“ und darüber von zweiter Hand c) vastinii im folgenden h) quam orbem e) celum I) gubernando „iuvenes" g) indubio
L. (König Wenzel an Kaiser Karl IV. 1377.) Ersuchen um Belehrung, wie ein deutscher König und Kaiser regieren solle. Prag, Universitätsbibliothek, cod. VIII, A 19, Fol. 28 a, Kopie des ausgehenden XIV. Jahrhunderts. Letatus") sum et letarer hilarius, excolende mi genitor et domine metuende, eo quod preter natale regnum pluresque principatus diversaque, in quibus divinitate propicia factus sum Vestre Sereni- tatis heres legitimus, in regno imperioque Romano preordinavit me vobis succedere rex celestis, si pavor quidam ex diligenti con- sideracione progrediens ipsam quandoque non turbaret leticiam, dum si quidem excellentissimum dyadema cesareumb), pondus pre ceteris gravissimum, teneramque pubertatis mee cervicem solerti cura pre- mecior, sicut honos eximius ex ipsa dignitate clarissima me beando letificat, ita honus vastumc) immensa sui gravitate me terrendo sepe conturbat, non quia ingentes labores sudoresque assiduos, quibus parcere turpe puto, velim effugere, set ne tam grande vexillum iuvenesd) ferre lacerti defficiant, cogor pavere. verum etsi tali for- midine ob sincerum zelume) cordialeque desiderium rei publice gubernande!) feliciter interdum concuciar, in eo tamen, qui me ad tale tantumque sublimavit fastigium, spero indubie9), quod ad optime regendum tenellam iuventutem meam et viribus fortificabit robustis et moribus inveterabit maturis, qui eciam post eum alta magestatis sciencia, tam usu longevo quam arte pervigili usum iu- vante quesita, in dando michi normam modumque regnandi non minimam etati mee subministrat fiduciam. quam ob remh) paterne dileccioni Magestatique Cesaree unico cordis mei affectu supplico reverenter, quatinus illis me per suas literas erudire dignetur lege et moribus, quorum operante virtute voce et re verus potero vocari Augustus. Valeat ad vota felix Maiestas Vestra. Die folgenden mit a, b, c usw. bezeichneten Anmerkungen beziehen sich auf die Handschrift. b) „cezareum“ und so a) „etatus" mit freiem Raume für die Initiale d) „invenies“ und darüber von zweiter Hand c) vastinii im folgenden h) quam orbem e) celum I) gubernando „iuvenes" g) indubio
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44 II. (Kaiser Karl IV. an König Wenzel 1377.) Ausführliche Antwort (Fürstenspiegel). Prag, a. a. O., Fol. 28 a—34 b, Kopie von gleicher Hand wie I. Solida") generosi animi tui epistola, dulcissime fili, tanta nobis in sue leccionis exordio fuit adulata dulcedine, ut delapsis omnibus Magestatis Nostre curis quamvis mordacibus haut secius quam, cum summe sperata evenerintb) gaudia, labi solent evenientibus, solum ad legendum eam passimc) usque ad finem toto cordis affectu fecerit nos intentos. et quod amenius est auditu, post lecturam eius non solum vero delectati, set et gavisi adeo fuimus, ut nedum ipsarum gravium curarum incuria, set diebus pluribus ea sepe relecta imme- morem Nostram pene fecerit Magestatem. nec mirum. ibi quippe futuram ex te nobis conspeximus gloriam, ibi nomen nostrumd) vidimus in te laudibus in posterum celebrandum clarissimis, quando divina miserante clemencia talem genuimuse) filium, qui quo regat imperetque felicius, flagranti efflagitat animo, consilio premoneri paterno. clarum tue pubertatis indicium optimumque boni com- positique animi argumentum, dum vix adultam contingens etatem illa videris appetere, que et rei publice dudum prostrate restaura- cioni conveniant, et per plura dispersum Romanum imperium frag- menta in unum corpus componant, ita quod, rebellium quorundam in nos preeuntesque longe nos illustres Augustos obstinata1) nimium invalescente protervia longis9) radicata temporibus, per nos illosque apte non potuit perfici, perh) te deo auspice possit apcius adimpleri. set ne suspendamus diucius votum tue mentis optabile, quo ad gubernandum Romanorum Bohemieque regna, varia quoque mundi dominia tibi benignitate 1) celesti, nobis adhue robusta manu sceptrum tenentibus Laciale, subiecta, visus es flagranter deposcere, illis per nos institui quek) nobis ad tanti tamque multiplicis culmina princi- patus viderentur ydonea1), ad ea ipsa eo inclinamur benignius, quo paternumm) in hiis desiderium avidius filialis prevenit affectus. licet enim ante spem habuerimus") de te firmam, nunc tamen de te, tamquam in habitu optime mentis 1) posito concitatoque motu pro- prio ad honesta, gerimus firmiorem. Ante2) igitur omnia, dilectissime filio), ut regnare imperareque beacius possis, necesse est ut regem supernum, orbem terramquep) a) „ulida" mit freiem Raume für die Initiale b) „evenerint“ mit Ab- kürzungsstrich über „i“ c) possim d) vestrum e) „geminum“ und darüber von zweiter Hand „genuimus" h) pro f) obstinati g) longius i) benignite k) qui l) ydonei m) per paternum n) habuerint o) „filii" und so öfters p) curamque 1) Vielleicht nachgebildet Seneca epist. mor., XIX, 8, § 16 „sapientia habitus perfectae mentis est“. 2) Am Rande, von späterer Hand „de timore dei"; zum folgenden Absatze vgl. Augustinus de civitate dei, XIV, 9.
44 II. (Kaiser Karl IV. an König Wenzel 1377.) Ausführliche Antwort (Fürstenspiegel). Prag, a. a. O., Fol. 28 a—34 b, Kopie von gleicher Hand wie I. Solida") generosi animi tui epistola, dulcissime fili, tanta nobis in sue leccionis exordio fuit adulata dulcedine, ut delapsis omnibus Magestatis Nostre curis quamvis mordacibus haut secius quam, cum summe sperata evenerintb) gaudia, labi solent evenientibus, solum ad legendum eam passimc) usque ad finem toto cordis affectu fecerit nos intentos. et quod amenius est auditu, post lecturam eius non solum vero delectati, set et gavisi adeo fuimus, ut nedum ipsarum gravium curarum incuria, set diebus pluribus ea sepe relecta imme- morem Nostram pene fecerit Magestatem. nec mirum. ibi quippe futuram ex te nobis conspeximus gloriam, ibi nomen nostrumd) vidimus in te laudibus in posterum celebrandum clarissimis, quando divina miserante clemencia talem genuimuse) filium, qui quo regat imperetque felicius, flagranti efflagitat animo, consilio premoneri paterno. clarum tue pubertatis indicium optimumque boni com- positique animi argumentum, dum vix adultam contingens etatem illa videris appetere, que et rei publice dudum prostrate restaura- cioni conveniant, et per plura dispersum Romanum imperium frag- menta in unum corpus componant, ita quod, rebellium quorundam in nos preeuntesque longe nos illustres Augustos obstinata1) nimium invalescente protervia longis9) radicata temporibus, per nos illosque apte non potuit perfici, perh) te deo auspice possit apcius adimpleri. set ne suspendamus diucius votum tue mentis optabile, quo ad gubernandum Romanorum Bohemieque regna, varia quoque mundi dominia tibi benignitate 1) celesti, nobis adhue robusta manu sceptrum tenentibus Laciale, subiecta, visus es flagranter deposcere, illis per nos institui quek) nobis ad tanti tamque multiplicis culmina princi- patus viderentur ydonea1), ad ea ipsa eo inclinamur benignius, quo paternumm) in hiis desiderium avidius filialis prevenit affectus. licet enim ante spem habuerimus") de te firmam, nunc tamen de te, tamquam in habitu optime mentis 1) posito concitatoque motu pro- prio ad honesta, gerimus firmiorem. Ante2) igitur omnia, dilectissime filio), ut regnare imperareque beacius possis, necesse est ut regem supernum, orbem terramquep) a) „ulida" mit freiem Raume für die Initiale b) „evenerint“ mit Ab- kürzungsstrich über „i“ c) possim d) vestrum e) „geminum“ und darüber von zweiter Hand „genuimus" h) pro f) obstinati g) longius i) benignite k) qui l) ydonei m) per paternum n) habuerint o) „filii" und so öfters p) curamque 1) Vielleicht nachgebildet Seneca epist. mor., XIX, 8, § 16 „sapientia habitus perfectae mentis est“. 2) Am Rande, von späterer Hand „de timore dei"; zum folgenden Absatze vgl. Augustinus de civitate dei, XIV, 9.
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45 complectentem universaque regentem deum, a quo omne regnum omneque dependet imperium, verearis et diligas. non tamen, ut plurimi faciunt, penarum formidine tibi sit ille timendus. talis nam- que timor illam virtutum omnium sanctissimam in se non continet: karitatem, non enim amat nec bona desiderat, sed ne mala eveniant, peccare formidat. ata) illo timore colendus est deus, de quo scriptum est „Timor domini sanctus permanet in seculum seculi“1). hunc bonib) et ideo semper habent, ut et futura bona non amittant, et dei non careant presencia, qua sperant perfrui in gloria sempiterna. hic est ille timor, de quo ille virtutum omnium capax ayt „Timor domini est gloria et gloriacio, leticia et corona exultacionis, hic delectabit cor et dabit leticiam et gaudium in longitudine dierum“2). et iterum ayt ille „Timenti dominum bene erit in extremis“3). de quo et ille piscator ante piscium, nunc claviger polorum ayt „Omnes honorate, fraternitatem diligite, deum timete“4) Set 5) sicut ipse deus, fili, super omniac) timendus est, sic pre omnibus aliis, credo, mente puroque corde cunctisve viribus anime est amandus. quod, ut plures testes sacri taceamusd) eloquii, idem Ecclesiasticûs videtur innuere, sic exhortans „Qui timetis dominum, diligite illum, et illuminabuntur corda vestra“6). audi, fili, attencius, quam saluberrima sunt hec precepta, et quantus sit vere dileccionis effectus. ayt enim „et illuminabuntur corda vestra“. set quo lumine? certe non alio quam lumine sapiencie, que etsi omnibus oportuna sit mortalibus, plus tamen necessaria regibus terrarum dignoscitur, in quibus vita salusque plurium continetur. quod ut Dileccioni Tue clarius luceate), hoc adverte: „Cura etenim discipline“, ut in sapiente legimus, „dileccio7) est“, quia cum quis legem diligit, disciplinam custodit. et sicut ipsa legum custodia ad incorumpcionem inmortalitatis nos evehit, ita ipsa incorumpcio pro- ximos deo facit. concupiscentia!) itaque discipline et ad regnum deducit perpetuum, et instruit temporale felicius gubernandum. quod et ille sapiens velle videtur, dum concludendo subinfert „Si ergo delectamini in sedibus et sceptris, reges populi, diligite sapien- ciam, ut regnetis in perpetuum, diligite lumen sapiencie, qui preestis populis 8)“. set quis, fili, diligit vere deum? ille certe et non alius, qui ne confundaturd), in eum plene sperans firmus in suis perseverat mandatis, ut illud nostri salvatoris sacrum eloquium sonat perlu- cide „Si diligeretis me, mandata mea utique servaretis"9), et alibi c) das folgende j) concupiscen- a) ac b) nach „boni“ leerer Raum für ein Wort e) liceat „diligendus est“ durchstrichen d) taceamur ciam g) confundat Psalm. 18, 10. Ecclesiast., 1, 11, 12. Ebenda, 1, 13. I. Petri, 2, 17. Am Rande, von späterer Hand „de dileccione dei“. Ecclesiast., 2, 10. 7) Liber sap., 6, 19, „cura ergo disciplinae dilectio est“. 8) Ebenda, 6, 22. 9) Joh., 14, 15, „si diligitis me, mandata mea servate“. 1) 2) 3) 4) 55) 6)
45 complectentem universaque regentem deum, a quo omne regnum omneque dependet imperium, verearis et diligas. non tamen, ut plurimi faciunt, penarum formidine tibi sit ille timendus. talis nam- que timor illam virtutum omnium sanctissimam in se non continet: karitatem, non enim amat nec bona desiderat, sed ne mala eveniant, peccare formidat. ata) illo timore colendus est deus, de quo scriptum est „Timor domini sanctus permanet in seculum seculi“1). hunc bonib) et ideo semper habent, ut et futura bona non amittant, et dei non careant presencia, qua sperant perfrui in gloria sempiterna. hic est ille timor, de quo ille virtutum omnium capax ayt „Timor domini est gloria et gloriacio, leticia et corona exultacionis, hic delectabit cor et dabit leticiam et gaudium in longitudine dierum“2). et iterum ayt ille „Timenti dominum bene erit in extremis“3). de quo et ille piscator ante piscium, nunc claviger polorum ayt „Omnes honorate, fraternitatem diligite, deum timete“4) Set 5) sicut ipse deus, fili, super omniac) timendus est, sic pre omnibus aliis, credo, mente puroque corde cunctisve viribus anime est amandus. quod, ut plures testes sacri taceamusd) eloquii, idem Ecclesiasticûs videtur innuere, sic exhortans „Qui timetis dominum, diligite illum, et illuminabuntur corda vestra“6). audi, fili, attencius, quam saluberrima sunt hec precepta, et quantus sit vere dileccionis effectus. ayt enim „et illuminabuntur corda vestra“. set quo lumine? certe non alio quam lumine sapiencie, que etsi omnibus oportuna sit mortalibus, plus tamen necessaria regibus terrarum dignoscitur, in quibus vita salusque plurium continetur. quod ut Dileccioni Tue clarius luceate), hoc adverte: „Cura etenim discipline“, ut in sapiente legimus, „dileccio7) est“, quia cum quis legem diligit, disciplinam custodit. et sicut ipsa legum custodia ad incorumpcionem inmortalitatis nos evehit, ita ipsa incorumpcio pro- ximos deo facit. concupiscentia!) itaque discipline et ad regnum deducit perpetuum, et instruit temporale felicius gubernandum. quod et ille sapiens velle videtur, dum concludendo subinfert „Si ergo delectamini in sedibus et sceptris, reges populi, diligite sapien- ciam, ut regnetis in perpetuum, diligite lumen sapiencie, qui preestis populis 8)“. set quis, fili, diligit vere deum? ille certe et non alius, qui ne confundaturd), in eum plene sperans firmus in suis perseverat mandatis, ut illud nostri salvatoris sacrum eloquium sonat perlu- cide „Si diligeretis me, mandata mea utique servaretis"9), et alibi c) das folgende j) concupiscen- a) ac b) nach „boni“ leerer Raum für ein Wort e) liceat „diligendus est“ durchstrichen d) taceamur ciam g) confundat Psalm. 18, 10. Ecclesiast., 1, 11, 12. Ebenda, 1, 13. I. Petri, 2, 17. Am Rande, von späterer Hand „de dileccione dei“. Ecclesiast., 2, 10. 7) Liber sap., 6, 19, „cura ergo disciplinae dilectio est“. 8) Ebenda, 6, 22. 9) Joh., 14, 15, „si diligitis me, mandata mea servate“. 1) 2) 3) 4) 55) 6)
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46 „ Qui me diligit, mandata mea custodit“1). et de hac dileccione dixit apostolus „Quia karitas dei diffusa in cordibus nostris per spiritum sanctum“2), qua karitate diffusa in nostris cordibus deum late diligimus. verbum quippe effusionis denotat muneris largitatem iuxta illud propheticum „Effundam“) de spiritu meo super omnem carnem“3). Hoc est, fili, dei nostri fidele promissum, hoc spei implende pignus verissimum, et hoc est donum spiritus sancti nobis a deo misericorditer infundendum. quare nemo putet, ipsam karitatem ex proprio habere arbitrio, sed solum a spiritu sancto, qui dat nobis tale donum, qualis ipse est. magna et ineffabilis misericordia dei nostri equale sibi donum, quod est spiritus sanctus, unus deus, tota trinitas, donat nobis. hec est illa vera dileccio, qua se et proximum diligi precipit, qua ipse eciamb) non dilectus mirifice nos diligit. et quamvis, amantissime fili, omnipotentem deum illa qua pre- diximus karitate cuncti mortales debeamus diligere, eo quod et de rudi, ne dicamus sordido, elemento nos omnes creavit nobiles, et mortuis nobis vitamc) eius morte prestiteritd), ut cum eo vivamus per secula inmortales, principes tamen terre eo debent ipsum amare fervencius, quo super hominibus ipsi eciam homines alciores obtinent eius munere principatus. illud namque equum esse quis ambiget, ut tanto quis plus debeate), quanto maiora susceperit, et qui magis amatus fuerit, amanter ex debito magis amet. quanto itaque amore, dilectissime fili, pubescentem iuventutem tuam cunctis mundi prin- cipibus divina pretulerit pietas, curiose considera, et sicut ultra ceteros eciam tibi pares te ad alciora dignitatum sublimium cacumina dignatus est attollere, ita in eius dileccione sedulo cordis desiderio ardencius delectare. et si non potes quantum debes, debes tamen diligere quantum potes, ita ut velle semper [in] eo1), in quo ad tam ingentis amoris digna rependia humanum posse defecerit, mens ipsa, quam ipsius deus pie semper sponderat4), assiduis liquefacta ignibus concupiscat. si enim tam beate tamque sancte ex timore di- leccioneque dei et proximi tuum conposueris animum, semper ut obligaris ex debito, incorumptam optimamque regum columnam coles: iusticiam. Non 5) enim aliter potest a quoquam illesa servari virtus hec, nisi cum de alto cuncta spectans divina timetur potestas. hec illa est, fili, virtus sanctissima, que notum non preponit ignoto, non ignobili nobilem, non inopi divitem, nec proximum extraneo, nec amicum novit preponere inimico, ac inter utrosque neutroso) prefert, sine ulla acceptacione personarum, sine aliqua differencia qualitatum, a) effunde b) ecca (= ecclesia) () Das folgende „prestiterit" durchstrichen d) perstiterit e) Korrigiert aus „debet“ f) deo g) ne- utrosque 1) Ebenda, 21, „qui habet mandata mea et servat ea, ille est qui me diligit“. 2) Rom., 5, 5. 3) Act. apost., 2, 17. 4) Der Satz „quam ipsius deus pie semper sponderat“ ist wahrscheinlich fehlerhaft überliefert. 5) Am Rande, von späterer Hand „de iusticia“.
46 „ Qui me diligit, mandata mea custodit“1). et de hac dileccione dixit apostolus „Quia karitas dei diffusa in cordibus nostris per spiritum sanctum“2), qua karitate diffusa in nostris cordibus deum late diligimus. verbum quippe effusionis denotat muneris largitatem iuxta illud propheticum „Effundam“) de spiritu meo super omnem carnem“3). Hoc est, fili, dei nostri fidele promissum, hoc spei implende pignus verissimum, et hoc est donum spiritus sancti nobis a deo misericorditer infundendum. quare nemo putet, ipsam karitatem ex proprio habere arbitrio, sed solum a spiritu sancto, qui dat nobis tale donum, qualis ipse est. magna et ineffabilis misericordia dei nostri equale sibi donum, quod est spiritus sanctus, unus deus, tota trinitas, donat nobis. hec est illa vera dileccio, qua se et proximum diligi precipit, qua ipse eciamb) non dilectus mirifice nos diligit. et quamvis, amantissime fili, omnipotentem deum illa qua pre- diximus karitate cuncti mortales debeamus diligere, eo quod et de rudi, ne dicamus sordido, elemento nos omnes creavit nobiles, et mortuis nobis vitamc) eius morte prestiteritd), ut cum eo vivamus per secula inmortales, principes tamen terre eo debent ipsum amare fervencius, quo super hominibus ipsi eciam homines alciores obtinent eius munere principatus. illud namque equum esse quis ambiget, ut tanto quis plus debeate), quanto maiora susceperit, et qui magis amatus fuerit, amanter ex debito magis amet. quanto itaque amore, dilectissime fili, pubescentem iuventutem tuam cunctis mundi prin- cipibus divina pretulerit pietas, curiose considera, et sicut ultra ceteros eciam tibi pares te ad alciora dignitatum sublimium cacumina dignatus est attollere, ita in eius dileccione sedulo cordis desiderio ardencius delectare. et si non potes quantum debes, debes tamen diligere quantum potes, ita ut velle semper [in] eo1), in quo ad tam ingentis amoris digna rependia humanum posse defecerit, mens ipsa, quam ipsius deus pie semper sponderat4), assiduis liquefacta ignibus concupiscat. si enim tam beate tamque sancte ex timore di- leccioneque dei et proximi tuum conposueris animum, semper ut obligaris ex debito, incorumptam optimamque regum columnam coles: iusticiam. Non 5) enim aliter potest a quoquam illesa servari virtus hec, nisi cum de alto cuncta spectans divina timetur potestas. hec illa est, fili, virtus sanctissima, que notum non preponit ignoto, non ignobili nobilem, non inopi divitem, nec proximum extraneo, nec amicum novit preponere inimico, ac inter utrosque neutroso) prefert, sine ulla acceptacione personarum, sine aliqua differencia qualitatum, a) effunde b) ecca (= ecclesia) () Das folgende „prestiterit" durchstrichen d) perstiterit e) Korrigiert aus „debet“ f) deo g) ne- utrosque 1) Ebenda, 21, „qui habet mandata mea et servat ea, ille est qui me diligit“. 2) Rom., 5, 5. 3) Act. apost., 2, 17. 4) Der Satz „quam ipsius deus pie semper sponderat“ ist wahrscheinlich fehlerhaft überliefert. 5) Am Rande, von späterer Hand „de iusticia“.
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47 pro utraque equas) lance libram tenens, rectum semper facit iudicium, hec illa est iusticia, quam sapiens diligere mandat dicens „Diligite iusticiam, qui iudicatis terram"1), ubi potestatem iudicandi habentibus non solum eam tribuere set precipit et amare, ut per eius dileccionem et caro obediat spiritui, et diligentes eam possint ad veram sapienciam sublimari, istud est illud inextimabile pre- clarumque bonum, quod enutrit virtutes, errores abstergit, corrigit vicia, exstirpat scelera, propulsat iniurias, sedat discordias, pacem gignit, fidem servat, rectum colit, legem custodit, punit sontes, tuetur innocuos, pugnat pro viduis, fovet pupillos, unicuique quod suum est tribuit, alium non ledit, honeste vivit, amplificat populum, et rei publice dat assiduum incrementum, dum et inprobos com- primit, ne in bonos esseviant, et bonos exhortatur, ut in virtutibus perseverent. ad hanc administrandam cunctis equaliter, scito fili, reges fiunt, ob quod et ministri vocantur iusticie, et ymaginem dei in terris dicuntur habere. set vide, quem ad modum quasi non ad- vertentibus nobis ex hac virtute clarissima ceterarum virtutum, que multum regium decorantb) animum, non minus propria quam amena scaturizat materia. Cum2) namque fides, id est dictorum conventorumque con- stancia, et veritas sint fundamentum iusticie3), maxime tibi mini- stranti iusticiam convenit, ut semper firmissimum tale teneas fun- damentum. principem enim pre ceteris racione degentibus constan- tem decet esse plurimum et veracem. semel itaque, fili, tibi placita maneant, nec ulla in decretis tuis litura existat4), ne et ex levitate animi sepe iniustum incurras iudicium, et veritate offensa dissipes«) ipsum iusticie fundamentum. quo dirruto mox diverse species iniusticie subeunt, ut sunt iniurie, perturbacio, reatusd), ceterique motus animorum turpissimi. ille siquidem iniurie5), que de industria in- feruntur nocendi [causal, a metu sepee) deveniunt, cum is qui alteri nocere proponit timet6), ne, si id non fecerit, ipse aliquo inficiatur in- comodo. maxime autem ea intencione moventur nonnulli ad faciendam iniuriam, ut ita conquirant que turpiter desiderant. in quo vicio, ut Cyceroni visum est, latissime patet avaricia, dum ipse expetuntur divicie, cum ad usus necessarios, cum ad perfruendas fedissimas voluptates. set ne tam consecutiva nimis longe abducamur materia, b) regni diminuit animum a) „ne qua“ korrigiert aus ,me quia" c) discipes d) rea e) Vorher „spe“ durchstrichen 1) Liber sap., 1, 1. 2) Am Rande, von späterer Hand „de fide et veritate“. 3) Cicero, de officiis, 1, 7, § 23, „fundamentum autem est iustitae fides, id est dictorum conventorumque constantia et veritas“. 1) Seneca, dial. VII (de vita beata), 8, § 3, „maneant illi semel placita nec ulla in decretis eius litura sit“. 5) Cicero, a. a. O., § 24, „atque illae quidem iniuriae, quae nocendi causa de industria inferuntur, saepe a metu proficiscuntur, cum is qui nocere alteri cogitat, timet, ne nisi id fecerit, ipse aliquo afficiatur incommodo. maximam autem partem ad iniuriam faciendam adgrediuntur, ut adipiscantur ea, quae concupiverunt; in quo vitio latissime patet avaritia. expetuntur autem divitiae cum ad usus vitae necessarios, tum ad perfruendas voluptates“. 6) Am Rande, von späterer Hand „de tlmore malo“
47 pro utraque equas) lance libram tenens, rectum semper facit iudicium, hec illa est iusticia, quam sapiens diligere mandat dicens „Diligite iusticiam, qui iudicatis terram"1), ubi potestatem iudicandi habentibus non solum eam tribuere set precipit et amare, ut per eius dileccionem et caro obediat spiritui, et diligentes eam possint ad veram sapienciam sublimari, istud est illud inextimabile pre- clarumque bonum, quod enutrit virtutes, errores abstergit, corrigit vicia, exstirpat scelera, propulsat iniurias, sedat discordias, pacem gignit, fidem servat, rectum colit, legem custodit, punit sontes, tuetur innocuos, pugnat pro viduis, fovet pupillos, unicuique quod suum est tribuit, alium non ledit, honeste vivit, amplificat populum, et rei publice dat assiduum incrementum, dum et inprobos com- primit, ne in bonos esseviant, et bonos exhortatur, ut in virtutibus perseverent. ad hanc administrandam cunctis equaliter, scito fili, reges fiunt, ob quod et ministri vocantur iusticie, et ymaginem dei in terris dicuntur habere. set vide, quem ad modum quasi non ad- vertentibus nobis ex hac virtute clarissima ceterarum virtutum, que multum regium decorantb) animum, non minus propria quam amena scaturizat materia. Cum2) namque fides, id est dictorum conventorumque con- stancia, et veritas sint fundamentum iusticie3), maxime tibi mini- stranti iusticiam convenit, ut semper firmissimum tale teneas fun- damentum. principem enim pre ceteris racione degentibus constan- tem decet esse plurimum et veracem. semel itaque, fili, tibi placita maneant, nec ulla in decretis tuis litura existat4), ne et ex levitate animi sepe iniustum incurras iudicium, et veritate offensa dissipes«) ipsum iusticie fundamentum. quo dirruto mox diverse species iniusticie subeunt, ut sunt iniurie, perturbacio, reatusd), ceterique motus animorum turpissimi. ille siquidem iniurie5), que de industria in- feruntur nocendi [causal, a metu sepee) deveniunt, cum is qui alteri nocere proponit timet6), ne, si id non fecerit, ipse aliquo inficiatur in- comodo. maxime autem ea intencione moventur nonnulli ad faciendam iniuriam, ut ita conquirant que turpiter desiderant. in quo vicio, ut Cyceroni visum est, latissime patet avaricia, dum ipse expetuntur divicie, cum ad usus necessarios, cum ad perfruendas fedissimas voluptates. set ne tam consecutiva nimis longe abducamur materia, b) regni diminuit animum a) „ne qua“ korrigiert aus ,me quia" c) discipes d) rea e) Vorher „spe“ durchstrichen 1) Liber sap., 1, 1. 2) Am Rande, von späterer Hand „de fide et veritate“. 3) Cicero, de officiis, 1, 7, § 23, „fundamentum autem est iustitae fides, id est dictorum conventorumque constantia et veritas“. 1) Seneca, dial. VII (de vita beata), 8, § 3, „maneant illi semel placita nec ulla in decretis eius litura sit“. 5) Cicero, a. a. O., § 24, „atque illae quidem iniuriae, quae nocendi causa de industria inferuntur, saepe a metu proficiscuntur, cum is qui nocere alteri cogitat, timet, ne nisi id fecerit, ipse aliquo afficiatur incommodo. maximam autem partem ad iniuriam faciendam adgrediuntur, ut adipiscantur ea, quae concupiverunt; in quo vitio latissime patet avaritia. expetuntur autem divitiae cum ad usus vitae necessarios, tum ad perfruendas voluptates“. 6) Am Rande, von späterer Hand „de tlmore malo“
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48 de ipso metu, qui non sine spe manet, et avaricia regum peste letifera libet ad maiorem edificacionem tue mentis te monitis affari bre- vissimis. Atque ut plura transseamus, quam vel maximum sit discrimen inter dei et mundi timorem, sic accipe. illo etenim incorumpta, ut paulo ante prediximus, servatur iusticia, hoc vero tota corumpitur, infringitur et fedatur. et sicut ille sanctus permanet in seculum, sic iste ex nephandis effectibus eius corpori parat et anime perpetuum detrimentum, nichil itaque, fili, tibi sit quod timeas preter deum, nec speres in aliquem preter illum. et ut possis discere non timere, finge1) tibi in animo in rem verisimilem aliquod eventurum peri- culum. non statim verum est, ut id omnino eveniat; quam multa expectatà non veniunt, multaque non exspectata sepius contigerunt! set etsi ex inevitabili necessitate quid malí venturum sit, quid iuvat anticipare dolorem? hoc quidem nedum aput principes set aput quoscunque racionis capaces turpe est vicium et evidens pusilli animi argumentum. satis enim, ut inquit Seneca, dolebisa) cum venient2). nequeb) eciam ut volumus te dolerec), set pocius ut sub- limem condecet principem, semper hylarem vultum frontemque perlucidam ostendere, ne, dum regia mens perturbacione aliqua quamvis gravi concutitur, principalis vultus claritas imutetur: ita ergo placidam preclaramque equabilitatem3) vultus in omni vita tam in adversis quam in rebus secundis semper obtineas, ut una et eadem tua usque esse videatur maiestas. et ut ad hec inviteris affectus, accipe illud in Philippo Macedonumd) rege4), qui facilitate in rebus gestis et gloria superatus est a filio, et humanitate superion est iuventus. itaque alter magnus, alter sepe turpissimus iudicatur. ac si tamene) hec tamquam tue teneritudini dura nimis putas vix posse perficere, sepe vicium repelle vicio5), spe metum tempera, id est aut non evenire formidata, aut si evenerint, speres succedere meliora, uti illud est in Libro Tragediarum „seu nemo confidat nimium serundis, nemo desperet meliora lapsis“6). set nec istud quidem placet nobis ut facias; in hanc partem pocius erigere animum, a) dolebit b) atque e) tantum c) Korrigiert aus „dolore“ d) Macedemonum 1) Seneca, epist. moral., lib. II, ep. 1, § 10, „verisimile est aliquid futurum mali. non statim verum est. quam multa non expectata venerunt, quam multa expectata nusquam conparuerunt! etiamsi futurum est, quid iuvat dolori suo " occurrere? 2) Ebenda, „satis cito dolebis, cum venerit“. 3) Cicero, de officiis, I, 26, § 90, „nam ut adversas res, sic secundas in- moderate ferre levitatis est, praeclaraque est aequabilitas in omni vita et idem semper vultus eademque frons“. 4) Ebenda, „Philippum quidem Macedonum regem rebus gestis et gloria superatum a filio, facilitate et humanitate video superiorem fuisse, itaque alter semper magnus, alter saepe turpissimus“. 5) Seneca, a. a. O., § 12, „hic prudentia prosit, hic robore animi evidentem quoque metum respue. si minus, vitio vitium repelle, spe metum tempera. nihil tam certum est ex his quae timentur, ut non certius sit et formidata sub- sidere et sperata decipere“. 6) Seneca, Thyestes, Vers 615.
48 de ipso metu, qui non sine spe manet, et avaricia regum peste letifera libet ad maiorem edificacionem tue mentis te monitis affari bre- vissimis. Atque ut plura transseamus, quam vel maximum sit discrimen inter dei et mundi timorem, sic accipe. illo etenim incorumpta, ut paulo ante prediximus, servatur iusticia, hoc vero tota corumpitur, infringitur et fedatur. et sicut ille sanctus permanet in seculum, sic iste ex nephandis effectibus eius corpori parat et anime perpetuum detrimentum, nichil itaque, fili, tibi sit quod timeas preter deum, nec speres in aliquem preter illum. et ut possis discere non timere, finge1) tibi in animo in rem verisimilem aliquod eventurum peri- culum. non statim verum est, ut id omnino eveniat; quam multa expectatà non veniunt, multaque non exspectata sepius contigerunt! set etsi ex inevitabili necessitate quid malí venturum sit, quid iuvat anticipare dolorem? hoc quidem nedum aput principes set aput quoscunque racionis capaces turpe est vicium et evidens pusilli animi argumentum. satis enim, ut inquit Seneca, dolebisa) cum venient2). nequeb) eciam ut volumus te dolerec), set pocius ut sub- limem condecet principem, semper hylarem vultum frontemque perlucidam ostendere, ne, dum regia mens perturbacione aliqua quamvis gravi concutitur, principalis vultus claritas imutetur: ita ergo placidam preclaramque equabilitatem3) vultus in omni vita tam in adversis quam in rebus secundis semper obtineas, ut una et eadem tua usque esse videatur maiestas. et ut ad hec inviteris affectus, accipe illud in Philippo Macedonumd) rege4), qui facilitate in rebus gestis et gloria superatus est a filio, et humanitate superion est iuventus. itaque alter magnus, alter sepe turpissimus iudicatur. ac si tamene) hec tamquam tue teneritudini dura nimis putas vix posse perficere, sepe vicium repelle vicio5), spe metum tempera, id est aut non evenire formidata, aut si evenerint, speres succedere meliora, uti illud est in Libro Tragediarum „seu nemo confidat nimium serundis, nemo desperet meliora lapsis“6). set nec istud quidem placet nobis ut facias; in hanc partem pocius erigere animum, a) dolebit b) atque e) tantum c) Korrigiert aus „dolore“ d) Macedemonum 1) Seneca, epist. moral., lib. II, ep. 1, § 10, „verisimile est aliquid futurum mali. non statim verum est. quam multa non expectata venerunt, quam multa expectata nusquam conparuerunt! etiamsi futurum est, quid iuvat dolori suo " occurrere? 2) Ebenda, „satis cito dolebis, cum venerit“. 3) Cicero, de officiis, I, 26, § 90, „nam ut adversas res, sic secundas in- moderate ferre levitatis est, praeclaraque est aequabilitas in omni vita et idem semper vultus eademque frons“. 4) Ebenda, „Philippum quidem Macedonum regem rebus gestis et gloria superatum a filio, facilitate et humanitate video superiorem fuisse, itaque alter semper magnus, alter saepe turpissimus“. 5) Seneca, a. a. O., § 12, „hic prudentia prosit, hic robore animi evidentem quoque metum respue. si minus, vitio vitium repelle, spe metum tempera. nihil tam certum est ex his quae timentur, ut non certius sit et formidata sub- sidere et sperata decipere“. 6) Seneca, Thyestes, Vers 615.
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49 ut spem, obscenarum fomitem voluptatum, omnino despicias. qua despecta despicies et timorem, nam cum desines hec sperare labilia 1), mox desines ne tibi deficiant formidare, ex quo et illud sequitur, ut plures voluptates pluraque vicia et potissimuma) illa omnium per- niciosissima avaricia ex ipso metu, ne vel facultates defficiant, vel ut inexpleta hominum cupiditas plurima coacervet progrediens, nunquam tuum subeant animum, regiumque nomen clarissimum cogant latere obscurumb). Licet2) namque hec eadem pestis feda sit in omnibus, in regnantibus tamen fedissimam ac indignissimam quis negabit?3) „quid etenim“4), ut Tuscus ille, vatum quamvis tempore novissimus primus forsan ingenio, ayt „potest esse deformius homine inter fontes siticuloso atque arido? talis est“ inquit „rex avarus, cui non quesite divitie, non querende, set domi nate sunt, et quocies distribute fuerint“, nullum suscipiunt detrimentum, ac magis in altioremque acervum re et nomine semper crescunt. in ea igitur fortuna sicientem ac trepidum peccunieque sollicitum ultime miserie regem vocat. at non omnes reges, fili, pari cupiditate capti sunt 5). quare ut scias, cuius mores vitamque fugere debeas autc) sequi, tripartitam illam distinccionem regum, inter ea que Aristotelisd) secreta nominantur insertam, digne tibi distribuendum putavimus in hoc loco. regum6) siquidem alius sibi et subditise) avarus; hunc cur bonum regem Indi!) dixerunt, ignoramus. alius avarus sibi, largitis subditis; hunc minime viciosum regem Itali dixerunt9), ideo forsan ut credimus, quia avaritia in alios non dampnabilis esse non potest, in se autem potest etiam esse laudabilis et quasi pars una modestie, quamvis eo casu avaritien) [nomen] perdat et iustius 1) nuncupetur frugalitas. que quamquam regie magnificencie videatur adversa, temperancie est amica"), licet rex utriusque contrarii, qui sibi et subditis non a) potissima b)obscumen c)autem d) Aristotelis que e) sub- f) Judei g) vorher „dixisse“ durchstrichen h) avaritia i) iustus 1) Am Rande, von späterer Hand „de avaritia“. 2) Der ganze nun folgende Abschnitt über die Habsucht und über den Gebrauch des Wortes „golden“ ist der Schrift Petrarcas „de avaritia vitanda" entnommen. Für die Vergleichung ist die Baseler Ausgabe von 1554 (Francisci Petrarchae — — opera quae extant omnia, 1, 547 ff.) benützt. 3) Petrarca, a. a. O., 548, „quod vitium, cum in cunctis foedum, tum in senibus inque divitibus regnantibusque foedissimum — — 4) Ebenda, „restat de avaritia regum loqui aliquid, quae omnium indi- gnissima est. nam quid, oro, deformius homine inter fontes siticuloso atque arido? talis est autem rex avarus, cui non quaesitae divitiae, non quaerendae, sed domi natae sunt, et quotiens distributae fuerint, renascentur. in ea fortuna igitur sitientem ac trepidum pecuniaeque sollicitum esse; ultimae desperataeque miseriae est“. 5) Das sagt Petrarca nicht, sondern das Gegenteil, nämlich (S. 548—549) „huius autem regii ut proprie dicam, morbi inter ea quae Aristotelis secreta nominantur, tripartita distinctio [Druck, distractio‘] lecta est“. 6) Die nun folgende Stelle „regum si quidem alius — temperancie est amica" weist nur unbedeutende Anderungen gegenüber dem Text Petrarcas S. 549 auf, nämlich: „ignoramus (ignoro), ideo forsan ut credimus (ideo nisi fallor), quamvis eo casu (licet eo casu), regie magnificencie (magnificentiae)“. 7) Nun folgen bei Petrarca Zitate aus Seneca und Horaz, die unsere Schrift weggelassen hat, und „hoc ut puto Italos movit, ne regem indulgentem aliis ditus
49 ut spem, obscenarum fomitem voluptatum, omnino despicias. qua despecta despicies et timorem, nam cum desines hec sperare labilia 1), mox desines ne tibi deficiant formidare, ex quo et illud sequitur, ut plures voluptates pluraque vicia et potissimuma) illa omnium per- niciosissima avaricia ex ipso metu, ne vel facultates defficiant, vel ut inexpleta hominum cupiditas plurima coacervet progrediens, nunquam tuum subeant animum, regiumque nomen clarissimum cogant latere obscurumb). Licet2) namque hec eadem pestis feda sit in omnibus, in regnantibus tamen fedissimam ac indignissimam quis negabit?3) „quid etenim“4), ut Tuscus ille, vatum quamvis tempore novissimus primus forsan ingenio, ayt „potest esse deformius homine inter fontes siticuloso atque arido? talis est“ inquit „rex avarus, cui non quesite divitie, non querende, set domi nate sunt, et quocies distribute fuerint“, nullum suscipiunt detrimentum, ac magis in altioremque acervum re et nomine semper crescunt. in ea igitur fortuna sicientem ac trepidum peccunieque sollicitum ultime miserie regem vocat. at non omnes reges, fili, pari cupiditate capti sunt 5). quare ut scias, cuius mores vitamque fugere debeas autc) sequi, tripartitam illam distinccionem regum, inter ea que Aristotelisd) secreta nominantur insertam, digne tibi distribuendum putavimus in hoc loco. regum6) siquidem alius sibi et subditise) avarus; hunc cur bonum regem Indi!) dixerunt, ignoramus. alius avarus sibi, largitis subditis; hunc minime viciosum regem Itali dixerunt9), ideo forsan ut credimus, quia avaritia in alios non dampnabilis esse non potest, in se autem potest etiam esse laudabilis et quasi pars una modestie, quamvis eo casu avaritien) [nomen] perdat et iustius 1) nuncupetur frugalitas. que quamquam regie magnificencie videatur adversa, temperancie est amica"), licet rex utriusque contrarii, qui sibi et subditis non a) potissima b)obscumen c)autem d) Aristotelis que e) sub- f) Judei g) vorher „dixisse“ durchstrichen h) avaritia i) iustus 1) Am Rande, von späterer Hand „de avaritia“. 2) Der ganze nun folgende Abschnitt über die Habsucht und über den Gebrauch des Wortes „golden“ ist der Schrift Petrarcas „de avaritia vitanda" entnommen. Für die Vergleichung ist die Baseler Ausgabe von 1554 (Francisci Petrarchae — — opera quae extant omnia, 1, 547 ff.) benützt. 3) Petrarca, a. a. O., 548, „quod vitium, cum in cunctis foedum, tum in senibus inque divitibus regnantibusque foedissimum — — 4) Ebenda, „restat de avaritia regum loqui aliquid, quae omnium indi- gnissima est. nam quid, oro, deformius homine inter fontes siticuloso atque arido? talis est autem rex avarus, cui non quaesitae divitiae, non quaerendae, sed domi natae sunt, et quotiens distributae fuerint, renascentur. in ea fortuna igitur sitientem ac trepidum pecuniaeque sollicitum esse; ultimae desperataeque miseriae est“. 5) Das sagt Petrarca nicht, sondern das Gegenteil, nämlich (S. 548—549) „huius autem regii ut proprie dicam, morbi inter ea quae Aristotelis secreta nominantur, tripartita distinctio [Druck, distractio‘] lecta est“. 6) Die nun folgende Stelle „regum si quidem alius — temperancie est amica" weist nur unbedeutende Anderungen gegenüber dem Text Petrarcas S. 549 auf, nämlich: „ignoramus (ignoro), ideo forsan ut credimus (ideo nisi fallor), quamvis eo casu (licet eo casu), regie magnificencie (magnificentiae)“. 7) Nun folgen bei Petrarca Zitate aus Seneca und Horaz, die unsere Schrift weggelassen hat, und „hoc ut puto Italos movit, ne regem indulgentem aliis ditus
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50 sit") largus, nil aut modicum valere putetur. alius autem est avarus subditis, largus sibi; hunc ex omnibus pessimum, infitiari quis poterit? ita1) cum ad id, quod ibi sequitur, scilicet „nomen avaricie dedecetb) multum regem et regie disconvenit maiestati“ libero animadverteres animo, et deformitatem extremorum conspicies. de illorum dedecore tuum decus intelliges, nec alium quam scilicet qui sibi largus est et subditis, Tua ut speramus Celsitudo sequetur illustris. ac cum duo sint liberalitatisc) genera, ununrd) dandi bene- ficii alterumque reddendi, utrumque sequere, utrumque benignius amplexare, nam non solum bene meritis, hiisque qui iam profuerunt, principem decet esse beneficum, sed extraneise) ignotisque liberali!) animo suppetit esse benignum, ut qui tibi nondum profuerint, regie fame tue vera promovendo possint prodesse2). liberalitate9) tamen illa, quam non memorandus ille habuit imperator, qui aureis piscatus est retibus, eaque funibus extendebat sericis, nullam vestem bis induit, soleas argenteas mulis fecit3), pluraque Romano dampnosa imperio prodigus et sevus exercuit, te nec frui volumus, nec etiam sine suadela nostra te id facere formidamus. e) extuneis f) Kor- c) libertatis d) num b) decet a) situs rigiert aus „liberari“ g) libertate et negantem sibi multa reprehenderent, licet per se utriusque contrarii regem, qui non et sibi sit largus et subditis, nihil valere diffiniant". 1) Das Folgende ,ita cum ad id — tuum decus intelliges“ wird erst durch die Vergleichung mit der Vorlage vollkommen verständlich. Es sei voraus- geschickt, daß der Satz „nomen avaritiae dedecet — disconvenit maiestati“ ein Zitat aus der pseudo-aristotelischen Schrift „secreta“ (oder „secreta secre- torum“, „liber secretorum“) ist. Der Text der Vorlage (S. 549) lautet „alius autem est avarus subditis, largus sibi; hunc ex omnibus pessimum nemo ne- gaverit. atqui ferme omnes hodie tales sunt, itaque quod ibidem sequitur „nomen avaritiae dedecet multum regem et disconvenit multum regiae maiestati" iam quasi versum in naturam regiam, et maiestatis regiae pars quaedam ac praecipuum decus avaritia es t. quam eo sibi magis licitam putant, quo maiores sunt, et sub obtentu regalis providentiae pulchro velo foedum scelus tegitur. haec est, hercle, nostrorum regum gloria, haec maiestas. sed sit nobis loquendi aliquis, qui nullus est illis acervandi et quaerendi, modus, habes ergo de multiplici hominum avaritia, quod occurrit. tu nec senex, nec dives nimium, nec rex quidem, ex diverso autem nec adolescens certe, nec pauper, nec servus es, sed medio omnium in statu, unde liberius deformitatem aspicias extremorum, et rideas, quos vel aetas vel divitiae in culpam vel regna praecipitant. deque illorum dedecore tuum decus intelligas“. 2) Cicero, de officiis, I, 15, § 48, „etenim si in eos, quos speramus nobis profuturos, non dubitamus officia conferre, quales in eos esse debemus, qui iam profuerunt? nam cum duo genera liberalitatis sint, unum dandi beneficii, —“ Diese Stelle findet sich bei Petrarca nicht (und auch alterum reddendi, nicht der Satz ,nec alium quam scilicet qui sibi largus est et subditis, tua celsitudo sequetur“), sondern eine andere Stelle aus der Schrift Ciceros (a. a. O., § 68) „nihil enim est tam angusti animi tamque parvi quam amare divitias, nihil honestius magnificentiusque quam pecuniam contemnere, si non habeas, si habeas, ad beneficentiam liberalitatemque conferre“. 3) Suetonius, de vita caesarum, Nero cap. 30, „nullam vestem bis induit, piscatus est rete aurato et purpura coccoque funibus nexis. nunquam minus mille carrucis fecisse iter traditur, soleis mularum argenteis ——“. Auch diese Stelle ist nicht Petrarca entnommen, sondern vom Autor unserer Schrift hinzugefügt.
50 sit") largus, nil aut modicum valere putetur. alius autem est avarus subditis, largus sibi; hunc ex omnibus pessimum, infitiari quis poterit? ita1) cum ad id, quod ibi sequitur, scilicet „nomen avaricie dedecetb) multum regem et regie disconvenit maiestati“ libero animadverteres animo, et deformitatem extremorum conspicies. de illorum dedecore tuum decus intelliges, nec alium quam scilicet qui sibi largus est et subditis, Tua ut speramus Celsitudo sequetur illustris. ac cum duo sint liberalitatisc) genera, ununrd) dandi bene- ficii alterumque reddendi, utrumque sequere, utrumque benignius amplexare, nam non solum bene meritis, hiisque qui iam profuerunt, principem decet esse beneficum, sed extraneise) ignotisque liberali!) animo suppetit esse benignum, ut qui tibi nondum profuerint, regie fame tue vera promovendo possint prodesse2). liberalitate9) tamen illa, quam non memorandus ille habuit imperator, qui aureis piscatus est retibus, eaque funibus extendebat sericis, nullam vestem bis induit, soleas argenteas mulis fecit3), pluraque Romano dampnosa imperio prodigus et sevus exercuit, te nec frui volumus, nec etiam sine suadela nostra te id facere formidamus. e) extuneis f) Kor- c) libertatis d) num b) decet a) situs rigiert aus „liberari“ g) libertate et negantem sibi multa reprehenderent, licet per se utriusque contrarii regem, qui non et sibi sit largus et subditis, nihil valere diffiniant". 1) Das Folgende ,ita cum ad id — tuum decus intelliges“ wird erst durch die Vergleichung mit der Vorlage vollkommen verständlich. Es sei voraus- geschickt, daß der Satz „nomen avaritiae dedecet — disconvenit maiestati“ ein Zitat aus der pseudo-aristotelischen Schrift „secreta“ (oder „secreta secre- torum“, „liber secretorum“) ist. Der Text der Vorlage (S. 549) lautet „alius autem est avarus subditis, largus sibi; hunc ex omnibus pessimum nemo ne- gaverit. atqui ferme omnes hodie tales sunt, itaque quod ibidem sequitur „nomen avaritiae dedecet multum regem et disconvenit multum regiae maiestati" iam quasi versum in naturam regiam, et maiestatis regiae pars quaedam ac praecipuum decus avaritia es t. quam eo sibi magis licitam putant, quo maiores sunt, et sub obtentu regalis providentiae pulchro velo foedum scelus tegitur. haec est, hercle, nostrorum regum gloria, haec maiestas. sed sit nobis loquendi aliquis, qui nullus est illis acervandi et quaerendi, modus, habes ergo de multiplici hominum avaritia, quod occurrit. tu nec senex, nec dives nimium, nec rex quidem, ex diverso autem nec adolescens certe, nec pauper, nec servus es, sed medio omnium in statu, unde liberius deformitatem aspicias extremorum, et rideas, quos vel aetas vel divitiae in culpam vel regna praecipitant. deque illorum dedecore tuum decus intelligas“. 2) Cicero, de officiis, I, 15, § 48, „etenim si in eos, quos speramus nobis profuturos, non dubitamus officia conferre, quales in eos esse debemus, qui iam profuerunt? nam cum duo genera liberalitatis sint, unum dandi beneficii, —“ Diese Stelle findet sich bei Petrarca nicht (und auch alterum reddendi, nicht der Satz ,nec alium quam scilicet qui sibi largus est et subditis, tua celsitudo sequetur“), sondern eine andere Stelle aus der Schrift Ciceros (a. a. O., § 68) „nihil enim est tam angusti animi tamque parvi quam amare divitias, nihil honestius magnificentiusque quam pecuniam contemnere, si non habeas, si habeas, ad beneficentiam liberalitatemque conferre“. 3) Suetonius, de vita caesarum, Nero cap. 30, „nullam vestem bis induit, piscatus est rete aurato et purpura coccoque funibus nexis. nunquam minus mille carrucis fecisse iter traditur, soleis mularum argenteis ——“. Auch diese Stelle ist nicht Petrarca entnommen, sondern vom Autor unserer Schrift hinzugefügt.
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51 Ac 1) quia de liberalitate fecimus mencionem, obiciet aliquit forsan nobis, non debere quemquam mirari, si reges terrarum es principes thezaurizant2), si aurum rebus omnibus anteponunt, in cuius laudum preconia non vulgaris tantum cupiditas set scriben- tium quoque magnorum hominum conspirasse videntur ingenia, qui omne quod laudandum instituunt fore aureum omnes vocant. et ut idem Tuscus ait „quis non") magnum aliquid opinetur, quod b) omnis divini atque humani cultus precipuumc) ac pene unicum ornamentum, quod omnium laudabilium, optabilium, mirabilium- que rerum unum ac perpetuum audiat epithetond)? si Nero cesar domum illam suam, magnas urbis partes occupantem, auream dici voluit, non miramur, cume) illud nomen et inpense inpreciabilis magnitudo et parietes crustati1) auro stellatique gemmis haut mereantur indigne, at illud mirabile, quod mons Rome ad occiduam plagam surgens secus Vaticanum9) et Appolinis olym templum, nunc primam et maximam Petri sedem, alter mons Verone ad orientem versus non procul a menibus, ut utrumqueh) aureis nobili- tarent nominibus, uterque aureus est vocatus. priscum seculum summis laudibus volentes extollere, haut certe quantum nobis videtur inmerito, sequentibus namque collatum seculis invenietur et cupiditatis ignarum et innocencie amicum, ut omnes eius laudes una voce conprehenderent, aureum seculum vocavere3), ut illud Nasonis „aurea prima sata est etas, que vindice nullo sponte sua sine lege fidem rectumque colebat“4). quin etiam illius ducem seculi aureum a Vergilio dictum constat „aureus hanc vitam in terris Saturnus agebat“. a) vero b) per quod c) principum d) ephitotum e) tamen f) cursati g) vatuanum h) utramque 1) Am Rande, von späterer Hand „de laude et preciositate auri per totum infra“. 2) Das sagt Petrarca nicht, sondern „et miramur, si avaritiae regnum — late patet, si cunctis aurum rebus anteponitur 3) Der ganze Passus „si aurum rebus omnibus anteponunt — aureum seculum vocavere“ ist der Schrift Petrarcas entnommen. Unser Autor hat einzelne Worte geändert („vulgaris tantum cupiditas“ statt „vulgi t. c.", „scri- bentium quoque magnorum“ statt „sc. q. maximorum“, „omne quod laudandum instituunt, fore aureum omnes vocant“ statt „o. q. laudare in., aureum v.“, „magnum aliquid opinetur“ statt ,m. a. putet“, „impense impreciabilis magni- tudo" statt „im. inextimabilis m.“, „gemmis haut mereantur indigne“ statt „gemmis mereantur“, „Romae ad occiduam plagam surgens“ statt „R. ad oc. " pl.“, „utrumque aureis nobilitarent nominibus“ statt „utr. nobilitarent“, „summis laudibus volentes extollere“ statt „s. 1. efferunt“, „aureum seculum vocavere“ statt „a. s. dixere“), und an seiner Vorlage Kürzungen vorgenommen. Von den Stellen, die unser Autor gestrichen hat, ist eine hier anzuführen „id mirabile, quod et Romae Georgii martyris, et Ticini Petri apostoli domus est. illa veli, haec coeli aurei nacta cognomen, cum tamen aureum vel omnino aeneum coelum neque solibus neque imbribus aut roribus utile, et pro maledicto in libris sacris accipi, Ticinensium vicinus, sacer probet Ambrosius, nec auctoritate valuerit apud aurei nominis inventores“. 4) Dieses Zitat aus Ovid (metamorph., 1, 89) findet sich bei Petrarca nicht. Dort (§. 550) lautet der Text „(aureum seculum dixere.) qui et illius ducem saeculi aureum a Virgilio dictum scimus „aureus hanc vitam in terris Saturnus agebat“. 4%
51 Ac 1) quia de liberalitate fecimus mencionem, obiciet aliquit forsan nobis, non debere quemquam mirari, si reges terrarum es principes thezaurizant2), si aurum rebus omnibus anteponunt, in cuius laudum preconia non vulgaris tantum cupiditas set scriben- tium quoque magnorum hominum conspirasse videntur ingenia, qui omne quod laudandum instituunt fore aureum omnes vocant. et ut idem Tuscus ait „quis non") magnum aliquid opinetur, quod b) omnis divini atque humani cultus precipuumc) ac pene unicum ornamentum, quod omnium laudabilium, optabilium, mirabilium- que rerum unum ac perpetuum audiat epithetond)? si Nero cesar domum illam suam, magnas urbis partes occupantem, auream dici voluit, non miramur, cume) illud nomen et inpense inpreciabilis magnitudo et parietes crustati1) auro stellatique gemmis haut mereantur indigne, at illud mirabile, quod mons Rome ad occiduam plagam surgens secus Vaticanum9) et Appolinis olym templum, nunc primam et maximam Petri sedem, alter mons Verone ad orientem versus non procul a menibus, ut utrumqueh) aureis nobili- tarent nominibus, uterque aureus est vocatus. priscum seculum summis laudibus volentes extollere, haut certe quantum nobis videtur inmerito, sequentibus namque collatum seculis invenietur et cupiditatis ignarum et innocencie amicum, ut omnes eius laudes una voce conprehenderent, aureum seculum vocavere3), ut illud Nasonis „aurea prima sata est etas, que vindice nullo sponte sua sine lege fidem rectumque colebat“4). quin etiam illius ducem seculi aureum a Vergilio dictum constat „aureus hanc vitam in terris Saturnus agebat“. a) vero b) per quod c) principum d) ephitotum e) tamen f) cursati g) vatuanum h) utramque 1) Am Rande, von späterer Hand „de laude et preciositate auri per totum infra“. 2) Das sagt Petrarca nicht, sondern „et miramur, si avaritiae regnum — late patet, si cunctis aurum rebus anteponitur 3) Der ganze Passus „si aurum rebus omnibus anteponunt — aureum seculum vocavere“ ist der Schrift Petrarcas entnommen. Unser Autor hat einzelne Worte geändert („vulgaris tantum cupiditas“ statt „vulgi t. c.", „scri- bentium quoque magnorum“ statt „sc. q. maximorum“, „omne quod laudandum instituunt, fore aureum omnes vocant“ statt „o. q. laudare in., aureum v.“, „magnum aliquid opinetur“ statt ,m. a. putet“, „impense impreciabilis magni- tudo" statt „im. inextimabilis m.“, „gemmis haut mereantur indigne“ statt „gemmis mereantur“, „Romae ad occiduam plagam surgens“ statt „R. ad oc. " pl.“, „utrumque aureis nobilitarent nominibus“ statt „utr. nobilitarent“, „summis laudibus volentes extollere“ statt „s. 1. efferunt“, „aureum seculum vocavere“ statt „a. s. dixere“), und an seiner Vorlage Kürzungen vorgenommen. Von den Stellen, die unser Autor gestrichen hat, ist eine hier anzuführen „id mirabile, quod et Romae Georgii martyris, et Ticini Petri apostoli domus est. illa veli, haec coeli aurei nacta cognomen, cum tamen aureum vel omnino aeneum coelum neque solibus neque imbribus aut roribus utile, et pro maledicto in libris sacris accipi, Ticinensium vicinus, sacer probet Ambrosius, nec auctoritate valuerit apud aurei nominis inventores“. 4) Dieses Zitat aus Ovid (metamorph., 1, 89) findet sich bei Petrarca nicht. Dort (§. 550) lautet der Text „(aureum seculum dixere.) qui et illius ducem saeculi aureum a Virgilio dictum scimus „aureus hanc vitam in terris Saturnus agebat“. 4%
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52 Set quia") circa hec inscissimusb) que de librisc) sunt erutad) gentilium, qui comame), insignemque corporis habitum, pulcritudinis formam, faleras, loraque sonipedum, arma, vestes, lectos, cytheras, vasa, fibulas!), trabes, parietesque, et millia talium aureis etulerunt nominibus: omissis itaque hiis quee) tamquam prophana quis diceret, ad sacros divertamus scriptores, quorum tibi procul dubio probabilior erit fides 1). si namque illi Romam Babilonemque auream dixerunt2), hii Jerusalem turres gemmis edificant, portas margaritis, plateas et muros ex auro describunt purissimo. Jeronimus summam Cyceroniane facundie laudem exprimens, aureum illud flumen dixit eloquencie; quod de Aristotile Cycero iam dixerat „Grecorum ille dissertissimus philosophush) aurei oris cognomen i) emeruit“, tam- quam nichil invenirent, quo fulgork) eloquii clarius et apcius posset promi, set quid facient homines in terris, ubi aurum [non] foditur, excuditur et 1) custoditur, quando deus ipse celo alloquens Moysen, deaurari sibi archam iubet auro mundissimo intus et foris? longum sanem) foret, omnia prosequi que de hac re Exodi liber tenet, ut coronam, circulos aureos, vectes auro opertos, propiciatorium, et cherubin, et inauratam mensam, labiumque in circuitu aureum, et phialas"), et turibula, ac cyatos, et candelabra, et uncinos, cathenas, et anulos, et tintinabulum°), omnia ex auro purissimo atque ipsum altare vestiri auro precipit. quid in libro Numeri, ut omittamus e) civi- a) quid b) So in der Handschrift c) liberis d) exuta tatem f)fibubas g) qui h) philosophues i) Korrigiert aus „ignomen" m) sanet k) fulgore l) et excuditur n) „phiale" korrigiert aus „phiole" o) tintabulum 1) Der Satz „sed quia circa hec — probabilior erit fides“ ist aus fol- genden Stellen der Vorlage zusammengesetzt: (S. 550, Zeile 8 von oben) ,idem [Virgilius] et comam, insignem corporis habitum describens, auream cesariem atque auream vestem dixit — — neque hominum modo, sed cornipedum idem habitus, quandoquidem ,ostroque insignis et auro stat sonipes‘ — — (S. 550, Zeile 9, von unten) „et quae sunt eiusmodi infinita apud alios atque alios, vulga- tissima enim sunt omnibus, quae iam fere communis usus auri, in armis, in vestibus, in lectis, in cytharis, in vasis, in fibulis — — (Zeile 6) non satis est vestiri auro hominem, trabes, postesque utque mox dicam pavimenta et lapides auro vestiuntur“. (S. 552, Zeile 11, von oben) „sed fortasse dicat aliquis, pro- phana haec, deque gentilium libris eruta; ad scriptores sacros prodeat stylus“. Diesmal hat unser Autor von der Vorlage den bescheidensten Gebrauch ge- macht; sie enthält (auf zwei Folioseiten der Baseler Ausgabe) eine Fülle von Belegstellen über den Gebrauch des Wortes „aureus“ bei Vergil, Statius, Homer, Ovid, Horaz, Persius und Ausonius. Alle sind weggelassen, aber auch Be- merkungen Petrarcas, von welchen eine hier anzuführen ist. Er erwähnt, daß die Alten sich Götter aus Gold angefertigt hätten; und fügt hinzu (S. 551) „quem gentilium morem a nostris usurpatum doleo contra preceptum dei dicentis ,nec deos aureos facietis vobis'. neutris sane sat foeliciter cessit aurea ista divi- nitas, ut sic dixerim; nam et illos deos tum magis propitios fuisse, dum fictiles fuerunt, auctor est Seneca. et nobis Christum deum nostrum fuisse præsentiorem, antequam sibi aureas cuderemus imagines, ut qui fide pura ac pietate animi non auro delectetur, nemo usquam pius est qui nesciat“. 2) Damit schließt sich unsere Schrift bis zum Ende dieses Absatzes wieder ganz an die Vorlage an. Unser Autor hat einzelne Worte geändert, ganz in der Weise wie früher (siehe oben S. 51, Anmerkung 3), er hat da und dort gekürzt (siehe die folgende Anmerkung) — aber er hat keinen einzigen Satz, der sich nicht in der Vorlage findet.
52 Set quia") circa hec inscissimusb) que de librisc) sunt erutad) gentilium, qui comame), insignemque corporis habitum, pulcritudinis formam, faleras, loraque sonipedum, arma, vestes, lectos, cytheras, vasa, fibulas!), trabes, parietesque, et millia talium aureis etulerunt nominibus: omissis itaque hiis quee) tamquam prophana quis diceret, ad sacros divertamus scriptores, quorum tibi procul dubio probabilior erit fides 1). si namque illi Romam Babilonemque auream dixerunt2), hii Jerusalem turres gemmis edificant, portas margaritis, plateas et muros ex auro describunt purissimo. Jeronimus summam Cyceroniane facundie laudem exprimens, aureum illud flumen dixit eloquencie; quod de Aristotile Cycero iam dixerat „Grecorum ille dissertissimus philosophush) aurei oris cognomen i) emeruit“, tam- quam nichil invenirent, quo fulgork) eloquii clarius et apcius posset promi, set quid facient homines in terris, ubi aurum [non] foditur, excuditur et 1) custoditur, quando deus ipse celo alloquens Moysen, deaurari sibi archam iubet auro mundissimo intus et foris? longum sanem) foret, omnia prosequi que de hac re Exodi liber tenet, ut coronam, circulos aureos, vectes auro opertos, propiciatorium, et cherubin, et inauratam mensam, labiumque in circuitu aureum, et phialas"), et turibula, ac cyatos, et candelabra, et uncinos, cathenas, et anulos, et tintinabulum°), omnia ex auro purissimo atque ipsum altare vestiri auro precipit. quid in libro Numeri, ut omittamus e) civi- a) quid b) So in der Handschrift c) liberis d) exuta tatem f)fibubas g) qui h) philosophues i) Korrigiert aus „ignomen" m) sanet k) fulgore l) et excuditur n) „phiale" korrigiert aus „phiole" o) tintabulum 1) Der Satz „sed quia circa hec — probabilior erit fides“ ist aus fol- genden Stellen der Vorlage zusammengesetzt: (S. 550, Zeile 8 von oben) ,idem [Virgilius] et comam, insignem corporis habitum describens, auream cesariem atque auream vestem dixit — — neque hominum modo, sed cornipedum idem habitus, quandoquidem ,ostroque insignis et auro stat sonipes‘ — — (S. 550, Zeile 9, von unten) „et quae sunt eiusmodi infinita apud alios atque alios, vulga- tissima enim sunt omnibus, quae iam fere communis usus auri, in armis, in vestibus, in lectis, in cytharis, in vasis, in fibulis — — (Zeile 6) non satis est vestiri auro hominem, trabes, postesque utque mox dicam pavimenta et lapides auro vestiuntur“. (S. 552, Zeile 11, von oben) „sed fortasse dicat aliquis, pro- phana haec, deque gentilium libris eruta; ad scriptores sacros prodeat stylus“. Diesmal hat unser Autor von der Vorlage den bescheidensten Gebrauch ge- macht; sie enthält (auf zwei Folioseiten der Baseler Ausgabe) eine Fülle von Belegstellen über den Gebrauch des Wortes „aureus“ bei Vergil, Statius, Homer, Ovid, Horaz, Persius und Ausonius. Alle sind weggelassen, aber auch Be- merkungen Petrarcas, von welchen eine hier anzuführen ist. Er erwähnt, daß die Alten sich Götter aus Gold angefertigt hätten; und fügt hinzu (S. 551) „quem gentilium morem a nostris usurpatum doleo contra preceptum dei dicentis ,nec deos aureos facietis vobis'. neutris sane sat foeliciter cessit aurea ista divi- nitas, ut sic dixerim; nam et illos deos tum magis propitios fuisse, dum fictiles fuerunt, auctor est Seneca. et nobis Christum deum nostrum fuisse præsentiorem, antequam sibi aureas cuderemus imagines, ut qui fide pura ac pietate animi non auro delectetur, nemo usquam pius est qui nesciat“. 2) Damit schließt sich unsere Schrift bis zum Ende dieses Absatzes wieder ganz an die Vorlage an. Unser Autor hat einzelne Worte geändert, ganz in der Weise wie früher (siehe oben S. 51, Anmerkung 3), er hat da und dort gekürzt (siehe die folgende Anmerkung) — aber er hat keinen einzigen Satz, der sich nicht in der Vorlage findet.
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53 acetabula") et phyalas argenteas, legimus? ibi et altare aureum invo- lutumb) iacintino c) vestimento, et in sanctificacione thabernaculi atque altaris oblaciones principum Israhel, quarum nulla sine mortariolo aureo facta describitur, ut in summa tot sint mortariola, quot tribus. quid tube ductiles argentee, quas fieri ad vocandum multitudinem dominus mandat Moysy, quasid) non sonoriores enee quam forent argentee? quid in libro Regum ac Paralipomenon edificator templi Salomon ? nonne oraculum illud, toto orbe clarissimum, vestivit, domum ante oraculum operuit, atque altare ipsum texuit auro? ac ne sermo protendatur in longius, nil, inquit, erat in templo, quod auro non foret tectum. quid cc scuta, totidemque hastas aureas, eburneumque thronum regis dicamus auro vestitum fulvo nimis, denique scabellum ipsum aureum, et omnia vasa universamque suppellicem ex auro purissimo, usque adeo ut in diebus illius argen- tum nullius precii haberetur? quid ultra? in Proverbiis idem ait „posside sapienciam, quia auro melior est, et acquire prudenciam, quia preciosior est argento“. et in eodem libro „beatuse) qui invenit sapienciam et qui affluit prudencia, melior est eius acquisicio ne- gociacione auri et argenti“. et rursus sapienciam loquentem ostendens „melior est“ inquit „fructus meus auro et lapide precioso". vides unam eandemque sentenciam, quam sepe repeciit!). quis non aurum argentumque et lapidem preciosum magni extimet, cui ab homine sapientissimo sapiencia conparatur? nam etsi meliorem illam dicat, nichil tamen auro melius atque argento invenisse videtur, cui sa- pienciam anteferet. quid idem in Canticis dilecti caput aureum") et aureas manus facit, quasi e nulla possit re melius1)? Neque2) est quod miremur in filio, si utitur patris stilo; patrem dicentem audierat „iudicia domini vera, iustificata in semet ipsa, desiderabilia super aurum et lapidem preciosum“. et iterum „legem oris dei bonam super milia auri et argenti“. quis itaque aurum gemmasque contempneret, cum de sacris legat martyribus, super caput eorum coronam auream et coronam de lapide precioso? quid in Ecclesiastico? pedes firmi super plantas stabilis mulieris columpne auree dicuntur super bases argenteas. quid quod aurum Christo eth) offerendum David ipse et Ysayas prevident et Matthaeus narrat oblatum ? quid Machabeorum libri ? nonne et illi suum altare aureum habent, et cetera que leguntur ibidem? ac in eisdem libris Antiochus Jonathae 1) scribens, cum sacerdocium et presidatum super quatuor civitatibus sibi daret, vasa addidit aurea, et potestatem tribuit bibendi in auro et fibulam auream habendi. quis non grandia cre- a) acceptabula b) luo lutum c) iacinctinno d) ut quasi e) bis f) Korrigiert aus „repeciis“ g) aput aurum h) et ad i) Antiocus Jonacho 1) Nun folgt bei Petrarca (S. 552) „quid iam restat, nisi ut ipse deus nobis etiam totus aureus sit, quem, ut dixi, aliqui [Druck „aliquid“] non tam dicunt aureum quam faciunt, idquen on tam religionis studio quam avaritiae, divina quoque tentantis [Druck „tentatis“] et mortalibus triumphantis, in coelum si liceat ascensurae“. 2) Der folgende Absatz schließt sich noch mehr als früher der Vor- lage an.
53 acetabula") et phyalas argenteas, legimus? ibi et altare aureum invo- lutumb) iacintino c) vestimento, et in sanctificacione thabernaculi atque altaris oblaciones principum Israhel, quarum nulla sine mortariolo aureo facta describitur, ut in summa tot sint mortariola, quot tribus. quid tube ductiles argentee, quas fieri ad vocandum multitudinem dominus mandat Moysy, quasid) non sonoriores enee quam forent argentee? quid in libro Regum ac Paralipomenon edificator templi Salomon ? nonne oraculum illud, toto orbe clarissimum, vestivit, domum ante oraculum operuit, atque altare ipsum texuit auro? ac ne sermo protendatur in longius, nil, inquit, erat in templo, quod auro non foret tectum. quid cc scuta, totidemque hastas aureas, eburneumque thronum regis dicamus auro vestitum fulvo nimis, denique scabellum ipsum aureum, et omnia vasa universamque suppellicem ex auro purissimo, usque adeo ut in diebus illius argen- tum nullius precii haberetur? quid ultra? in Proverbiis idem ait „posside sapienciam, quia auro melior est, et acquire prudenciam, quia preciosior est argento“. et in eodem libro „beatuse) qui invenit sapienciam et qui affluit prudencia, melior est eius acquisicio ne- gociacione auri et argenti“. et rursus sapienciam loquentem ostendens „melior est“ inquit „fructus meus auro et lapide precioso". vides unam eandemque sentenciam, quam sepe repeciit!). quis non aurum argentumque et lapidem preciosum magni extimet, cui ab homine sapientissimo sapiencia conparatur? nam etsi meliorem illam dicat, nichil tamen auro melius atque argento invenisse videtur, cui sa- pienciam anteferet. quid idem in Canticis dilecti caput aureum") et aureas manus facit, quasi e nulla possit re melius1)? Neque2) est quod miremur in filio, si utitur patris stilo; patrem dicentem audierat „iudicia domini vera, iustificata in semet ipsa, desiderabilia super aurum et lapidem preciosum“. et iterum „legem oris dei bonam super milia auri et argenti“. quis itaque aurum gemmasque contempneret, cum de sacris legat martyribus, super caput eorum coronam auream et coronam de lapide precioso? quid in Ecclesiastico? pedes firmi super plantas stabilis mulieris columpne auree dicuntur super bases argenteas. quid quod aurum Christo eth) offerendum David ipse et Ysayas prevident et Matthaeus narrat oblatum ? quid Machabeorum libri ? nonne et illi suum altare aureum habent, et cetera que leguntur ibidem? ac in eisdem libris Antiochus Jonathae 1) scribens, cum sacerdocium et presidatum super quatuor civitatibus sibi daret, vasa addidit aurea, et potestatem tribuit bibendi in auro et fibulam auream habendi. quis non grandia cre- a) acceptabula b) luo lutum c) iacinctinno d) ut quasi e) bis f) Korrigiert aus „repeciis“ g) aput aurum h) et ad i) Antiocus Jonacho 1) Nun folgt bei Petrarca (S. 552) „quid iam restat, nisi ut ipse deus nobis etiam totus aureus sit, quem, ut dixi, aliqui [Druck „aliquid“] non tam dicunt aureum quam faciunt, idquen on tam religionis studio quam avaritiae, divina quoque tentantis [Druck „tentatis“] et mortalibus triumphantis, in coelum si liceat ascensurae“. 2) Der folgende Absatz schließt sich noch mehr als früher der Vor- lage an.
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54 deret, quibus uti sine regia licencia non liceret?1) ceterum cum ad- versus Thimotheum pugnaturus Judas Machabeus"), ipse cum suis. ciliciis induti et terra caput aspersi atque ante altare provoluti, divinum implorassent auxilium, cepto prelio apparuerunt auxiliares quinque viri, frenis aureis decori, quorum ope magnam sunt consecuti victoriam, postea cum adversus prevalidum Lisieb) exercitum Judas idem properaret cum paucis, flentesque et lacrimantes una voce deum exorarent humiliter, ut eis bonum angelum mitteret ad sa- lutem Israhelc), apparuit precedens eos eques armatus, et quibus armis? nemped) aureis; quo viso confortati omnes pugnaverunt viriliter et vicerunt. postremo Judas ipse cum Nicanoree) pugnaturus multa imparitate exercituum!), dum cum innumerus ille esset, iste cum paucis, de eventu sollicitus vidit in sompniis Jeremiam pro- phetam sibi gladium porrigentem, et quem gladium ? aureum2), ac dicentem „accipe sanctum gladium munus a deo, in quo deicies adversarios populi mei Israhel". quo sompnio recitato suis, confortati omnes se gesserunt viriliter, et sic evenit, ut promissum erat: multi- tudo succubuit paucitati. quis igitur, dices fili nobis, aurum despiciet3), quod et visu pulcherrimum et sacris laudatum scripturis et visioni- bus") illustratum ? audisti, dei munus fuisse, virumque fortissimum aureo gladio delectatum, cum tamen ferreoh) uteretur. quid Apo- calipsis liber, sacrorum 1) misteriorumque plenissimus? nonne angelo Philadelphie suadetur, aurum emere ignitum et probatum, ut locuplex fiat? ibi etiam et candelabra et phialas aureas et angelum stantem ante altare aureum, quod est ante thronum dei, et habentem turibulum aureum in manu sua. nonne denique non modo mere- tricem illam magnamk), cum regibus fornicantem 1), inauratam auro et lapide precioso, habentemque poculum aureum in manu sua, quam non sit mirum delectari in talibus. set XXIIII'r sedentes in sedibus suis in conspectu dei, coronasque aureas in capitibus eorumm) et angelos VIIem e templo tabernaculi testimonii exeuntes, circa pectora zonis aureis precinctos, et quo alcius iri") nequit, filium°) hominis precinctum ad mamillasp) zona aurea, et in eiusdem capite a) Das folgende „cu“ durchstrichen b) Lesie c) Isihel, vorher „Irhs“ durchstrichen d) et nempe e) Michanore f) exercitum g) Korrigiert i sacramentorum k) magam l) formicantem aus „visibus" h) ferro p manillas. m) et eorum n) rei o) filii 1) Nun folgt in der Vorlage (S. 553) „quis preterea non vigilans verum aurum magno haberet in pretio, cui per visiones et somnia pretium cumuletur? certe cum a rege Seleuco ad diripiendum templum missus Heliodorus flente populo et orante dirum ministerium exequi properaret, subita et horrenda visione repressus abstinuit, equitis apparentis ad auxilium templi. et sequitur „qui videbatur [Druck „videbantur“] arma habere aurea“. mirum, quasi [Druck „quae si“] coelestis auxiliator locum sanctum non posset ab iniuria hominum armis nisi aureis vindicare. dehinc cum post omnem mortem et civilibus et externis malis circumventa Hierusalem de rerum fine sollicita atque suspensa esset diebus XL, apparuerunt in aere equites volitantes et cohortes armatae, sed quibus quaeso armis? nempe aureis et hastilibus aureis indutae. (deinde autem cum adversus Timotheum pugnaturus Judas“ usw. siehe oben)“. 2) Petrarca (S. 553) „profecto aureum.“ 3) Petrarca (ebenda) „i, nunc sperne aurum, quod —
54 deret, quibus uti sine regia licencia non liceret?1) ceterum cum ad- versus Thimotheum pugnaturus Judas Machabeus"), ipse cum suis. ciliciis induti et terra caput aspersi atque ante altare provoluti, divinum implorassent auxilium, cepto prelio apparuerunt auxiliares quinque viri, frenis aureis decori, quorum ope magnam sunt consecuti victoriam, postea cum adversus prevalidum Lisieb) exercitum Judas idem properaret cum paucis, flentesque et lacrimantes una voce deum exorarent humiliter, ut eis bonum angelum mitteret ad sa- lutem Israhelc), apparuit precedens eos eques armatus, et quibus armis? nemped) aureis; quo viso confortati omnes pugnaverunt viriliter et vicerunt. postremo Judas ipse cum Nicanoree) pugnaturus multa imparitate exercituum!), dum cum innumerus ille esset, iste cum paucis, de eventu sollicitus vidit in sompniis Jeremiam pro- phetam sibi gladium porrigentem, et quem gladium ? aureum2), ac dicentem „accipe sanctum gladium munus a deo, in quo deicies adversarios populi mei Israhel". quo sompnio recitato suis, confortati omnes se gesserunt viriliter, et sic evenit, ut promissum erat: multi- tudo succubuit paucitati. quis igitur, dices fili nobis, aurum despiciet3), quod et visu pulcherrimum et sacris laudatum scripturis et visioni- bus") illustratum ? audisti, dei munus fuisse, virumque fortissimum aureo gladio delectatum, cum tamen ferreoh) uteretur. quid Apo- calipsis liber, sacrorum 1) misteriorumque plenissimus? nonne angelo Philadelphie suadetur, aurum emere ignitum et probatum, ut locuplex fiat? ibi etiam et candelabra et phialas aureas et angelum stantem ante altare aureum, quod est ante thronum dei, et habentem turibulum aureum in manu sua. nonne denique non modo mere- tricem illam magnamk), cum regibus fornicantem 1), inauratam auro et lapide precioso, habentemque poculum aureum in manu sua, quam non sit mirum delectari in talibus. set XXIIII'r sedentes in sedibus suis in conspectu dei, coronasque aureas in capitibus eorumm) et angelos VIIem e templo tabernaculi testimonii exeuntes, circa pectora zonis aureis precinctos, et quo alcius iri") nequit, filium°) hominis precinctum ad mamillasp) zona aurea, et in eiusdem capite a) Das folgende „cu“ durchstrichen b) Lesie c) Isihel, vorher „Irhs“ durchstrichen d) et nempe e) Michanore f) exercitum g) Korrigiert i sacramentorum k) magam l) formicantem aus „visibus" h) ferro p manillas. m) et eorum n) rei o) filii 1) Nun folgt in der Vorlage (S. 553) „quis preterea non vigilans verum aurum magno haberet in pretio, cui per visiones et somnia pretium cumuletur? certe cum a rege Seleuco ad diripiendum templum missus Heliodorus flente populo et orante dirum ministerium exequi properaret, subita et horrenda visione repressus abstinuit, equitis apparentis ad auxilium templi. et sequitur „qui videbatur [Druck „videbantur“] arma habere aurea“. mirum, quasi [Druck „quae si“] coelestis auxiliator locum sanctum non posset ab iniuria hominum armis nisi aureis vindicare. dehinc cum post omnem mortem et civilibus et externis malis circumventa Hierusalem de rerum fine sollicita atque suspensa esset diebus XL, apparuerunt in aere equites volitantes et cohortes armatae, sed quibus quaeso armis? nempe aureis et hastilibus aureis indutae. (deinde autem cum adversus Timotheum pugnaturus Judas“ usw. siehe oben)“. 2) Petrarca (S. 553) „profecto aureum.“ 3) Petrarca (ebenda) „i, nunc sperne aurum, quod —
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55 sedentis in nubibus auream coronam. et civitatem sanctam et plateas eius, ut dictum est, ex auro mundo ac portas ac fundamenta ex lapidibus preciosis legisse recolimus. quin etiam non ex auro fabrefactam, sed civitatem ipsam et plateas eius mundum aurum dixit. infinita sunt talia, vixque ullus, ut idem 1) ait scripturarum angulus auro vacat2). nemo itaque ambiget, quin tam") in secu- laribus literis quam in sacris, licet in hiis prolata sint mistice, aureus loquendi modus ex ore doctorum virorum auditus possitb) velud auctoritate quadam ad ardenciorem auri sitim avarosč) hominum animos irritared) 3). Verum 4) sive aliorum verbis exemploque sive cupiditate cuique insitae), in que discrimina, que ludibria, aut quos miserabiles exitus raptetur humanum genus, actum avaricia, placet fili ut audias. nec opus est fabulis, vere occurrunt hystorie, quamquam nec historiis nec scriptorum testimonio foret opus; omne forum, omnis vicus, omnis domus exemplis habundat. nemo ne avaricia iusiurandum spretum, fractam fidem, corumptam iusticiam, elusas amicicias, neglecta iura sanguinis, postpositum dei metum, omne demum scelus, fas nephasque permixtum sepe iam viderit5). que alia dissensionum fere omnium causa est, nisi vorax inexpletaque infectorum animorum cupiditas? que rarissime !) seu nulle") forent, si ut proverbium vetus habet, duo pronomina „meum“h) et „tuum“ de medio tollerentur. quod quia non fit, videmus hanc brevem et calamitosam vitam maxime ab hanc causam in innumeris estuare i) discordiis, ut illud a) Korrigiert aus „tantum“ b) possidet c) aureos d) irritatus e) Das folgende „que“ durchstrichen f) rarissome g) mille h) medium i) extuare 1) Nämlich Petrarca oder wie unser Autor sagt „Tuscus“. 2) Nun folgt bei Petrarca (S. 553): „(mille sunt talia, vixque ullus scriptu- rarum angulus auro vacat.) quaedam vero tam frivola, ut attingere pigeat. quo enim vel in apparitione illa nocturna sanctae virginis Agnetis ac virginei illam comitantis exercitus auro textae cyclades, tanquam sine auro nec in coelis posset esse felicitas! vel in inventione corporis beatissimi protomartyris Stephani illae, proceri decorique senis beatum presbyterum Lucianum excitantis, in pallio intextae cruces aureae, cum crux illa, in qua pendens Christus nos redemit, certe non aurea fuerit sed lignea; ligno perditi e ligno recuperati sumus, neque in nostra redemptione, quamvis captivi in manibus avarissimi hostis essemus, omnino auri aliquid sed sanguis intervenit. quid eiusdem senis in manu virga aurea, cum [Druck „in“] qua sopitum tangeret? nunquid non vel nuda manu vel virga alia, seu acerna seu faginea, tangi posset?“ 3) Dieser Satz lautet in der Vorlage (S. 554): „quae omnia et quae sunt his similia, etsi in literis secularibus non ex iudicio scribentium sed ex errore legentium dici atque illorum infirmitatibus condescendi arbitrer, in sacris autem sensu mystico altiore prolata non dubitem, tamen hic ubique aureus [Druck „aures“] loquendi modus, ex ore doctorum hominum auditus, potest forsitan nonnumquam velut auctoritate quadam ad ampliorem auri sitim avaros vulgi animos irritare“. 4) Am Rande von späterer Hand „detestacio avaricie“. Auch der folgende Absatz ist eine (allerdings stark verkürzte) Wiedergabe der Schrift Petrarcas. 5) Nun folgt in der Vorlage (S. 554) eine Stelle über die Prostitution, die unser Autor weggelassen hat: „ut probra illa preteream auditu gravia, visu foeda, sed iam ubique communia, carnem suam vili pretio et misera mercede vendentium, et vel propriam pudicitiam prostituentium alienae libidini, vel instar pecudum sorores, coniuges filiasque mercantium“.
55 sedentis in nubibus auream coronam. et civitatem sanctam et plateas eius, ut dictum est, ex auro mundo ac portas ac fundamenta ex lapidibus preciosis legisse recolimus. quin etiam non ex auro fabrefactam, sed civitatem ipsam et plateas eius mundum aurum dixit. infinita sunt talia, vixque ullus, ut idem 1) ait scripturarum angulus auro vacat2). nemo itaque ambiget, quin tam") in secu- laribus literis quam in sacris, licet in hiis prolata sint mistice, aureus loquendi modus ex ore doctorum virorum auditus possitb) velud auctoritate quadam ad ardenciorem auri sitim avarosč) hominum animos irritared) 3). Verum 4) sive aliorum verbis exemploque sive cupiditate cuique insitae), in que discrimina, que ludibria, aut quos miserabiles exitus raptetur humanum genus, actum avaricia, placet fili ut audias. nec opus est fabulis, vere occurrunt hystorie, quamquam nec historiis nec scriptorum testimonio foret opus; omne forum, omnis vicus, omnis domus exemplis habundat. nemo ne avaricia iusiurandum spretum, fractam fidem, corumptam iusticiam, elusas amicicias, neglecta iura sanguinis, postpositum dei metum, omne demum scelus, fas nephasque permixtum sepe iam viderit5). que alia dissensionum fere omnium causa est, nisi vorax inexpletaque infectorum animorum cupiditas? que rarissime !) seu nulle") forent, si ut proverbium vetus habet, duo pronomina „meum“h) et „tuum“ de medio tollerentur. quod quia non fit, videmus hanc brevem et calamitosam vitam maxime ab hanc causam in innumeris estuare i) discordiis, ut illud a) Korrigiert aus „tantum“ b) possidet c) aureos d) irritatus e) Das folgende „que“ durchstrichen f) rarissome g) mille h) medium i) extuare 1) Nämlich Petrarca oder wie unser Autor sagt „Tuscus“. 2) Nun folgt bei Petrarca (S. 553): „(mille sunt talia, vixque ullus scriptu- rarum angulus auro vacat.) quaedam vero tam frivola, ut attingere pigeat. quo enim vel in apparitione illa nocturna sanctae virginis Agnetis ac virginei illam comitantis exercitus auro textae cyclades, tanquam sine auro nec in coelis posset esse felicitas! vel in inventione corporis beatissimi protomartyris Stephani illae, proceri decorique senis beatum presbyterum Lucianum excitantis, in pallio intextae cruces aureae, cum crux illa, in qua pendens Christus nos redemit, certe non aurea fuerit sed lignea; ligno perditi e ligno recuperati sumus, neque in nostra redemptione, quamvis captivi in manibus avarissimi hostis essemus, omnino auri aliquid sed sanguis intervenit. quid eiusdem senis in manu virga aurea, cum [Druck „in“] qua sopitum tangeret? nunquid non vel nuda manu vel virga alia, seu acerna seu faginea, tangi posset?“ 3) Dieser Satz lautet in der Vorlage (S. 554): „quae omnia et quae sunt his similia, etsi in literis secularibus non ex iudicio scribentium sed ex errore legentium dici atque illorum infirmitatibus condescendi arbitrer, in sacris autem sensu mystico altiore prolata non dubitem, tamen hic ubique aureus [Druck „aures“] loquendi modus, ex ore doctorum hominum auditus, potest forsitan nonnumquam velut auctoritate quadam ad ampliorem auri sitim avaros vulgi animos irritare“. 4) Am Rande von späterer Hand „detestacio avaricie“. Auch der folgende Absatz ist eine (allerdings stark verkürzte) Wiedergabe der Schrift Petrarcas. 5) Nun folgt in der Vorlage (S. 554) eine Stelle über die Prostitution, die unser Autor weggelassen hat: „ut probra illa preteream auditu gravia, visu foeda, sed iam ubique communia, carnem suam vili pretio et misera mercede vendentium, et vel propriam pudicitiam prostituentium alienae libidini, vel instar pecudum sorores, coniuges filiasque mercantium“.
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56 Ovidii in sui magni operis primordio proclamantis „vivitur ex rapto“, en rapina et malorum radix cupiditas. et ut uno verbo ramos omnes colligeret, addidit „victa iacet pietas". ideo pietas victa, quia victrixa) cupiditas. et subdit „et virgo cede madentes ultima celestum terras Astrea reliquit“ 1). virgo iusticia est, que terras reliquit invalescente avaricia contra eam. ac totam mali summam, fraudes, rapinas, homicidia, falsum testimonium, impietatem, discordias, feditatemb), adulteria, corumptelas brevius strinxite) Maro, cum interrogans et exclamans ait „quid nond) mortalia pectora cogis auri sacra fames“. profecto nil mali est, dilectissime fili, quod non persuadeat, ad extremum cogat eius, de quo multa scripsimuse), auri sacra fames; tantum oculos, et quod miserius est, animum ipsum pallor ille croceus oblectat, quod nec apostolum latuit, ubi radicem omnium malorum cupiditatem fore asseruit. „quam quidem appetentes inquit „erraverunt a fide et inseruerunt se doloribus multis“. nulla enim, ut Satiricus ait, reverencia legum2), nullus metus aut pudor est unquam properantis avari!). mergi9) autem homines desideriis multis et malis in interitum, licet credash) et Paulo et 1) Crassum interroga, qui predivite Jerosolimorumk) templo, a quo se continen- tissimus ducum magnus Pompeius abstinuerat 1), nepharie spoliato, plenusque auro necdum satur setm) adhuc siciens, et furiis actus avaricie in necem et in Parthiam festinabat, tandem illic miser sacietatem optatam set funeream reperturus. et obstabat illi fedus cum collega initum"), obstabat iusticia, obstabat pudor, obstabat ad ultimum ira dei plena minis°), plenaque horrendis fulminibus; sic quidem contra decorem ac pudorem contraque evidentissimum mortis peri- culum miserum flagrantemque animum urgebat auri sacra fames, seu verius ipsa sitis. non comesturus set bibiturus aurum ibat, evicitquep) tot frena virtutum avaricie calcar unum, tantum cupi- ditas odio et crudelitate potencior est inventa. set ne Crassus in hiis literis solus consedeat 3) —qui utinam in hominibus solus esset — dimissis aliis quorum note sunt hystorie, in quibus non solum iusticia pedibus avaricie prostrata set verecundia humanitasqueq) calcate, atque horrenda flagicia sunt admissa, ad illos solum tres, qui aput Valerium sunt locati, divertimus: Cassium videlicet, Septimuleium"), Ptolomeumque. quorum primus percussores suos cum gladiis ad se interficiendum missos pacto precio liberavit 4), pulcra res, si clemencie a) vitrix b) fetiditatem korrigiert aus „feditiditatem“ c) brevis scennix d)vero e) Korrigiert aus „scriptissimo“ f) quam properantis auri i) Uber h) Korrigiert aus „et redas" g) Korrigiert aus „miergi“ 1) abstinerat der Zeile nachgetragen k) Korrigiert aus „Jerosomuorum“ m) nec n) imitum o) nimis p) emetque q) humanitatisque r) Sep- timulum 1) Dieser Vers Ovids (metamorph. 1, 149) samt dem als Kommentar folgenden Satze fehlt in der Vorlage. 2) Diese Stelle lautet in der Vorlage (S. 554): „quis vero praecipitanti [Druck „praecipitati“] avaritiae frenum ponet, atque ut Satyricus idem ait „quae reverentia legum, quis metus aut pudor est unquam properantis avari?“ " 3) Vorlage (S. 555): „venio ad alios, ne Crassus in his literis solus sit“. 4) Ebenda, „quorum primus percussores suos cum gladiis ad se inter- ficiendum missos parato (Druck „peracto“] pretio dimisit“.
56 Ovidii in sui magni operis primordio proclamantis „vivitur ex rapto“, en rapina et malorum radix cupiditas. et ut uno verbo ramos omnes colligeret, addidit „victa iacet pietas". ideo pietas victa, quia victrixa) cupiditas. et subdit „et virgo cede madentes ultima celestum terras Astrea reliquit“ 1). virgo iusticia est, que terras reliquit invalescente avaricia contra eam. ac totam mali summam, fraudes, rapinas, homicidia, falsum testimonium, impietatem, discordias, feditatemb), adulteria, corumptelas brevius strinxite) Maro, cum interrogans et exclamans ait „quid nond) mortalia pectora cogis auri sacra fames“. profecto nil mali est, dilectissime fili, quod non persuadeat, ad extremum cogat eius, de quo multa scripsimuse), auri sacra fames; tantum oculos, et quod miserius est, animum ipsum pallor ille croceus oblectat, quod nec apostolum latuit, ubi radicem omnium malorum cupiditatem fore asseruit. „quam quidem appetentes inquit „erraverunt a fide et inseruerunt se doloribus multis“. nulla enim, ut Satiricus ait, reverencia legum2), nullus metus aut pudor est unquam properantis avari!). mergi9) autem homines desideriis multis et malis in interitum, licet credash) et Paulo et 1) Crassum interroga, qui predivite Jerosolimorumk) templo, a quo se continen- tissimus ducum magnus Pompeius abstinuerat 1), nepharie spoliato, plenusque auro necdum satur setm) adhuc siciens, et furiis actus avaricie in necem et in Parthiam festinabat, tandem illic miser sacietatem optatam set funeream reperturus. et obstabat illi fedus cum collega initum"), obstabat iusticia, obstabat pudor, obstabat ad ultimum ira dei plena minis°), plenaque horrendis fulminibus; sic quidem contra decorem ac pudorem contraque evidentissimum mortis peri- culum miserum flagrantemque animum urgebat auri sacra fames, seu verius ipsa sitis. non comesturus set bibiturus aurum ibat, evicitquep) tot frena virtutum avaricie calcar unum, tantum cupi- ditas odio et crudelitate potencior est inventa. set ne Crassus in hiis literis solus consedeat 3) —qui utinam in hominibus solus esset — dimissis aliis quorum note sunt hystorie, in quibus non solum iusticia pedibus avaricie prostrata set verecundia humanitasqueq) calcate, atque horrenda flagicia sunt admissa, ad illos solum tres, qui aput Valerium sunt locati, divertimus: Cassium videlicet, Septimuleium"), Ptolomeumque. quorum primus percussores suos cum gladiis ad se interficiendum missos pacto precio liberavit 4), pulcra res, si clemencie a) vitrix b) fetiditatem korrigiert aus „feditiditatem“ c) brevis scennix d)vero e) Korrigiert aus „scriptissimo“ f) quam properantis auri i) Uber h) Korrigiert aus „et redas" g) Korrigiert aus „miergi“ 1) abstinerat der Zeile nachgetragen k) Korrigiert aus „Jerosomuorum“ m) nec n) imitum o) nimis p) emetque q) humanitatisque r) Sep- timulum 1) Dieser Vers Ovids (metamorph. 1, 149) samt dem als Kommentar folgenden Satze fehlt in der Vorlage. 2) Diese Stelle lautet in der Vorlage (S. 554): „quis vero praecipitanti [Druck „praecipitati“] avaritiae frenum ponet, atque ut Satyricus idem ait „quae reverentia legum, quis metus aut pudor est unquam properantis avari?“ " 3) Vorlage (S. 555): „venio ad alios, ne Crassus in his literis solus sit“. 4) Ebenda, „quorum primus percussores suos cum gladiis ad se inter- ficiendum missos parato (Druck „peracto“] pretio dimisit“.
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57 non avaricie consilio foreta) acta. secundus Gracchib) caput perempti, cui familiaris extiterat, amputavit perque Urbem pilo circumtulitc), liquata etiam (ut memorant) in capitis cavernulis massa plumbi, quo ponderosiusd) foret, quoniam auro pensandum illud consul edixerat; digna ut libet Gracchib) mors, Septimuleie) tamen fera atque indigna cupiditas. tertius cum esset rex Cipri1), et propter opum magnitudinem vite sibi discrimen imminens videret, cepit consilium, ut se diviciis suis perditis predam hostibus eriperet. atque hoc animo progressus in pellagus, ut illic percussa navi cuncta undis obrueret; at ubi ad execucionem honesti consilii ventum est, avara mens auro solicita suis parcens opibus, quod destinaverat non adimplevit, set mutato proposito ad litus reddiit, et precium mortis iugulum que suis interfectoribus reportavit. hic procul dubio rex, ut idem inquit Valerius, non possedit divicias, sed a diviciis est possessus. quod et a Davitica non delirat sentencia, ubi ait „dormierunt sompnium suum, et nichil invenerunt omnes viri diviciarum in mani- bus suis". perpendis, dulcissime fili, quemadmodum non divicias virorum, sed viros diviciarum vocavit mordaciter David ipse1). hii namque nedum copiosi et divites, sed etiam inopes sunt et pauperes extimandi, cum nullus eorum adhuc inventus sit, cui quod haberet satis esset. Non ideo hic tanta de hac labe pestifera suisque exhorrendis effectibus tue scripsimus iuventuti, quia hoc eodem vicio animum tuum putaremus obsessum, set ut, eius plurima variaque feditate conspecta cognitis quoque eius expavescendis exitibus9), et leteris per amplius hoc contagioso morbo nunquam te fuisse infectum, et imperando non serviendo diviciis ipsum habeash) magis spretum. quo spreto nil erit quod prepedire te possit, ut non sis prudens in agendis, fortis ad utrumque secundum adversumque adventum, vel modestus in utendis, equusvei) ponderator iusticie ministrande subiectis. que tamen non semper exercenda est. interdum et severi- tate, cuius opus fuit, uti debes, ut sic per illam peccatum corrigitur, sic per istam radicatum facinus exstirpetur. pluris tamenk) et fere semper saluberima humani generis patrona 1) tuis dulcescas: cle- mencia2). que non ad instar eorum vel nocentes equo torquet supplicio, vel in eos rigescit gladio cruentato, dum non ferit nec cruentat obnoxios, set aut penas ex toto donat pie, aut eas quadam animi temperat lenitate. hec quantum regnantibus conpetat3), ex uis e) Sep- k) plures timuli eciam b) Gracti c) circumtulerit d) pondere su a) fore f) Cipiri g) exiteribus h) habebas i) equsve l) matrona 1) Diese Erklärung findet sich bereits in der Schrift Petrarcas, welche mit den Worten „sed sit modus. tu vero divitiarum tuarum dominus esto non servus, dumque adhuc invenire aliquid in manibus tuis potes, ter vocatus expergiscere“ schließt. Man kann also sagen, daß unser Autor seine Vorlage fast bis zum letzten Wort ausgebeutet hat. 2) Am Rande, von späterer Hand „de clemencia regis habenda“; der nun folgende Abschnitt beruht auf der Schrift Senecas „de clementia“. 3) Dieser Gedanke wird von Seneca in der eben genannten Schrift wieder- holt ausgesprochen: I, 3, 3 „nullum tamen clementia ex omnibus magis quam
57 non avaricie consilio foreta) acta. secundus Gracchib) caput perempti, cui familiaris extiterat, amputavit perque Urbem pilo circumtulitc), liquata etiam (ut memorant) in capitis cavernulis massa plumbi, quo ponderosiusd) foret, quoniam auro pensandum illud consul edixerat; digna ut libet Gracchib) mors, Septimuleie) tamen fera atque indigna cupiditas. tertius cum esset rex Cipri1), et propter opum magnitudinem vite sibi discrimen imminens videret, cepit consilium, ut se diviciis suis perditis predam hostibus eriperet. atque hoc animo progressus in pellagus, ut illic percussa navi cuncta undis obrueret; at ubi ad execucionem honesti consilii ventum est, avara mens auro solicita suis parcens opibus, quod destinaverat non adimplevit, set mutato proposito ad litus reddiit, et precium mortis iugulum que suis interfectoribus reportavit. hic procul dubio rex, ut idem inquit Valerius, non possedit divicias, sed a diviciis est possessus. quod et a Davitica non delirat sentencia, ubi ait „dormierunt sompnium suum, et nichil invenerunt omnes viri diviciarum in mani- bus suis". perpendis, dulcissime fili, quemadmodum non divicias virorum, sed viros diviciarum vocavit mordaciter David ipse1). hii namque nedum copiosi et divites, sed etiam inopes sunt et pauperes extimandi, cum nullus eorum adhuc inventus sit, cui quod haberet satis esset. Non ideo hic tanta de hac labe pestifera suisque exhorrendis effectibus tue scripsimus iuventuti, quia hoc eodem vicio animum tuum putaremus obsessum, set ut, eius plurima variaque feditate conspecta cognitis quoque eius expavescendis exitibus9), et leteris per amplius hoc contagioso morbo nunquam te fuisse infectum, et imperando non serviendo diviciis ipsum habeash) magis spretum. quo spreto nil erit quod prepedire te possit, ut non sis prudens in agendis, fortis ad utrumque secundum adversumque adventum, vel modestus in utendis, equusvei) ponderator iusticie ministrande subiectis. que tamen non semper exercenda est. interdum et severi- tate, cuius opus fuit, uti debes, ut sic per illam peccatum corrigitur, sic per istam radicatum facinus exstirpetur. pluris tamenk) et fere semper saluberima humani generis patrona 1) tuis dulcescas: cle- mencia2). que non ad instar eorum vel nocentes equo torquet supplicio, vel in eos rigescit gladio cruentato, dum non ferit nec cruentat obnoxios, set aut penas ex toto donat pie, aut eas quadam animi temperat lenitate. hec quantum regnantibus conpetat3), ex uis e) Sep- k) plures timuli eciam b) Gracti c) circumtulerit d) pondere su a) fore f) Cipiri g) exiteribus h) habebas i) equsve l) matrona 1) Diese Erklärung findet sich bereits in der Schrift Petrarcas, welche mit den Worten „sed sit modus. tu vero divitiarum tuarum dominus esto non servus, dumque adhuc invenire aliquid in manibus tuis potes, ter vocatus expergiscere“ schließt. Man kann also sagen, daß unser Autor seine Vorlage fast bis zum letzten Wort ausgebeutet hat. 2) Am Rande, von späterer Hand „de clemencia regis habenda“; der nun folgende Abschnitt beruht auf der Schrift Senecas „de clementia“. 3) Dieser Gedanke wird von Seneca in der eben genannten Schrift wieder- holt ausgesprochen: I, 3, 3 „nullum tamen clementia ex omnibus magis quam
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58 quadam lege vere potes conprehendere, ad quod innuendum unum omissis aliis exemplar tibi sufficiat, ut est illud naturale in apibus. quod tanto pulcrius est, tantoque magis notandum, quanto iracun- diores ille sunt, et regem super se constituunta) non habentem aculeum. noluit illum natura sevum esse, noluit crudelem exigere ulcionem, set telum detraxit, iramque eius inermemb) reliquit. nec pudeat, fili, ab exiguis animalibusc) moresd) te trahere, cum tanto moderacior animus hominum esse debeat, quanto potencior ad no- cendum ulciscendumque extat1). huiusmodi tam humane tamque sancte virtutis munere nemo est qui non indigeat, cum nulli adeo sua debeat placere innocencia, ut non adesse semper paratam in conspectu humani errorise) letetur clemenciam1). sicut namque medicina egent egroti, veneranturque eam etiam bene sani, ita hec et ab innocentibus colitur, et a dignis pena necessario invocatur2). quare ex omnibus nullum decet magis quam regem, nullique decorion quam imperatoribus tanta virtus, cum quas habent aut officiendi aut vindicandi vires, non in crudelitatem, ut possent, transferunt set in salutarem mutant potenciam 3). hec est, fili, sola virtus, que magis omnibus gloriosos, decoros, ac carissimos reges facit, hac etenim humanius9) hominibus parcitur, et principatus regentis stabilius roboratur, ut illud sapientis „iusticia et veritas regem custodiunt, et eius clemencia corroboraturh) eius thronus“4). errant siquidem et non parum, qui ibi tutum regem esse existimant, ubi a rege nichil esse tutum nichilve pium non ignorant 5). hoc seviencium tyrrannorum proprium est, ut illos semper formident solliciti, quorum diurnis nocturnisque1) custodiis se faciunt vigilancius custodiri. at clementissimo principi nullis opus est se valare custodiis, non sepire celsis muris et turribus, non arces struere in altum errectas, non cingere fossis civitates profundis, nec latera moncium abscidere, et in ascensum arduosk) colles munire; salvum securumque ubique b) incrivem c) ab animabus d) vires e) hu- a constitunt f) clemencia g) humanis h) corroborantur i) diutius manis herroribus k) assensum arduo se calle nocturnusque regem aut principem decet“; I, 5, 2 „est ergo, ut dicebam, clementia omnibus quidem hominibus secundum naturam, maxime tamen decora imperatoribus“; I, 19, 1 „excogitare nemo quicquam poterit, quod magis decorum regenti sit quam clementia“. 1) Seneca, a. a. O., I, 19, 3, „iracundissimae ac pro corporis captu pugna- cissimae sunt apes et aculeos in volnere relinquunt, rex ipse sine aculeo est; noluit illum natura nec saevum esse nec ultionem magno constataram petere, — — pudeat ab exiguis ani- telumque detraxit et iram eius inermem reliquit. malibus non trahere mores, cum tanto hominum moderatior esse animus debeat, quanto vehementius nocet“. 2) Ebenda, 2, 1, „sicut medicinae apud aegros usus, etiam apud sanos honor est, ita clementiam, quamvis poena digni invocent, etiam innocentes colunt“. 3) Ebenda, 3, 3, „nullum tamen clementia ex omnibus magis quam regem aut principem decet, ita enim magnae vires decori gloriaeque sunt, si illis salu- taris potentia est; nam pestifera vis est valere ad nocendum“. 4) Liber proverb., 20, 28. 5) Seneca, a. a. O., I, 19, 5, „errat enim, si quis existimat tutum esse ibi regem, ubi nihil a rege tutum est“.
58 quadam lege vere potes conprehendere, ad quod innuendum unum omissis aliis exemplar tibi sufficiat, ut est illud naturale in apibus. quod tanto pulcrius est, tantoque magis notandum, quanto iracun- diores ille sunt, et regem super se constituunta) non habentem aculeum. noluit illum natura sevum esse, noluit crudelem exigere ulcionem, set telum detraxit, iramque eius inermemb) reliquit. nec pudeat, fili, ab exiguis animalibusc) moresd) te trahere, cum tanto moderacior animus hominum esse debeat, quanto potencior ad no- cendum ulciscendumque extat1). huiusmodi tam humane tamque sancte virtutis munere nemo est qui non indigeat, cum nulli adeo sua debeat placere innocencia, ut non adesse semper paratam in conspectu humani errorise) letetur clemenciam1). sicut namque medicina egent egroti, veneranturque eam etiam bene sani, ita hec et ab innocentibus colitur, et a dignis pena necessario invocatur2). quare ex omnibus nullum decet magis quam regem, nullique decorion quam imperatoribus tanta virtus, cum quas habent aut officiendi aut vindicandi vires, non in crudelitatem, ut possent, transferunt set in salutarem mutant potenciam 3). hec est, fili, sola virtus, que magis omnibus gloriosos, decoros, ac carissimos reges facit, hac etenim humanius9) hominibus parcitur, et principatus regentis stabilius roboratur, ut illud sapientis „iusticia et veritas regem custodiunt, et eius clemencia corroboraturh) eius thronus“4). errant siquidem et non parum, qui ibi tutum regem esse existimant, ubi a rege nichil esse tutum nichilve pium non ignorant 5). hoc seviencium tyrrannorum proprium est, ut illos semper formident solliciti, quorum diurnis nocturnisque1) custodiis se faciunt vigilancius custodiri. at clementissimo principi nullis opus est se valare custodiis, non sepire celsis muris et turribus, non arces struere in altum errectas, non cingere fossis civitates profundis, nec latera moncium abscidere, et in ascensum arduosk) colles munire; salvum securumque ubique b) incrivem c) ab animabus d) vires e) hu- a constitunt f) clemencia g) humanis h) corroborantur i) diutius manis herroribus k) assensum arduo se calle nocturnusque regem aut principem decet“; I, 5, 2 „est ergo, ut dicebam, clementia omnibus quidem hominibus secundum naturam, maxime tamen decora imperatoribus“; I, 19, 1 „excogitare nemo quicquam poterit, quod magis decorum regenti sit quam clementia“. 1) Seneca, a. a. O., I, 19, 3, „iracundissimae ac pro corporis captu pugna- cissimae sunt apes et aculeos in volnere relinquunt, rex ipse sine aculeo est; noluit illum natura nec saevum esse nec ultionem magno constataram petere, — — pudeat ab exiguis ani- telumque detraxit et iram eius inermem reliquit. malibus non trahere mores, cum tanto hominum moderatior esse animus debeat, quanto vehementius nocet“. 2) Ebenda, 2, 1, „sicut medicinae apud aegros usus, etiam apud sanos honor est, ita clementiam, quamvis poena digni invocent, etiam innocentes colunt“. 3) Ebenda, 3, 3, „nullum tamen clementia ex omnibus magis quam regem aut principem decet, ita enim magnae vires decori gloriaeque sunt, si illis salu- taris potentia est; nam pestifera vis est valere ad nocendum“. 4) Liber proverb., 20, 28. 5) Seneca, a. a. O., I, 19, 5, „errat enim, si quis existimat tutum esse ibi regem, ubi nihil a rege tutum est“.
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59 regem in aperto“) prestabit clemencia1). dulcis quippe amor civium unum est regis inexpugnabile munimentum, nec quidquam est tam pulchrum quam cunctis optantibus imperare. huic quidem tali tamqueb) pio principi nedum struere aliquis, set excogitare vix umquam c) ullum audebitd) periculum2). quin ymo certatim cuncti se pro illo opponent mucronibus insidiancium, si qui forent, suaque substernent paratissimi corpora, cum haut aliter quame) cede salvari possit humana3). mira profecto ymmo pre omnibus expetibilis est hec virtus, proun o capite millia1) ferrum excipere"), ac multis mortibus unam animam liberare. et quod maioris zeli signum est, adeo suam incolumitatem desiderant, ut cum in prima exercitum fronte procurrunt, non vitent ferre adversa vulneribus corpora, ne sui principis vertantur vexilla. hoc est illud vinculum, per quod res publica coheret firmius 4) quoque, non direpta, sed cuius integra manet salus. ac quia de re publica fecimus memoriam, non indigne tibi, cui ipsa conmissa est, duo illa Platonis precepta summe notanda perstringemus breviter in hoc loco, primum est, ut hii qui ipsi rei publice profuturi sunt, utilitatem civium sic tueantur, ut quecunque agant, ad eam referrant, comodorum obliti suorum; secundum est, ut totum corpus rei publice procurrent, ne dum partem aliquam tuentur et reliquas deserunt, rem perniciosissimam in civitatem inducant: sedicionem atque discordiam 5). Sed ne longe a nostroh) discedamus proposito, ad virtutem illam, de qua tecum paulo ante loquebamur, regredimur i). non putes itaque, fili, ipsam clemenciam has vires eximias tam in aliena quam in propria habere offensa. scito tantum discrimen inter hec duo membra fore, quantum est inter hunc qui de alieno esse liberalis enititur, et illum qui quod sibi detrahit alteri elargitur. tunc si quidem veram quis exercet clemenciam, cum non de alieno dolore a) inperato b) tamenque c) Das folgende „aliquem“ durchstrichen d) adebit e) quem 1) Korrigiert aus „mille“ g) excipitur h) aurem i) egredimur 1) Ebenda, 19, 6, „non opus est instruere in altum editas arces nec in adscensum arduos colles emunire nec latera montium abscidere, multiplicibus se muris turribusque saepire: salvum regem clementia in aperto praestabit“. 2) Ebenda, „unum est inexpugnabile munimentum amor civium. quid pulchrius est quam vivere optantibus cunctis — —. quis huic audeat struere aliquod periculum? 3) Ebenda, 1, 3, 3, „obicere se pro illo mucronibus insidiantium para- tissimi et substernere corpora sua, si per stragem illi humanam iter ad salutem struendum sit“. 4) Seneca, a. a. O., I, 3, 4 „nec haec vilitas sui est aut dementia, pro uno capite tot milia excipere ferrum ac multis mortibus unam animam redimere nonnumquam senis et invalidi. — — (1, 4, 1) suam itaque incolumitatem amant, cum pro uno homine denas legiones in aciem deducunt, cum in primam frontem procurrunt et adversa volneribus pectora ferunt, ne imperatoris sui signa ver- tantur. ille est enim vinculum, per quod res publica cohaeret — 5) Cicero, de officiis, 1, 25, 85 „omnino qui rei publicae praefuturi sunt, duo Platonis praecepta teneant, unum, ut utilitatem civium sic tueantur, ut quaecumque agunt, ad eam referant, obliti commodorum suorum; alterum, ut totum corpus rei publicae curent, ne dum partem aliquam tuentur, reliquas — qui autem parti civium consulunt, partem neglegunt, rem deserant. perniciosissimam in civitatem inducunt, seditionem atque discordiam“.
59 regem in aperto“) prestabit clemencia1). dulcis quippe amor civium unum est regis inexpugnabile munimentum, nec quidquam est tam pulchrum quam cunctis optantibus imperare. huic quidem tali tamqueb) pio principi nedum struere aliquis, set excogitare vix umquam c) ullum audebitd) periculum2). quin ymo certatim cuncti se pro illo opponent mucronibus insidiancium, si qui forent, suaque substernent paratissimi corpora, cum haut aliter quame) cede salvari possit humana3). mira profecto ymmo pre omnibus expetibilis est hec virtus, proun o capite millia1) ferrum excipere"), ac multis mortibus unam animam liberare. et quod maioris zeli signum est, adeo suam incolumitatem desiderant, ut cum in prima exercitum fronte procurrunt, non vitent ferre adversa vulneribus corpora, ne sui principis vertantur vexilla. hoc est illud vinculum, per quod res publica coheret firmius 4) quoque, non direpta, sed cuius integra manet salus. ac quia de re publica fecimus memoriam, non indigne tibi, cui ipsa conmissa est, duo illa Platonis precepta summe notanda perstringemus breviter in hoc loco, primum est, ut hii qui ipsi rei publice profuturi sunt, utilitatem civium sic tueantur, ut quecunque agant, ad eam referrant, comodorum obliti suorum; secundum est, ut totum corpus rei publice procurrent, ne dum partem aliquam tuentur et reliquas deserunt, rem perniciosissimam in civitatem inducant: sedicionem atque discordiam 5). Sed ne longe a nostroh) discedamus proposito, ad virtutem illam, de qua tecum paulo ante loquebamur, regredimur i). non putes itaque, fili, ipsam clemenciam has vires eximias tam in aliena quam in propria habere offensa. scito tantum discrimen inter hec duo membra fore, quantum est inter hunc qui de alieno esse liberalis enititur, et illum qui quod sibi detrahit alteri elargitur. tunc si quidem veram quis exercet clemenciam, cum non de alieno dolore a) inperato b) tamenque c) Das folgende „aliquem“ durchstrichen d) adebit e) quem 1) Korrigiert aus „mille“ g) excipitur h) aurem i) egredimur 1) Ebenda, 19, 6, „non opus est instruere in altum editas arces nec in adscensum arduos colles emunire nec latera montium abscidere, multiplicibus se muris turribusque saepire: salvum regem clementia in aperto praestabit“. 2) Ebenda, „unum est inexpugnabile munimentum amor civium. quid pulchrius est quam vivere optantibus cunctis — —. quis huic audeat struere aliquod periculum? 3) Ebenda, 1, 3, 3, „obicere se pro illo mucronibus insidiantium para- tissimi et substernere corpora sua, si per stragem illi humanam iter ad salutem struendum sit“. 4) Seneca, a. a. O., I, 3, 4 „nec haec vilitas sui est aut dementia, pro uno capite tot milia excipere ferrum ac multis mortibus unam animam redimere nonnumquam senis et invalidi. — — (1, 4, 1) suam itaque incolumitatem amant, cum pro uno homine denas legiones in aciem deducunt, cum in primam frontem procurrunt et adversa volneribus pectora ferunt, ne imperatoris sui signa ver- tantur. ille est enim vinculum, per quod res publica cohaeret — 5) Cicero, de officiis, 1, 25, 85 „omnino qui rei publicae praefuturi sunt, duo Platonis praecepta teneant, unum, ut utilitatem civium sic tueantur, ut quaecumque agunt, ad eam referant, obliti commodorum suorum; alterum, ut totum corpus rei publicae curent, ne dum partem aliquam tuentur, reliquas — qui autem parti civium consulunt, partem neglegunt, rem deserant. perniciosissimam in civitatem inducunt, seditionem atque discordiam“.
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60 prebet se facilem, sed de propriis iniuriis se reddit clementem. qui cum exagitatur non prosilit, qui intelligit, magni esse animi in summa potentia sponte pati, nec quidquam posset esse gloriosius, quam cum remittit iniurias princeps impune offensus 1). clemencia, fili, ut idem ayt Seneca, in quamcunque domum pervenerit, eam felicem tran- quillamque prestabit, sed in rege quo prompcior, eo mirabilior. quid enim mirabilius, ut idem testatur, quam euma), cuius ireb) nichil obstat, cuius graviori sentencie ipsi eciam qui pereuntc) consenciunt, illas clementer preterire iniurias, pro quibus poterit exigere dignas penas 2). verum quia longum iter est per precepta, breve et efficax per exempla, digne primo exemplum, ad quod formari poteris cle- mens esse, ab illo recipe, qui et pie te creavit, et in regem prefecit benigne, talem itaque, fili, te tuis prebe regnicolis, qualem cuperes pro tuis deum esse comissis3). nam cum ipse placabilis deus noster grandia delicta potentum non statim punit eque ulcionis fulminibus, quanto equiusd) est, hominem prefectum hominibus miti clementique animo exercere imperium. nec hoc precogittare omittas, utrum mundi status graciosior sit intuencium oculis, cum puro claroque polo diem phebus iradiat, an cum celum picea obductum nigredine nymbisque horridume) crebris inmurmurat tonitruis!), humanasque mentes hinc inde crepantibus9) fulmineis terret sagittis. atque non alius vultus clementissimi principis quietive inperiih), quam fulgen- tissimi solis celique sereni 4). tibi eciam, fili, magis quam soli lucescere convenit, multa contra te lux est, omnium in istam 1) oculi conversi sunt. turbari aut irasci non potes, nisi ut omniak) premantur et trepident. neminem affligere potes, nisi ut omnes qui audierint quaciantur; sicut namque fulmina omnium metu paucorum cadunt periculis, sic animadversiones magnarum potestatum terrent lacius b) in re c)parent d) equs e) horridum epatis a) quid cum (tempestatis?) g) Das folgende „inpii quam fulgentissimi f) tonitriis durchstrichen h) inpii 1) tuam k) omine 1) Seneca, a. a. O., I, 20, 3 „nam quemadmodum non est magni animi, qui de alieno liberalis est, sed ille qui quod alteri donat sibi detrahit, ita cle- mentem vocabo non in alieno dolore facilem, sed eum qui, cum suis stimulis exagitetur, non prosilit, qui intelligit magni animi esse iniurias in summa po- tentia pati, nec quicquam esse gloriosius principe impune laeso“. 2) Ebenda, I, 5, 4 „clementia in quamcunque domum pervenerit, eam felicem tranquillamque prestabit, sed in regia, quo rarior, eo mirabilior. quid enim est memorabilius, quam eum cuius irae nihil obstat, cuius graviori sententiae ipsi qui pereunt adsentiuntur, quem nemo interpellaturus est, immo si vehementius excanduit, ne deprecaturus est quidem, ipsum sibi manum inicere, et potestate sua in melius placidiusque uti, hoc ipsum cogitantem „occidere contra legem nemo non potest, servare nemo praeter me“. 3) Ebenda, I, 7, 1 „quoniam deorum feci mentionem, optime hoc exem- plum principi constituam, ad quod formetur, ut se talem esse civibus, quales sibi deos velit“. 4) Seneca, a. a. O., I, 7, 2, „quod si di placabiles et aequi delicta potentium non statim fulminibus persecuntur, quanto aequius est hominem hominibus praepositum miti animo exercere imperium et cogitare, uter mundi status gratior oculis pulchriorque sit, sereno et puro die, an cum fragoribus crebris omnia quatiuntur et ignes hinc atque illinc micant. atqui non alia facies est quieti moratique imperii quam sereni caeli et nitentis“.
60 prebet se facilem, sed de propriis iniuriis se reddit clementem. qui cum exagitatur non prosilit, qui intelligit, magni esse animi in summa potentia sponte pati, nec quidquam posset esse gloriosius, quam cum remittit iniurias princeps impune offensus 1). clemencia, fili, ut idem ayt Seneca, in quamcunque domum pervenerit, eam felicem tran- quillamque prestabit, sed in rege quo prompcior, eo mirabilior. quid enim mirabilius, ut idem testatur, quam euma), cuius ireb) nichil obstat, cuius graviori sentencie ipsi eciam qui pereuntc) consenciunt, illas clementer preterire iniurias, pro quibus poterit exigere dignas penas 2). verum quia longum iter est per precepta, breve et efficax per exempla, digne primo exemplum, ad quod formari poteris cle- mens esse, ab illo recipe, qui et pie te creavit, et in regem prefecit benigne, talem itaque, fili, te tuis prebe regnicolis, qualem cuperes pro tuis deum esse comissis3). nam cum ipse placabilis deus noster grandia delicta potentum non statim punit eque ulcionis fulminibus, quanto equiusd) est, hominem prefectum hominibus miti clementique animo exercere imperium. nec hoc precogittare omittas, utrum mundi status graciosior sit intuencium oculis, cum puro claroque polo diem phebus iradiat, an cum celum picea obductum nigredine nymbisque horridume) crebris inmurmurat tonitruis!), humanasque mentes hinc inde crepantibus9) fulmineis terret sagittis. atque non alius vultus clementissimi principis quietive inperiih), quam fulgen- tissimi solis celique sereni 4). tibi eciam, fili, magis quam soli lucescere convenit, multa contra te lux est, omnium in istam 1) oculi conversi sunt. turbari aut irasci non potes, nisi ut omniak) premantur et trepident. neminem affligere potes, nisi ut omnes qui audierint quaciantur; sicut namque fulmina omnium metu paucorum cadunt periculis, sic animadversiones magnarum potestatum terrent lacius b) in re c)parent d) equs e) horridum epatis a) quid cum (tempestatis?) g) Das folgende „inpii quam fulgentissimi f) tonitriis durchstrichen h) inpii 1) tuam k) omine 1) Seneca, a. a. O., I, 20, 3 „nam quemadmodum non est magni animi, qui de alieno liberalis est, sed ille qui quod alteri donat sibi detrahit, ita cle- mentem vocabo non in alieno dolore facilem, sed eum qui, cum suis stimulis exagitetur, non prosilit, qui intelligit magni animi esse iniurias in summa po- tentia pati, nec quicquam esse gloriosius principe impune laeso“. 2) Ebenda, I, 5, 4 „clementia in quamcunque domum pervenerit, eam felicem tranquillamque prestabit, sed in regia, quo rarior, eo mirabilior. quid enim est memorabilius, quam eum cuius irae nihil obstat, cuius graviori sententiae ipsi qui pereunt adsentiuntur, quem nemo interpellaturus est, immo si vehementius excanduit, ne deprecaturus est quidem, ipsum sibi manum inicere, et potestate sua in melius placidiusque uti, hoc ipsum cogitantem „occidere contra legem nemo non potest, servare nemo praeter me“. 3) Ebenda, I, 7, 1 „quoniam deorum feci mentionem, optime hoc exem- plum principi constituam, ad quod formetur, ut se talem esse civibus, quales sibi deos velit“. 4) Seneca, a. a. O., I, 7, 2, „quod si di placabiles et aequi delicta potentium non statim fulminibus persecuntur, quanto aequius est hominem hominibus praepositum miti animo exercere imperium et cogitare, uter mundi status gratior oculis pulchriorque sit, sereno et puro die, an cum fragoribus crebris omnia quatiuntur et ignes hinc atque illinc micant. atqui non alia facies est quieti moratique imperii quam sereni caeli et nitentis“.
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61 quam nocent subiectis. non enim quantum fecerit set quantum facturus sit, cogitatur in eo qui facere cuncta potest 1). non propterea ut nonnulli existimanta), te putes contempni, si te clementem exhibeas. infirmitas non clemencia animi est, non retulisse graciam pro delictis; ac cui se offert vindicta in facili, is ea clementer omissa mansuetudinisb) clarum decus consequitur laude vera. Set ne absque exemplo spaciemur per longius, accipe illude) et auctoritate principis gloriosi notandum et ipsa sui narracione satis amenum. cum siquidem divus Augustus ex miti factus esset severimus 2), gladiumque rei publice pluribus quoque se opponentibus pro ipsa movisset, facta in necem suam conspiracioned) structe sunt sibi insidie. et cum, uno de sociise) deferente sibi patens insidiarum indicium, deprehensus foret percussor, se de eo vindicare constituit, et ut id providius ageret, amicorum consilium advocavit. nox illi tota inquieta peragitur, et qui iam in plures crudelis extiterat, unum duntaxat hominem occidere [non] valebat, gemensque eructabat voces varias et inter se contrarias „paciar ego 1) lictorem 9) meum me solicito ambulare securum?“ et rursus modico intercepto silencio multo maioribus sibi quam lictorih) vocibus succensentibus!) „quid vivis, si perire te multorum interest? non tanti vita est, si, ut ego non peream, tamk) multa perdenda sint“. ast tandem cum sic animadversionibus fluctuaret contrariis, interpellavit illum Livia uxor eius „et admittes“ inquit „muliebre consilium? fac, quod periti solent facere medici qui, ubi remedia usitata non prosunt, temptant contraria. severitate nichil adhuc perficere potuisti, tempta nunc, quomodo tibi cedet 1) clemencia. ignosce percussori, deprehensus est. iam tibi non potest officerem), potest tamen tue fame prodesse“ gavisus sibi, quod advocatum invenerat, gratias uxori peregit, percussorique suo (fecit delatum probatumque crimine) indulsit. hec eum talis tantaque pietas et carum fecit subiectis, et securitatem indubiam sibi donavit salutis. talis etenim princeps suo tutus bene- ficio, nullis ut iam tetigimus eget presidiis, nec aliqua nisi causa ornamenti gerere debet arma")3). verum si aliquando bella ex necessitate deveniunt, ea causa suscipienda sunt, ut absque iniuria°) c) Das a) ex existimant b) Das folgende „earum“ durchstrichen d) conspiracionem e) fociis f) nego folgende „et ac“ durchstrichen k) tamen korrigiert aus necgo g) litorem h) litori quam i) succensebus 0) Das folgende „vivantur“ durch- m) efficere n) armam l) credet strichen 1) Ebenda, I, 8, 4, „tibi non magis quam soli latere contingit, multa circa te lux est, omnium in istam conversi oculi sunt; prodire te putas? oriris. loqui non potes, nisi ut vocem tuam, quae ubique sunt gentes, excipiant; irasci non potes, nisi ut omnia tremant, quia neminem adfligere, nisi ut, quidquid circa fuerit, quatiatur. ut fulmina paucorum periculo cadunt, omnium metu, sic animadversiones magnarum potestatum terrent latius quam nocent, non sine causa: non enim quantum fecerit, sed quantum facturus sit, cogitatur in eo, qui omnia potest“. 2) Die folgende Erzählung über Cinna und Augustus ist ganz aus Seneca, a. a. O., I, 9, geschöpft. 3) Seneca, a. a. O., I, 13, 5, „hic princeps suo beneficio tutus nihil prae- sidiis eget, arma ornamenti causa habet“.
61 quam nocent subiectis. non enim quantum fecerit set quantum facturus sit, cogitatur in eo qui facere cuncta potest 1). non propterea ut nonnulli existimanta), te putes contempni, si te clementem exhibeas. infirmitas non clemencia animi est, non retulisse graciam pro delictis; ac cui se offert vindicta in facili, is ea clementer omissa mansuetudinisb) clarum decus consequitur laude vera. Set ne absque exemplo spaciemur per longius, accipe illude) et auctoritate principis gloriosi notandum et ipsa sui narracione satis amenum. cum siquidem divus Augustus ex miti factus esset severimus 2), gladiumque rei publice pluribus quoque se opponentibus pro ipsa movisset, facta in necem suam conspiracioned) structe sunt sibi insidie. et cum, uno de sociise) deferente sibi patens insidiarum indicium, deprehensus foret percussor, se de eo vindicare constituit, et ut id providius ageret, amicorum consilium advocavit. nox illi tota inquieta peragitur, et qui iam in plures crudelis extiterat, unum duntaxat hominem occidere [non] valebat, gemensque eructabat voces varias et inter se contrarias „paciar ego 1) lictorem 9) meum me solicito ambulare securum?“ et rursus modico intercepto silencio multo maioribus sibi quam lictorih) vocibus succensentibus!) „quid vivis, si perire te multorum interest? non tanti vita est, si, ut ego non peream, tamk) multa perdenda sint“. ast tandem cum sic animadversionibus fluctuaret contrariis, interpellavit illum Livia uxor eius „et admittes“ inquit „muliebre consilium? fac, quod periti solent facere medici qui, ubi remedia usitata non prosunt, temptant contraria. severitate nichil adhuc perficere potuisti, tempta nunc, quomodo tibi cedet 1) clemencia. ignosce percussori, deprehensus est. iam tibi non potest officerem), potest tamen tue fame prodesse“ gavisus sibi, quod advocatum invenerat, gratias uxori peregit, percussorique suo (fecit delatum probatumque crimine) indulsit. hec eum talis tantaque pietas et carum fecit subiectis, et securitatem indubiam sibi donavit salutis. talis etenim princeps suo tutus bene- ficio, nullis ut iam tetigimus eget presidiis, nec aliqua nisi causa ornamenti gerere debet arma")3). verum si aliquando bella ex necessitate deveniunt, ea causa suscipienda sunt, ut absque iniuria°) c) Das a) ex existimant b) Das folgende „earum“ durchstrichen d) conspiracionem e) fociis f) nego folgende „et ac“ durchstrichen k) tamen korrigiert aus necgo g) litorem h) litori quam i) succensebus 0) Das folgende „vivantur“ durch- m) efficere n) armam l) credet strichen 1) Ebenda, I, 8, 4, „tibi non magis quam soli latere contingit, multa circa te lux est, omnium in istam conversi oculi sunt; prodire te putas? oriris. loqui non potes, nisi ut vocem tuam, quae ubique sunt gentes, excipiant; irasci non potes, nisi ut omnia tremant, quia neminem adfligere, nisi ut, quidquid circa fuerit, quatiatur. ut fulmina paucorum periculo cadunt, omnium metu, sic animadversiones magnarum potestatum terrent latius quam nocent, non sine causa: non enim quantum fecerit, sed quantum facturus sit, cogitatur in eo, qui omnia potest“. 2) Die folgende Erzählung über Cinna und Augustus ist ganz aus Seneca, a. a. O., I, 9, geschöpft. 3) Seneca, a. a. O., I, 13, 5, „hic princeps suo beneficio tutus nihil prae- sidiis eget, arma ornamenti causa habet“.
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62 vivatur in pace optata1). tale debet erga subiectos habere clemens princeps officium, quale habet pius pater in correccione“) natorum, qui interdum blande nonnumquam inmaniter solet liberis obiurgari, et aliquando piis monere verberibus et sepe penas minari acerbas, ut a viciis tenera resipiscatb) iuventus. nemo umquam, cui sana mens est, filios ad primam exheredat offensam, nisic) magne multeque iniurie pacienciam evicerint genitoris, aut nisi plus sit quod timeat, quam quod dampnetd) 2). talem principem et patris similem dicimus et patreme) patrie verissimum appellamus. Nunc ad alienas transeamus iniurias, in quibus vindicandis hec tria lex est secuta, que et terrarum principes debent sequi: ut aut eum [quem] punit emendet, aut penat) eius ceteros faciat meliores, aut sublatis pessimis alii tuciores respirent3). princeps itaque civitatis bonos mores constituat, et vicia eius non tamquam probet, set tamquam invitus et cum magno gravamine ad casti- gandum accedat4). multa enim supplicia non minus sunt turpia principi, quam crebra funera medicanti. melius, fili, paretur, si imperatur remissius, humanus animus, ut eidem videtur Senece, contumax est natura, et in contrarium semper nitens. ideoque sequitur melius quam ducitur coactus") 5). beluarum, ut idem ayt, hec rabies est, non hominum, vulneribus gaudere et sanguine, et humanitate abiectah) in animal transire silvestre 6). dirus i) profecto tunc animi morbus ad ultimam pervenit insaniam, cum crudelitas versa est in voluptatem iniquam7). que alia, ut ipse inquit8), incolis vita foret, si leones ac ursi regnarent? verecundiamk) peccandi facit a) correccionem e) patris f) penas cundia b) rescipiscat g) incoactus c) in d) quod quid dapnet i) durus k) vere- h) obiecta 1) Cicero, de officiis, I, 11, 35, „quare suscipienda quidem bella sunt ob eam causam, ut sine iniuria in pace vivatur“. 2) Seneca, a. a. O., I, 14, 1, „quod ergo beneficium eius est? quod bonorum parentium, qui obiurgare liberos non numquam blande non numquam minaciter solent, aliquando admonere etiam verberibus. numquid aliquis sanus filium a prima offensa exheredat? nisi magnae et multae iniuriae patientiam evicerunt, nisi plus est quod timet, quam quod damnat — 3) Ebenda, I, 22, 1, „transeamus ad alienas iniurias, in quibus vindicandis haec tria lex secuta est, quae princeps quoque sequi debet: aut ut eum quem punit emendet, aut ut poena eius ceteros meliores reddat, aut ut sublatis malis securiores ceteri vivant“. 4) Ebenda, I, 22, 3, „constituit bonos mores civitati princeps et vitia eluit, si patiens eorum est, non tamquam probet, sed tamquam invitus et cum magno tormento ad castigandum veniat“. 5) Ebenda, I, 24, 1, „non minus principi turpia sunt multa supplicia quam medico multa funera; remissius imperanti melius paretur, natura contumax est humanus animus et in contrarium atque arduum nitens, sequiturque facilius quam ducitur“. 6) Ebenda, I, 25, 1, „ferina ista rabies est sanguine gaudere ac volneribus, et abiecto homine in silvestre animal transire“. 7) Seneca, a. a. O., I, 25, 2, „tunc illi dirus animi morbus ad insaniam pervenit ultimam, cum crudelitas versa est in voluptatem, et iam occidere hominem iuvat“. 8) Ebenda, I, 26, 3, „quae alia vita esset, si leones ursique regnarent, si serpentibus in nos ac noxiosissimo cuique animali daretur potestas?"
62 vivatur in pace optata1). tale debet erga subiectos habere clemens princeps officium, quale habet pius pater in correccione“) natorum, qui interdum blande nonnumquam inmaniter solet liberis obiurgari, et aliquando piis monere verberibus et sepe penas minari acerbas, ut a viciis tenera resipiscatb) iuventus. nemo umquam, cui sana mens est, filios ad primam exheredat offensam, nisic) magne multeque iniurie pacienciam evicerint genitoris, aut nisi plus sit quod timeat, quam quod dampnetd) 2). talem principem et patris similem dicimus et patreme) patrie verissimum appellamus. Nunc ad alienas transeamus iniurias, in quibus vindicandis hec tria lex est secuta, que et terrarum principes debent sequi: ut aut eum [quem] punit emendet, aut penat) eius ceteros faciat meliores, aut sublatis pessimis alii tuciores respirent3). princeps itaque civitatis bonos mores constituat, et vicia eius non tamquam probet, set tamquam invitus et cum magno gravamine ad casti- gandum accedat4). multa enim supplicia non minus sunt turpia principi, quam crebra funera medicanti. melius, fili, paretur, si imperatur remissius, humanus animus, ut eidem videtur Senece, contumax est natura, et in contrarium semper nitens. ideoque sequitur melius quam ducitur coactus") 5). beluarum, ut idem ayt, hec rabies est, non hominum, vulneribus gaudere et sanguine, et humanitate abiectah) in animal transire silvestre 6). dirus i) profecto tunc animi morbus ad ultimam pervenit insaniam, cum crudelitas versa est in voluptatem iniquam7). que alia, ut ipse inquit8), incolis vita foret, si leones ac ursi regnarent? verecundiamk) peccandi facit a) correccionem e) patris f) penas cundia b) rescipiscat g) incoactus c) in d) quod quid dapnet i) durus k) vere- h) obiecta 1) Cicero, de officiis, I, 11, 35, „quare suscipienda quidem bella sunt ob eam causam, ut sine iniuria in pace vivatur“. 2) Seneca, a. a. O., I, 14, 1, „quod ergo beneficium eius est? quod bonorum parentium, qui obiurgare liberos non numquam blande non numquam minaciter solent, aliquando admonere etiam verberibus. numquid aliquis sanus filium a prima offensa exheredat? nisi magnae et multae iniuriae patientiam evicerunt, nisi plus est quod timet, quam quod damnat — 3) Ebenda, I, 22, 1, „transeamus ad alienas iniurias, in quibus vindicandis haec tria lex secuta est, quae princeps quoque sequi debet: aut ut eum quem punit emendet, aut ut poena eius ceteros meliores reddat, aut ut sublatis malis securiores ceteri vivant“. 4) Ebenda, I, 22, 3, „constituit bonos mores civitati princeps et vitia eluit, si patiens eorum est, non tamquam probet, sed tamquam invitus et cum magno tormento ad castigandum veniat“. 5) Ebenda, I, 24, 1, „non minus principi turpia sunt multa supplicia quam medico multa funera; remissius imperanti melius paretur, natura contumax est humanus animus et in contrarium atque arduum nitens, sequiturque facilius quam ducitur“. 6) Ebenda, I, 25, 1, „ferina ista rabies est sanguine gaudere ac volneribus, et abiecto homine in silvestre animal transire“. 7) Seneca, a. a. O., I, 25, 2, „tunc illi dirus animi morbus ad insaniam pervenit ultimam, cum crudelitas versa est in voluptatem, et iam occidere hominem iuvat“. 8) Ebenda, I, 26, 3, „quae alia vita esset, si leones ursique regnarent, si serpentibus in nos ac noxiosissimo cuique animali daretur potestas?"
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63 pocius, fili, ipsa regnantis clemencia1), quam“) hominum vicia crudelitas restringat ferina. Set vide, quod consequenter set inopinateb) nobis super alia virtute multum pro exaltacione tua te decente dulcis occurrit collacio. cum pensares utriusque virtutis munerac), inspectis quoque nephandis earundem oppositis, tanta inter se affinitate ymo quadam ger- manitate iunguntur sororia, ut una sine alia videatur esse penitus inperfecta. nullus etenim plene clemens esse iam poterit, si vere humilitatis 2) spiritum non habebit. hanc ergo, fili, ut illam, quamvis forte mortales regibus hortentur oppositum, amplexare possetenus, ut sicut per illam principale solium tuum sistitur, sic per istam tua regia progenies alcius attollatur. hec enim illa virtus est, que et zelatoresd) suos exaltat ad ethera, et despectores eius solet precipitare ad yma. quod et illa singularissima nostra mater et domina, eo quod humilitatem suam respexit eius pater et filius, innuit leta canens „deposuit potentes de sede et exaltavit humiles“3), quod etiam dulcissimus natus eius ibi suos docuit discipulos, proprio ore dicens „omnis qui se humiliabit, exaltabitur, et qui se exaltaverit, humilia- bitur 4)“. plures huius auctoritatis testes non curamus producere, cum magistrum omnium produximus optimum. ille siquidem et prophetis, in hiis que bene recteque senserunt, humanam infudit scienciam, et ante secula sapienciam creavit divinam. et ut discas, fili, hanc celestem semper imitari virtutem, assidue ad optimos cogita et vitam tuam cum eorum compensa. nam cum inter te et illos comparatione facta in eis aliquid inveneris melioris, etiam si te multi esse cognosces, animum ex hoc humiliorem habebis. super hac tame) dulci tamque amena materia plura vellemus desideranti animo tecum loqui, si aut tuam longis sermonibus non gravaturi essemus memoriam, aut eam faceremus pocius nausiosam; ob quod et illa, que ex paterno affectu nimis in longum protraximus, quadam brevitate decenti pro efficaciori memoria succidemus. Primo5) igitur, ut diximus, deum time et dilige, et ab ipso quidquid es et fueris te factum plene crede, iuxta illud apostoli „quidquid sum, gratia dei sum“6). ipsum quoque ad omne tuum inplora consilium et iuvamen. nemo enim, ut ait Seneca7), bonus esse potest sine deo, nec quidquam potest facere, nisi sit adiutus ab a) quod durchstrichen b) inopinante e) tamen c) muneribus d) Das folgende „tuos“ 1) Ebenda, I, 22, 3, „verecundiam peccandi facit ipsa clementia regentis“. 2) Am Rande, von späterer Hand, „de humilitate habenda“. 3) Lucas, 1, 52. 4) Ebenda, 14, 11. 5) Am Rande, von späterer Hand, „priorum repetitio sub brevitate“. 6) Corinth, 1, 15, § 10. 7) Ein Satz in diesem Wortlaute ist in den uns erhaltenen Schriften Senecas nicht zu finden (vgl. den index rerum memorabilium s. v. „deus“ in der Ausgabe Haases), ebensowenig in den im Mittelalter Seneca zugeschriebenen Schriften: „de quatuor virtutibus cardinalibus“ (des Martinus Bracarensis), Briefe an den Apostel Paulus, „proverbia Senecae“. Ein ähnlicher Gedanke ist jedoch wiederholt ausgesprochen in dem Dialog I („de providentia“) Senecas.
63 pocius, fili, ipsa regnantis clemencia1), quam“) hominum vicia crudelitas restringat ferina. Set vide, quod consequenter set inopinateb) nobis super alia virtute multum pro exaltacione tua te decente dulcis occurrit collacio. cum pensares utriusque virtutis munerac), inspectis quoque nephandis earundem oppositis, tanta inter se affinitate ymo quadam ger- manitate iunguntur sororia, ut una sine alia videatur esse penitus inperfecta. nullus etenim plene clemens esse iam poterit, si vere humilitatis 2) spiritum non habebit. hanc ergo, fili, ut illam, quamvis forte mortales regibus hortentur oppositum, amplexare possetenus, ut sicut per illam principale solium tuum sistitur, sic per istam tua regia progenies alcius attollatur. hec enim illa virtus est, que et zelatoresd) suos exaltat ad ethera, et despectores eius solet precipitare ad yma. quod et illa singularissima nostra mater et domina, eo quod humilitatem suam respexit eius pater et filius, innuit leta canens „deposuit potentes de sede et exaltavit humiles“3), quod etiam dulcissimus natus eius ibi suos docuit discipulos, proprio ore dicens „omnis qui se humiliabit, exaltabitur, et qui se exaltaverit, humilia- bitur 4)“. plures huius auctoritatis testes non curamus producere, cum magistrum omnium produximus optimum. ille siquidem et prophetis, in hiis que bene recteque senserunt, humanam infudit scienciam, et ante secula sapienciam creavit divinam. et ut discas, fili, hanc celestem semper imitari virtutem, assidue ad optimos cogita et vitam tuam cum eorum compensa. nam cum inter te et illos comparatione facta in eis aliquid inveneris melioris, etiam si te multi esse cognosces, animum ex hoc humiliorem habebis. super hac tame) dulci tamque amena materia plura vellemus desideranti animo tecum loqui, si aut tuam longis sermonibus non gravaturi essemus memoriam, aut eam faceremus pocius nausiosam; ob quod et illa, que ex paterno affectu nimis in longum protraximus, quadam brevitate decenti pro efficaciori memoria succidemus. Primo5) igitur, ut diximus, deum time et dilige, et ab ipso quidquid es et fueris te factum plene crede, iuxta illud apostoli „quidquid sum, gratia dei sum“6). ipsum quoque ad omne tuum inplora consilium et iuvamen. nemo enim, ut ait Seneca7), bonus esse potest sine deo, nec quidquam potest facere, nisi sit adiutus ab a) quod durchstrichen b) inopinante e) tamen c) muneribus d) Das folgende „tuos“ 1) Ebenda, I, 22, 3, „verecundiam peccandi facit ipsa clementia regentis“. 2) Am Rande, von späterer Hand, „de humilitate habenda“. 3) Lucas, 1, 52. 4) Ebenda, 14, 11. 5) Am Rande, von späterer Hand, „priorum repetitio sub brevitate“. 6) Corinth, 1, 15, § 10. 7) Ein Satz in diesem Wortlaute ist in den uns erhaltenen Schriften Senecas nicht zu finden (vgl. den index rerum memorabilium s. v. „deus“ in der Ausgabe Haases), ebensowenig in den im Mittelalter Seneca zugeschriebenen Schriften: „de quatuor virtutibus cardinalibus“ (des Martinus Bracarensis), Briefe an den Apostel Paulus, „proverbia Senecae“. Ein ähnlicher Gedanke ist jedoch wiederholt ausgesprochen in dem Dialog I („de providentia“) Senecas.
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64 illo, iuxta illud sanctissimi oris sui eloquium „sine me nichil potestis facere“1). ipse magnifica prebet consilia, unde et angelus magni vocatur consilii, in eum et non in alium plene spera, quia in se sperantes non deserit, fidem tene et defende katolicam, rectam iusticie serva stateram, aliquando et severitate cum neccesse fuerit utere, set plures clemencia delectare, quo alcior, eo semper esto humilior, ut illud Cyceronis2) „quanto superiores sumus, tanto nos geramus summissius". radicem publicam") omnium viciorum humani generis, morbum ab animo pelle fastidiosum. liberalemb) te tibi et tuis exhibe, nichil enim, ut Marco3) placuit, liberalitate accomo- dacius) est nature humane, coherce avariciamd) regio nomini letiferam inimicam. provide enim, ut Cassiodorus 4) ait „subtrahendum est pecunie, quod augmentetur glorie“. prudens esto, tractans discrete presencia, habensque respectum providum ad futura, fortis ad utrumque fortune statum, nec fractus adversis nec elatus secundis, modestus semper in omnibus, ne ultra citraque modum opponatur aliquid tibi te fecisse. idem esto in factis qui et in verbis. bene enim loqui, ut inquit Augustinus 5), et male vivere, nichil aliud tibi, quam se sua voce dampnare, in hiis que feceris vel dixeris constans esto; quod enim semel placuit principi, non debet amplius displicere, nec aliquid est tam laudabile, ut Tulliuse) 6) [ait], tamque dignum magno et preclaro viro!), quam ipsa animorum constancia. com- prime7) turpes animi motus, iracundiam cohibe, refrena libidines, et ceteras animi despice voluptates. tunc denique, fili, alios reges feliciter, cum te ipsum regere poteris, tunc libero9) aliis imperabis animo, cum ipse improbissimis dominis, dedecori, turpitudini ceteris- que viciis parere desieris, dum quidem hiis obediet, non modo im- perator aut rex, sed liber habendus omnino non erit. omnis enim, ut ayt idem Cicero8), animi debilitas et fracta timiditas servitus est, uti dolor est, spes et timor. sub libertate9) igitur, fili, regnandum est, b) „libeale in“ getilgt und „liberalem“ von zweiter Hand a) publicum e) Cur- an den Rand geschrieben c)libertate alicomodacius d) avaricia f) et viro tulus g) libere 1) Joh., 15, 5. 2) De officiis, I, 26, § 90, —— ut recte praecipere videantur, qui „ monent, ut quanto superiores simus, tanto nos geramus summissius“. 3) Ebenda, I, 14, § 42, „deinceps, ut erat propositum, de beneficentia ac de liberalitate dicatur, qua quidem nihil est naturae hominis accomodatius —— 4) Variae, IX, 10, § 2, „proinde subtrahimus pecuniae, quod augmentetur gloriae, et avari ad laudes profuse nitimur sublevare cultores“. 5) De doctrina christ. IV, cap.29, „ille dicit aliena, qui cum dicat bene, vivit male“. 6) De officiis, I, 25, § 88, „nihil enim laudabilius, nihil magno et praeclaro viro dignius placabilitate atque clementia“. 7) Cicero, paradoxa, V, 1, § 33, „refrenet primum libidines, spernat volu- ptates, iracundiam teneat, coerceat avaritiam, ceteras animi labes repellat, tum incipiat aliis imperare, cum ipse improbissimis dominis, dedecori ac turpi- tudini, parere desierit, dum quidem his obediet, non modo imperator sed liber habendus omnino non erit“. 8) Ebenda, 3, § 41, „omnis animi debilitati et humilis et fracti timiditas servitus est“. 9) Ebenda, 1, § 34, „quid est enim libertas? potestas vivendi ut velis“.
64 illo, iuxta illud sanctissimi oris sui eloquium „sine me nichil potestis facere“1). ipse magnifica prebet consilia, unde et angelus magni vocatur consilii, in eum et non in alium plene spera, quia in se sperantes non deserit, fidem tene et defende katolicam, rectam iusticie serva stateram, aliquando et severitate cum neccesse fuerit utere, set plures clemencia delectare, quo alcior, eo semper esto humilior, ut illud Cyceronis2) „quanto superiores sumus, tanto nos geramus summissius". radicem publicam") omnium viciorum humani generis, morbum ab animo pelle fastidiosum. liberalemb) te tibi et tuis exhibe, nichil enim, ut Marco3) placuit, liberalitate accomo- dacius) est nature humane, coherce avariciamd) regio nomini letiferam inimicam. provide enim, ut Cassiodorus 4) ait „subtrahendum est pecunie, quod augmentetur glorie“. prudens esto, tractans discrete presencia, habensque respectum providum ad futura, fortis ad utrumque fortune statum, nec fractus adversis nec elatus secundis, modestus semper in omnibus, ne ultra citraque modum opponatur aliquid tibi te fecisse. idem esto in factis qui et in verbis. bene enim loqui, ut inquit Augustinus 5), et male vivere, nichil aliud tibi, quam se sua voce dampnare, in hiis que feceris vel dixeris constans esto; quod enim semel placuit principi, non debet amplius displicere, nec aliquid est tam laudabile, ut Tulliuse) 6) [ait], tamque dignum magno et preclaro viro!), quam ipsa animorum constancia. com- prime7) turpes animi motus, iracundiam cohibe, refrena libidines, et ceteras animi despice voluptates. tunc denique, fili, alios reges feliciter, cum te ipsum regere poteris, tunc libero9) aliis imperabis animo, cum ipse improbissimis dominis, dedecori, turpitudini ceteris- que viciis parere desieris, dum quidem hiis obediet, non modo im- perator aut rex, sed liber habendus omnino non erit. omnis enim, ut ayt idem Cicero8), animi debilitas et fracta timiditas servitus est, uti dolor est, spes et timor. sub libertate9) igitur, fili, regnandum est, b) „libeale in“ getilgt und „liberalem“ von zweiter Hand a) publicum e) Cur- an den Rand geschrieben c)libertate alicomodacius d) avaricia f) et viro tulus g) libere 1) Joh., 15, 5. 2) De officiis, I, 26, § 90, —— ut recte praecipere videantur, qui „ monent, ut quanto superiores simus, tanto nos geramus summissius“. 3) Ebenda, I, 14, § 42, „deinceps, ut erat propositum, de beneficentia ac de liberalitate dicatur, qua quidem nihil est naturae hominis accomodatius —— 4) Variae, IX, 10, § 2, „proinde subtrahimus pecuniae, quod augmentetur gloriae, et avari ad laudes profuse nitimur sublevare cultores“. 5) De doctrina christ. IV, cap.29, „ille dicit aliena, qui cum dicat bene, vivit male“. 6) De officiis, I, 25, § 88, „nihil enim laudabilius, nihil magno et praeclaro viro dignius placabilitate atque clementia“. 7) Cicero, paradoxa, V, 1, § 33, „refrenet primum libidines, spernat volu- ptates, iracundiam teneat, coerceat avaritiam, ceteras animi labes repellat, tum incipiat aliis imperare, cum ipse improbissimis dominis, dedecori ac turpi- tudini, parere desierit, dum quidem his obediet, non modo imperator sed liber habendus omnino non erit“. 8) Ebenda, 3, § 41, „omnis animi debilitati et humilis et fracti timiditas servitus est“. 9) Ebenda, 1, § 34, „quid est enim libertas? potestas vivendi ut velis“.
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65 que nil aliud est quam potestas vivendi") ut velis. nec aliquis vivit ut vult, nisi qui recta sequitur, qui gaudet suis, nec cupit maiora domesticis, cui vivendi via considerata atque provisa est, qui legibus non propter metum paret set eas sequitur atque colit, qui nichil dicit, nichil cogitat denique nisi libenter ac liber, cui omnia consilia resque omnes quas gerit ab ipso deveniunt eodemque feruntur, nec ulla res est, ut idem inquit Tullius1), que plus aput eum poleat quam " ipsius voluntas atque iudicium. quod et Seneca „de beata vita" videtur asserere, dum ayt2) „habeo et melius et certius lumen, quo a falsis vera diiudicem, animi bonumb) animus inveniat“. vel si placet, fili, ut hec omnia verbis conprehendamus paucissimis, audi quid sequitur: Unum bonum sit tibi honestas, unum malum turpitudo, cetera erit vilissima turba rerum, nec detrahens quidquam nec addiciens felicissimo statui regii principatus3), ymo nedum regere prospere set quod fervidius expetendum est, vivere te faciet beate. nichil enim, cum id tenebis bonum, deum petes, quod palam non possis exposcere; nec aliter vives cum hominibus, nisi tamquam deus videat, nec aliter etiam loquere cum deo, nisi tamquam homines audiant4). de comilitibus tuis, clientibus, collateralibus tuique archani consortibus, cunctis quoque aulicis, cuius vite, quorumve morum, quanteve fideic) debeant semper esse, necnon quem modum, quam legem, quod regimen in primordio huius tui altissimi princi- patus tenere te deceat, secretis te pocius, cum videbimus nos vicissim, erudiemus affatibus, quam id literisd) rebelante calamo conscri- bemus. in generali tamen, qui tibi debent assistere, et [cum] hiis precipue, quos tecum honesta voles participare consilia, illud interim tenere decebit, ut tales delecteris elligere, qui tibi poterint in eiusdem moribus convenire, ita ut quocunque gerimus, tuam in se predicet gloriam, et ex pulchris eorum moribus comendent clarissimam sui in omnibus regis vitam. Vale ut cupimus pars anime maxima, fili, nostree). b) bonus . c) fide a) Das folgende „quod“ getilgt e) Das folgende „consequitur“ durchstrichen d) aliis 1) Cicero, paradoxa, V, 34, „quis igitur vivit ut volt, nisi qui recte vivit, qui gaudet officio, cui vivendi via considerata atque provisa est, qui ne legibus quidem propter metum paret sed eas sequitur et colit, quia id salutare esse maxime iudicat, qui nihil dicit, nihil facit, nihil cogitat denique nisi lubenter ac libere, cuius omnia consilia resque omnes quas gerit ab ipso proficiscuntur eodemque referuntur, nec est ulla res quae plus apud eum polleat, quam ipsius voluntas atque iudicium“. 2) Seneca, dial. VII (de vita beata), 2, 2, „habeo melius et certius lumen, quo a falsis vera diiudicem: animi bonum animus inveniat“. 3) Ebenda, 4, 3, „unum bonum sit honestas, unum malum turpitudo, cetera vilis turba rerum nec detrahens quicquam beatae vitae nec adiciens“. 4) Seneca, epist. moral, I, 10, 5, „sic vive cum hominibus, tamquam deus videat; sic loquere cum deo, tamquam homines audiant“.
65 que nil aliud est quam potestas vivendi") ut velis. nec aliquis vivit ut vult, nisi qui recta sequitur, qui gaudet suis, nec cupit maiora domesticis, cui vivendi via considerata atque provisa est, qui legibus non propter metum paret set eas sequitur atque colit, qui nichil dicit, nichil cogitat denique nisi libenter ac liber, cui omnia consilia resque omnes quas gerit ab ipso deveniunt eodemque feruntur, nec ulla res est, ut idem inquit Tullius1), que plus aput eum poleat quam " ipsius voluntas atque iudicium. quod et Seneca „de beata vita" videtur asserere, dum ayt2) „habeo et melius et certius lumen, quo a falsis vera diiudicem, animi bonumb) animus inveniat“. vel si placet, fili, ut hec omnia verbis conprehendamus paucissimis, audi quid sequitur: Unum bonum sit tibi honestas, unum malum turpitudo, cetera erit vilissima turba rerum, nec detrahens quidquam nec addiciens felicissimo statui regii principatus3), ymo nedum regere prospere set quod fervidius expetendum est, vivere te faciet beate. nichil enim, cum id tenebis bonum, deum petes, quod palam non possis exposcere; nec aliter vives cum hominibus, nisi tamquam deus videat, nec aliter etiam loquere cum deo, nisi tamquam homines audiant4). de comilitibus tuis, clientibus, collateralibus tuique archani consortibus, cunctis quoque aulicis, cuius vite, quorumve morum, quanteve fideic) debeant semper esse, necnon quem modum, quam legem, quod regimen in primordio huius tui altissimi princi- patus tenere te deceat, secretis te pocius, cum videbimus nos vicissim, erudiemus affatibus, quam id literisd) rebelante calamo conscri- bemus. in generali tamen, qui tibi debent assistere, et [cum] hiis precipue, quos tecum honesta voles participare consilia, illud interim tenere decebit, ut tales delecteris elligere, qui tibi poterint in eiusdem moribus convenire, ita ut quocunque gerimus, tuam in se predicet gloriam, et ex pulchris eorum moribus comendent clarissimam sui in omnibus regis vitam. Vale ut cupimus pars anime maxima, fili, nostree). b) bonus . c) fide a) Das folgende „quod“ getilgt e) Das folgende „consequitur“ durchstrichen d) aliis 1) Cicero, paradoxa, V, 34, „quis igitur vivit ut volt, nisi qui recte vivit, qui gaudet officio, cui vivendi via considerata atque provisa est, qui ne legibus quidem propter metum paret sed eas sequitur et colit, quia id salutare esse maxime iudicat, qui nihil dicit, nihil facit, nihil cogitat denique nisi lubenter ac libere, cuius omnia consilia resque omnes quas gerit ab ipso proficiscuntur eodemque referuntur, nec est ulla res quae plus apud eum polleat, quam ipsius voluntas atque iudicium“. 2) Seneca, dial. VII (de vita beata), 2, 2, „habeo melius et certius lumen, quo a falsis vera diiudicem: animi bonum animus inveniat“. 3) Ebenda, 4, 3, „unum bonum sit honestas, unum malum turpitudo, cetera vilis turba rerum nec detrahens quicquam beatae vitae nec adiciens“. 4) Seneca, epist. moral, I, 10, 5, „sic vive cum hominibus, tamquam deus videat; sic loquere cum deo, tamquam homines audiant“.
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