z 52 stránek
Titel
I
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Vorbemerkung
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Edice
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Název:
Die Utraquisten in Böhmen (Archiv für österreichische Geschichte vol. 37)
Autor:
Borový, Clemens
Rok vydání:
1867
Místo vydání:
Wien
Česká národní bibliografie:
x
Počet stran celkem:
52
Obsah:
- I: Titel
- 241: Vorbemerkung
- 244: Edice
upravit
Strana I
Archiv für österreichische Geschichte. Herausgegeben von der zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Siebenunddreissigster Band. WIEN. Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei. 1867.
Archiv für österreichische Geschichte. Herausgegeben von der zur Pflege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Siebenunddreissigster Band. WIEN. Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staatsdruckerei. 1867.
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DIE UTRAQUISTEN IN BÖHMEN. QUELLENMASSIG DARGESTELLT DR. CLEMENS BOROVY.
DIE UTRAQUISTEN IN BÖHMEN. QUELLENMASSIG DARGESTELLT DR. CLEMENS BOROVY.
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241 Vorbemerkung. Während sich in der Gegenwart allenthalben ein reger Fleiss offen- bart, die Geschichte der verflossenen Jahrhunderte unmittelbar aus den noch vorhandenen Originalquellen kennen zu lernen, und mit Hilfe dieser Quellen viele traditionell gewordene Irrthümer zu berich- tigen, neue Aufschlüsse über Thatsachen, die bisher von den Histo- rikern übesehen oder nicht nach Verdienst gewürdiget wurden, zu gewinnen, — ist man auch in Böhmen seit einer Reihe von Jahren bemüht, die in den zahlreichen Archiven des Landes vorhandenen, ehedem ganz unberücksichtigten historischen Schätze möglichst aus- zubeuten, um auf Grundlage der hiedurch erzielten Resultate zu einer richtigeren Kenntniss der vaterländischen Geschichte zu gelangen. Der bekannte Landes-Historiograph Dr. Franz Palacký hat hierin die Bahn gebrochen und einen rühmlichen Anfang gemacht, indem er viele dieser Quellen veröffentlichte und das Resultat seiner Forschun- gen in seiner „Geschichte Böhmens“ niederlegte. Ihm zunächst hat der durch seine „Geschichte der mährischen Brüder“ bewährte Landes- archivar Dr. Gindely sich die Lebensaufgabe gestellt, die Ge- schichtsquellen Böhmens zu sammeln und nach Art der Monumenta Ger maniae von Pertz zu veröffentlichen. Bereits im Frühjahre 1864 hat die Herausgabe dieser „Monu- menta historiae bohemica“ in Prag (bei Kober) begonnen. Die ersten Hefte enthalten Decrete der mährischen Brüder-Union im 16. Jahrhunderte. Die weiteren Hefte brachten zunächst einen Theil der bisher im Manuscript gebliebenen Geschichte Böhmens aus den Jahren 1602—1623 von dem Protestanten Paul Skâla; darauf aber folgt eine von dem eifrigen Verfechter des Katholicismus Wil- helm Graf von Slawata verfasste Geschichte derselben Zeit- periode. Diese Quellen werden gewiss einen nicht unbedeutenden Beitrag zur Kenntniss der Kirchengeschichte Böhmens bilden. Einen ausschliesslich kirchlichen Charakter aber wird ein weiterer Theil der 16 %
241 Vorbemerkung. Während sich in der Gegenwart allenthalben ein reger Fleiss offen- bart, die Geschichte der verflossenen Jahrhunderte unmittelbar aus den noch vorhandenen Originalquellen kennen zu lernen, und mit Hilfe dieser Quellen viele traditionell gewordene Irrthümer zu berich- tigen, neue Aufschlüsse über Thatsachen, die bisher von den Histo- rikern übesehen oder nicht nach Verdienst gewürdiget wurden, zu gewinnen, — ist man auch in Böhmen seit einer Reihe von Jahren bemüht, die in den zahlreichen Archiven des Landes vorhandenen, ehedem ganz unberücksichtigten historischen Schätze möglichst aus- zubeuten, um auf Grundlage der hiedurch erzielten Resultate zu einer richtigeren Kenntniss der vaterländischen Geschichte zu gelangen. Der bekannte Landes-Historiograph Dr. Franz Palacký hat hierin die Bahn gebrochen und einen rühmlichen Anfang gemacht, indem er viele dieser Quellen veröffentlichte und das Resultat seiner Forschun- gen in seiner „Geschichte Böhmens“ niederlegte. Ihm zunächst hat der durch seine „Geschichte der mährischen Brüder“ bewährte Landes- archivar Dr. Gindely sich die Lebensaufgabe gestellt, die Ge- schichtsquellen Böhmens zu sammeln und nach Art der Monumenta Ger maniae von Pertz zu veröffentlichen. Bereits im Frühjahre 1864 hat die Herausgabe dieser „Monu- menta historiae bohemica“ in Prag (bei Kober) begonnen. Die ersten Hefte enthalten Decrete der mährischen Brüder-Union im 16. Jahrhunderte. Die weiteren Hefte brachten zunächst einen Theil der bisher im Manuscript gebliebenen Geschichte Böhmens aus den Jahren 1602—1623 von dem Protestanten Paul Skâla; darauf aber folgt eine von dem eifrigen Verfechter des Katholicismus Wil- helm Graf von Slawata verfasste Geschichte derselben Zeit- periode. Diese Quellen werden gewiss einen nicht unbedeutenden Beitrag zur Kenntniss der Kirchengeschichte Böhmens bilden. Einen ausschliesslich kirchlichen Charakter aber wird ein weiterer Theil der 16 %
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242 Monumenta haben, welcher unter dem Titel: „Acta oder Corre- spondenz des katholischen und des utraquistischen Consistoriums“ nächstens veröffentlicht werden soll, und der für die Geschichte der katholischen Kirche in Böhmen, sowie insbeson- dere für die Geschichte der Calixtiner oder Utraquisten äusserst wich- tige Beiträge bietet; die allmälige Protestantisirung Böhmens im 16. Jahrhunderte und die durch Ferdinand II. bis 1630 zum Abschluss gebrachte Gegen-Reformation erhalten durch die erwähnte Corre- spondenz ihre historische Motivirung. Diejenigen Quellen, welche von den Erzbischöfen Prags oder dem katholischen Consistorium ausgingen , sind grösstentheils in la- teinischer oder deutscher Sprache abgefasst und werden somit der Gelehrtenwelt vollkommen zugänglich sein. — Hingegen sind die vom utraquistischen Consistorium herrührenden Quellen mit Aus- nahme einer kleinen Anzahl lateinischer Urkunden durchwegs in böhmischer Sprache verfasst und daher zunächst nur dem böh- mischen Publicum verständlich. Allein gerade diese officiellen Schrift- stücke sind am meisten geeignet, dem Kirchenhistoriker vollkommen verlässliche Aufschlüsse zu geben über die „Communicantes sub utraque“, eine Partei, welche in ihrem Entstehen, in ihrer eigen- thümlichen Disciplin und endlich in ihrer allmälig erfolgten Amalga- mirung mit dem Protestantismus einzig in der Geschichte dasteht. In neuester Zeit hat man sich mit einer gewissen Vorliebe dem Studium des Hussitismus und seiner Folgen zugewendet, und haben besonders Janssen, Gindely, Höfler, v. Helfert u. A. sich hierin ein Ver- dienst erworben. Die allgemeine Theilnahme, mit welcher ihre Werke aufgenommen wurden, scheint dafür zu bürgen, dass auch nachste- hende Bemerkungen, welche die durch den Hussitismus hervorgerufene Partei der Calixtiner zu ihrem Gegenstande haben, einiges Interesse erregen dürften. Dem Verfasser liegen die zum Drucke bereiteten Abschriften der Quellen sammt Originalien vor, indem derselbe nach dem Wunsche und unter wirksamer Beihilfe des Professors Gindely die Veröffentlichung der erwähnten Correspondenz beider Consisto- rien übernommen hat. Auf Grundlage dieser, in den Archiven des Erzbischofes, des Domcapitels, der Statthalterei, Universität und an- deren bis jetzt im Original vorfindlichen Quellen ist die vorliegende Abhandlung entstanden ; sie enthält somit keine blossen Conjecturen, sondern durchwegs historisch begründete Angaben.
242 Monumenta haben, welcher unter dem Titel: „Acta oder Corre- spondenz des katholischen und des utraquistischen Consistoriums“ nächstens veröffentlicht werden soll, und der für die Geschichte der katholischen Kirche in Böhmen, sowie insbeson- dere für die Geschichte der Calixtiner oder Utraquisten äusserst wich- tige Beiträge bietet; die allmälige Protestantisirung Böhmens im 16. Jahrhunderte und die durch Ferdinand II. bis 1630 zum Abschluss gebrachte Gegen-Reformation erhalten durch die erwähnte Corre- spondenz ihre historische Motivirung. Diejenigen Quellen, welche von den Erzbischöfen Prags oder dem katholischen Consistorium ausgingen , sind grösstentheils in la- teinischer oder deutscher Sprache abgefasst und werden somit der Gelehrtenwelt vollkommen zugänglich sein. — Hingegen sind die vom utraquistischen Consistorium herrührenden Quellen mit Aus- nahme einer kleinen Anzahl lateinischer Urkunden durchwegs in böhmischer Sprache verfasst und daher zunächst nur dem böh- mischen Publicum verständlich. Allein gerade diese officiellen Schrift- stücke sind am meisten geeignet, dem Kirchenhistoriker vollkommen verlässliche Aufschlüsse zu geben über die „Communicantes sub utraque“, eine Partei, welche in ihrem Entstehen, in ihrer eigen- thümlichen Disciplin und endlich in ihrer allmälig erfolgten Amalga- mirung mit dem Protestantismus einzig in der Geschichte dasteht. In neuester Zeit hat man sich mit einer gewissen Vorliebe dem Studium des Hussitismus und seiner Folgen zugewendet, und haben besonders Janssen, Gindely, Höfler, v. Helfert u. A. sich hierin ein Ver- dienst erworben. Die allgemeine Theilnahme, mit welcher ihre Werke aufgenommen wurden, scheint dafür zu bürgen, dass auch nachste- hende Bemerkungen, welche die durch den Hussitismus hervorgerufene Partei der Calixtiner zu ihrem Gegenstande haben, einiges Interesse erregen dürften. Dem Verfasser liegen die zum Drucke bereiteten Abschriften der Quellen sammt Originalien vor, indem derselbe nach dem Wunsche und unter wirksamer Beihilfe des Professors Gindely die Veröffentlichung der erwähnten Correspondenz beider Consisto- rien übernommen hat. Auf Grundlage dieser, in den Archiven des Erzbischofes, des Domcapitels, der Statthalterei, Universität und an- deren bis jetzt im Original vorfindlichen Quellen ist die vorliegende Abhandlung entstanden ; sie enthält somit keine blossen Conjecturen, sondern durchwegs historisch begründete Angaben.
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243 Bevor wir jedoch zur Lösung unserer Aufgabe schreiten , halten wir es für angemessen, in einer allgemeinen Ubersicht die von uns benützten Quellen namhaft zu machen. Die ältesten bisher aufgefundenen Acta der utraquistischen Partei reichen zurück bis zum Jahre 1525 ; die nächstfolgenden Decennien bis zum Schlusse des 16. Jahrhunderts sind durch eine bedeutende Anzahl von Schriftstücken documentirt, welche nach ihrer äusseren Form sich in zwei Gattungen scheiden lassen, nämlich: 1. Corre- spondenzen des Consistoriums im eigentlichen Sinne (Missivae, liber Missivarum, Rotulus Missivarum oder blos Literae Consistorii ge- nannt), also Erlässe desselben an einzelne Decane, Pfarrer, Gemeinden und die Kirchenpatrone (Collatores), Bitt- und Klagschriften an den Erzbischof, Oberstburggraf, Obersthofmeister, die Statthalter, den Kai- ser; —2. Acta Consistorii, auch liber actionum, vom Consistorial- Secretär ex officio verfasst, worin Alles, was in den einzelnen Sitzungen des Consistoriums verhandelt wurde, so wie die Aussagen, welche die Parteien in dem canonischen Process oder auch ausserhalb desselben beim administrativen Verfahren machten, mit protokollarischer Ge- nauigkeit sich aufgezeichnet finden. Während in den erstgenannten „Correspondenzen" nach der zu jener Zeit gewöhnlichen Methode ein bedeutender Theil jedes Schreibens auf Titulaturen, weitschweifige Begrüssungs- und Ab- schiedsformeln etc. entfällt und dadurch der sachliche Inhalt meist auf ein Minimum zusammenschrumpft (eine Ausnahme findet sich fast nur bei den an den Kaiser oder die höchsten Behörden gerichteten Sup- plicationes), so sind hingegen die „Acta“ von solchem Ceremoniel frei und bieten überall reichliches Material zu einer ziemlich er- schöpfenden Kenntniss der kirchlichen Zustände jener Zeit. Nicht selten bieten originelle Vergleichungen, urwüchsiger Humor und ker- nige Satyre dem Leser eine interessante Würze, die seine Aufmerk- samkeit auch bei längeren Partien nicht so leicht ermüden lässt. Zu dem Zwecke einer genaueren Sichtung der Resultate, welche sich aus den oberwähnten Quellen schöpfen lassen, kömmt hier zu- nächst über die Disciplin der Utraquisten zu handeln , worauf in einem zweiten Abschnitte die Liturgie derselben einer näheren Betrachtung gewürdigt werden soll.
243 Bevor wir jedoch zur Lösung unserer Aufgabe schreiten , halten wir es für angemessen, in einer allgemeinen Ubersicht die von uns benützten Quellen namhaft zu machen. Die ältesten bisher aufgefundenen Acta der utraquistischen Partei reichen zurück bis zum Jahre 1525 ; die nächstfolgenden Decennien bis zum Schlusse des 16. Jahrhunderts sind durch eine bedeutende Anzahl von Schriftstücken documentirt, welche nach ihrer äusseren Form sich in zwei Gattungen scheiden lassen, nämlich: 1. Corre- spondenzen des Consistoriums im eigentlichen Sinne (Missivae, liber Missivarum, Rotulus Missivarum oder blos Literae Consistorii ge- nannt), also Erlässe desselben an einzelne Decane, Pfarrer, Gemeinden und die Kirchenpatrone (Collatores), Bitt- und Klagschriften an den Erzbischof, Oberstburggraf, Obersthofmeister, die Statthalter, den Kai- ser; —2. Acta Consistorii, auch liber actionum, vom Consistorial- Secretär ex officio verfasst, worin Alles, was in den einzelnen Sitzungen des Consistoriums verhandelt wurde, so wie die Aussagen, welche die Parteien in dem canonischen Process oder auch ausserhalb desselben beim administrativen Verfahren machten, mit protokollarischer Ge- nauigkeit sich aufgezeichnet finden. Während in den erstgenannten „Correspondenzen" nach der zu jener Zeit gewöhnlichen Methode ein bedeutender Theil jedes Schreibens auf Titulaturen, weitschweifige Begrüssungs- und Ab- schiedsformeln etc. entfällt und dadurch der sachliche Inhalt meist auf ein Minimum zusammenschrumpft (eine Ausnahme findet sich fast nur bei den an den Kaiser oder die höchsten Behörden gerichteten Sup- plicationes), so sind hingegen die „Acta“ von solchem Ceremoniel frei und bieten überall reichliches Material zu einer ziemlich er- schöpfenden Kenntniss der kirchlichen Zustände jener Zeit. Nicht selten bieten originelle Vergleichungen, urwüchsiger Humor und ker- nige Satyre dem Leser eine interessante Würze, die seine Aufmerk- samkeit auch bei längeren Partien nicht so leicht ermüden lässt. Zu dem Zwecke einer genaueren Sichtung der Resultate, welche sich aus den oberwähnten Quellen schöpfen lassen, kömmt hier zu- nächst über die Disciplin der Utraquisten zu handeln , worauf in einem zweiten Abschnitte die Liturgie derselben einer näheren Betrachtung gewürdigt werden soll.
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244 Disciplin der Utraquisten. I. Kirchliche Organe. 1. Consistorium. Das Consistorium war die oberste Kirchenbehörde für die Utra- quisten in Böhmen und Mähren. Das Consistorium bestand aus einem Administrator, der zu- gleich Rector oder Pro-Rector der Universität, Prediger in der Bet- lehems-Capelle oder Dechant der St. Apollinarkirche war ; und 10 bis 12 Räthen, Consistoriani, Assessores Consistorii, unter denen ge- wöhnlich einige Magistri vorkommen, die Mehrzahl besteht aus Pra- ger Pfarrern. Beispielsweise mögen die Mitglieder des Consistoriums aus einigen Jahren hier namentlich angeführt werden. Im Jahre 1526: Magister Gallus Žacensis, Administrator. — Räthe: 1. Mag. Laurentius, capellae Betlehem praedicator; 2. Joannes Marek, Laetae Curiae (im Teyn) plebanus; 3. Andreas a s. Adalberto de Smradař ; 4. Joannes a s. Henrico plebanus ; 5. Nicolaus de lacu miseriae pleba- nus; 6. Nicolaus a s. Clemente plebanus; 7. Georgius d. Stephani plebanus; 8. Georgius Halířek a s. Petro; 9. Joannes a s. Martino ; 10. Hieronymus a s. Gallo. Im Jahre 1531: Wenceslaus Unhostius, ecclesiae s. Apollinaris in monte ventoso decanus, Administrator. — Räthe: 1. Mag. Joannes Přestice- nus; 2. Mag. Georgius Pilsnensis; 3. Mag. Joannes Chočna; 4. Mag. Martinus Klatoviensis; 5. Joannes concionator capellae Betlehem; 6. Joannes plebanus Laetocuriensis; 7. Nicolaus plebanus de lacu ; 8. Paulus plebanus s. Aegidii; 9. Andreas plebanus s. Adalberti in Smradař; 10. Petrus plebanus a s. Clemente; 11. Joannes plebanus a s. Petro; 12. Wenceslaus plebanus a s. Michaele in Wopatoric ; 13. Nicolaus plebanus a s. Stephano.
244 Disciplin der Utraquisten. I. Kirchliche Organe. 1. Consistorium. Das Consistorium war die oberste Kirchenbehörde für die Utra- quisten in Böhmen und Mähren. Das Consistorium bestand aus einem Administrator, der zu- gleich Rector oder Pro-Rector der Universität, Prediger in der Bet- lehems-Capelle oder Dechant der St. Apollinarkirche war ; und 10 bis 12 Räthen, Consistoriani, Assessores Consistorii, unter denen ge- wöhnlich einige Magistri vorkommen, die Mehrzahl besteht aus Pra- ger Pfarrern. Beispielsweise mögen die Mitglieder des Consistoriums aus einigen Jahren hier namentlich angeführt werden. Im Jahre 1526: Magister Gallus Žacensis, Administrator. — Räthe: 1. Mag. Laurentius, capellae Betlehem praedicator; 2. Joannes Marek, Laetae Curiae (im Teyn) plebanus; 3. Andreas a s. Adalberto de Smradař ; 4. Joannes a s. Henrico plebanus ; 5. Nicolaus de lacu miseriae pleba- nus; 6. Nicolaus a s. Clemente plebanus; 7. Georgius d. Stephani plebanus; 8. Georgius Halířek a s. Petro; 9. Joannes a s. Martino ; 10. Hieronymus a s. Gallo. Im Jahre 1531: Wenceslaus Unhostius, ecclesiae s. Apollinaris in monte ventoso decanus, Administrator. — Räthe: 1. Mag. Joannes Přestice- nus; 2. Mag. Georgius Pilsnensis; 3. Mag. Joannes Chočna; 4. Mag. Martinus Klatoviensis; 5. Joannes concionator capellae Betlehem; 6. Joannes plebanus Laetocuriensis; 7. Nicolaus plebanus de lacu ; 8. Paulus plebanus s. Aegidii; 9. Andreas plebanus s. Adalberti in Smradař; 10. Petrus plebanus a s. Clemente; 11. Joannes plebanus a s. Petro; 12. Wenceslaus plebanus a s. Michaele in Wopatoric ; 13. Nicolaus plebanus a s. Stephano.
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243 Im Jahre 1543: Joannes Mystopolus, Administrator. (Derselbe war 1542 Pfar- rer bei S. Niklas auf der Altstadt; 1548 Dechant bei St. Apollinar und 1551 Prediger der Betlehem-Kapelle, und wir finden ihn als Admini- strator in den Jahren : 1542—1545, 1548, 1551—1553 und 1564 bis 1565 angeführt).—Räthe : 1. Martinus Glatovinus, concionator sacelli Betlehemitici (derselbe war in den Jahren 1539 und 1540 Admini- strator); 2. Mag. Henricus Curio, rector Universitatis ; 3. Mag. Joan- nes Kumstatt Pragensis; 4. Mag. Jacobus Philetus Rokycanensis; 5. Joannes plebanus d. Aegidii; 6. Wenceslaus Subule, parochus a laeta Curia ; 7. Wenceslaus Larbiciae, parochus a d. Henrico ; 8. Christophorus parochus a d. Stephano; 9. Joannes Niger paro- chus a s. Michaele; 10. Petrus parochus a s. Wenceslao in Zderaz et 11. Gallus parochus s. Martini. Die Wahl des Administrators und der Consistorialräthe wurde in der Regel bei Gelegenheit der Abhaltung des Landtages in Prag vorgenommen; berechtiget zur Wahl waren alle Stände des König- reiches, die sich zur communio calicis bekannten. Doch pflegten die Stände dieses Recht öfter auf die "Domini Pragenses“ zu übertragen, und als Grund wurde angeführt: "Utpote qui majorem notitiam ha- bent peritiamque personarum tam ex numero magistrorum quam ple- banorum“ 1). In der späteren Zeit ereignete es sich jedoch manchmal, dass die Neuwahl (Renovatio) des Consistoriums Jahre lang auf sich war- ten liess ; einestheils deshalb, weil die Landtage nicht mehr so regel- mässig abgehalten wurden wie ehedem, anderntheils nahmen sich die versammelten Stände selten die Mühe, nach den Consistorial-Ange- legenheiten zu fragen, da ihre Aufmerksamkeit ohnehin durch die häufigen Steuerauflagen, Kriegsrüstungen u. dgl. hinreichend in An- spruch genommen war. Auf diese Weise kam es, dass theils durch Todesfälle, theils durch Beförderung oder Transferirung einzelner Milglieder das Consistorium oft so stark gelichtet wurde, dass kaum die Hälfte der Assessoren übrig blieb. Daher die häufigen Klagen des Consistoriums, dass es bei einer so geringen Zahl von Personen un- möglich sei, alle Geschäfte zu besorgen, ja dass manche Parteien dem Consistorium den Gehorsam kündigten unter dem Vorwande, es 1) Acta Cons. Utr. 1528.
243 Im Jahre 1543: Joannes Mystopolus, Administrator. (Derselbe war 1542 Pfar- rer bei S. Niklas auf der Altstadt; 1548 Dechant bei St. Apollinar und 1551 Prediger der Betlehem-Kapelle, und wir finden ihn als Admini- strator in den Jahren : 1542—1545, 1548, 1551—1553 und 1564 bis 1565 angeführt).—Räthe : 1. Martinus Glatovinus, concionator sacelli Betlehemitici (derselbe war in den Jahren 1539 und 1540 Admini- strator); 2. Mag. Henricus Curio, rector Universitatis ; 3. Mag. Joan- nes Kumstatt Pragensis; 4. Mag. Jacobus Philetus Rokycanensis; 5. Joannes plebanus d. Aegidii; 6. Wenceslaus Subule, parochus a laeta Curia ; 7. Wenceslaus Larbiciae, parochus a d. Henrico ; 8. Christophorus parochus a d. Stephano; 9. Joannes Niger paro- chus a s. Michaele; 10. Petrus parochus a s. Wenceslao in Zderaz et 11. Gallus parochus s. Martini. Die Wahl des Administrators und der Consistorialräthe wurde in der Regel bei Gelegenheit der Abhaltung des Landtages in Prag vorgenommen; berechtiget zur Wahl waren alle Stände des König- reiches, die sich zur communio calicis bekannten. Doch pflegten die Stände dieses Recht öfter auf die "Domini Pragenses“ zu übertragen, und als Grund wurde angeführt: "Utpote qui majorem notitiam ha- bent peritiamque personarum tam ex numero magistrorum quam ple- banorum“ 1). In der späteren Zeit ereignete es sich jedoch manchmal, dass die Neuwahl (Renovatio) des Consistoriums Jahre lang auf sich war- ten liess ; einestheils deshalb, weil die Landtage nicht mehr so regel- mässig abgehalten wurden wie ehedem, anderntheils nahmen sich die versammelten Stände selten die Mühe, nach den Consistorial-Ange- legenheiten zu fragen, da ihre Aufmerksamkeit ohnehin durch die häufigen Steuerauflagen, Kriegsrüstungen u. dgl. hinreichend in An- spruch genommen war. Auf diese Weise kam es, dass theils durch Todesfälle, theils durch Beförderung oder Transferirung einzelner Milglieder das Consistorium oft so stark gelichtet wurde, dass kaum die Hälfte der Assessoren übrig blieb. Daher die häufigen Klagen des Consistoriums, dass es bei einer so geringen Zahl von Personen un- möglich sei, alle Geschäfte zu besorgen, ja dass manche Parteien dem Consistorium den Gehorsam kündigten unter dem Vorwande, es 1) Acta Cons. Utr. 1528.
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246 sei bei der kleinen Anzahl von Räthen Parteilichkeit zu befürchten, und erst nach seiner Completirung werde das Consistorium wieder die Fähigkeit erlangen, Recht zu sprechen. — Als aber in der Folge weder die Stände des Königreiches, noch auch die Prager den Bitten des Consistoriums Gehör gaben, sah sich dasselbe genöthigt, seine Zuflucht zum Kaiser zu nehmen. Dies ist besonders der Fall in den letzten vier Decennien des 16. Jahrhunderts. Schon Kaiser Fer- dinand I. hatte im Jahre 1362 die Mitglieder des Consistoriums selbst ernannt, ohne das Wahlrecht der Stände zu berücksichtigen; in der- selben Weise verfuhren auch seine Nachfolger. Seitdem ferner Ma- ximilian II. im Jahre 1575 und Rudolph II. 1589 sämmtlichen Städten des Königreiches befohlen hatten, dass sie in allen kirchlichen Angelegenheiten als: Lehre, Liturgie, Besetzung der Pfarreien u. s. f. sich lediglich an die Verfügungen des utraquistischen Consistoriums halten sollten, konnte sich letzteres auf diese zwei kaiserlichen Send- schreiben berufen und auf die Exequirung derselben in jenen Fällen dringen, wo man die kaiserlichen Befehle zu umgehen trachtete und fortfuhr dem Consistorium einen hartnäckigen Widerstand entgegen- zusetzen. Aber auch die Kaiser liessen es eben bei dem blossen schriftlichen Erlasse bewenden und zeigten keinen ernstlichen Willen, das Ansehen der utraquistischen Behörde wieder herzustellen. So wurde die geistliche Jurisdiction des Consistoriums immer mehr zu einer illusorischen gemacht; immer inständiger werden daher die Bitten, immer bedenklicher die Klagen, deren einige ein schauer- liches Bild der damaligen religiösen Zerrüttung entwerfen. Im Jahre 1589 beklagt sich das Consistorium darüber, dass es vom Beginn seiner Existenz an (1421) durch den ganzen Zeitraum von 168 Jah- ren nie solchem Spotte und einer so grossen Verachtung preisgege- ben worden sei, wie eben jetzt, weshalb es der energischen Beihilfe des weltlichen Armes in keiner Weise mehr entbehren könne. Eine die Stellung der Utraquisten in Böhmen charakterisirende, für die ganze Zukunft folgenreiche Verfügung war jene, welche die drei Stände des Königreiches auf dem Landtage vom Jahre 1531 (11. Juni) erliessen und welche als siebenter Artikel den über die Verhältnisse der Utraquisten getroffenen Bestimmungen eingereiht wurde. Dieser siebente Artikel verlangte, dass gegen die vom Con- sistorium getroffenen Entscheidungen keinerlei Appellation stattfinden dürfe, indem die Stände zu dem Administrator und Con-
246 sei bei der kleinen Anzahl von Räthen Parteilichkeit zu befürchten, und erst nach seiner Completirung werde das Consistorium wieder die Fähigkeit erlangen, Recht zu sprechen. — Als aber in der Folge weder die Stände des Königreiches, noch auch die Prager den Bitten des Consistoriums Gehör gaben, sah sich dasselbe genöthigt, seine Zuflucht zum Kaiser zu nehmen. Dies ist besonders der Fall in den letzten vier Decennien des 16. Jahrhunderts. Schon Kaiser Fer- dinand I. hatte im Jahre 1362 die Mitglieder des Consistoriums selbst ernannt, ohne das Wahlrecht der Stände zu berücksichtigen; in der- selben Weise verfuhren auch seine Nachfolger. Seitdem ferner Ma- ximilian II. im Jahre 1575 und Rudolph II. 1589 sämmtlichen Städten des Königreiches befohlen hatten, dass sie in allen kirchlichen Angelegenheiten als: Lehre, Liturgie, Besetzung der Pfarreien u. s. f. sich lediglich an die Verfügungen des utraquistischen Consistoriums halten sollten, konnte sich letzteres auf diese zwei kaiserlichen Send- schreiben berufen und auf die Exequirung derselben in jenen Fällen dringen, wo man die kaiserlichen Befehle zu umgehen trachtete und fortfuhr dem Consistorium einen hartnäckigen Widerstand entgegen- zusetzen. Aber auch die Kaiser liessen es eben bei dem blossen schriftlichen Erlasse bewenden und zeigten keinen ernstlichen Willen, das Ansehen der utraquistischen Behörde wieder herzustellen. So wurde die geistliche Jurisdiction des Consistoriums immer mehr zu einer illusorischen gemacht; immer inständiger werden daher die Bitten, immer bedenklicher die Klagen, deren einige ein schauer- liches Bild der damaligen religiösen Zerrüttung entwerfen. Im Jahre 1589 beklagt sich das Consistorium darüber, dass es vom Beginn seiner Existenz an (1421) durch den ganzen Zeitraum von 168 Jah- ren nie solchem Spotte und einer so grossen Verachtung preisgege- ben worden sei, wie eben jetzt, weshalb es der energischen Beihilfe des weltlichen Armes in keiner Weise mehr entbehren könne. Eine die Stellung der Utraquisten in Böhmen charakterisirende, für die ganze Zukunft folgenreiche Verfügung war jene, welche die drei Stände des Königreiches auf dem Landtage vom Jahre 1531 (11. Juni) erliessen und welche als siebenter Artikel den über die Verhältnisse der Utraquisten getroffenen Bestimmungen eingereiht wurde. Dieser siebente Artikel verlangte, dass gegen die vom Con- sistorium getroffenen Entscheidungen keinerlei Appellation stattfinden dürfe, indem die Stände zu dem Administrator und Con-
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247 sistorium das volle Vertrauen hegten, sie würden, eingedenk der ihnen obliegenden Pflichten, ihr Amt so verwalten, dass eine Appellation gar nicht als nothwendig erscheinen dürfte. Diese in der That merkwürdige Verfügung, das Consistorium als erste und letzte Instanz gelten zu lassen, mag sich wohl zum Theile aus dem Umstande erklären, dass die Utraquisten eben eine ganz specifische Partei im Lande bildeten, welche sich vor jeder Amalgamirung mit den Katholiken (sub una) hütete und deshalb auch nicht unter einer und derselben Jurisdiction mit diesen stehen wollte. Doch von diesem Standpunkte aus würde höchstens das er- klärlich sein, warum das Consistorium nach Art der exemten Bis- thümer eine vom Erzbischofe unabhängige Stellung erhielt; es scheint auch die Grundintention jenes siebenten Artikels zunächst blos auf den Erzbischof sich bezogen zu haben. So lange nämlich der erzbischöfliche Stuhl vacant war und das Metropolitan-Capitel die kirchliche Regierung Böhmens ausübte (1421 —1360), hegten die Utraquisten noch keine Befürchtungen für die Zukunft; es stan- den einander das „obere“ (sub una) und "untere“ (sub utraque) Consistorium als coordinirte Behörden gegenüber. Als aber die Er- nennung eines Erzbischofes in baldige Aussicht gestellt wurde (und dies scheinen die Utraquisten bereits im Jahre 1531 befürchtet zu haben), da mochten es die Stände, welche sich zur communio calicis bekannten, für eine im Interesse der Selbsterhaltung gebotene Mass- regel erachten, dass sie gegen jegliche Unterstellung unter die Juris- diction des Erzbischofes durch Erhebung ihres Consistoriums zur ab- solut inappellablen Instanz schon im vorhinein Protest einlegten. Allein unbegreiflich erscheint es, dass einem jeden Utraquisten selbst die Zuflucht zu der letzten Instanz, zum päpstlichen Stuhle nämlich, abgeschnitten war, während doch auch die exemten Bischöfe — wie dies im Princip der kirchlichen Verfassung begründet ist — dem römischen Papste unterworfen bleiben und ihre Exemtion sie eben nur von der Instanz des Metropoliten entbindet. Wir wären im Irrthum, wenn wir etwa die Behauptung aufstellten, als hätten durch den siebenten Artikel die Utraquisten auch die oberste Kirchengewalt des Papstes ignoriren wollen. Denn das Consistorium beruft sich häufig auf Disciplinarentscheidungen des Trienter Concils wie des Papstes 1), 1) Vgl. die Acta Cons. noch vom Jahre 1589.
247 sistorium das volle Vertrauen hegten, sie würden, eingedenk der ihnen obliegenden Pflichten, ihr Amt so verwalten, dass eine Appellation gar nicht als nothwendig erscheinen dürfte. Diese in der That merkwürdige Verfügung, das Consistorium als erste und letzte Instanz gelten zu lassen, mag sich wohl zum Theile aus dem Umstande erklären, dass die Utraquisten eben eine ganz specifische Partei im Lande bildeten, welche sich vor jeder Amalgamirung mit den Katholiken (sub una) hütete und deshalb auch nicht unter einer und derselben Jurisdiction mit diesen stehen wollte. Doch von diesem Standpunkte aus würde höchstens das er- klärlich sein, warum das Consistorium nach Art der exemten Bis- thümer eine vom Erzbischofe unabhängige Stellung erhielt; es scheint auch die Grundintention jenes siebenten Artikels zunächst blos auf den Erzbischof sich bezogen zu haben. So lange nämlich der erzbischöfliche Stuhl vacant war und das Metropolitan-Capitel die kirchliche Regierung Böhmens ausübte (1421 —1360), hegten die Utraquisten noch keine Befürchtungen für die Zukunft; es stan- den einander das „obere“ (sub una) und "untere“ (sub utraque) Consistorium als coordinirte Behörden gegenüber. Als aber die Er- nennung eines Erzbischofes in baldige Aussicht gestellt wurde (und dies scheinen die Utraquisten bereits im Jahre 1531 befürchtet zu haben), da mochten es die Stände, welche sich zur communio calicis bekannten, für eine im Interesse der Selbsterhaltung gebotene Mass- regel erachten, dass sie gegen jegliche Unterstellung unter die Juris- diction des Erzbischofes durch Erhebung ihres Consistoriums zur ab- solut inappellablen Instanz schon im vorhinein Protest einlegten. Allein unbegreiflich erscheint es, dass einem jeden Utraquisten selbst die Zuflucht zu der letzten Instanz, zum päpstlichen Stuhle nämlich, abgeschnitten war, während doch auch die exemten Bischöfe — wie dies im Princip der kirchlichen Verfassung begründet ist — dem römischen Papste unterworfen bleiben und ihre Exemtion sie eben nur von der Instanz des Metropoliten entbindet. Wir wären im Irrthum, wenn wir etwa die Behauptung aufstellten, als hätten durch den siebenten Artikel die Utraquisten auch die oberste Kirchengewalt des Papstes ignoriren wollen. Denn das Consistorium beruft sich häufig auf Disciplinarentscheidungen des Trienter Concils wie des Papstes 1), 1) Vgl. die Acta Cons. noch vom Jahre 1589.
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248 es duldet keinerlei Herabsetzung des päpstlichen Stuhles, rügt und straft diejenigen Prediger, welche sich gegen denselben ungebühr- liche Ausserungen zu Schulden kommen liessen, — Alles dies be- weist, dass die Utraquisten zwar Niemanden nach Rom appelliren lassen wollten, dass sie aber in anderen kirchlichen Fragen nichts desto weniger die Autorität des Papstes aufrecht zu erhalten gedach- ten. Wie hätte es auch anders sein können, da ja die Utraquisten auch das wesentliche Merkmal ihrer Partei, die communio calicis nämlich, von einer Concession der allgemeinen Kirche oder des Pap- stes herleiteten? Was nun die Folgen des erwähnten siebenten Artikels betrifft, so entsprachen selbe keineswegs den früher gehegten Hoffnungen. Man legte auch nach dem Jahre 1531 Appellationen ein beim Erz- bischofe wie bei dem Papste 1). Ja Manche aus dem Herren- und Ritter- stande weigerten sich, das Consistorium auch nur überhaupt als com- petentes Gericht anzuerkennen2), indem sie Niemandem als dem obersten Landrichter und der böhmischen Kammer untergeordnet sein wollten. Dagegen wehrte sich nun freilich das Consistorium auf das Nachdrücklichte, es wies unzähligemal darauf hin, dass ihm als einem „kaiserlichen Tribunal“ (der Ausdruck: Konsistoř sto- lice Jeho milosti Císařské war in den Schriftstücken stereotyp ge- worden) von allen Ständen ohne Ausnahme Gehorsam zu leisten sei. Als aber dessenungeachtet von einer immer grösseren Anzahl der Adeligen und Städte Böhmens dem Consistorium jeder Gehorsam ge- kündiget wurde, sah sich dieses mit einem Male durch die Tücke des Schicksals in eine Art Inconsequenz hineingetrieben, indem es ge- zwungen war, dasjenige, wozu es früher Andern die Befugniss hart- näckig zu verweigern pflegte, nun selbst zu thun — nämlich zu appel- liren. Das Consistorium appellirte an die Statthalter, an den Erzherzog, an den Kaiser. Eine Menge dieser Appellationen blieb gänzlich unbeantwortet, und wenn endlich auf wiederholte unge- stüme Bitten dann und wann eine Antwort erfolgte, so enthielt diese nur die Vertröstung auf eine bessere Zukunft, höchst selten eine Ab- hilfe für die Gegenwart, und so wurden die Mitglieder des Consisto- riums gezwungen das äusserste Mittel zu ergreifen, welches sie aus 1) Ein Beispiel der letzteren kömmt bereits im Jahre 1533 vor. 2) Acta Cons. 1589 vom 25. Mai.
248 es duldet keinerlei Herabsetzung des päpstlichen Stuhles, rügt und straft diejenigen Prediger, welche sich gegen denselben ungebühr- liche Ausserungen zu Schulden kommen liessen, — Alles dies be- weist, dass die Utraquisten zwar Niemanden nach Rom appelliren lassen wollten, dass sie aber in anderen kirchlichen Fragen nichts desto weniger die Autorität des Papstes aufrecht zu erhalten gedach- ten. Wie hätte es auch anders sein können, da ja die Utraquisten auch das wesentliche Merkmal ihrer Partei, die communio calicis nämlich, von einer Concession der allgemeinen Kirche oder des Pap- stes herleiteten? Was nun die Folgen des erwähnten siebenten Artikels betrifft, so entsprachen selbe keineswegs den früher gehegten Hoffnungen. Man legte auch nach dem Jahre 1531 Appellationen ein beim Erz- bischofe wie bei dem Papste 1). Ja Manche aus dem Herren- und Ritter- stande weigerten sich, das Consistorium auch nur überhaupt als com- petentes Gericht anzuerkennen2), indem sie Niemandem als dem obersten Landrichter und der böhmischen Kammer untergeordnet sein wollten. Dagegen wehrte sich nun freilich das Consistorium auf das Nachdrücklichte, es wies unzähligemal darauf hin, dass ihm als einem „kaiserlichen Tribunal“ (der Ausdruck: Konsistoř sto- lice Jeho milosti Císařské war in den Schriftstücken stereotyp ge- worden) von allen Ständen ohne Ausnahme Gehorsam zu leisten sei. Als aber dessenungeachtet von einer immer grösseren Anzahl der Adeligen und Städte Böhmens dem Consistorium jeder Gehorsam ge- kündiget wurde, sah sich dieses mit einem Male durch die Tücke des Schicksals in eine Art Inconsequenz hineingetrieben, indem es ge- zwungen war, dasjenige, wozu es früher Andern die Befugniss hart- näckig zu verweigern pflegte, nun selbst zu thun — nämlich zu appel- liren. Das Consistorium appellirte an die Statthalter, an den Erzherzog, an den Kaiser. Eine Menge dieser Appellationen blieb gänzlich unbeantwortet, und wenn endlich auf wiederholte unge- stüme Bitten dann und wann eine Antwort erfolgte, so enthielt diese nur die Vertröstung auf eine bessere Zukunft, höchst selten eine Ab- hilfe für die Gegenwart, und so wurden die Mitglieder des Consisto- riums gezwungen das äusserste Mittel zu ergreifen, welches sie aus 1) Ein Beispiel der letzteren kömmt bereits im Jahre 1533 vor. 2) Acta Cons. 1589 vom 25. Mai.
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249 ihrer verzweiflungsvollen Lage befreien konnte, indem sie nämlich beim Kaiser ihre Resignation einreichten. Wenn die Sachen bereits am Ende des 16. Jahrhunderts also standen, dann finden wir es allerdings begreiflich, dass die allmälig dahinsiechende utraquistische Kirchenbehörde dem täglich mächtige- ren Umsichgreifen des protestantischen Elementes keinen Halt ge- bieten konnte, und dass sie endlich mit der auf dem Landtage 1609 erfolgten Annahme der böhmischen Confession ohne Sang und Klang begraben wurde 1). 2. Decani districtuum. Eine zwischen dem Consistorium und den einzelnen Geistlichen vermittelnde Behörde bildeten die Dechante, decani districtuum genannt, deren Stellung so ziemlich jener unserer gegenwärtigen Bezirks-Vicäre (die in einigen Diöcesen auch jetzt Dechante heissen) gleichkommt. Es scheint, dass das utraquistische Consistorium auf eben denselben Beneficien Dechante zu bestellen pflegte, wo bereits unter den früheren Erzbischöfen die Beneficiaten sub una dieses Amt bekleideten. In den Jahren 1578, 1579 und 1580 wird in den böh- mischen Correspondenzen folgendes Verzeichniss der Decanate an- geführt: 1. Benešov (Beneschau.) 2. Beroun. 3. Boleslav mladá (Jungbunzlau). 4. Brod český (Böhmisch-Brod). 5. Brod německý (Deutsch-Brod). 6. Bydžov. 7. Čáslav (Čáslau). 8. Domažlice (Tauss). 9. Hora Kutná (Kuttenberg). 10. Chrudím. 11. Jičín. 12. Klatovy (Klattau). 13. Kolín (Neu-Kolin). 14. Kostelec (Elbe-Kosteletz). 15. Kouřím. 16. Králové Hradec (Königgrätz). 1) Gindely, Rudolph II. und seine Zeit. Band II. pag. 22.
249 ihrer verzweiflungsvollen Lage befreien konnte, indem sie nämlich beim Kaiser ihre Resignation einreichten. Wenn die Sachen bereits am Ende des 16. Jahrhunderts also standen, dann finden wir es allerdings begreiflich, dass die allmälig dahinsiechende utraquistische Kirchenbehörde dem täglich mächtige- ren Umsichgreifen des protestantischen Elementes keinen Halt ge- bieten konnte, und dass sie endlich mit der auf dem Landtage 1609 erfolgten Annahme der böhmischen Confession ohne Sang und Klang begraben wurde 1). 2. Decani districtuum. Eine zwischen dem Consistorium und den einzelnen Geistlichen vermittelnde Behörde bildeten die Dechante, decani districtuum genannt, deren Stellung so ziemlich jener unserer gegenwärtigen Bezirks-Vicäre (die in einigen Diöcesen auch jetzt Dechante heissen) gleichkommt. Es scheint, dass das utraquistische Consistorium auf eben denselben Beneficien Dechante zu bestellen pflegte, wo bereits unter den früheren Erzbischöfen die Beneficiaten sub una dieses Amt bekleideten. In den Jahren 1578, 1579 und 1580 wird in den böh- mischen Correspondenzen folgendes Verzeichniss der Decanate an- geführt: 1. Benešov (Beneschau.) 2. Beroun. 3. Boleslav mladá (Jungbunzlau). 4. Brod český (Böhmisch-Brod). 5. Brod německý (Deutsch-Brod). 6. Bydžov. 7. Čáslav (Čáslau). 8. Domažlice (Tauss). 9. Hora Kutná (Kuttenberg). 10. Chrudím. 11. Jičín. 12. Klatovy (Klattau). 13. Kolín (Neu-Kolin). 14. Kostelec (Elbe-Kosteletz). 15. Kouřím. 16. Králové Hradec (Königgrätz). 1) Gindely, Rudolph II. und seine Zeit. Band II. pag. 22.
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250 17. Ledeč. 18. Litoměřice (Leitmeritz). 19. Litomyšl (Leitomyschl). 20. Louny (Laun). 21. Mělník (Melnik). 22. Mejto (Hohenmauth). 23. Načeradec. 24. Nimburk. 25. Pardubice. 26. Peldřimov (Pilgram). 27. Písek. 28. Polička. 29. Příbram. 30. Rakovník (Rakonitz). 31. Roudnice (Raudnitz). 32. Sedlčany (Sedletz). 33. Slaný (Schlan). 34. Stříbro (Mies). 35. Sušice (Schüttenhofen). 36. Tábor. 37. Turnov (Turnau). 38. Velvary (Welwarn). 39. Vodňany (Wodnian). 40. Žatec (Saaz). 41. Žlutice (Luditz). Diese 41 Decanate 1) sind ein sprechender Beweis dafür, wie verbreitet die utraquistische Partei im 16. Jahrhunderte gewesen sei ; denn die geographische Gruppirung der Decanate erstreckt sich fast gleichmässig auf das ganze Königreich Böhmen. — Die Vereinigung mehrerer Decanate unter Ein Archidiakonat, wie dies bei den Katholiken gebräuchlich war, haben die Utraquisten nur in König- grätz beibehalten; es heisst gewöhnlich am Ende der hieher bezüg- lichen Consistorialerlässe: „Nach Königgrätz mögen kommen (um sich die hh. Öle abzuholen u. s. f.) die Dechante von Hořic, Jaroměř, Königinhof, Elbekosteletz und Náchod". Wenn wir diese Dechanteien (mit Ausnahme der bereits im obigen Verzeichnisse genannten von 1) Dem Dechant von Raudnitz wird gewöhnlich der Titel Probst beigelegt.
250 17. Ledeč. 18. Litoměřice (Leitmeritz). 19. Litomyšl (Leitomyschl). 20. Louny (Laun). 21. Mělník (Melnik). 22. Mejto (Hohenmauth). 23. Načeradec. 24. Nimburk. 25. Pardubice. 26. Peldřimov (Pilgram). 27. Písek. 28. Polička. 29. Příbram. 30. Rakovník (Rakonitz). 31. Roudnice (Raudnitz). 32. Sedlčany (Sedletz). 33. Slaný (Schlan). 34. Stříbro (Mies). 35. Sušice (Schüttenhofen). 36. Tábor. 37. Turnov (Turnau). 38. Velvary (Welwarn). 39. Vodňany (Wodnian). 40. Žatec (Saaz). 41. Žlutice (Luditz). Diese 41 Decanate 1) sind ein sprechender Beweis dafür, wie verbreitet die utraquistische Partei im 16. Jahrhunderte gewesen sei ; denn die geographische Gruppirung der Decanate erstreckt sich fast gleichmässig auf das ganze Königreich Böhmen. — Die Vereinigung mehrerer Decanate unter Ein Archidiakonat, wie dies bei den Katholiken gebräuchlich war, haben die Utraquisten nur in König- grätz beibehalten; es heisst gewöhnlich am Ende der hieher bezüg- lichen Consistorialerlässe: „Nach Königgrätz mögen kommen (um sich die hh. Öle abzuholen u. s. f.) die Dechante von Hořic, Jaroměř, Königinhof, Elbekosteletz und Náchod". Wenn wir diese Dechanteien (mit Ausnahme der bereits im obigen Verzeichnisse genannten von 1) Dem Dechant von Raudnitz wird gewöhnlich der Titel Probst beigelegt.
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251 Elbekosteletz) zu den 41 früher angeführten hinzurechnen, so erge- ben sich im Ganzen 45 utraquistische Decanatsdistricte. Der Dechant nahm unter dem gesammten Klerus seines Distric- tes den ersten Rang ein und hatte die gehörige Verwaltung der Seelsorge von Seite der Pfarrer und Capläne zu überwachen. Die Dechante hatten ferner an das Consistorium Bericht zu erstatten über die einzelnen Geistlichen des Districtes, ihre moralische Haltung, ihren Eifer für die Verwaltung der Lehre und Liturgie. Insbesondere sollten sie darüber wachen, dass sich auf keiner Pfarrei ein Geist- licher aufhalte, der nicht früher dem Consistorium Gehorsam gelobt hatte oder gar ein Sectirer, der, ohne von einem ordentlichen Bischof ordinirt zu sein, sich in den Besitz eines Beneficiums eindrängte. Eben so hatten sie die verheiratheten oder im Concubinat lebenden Priester dem Consistorium regelmässig namhaft zu machen. Eine alljährlich immer wiederkehrende Function der Dechante betraf die heiligen Öle, sacri liquores. Dieselben wurden vom Consistorium bald nach den Osterfeiertagen im April oder Mai an die einzelnen Dechante versendet mit einem Begleitschreiben des Inhal- tes : Der Dechant solle sämmtliche Pfarrer seines Bezirkes zu sich berufen, die heiligen Öle unter sie vertheilen und im Auftrage des Consistoriums dieselben ermahnen, dass sie sich bei Spendung der Sacramente wirklich der kirchlichen Vorschrift gemäss der heiligen Öle bedienen und die althergebrachten gottesdienstlichen Gebräuche überhaupt fleissig einhalten , endlich dass sie auch in ihrem priester- lichen Wandel dem Volke zur Erbauung dienen möchten 1). Auch auf die Besetzung der Pfründen erstreckte sich die Wirksamkeit der Dechante. So z. B. kommen Fälle vor, in denen das Consistorium, wenn es nicht über alle vacanten Beneficien des Districtes genaue Kenntniss erhalten hatte, den Candidaten zu einem Dechant schickte, mit der Weisung, dass dieser dem Uberbringer eine von den eben vacanten Pfründen nach eigenem Gutbedünken verleihen möge 2). Endlich waren die Dechante verpflichtet, nach erfolgtem Ab- leben eines jeden Priesters in ihrem Districte das etwa vorfindliche Testament alsbald in Verwahrung zu nehmen, und dem Consisto- 1) Missivae Cons. 9. März 1580. 2) Ebendaselbst.
251 Elbekosteletz) zu den 41 früher angeführten hinzurechnen, so erge- ben sich im Ganzen 45 utraquistische Decanatsdistricte. Der Dechant nahm unter dem gesammten Klerus seines Distric- tes den ersten Rang ein und hatte die gehörige Verwaltung der Seelsorge von Seite der Pfarrer und Capläne zu überwachen. Die Dechante hatten ferner an das Consistorium Bericht zu erstatten über die einzelnen Geistlichen des Districtes, ihre moralische Haltung, ihren Eifer für die Verwaltung der Lehre und Liturgie. Insbesondere sollten sie darüber wachen, dass sich auf keiner Pfarrei ein Geist- licher aufhalte, der nicht früher dem Consistorium Gehorsam gelobt hatte oder gar ein Sectirer, der, ohne von einem ordentlichen Bischof ordinirt zu sein, sich in den Besitz eines Beneficiums eindrängte. Eben so hatten sie die verheiratheten oder im Concubinat lebenden Priester dem Consistorium regelmässig namhaft zu machen. Eine alljährlich immer wiederkehrende Function der Dechante betraf die heiligen Öle, sacri liquores. Dieselben wurden vom Consistorium bald nach den Osterfeiertagen im April oder Mai an die einzelnen Dechante versendet mit einem Begleitschreiben des Inhal- tes : Der Dechant solle sämmtliche Pfarrer seines Bezirkes zu sich berufen, die heiligen Öle unter sie vertheilen und im Auftrage des Consistoriums dieselben ermahnen, dass sie sich bei Spendung der Sacramente wirklich der kirchlichen Vorschrift gemäss der heiligen Öle bedienen und die althergebrachten gottesdienstlichen Gebräuche überhaupt fleissig einhalten , endlich dass sie auch in ihrem priester- lichen Wandel dem Volke zur Erbauung dienen möchten 1). Auch auf die Besetzung der Pfründen erstreckte sich die Wirksamkeit der Dechante. So z. B. kommen Fälle vor, in denen das Consistorium, wenn es nicht über alle vacanten Beneficien des Districtes genaue Kenntniss erhalten hatte, den Candidaten zu einem Dechant schickte, mit der Weisung, dass dieser dem Uberbringer eine von den eben vacanten Pfründen nach eigenem Gutbedünken verleihen möge 2). Endlich waren die Dechante verpflichtet, nach erfolgtem Ab- leben eines jeden Priesters in ihrem Districte das etwa vorfindliche Testament alsbald in Verwahrung zu nehmen, und dem Consisto- 1) Missivae Cons. 9. März 1580. 2) Ebendaselbst.
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252 rium zur Approbation vorzulegen, und weiterhin sowohl in dem er- wähnten Falle als auch bei etwaiger Intestaterbfolge für die unver- sehrte Erhaltung und rechtmässige Vertheilung des Nachlasses Sorge zu tragen. Jeder utraquistische Priester musste sich vor Antritt seines Amtes durch ein besonderes Versprechen zum Gehorsam gegen seinen Dechant und das Consistorium verpflichten. Dies ist aus- drücklich vorgeschrieben in den sechs Artikeln, von denen gesagt wird: „Ista sunt breviter, quae nostrae Christianae religioni incor- poratus servare tenebitur“ 1). Daselbst heisst es: „Sexto: obediens Administratori et Decano suo, in necessitatibus suis citra propriam vindictam ad illos recurrat, nec locum citra scitum supe- rioris immutare praesumat. In dubiis aut majoribus negotiis superio- res consulat. Et id se facturum Domino Administratori manu stipu- lata promittat“. 3. Pfarrer. Diejenigen Geistlichen, denen vom Consistorium die selbststän- dige Führung der Seelsorge in einer Gemeinde anvertraut wurde, hiessen nach dem allgemeinen kirchenrechtlichen Ausdrucke Pfar- rer, parochi, plebani. Durch den 10. Artikel der Landtagsbeschlüsse vom Jahre 1531 war bestimmt worden: „Es solle Niemand in anderer Weise zum Pfarrer einer utraquistischen Gemeinde eingesetzt werden, als mit der Bewilligung und Confirmation von Seite des Administrators und Consistoriums. Auch sollte dem Consistorium das Recht zustehen, jeden Pfarrer mit Einverständniss des Patrons auf eine andere Pfarrei zu transferiren". Die Praxis bei Besetzung der Beneficien, wie sich selbe unter den Utraquisten gestaltete, ist eine ganz eigenthümliche und divergirt von der gegenwärtigen Besetzungsform in mehreren Punkten. War nämlich ein Beneficium erlediget, so ging die Ernennung des neuen Pfarrers nicht alsogleich vor sich, sondern erst vom nächsten Georgi- oder Galli-Termin, wie ja diese beiden Zeit- 1) Acta Cons. Utr. 1539.
252 rium zur Approbation vorzulegen, und weiterhin sowohl in dem er- wähnten Falle als auch bei etwaiger Intestaterbfolge für die unver- sehrte Erhaltung und rechtmässige Vertheilung des Nachlasses Sorge zu tragen. Jeder utraquistische Priester musste sich vor Antritt seines Amtes durch ein besonderes Versprechen zum Gehorsam gegen seinen Dechant und das Consistorium verpflichten. Dies ist aus- drücklich vorgeschrieben in den sechs Artikeln, von denen gesagt wird: „Ista sunt breviter, quae nostrae Christianae religioni incor- poratus servare tenebitur“ 1). Daselbst heisst es: „Sexto: obediens Administratori et Decano suo, in necessitatibus suis citra propriam vindictam ad illos recurrat, nec locum citra scitum supe- rioris immutare praesumat. In dubiis aut majoribus negotiis superio- res consulat. Et id se facturum Domino Administratori manu stipu- lata promittat“. 3. Pfarrer. Diejenigen Geistlichen, denen vom Consistorium die selbststän- dige Führung der Seelsorge in einer Gemeinde anvertraut wurde, hiessen nach dem allgemeinen kirchenrechtlichen Ausdrucke Pfar- rer, parochi, plebani. Durch den 10. Artikel der Landtagsbeschlüsse vom Jahre 1531 war bestimmt worden: „Es solle Niemand in anderer Weise zum Pfarrer einer utraquistischen Gemeinde eingesetzt werden, als mit der Bewilligung und Confirmation von Seite des Administrators und Consistoriums. Auch sollte dem Consistorium das Recht zustehen, jeden Pfarrer mit Einverständniss des Patrons auf eine andere Pfarrei zu transferiren". Die Praxis bei Besetzung der Beneficien, wie sich selbe unter den Utraquisten gestaltete, ist eine ganz eigenthümliche und divergirt von der gegenwärtigen Besetzungsform in mehreren Punkten. War nämlich ein Beneficium erlediget, so ging die Ernennung des neuen Pfarrers nicht alsogleich vor sich, sondern erst vom nächsten Georgi- oder Galli-Termin, wie ja diese beiden Zeit- 1) Acta Cons. Utr. 1539.
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253 punkte noch jetzt bei manchen Mieth- und Dienstcontracten in Böhmen als massgebend gelten. Wenn sonach inmitten dieser Zeit ein Pfarrer starb, so wurde entweder (bei grossem Priestermangel) die Seelsorge der verwaisten Gemeinde interimistisch einem benach- barten Pfarrer übertragen (der somit eine Zeit lang zwei Beneficien zu verwalten hatte), oder es wurde ein eigener Administrator mit dem Titel eines Vice-Pfarrers oder Vice-Dechantes [místofarář, místoděkan] bestellt, der bis zur definitiven Besetzung der Pfründe die Seelsorge verwaltete. War jedoch das Beneficium dadurch erle- diget, dass der bisherige Pfarrer auf eine andere Pfründe versetzt transferirt) wurde, so musste er bis zum nächsten Georgi- oder Galli-Termin auf seinem ersten Beneficium verharren, wenn er auch die Confirmation auf das zweite bereits vom Consistorium erhalten hatte. — Es galt daher als grober Verstoss gegen die Regel, wenn ein Pfarrer zu sonst einer Zeit als jenen zwei Wanderungsfristen von seinem Beneficium enthoben und auf ein anderes transferirt zu wer- den wünschte; er musste auch in dem Falle, wenn er von der Ge- meinde bereits Abschied genommen hatte, auf seiner Pfarre verblei- ben, bis ihm vom nächsten Termin an die Ubersiedlung nach seinem neuen Bestimmungsorte gestattet wurde. Zunächst nun erschien es bei einer jeden Vacatur als Pflicht des Patrons und der Eingepfarrten, sich um einen neuen Pfarrer zu bekümmern. Der Patron (Collator) meldete dem Consistorium den erfolgten Tod des Pfarrers schriftlich oder persönlich und bat, es möchte ein von ihm Präsentirter, oder falls er keinen namhaft machte, überhaupt ein utraquistischer Geistlicher auf das erledigte Beneficium confirmirt werden. Gehörte das Patronatsrecht einer Commune, z. B. einer Stadtgemeinde, so verlangte die Sitte, dass eine Deputation von Bürgern (páni vyslaní, starší osadní = Ge- meinde-Altesten) im Namen der ganzen Pfarrgemeinde (doch mussten die Deputirten immer mit einem Beglaubigungsschreiben versehen sein) die Bitte um Bestätigung des Pfarrers mündlich in der Consi- storial-Kanzlei vortrug, worauf die Räthe mit dem Administrator nach gepflogener kurzer Berathung sogleich eine mündliche Antwort er- theilten, oder aber wenn sie hinsichtlich der Fähigkeit des Präsen- tirten irgend welche Bedenken trugen, die Abgesandten mit dem Ver- sprechen entliessen, es werde der Gemeinde die schriftliche Erledi- gung ihrer Bitte zugesendet werden.
253 punkte noch jetzt bei manchen Mieth- und Dienstcontracten in Böhmen als massgebend gelten. Wenn sonach inmitten dieser Zeit ein Pfarrer starb, so wurde entweder (bei grossem Priestermangel) die Seelsorge der verwaisten Gemeinde interimistisch einem benach- barten Pfarrer übertragen (der somit eine Zeit lang zwei Beneficien zu verwalten hatte), oder es wurde ein eigener Administrator mit dem Titel eines Vice-Pfarrers oder Vice-Dechantes [místofarář, místoděkan] bestellt, der bis zur definitiven Besetzung der Pfründe die Seelsorge verwaltete. War jedoch das Beneficium dadurch erle- diget, dass der bisherige Pfarrer auf eine andere Pfründe versetzt transferirt) wurde, so musste er bis zum nächsten Georgi- oder Galli-Termin auf seinem ersten Beneficium verharren, wenn er auch die Confirmation auf das zweite bereits vom Consistorium erhalten hatte. — Es galt daher als grober Verstoss gegen die Regel, wenn ein Pfarrer zu sonst einer Zeit als jenen zwei Wanderungsfristen von seinem Beneficium enthoben und auf ein anderes transferirt zu wer- den wünschte; er musste auch in dem Falle, wenn er von der Ge- meinde bereits Abschied genommen hatte, auf seiner Pfarre verblei- ben, bis ihm vom nächsten Termin an die Ubersiedlung nach seinem neuen Bestimmungsorte gestattet wurde. Zunächst nun erschien es bei einer jeden Vacatur als Pflicht des Patrons und der Eingepfarrten, sich um einen neuen Pfarrer zu bekümmern. Der Patron (Collator) meldete dem Consistorium den erfolgten Tod des Pfarrers schriftlich oder persönlich und bat, es möchte ein von ihm Präsentirter, oder falls er keinen namhaft machte, überhaupt ein utraquistischer Geistlicher auf das erledigte Beneficium confirmirt werden. Gehörte das Patronatsrecht einer Commune, z. B. einer Stadtgemeinde, so verlangte die Sitte, dass eine Deputation von Bürgern (páni vyslaní, starší osadní = Ge- meinde-Altesten) im Namen der ganzen Pfarrgemeinde (doch mussten die Deputirten immer mit einem Beglaubigungsschreiben versehen sein) die Bitte um Bestätigung des Pfarrers mündlich in der Consi- storial-Kanzlei vortrug, worauf die Räthe mit dem Administrator nach gepflogener kurzer Berathung sogleich eine mündliche Antwort er- theilten, oder aber wenn sie hinsichtlich der Fähigkeit des Präsen- tirten irgend welche Bedenken trugen, die Abgesandten mit dem Ver- sprechen entliessen, es werde der Gemeinde die schriftliche Erledi- gung ihrer Bitte zugesendet werden.
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254 Hatte das Consistorium gegen den Präsentirten nichts einzu- wenden, so erfolgte die Bestätigung (Confirmatio) desselben ohne allen Anstand. Doch gab es der Fälle genug, in denen gegen die Confirmation Schwierigkeiten erhoben oder diese gänzlich verweigert wurde. Wenn nämlich ein Priester eigenmächtig und ohne die Clausel, welche den Vorbehalt der Consistorialbestätigung enthielt, einen Contract mit der Gemeinde abschloss oder sogar vom Patron oder der Gemeinde sich hatte in die Pfarrei einführen lassen, dann erklärte das Consi- storium ein solches der Landesordnung zuwiderlaufende Verfahren für unrechtmässig und den geschlossenen Contract für ungiltig und verweigerte die Confirmation, oder es liess sich dasselbe nur durch wiederholte inständige Bitten bewegen, den Pfarrer zu bestätigen. Seit Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gibt sich bei den Patronen und Stadtgemeinden immer häufiger das Bestreben kund, sich von den alten Satzungen der Utraquisten allmälig zu eman- cipiren ; und dieses Bestreben geht Hand in Hand mit der immer offener zu Tage tretenden Hinneigung zu der Augsburgischen Con- fession. Man präsentirte daher dem Consistorium solche Priester, welche verheirathet waren oder im Concubinate lebten, oder welche sich um die liturgischen Vorschriften wenig bekümmerten und will- kürliche Anderungen im Gottesdienste einführten; man präsentirte sogar Geistliche, die in Wittenberg, Leipzig, Frankfurt eine soge- nannte „Ordination“ erhalten hatten, die somit nach utraquistischer Anschauung gar nicht giltig geweiht waren. Alles dieses geschah in der Absicht, damit solchergestalt acquirirte Pfarrer sich jederzeit als bereitwillige Werkzeuge hergäben, um bei Verkündigung der Lehre wie bei Anordnung des Gottesdienstes sich ausschliesslich nach dem Commandowort ihrer Beschützer zu richten. Gegen derartige Ubergriffe wehrte sich das Consistorium mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. Dasselbe verweigerte mit un- beugsamer Consequenz die Bestätigung einem Jeden, der die noth- wendige Bedingung des Gehorsams zu erfüllen sich sträubte, der einen unsittlichen Lebenswandel führte, oder der gar nicht giltig ordinirt war. Wenn die ernste Gegenvorstellung, welche der Partei gemacht wurde, ihren Zweck verfehlte, so pflegte das Consistorium alsbald eine Klagschrift an die Regierung oder den Kaiser selbst zu richten, worin es auf die der katholischen Religion so gefährlichen
254 Hatte das Consistorium gegen den Präsentirten nichts einzu- wenden, so erfolgte die Bestätigung (Confirmatio) desselben ohne allen Anstand. Doch gab es der Fälle genug, in denen gegen die Confirmation Schwierigkeiten erhoben oder diese gänzlich verweigert wurde. Wenn nämlich ein Priester eigenmächtig und ohne die Clausel, welche den Vorbehalt der Consistorialbestätigung enthielt, einen Contract mit der Gemeinde abschloss oder sogar vom Patron oder der Gemeinde sich hatte in die Pfarrei einführen lassen, dann erklärte das Consi- storium ein solches der Landesordnung zuwiderlaufende Verfahren für unrechtmässig und den geschlossenen Contract für ungiltig und verweigerte die Confirmation, oder es liess sich dasselbe nur durch wiederholte inständige Bitten bewegen, den Pfarrer zu bestätigen. Seit Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gibt sich bei den Patronen und Stadtgemeinden immer häufiger das Bestreben kund, sich von den alten Satzungen der Utraquisten allmälig zu eman- cipiren ; und dieses Bestreben geht Hand in Hand mit der immer offener zu Tage tretenden Hinneigung zu der Augsburgischen Con- fession. Man präsentirte daher dem Consistorium solche Priester, welche verheirathet waren oder im Concubinate lebten, oder welche sich um die liturgischen Vorschriften wenig bekümmerten und will- kürliche Anderungen im Gottesdienste einführten; man präsentirte sogar Geistliche, die in Wittenberg, Leipzig, Frankfurt eine soge- nannte „Ordination“ erhalten hatten, die somit nach utraquistischer Anschauung gar nicht giltig geweiht waren. Alles dieses geschah in der Absicht, damit solchergestalt acquirirte Pfarrer sich jederzeit als bereitwillige Werkzeuge hergäben, um bei Verkündigung der Lehre wie bei Anordnung des Gottesdienstes sich ausschliesslich nach dem Commandowort ihrer Beschützer zu richten. Gegen derartige Ubergriffe wehrte sich das Consistorium mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln. Dasselbe verweigerte mit un- beugsamer Consequenz die Bestätigung einem Jeden, der die noth- wendige Bedingung des Gehorsams zu erfüllen sich sträubte, der einen unsittlichen Lebenswandel führte, oder der gar nicht giltig ordinirt war. Wenn die ernste Gegenvorstellung, welche der Partei gemacht wurde, ihren Zweck verfehlte, so pflegte das Consistorium alsbald eine Klagschrift an die Regierung oder den Kaiser selbst zu richten, worin es auf die der katholischen Religion so gefährlichen
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255 Folgen aufmerksam machte, die ein fortgesetzter Ungehorsam der böhmischen Städte nothwendig herbeiführen müsse, und worin es zugleich um eine wirkliche Abhilfe diesen Missständen gegenüber dringend ersuchte. Nicht selten ereignete es sich, dass eine Pfarre durch längere Zeit unbesetzt blieb, und zwar aus dem Grunde, weil sich Patron und Gemeinde um die Einsetzung eines neuen Pfarres gar nicht be- kümmerten. In solchen Fällen wurde vom Consistorium selbst, nachdem es vergeblich auf eine Präsentation von Seite der hiezu Be- rechtigten gewartet, ein beliebiger Priester auf die vacante Pfründe confirmirt. Unter allen utraquistischen Geistlichen nahmen die Prager Pfarrer neben dem Consistorium den hervorragendsten Platz ein. Soweit die Acten nachweisen, gab es zu Prag im Ganzen 20 utra- quistische Pfarrsprengel, nämlich: 1. Teyn (laeta Curia); 2. St. Castulus; 3. St. Stephan ; 4. St. Heinrich; 5. St. Nikolaus auf der Altstadt; 6. St. Galli; 7. St. Peter am Pořič; 8. St. Martin; 9. St. Michael in Opatowič; 10. St. Wenzel am Zderaz; 11. St. Apollinar; 12. St. Adalbert in Smradař; 13. St. Aegyd; 14. St. Nikolaus auf der Kleinseite; 15. St. Maria in lacu miseriae; 16. St. Jakob; 17. St. Leonard; 18. St. Valentin; 19. St. Michael auf der Altstadt; 20. St. Clemens am Pořič 1). Dazu kam noch die Predigerstelle an der Betlehemskapelle, welche ein selbstständiges Amt bildete und gewöhnlich vom Admini- strator oder einem Consistorialrath versehen wurde, dann einige kleine Kapellen (z. B. die Kreuzkapelle auf der Altstadt) und gegen das Ende des 16. Jahrhundertes befand sich eine Zeit lang auch der Abt von Emaus unter der Obedienz des Consistoriums. Der erwähnte Vorzug, welcher den Prager Pfarrern eingeräumt wurde, war einerseits begründet durch den Vorrang der königlichen Hauptstadt vor den anderen Ortschaften; anderseits hatte auch der Umstand, dass in Prag das Consistorium seinen Sitz hatte, dass die Mehrzahl der Assessoren, manchmal auch der Administrator selbst aus der Zahl der Prager Pfarrer erkoren wurden, bedeutend dazu beigetragen, auch die übrigen nicht zum Consistorium gehörigen 1) Acta Cons. Utr. 1526. Archiv. XXXVI. 2. 17
255 Folgen aufmerksam machte, die ein fortgesetzter Ungehorsam der böhmischen Städte nothwendig herbeiführen müsse, und worin es zugleich um eine wirkliche Abhilfe diesen Missständen gegenüber dringend ersuchte. Nicht selten ereignete es sich, dass eine Pfarre durch längere Zeit unbesetzt blieb, und zwar aus dem Grunde, weil sich Patron und Gemeinde um die Einsetzung eines neuen Pfarres gar nicht be- kümmerten. In solchen Fällen wurde vom Consistorium selbst, nachdem es vergeblich auf eine Präsentation von Seite der hiezu Be- rechtigten gewartet, ein beliebiger Priester auf die vacante Pfründe confirmirt. Unter allen utraquistischen Geistlichen nahmen die Prager Pfarrer neben dem Consistorium den hervorragendsten Platz ein. Soweit die Acten nachweisen, gab es zu Prag im Ganzen 20 utra- quistische Pfarrsprengel, nämlich: 1. Teyn (laeta Curia); 2. St. Castulus; 3. St. Stephan ; 4. St. Heinrich; 5. St. Nikolaus auf der Altstadt; 6. St. Galli; 7. St. Peter am Pořič; 8. St. Martin; 9. St. Michael in Opatowič; 10. St. Wenzel am Zderaz; 11. St. Apollinar; 12. St. Adalbert in Smradař; 13. St. Aegyd; 14. St. Nikolaus auf der Kleinseite; 15. St. Maria in lacu miseriae; 16. St. Jakob; 17. St. Leonard; 18. St. Valentin; 19. St. Michael auf der Altstadt; 20. St. Clemens am Pořič 1). Dazu kam noch die Predigerstelle an der Betlehemskapelle, welche ein selbstständiges Amt bildete und gewöhnlich vom Admini- strator oder einem Consistorialrath versehen wurde, dann einige kleine Kapellen (z. B. die Kreuzkapelle auf der Altstadt) und gegen das Ende des 16. Jahrhundertes befand sich eine Zeit lang auch der Abt von Emaus unter der Obedienz des Consistoriums. Der erwähnte Vorzug, welcher den Prager Pfarrern eingeräumt wurde, war einerseits begründet durch den Vorrang der königlichen Hauptstadt vor den anderen Ortschaften; anderseits hatte auch der Umstand, dass in Prag das Consistorium seinen Sitz hatte, dass die Mehrzahl der Assessoren, manchmal auch der Administrator selbst aus der Zahl der Prager Pfarrer erkoren wurden, bedeutend dazu beigetragen, auch die übrigen nicht zum Consistorium gehörigen 1) Acta Cons. Utr. 1526. Archiv. XXXVI. 2. 17
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256 Pfarrer der Hauptstadt gleichsam als ein erweitertes Consistorium anzusehen. Man muss den Acten gemäss zweierlei Arten von Versammlun- gen des Prager Klerus unterscheiden: Erstens ordentliche, pe- riodisch wiederkehrende, und zweitens ausserordentliche, bei einzelnen besonderen Anlässen veranstaltete Zusammenkünfte. Erstere wurden regelmässig innerhalb der vier Quatember- wochen des Jahres abgehalten. Wie aus den meisten Actenstücken erhellt, pflegten bei jeder dieser Versammlungen zunächst die Sta- tut a vorgelesen zu werden. Worin diese Statuta bestanden, ist mit ziemlicher Sicherheit aus einer Urkunde vom Jahre 1540 zu er- schliessen, deren (von späterer Hand angebrachte) Uberschrift also lautet: "Leges Consistorii, quae diebus Angariae (Quatember) prae- leguntur". Hier wird die im Collegium Caroli unter dem Vorsitz des Administrators Mag. Martinus Klatovinus tagende Versammlung ge- nannt: „Plena Convocatio totius cleri Pragensis utrius- que partis“, und wir hätten somit eine Parallele oder ein Analogon zu den Convocationes Cleri, welche katholischerseits vom Erzbischof oder den Archidiakonen zu jener Zeit abgehalten zu werden pflegten. In jenen leges Consistorii werden einige allgemeine Verhaltungsregeln aufgestellt, welche das gegenseitige Verhältniss zwischen Kaplan und Pfarrer, die rechte Verwaltung des Predigeramtes und der Liturgie, so wie das äussere Decorum der Priester normirten. Nachdem die Statuten vorgelesen waren, wobei Pfarrer und Kapläne (kněží mladí) zugegen sein mussten, pflegte der Administrator nach Umständen noch besondere Wünsche, Ermahnungen oder Rügen beizu- schliessen. So wurden in der Convocation vom 13. December 1564 einige Verordnungen bezüglich des Gottesdienstes, Gesanges und Ge- läutes während der nächsten Weihnachtsfeiertage gegeben. In einer anderen Convocation vom 26. Februar 1540 wurde dem Klerus auf- getragen, in der Fastenzeit die Gläubigen zur Beichte zu ermuntern und bei der Liturgie der Osterfeiertage die gehörige Ordnung ein- zuhalten. Neben diesen periodischen Convocationen gaben aber besondere Vorfälle öfters Anlass zu einer ausserordentlichen Versamm- lung des Prager Klerus. In einer solchen wurde z. B. im Jahre 1540 (am 26. Juli) der Beschluss gefasst, dass alle Pfarrer insgesammt sich auf das Alt- und Neustädter Rathhaus begeben und den Bürger-
256 Pfarrer der Hauptstadt gleichsam als ein erweitertes Consistorium anzusehen. Man muss den Acten gemäss zweierlei Arten von Versammlun- gen des Prager Klerus unterscheiden: Erstens ordentliche, pe- riodisch wiederkehrende, und zweitens ausserordentliche, bei einzelnen besonderen Anlässen veranstaltete Zusammenkünfte. Erstere wurden regelmässig innerhalb der vier Quatember- wochen des Jahres abgehalten. Wie aus den meisten Actenstücken erhellt, pflegten bei jeder dieser Versammlungen zunächst die Sta- tut a vorgelesen zu werden. Worin diese Statuta bestanden, ist mit ziemlicher Sicherheit aus einer Urkunde vom Jahre 1540 zu er- schliessen, deren (von späterer Hand angebrachte) Uberschrift also lautet: "Leges Consistorii, quae diebus Angariae (Quatember) prae- leguntur". Hier wird die im Collegium Caroli unter dem Vorsitz des Administrators Mag. Martinus Klatovinus tagende Versammlung ge- nannt: „Plena Convocatio totius cleri Pragensis utrius- que partis“, und wir hätten somit eine Parallele oder ein Analogon zu den Convocationes Cleri, welche katholischerseits vom Erzbischof oder den Archidiakonen zu jener Zeit abgehalten zu werden pflegten. In jenen leges Consistorii werden einige allgemeine Verhaltungsregeln aufgestellt, welche das gegenseitige Verhältniss zwischen Kaplan und Pfarrer, die rechte Verwaltung des Predigeramtes und der Liturgie, so wie das äussere Decorum der Priester normirten. Nachdem die Statuten vorgelesen waren, wobei Pfarrer und Kapläne (kněží mladí) zugegen sein mussten, pflegte der Administrator nach Umständen noch besondere Wünsche, Ermahnungen oder Rügen beizu- schliessen. So wurden in der Convocation vom 13. December 1564 einige Verordnungen bezüglich des Gottesdienstes, Gesanges und Ge- läutes während der nächsten Weihnachtsfeiertage gegeben. In einer anderen Convocation vom 26. Februar 1540 wurde dem Klerus auf- getragen, in der Fastenzeit die Gläubigen zur Beichte zu ermuntern und bei der Liturgie der Osterfeiertage die gehörige Ordnung ein- zuhalten. Neben diesen periodischen Convocationen gaben aber besondere Vorfälle öfters Anlass zu einer ausserordentlichen Versamm- lung des Prager Klerus. In einer solchen wurde z. B. im Jahre 1540 (am 26. Juli) der Beschluss gefasst, dass alle Pfarrer insgesammt sich auf das Alt- und Neustädter Rathhaus begeben und den Bürger-
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257 meistern zureden sollten, dass sie den sich immer mehr häufenden Vergehen gegen die öffentliche Sittlichkeit einmal Einhalt thäten; es wurden in Folge dessen die Gemeinde-Altesten, Haupt- leute und Zunftvorsteher zusammenberufen ; sie versprachen nach der vom Administrator an sie gerichteten Ermahnung dafür zu sorgen, dass der überhandnehmenden Unsittlichkeit nach Kräften gesteuert werde. — Am 10. Mai 1541 wurden abermals die Prager Pfarrer und die Magistri der Universität zu einer Versammlung erbeten ; man einigte sich dahin, dass sowohl das Consistorium als die Universität ihre Rechte gegen die Übergriffe der Prager Städte werden zu wahren suchen. Zugleich wurde als Grundsatz ausgesprochen: Das Recht, die Testamente der Geistlichen zu approbiren, gebühre dem Consistorium, nicht aber der weltlichen Behörde. — Als im Jahre 1564 die Pest in Prag wüthete, wurden die Pfarrer auf An- ordnung des Erzherzoges Ferdinand am 6. October zusammenberufen und ihnen vom Consistorium aufgetragen, sie mögen jeden Sonntag immer ein genaues Verzeichniss der von der Pest Dahingerafften dem Bürgermeister einhändigen. — Einen anderen Anlass zur Convoca- tion bot der Landtag vom J. 1565, auf welchem die für den Tür- kenkrieg erforderlichen Kriegsrüstungen berathen wurden. Der Erz- bischof hatte befohlen, dass die Priesterschaft sub una mit den Gläu- bigen eifrig dem Gebete obliege, um dem kaiserlichen Heere den Sieg über die Feinde der Christenheit zu erflehen; diesen Gebeten schloss sich nun auch das utraquistische Consistorium mit den Pfarrern und Gläubigen an 1). 4. Kapläne. Denjenigen Beneficiaten, welche für die geistlichen Bedürfnisse einer zahlreicheren Population zu sorgen hatten, wurden jüngere Priester als Vicarii oder Capellani beigesellt. Wir finden solche auf sämmtlichen Pfarreien Prags und in den meisten Landstädten. Uber das gegenseitige Verhältniss zwischen Pfarrer und Kaplan bieten uns einige Actenstücke interessante Angaben 2). Wie ein Vater seinen Sohn, so soll der Pfarrer seinen Kaplan behandeln, ihn unter- richten, ermahnen, zurechtweisen, in Wort und That ihm mit gutem 1) Acta Cons. Utr. 4. Juli 1565. 2) Acta Cons. Utr. 1326. 1540 (10. März). 17"
257 meistern zureden sollten, dass sie den sich immer mehr häufenden Vergehen gegen die öffentliche Sittlichkeit einmal Einhalt thäten; es wurden in Folge dessen die Gemeinde-Altesten, Haupt- leute und Zunftvorsteher zusammenberufen ; sie versprachen nach der vom Administrator an sie gerichteten Ermahnung dafür zu sorgen, dass der überhandnehmenden Unsittlichkeit nach Kräften gesteuert werde. — Am 10. Mai 1541 wurden abermals die Prager Pfarrer und die Magistri der Universität zu einer Versammlung erbeten ; man einigte sich dahin, dass sowohl das Consistorium als die Universität ihre Rechte gegen die Übergriffe der Prager Städte werden zu wahren suchen. Zugleich wurde als Grundsatz ausgesprochen: Das Recht, die Testamente der Geistlichen zu approbiren, gebühre dem Consistorium, nicht aber der weltlichen Behörde. — Als im Jahre 1564 die Pest in Prag wüthete, wurden die Pfarrer auf An- ordnung des Erzherzoges Ferdinand am 6. October zusammenberufen und ihnen vom Consistorium aufgetragen, sie mögen jeden Sonntag immer ein genaues Verzeichniss der von der Pest Dahingerafften dem Bürgermeister einhändigen. — Einen anderen Anlass zur Convoca- tion bot der Landtag vom J. 1565, auf welchem die für den Tür- kenkrieg erforderlichen Kriegsrüstungen berathen wurden. Der Erz- bischof hatte befohlen, dass die Priesterschaft sub una mit den Gläu- bigen eifrig dem Gebete obliege, um dem kaiserlichen Heere den Sieg über die Feinde der Christenheit zu erflehen; diesen Gebeten schloss sich nun auch das utraquistische Consistorium mit den Pfarrern und Gläubigen an 1). 4. Kapläne. Denjenigen Beneficiaten, welche für die geistlichen Bedürfnisse einer zahlreicheren Population zu sorgen hatten, wurden jüngere Priester als Vicarii oder Capellani beigesellt. Wir finden solche auf sämmtlichen Pfarreien Prags und in den meisten Landstädten. Uber das gegenseitige Verhältniss zwischen Pfarrer und Kaplan bieten uns einige Actenstücke interessante Angaben 2). Wie ein Vater seinen Sohn, so soll der Pfarrer seinen Kaplan behandeln, ihn unter- richten, ermahnen, zurechtweisen, in Wort und That ihm mit gutem 1) Acta Cons. Utr. 4. Juli 1565. 2) Acta Cons. Utr. 1326. 1540 (10. März). 17"
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258 Beispiele voranleuchten; der Kaplan soll dem Pfarrer gehorchen. Sollte sich der Kaplan unfolgsam gegen seinen Pfarrer benehmen, so möge ihn dieser in sein Zimmer rufen und ihn zurechtweisen. Hätte umgekehrt der Kaplan sich in etwas über den Pfarrer zu beschweren, so möge er es ihm wie ein Sohn seinem Vater melden und ihn um seine väterliche Liebe bitten. Sollte dies erste Mittel nicht zum Zwecke führen, dann mögen beide noch einen oder zwei Pfarrer zu sich erbitten, damit diese den entstandenen Zwist schlichten. Erst dann, wenn auch dieses zweite Mittel erfolglos bliebe, möge die Klage dem Administrator selbst vorgetragen werden. Vor jeder Predigt musste der Kaplan das Elaborat derselben dem Pfarrer vorzeigen, damit man sicher sei, dass er wahrhaft das Wort Gottes verkünde, nicht aber irrige Ansichten vorbringe ; auch sollten sich die Kapläne auf der Kanzel jeder strengen Zurechtwei- sung der Gläubigen enthalten, indem dieses nur den älteren Priestern zustehe. Auch in seinem häuslichen Leben solle der Kaplan vom Pfarrer überwacht werden, so zwar, dass er ohne Erlaubniss des Pfarrers gar nicht aus dem Hause gehe. In der Kost solle der Ka- plan nicht wählerisch sein, sondern sich mit dem, was ihm am Tische des Pfarrers verabreicht wird, zufriedenstellen und überhaupt die möglichste Demuth und Geduld in Allem bewahren. Jeder Kaplan musste wenigstens drei Jahre in der Seelsorge gearbeitet haben, bevor er um ein Beneficium petirte. Diese Einrich- tung ist im allgemeinen Kirchenrechte zwar nirgends begründet, allein in Böhmen gilt sie auch heutzutage noch als Gesetz. Nebstdem bestand auch eine andere eigenthümliche Gewohnheit unter den Utra- quisten. Nach der Ordination nämlich musste jeder Priester alsbald vor dem Administrator und Consistorium den feierlichen Obedi enz- eid leisten ; hierauf erst erhielt er eine Kaplanstelle, wobei ihm auch die Zeit vorausbemessen wurde, wie lange er auf seinem Posten als Kaplan zu verbleiben habe, in der Regel 3, 4, 5, höchstens 6 Jahre. Zwei Bürgen mussten unter eventueller Strafe von 50 Schock Groschen dafür haften, dass der Kaplan sich vor Ablauf der festge- setzten Frist von seinem Posten nicht entfernen werde. Während dieser Zeit durfte sich der Kaplan um keine Pfarre bewerben, ausser er hätte früher die ausdrückliche Erlaubniss des Consistoriums dazu erhalten; diese wurde ihm jedoch unbedingt in dem Falle verweigert,
258 Beispiele voranleuchten; der Kaplan soll dem Pfarrer gehorchen. Sollte sich der Kaplan unfolgsam gegen seinen Pfarrer benehmen, so möge ihn dieser in sein Zimmer rufen und ihn zurechtweisen. Hätte umgekehrt der Kaplan sich in etwas über den Pfarrer zu beschweren, so möge er es ihm wie ein Sohn seinem Vater melden und ihn um seine väterliche Liebe bitten. Sollte dies erste Mittel nicht zum Zwecke führen, dann mögen beide noch einen oder zwei Pfarrer zu sich erbitten, damit diese den entstandenen Zwist schlichten. Erst dann, wenn auch dieses zweite Mittel erfolglos bliebe, möge die Klage dem Administrator selbst vorgetragen werden. Vor jeder Predigt musste der Kaplan das Elaborat derselben dem Pfarrer vorzeigen, damit man sicher sei, dass er wahrhaft das Wort Gottes verkünde, nicht aber irrige Ansichten vorbringe ; auch sollten sich die Kapläne auf der Kanzel jeder strengen Zurechtwei- sung der Gläubigen enthalten, indem dieses nur den älteren Priestern zustehe. Auch in seinem häuslichen Leben solle der Kaplan vom Pfarrer überwacht werden, so zwar, dass er ohne Erlaubniss des Pfarrers gar nicht aus dem Hause gehe. In der Kost solle der Ka- plan nicht wählerisch sein, sondern sich mit dem, was ihm am Tische des Pfarrers verabreicht wird, zufriedenstellen und überhaupt die möglichste Demuth und Geduld in Allem bewahren. Jeder Kaplan musste wenigstens drei Jahre in der Seelsorge gearbeitet haben, bevor er um ein Beneficium petirte. Diese Einrich- tung ist im allgemeinen Kirchenrechte zwar nirgends begründet, allein in Böhmen gilt sie auch heutzutage noch als Gesetz. Nebstdem bestand auch eine andere eigenthümliche Gewohnheit unter den Utra- quisten. Nach der Ordination nämlich musste jeder Priester alsbald vor dem Administrator und Consistorium den feierlichen Obedi enz- eid leisten ; hierauf erst erhielt er eine Kaplanstelle, wobei ihm auch die Zeit vorausbemessen wurde, wie lange er auf seinem Posten als Kaplan zu verbleiben habe, in der Regel 3, 4, 5, höchstens 6 Jahre. Zwei Bürgen mussten unter eventueller Strafe von 50 Schock Groschen dafür haften, dass der Kaplan sich vor Ablauf der festge- setzten Frist von seinem Posten nicht entfernen werde. Während dieser Zeit durfte sich der Kaplan um keine Pfarre bewerben, ausser er hätte früher die ausdrückliche Erlaubniss des Consistoriums dazu erhalten; diese wurde ihm jedoch unbedingt in dem Falle verweigert,
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259 wenn er noch nicht volle drei Jahre seiner seelsorgerlichen Thätig- keit aufweisen konnte. Mit Rücksicht auf die ganz eigenthümlichen Verhältnisse der Ordinanden 1) gestattete das Consistorium nicht selten, dass ein Stu- dierender der Theologie noch vor Empfang der Priesterweihe einen Vertrag eingehen durfte, worin er einer Gemeinde oder deren Pfarrer versprach , die ersten 3 oder 4 Jahre nach seiner Ordination als Kaplan daselbst verbleiben zu wollen. Es erübriget noch die Bemerkung, dass ein jeder Priester, der von den Katholiken sub una zur utraquistischen Partei übertrat, selbst dann, wenn er bisher Pfarrer gewesen, einige Zeit hindurch als Kaplan fungiren musste; gewöhnlich wurde er einem Prager Pfarrer beigegeben , damit er von ihm in allen Sitten und Gebräuchen der utraquistischen Partei gründlichen Unterricht erhalte. II. Befähigung zum Amte. 1. Ordination. Ein charakteristisches Moment des eigentlichen und echten Utraquismus bildet die mit grösster Consequenz befolgte Unterschei- dung zweier zur Verwaltung eines kirchlichen Amtes nothwendigen Acte, nämlich der Ordination und Jurisdiction. Diese Unterscheidung ist zum Zwecke einer richtigen Beurthei- lung des Utraquismus von wesentlichem Belange. Das katholische Kirchenrecht hält nämlich principiell den Satz aufrecht: Dass die Ertheilung des Sakramentes der Priesterweihe ein von der Ju- risdictionirung wesentlich verschiedener Act sei. Hingegen haben sämmtliche ausserhalb der katholischen Kirche stehende christ- liche Confessionen die Sakramentalität des Priesterthums fallen las- sen, so zwar, dass bei ihnen die actuelle Übertragung eines be- stimmten kirchlichen Amtes (Jurisdiction) auch schon die habi- tuelle Befähigung zur Verwaltung des Priesteramtes überhaupt (Quasi-Ordination) in sich schliesst, mit ihr also zusammenfällt. Somit dient uns das Festhalten an der Sakramentalität der Prie- sterweihe als Probirstein , an welchem wir die wahren Utraqui- sten zu erkennen vermögen , und zugleich als Scheidegrenze, über 1 Siche weiter unten über die „Ordination“.
259 wenn er noch nicht volle drei Jahre seiner seelsorgerlichen Thätig- keit aufweisen konnte. Mit Rücksicht auf die ganz eigenthümlichen Verhältnisse der Ordinanden 1) gestattete das Consistorium nicht selten, dass ein Stu- dierender der Theologie noch vor Empfang der Priesterweihe einen Vertrag eingehen durfte, worin er einer Gemeinde oder deren Pfarrer versprach , die ersten 3 oder 4 Jahre nach seiner Ordination als Kaplan daselbst verbleiben zu wollen. Es erübriget noch die Bemerkung, dass ein jeder Priester, der von den Katholiken sub una zur utraquistischen Partei übertrat, selbst dann, wenn er bisher Pfarrer gewesen, einige Zeit hindurch als Kaplan fungiren musste; gewöhnlich wurde er einem Prager Pfarrer beigegeben , damit er von ihm in allen Sitten und Gebräuchen der utraquistischen Partei gründlichen Unterricht erhalte. II. Befähigung zum Amte. 1. Ordination. Ein charakteristisches Moment des eigentlichen und echten Utraquismus bildet die mit grösster Consequenz befolgte Unterschei- dung zweier zur Verwaltung eines kirchlichen Amtes nothwendigen Acte, nämlich der Ordination und Jurisdiction. Diese Unterscheidung ist zum Zwecke einer richtigen Beurthei- lung des Utraquismus von wesentlichem Belange. Das katholische Kirchenrecht hält nämlich principiell den Satz aufrecht: Dass die Ertheilung des Sakramentes der Priesterweihe ein von der Ju- risdictionirung wesentlich verschiedener Act sei. Hingegen haben sämmtliche ausserhalb der katholischen Kirche stehende christ- liche Confessionen die Sakramentalität des Priesterthums fallen las- sen, so zwar, dass bei ihnen die actuelle Übertragung eines be- stimmten kirchlichen Amtes (Jurisdiction) auch schon die habi- tuelle Befähigung zur Verwaltung des Priesteramtes überhaupt (Quasi-Ordination) in sich schliesst, mit ihr also zusammenfällt. Somit dient uns das Festhalten an der Sakramentalität der Prie- sterweihe als Probirstein , an welchem wir die wahren Utraqui- sten zu erkennen vermögen , und zugleich als Scheidegrenze, über 1 Siche weiter unten über die „Ordination“.
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260 welche hinaus der Ubergang in das protestantische Lager statt- findet. Wenn wir nun auf die Utraquisten vom Jahre 1525 zurück- blicken, so finden wir die Ordination als eines der sieben Sakra- mente ausdrücklich angeführt in den dogmatischen Bestimmungen, von denen es heisst: „Accedentibus ad partem utriusque speciei isti offeruntur articuli". Die hieher bezügliche Stelle lautet: "Ordinem Clericorum Christi ordinationem nemo est qui dubitat, dum aliquos elegit, asseclas vocavit ac designavit, quibus dedit auctori- tatem baptizandi, praedicandi, infirmos curandi ... et post suam re- surrectionem 1) . . insuper potestatem conficiendi corpus et sanguinem suum dicens: "Hoc facite" etc. et absolvendi: „Accipite“ etc. — Und damit durchaus kein Zweifel übrig bleibe, wird hinzugesetzt: „Tamen vero excludimus omnes, qui ordinem clericorum contemnunt, se ipsos omnes consecratos a Christo summo pontifice (das so- genannte all gemeine Priesterthum) ajunt, vel qui temerarie soli non consecrati alios consecrant, manus imponunt et per sortem ex se eligunt." — Bei dem Abschnitte über die heilige Messe wird endlich gesagt: „Tamen abhorremus ejusmodi homines, qui sine charactere et dignitate sacerdotali soli temerarie in locis obscuris aut cavernosis consecrant..., contra ritum ecclesiasticum consecrantes missas peragunt et alios ejusdem farinae communicant“. Die Priesterweihe galt demnach als Sacrament und als conditio sine qua non zur Bekleidung eines kirchlichen Amtes. Es durfte Nie- mand unter die Zahl der ordentlichen utraquistischen Priester (v po- čet jiného kněžstva pořádného strany pod obojí spůsobou) aufgenom- men werden, ausser er konnte den Beweis liefern, dass er die Prie- sterweihe giltig empfangen habe. Zur Beurtheilung der Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Weihe ist es aber von grösster Wichtigkeit, dass wir uns die Frage beantworten : Von wem wurden die utraquistischen Prie- ster ordinirt? Die Natur der Sache und die Analogie des katholischen Kir- chenrechtes musste nothwendig das Postulat eines eigenen utraqui- 1) Es scheint, dass im Manuscript an dieser Stelle eine Zeile ausgelassen wurde ; denn die "potestas conficiendi corpus etc.“ hat Christus bereits vor seinem Tode den Aposteln gegeben.
260 welche hinaus der Ubergang in das protestantische Lager statt- findet. Wenn wir nun auf die Utraquisten vom Jahre 1525 zurück- blicken, so finden wir die Ordination als eines der sieben Sakra- mente ausdrücklich angeführt in den dogmatischen Bestimmungen, von denen es heisst: „Accedentibus ad partem utriusque speciei isti offeruntur articuli". Die hieher bezügliche Stelle lautet: "Ordinem Clericorum Christi ordinationem nemo est qui dubitat, dum aliquos elegit, asseclas vocavit ac designavit, quibus dedit auctori- tatem baptizandi, praedicandi, infirmos curandi ... et post suam re- surrectionem 1) . . insuper potestatem conficiendi corpus et sanguinem suum dicens: "Hoc facite" etc. et absolvendi: „Accipite“ etc. — Und damit durchaus kein Zweifel übrig bleibe, wird hinzugesetzt: „Tamen vero excludimus omnes, qui ordinem clericorum contemnunt, se ipsos omnes consecratos a Christo summo pontifice (das so- genannte all gemeine Priesterthum) ajunt, vel qui temerarie soli non consecrati alios consecrant, manus imponunt et per sortem ex se eligunt." — Bei dem Abschnitte über die heilige Messe wird endlich gesagt: „Tamen abhorremus ejusmodi homines, qui sine charactere et dignitate sacerdotali soli temerarie in locis obscuris aut cavernosis consecrant..., contra ritum ecclesiasticum consecrantes missas peragunt et alios ejusdem farinae communicant“. Die Priesterweihe galt demnach als Sacrament und als conditio sine qua non zur Bekleidung eines kirchlichen Amtes. Es durfte Nie- mand unter die Zahl der ordentlichen utraquistischen Priester (v po- čet jiného kněžstva pořádného strany pod obojí spůsobou) aufgenom- men werden, ausser er konnte den Beweis liefern, dass er die Prie- sterweihe giltig empfangen habe. Zur Beurtheilung der Giltigkeit oder Ungiltigkeit der Weihe ist es aber von grösster Wichtigkeit, dass wir uns die Frage beantworten : Von wem wurden die utraquistischen Prie- ster ordinirt? Die Natur der Sache und die Analogie des katholischen Kir- chenrechtes musste nothwendig das Postulat eines eigenen utraqui- 1) Es scheint, dass im Manuscript an dieser Stelle eine Zeile ausgelassen wurde ; denn die "potestas conficiendi corpus etc.“ hat Christus bereits vor seinem Tode den Aposteln gegeben.
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261 stischen Bischofes aufstellen , welcher durch die jährlich vorzuneh- mende Ordination von Klerikern, die unter seiner Aufsicht erzogen wurden, den geistlichen Bedürfnissen der ihm anvertrauten Gläubigen entgegengekommen wäre. Allein die Utraquisten hatten eben nie einen eigenen Bischof; der Administrator übte zwar mit den Con- sistorialräthen die kirchliche Regierung aus, d. h. Jurisdictionsrechte da er aber selbst nur Priester war , so war er nach katholischem Dogma nicht befähigt, Jemanden zu weihen; auch finden wir in der Geschichte kein einziges Beispiel, dass irgend ein Administrator sich das Weiherecht angemasst hätte. Ein anderes dem eben erwähnten am nächsten kommende Aus- kunftsmittel bezüglich der Ordination wäre somit nur bei dem Prager Erzbischof zu suchen gewesen. Aber auch der erzbischöfliche Stuhl blieb vom Jahre 1421 bis 1560 vacant; daher können wir erst n ach diesem letztgenannten Jahre die Frage stellen, ob sich die Prager Erzbischöfe dazu herbeigelassen haben, utraquistische Kleriker zu ordiniren. Zunächst jedoch kommt die Zeit von 1421 bis 1560 in Betracht. Aus dem 15. Jahrhunderte sind bisher keine diesbezüglichen Quellen eruirt worden; zwar finden wir einige Aufklärung in der aus der Zeit des Compactatenabschlusses uns aufbewahrten Notiz, es habe der mit dem päpstlichen Legaten in Prag weilende Bischof Philibert einer Menge von Klerikern sub una und sub utraque die Priesterweihe er- theilt 1). Doch im Ganzen mochten sich ähnliche Fälle, dass nämlich ein Bischof sich in Prag zur Ordination eigens eingefunden hätte. nicht oft wiederholen, und es wird uns somit erlaubt sein, aus der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundertes vorwaltenden Praxis eine berechtigte Schlussfolgerung auch für das 15. Jahrhundert zu ziehen. Es ist nicht sichergestellt, wie lange die Candidaten des Prie- sterstandes bei den Utraquisten sich dem Studium der Theologie an der Prager Universität widmeten. So viel jedoch erhellt aus einer Menge von Actenstücken, dass dieselben zur Beendigung ihrer Stu� dien in fremde Länder geschickt wurden, zumeist nach Italien, be- sonders nach Venedig, wo sie auch gewöhnlich die Weihen em- pfingen. 1) Palacký, Geschichte Böhmens III. Bd., zum Jahre 1436.
261 stischen Bischofes aufstellen , welcher durch die jährlich vorzuneh- mende Ordination von Klerikern, die unter seiner Aufsicht erzogen wurden, den geistlichen Bedürfnissen der ihm anvertrauten Gläubigen entgegengekommen wäre. Allein die Utraquisten hatten eben nie einen eigenen Bischof; der Administrator übte zwar mit den Con- sistorialräthen die kirchliche Regierung aus, d. h. Jurisdictionsrechte da er aber selbst nur Priester war , so war er nach katholischem Dogma nicht befähigt, Jemanden zu weihen; auch finden wir in der Geschichte kein einziges Beispiel, dass irgend ein Administrator sich das Weiherecht angemasst hätte. Ein anderes dem eben erwähnten am nächsten kommende Aus- kunftsmittel bezüglich der Ordination wäre somit nur bei dem Prager Erzbischof zu suchen gewesen. Aber auch der erzbischöfliche Stuhl blieb vom Jahre 1421 bis 1560 vacant; daher können wir erst n ach diesem letztgenannten Jahre die Frage stellen, ob sich die Prager Erzbischöfe dazu herbeigelassen haben, utraquistische Kleriker zu ordiniren. Zunächst jedoch kommt die Zeit von 1421 bis 1560 in Betracht. Aus dem 15. Jahrhunderte sind bisher keine diesbezüglichen Quellen eruirt worden; zwar finden wir einige Aufklärung in der aus der Zeit des Compactatenabschlusses uns aufbewahrten Notiz, es habe der mit dem päpstlichen Legaten in Prag weilende Bischof Philibert einer Menge von Klerikern sub una und sub utraque die Priesterweihe er- theilt 1). Doch im Ganzen mochten sich ähnliche Fälle, dass nämlich ein Bischof sich in Prag zur Ordination eigens eingefunden hätte. nicht oft wiederholen, und es wird uns somit erlaubt sein, aus der in der ersten Hälfte des 16. Jahrhundertes vorwaltenden Praxis eine berechtigte Schlussfolgerung auch für das 15. Jahrhundert zu ziehen. Es ist nicht sichergestellt, wie lange die Candidaten des Prie- sterstandes bei den Utraquisten sich dem Studium der Theologie an der Prager Universität widmeten. So viel jedoch erhellt aus einer Menge von Actenstücken, dass dieselben zur Beendigung ihrer Stu� dien in fremde Länder geschickt wurden, zumeist nach Italien, be- sonders nach Venedig, wo sie auch gewöhnlich die Weihen em- pfingen. 1) Palacký, Geschichte Böhmens III. Bd., zum Jahre 1436.
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262 Zu einer so weiten und mühsamen Reise, so wie zur Bestreitung des nothwendigen Lebensunterhaltes in der fremden Stadt mussten nun die Theologen allerdings sich mit dem erforderlichen Gelde versehen. Da es aber den meisten Studierenden an eigenem Vermögen gebrach, so hat sich allmälig ein ganz besonderer Modus herausge- bildet, wornach sich die Candidaten Geld auf ihre Reise verschafften. Es geschah dies in der Weise, dass ein Pfarrer oder eine Pfarr- gemeinde, die eines Kaplans bedurfte, dem jungen Theologen eine bestimmte Summe Geldes darlieh , wogegen dieser sich verpflichtete, nach seiner Rückkehr aus Italien einige (manchmal 2, zumeist 3—4, höchstens 5) Jahre hindurch die Kaplanstelle in jener Pfarrge- meinde versehen zu wollen 1). Durch dieses Mittel erhielt einerseits die Gemeinde schon im voraus eine Bürgschaft dafür, dass sie nach einem oder zwei Jahren einen Kaplan bekommen werde, was bei dem häufig vorkommenden Priestermangel nicht gleichgiltig erscheinen konnte; anderseits war dem zukünftigen Kaplan in der erwähnten Weise eine leichte Gelegenheit geboten, seine Schuld nach und nach abzutragen. Ein solcher Fall wird z. B. bei dem Jahre 1546 ange- führt. Die Gemeindeältesten der St. Wenzelspfarre am Zderaz in Prag hatten dem Johann Knechtowič auf seine Reise nach Italien 15 Schock Meissner Groschen geliehen. Da er jetzt als Priester zu- rückgekehrt war, musste er seinem Versprechen gemäss 3 Jahre als Kaplan bei St. Wenzel verbleiben; auf die Zahlung von 5 Schock verzichtete die Gemeinde sogleich; zur Deckung der noch übrigen Schuld von 10 Schock wurden dem Kaplan alljährlich 3 Schock und 20 Groschen von seinem Gehalte abgezogen. — Ein andermal betrug die dargeliehene Summe 15 Thaler, bei einem Kaplan im Teyn 24 Schock Meissner, einmal auch 27 Schock Meissner (bei jährlicher Abzahlung von 5 Schock blieb dem Kaplan ein jährlicher Gehalt von 3. Schock), 20 ungarische Gulden u. s. f. 2). Bevor aber die jungen Theologen die Reise nach Italien antra- ten, mussten sie ein Examen vor dem Consistorium bestehen, damit sich dieses die Uberzeugung verschaffen könnte, dass die jungen Männer wirklich Fortschritte in den theologischen Wissenschaften gemacht und daher fähig seien, bald die Weihen zu empfangen. 1) Siehe Acta Cons. Utr. 1537, 1538, 1546. 2) Acta Cons. Utr. 1531, 1538, 1546, 1555.
262 Zu einer so weiten und mühsamen Reise, so wie zur Bestreitung des nothwendigen Lebensunterhaltes in der fremden Stadt mussten nun die Theologen allerdings sich mit dem erforderlichen Gelde versehen. Da es aber den meisten Studierenden an eigenem Vermögen gebrach, so hat sich allmälig ein ganz besonderer Modus herausge- bildet, wornach sich die Candidaten Geld auf ihre Reise verschafften. Es geschah dies in der Weise, dass ein Pfarrer oder eine Pfarr- gemeinde, die eines Kaplans bedurfte, dem jungen Theologen eine bestimmte Summe Geldes darlieh , wogegen dieser sich verpflichtete, nach seiner Rückkehr aus Italien einige (manchmal 2, zumeist 3—4, höchstens 5) Jahre hindurch die Kaplanstelle in jener Pfarrge- meinde versehen zu wollen 1). Durch dieses Mittel erhielt einerseits die Gemeinde schon im voraus eine Bürgschaft dafür, dass sie nach einem oder zwei Jahren einen Kaplan bekommen werde, was bei dem häufig vorkommenden Priestermangel nicht gleichgiltig erscheinen konnte; anderseits war dem zukünftigen Kaplan in der erwähnten Weise eine leichte Gelegenheit geboten, seine Schuld nach und nach abzutragen. Ein solcher Fall wird z. B. bei dem Jahre 1546 ange- führt. Die Gemeindeältesten der St. Wenzelspfarre am Zderaz in Prag hatten dem Johann Knechtowič auf seine Reise nach Italien 15 Schock Meissner Groschen geliehen. Da er jetzt als Priester zu- rückgekehrt war, musste er seinem Versprechen gemäss 3 Jahre als Kaplan bei St. Wenzel verbleiben; auf die Zahlung von 5 Schock verzichtete die Gemeinde sogleich; zur Deckung der noch übrigen Schuld von 10 Schock wurden dem Kaplan alljährlich 3 Schock und 20 Groschen von seinem Gehalte abgezogen. — Ein andermal betrug die dargeliehene Summe 15 Thaler, bei einem Kaplan im Teyn 24 Schock Meissner, einmal auch 27 Schock Meissner (bei jährlicher Abzahlung von 5 Schock blieb dem Kaplan ein jährlicher Gehalt von 3. Schock), 20 ungarische Gulden u. s. f. 2). Bevor aber die jungen Theologen die Reise nach Italien antra- ten, mussten sie ein Examen vor dem Consistorium bestehen, damit sich dieses die Uberzeugung verschaffen könnte, dass die jungen Männer wirklich Fortschritte in den theologischen Wissenschaften gemacht und daher fähig seien, bald die Weihen zu empfangen. 1) Siehe Acta Cons. Utr. 1537, 1538, 1546. 2) Acta Cons. Utr. 1531, 1538, 1546, 1555.
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263 Nach glücklich überstandener Prüfung erhielten die Candidaten die sogenannten Dimissorialien, d. i. ein ämtliches Schreiben, worin das Consistorium den italienischen Bischof ersuchte (respective bevollmächtigte), er möge den Uberbringern die heiligen Weihen ertheilen. Da nach dem allgemeinen Kirchenrechte nämlich ein jeder Bischof nur die ihm untergeordneten, unter seiner Jurisdiction ste- henden Kleriker weihen darf, so mussten die utraquistischen Theo- logen aus der Gewalt des Consistoriums auf eine Zeit lang entlassen (dimittirt) werden und kehrten erst nach erlangter Weihe abermals unter die Jurisdiction des Consistoriums zurück. Allein selbst wenn diese Theologen mit genauer Mühe das er- forderliche Reisegeld zusammengebracht, wenn sie das Examen be- standen und mit Dimissorialien versehen sich auf den Weg gemacht hatten, konnten sie doch bei den italienischen Bischöfen nicht immer die freundlichste Aufnahme gewärtigen. Da nämlich in Italien die mit Böhmen geschlossenen Compactaten keine Geltung hatten, auch überdies vorauszusetzen ist, dass sie den italienischen Bischöfen kaum dem Namen nach bekannt waren, so mochte sich nicht leicht ein Bischof entschliessen, ohne ausdrückliche Genehmigung des apo- stolischen Stuhles utraquistische Kleriker zu ordiniren ; wie denn im Jahre 1562 auf dem ökumenischen Concil von Trient das Recht, die communio sub utraque specie den Gläubigen zu gestatten, ausdrück- lich dem Papste reservirt wurde 1). Um jeder Verlegenheit auszuweichen, ordinirte der italienische Bischof die Utraquisten unter der Bedingung, dass sie sub una communicirten. Diese Bedingung ist schon im römischen Ordi- nationsritus an und für sich begründet. Die neugeweihten Priester celebriren nämlich zugleich mit dem Bischof die heilige Messe, spre- chen alle Gebete laut mit und empfangen aus der Hand des Bischofs die heilige Communion — jedoch nur unter Einer Gestalt, der des Brodes. — Zugleich mussten sich die neugeweihten utraquistischen Priester verpflichten, auch den Gläubigen die Communion unter Einer Gestalt zu spenden. Waren die in solcher Weise Ordinirten nach Prag zurückge- kehrt, so traten sie vor das Consistorium und leisteten einen Widerruf in folgenden Worten: „Wir N. N. etc. klagen uns an 1) Tridentinum sess. XXII. Deer. super petit. concessionis calicis.
263 Nach glücklich überstandener Prüfung erhielten die Candidaten die sogenannten Dimissorialien, d. i. ein ämtliches Schreiben, worin das Consistorium den italienischen Bischof ersuchte (respective bevollmächtigte), er möge den Uberbringern die heiligen Weihen ertheilen. Da nach dem allgemeinen Kirchenrechte nämlich ein jeder Bischof nur die ihm untergeordneten, unter seiner Jurisdiction ste- henden Kleriker weihen darf, so mussten die utraquistischen Theo- logen aus der Gewalt des Consistoriums auf eine Zeit lang entlassen (dimittirt) werden und kehrten erst nach erlangter Weihe abermals unter die Jurisdiction des Consistoriums zurück. Allein selbst wenn diese Theologen mit genauer Mühe das er- forderliche Reisegeld zusammengebracht, wenn sie das Examen be- standen und mit Dimissorialien versehen sich auf den Weg gemacht hatten, konnten sie doch bei den italienischen Bischöfen nicht immer die freundlichste Aufnahme gewärtigen. Da nämlich in Italien die mit Böhmen geschlossenen Compactaten keine Geltung hatten, auch überdies vorauszusetzen ist, dass sie den italienischen Bischöfen kaum dem Namen nach bekannt waren, so mochte sich nicht leicht ein Bischof entschliessen, ohne ausdrückliche Genehmigung des apo- stolischen Stuhles utraquistische Kleriker zu ordiniren ; wie denn im Jahre 1562 auf dem ökumenischen Concil von Trient das Recht, die communio sub utraque specie den Gläubigen zu gestatten, ausdrück- lich dem Papste reservirt wurde 1). Um jeder Verlegenheit auszuweichen, ordinirte der italienische Bischof die Utraquisten unter der Bedingung, dass sie sub una communicirten. Diese Bedingung ist schon im römischen Ordi- nationsritus an und für sich begründet. Die neugeweihten Priester celebriren nämlich zugleich mit dem Bischof die heilige Messe, spre- chen alle Gebete laut mit und empfangen aus der Hand des Bischofs die heilige Communion — jedoch nur unter Einer Gestalt, der des Brodes. — Zugleich mussten sich die neugeweihten utraquistischen Priester verpflichten, auch den Gläubigen die Communion unter Einer Gestalt zu spenden. Waren die in solcher Weise Ordinirten nach Prag zurückge- kehrt, so traten sie vor das Consistorium und leisteten einen Widerruf in folgenden Worten: „Wir N. N. etc. klagen uns an 1) Tridentinum sess. XXII. Deer. super petit. concessionis calicis.
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264 vor Gott dem Allmächtigen und Ihnen Allen an Statt der Kirche Christi, dass wir uns gegen Gott und gegen die Einigkeit dieser hei- ligen utraquistischen Kirche versündiget haben, indem wir in Italien vor dem Bischofe, der uns zu Priestern weihte, ein ungebührliches Versprechen gegen das Wort Gottes ablegten ; auf dieses Versprechen hin haben wir gegen die Anordnung Jesu Christi unter Einer Gestalt die heilige Communion empfangen. Diese Sünde bereuen wir vom ganzen Herzen, klagen uns vor Gott und seiner Kirche und Ihnen Allen an Statt der Kirche an, damit Sie für uns beten, auf dass uns Gott diese Sünde verzeihe und uns zu seinen Dienern aufnehme. Und Sie, Herr Administrator, so wie die Herren Magistri, Consistorialräthe und Pfarrer bitten wir demüthigst, dass Sie uns verzeihen und uns als Söhne gnädigst aufnehmen möchten. Und wir wollen gerne Busse thun und Ihren Willen in allen Stücken jetzt und zukünftig erfüllen“ 1). Wir können uns aus diesem Schriftstücke eine ziemlich klare Vorstellung machen von dem deprimirenden Eindrucke, welchen das sittliche Gefühl der jungen Priester erleiden musste, wenn diese ge- zwungen waren, gleich beim Beginn ihrer priesterlichen Wirksam- keit einen Treubruch zu begehen, falls sie überhaupt im Verbande des Utraquismus bleiben wollten. Kaum dürfte sich der Leser beim Durchblättern der späteren Acta, welche unzählige Beweise von dem Ungehorsam utraquistischer Priester bieten, des Gedankens an die rächende Nemesis erwehren. Oder sollte es einem Priester, der in Gegenwart und mit Zustimmung des Consistoriums sein dem ordini- renden Bischofe feierlich gegebenes Wort brach , gar so schwer fallen, auch seinen, jenem Consistorium geleisteten Obedienzeid zu verletzen? Doch wir wollen wenigstens in manchen Punkten das Consisto- rium entschuldigen; wir wollen gerne anerkennen, dass der Drang der Umstände eine Massregel aufrecht erhielt, die man vom Stand- punkte des Rechtes nicht billigen kann. Das Consistorium zeigt sogar selbst ein aufrichtiges Streben, die Sache besser zu machen. Als nämlich um das Jahr 1548 die grossen mit der Reise nach Italien verbundenen Unkosten und Gefahren den Studierenden die Theologie so sehr verleidet hatten, dass ein grosser Priestermangel eintrat, stellte das Consistorium an den berühmten Bischof Friedrich Nausea 1) Acta Cons. Utr. 1543 (23. Mai).
264 vor Gott dem Allmächtigen und Ihnen Allen an Statt der Kirche Christi, dass wir uns gegen Gott und gegen die Einigkeit dieser hei- ligen utraquistischen Kirche versündiget haben, indem wir in Italien vor dem Bischofe, der uns zu Priestern weihte, ein ungebührliches Versprechen gegen das Wort Gottes ablegten ; auf dieses Versprechen hin haben wir gegen die Anordnung Jesu Christi unter Einer Gestalt die heilige Communion empfangen. Diese Sünde bereuen wir vom ganzen Herzen, klagen uns vor Gott und seiner Kirche und Ihnen Allen an Statt der Kirche an, damit Sie für uns beten, auf dass uns Gott diese Sünde verzeihe und uns zu seinen Dienern aufnehme. Und Sie, Herr Administrator, so wie die Herren Magistri, Consistorialräthe und Pfarrer bitten wir demüthigst, dass Sie uns verzeihen und uns als Söhne gnädigst aufnehmen möchten. Und wir wollen gerne Busse thun und Ihren Willen in allen Stücken jetzt und zukünftig erfüllen“ 1). Wir können uns aus diesem Schriftstücke eine ziemlich klare Vorstellung machen von dem deprimirenden Eindrucke, welchen das sittliche Gefühl der jungen Priester erleiden musste, wenn diese ge- zwungen waren, gleich beim Beginn ihrer priesterlichen Wirksam- keit einen Treubruch zu begehen, falls sie überhaupt im Verbande des Utraquismus bleiben wollten. Kaum dürfte sich der Leser beim Durchblättern der späteren Acta, welche unzählige Beweise von dem Ungehorsam utraquistischer Priester bieten, des Gedankens an die rächende Nemesis erwehren. Oder sollte es einem Priester, der in Gegenwart und mit Zustimmung des Consistoriums sein dem ordini- renden Bischofe feierlich gegebenes Wort brach , gar so schwer fallen, auch seinen, jenem Consistorium geleisteten Obedienzeid zu verletzen? Doch wir wollen wenigstens in manchen Punkten das Consisto- rium entschuldigen; wir wollen gerne anerkennen, dass der Drang der Umstände eine Massregel aufrecht erhielt, die man vom Stand- punkte des Rechtes nicht billigen kann. Das Consistorium zeigt sogar selbst ein aufrichtiges Streben, die Sache besser zu machen. Als nämlich um das Jahr 1548 die grossen mit der Reise nach Italien verbundenen Unkosten und Gefahren den Studierenden die Theologie so sehr verleidet hatten, dass ein grosser Priestermangel eintrat, stellte das Consistorium an den berühmten Bischof Friedrich Nausea 1) Acta Cons. Utr. 1543 (23. Mai).
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265 zu Wien das Ersuchen, er möchte fünf Jünglingen die heiligen Weihen ertheilen und auch in Zukunft möchte er die utraquistischen Theo- logen ordiniren. Allein es wird die Bitte hinzugefügt: „Ne adole- scentes isti ad communionem unius speciei teneantur ac obli- gentur, donec de hac re a tota Ecclesia certo aliquid conclusum fue- rit“. Zur Begründung dieser Bitte wird wohl gesagt: "Siquidem Italiae Episcopi, dum aliquos nostrae partis ad sacerdotalem digni- tatem evehunt, tales eorum more ac ritu religionis communicare domi suae sinunt“. Es lässt sich aber mit diesem Brief an Nausea recht gut das in Einklang bringen, was oben berichtet wurde, dass die italienischen Bischöfe nämlich bei der Ordination selbst (also zwar nicht "domi suae“, aber doch in Italien) den Utraquisten die Communio nur sub una reichten. Deshalb scheint nicht ohne Ab- sicht das Wort "domi suae“ gewählt zu sein, indem die italienischen Bischöfe allerdings das nicht verhüten konnten (sinunt), was die neu- geweihten Priester zu Hause in Böhmen thaten, wie jener oben ange- führte Widerruf bezeugt. Es ist sehr zu bezweifeln, dass der Wiener Bischof auf diesen Antrag des Consistoriums eingegangen sei; wenigstens verlautet nirgends etwas von einer bejahenden Antwort desselben; im Gegen- theile finden wir, dass in den nächstfolgenden Jahren 1549, 1550, 1551 u. s. f. die Kleriker abermals in Italien die Priesterweihe erhielten. Einige Briefe, welche das Consistorium in den Jahren 1549—1551 an den Bischof Titus Cheronensis zu Venedig richtete, enthalten abermals die Bitte um Ordinirung der Theologen und zugleich um Zuschickung der heil. Öle: ein Beweis, dass die Unterhandlungen mit dem Bischof Nausea zu keinem günstigen Resultate führten. Zugleich aber geben uns diese Briefe Aufschluss über eine frappante Schwierig- keit, welche sich bezüglich der Ordination der Kleriker dem Con- sistorium entgegenstellte. Der Bischof Titus Cheronensis hatte näm- lich durch einige von ihm geweihte Priester nach Prag sagen lassen, er werde in Zukunft keinen einzigen Utraquisten mehr ordiniren, wenn ihm das Consistorium nicht ein schönes Pferd (equum aliquem elegantem) zum Geschenke verehre. Darüber gerieth das Consistorium in eine grosse Bestürzung ; in der 1550 an den Bischof gerichteten Antwort bedauert dasselbe, dass es einen solchen equus elegans nicht schicken könne, indem die Böhmen
265 zu Wien das Ersuchen, er möchte fünf Jünglingen die heiligen Weihen ertheilen und auch in Zukunft möchte er die utraquistischen Theo- logen ordiniren. Allein es wird die Bitte hinzugefügt: „Ne adole- scentes isti ad communionem unius speciei teneantur ac obli- gentur, donec de hac re a tota Ecclesia certo aliquid conclusum fue- rit“. Zur Begründung dieser Bitte wird wohl gesagt: "Siquidem Italiae Episcopi, dum aliquos nostrae partis ad sacerdotalem digni- tatem evehunt, tales eorum more ac ritu religionis communicare domi suae sinunt“. Es lässt sich aber mit diesem Brief an Nausea recht gut das in Einklang bringen, was oben berichtet wurde, dass die italienischen Bischöfe nämlich bei der Ordination selbst (also zwar nicht "domi suae“, aber doch in Italien) den Utraquisten die Communio nur sub una reichten. Deshalb scheint nicht ohne Ab- sicht das Wort "domi suae“ gewählt zu sein, indem die italienischen Bischöfe allerdings das nicht verhüten konnten (sinunt), was die neu- geweihten Priester zu Hause in Böhmen thaten, wie jener oben ange- führte Widerruf bezeugt. Es ist sehr zu bezweifeln, dass der Wiener Bischof auf diesen Antrag des Consistoriums eingegangen sei; wenigstens verlautet nirgends etwas von einer bejahenden Antwort desselben; im Gegen- theile finden wir, dass in den nächstfolgenden Jahren 1549, 1550, 1551 u. s. f. die Kleriker abermals in Italien die Priesterweihe erhielten. Einige Briefe, welche das Consistorium in den Jahren 1549—1551 an den Bischof Titus Cheronensis zu Venedig richtete, enthalten abermals die Bitte um Ordinirung der Theologen und zugleich um Zuschickung der heil. Öle: ein Beweis, dass die Unterhandlungen mit dem Bischof Nausea zu keinem günstigen Resultate führten. Zugleich aber geben uns diese Briefe Aufschluss über eine frappante Schwierig- keit, welche sich bezüglich der Ordination der Kleriker dem Con- sistorium entgegenstellte. Der Bischof Titus Cheronensis hatte näm- lich durch einige von ihm geweihte Priester nach Prag sagen lassen, er werde in Zukunft keinen einzigen Utraquisten mehr ordiniren, wenn ihm das Consistorium nicht ein schönes Pferd (equum aliquem elegantem) zum Geschenke verehre. Darüber gerieth das Consistorium in eine grosse Bestürzung ; in der 1550 an den Bischof gerichteten Antwort bedauert dasselbe, dass es einen solchen equus elegans nicht schicken könne, indem die Böhmen
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266 selbst die schönsten Pferde aus Moskau, Russland überhaupt und aus Preussen holten ; und selbst wenn ein solches Pferd zu kaufen wäre, so habe das Consistorium keinen verlässlichen Mann, der das Pferd glücklich bis nach Venedig schaffen könnte. Gerne wolle es dem Bischofe hezüglich anderer Geschenke, die in Böhmen leichter zu haben wären, willfährig sein; nur möge er jetzt die drei ihm zugeschickten Jünglinge zu Priestern weihen. In unserer Zeit würde die Forderung des Bischofes Titus als eine unerlaubte, simonistische überall zurückgewiesen werden. Damals aber — vor Beendigung des Trienter Concils — war sie eben nichts Ungewöhnliches. Auch lag wohl der Grund einer derartigen For- derung in den ziemlich beschränkten Einkünsten des Titus Chero- nensis, der als blosser Weihbischof (Episcopus in partibus) 1) den Wunsch nach einem equus elegans am leichtesten auf fremde Un- kosten befriedigen zu können vermeinte. Da er aber keine so grossar- tigen Geschenke erwarten durfte, begnügte er sich auch mit sechs Dukaten, welche ihm mit der Bitte um die heil. Öle im Jahre 1531 das Consistorium überschickte; ja bei einer ähnlichen Gelegenheit im Jahre 1549 nahm er auch ein Dutzend böhmischer Messer (cultros bohemico artificio paratos) dankbar an. — Zum Beweise der wirklich erfolgten Ordination musste jeder von den neugeweihten Priestern sich von dem Bischof die sogenannten literae formatae geben lassen, worin dieser bezeugte, dass er dem Überbringer wirklich die heil. Weihen ertheilt habe. Diese formatae musste Jeder bei seiner Ankunft in Prag dem Consistorium vorzeigen, worauf ihm erst ein Amt angewiesen wurde. Die im Vorigen angedeuteten mannigfachen Schwierigkeiten be- züglich der Ordination utraquistischer Theologen liessen erwarten, dass das Consistorium die im Jahre 1561 erfolgte Besetzung des Prager Erzbisthums durch Anton von Müglitz mit Freuden be- grüssen werde. Denn jetzt endlich glaubte man sich der vielen Sor- gen und Beschwerden überhoben, mit welchen bisher die Aussendung der Theologen in die verschiedenen Bisthümer und die Ordination derselben verbunden gewesen. Man sollte leider gar zu bald erfahren, 1) Der Bischof von Venedig war seit 1451 Patriarch, welchen Titel ihm gewiss auch das Consistorium gegeben hätte. Auch wird als Kirche des Bischofes Titus nicht St. Marcus, sondern St. Maria dell’ Orto genannt.
266 selbst die schönsten Pferde aus Moskau, Russland überhaupt und aus Preussen holten ; und selbst wenn ein solches Pferd zu kaufen wäre, so habe das Consistorium keinen verlässlichen Mann, der das Pferd glücklich bis nach Venedig schaffen könnte. Gerne wolle es dem Bischofe hezüglich anderer Geschenke, die in Böhmen leichter zu haben wären, willfährig sein; nur möge er jetzt die drei ihm zugeschickten Jünglinge zu Priestern weihen. In unserer Zeit würde die Forderung des Bischofes Titus als eine unerlaubte, simonistische überall zurückgewiesen werden. Damals aber — vor Beendigung des Trienter Concils — war sie eben nichts Ungewöhnliches. Auch lag wohl der Grund einer derartigen For- derung in den ziemlich beschränkten Einkünsten des Titus Chero- nensis, der als blosser Weihbischof (Episcopus in partibus) 1) den Wunsch nach einem equus elegans am leichtesten auf fremde Un- kosten befriedigen zu können vermeinte. Da er aber keine so grossar- tigen Geschenke erwarten durfte, begnügte er sich auch mit sechs Dukaten, welche ihm mit der Bitte um die heil. Öle im Jahre 1531 das Consistorium überschickte; ja bei einer ähnlichen Gelegenheit im Jahre 1549 nahm er auch ein Dutzend böhmischer Messer (cultros bohemico artificio paratos) dankbar an. — Zum Beweise der wirklich erfolgten Ordination musste jeder von den neugeweihten Priestern sich von dem Bischof die sogenannten literae formatae geben lassen, worin dieser bezeugte, dass er dem Überbringer wirklich die heil. Weihen ertheilt habe. Diese formatae musste Jeder bei seiner Ankunft in Prag dem Consistorium vorzeigen, worauf ihm erst ein Amt angewiesen wurde. Die im Vorigen angedeuteten mannigfachen Schwierigkeiten be- züglich der Ordination utraquistischer Theologen liessen erwarten, dass das Consistorium die im Jahre 1561 erfolgte Besetzung des Prager Erzbisthums durch Anton von Müglitz mit Freuden be- grüssen werde. Denn jetzt endlich glaubte man sich der vielen Sor- gen und Beschwerden überhoben, mit welchen bisher die Aussendung der Theologen in die verschiedenen Bisthümer und die Ordination derselben verbunden gewesen. Man sollte leider gar zu bald erfahren, 1) Der Bischof von Venedig war seit 1451 Patriarch, welchen Titel ihm gewiss auch das Consistorium gegeben hätte. Auch wird als Kirche des Bischofes Titus nicht St. Marcus, sondern St. Maria dell’ Orto genannt.
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267 dass sich auch zu Hause Schwierigkeiten ernster Natur, wenn gleich von ganz anderer Art als die früheren, darboten. Ausführliche Actenstücke darüber besitzen wir erst aus dem Jahre 1564. Es scheint, dass in den Jahren 1562 und 1563 der Prager Erzbischof in der That die utraquistischen Theologen ordinirt habe. Das Consistorium wenigstens gibt noch im Juni 1564 die sichere Voraussetzung kund, dass die um die Ordination bittlich ge- wordenen Theologen in kürzester Frist vom Erzbischof die heil. Weihen erhalten dürften. Am 28. August wurden 15 Candidaten examinirt; am 29. August wurden sie dem gesammten Consistorium vorgestellt und von demselben über ihr zukünftiges Verhalten belehrt; zugleich ward ihnen verkündiget, dass sie durch den Consistorial-Sekretär dem Erzbischof nächstens vorgeführt werden sollten, und somit „nicht nöthig hätten, hundert Meilen weit zu reisen und daher ihre Gesundheit schonen könnten.“ Allein schon an demselben Tage (29. August) wurde dem Consistorium berichtet, der Erzbischof habe geäussert, er wolle mit den Utraquisten nichts zu thun haben, indem „ihm Seine päpstliche Heiligkeit bezüglich derselben gar nichts Bestimmtes anbefohlen hätte.“ Doch sei es, dass man diese Aus- serung nicht für vollen Ernst hielt, oder dass man durch dieselbe die früheren Rechtsansprüche auf die Ordination nicht für gefährdet erachtete : schon am 15. September wurde den Ordinanden vom Con- sistorium die Versicherung ertheilt, dass sie in den nächsten Quatem- bertagen (somit vom 20. —23. September) vom Erzbischof die heil. Weihen empfangen würden. Am 22. September jedoch langte vom Erzbischof die Meldung an, dass die Weihen wegen der gerade jetzt wüthenden Pest auf eine Zeit lang aufgeschoben werden müssten. Das Consistorium weiset wohl darauf hin, dass dies auf den ausdrück- lichen Wunsch des Erzherzoges Ferdinand so geschehe, und dass der Erzbischof geäussert habe, die Ordinanden sollten sich noch ein paar Tage gedulden. Allein die Theologen sind über diese Verzögerung ganz untröstlich, indem sie all ihr Geld bereits ausgegeben hätten und daher unmöglich länger in Prag warten könnten. Sie weisen darauf hin , dass ja „gestern und heute der Erzbischof seine eigenen Kleriker am Strahow ordinirt habe ; warum sollte er nicht auch die Utraquisten ordiniren können?“ Diese Bemerkung ist wichtig; denn sie bestätiget die Annahme, es habe schon dazumal der Erzbischof gar nicht die Absicht gehabt, Utraquisten zu weihen, und er
267 dass sich auch zu Hause Schwierigkeiten ernster Natur, wenn gleich von ganz anderer Art als die früheren, darboten. Ausführliche Actenstücke darüber besitzen wir erst aus dem Jahre 1564. Es scheint, dass in den Jahren 1562 und 1563 der Prager Erzbischof in der That die utraquistischen Theologen ordinirt habe. Das Consistorium wenigstens gibt noch im Juni 1564 die sichere Voraussetzung kund, dass die um die Ordination bittlich ge- wordenen Theologen in kürzester Frist vom Erzbischof die heil. Weihen erhalten dürften. Am 28. August wurden 15 Candidaten examinirt; am 29. August wurden sie dem gesammten Consistorium vorgestellt und von demselben über ihr zukünftiges Verhalten belehrt; zugleich ward ihnen verkündiget, dass sie durch den Consistorial-Sekretär dem Erzbischof nächstens vorgeführt werden sollten, und somit „nicht nöthig hätten, hundert Meilen weit zu reisen und daher ihre Gesundheit schonen könnten.“ Allein schon an demselben Tage (29. August) wurde dem Consistorium berichtet, der Erzbischof habe geäussert, er wolle mit den Utraquisten nichts zu thun haben, indem „ihm Seine päpstliche Heiligkeit bezüglich derselben gar nichts Bestimmtes anbefohlen hätte.“ Doch sei es, dass man diese Aus- serung nicht für vollen Ernst hielt, oder dass man durch dieselbe die früheren Rechtsansprüche auf die Ordination nicht für gefährdet erachtete : schon am 15. September wurde den Ordinanden vom Con- sistorium die Versicherung ertheilt, dass sie in den nächsten Quatem- bertagen (somit vom 20. —23. September) vom Erzbischof die heil. Weihen empfangen würden. Am 22. September jedoch langte vom Erzbischof die Meldung an, dass die Weihen wegen der gerade jetzt wüthenden Pest auf eine Zeit lang aufgeschoben werden müssten. Das Consistorium weiset wohl darauf hin, dass dies auf den ausdrück- lichen Wunsch des Erzherzoges Ferdinand so geschehe, und dass der Erzbischof geäussert habe, die Ordinanden sollten sich noch ein paar Tage gedulden. Allein die Theologen sind über diese Verzögerung ganz untröstlich, indem sie all ihr Geld bereits ausgegeben hätten und daher unmöglich länger in Prag warten könnten. Sie weisen darauf hin , dass ja „gestern und heute der Erzbischof seine eigenen Kleriker am Strahow ordinirt habe ; warum sollte er nicht auch die Utraquisten ordiniren können?“ Diese Bemerkung ist wichtig; denn sie bestätiget die Annahme, es habe schon dazumal der Erzbischof gar nicht die Absicht gehabt, Utraquisten zu weihen, und er
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268 habe blos das Consistorium durch unbestimmte Versprechungen noch einige Zeit hinhalten wollen. Denn als die Pest allmälig aufgehört hatte, wiederholten die Theologen am 25. Oktober ihre Bitte um bal- dige Ordination. Das Consistorium beauftragt sogleich den Pfarrer im Teyn und jenen von St. Heinrich, die Bitte der Ordinanden beim Erzbischof vorzubringen. Da endlich scheint der Erzbischof eine ent- schieden ablehnende Antwort gegeben zu haben. Das Consistorium bat die Prager um eine Vermittlung in dieser Angelegenheit, und erhielt von ihnen das Versprechen, sie wollten bei der demnächst bevorstehenden Ankunft des Kaisers in Prag gemeinschaftlich mit den böhmischen Ständen von ihm die Verfügung erwirken, dass der Erzbischof sowohl die Theologen sub una als jene sub utraque ordi- niren môge. Unterdessen aber seien die utraquistischen Theologen wie ehedem einem fremden Bischof zum Behufe der Ordination zuzuschicken. Die in Aussicht gestellte Vermittlung des Kaisers mag in der That bald erfolgt sein; denn am 15. Jänner 1565 bringt der Admi- nistrator Johann Mystopolus zur Kenntniss der Consistorialräthe, dass der Erzbischof 12 utraquistischen Theologen die hl. Weihen ertheilt habe, ohne ihnen eine andere Verpflichtung aufzuerlegen, als dass sie sich nach den für die utraquistische Partei geltenden Bestimmungen richten sollten. Nachdem der Administrator die Neu- geweihten zur gewissenhaften Verwaltung ihres Amtes aufgemuntert hatte, wurde jedem von ihnen alsogleich eine Kaplanstelle ange- wiesen. Dieses gute Einvernehmen mit dem Erzbischof sollte bald eine abermalige Störung erleiden. Während noch am 15. März 1565 das Consistorium meldete, der Erzbischof werde abermals die utraquisti- schen Theologen ordiniren, brachten am 30. März zwei in dieser An- gelegenheit abgesandte Consistorialräthe vom Erzbischof den Be- scheid herab, er könne im gegenwärtigen Augenblicke ihrer Bitte nicht willfahren, indem „Viele von den Ordinanden die Beichte missachteten, weswegen sie vor dem Erzbischof sich früher einem Examen unterziehen müssten“. Den Bitten der böhmischen Stände gelang es aber, den Erzbischof zur Ordination zu vermögen; einigen Ordinanden wurde jedoch ihr ungebührliches Betragen vor dem Erz- bischof, so wie Unkenntniss der kirchlichen Ceremonien verwiesen Es wurden diesmal 32 Theolo gen ordinirt.
268 habe blos das Consistorium durch unbestimmte Versprechungen noch einige Zeit hinhalten wollen. Denn als die Pest allmälig aufgehört hatte, wiederholten die Theologen am 25. Oktober ihre Bitte um bal- dige Ordination. Das Consistorium beauftragt sogleich den Pfarrer im Teyn und jenen von St. Heinrich, die Bitte der Ordinanden beim Erzbischof vorzubringen. Da endlich scheint der Erzbischof eine ent- schieden ablehnende Antwort gegeben zu haben. Das Consistorium bat die Prager um eine Vermittlung in dieser Angelegenheit, und erhielt von ihnen das Versprechen, sie wollten bei der demnächst bevorstehenden Ankunft des Kaisers in Prag gemeinschaftlich mit den böhmischen Ständen von ihm die Verfügung erwirken, dass der Erzbischof sowohl die Theologen sub una als jene sub utraque ordi- niren môge. Unterdessen aber seien die utraquistischen Theologen wie ehedem einem fremden Bischof zum Behufe der Ordination zuzuschicken. Die in Aussicht gestellte Vermittlung des Kaisers mag in der That bald erfolgt sein; denn am 15. Jänner 1565 bringt der Admi- nistrator Johann Mystopolus zur Kenntniss der Consistorialräthe, dass der Erzbischof 12 utraquistischen Theologen die hl. Weihen ertheilt habe, ohne ihnen eine andere Verpflichtung aufzuerlegen, als dass sie sich nach den für die utraquistische Partei geltenden Bestimmungen richten sollten. Nachdem der Administrator die Neu- geweihten zur gewissenhaften Verwaltung ihres Amtes aufgemuntert hatte, wurde jedem von ihnen alsogleich eine Kaplanstelle ange- wiesen. Dieses gute Einvernehmen mit dem Erzbischof sollte bald eine abermalige Störung erleiden. Während noch am 15. März 1565 das Consistorium meldete, der Erzbischof werde abermals die utraquisti- schen Theologen ordiniren, brachten am 30. März zwei in dieser An- gelegenheit abgesandte Consistorialräthe vom Erzbischof den Be- scheid herab, er könne im gegenwärtigen Augenblicke ihrer Bitte nicht willfahren, indem „Viele von den Ordinanden die Beichte missachteten, weswegen sie vor dem Erzbischof sich früher einem Examen unterziehen müssten“. Den Bitten der böhmischen Stände gelang es aber, den Erzbischof zur Ordination zu vermögen; einigen Ordinanden wurde jedoch ihr ungebührliches Betragen vor dem Erz- bischof, so wie Unkenntniss der kirchlichen Ceremonien verwiesen Es wurden diesmal 32 Theolo gen ordinirt.
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269 In demselben Jahre 1565 finden wir einen eigenthümlichen Um- stand erwähnt, welcher als einer von jenen Factoren anzusehen ist" die allmälig an der Auflösung des Utraquismus arbeiteten. Bei Ge- legenheit einer Convocation des Prager Klerus am 4. Juli ordnet das Consistorium zur Erflehung des Sieges über die Türken öffentliche Gebete an, und beruft sich auf den Befehl des Erzbischofes ; einige Pfarrer erwidern , sie hätten nur dem Consistorium Gehorsam gelobt, nicht aber dem Erzbischof. Hierauf entgegnet das Consistorium, dies könnten nur jene Priester sagen, welche ordinirt wurden zur Zeit, da es noch keinen Erzbischof in Prag gegeben habe. Als der- selbe aber eingesetzt worden, "habe der Kaiser alsbald das Con- sistorium mit dem Prager Klerus zu sich beschieden, und ihnen mit- getheilt, dass mit Einverständniss des Papstes der neue Erz- bischof sowohl über die Katholiken sub una als auch sub- utraque gesetzt sei und beiderlei Theologen ordiniren werde". 6 Wenn es bei dieser Unterordnung des Consistoriums unter den Erzbischof immer geblieben wäre, so hätte der Utraquismus auf dem kirchlichen Boden zu frischem Leben erwachen und an der Auctorität des Erzbischofes eine mächtige Stütze seiner bereits schwankenden Stellung finden können; so aber berief sich das Consistorium ganz egoistisch nur auf die zweite Hälfte jener kaiserlichen Anordnung, nämlich die Ordination der Utraquisten, war aber nicht mächtig genug, die Opposition zu unterdrücken, welche ein grosser Theil des Klerus gegen die erste Hälfte der genannten Verfügung machte, indem er dem Erzbischof zu gehorchen sich weigerte. Ja es wurde nur zu bald dem Consistorium selbst das Gefühl seiner Abhängigkeit vom Erzbischof gar unbehaglich. Im October 1565 will dasselbe den Adam Wrschowský nur dann an den Erzbischof appelliren lassen 1), wenn er früher beim Consistorium 30 Meissner Schock erlegt hätte ; und in einem besonderen Schreiben frägt dasselbe über- dies den Erzherzog Ferdinand, ob es die Appellation an den Erz- bischof zulassen dürfe, da bei der Sedisvacanz des Prager Erzbisthums vom utraquistischen Consistorium stets nur an den Papst appellirt worden sei. 1) Missivae Archiepiscopi Prag. ad Imperatorem et Principes von 1565 —1570.
269 In demselben Jahre 1565 finden wir einen eigenthümlichen Um- stand erwähnt, welcher als einer von jenen Factoren anzusehen ist" die allmälig an der Auflösung des Utraquismus arbeiteten. Bei Ge- legenheit einer Convocation des Prager Klerus am 4. Juli ordnet das Consistorium zur Erflehung des Sieges über die Türken öffentliche Gebete an, und beruft sich auf den Befehl des Erzbischofes ; einige Pfarrer erwidern , sie hätten nur dem Consistorium Gehorsam gelobt, nicht aber dem Erzbischof. Hierauf entgegnet das Consistorium, dies könnten nur jene Priester sagen, welche ordinirt wurden zur Zeit, da es noch keinen Erzbischof in Prag gegeben habe. Als der- selbe aber eingesetzt worden, "habe der Kaiser alsbald das Con- sistorium mit dem Prager Klerus zu sich beschieden, und ihnen mit- getheilt, dass mit Einverständniss des Papstes der neue Erz- bischof sowohl über die Katholiken sub una als auch sub- utraque gesetzt sei und beiderlei Theologen ordiniren werde". 6 Wenn es bei dieser Unterordnung des Consistoriums unter den Erzbischof immer geblieben wäre, so hätte der Utraquismus auf dem kirchlichen Boden zu frischem Leben erwachen und an der Auctorität des Erzbischofes eine mächtige Stütze seiner bereits schwankenden Stellung finden können; so aber berief sich das Consistorium ganz egoistisch nur auf die zweite Hälfte jener kaiserlichen Anordnung, nämlich die Ordination der Utraquisten, war aber nicht mächtig genug, die Opposition zu unterdrücken, welche ein grosser Theil des Klerus gegen die erste Hälfte der genannten Verfügung machte, indem er dem Erzbischof zu gehorchen sich weigerte. Ja es wurde nur zu bald dem Consistorium selbst das Gefühl seiner Abhängigkeit vom Erzbischof gar unbehaglich. Im October 1565 will dasselbe den Adam Wrschowský nur dann an den Erzbischof appelliren lassen 1), wenn er früher beim Consistorium 30 Meissner Schock erlegt hätte ; und in einem besonderen Schreiben frägt dasselbe über- dies den Erzherzog Ferdinand, ob es die Appellation an den Erz- bischof zulassen dürfe, da bei der Sedisvacanz des Prager Erzbisthums vom utraquistischen Consistorium stets nur an den Papst appellirt worden sei. 1) Missivae Archiepiscopi Prag. ad Imperatorem et Principes von 1565 —1570.
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270 Wir müssen nun über den weiteren Verlauf der Ordinationsan- gelegenheit wegen Mangels an diesfälligen utraquistischen Acten- stücken Einiges aus der katholischen Correspondenz herüber- holen 1). Hier finden wir zunächst ein Antwortschreiben des Erz- bischofes von Prag, datirt vom 19. Februar 1366, worin er über Auf- forderung des Kaisers Maximilian II. die Gründe auseinandersetzt, weshalb er die Utraquisten nicht ordiniren wolle. Diese Gründe bestanden in Folgendem: Das Consistorium hatte dem Erzbischof etwa 35 Ordinanden vorgestellt, ihm jedoch nicht gestatten wollen, dass er mit seinem Offizial und Notar sie examinire. Dennoch liess sich endlich, um Argeres zu vermeiden, der Erzbischof herbei, sie zu weihen, und ertheilte ihnen die ordines minores. Bei dieser Gele- genheit aber fand er sie "meistentheils so ungeschickt und untaug- lich zum priesterlichen Stande, dass sich nicht allein die Priester, so dabei gewesen, sondern auch das Gesinde darüber geärgert haben“; weshalb sie der Erzbischof vor sich erfordert, und ihnen „bei zwei Stunden lang vorgesagt und geprediget, was sie bedenken und wie sie sich in die Sachen schicken sollen, vornehmlich . . . dass die Priester nicht auf die Gewissen der Menschen sehen, und Niemand darnach fragt, wie der gemeine Mann das hochw. Sakrament des Altars empfängt, würdig oder unwürdig, zum Seelenheil oder Ver- derbniss. Darum wäre nöthig, dass sie darauf sehen, dass ohne Beicht und Absolution (welches bei denen sub utraque darnieder- gestossen liegt) Niemand zugelassen würde. Sowohl sollten sie auch Fleiss verwenden , dass der gräuliche Missbrauch der Kinderspei- sung, dabei sich grosse Argernisse viel und dick zutragen, auch allgemächlich (da man auf einmal nicht könnte) abgestellt würde“ Dies Alles haben die Ordinanden "mit Dank gebilliget und ange- nommen“. 2) Aber schon zwei Tage darnach kamen die „Administratores und Etliche aus ihrem Consistorio“ zum Erzbischof, „legten seine Worte zum übelsten und ärgsten aus“, und der Pfarrer auf der Kleinseite er- 1) Die schon citirten Missivae Archiepiscopi Pragensis ad Imperatorem et Principes 1565—1570. 2) In den Actis Consist. Utr. vom Jahre 1572 werden mehrere unter den Utraquisten verbreitete Irrthümer, namentlich : De invocatione Sanctorum, de oratione pro mortuis et de sacrificio Missae als Grund angeführt, weswegen der Erzbischof mehrere Jahre hindurch keinem Utraquisten die heiligen Weihen ertheilen wollte.
270 Wir müssen nun über den weiteren Verlauf der Ordinationsan- gelegenheit wegen Mangels an diesfälligen utraquistischen Acten- stücken Einiges aus der katholischen Correspondenz herüber- holen 1). Hier finden wir zunächst ein Antwortschreiben des Erz- bischofes von Prag, datirt vom 19. Februar 1366, worin er über Auf- forderung des Kaisers Maximilian II. die Gründe auseinandersetzt, weshalb er die Utraquisten nicht ordiniren wolle. Diese Gründe bestanden in Folgendem: Das Consistorium hatte dem Erzbischof etwa 35 Ordinanden vorgestellt, ihm jedoch nicht gestatten wollen, dass er mit seinem Offizial und Notar sie examinire. Dennoch liess sich endlich, um Argeres zu vermeiden, der Erzbischof herbei, sie zu weihen, und ertheilte ihnen die ordines minores. Bei dieser Gele- genheit aber fand er sie "meistentheils so ungeschickt und untaug- lich zum priesterlichen Stande, dass sich nicht allein die Priester, so dabei gewesen, sondern auch das Gesinde darüber geärgert haben“; weshalb sie der Erzbischof vor sich erfordert, und ihnen „bei zwei Stunden lang vorgesagt und geprediget, was sie bedenken und wie sie sich in die Sachen schicken sollen, vornehmlich . . . dass die Priester nicht auf die Gewissen der Menschen sehen, und Niemand darnach fragt, wie der gemeine Mann das hochw. Sakrament des Altars empfängt, würdig oder unwürdig, zum Seelenheil oder Ver- derbniss. Darum wäre nöthig, dass sie darauf sehen, dass ohne Beicht und Absolution (welches bei denen sub utraque darnieder- gestossen liegt) Niemand zugelassen würde. Sowohl sollten sie auch Fleiss verwenden , dass der gräuliche Missbrauch der Kinderspei- sung, dabei sich grosse Argernisse viel und dick zutragen, auch allgemächlich (da man auf einmal nicht könnte) abgestellt würde“ Dies Alles haben die Ordinanden "mit Dank gebilliget und ange- nommen“. 2) Aber schon zwei Tage darnach kamen die „Administratores und Etliche aus ihrem Consistorio“ zum Erzbischof, „legten seine Worte zum übelsten und ärgsten aus“, und der Pfarrer auf der Kleinseite er- 1) Die schon citirten Missivae Archiepiscopi Pragensis ad Imperatorem et Principes 1565—1570. 2) In den Actis Consist. Utr. vom Jahre 1572 werden mehrere unter den Utraquisten verbreitete Irrthümer, namentlich : De invocatione Sanctorum, de oratione pro mortuis et de sacrificio Missae als Grund angeführt, weswegen der Erzbischof mehrere Jahre hindurch keinem Utraquisten die heiligen Weihen ertheilen wollte.
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271 weckte „ein erdichtetes Geschrei“ wider den Erzbischof, „als unter- stünde sich dieser ihnen ihre Priester abwendig zu machen". „Weil sie nun", so fährt der Erzbischof im Briefe an den Kaiser fort, „ihren Ordinanden einen anderen Weg weisen, und ich nicht weiss, wen ich ordiniren soll, und soll blos da sitzen und mir sie schaffen lassen: Ordinire uns jetzt Diesen, bald einen Anderen, den ich nicht kenne, und weder fragen noch examiniren darf, hab’ ich mich bald gegen ihnen hören lassen, dass ich meinem Gewissen das nicht auf- laden könne und sie möchten mich, weil die Sachen also gestellt, mit ihrer Priesterweihe unbekümmert lassen, und also ist die Ordination eingestellt und unterlassen worden". Hierauf erwähnt der Erzbischof noch Mehreres, wie er die Utraquisten vergeblich zur Annahme des Concilium Tridenti- num zu bewegen gesucht, wie sie auch mit dem Cardinal Co- mendunus, als er in Prag anwesend war, wegen der Ordination ihrer Theologen nichts verhandeln wollten, um von Rom aus die nöthige Erlaubniss zu erwirken, da doch der Erzbischof Gefahr laufe, excommunicirt oder ab officio suspendirt zu werden, wenn er ohne päpstliche Erlaubniss die Ordination vornähme. Endlich stellt der Erzbischof an den Kaiser das Ersuchen, er möchte durch Einige aus den Ständen die Sache berathen lassen, und sich dann mit der päpst- lichen Heiligkeit oder dem Nuntius in weitere Verhandlung setzen. Der Erfolg weist darauf hin, dass derartige Verhandlungen in der That gepflogen wurden; denn am 16. August 1566 berichtet der Erzbischof dem Kaiser, dass sich „der Administrator und die Consistorianen in allen Punkten mit der katholischen Kirche verglichen, auch erboten hätten, dass sie auf des Kaisers allergnä- digsten Geheiss die Communion der Kinder allgemächlich gerne wollen abgehen und schwinden lassen"; hierauf habe der Erzbischof am 13. August 30 utraquistische Priester ordinirt. Allein in den Jahren 1567—1571 scheint dieses freundschaft- liche Verhältniss zwischen dem Erzbischof und dem Consistorium nicht mehr fortbestanden zu haben, obgleich wir erst in den Acten vom Jahre 1572 directe Aufschlüsse darüber finden. Als nämlich am 29. August der Administrator mit einigen Räthen sich beim Erz- bischof einfand, wurde er zwar sehr freundlich aufgenommen und ihm bedeutet, es möge das Consistorium ein Verzeichniss von 30—30 Ordinanden dem Erzbischof übergeben, worauf dieser sich vom Archiv. XXXVI. 2. 18
271 weckte „ein erdichtetes Geschrei“ wider den Erzbischof, „als unter- stünde sich dieser ihnen ihre Priester abwendig zu machen". „Weil sie nun", so fährt der Erzbischof im Briefe an den Kaiser fort, „ihren Ordinanden einen anderen Weg weisen, und ich nicht weiss, wen ich ordiniren soll, und soll blos da sitzen und mir sie schaffen lassen: Ordinire uns jetzt Diesen, bald einen Anderen, den ich nicht kenne, und weder fragen noch examiniren darf, hab’ ich mich bald gegen ihnen hören lassen, dass ich meinem Gewissen das nicht auf- laden könne und sie möchten mich, weil die Sachen also gestellt, mit ihrer Priesterweihe unbekümmert lassen, und also ist die Ordination eingestellt und unterlassen worden". Hierauf erwähnt der Erzbischof noch Mehreres, wie er die Utraquisten vergeblich zur Annahme des Concilium Tridenti- num zu bewegen gesucht, wie sie auch mit dem Cardinal Co- mendunus, als er in Prag anwesend war, wegen der Ordination ihrer Theologen nichts verhandeln wollten, um von Rom aus die nöthige Erlaubniss zu erwirken, da doch der Erzbischof Gefahr laufe, excommunicirt oder ab officio suspendirt zu werden, wenn er ohne päpstliche Erlaubniss die Ordination vornähme. Endlich stellt der Erzbischof an den Kaiser das Ersuchen, er möchte durch Einige aus den Ständen die Sache berathen lassen, und sich dann mit der päpst- lichen Heiligkeit oder dem Nuntius in weitere Verhandlung setzen. Der Erfolg weist darauf hin, dass derartige Verhandlungen in der That gepflogen wurden; denn am 16. August 1566 berichtet der Erzbischof dem Kaiser, dass sich „der Administrator und die Consistorianen in allen Punkten mit der katholischen Kirche verglichen, auch erboten hätten, dass sie auf des Kaisers allergnä- digsten Geheiss die Communion der Kinder allgemächlich gerne wollen abgehen und schwinden lassen"; hierauf habe der Erzbischof am 13. August 30 utraquistische Priester ordinirt. Allein in den Jahren 1567—1571 scheint dieses freundschaft- liche Verhältniss zwischen dem Erzbischof und dem Consistorium nicht mehr fortbestanden zu haben, obgleich wir erst in den Acten vom Jahre 1572 directe Aufschlüsse darüber finden. Als nämlich am 29. August der Administrator mit einigen Räthen sich beim Erz- bischof einfand, wurde er zwar sehr freundlich aufgenommen und ihm bedeutet, es möge das Consistorium ein Verzeichniss von 30—30 Ordinanden dem Erzbischof übergeben, worauf dieser sich vom Archiv. XXXVI. 2. 18
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272 Apostolischen Nuntius die Erlaubniss erwirken wolle, um die Utra- quisten ordiniren zu können. Die vom Erzbischof eingeleiteten Unter- handlungen führten indessen zu dem Resultate, dass derselbe nur in dem Falle die Utraquisten ordiniren dürfe, wenn sie die von Pius IV. vorgeschriebene professio fidei Tridentina ablegen würden 1). Da sich nun hierauf das Consistorium nicht einlassen wollte, so unter- blieb die Ordination gänzlich, und zwar in der Art, dass, wie das Consistorium in einer an den Kaiser gerichteten Bittschrift selbst zu- gesteht, vom Jahre 1567—1578 auch nicht ein einziger Utraquist vom Erzbischof ordinirt wurde. Die Acten nennen in dieser Zwi- schenzeit Priester, welche in Passau, Breslau, Olmütz, Posen u. s. f. die heiligen Weihen erhielten. Über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit fehlen uns nähere Angaben. Das in den Jahren 1579—1590 erfolgte Überhand- nehmen von unordentlichen Geistlichen "der Frankfurter oder Leip- ziger Ordination", sowie die unaufhörlichen Klagen des Consistoriums über den herrschenden Mangel an ordentlichen Priestern lassen ver- muthen, dass nur ausnahmsweise manchmal einige Utraquisten vom Erzbischof ordinirt worden sein mögen. Jedenfalls ist so viel gewiss, dass sich die Prager Erzbischöfe fortan zur Ordination utraquistischer Theologen nur unter der Bedingung herbeiliessen, wenn die Ordi- nanden die professio fidei Tridentina ablegten ; dies bezeugt Paul Skála in seiner „Historie česká", indem er berichtet, dass die Ordinanden sub utraque bis zum Jahre 1609 vom Erzbischof verhal- ten worden seien, das Tridentinische Glaubensbekenntniss (welches Skála in einer böhmischen Übersetzung mittheilt), abzulegen 2). Seit der Renovation des unteren Consistoriums im Jahre 1609 ist selbstverständlich mit der Einführung des neuen Ordinationsmodus die Verpflichtung zur Ablegung jenes, der Augsburgischen Confes- sion stracks zuwiderlaufenden Glaubensbekenntnisses weggefallen. 2. Jurisdiction. Die geistliche Gerichtsbarkeit war im eigentlichen Sinne die Sphäre, in welcher das Consistorium ganz unabhängig sich bewegte, ja mit einer gewissen zähen Eifersucht darüber wachte, dass keine 1) Acta Cons. Utr. 1572 (4. Dec.) 2) Monumenta hist. bohem. 5. Heft. pag. 69.
272 Apostolischen Nuntius die Erlaubniss erwirken wolle, um die Utra- quisten ordiniren zu können. Die vom Erzbischof eingeleiteten Unter- handlungen führten indessen zu dem Resultate, dass derselbe nur in dem Falle die Utraquisten ordiniren dürfe, wenn sie die von Pius IV. vorgeschriebene professio fidei Tridentina ablegen würden 1). Da sich nun hierauf das Consistorium nicht einlassen wollte, so unter- blieb die Ordination gänzlich, und zwar in der Art, dass, wie das Consistorium in einer an den Kaiser gerichteten Bittschrift selbst zu- gesteht, vom Jahre 1567—1578 auch nicht ein einziger Utraquist vom Erzbischof ordinirt wurde. Die Acten nennen in dieser Zwi- schenzeit Priester, welche in Passau, Breslau, Olmütz, Posen u. s. f. die heiligen Weihen erhielten. Über den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit fehlen uns nähere Angaben. Das in den Jahren 1579—1590 erfolgte Überhand- nehmen von unordentlichen Geistlichen "der Frankfurter oder Leip- ziger Ordination", sowie die unaufhörlichen Klagen des Consistoriums über den herrschenden Mangel an ordentlichen Priestern lassen ver- muthen, dass nur ausnahmsweise manchmal einige Utraquisten vom Erzbischof ordinirt worden sein mögen. Jedenfalls ist so viel gewiss, dass sich die Prager Erzbischöfe fortan zur Ordination utraquistischer Theologen nur unter der Bedingung herbeiliessen, wenn die Ordi- nanden die professio fidei Tridentina ablegten ; dies bezeugt Paul Skála in seiner „Historie česká", indem er berichtet, dass die Ordinanden sub utraque bis zum Jahre 1609 vom Erzbischof verhal- ten worden seien, das Tridentinische Glaubensbekenntniss (welches Skála in einer böhmischen Übersetzung mittheilt), abzulegen 2). Seit der Renovation des unteren Consistoriums im Jahre 1609 ist selbstverständlich mit der Einführung des neuen Ordinationsmodus die Verpflichtung zur Ablegung jenes, der Augsburgischen Confes- sion stracks zuwiderlaufenden Glaubensbekenntnisses weggefallen. 2. Jurisdiction. Die geistliche Gerichtsbarkeit war im eigentlichen Sinne die Sphäre, in welcher das Consistorium ganz unabhängig sich bewegte, ja mit einer gewissen zähen Eifersucht darüber wachte, dass keine 1) Acta Cons. Utr. 1572 (4. Dec.) 2) Monumenta hist. bohem. 5. Heft. pag. 69.
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273 andere geistliche oder weltliche Behörde, noch weniger aber Private, dessen Jurisdiction zu beeinträchtigen sich unterfingen. Es wurde bei Besprechung der Ordination bereits darauf hin- gewiesen, wie die Ordinanden stets ihre literae dimissoriales vom utraquistischen Consistorium erhielten, wenn sie von einem fremden Bischof geweiht werden sollten. Sobald sie dann nach Empfang der heiligen Weihen wieder nach Böhmen zurückgekehrt waren, mussten sie die literae formatae vorweisen und wurden auf Grund derselben „in die Zahl der ordentlichen Priesterschaft sub utraque communi- cantium“ aufgenommen. Dieser Act der Aufnahme in den calixtini- schen Klerus wurde stets als conditio sine qua non zur Verwaltung eines kirchlichen Amtes angesehen. — Sobald das Consistorium in Erfahrung brachte, dass auf irgend einem Beneficium sich ein Geist- licher befinde, der bisher in das Verzeichniss der utraquistischen Priester noch nicht eingetragen war, so wurde er nach Prag berufen, woselbst er seine Formaten vorlegen und um Gewährung der Auf- nahme in den Klerus bittlich werden musste. Bei Gelegenheit dieser Aufnahme musste ferner ein Jeder geloben , dass er dem Administra- tor und Consistorium gegenüber einen unverbrüchlichen Gehorsam bewahren wolle. Damit nun ein Jeder genau wisse, woran er sich bei Ausübung seines Berufes zu halten habe, pflegte gewöhnlich ein Mitglied des Consistoriums dem betreffenden Bittsteller, welcher dem Klerus sub utraque beigezählt zu werden wünschte, die Statuten oder „Artikel“ vorzulesen, wornach dieser das Versprechen leistete, diese jetzt vernommenen Artikel gewissenhaft zu beobachten 1). Nur einem solchen in die Zahl des Klerus wirklich aufgenom- menen Priester wurde von Seite des Consistoriums ein Amt übertra- gen, nur ein solcher wurde für einen Pfarrer- oder Kaplanposten jurisdictionirt. Die Bestellung oder Wahl der Person des Beneficiaten oder Kaplans konnte auch von Anderen ausgehen, z. B. den Collatoren, Stadt- gemeinden oder Pfarrinsassen, jederzeit aber geschah die Übertra- gung des Amtes durch das Consistorium allein und ausschliesslich. Hierüber finden sich in den „Artikeln“ der Utraquisten vom Jahre 1526 und 1531 ausführliche Bestimmungen. Die Dechante der einzelnen Districte hatten darüber zu wachen, dass nirgends unor- 1) Acta Cons. Utr. 1540, 1541, 1548, 1532 etc. 18 *
273 andere geistliche oder weltliche Behörde, noch weniger aber Private, dessen Jurisdiction zu beeinträchtigen sich unterfingen. Es wurde bei Besprechung der Ordination bereits darauf hin- gewiesen, wie die Ordinanden stets ihre literae dimissoriales vom utraquistischen Consistorium erhielten, wenn sie von einem fremden Bischof geweiht werden sollten. Sobald sie dann nach Empfang der heiligen Weihen wieder nach Böhmen zurückgekehrt waren, mussten sie die literae formatae vorweisen und wurden auf Grund derselben „in die Zahl der ordentlichen Priesterschaft sub utraque communi- cantium“ aufgenommen. Dieser Act der Aufnahme in den calixtini- schen Klerus wurde stets als conditio sine qua non zur Verwaltung eines kirchlichen Amtes angesehen. — Sobald das Consistorium in Erfahrung brachte, dass auf irgend einem Beneficium sich ein Geist- licher befinde, der bisher in das Verzeichniss der utraquistischen Priester noch nicht eingetragen war, so wurde er nach Prag berufen, woselbst er seine Formaten vorlegen und um Gewährung der Auf- nahme in den Klerus bittlich werden musste. Bei Gelegenheit dieser Aufnahme musste ferner ein Jeder geloben , dass er dem Administra- tor und Consistorium gegenüber einen unverbrüchlichen Gehorsam bewahren wolle. Damit nun ein Jeder genau wisse, woran er sich bei Ausübung seines Berufes zu halten habe, pflegte gewöhnlich ein Mitglied des Consistoriums dem betreffenden Bittsteller, welcher dem Klerus sub utraque beigezählt zu werden wünschte, die Statuten oder „Artikel“ vorzulesen, wornach dieser das Versprechen leistete, diese jetzt vernommenen Artikel gewissenhaft zu beobachten 1). Nur einem solchen in die Zahl des Klerus wirklich aufgenom- menen Priester wurde von Seite des Consistoriums ein Amt übertra- gen, nur ein solcher wurde für einen Pfarrer- oder Kaplanposten jurisdictionirt. Die Bestellung oder Wahl der Person des Beneficiaten oder Kaplans konnte auch von Anderen ausgehen, z. B. den Collatoren, Stadt- gemeinden oder Pfarrinsassen, jederzeit aber geschah die Übertra- gung des Amtes durch das Consistorium allein und ausschliesslich. Hierüber finden sich in den „Artikeln“ der Utraquisten vom Jahre 1526 und 1531 ausführliche Bestimmungen. Die Dechante der einzelnen Districte hatten darüber zu wachen, dass nirgends unor- 1) Acta Cons. Utr. 1540, 1541, 1548, 1532 etc. 18 *
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274 dentliche, d. h. vom Consistorium nicht approbirte Geistliche sich in die Verwaltung der Seelsorge eindrängten; kam ein solcher Fall dennoch vor, so hatten die Dechante entweder selbst das Nöthige zu veranlassen, oder alsbald die Anzeige an den Administrator zu er- statten; worauf der „unordentliche“ Geistliche zum Gehorsam ver- halten, oder im Weigerungsfalle von dem unrechtmässig occupirten Posten abgeschafft wurde. Das Confirmations-Decret pflegte in zwei Exemplaren ausgefertiget zu werden, wovon eines dem Beneficiaten selbst, das andere dem Patron des Beneficiums (oder der das Patronats- recht ausübenden Stadt-Commune) zugeschickt wurde. Beiderlei Zuschriften enthielten die gleiche Clausel : "Wir confirmiren den N. N. zum Pfarrer in der Art, dass er als ein unverheiratheter Priester in der Religion und den althergebrachten Cere- monien unserer Partei sub utraque getreu ausharre und in seinem priesterlichen Wandel sammt seinem Hausgesinde ein gutes Beispiel gebe“. Die erstangeführte Bemerkung: "als ein unverheiratheter Prie- ster" findet sich regelmässig in den Confirmationsdecreten seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, weil zu dieser Zeit nicht blos viele utraquistische Priester Concubinen hielten, sondern manche sich sogar von einem benachbarten Pfarrer auch trauen liessen, daher als „verheirathet" galten und sich selbst ungescheut für solche ausgaben. Durch die kirchliche Disciplin sowohl, als auch durch kaiserliche Mandate war aber strenge verboten, einem verheiratheten (uxorirten) Priester eine Pfründe zu verleihen. Deshalb wurde jene Clausel ge- wöhnlich beigefügt, weil man dem Vorwurfe begegnen wollte, als ob das Consistorium verheirathete Geistliche auf den Pfarreien tolerire- War sonach ein Priester als Uxorat diffamirt, so wurde er vor dem Antritte eines neuen Beneficiums zur Rede gestellt und aufgefordert, die Concubine oder sogenannte Gattin zu entfernen. Wenn er dieses that, oder wenn er kurzweg leugnete in einem solchen Verhältnisse zu leben, so stellte das Consistorium obige Clausel ohne alle Be- schränkung auf mit den Worten: "als ein unverheiratheter Priester“ („nejsa kněz ženatý"). Falls aber das Consistorium keine nähere Un- tersuchung über den Leumund des Beneficiaten angestellt hatte, deckte es sich gegen jeden möglichen Einwand gewöhnlich durch die in parenthesi beigesetzte Bemerkung : "wie wir nicht anders von ihm
274 dentliche, d. h. vom Consistorium nicht approbirte Geistliche sich in die Verwaltung der Seelsorge eindrängten; kam ein solcher Fall dennoch vor, so hatten die Dechante entweder selbst das Nöthige zu veranlassen, oder alsbald die Anzeige an den Administrator zu er- statten; worauf der „unordentliche“ Geistliche zum Gehorsam ver- halten, oder im Weigerungsfalle von dem unrechtmässig occupirten Posten abgeschafft wurde. Das Confirmations-Decret pflegte in zwei Exemplaren ausgefertiget zu werden, wovon eines dem Beneficiaten selbst, das andere dem Patron des Beneficiums (oder der das Patronats- recht ausübenden Stadt-Commune) zugeschickt wurde. Beiderlei Zuschriften enthielten die gleiche Clausel : "Wir confirmiren den N. N. zum Pfarrer in der Art, dass er als ein unverheiratheter Priester in der Religion und den althergebrachten Cere- monien unserer Partei sub utraque getreu ausharre und in seinem priesterlichen Wandel sammt seinem Hausgesinde ein gutes Beispiel gebe“. Die erstangeführte Bemerkung: "als ein unverheiratheter Prie- ster" findet sich regelmässig in den Confirmationsdecreten seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, weil zu dieser Zeit nicht blos viele utraquistische Priester Concubinen hielten, sondern manche sich sogar von einem benachbarten Pfarrer auch trauen liessen, daher als „verheirathet" galten und sich selbst ungescheut für solche ausgaben. Durch die kirchliche Disciplin sowohl, als auch durch kaiserliche Mandate war aber strenge verboten, einem verheiratheten (uxorirten) Priester eine Pfründe zu verleihen. Deshalb wurde jene Clausel ge- wöhnlich beigefügt, weil man dem Vorwurfe begegnen wollte, als ob das Consistorium verheirathete Geistliche auf den Pfarreien tolerire- War sonach ein Priester als Uxorat diffamirt, so wurde er vor dem Antritte eines neuen Beneficiums zur Rede gestellt und aufgefordert, die Concubine oder sogenannte Gattin zu entfernen. Wenn er dieses that, oder wenn er kurzweg leugnete in einem solchen Verhältnisse zu leben, so stellte das Consistorium obige Clausel ohne alle Be- schränkung auf mit den Worten: "als ein unverheiratheter Priester“ („nejsa kněz ženatý"). Falls aber das Consistorium keine nähere Un- tersuchung über den Leumund des Beneficiaten angestellt hatte, deckte es sich gegen jeden möglichen Einwand gewöhnlich durch die in parenthesi beigesetzte Bemerkung : "wie wir nicht anders von ihm
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275 erwarten" oder „soweit uns bekannt ist“ 1) ; hiemit sollte nur gesagt sein, dass keine ämtlichen Klagen bisher beim Consistorium einliefen, wodurch der gute Ruf des Geistlichen angetastet worden wäre. Die weitere Bestimmung : „in der Religion und den Cere- monien getreu auszuharren" pflegte manchmal näher specialisirt zu werden; es hiess dann z. B. "dass der N. N. dem Berufe eines ordentlichen und treuen Priesters gemäss sich verhalte sowohl beim Verkünden des göttlichen Wortes als auch bei der heil. Messe und sonstigen religiösen Übungen und althergebrachten Ceremonien un- serer Partei sub utraque, wie dieselben das Prager Consistorium und die ihm unterstehende treue Priesterschaft beobachtet“. Diese nähere Determinirung des Anstellungsmodus ist deshalb von grosser Trag- weite, weil in jenen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer häufigeren Fällen, wo einzelne Pfarrer die kirchliche Liturgie nach lutherischer Art eigenmächtig umzubilden trachteten, das Con- sistorium unter Hinweisung auf jene Bedingungen, unter welchen ihre Anstellung erfolgt war, Viele zur Besinnung brachte, so dass sie ihre Tendenzen aufgaben ; Andere hingegen, die von ihrem Beginnen nicht ablassen wollten, wurden nach fruchtlos gebliebenen Ermah- nungen bestraft oder selbst ihrer Pfründen entsetzt. Als besonderer Zusatz wurde gewöhnlich in den Consistorial- decreten, worin dem Collator (oder der Stadt-Commune) die Bestätigung des neuen Beneficiaten officiell gemeldet war, eine dop- pelte Aufforderung beigesetzt: erstens, dass der Patron oder die Stadt ihrem Pfarrer bei Verwaltung seines Amtes, insbesondere be- treffs der kirchlichen Ceremonien keine Hindernisse in den Weg legen, und zweitens, dass sie ihm den Bezug seines Pfründen- Einkommens, des jährlichen Gehaltes , des Zehnten, der Stolge- bühren u. s. w. ungeschmälert belassen mögen. Der Grund dieser Clausel ist in dem Umstande zu suchen, dass bei der Provision der Pfründen sehr oft Capitulationen der mannigfaltigsten Art ver- sucht wurden, indem der zur Präsentation Berechtigte nicht selten das Beneficium irgend einem Priester anbot, unter der Bedingung, dass dieser die Ceremonien nach lutherischer Sitte umändere, den Gottesdienst in der Volkssprache abhalte, den Willen (eigentlich die 1) Rotulus Missivarum Consist. Utr. 1578—1580, in welchem zahlreiche Confirma- tionsdeerete vorkommen.
275 erwarten" oder „soweit uns bekannt ist“ 1) ; hiemit sollte nur gesagt sein, dass keine ämtlichen Klagen bisher beim Consistorium einliefen, wodurch der gute Ruf des Geistlichen angetastet worden wäre. Die weitere Bestimmung : „in der Religion und den Cere- monien getreu auszuharren" pflegte manchmal näher specialisirt zu werden; es hiess dann z. B. "dass der N. N. dem Berufe eines ordentlichen und treuen Priesters gemäss sich verhalte sowohl beim Verkünden des göttlichen Wortes als auch bei der heil. Messe und sonstigen religiösen Übungen und althergebrachten Ceremonien un- serer Partei sub utraque, wie dieselben das Prager Consistorium und die ihm unterstehende treue Priesterschaft beobachtet“. Diese nähere Determinirung des Anstellungsmodus ist deshalb von grosser Trag- weite, weil in jenen seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts immer häufigeren Fällen, wo einzelne Pfarrer die kirchliche Liturgie nach lutherischer Art eigenmächtig umzubilden trachteten, das Con- sistorium unter Hinweisung auf jene Bedingungen, unter welchen ihre Anstellung erfolgt war, Viele zur Besinnung brachte, so dass sie ihre Tendenzen aufgaben ; Andere hingegen, die von ihrem Beginnen nicht ablassen wollten, wurden nach fruchtlos gebliebenen Ermah- nungen bestraft oder selbst ihrer Pfründen entsetzt. Als besonderer Zusatz wurde gewöhnlich in den Consistorial- decreten, worin dem Collator (oder der Stadt-Commune) die Bestätigung des neuen Beneficiaten officiell gemeldet war, eine dop- pelte Aufforderung beigesetzt: erstens, dass der Patron oder die Stadt ihrem Pfarrer bei Verwaltung seines Amtes, insbesondere be- treffs der kirchlichen Ceremonien keine Hindernisse in den Weg legen, und zweitens, dass sie ihm den Bezug seines Pfründen- Einkommens, des jährlichen Gehaltes , des Zehnten, der Stolge- bühren u. s. w. ungeschmälert belassen mögen. Der Grund dieser Clausel ist in dem Umstande zu suchen, dass bei der Provision der Pfründen sehr oft Capitulationen der mannigfaltigsten Art ver- sucht wurden, indem der zur Präsentation Berechtigte nicht selten das Beneficium irgend einem Priester anbot, unter der Bedingung, dass dieser die Ceremonien nach lutherischer Sitte umändere, den Gottesdienst in der Volkssprache abhalte, den Willen (eigentlich die 1) Rotulus Missivarum Consist. Utr. 1578—1580, in welchem zahlreiche Confirma- tionsdeerete vorkommen.
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276 launenhafte Willkür) des Patrons als oberste Richtschnur der Liturgie betrachte u. s. f. Oder es wollte der Patron materiellen Gewinn aus der Wiederbesetzung der Pfarre ziehen, und deswegen stipulirte er einen simonistischen Contract mit dem Beneficiaten, worin dieser auf einen Theil seines Pfründen-Einkommens zu Gunsten des Patrons verzich- tete. Beiderlei Capitulationen mussten allerdings vom kirchenrecht- lichen Standpunkte aus als unerlaubt erscheinen. Da aber nichts desto weniger viele Geistliche sich zu dergleichen Stipulationen durch die Aussicht auf einen guten Posten bewegen liessen, pflegte das Con- sistorium in den Confirmationsdecreten die oberwähnten Clauseln bei- zusetzen. Wenn auch diese Massregel unerlaubte Verträge nicht voll- kommen verhindern konnte (wie der Erfolg bezeugt), so gewährte sie doch der kirchlichen Behörde den Vortheil, dass von nun an der- gleichen Capitulationen als ungeschehen betrachtet wurden und vor dem Forum der Öffentlichkeit gar keinen Beweis bildeten. Es wurde nämlich die Erörterung der Frage: Ob ein solches Übereinkommen abgeschlossen worden sei oder nicht? als überflüssig erachtet, und sowohl der Pfarrer als der Patron einfach auf den klaren Wortlaut des Confirmationsdecretes verwiesen, nach welchem sich beide Par- teien zu benehmen hätten. Amtlicherseits war somit hinreichende Fürsorge getragen nicht nur für die Integrität der Beneficialgüter, sondern auch für die genaue Befolgung der liturgischen Vorschriften ; und es ist einzig und allein dem Verschulden der Pfarrer selbst zu- zuschreiben, wenn trotzdem die kirchlichen Ceremonien an vielen Orten vernachlässigt wurden und die Klagen über Entziehung des pfarrlichen Einkommens durch die Patrone sich täglich häuften. III. Standespflichten der Kleriker. 1. Ehrbarkeit des Wandels. In dem hochwichtigen Berufe des Priesters liegt die beste Be- gründung jener Forderung , welche die katholische Kirche von jeher an ihren Klerus stellte, durch Exemplarität des eigenen Wandels nämlich einen ergiebigen Beitrag zum Aufbau des Reiches Gottes auf Erden zu liefern. Zwar hat die Kirche den häretischen Rigorismus des Hus, als ob durch schwere Sünden auch die geistliche Macht verloren gehe, nie gebilliget ; nichts destoweniger hat sie aber stets die volle Bedeutung des Spruches zu würdigen gewusst: Verba
276 launenhafte Willkür) des Patrons als oberste Richtschnur der Liturgie betrachte u. s. f. Oder es wollte der Patron materiellen Gewinn aus der Wiederbesetzung der Pfarre ziehen, und deswegen stipulirte er einen simonistischen Contract mit dem Beneficiaten, worin dieser auf einen Theil seines Pfründen-Einkommens zu Gunsten des Patrons verzich- tete. Beiderlei Capitulationen mussten allerdings vom kirchenrecht- lichen Standpunkte aus als unerlaubt erscheinen. Da aber nichts desto weniger viele Geistliche sich zu dergleichen Stipulationen durch die Aussicht auf einen guten Posten bewegen liessen, pflegte das Con- sistorium in den Confirmationsdecreten die oberwähnten Clauseln bei- zusetzen. Wenn auch diese Massregel unerlaubte Verträge nicht voll- kommen verhindern konnte (wie der Erfolg bezeugt), so gewährte sie doch der kirchlichen Behörde den Vortheil, dass von nun an der- gleichen Capitulationen als ungeschehen betrachtet wurden und vor dem Forum der Öffentlichkeit gar keinen Beweis bildeten. Es wurde nämlich die Erörterung der Frage: Ob ein solches Übereinkommen abgeschlossen worden sei oder nicht? als überflüssig erachtet, und sowohl der Pfarrer als der Patron einfach auf den klaren Wortlaut des Confirmationsdecretes verwiesen, nach welchem sich beide Par- teien zu benehmen hätten. Amtlicherseits war somit hinreichende Fürsorge getragen nicht nur für die Integrität der Beneficialgüter, sondern auch für die genaue Befolgung der liturgischen Vorschriften ; und es ist einzig und allein dem Verschulden der Pfarrer selbst zu- zuschreiben, wenn trotzdem die kirchlichen Ceremonien an vielen Orten vernachlässigt wurden und die Klagen über Entziehung des pfarrlichen Einkommens durch die Patrone sich täglich häuften. III. Standespflichten der Kleriker. 1. Ehrbarkeit des Wandels. In dem hochwichtigen Berufe des Priesters liegt die beste Be- gründung jener Forderung , welche die katholische Kirche von jeher an ihren Klerus stellte, durch Exemplarität des eigenen Wandels nämlich einen ergiebigen Beitrag zum Aufbau des Reiches Gottes auf Erden zu liefern. Zwar hat die Kirche den häretischen Rigorismus des Hus, als ob durch schwere Sünden auch die geistliche Macht verloren gehe, nie gebilliget ; nichts destoweniger hat sie aber stets die volle Bedeutung des Spruches zu würdigen gewusst: Verba
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277 movent, exempla trahunt. Daher hat dieselbe eine lange Reihe von Gesetzen erlassen, um das Leben der Geistlichen in vollen Einklang mit der Lehre des Evangeliums zu bringen. Auch hierin haben sich die Utraquisten an die Kirche eng ange- schlossen und liessen es an wohlweisen Vorschriften rücksichtlich des klerikalen Wandels nicht fehlen. So wird in den Articuli vom Jahre 1525 der Charakter des Klerikers in folgenden Worten ge- schildert: „Erudiendus est clericus diu, in vita et moribus approban- dus, bonis disciplinis instructus et humilitate (atque) obedientia munitus ; et diu sub longa experientia ac tutela aliorum teneatur ; ut sit sine crimine, incomprehensibilis, sobrius, prudens, pudicus, non vinolentus, non somno deditus aut otio et torpore vel ignavia oppres- sus“. Insbesondere wird den Geistlichen die Friedensliebe empfohlen : „Item quisque clericorum fiat pacis amator atque custos: omnes autem contumeliae . . . sunt postponendae“. Uberdies wird ihnen die Theilnahme an Tanzunterhaltungen und der Besuch unehrbarer Orte verboten : „Item quisque clericorum fugiat . . . loca inhonesta laicorum et choreas . . . et impudicos homines“. In den Acten des Jahres 1526 wird unter der Aufschrift: „Wahl des Prager Klerus“ (Volení kněžstva Pražského) unter Anderem verordnet: Kein Priester solle einen Pfarrer an seinem guten Ruf benachtheiligen oder die Pfarrkinder gegen ihn aufbringen, um als- dann dessen Stelle zu erhaschen. Ferner wird den Pfarrern sowohy als Kaplänen verboten, sie mögen weder Nachts noch bei Tage ver- dächtige Orte oder Wirthshäuser besuchen. In den eilf Artikeln, welche im Jahre 1531 von der Partei sub utraque festgesetzt wurden, lautete eine besondere Bestimmung dahin : Das Consistorium solle nur brave und wohlverhaltene Leute durch Ertheilung der Dimissorialien zum priesterlichen Amte befördern; wer hingegen auf eine hinterlistige Weise, ohne Dimis- sorialien erhalten zu haben, die priesterliche Würde erlangte, den sollte kein Patron als Priester auf irgend eine Pfarrei annehmen, und die Dawiderhandelnden sollten bestraft werden. Die Tugend der Mässigkeit wird dem Klerus öfter anempfoh- len ; so in den leges Consistorii vom Jahre 1540, wo verordnet wird, die Geistlichen mögen sich bei Vermeidung schwerer Strafen der Völlerei und Trunkenheit, so wie unziemlicher Gespräche enthalten; am Schlusse steht die Bemerkung: Contra commensationes, ebrietatem,
277 movent, exempla trahunt. Daher hat dieselbe eine lange Reihe von Gesetzen erlassen, um das Leben der Geistlichen in vollen Einklang mit der Lehre des Evangeliums zu bringen. Auch hierin haben sich die Utraquisten an die Kirche eng ange- schlossen und liessen es an wohlweisen Vorschriften rücksichtlich des klerikalen Wandels nicht fehlen. So wird in den Articuli vom Jahre 1525 der Charakter des Klerikers in folgenden Worten ge- schildert: „Erudiendus est clericus diu, in vita et moribus approban- dus, bonis disciplinis instructus et humilitate (atque) obedientia munitus ; et diu sub longa experientia ac tutela aliorum teneatur ; ut sit sine crimine, incomprehensibilis, sobrius, prudens, pudicus, non vinolentus, non somno deditus aut otio et torpore vel ignavia oppres- sus“. Insbesondere wird den Geistlichen die Friedensliebe empfohlen : „Item quisque clericorum fiat pacis amator atque custos: omnes autem contumeliae . . . sunt postponendae“. Uberdies wird ihnen die Theilnahme an Tanzunterhaltungen und der Besuch unehrbarer Orte verboten : „Item quisque clericorum fugiat . . . loca inhonesta laicorum et choreas . . . et impudicos homines“. In den Acten des Jahres 1526 wird unter der Aufschrift: „Wahl des Prager Klerus“ (Volení kněžstva Pražského) unter Anderem verordnet: Kein Priester solle einen Pfarrer an seinem guten Ruf benachtheiligen oder die Pfarrkinder gegen ihn aufbringen, um als- dann dessen Stelle zu erhaschen. Ferner wird den Pfarrern sowohy als Kaplänen verboten, sie mögen weder Nachts noch bei Tage ver- dächtige Orte oder Wirthshäuser besuchen. In den eilf Artikeln, welche im Jahre 1531 von der Partei sub utraque festgesetzt wurden, lautete eine besondere Bestimmung dahin : Das Consistorium solle nur brave und wohlverhaltene Leute durch Ertheilung der Dimissorialien zum priesterlichen Amte befördern; wer hingegen auf eine hinterlistige Weise, ohne Dimis- sorialien erhalten zu haben, die priesterliche Würde erlangte, den sollte kein Patron als Priester auf irgend eine Pfarrei annehmen, und die Dawiderhandelnden sollten bestraft werden. Die Tugend der Mässigkeit wird dem Klerus öfter anempfoh- len ; so in den leges Consistorii vom Jahre 1540, wo verordnet wird, die Geistlichen mögen sich bei Vermeidung schwerer Strafen der Völlerei und Trunkenheit, so wie unziemlicher Gespräche enthalten; am Schlusse steht die Bemerkung: Contra commensationes, ebrietatem,
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278 fornicationem omnes et semper praedicent, quia inde omnia mala in rectoribus et populo manant. Doch war laut Bericht der Consistorial- acten die Trunkenheit eine von jenen Untugenden, welche sich bei dem utraquistischen Klerus ziemlich häufig vorfanden. Ohne dass wir es für angezeigt hielten, hierorts auf eine nähere Schilderung der einzelnen klerikalen Tugenden und der hieher be- züglichen Verordnungen einzugehen, da hierin zwischen der katholi- schen und utraquistischen Disciplin kein wesentlicher Unterschied bemerkbar ist, verweisen wir nochmals auf die in den Confirmations- decreten der Beneficiaten jederzeit ausdrücklich hervorgehobene dritte Clausel : Dass der Pfarrer in seinem priesterlichen Wandel sammt seinem Hausgesinde ein gutes Beispiel der ganzen Gemeinde geben solle. 2. Tonsur und klerikale Kleidung. Die Beibehaltung der Tonsur von Seite der Utraquisten ergibt sich schon aus dem Umstande, dass dieselben sich in Allem, was die Ordination betraf, den Bestimmungen der katholischen Kirche fügten. Daher verordnen die Artikel vom Jahre 1525: „Honestam ton- suram . . . honestus gerat clericus“. Dasselbe wird im Jahre 1526 wiederholt. Im Jahre 1572 kommen einige Fälle vor, wo den Geist- lichen das Tragen der Tonsur ausdrücklich anbefohlen wurde, so z. B. dem Dechant von Welwarn, bei welcher Gelegenheit sich das Consistorium ausdrücklich auf eine früher in derselben Sache erlas- sene Verordnung zurückbezieht. Auch in Prag selbst mögen zu jener Zeit nicht alle Geistlichen die Tonsur getragen haben, weshalb in demselben Jahre Einige wegen Vernachlässigung derselben vom Ad- ministrator zur Rede gestellt wurden. Auch das Tragen des Bartes war den Geistlichen verpönt. Der Pfarrer von Miliczin entschuldiget sich zwar (1575) damit, dass es in seiner Gemeinde keinen Bader gebe , der ihm den Bart scheeren könnte ; nichts desto weniger verur- theilt ihn das Consistorium zum Kerker, nebst anderen Gründen auch deshalb, weil er einen langen Bart getragen. Was die Kleidung anbelangt, so wird bei liturgischen Functionen überall der lange Talar (Soutane) vorausgesetzt, bevor der Priester die eigentlichen rituellen Gewänder anlegt. An diesem Orte aber sprechen wir von jener Kleidung, deren sich die Geist- lichen bei dem gewöhnlichen Verkehr des bürgerlichen Lebens zu
278 fornicationem omnes et semper praedicent, quia inde omnia mala in rectoribus et populo manant. Doch war laut Bericht der Consistorial- acten die Trunkenheit eine von jenen Untugenden, welche sich bei dem utraquistischen Klerus ziemlich häufig vorfanden. Ohne dass wir es für angezeigt hielten, hierorts auf eine nähere Schilderung der einzelnen klerikalen Tugenden und der hieher be- züglichen Verordnungen einzugehen, da hierin zwischen der katholi- schen und utraquistischen Disciplin kein wesentlicher Unterschied bemerkbar ist, verweisen wir nochmals auf die in den Confirmations- decreten der Beneficiaten jederzeit ausdrücklich hervorgehobene dritte Clausel : Dass der Pfarrer in seinem priesterlichen Wandel sammt seinem Hausgesinde ein gutes Beispiel der ganzen Gemeinde geben solle. 2. Tonsur und klerikale Kleidung. Die Beibehaltung der Tonsur von Seite der Utraquisten ergibt sich schon aus dem Umstande, dass dieselben sich in Allem, was die Ordination betraf, den Bestimmungen der katholischen Kirche fügten. Daher verordnen die Artikel vom Jahre 1525: „Honestam ton- suram . . . honestus gerat clericus“. Dasselbe wird im Jahre 1526 wiederholt. Im Jahre 1572 kommen einige Fälle vor, wo den Geist- lichen das Tragen der Tonsur ausdrücklich anbefohlen wurde, so z. B. dem Dechant von Welwarn, bei welcher Gelegenheit sich das Consistorium ausdrücklich auf eine früher in derselben Sache erlas- sene Verordnung zurückbezieht. Auch in Prag selbst mögen zu jener Zeit nicht alle Geistlichen die Tonsur getragen haben, weshalb in demselben Jahre Einige wegen Vernachlässigung derselben vom Ad- ministrator zur Rede gestellt wurden. Auch das Tragen des Bartes war den Geistlichen verpönt. Der Pfarrer von Miliczin entschuldiget sich zwar (1575) damit, dass es in seiner Gemeinde keinen Bader gebe , der ihm den Bart scheeren könnte ; nichts desto weniger verur- theilt ihn das Consistorium zum Kerker, nebst anderen Gründen auch deshalb, weil er einen langen Bart getragen. Was die Kleidung anbelangt, so wird bei liturgischen Functionen überall der lange Talar (Soutane) vorausgesetzt, bevor der Priester die eigentlichen rituellen Gewänder anlegt. An diesem Orte aber sprechen wir von jener Kleidung, deren sich die Geist- lichen bei dem gewöhnlichen Verkehr des bürgerlichen Lebens zu
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279 bedienen hatten. Im Allgemeinen sollte diese Kleidung eine anstän- dige sein; habitum honestum honestus gerat clericus, lautet eine Bestimmung vom Jahre 1525 ; in weiterer Detaillirung wird hinzu- gesetzt: Nec saecularem habitum habeat nec scissas manicas (auf- geschlitzte, weite Armel) ... nec serico cancellatus incedat. Über- haupt war Seide und Sammt von der klerikalen Kleidung ausge- schlossen ; so wird im Jahre 1540 in den leges Consistorii bestimmt, dass die Geistlichen keine sammtenen Hüte tragen möchten; im Jahre 1572 tadelt das Consistorium den Welwarer Dechant, weil er einen sammtenen Mantel trug. Ferner schreiben die leges Consistorii 1540 vor, die priesterliche Kleidung solle nicht gar zu kurz sein ; die Priester sollen nicht in weltlichen Barreten einhergehen und sich nicht in Pantoffeln (sollte vielleicht eine besondere Art Pon- tifical-Schuhe gemeint sein?) zum Altar begeben. Auch wird eine besondere Aufmerksamkeit den Hemden gewidmet und mehrmals das Tragen der Hals- und Handkrausen verboten. Ebenso war das Tragen von Fingerringen den Geistlichen nicht erlaubt. Auch das Tragen von Waffen war untersagt : "nec arma sub veste pendentia habeat“ 1). Diese meistentheils negativen Bestimmungen abgerechnet geben die Quellen keine nähere Nachricht über die geistliche Kleidung bei den Utraquisten; sie scheint im Allgemeinen dieselbe gewesen zu sein, wie bei der katholischen Geistlichkeit zu jener Zeit. Dafür spricht auch der Umstand, dass bei dem Ubertritte eines Priesters sub una zu der utraquistischen Partei ihm zwar mancherlei Weisungen bezüg- lich der Liturgie u. dgl. gegeben wurden, über eine etwa vorzuneh- mende Anderung des Anzuges aber auch nicht die leiseste Notiz vor- kömmt. 3. Cölibat. Schon die bisher aufgewiesene Conformität, in welcher sich die Disciplin der utraquistischen Partei mit jener der katholischen Kirche befand, dürfte die begründete Folgerung zulassen, dass auch in An- sehung eines der wichtigsten Punkte der kirchlichen Disciplin, des Cölibates nämlich, keine Differenz zwischen beiden Parteien ob- 1) Acta Cons. Utr. 1525, 1565, 1572.
279 bedienen hatten. Im Allgemeinen sollte diese Kleidung eine anstän- dige sein; habitum honestum honestus gerat clericus, lautet eine Bestimmung vom Jahre 1525 ; in weiterer Detaillirung wird hinzu- gesetzt: Nec saecularem habitum habeat nec scissas manicas (auf- geschlitzte, weite Armel) ... nec serico cancellatus incedat. Über- haupt war Seide und Sammt von der klerikalen Kleidung ausge- schlossen ; so wird im Jahre 1540 in den leges Consistorii bestimmt, dass die Geistlichen keine sammtenen Hüte tragen möchten; im Jahre 1572 tadelt das Consistorium den Welwarer Dechant, weil er einen sammtenen Mantel trug. Ferner schreiben die leges Consistorii 1540 vor, die priesterliche Kleidung solle nicht gar zu kurz sein ; die Priester sollen nicht in weltlichen Barreten einhergehen und sich nicht in Pantoffeln (sollte vielleicht eine besondere Art Pon- tifical-Schuhe gemeint sein?) zum Altar begeben. Auch wird eine besondere Aufmerksamkeit den Hemden gewidmet und mehrmals das Tragen der Hals- und Handkrausen verboten. Ebenso war das Tragen von Fingerringen den Geistlichen nicht erlaubt. Auch das Tragen von Waffen war untersagt : "nec arma sub veste pendentia habeat“ 1). Diese meistentheils negativen Bestimmungen abgerechnet geben die Quellen keine nähere Nachricht über die geistliche Kleidung bei den Utraquisten; sie scheint im Allgemeinen dieselbe gewesen zu sein, wie bei der katholischen Geistlichkeit zu jener Zeit. Dafür spricht auch der Umstand, dass bei dem Ubertritte eines Priesters sub una zu der utraquistischen Partei ihm zwar mancherlei Weisungen bezüg- lich der Liturgie u. dgl. gegeben wurden, über eine etwa vorzuneh- mende Anderung des Anzuges aber auch nicht die leiseste Notiz vor- kömmt. 3. Cölibat. Schon die bisher aufgewiesene Conformität, in welcher sich die Disciplin der utraquistischen Partei mit jener der katholischen Kirche befand, dürfte die begründete Folgerung zulassen, dass auch in An- sehung eines der wichtigsten Punkte der kirchlichen Disciplin, des Cölibates nämlich, keine Differenz zwischen beiden Parteien ob- 1) Acta Cons. Utr. 1525, 1565, 1572.
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280 waltete. Durch den Bericht der uns vorliegenden Quellen wird diese Folgerung über jeden Zweifel erhoben. Die ofterwähnten Artikel des Jahres 1525 sprechen die richtige Ansicht über den ehelosen Stand und das Gelübde der Keuschheit im Allgemeinen in folgenden Worten aus : „Dignum judicamus, qui voto seipsos continentiae totos dedicarunt et huic abrenunciarunt saeculo, et solenni voto astricti, seipsos munditiei et castitati perpetuo con- secraverunt, ut liberati terrenis, facilius imo liberius valeant Christo adhaerere". Hierauf folgt die specielle Bestimmung über die Ehe- losigkeit der Geistlichen: „Si quis autem preshyterorum vel episcoporum id sacerdotibus consecratis aut suadet aut jubet, (ut sint) uxorati, aut soli seipsos post consecrationem matrimonio immer- gunt, tales a nobis nec tolerantur nec ad sacros ordines admittuntur ; qui autem posthabito sacerdotio a nobis ad conjugium abierunt, reversi non suscipiuntur“ Somit galt der Cölibat für alle utraquistischen Priester als un- verbrüchliche Regel. Die Consistorialbehörde hat auch in der That während der ganzen Zeit ihres Bestehens an dieser Regel strenge festgehalten ; nicht so die untergeordnete Geistlichkeit, wenigstens ein grosser Theil derselben. Wir finden eine Unzahl von Disciplinarfällen in den Acten verzeichnet, welche davon Zeugniss geben, dass es Vielen mit der Beobachtung des Cölibates eben nicht recht ernst war. Denn obgleich in den Artikeln vom Jahre 1525 die ausdrück- liche Vorschrift erlassen worden: „Item quisque clericorum fugiat conversationem mulierum et colloquia earum“ ; obgleich im Jahre 1526 verordnet wurde, es solle sich jeder Geistliche des Verkehrs mit ver- dächtigen Weibspersonen enthalten, so kommen dennoch sehr häu- fige Ubertretungen dieses Disciplinargesetzes vor; manche Priester pflegten Umgang mit ledigen oder auch verheiratheten Personen; viele Pfarrer nahmen übel berüchtigte Mägde und Haushälterinnen auf und konnten zumeist nur durch Androhung harter Strafen bewogen werden, sie zu entlassen. Dies war aber nur der Anfang der späteren Übelstände, welche sich bald in einer erschrecklichen Grösse und Ausdehnung zeigten. Die Analogie des Protestantismus, welcher überall gegen die Ehe- losigkeit auftrat, verfehlte nicht eine nachhaltende Einwirkung auf den utraquistischen Klerus in Böhmen zu üben. Bald trachteten Manche, das unerlaubte Verhältniss, worin sie lebten, in eigenmäch-
280 waltete. Durch den Bericht der uns vorliegenden Quellen wird diese Folgerung über jeden Zweifel erhoben. Die ofterwähnten Artikel des Jahres 1525 sprechen die richtige Ansicht über den ehelosen Stand und das Gelübde der Keuschheit im Allgemeinen in folgenden Worten aus : „Dignum judicamus, qui voto seipsos continentiae totos dedicarunt et huic abrenunciarunt saeculo, et solenni voto astricti, seipsos munditiei et castitati perpetuo con- secraverunt, ut liberati terrenis, facilius imo liberius valeant Christo adhaerere". Hierauf folgt die specielle Bestimmung über die Ehe- losigkeit der Geistlichen: „Si quis autem preshyterorum vel episcoporum id sacerdotibus consecratis aut suadet aut jubet, (ut sint) uxorati, aut soli seipsos post consecrationem matrimonio immer- gunt, tales a nobis nec tolerantur nec ad sacros ordines admittuntur ; qui autem posthabito sacerdotio a nobis ad conjugium abierunt, reversi non suscipiuntur“ Somit galt der Cölibat für alle utraquistischen Priester als un- verbrüchliche Regel. Die Consistorialbehörde hat auch in der That während der ganzen Zeit ihres Bestehens an dieser Regel strenge festgehalten ; nicht so die untergeordnete Geistlichkeit, wenigstens ein grosser Theil derselben. Wir finden eine Unzahl von Disciplinarfällen in den Acten verzeichnet, welche davon Zeugniss geben, dass es Vielen mit der Beobachtung des Cölibates eben nicht recht ernst war. Denn obgleich in den Artikeln vom Jahre 1525 die ausdrück- liche Vorschrift erlassen worden: „Item quisque clericorum fugiat conversationem mulierum et colloquia earum“ ; obgleich im Jahre 1526 verordnet wurde, es solle sich jeder Geistliche des Verkehrs mit ver- dächtigen Weibspersonen enthalten, so kommen dennoch sehr häu- fige Ubertretungen dieses Disciplinargesetzes vor; manche Priester pflegten Umgang mit ledigen oder auch verheiratheten Personen; viele Pfarrer nahmen übel berüchtigte Mägde und Haushälterinnen auf und konnten zumeist nur durch Androhung harter Strafen bewogen werden, sie zu entlassen. Dies war aber nur der Anfang der späteren Übelstände, welche sich bald in einer erschrecklichen Grösse und Ausdehnung zeigten. Die Analogie des Protestantismus, welcher überall gegen die Ehe- losigkeit auftrat, verfehlte nicht eine nachhaltende Einwirkung auf den utraquistischen Klerus in Böhmen zu üben. Bald trachteten Manche, das unerlaubte Verhältniss, worin sie lebten, in eigenmäch-
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281 tiger und unbefugter Weise zu einem erlaubten zu erheben, indem sie wirkliche Ehen eingingen, d. h. einzugehen versuchten; denn vom Standpunkte des katholischen Kirchenrechtes aus besehen war jede derartig versuchte Eingehung der Ehe ungiltig. Das Con- sistorium musste natürlich energisch gegen ein derartiges Beginnen auftreten ; allein es fand hierin seine Gegner nicht nur an manchen hartnäckigen Geistlichen, sondern auch an den Patronen oder Colla- tores, ja nicht selten selbst an den politischen Regierungsorganen. Bereits im Jahre 1548 weisen die Quellen einen Fall auf, in welchem der Pfarrer von Kamenitz in Mähren, Wenzel Bradatý, selbst eingestand, dass er mit seiner Gattin Magdalena feierlich getraut sei. Das Consistorium gestattete ihm (wie es auch den übrigen damals verheiratheten Priestern in Böhmen dies zulassen musste), dass er die Gattin unterdessen bei sich behalte, bis in dieser Ange- legenheit ein Beschluss des Landtages oder ein königlicher Befehl erfolgt sein werde. Für den Pfarrer von Marschowic in Böhmen, Petrus, legte des- sen Patron Herr Wilhelm Malowec im Jahre 1565 die Fürbitte ein, dass ihm seine Gattin belassen werde. Das Consistorium beruft sich jedoch in der abschlägigen Antwort diesmal auf eine ausdrückliche Verordnung des Kaisers und erklärt, es sei bisher keinem ein- zigen Priester erlaubt gewesen zu heirathen. Der Pfarrer von Herrn- dorf (Kněžoves), Andreas, gesteht vor dem Consistorium im Jahre 1566, er sei selbst verheirathet und habe auch den Priester Nikolaus getraut. Erzherzog Ferdinand liess im Jahre 1566 mittelst des Con- sistoriums allen verheiratheten Priestern die Weisung zugehen, sie möchten ihre Weiber von sich entfernen. Ob die Weisung befolgt wurde oder nicht, ist in den Acten mit Stillschweigen übergangen. Wohl aber weiset uns der Verlauf der drei letzten Decennien (von 1572 angefangen) abermals ein gewaltiges Sinken der kirchlichen Disciplin auf. Der Pfarrer von Brozan hatte eine gewisse Martha gegen den Willen ihrer Eltern in Gegenwart von fünf Pfarrern zur Gattin ge- nommen; die Eltern verklagten ihn beim Consistorium ; sie berufen sich in der Anklageschrift (1572) auf einen Landtagsbeschluss vom Jahre 1526, wornach kein verheiratheter Priester in Böhmen geduldet werden solle. Weiterhin berufen sie sich auf ein Decret des
281 tiger und unbefugter Weise zu einem erlaubten zu erheben, indem sie wirkliche Ehen eingingen, d. h. einzugehen versuchten; denn vom Standpunkte des katholischen Kirchenrechtes aus besehen war jede derartig versuchte Eingehung der Ehe ungiltig. Das Con- sistorium musste natürlich energisch gegen ein derartiges Beginnen auftreten ; allein es fand hierin seine Gegner nicht nur an manchen hartnäckigen Geistlichen, sondern auch an den Patronen oder Colla- tores, ja nicht selten selbst an den politischen Regierungsorganen. Bereits im Jahre 1548 weisen die Quellen einen Fall auf, in welchem der Pfarrer von Kamenitz in Mähren, Wenzel Bradatý, selbst eingestand, dass er mit seiner Gattin Magdalena feierlich getraut sei. Das Consistorium gestattete ihm (wie es auch den übrigen damals verheiratheten Priestern in Böhmen dies zulassen musste), dass er die Gattin unterdessen bei sich behalte, bis in dieser Ange- legenheit ein Beschluss des Landtages oder ein königlicher Befehl erfolgt sein werde. Für den Pfarrer von Marschowic in Böhmen, Petrus, legte des- sen Patron Herr Wilhelm Malowec im Jahre 1565 die Fürbitte ein, dass ihm seine Gattin belassen werde. Das Consistorium beruft sich jedoch in der abschlägigen Antwort diesmal auf eine ausdrückliche Verordnung des Kaisers und erklärt, es sei bisher keinem ein- zigen Priester erlaubt gewesen zu heirathen. Der Pfarrer von Herrn- dorf (Kněžoves), Andreas, gesteht vor dem Consistorium im Jahre 1566, er sei selbst verheirathet und habe auch den Priester Nikolaus getraut. Erzherzog Ferdinand liess im Jahre 1566 mittelst des Con- sistoriums allen verheiratheten Priestern die Weisung zugehen, sie möchten ihre Weiber von sich entfernen. Ob die Weisung befolgt wurde oder nicht, ist in den Acten mit Stillschweigen übergangen. Wohl aber weiset uns der Verlauf der drei letzten Decennien (von 1572 angefangen) abermals ein gewaltiges Sinken der kirchlichen Disciplin auf. Der Pfarrer von Brozan hatte eine gewisse Martha gegen den Willen ihrer Eltern in Gegenwart von fünf Pfarrern zur Gattin ge- nommen; die Eltern verklagten ihn beim Consistorium ; sie berufen sich in der Anklageschrift (1572) auf einen Landtagsbeschluss vom Jahre 1526, wornach kein verheiratheter Priester in Böhmen geduldet werden solle. Weiterhin berufen sie sich auf ein Decret des
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282 Erzherzoges Ferdinand, wodurch dem Priester Mathias, und auf zwei Erlässe der böhmischen Regierung, wodurch den Priestern Mathias von Dobruschka und Simon Práza wegen ihrer Verehelichung die Ausübung des priesterlichen Amtes untersagt wurde. — Nach langer Verhandlung dieses Processes ward im April 1573 der Bro- zaner Pfarrer zu einer Gefängnissstrafe verurtheilt. Der Erzdechant von Königgrätz war angeklagt, dass er eine Frauensperson von zweifelhaftem Rufe, Namens Eva, bei sich habe, und vor den Leuten öffentlich behaupte, er sei mit ihr getraut. Trotz- dem dies der Erzdechant läugnet, wird ihm doch vom Consistorium der Auftrag ertheilt, die Eva alsogleich aus seinem Hause zu ent- fernen. Der Dechant des Náchoder Bezirkes erstattet dem Consistorium Bericht darüber, dass es auf mehreren Beneficien seines Districtes verheirathete Geistliche gebe; von einigen derselben wisse er nicht einmal mit Bestimmtheit, ob sie ordinirt seien oder nicht; die Pa- trone hätten etliche Prediger aus Schlesien nach Böhmen herein- genommen. Der Pfarrer von Domaschin, Peterka, wurde wegen seiner Verehelichung vom Consistorium zu einer Gefängnissstrafe verurtheilt. Ebenso wurden noch andere Priester in demselben Jahre 1572 wegen Verletzung des Cölibates verklagt und Strafen über sie verhängt. Auch eine Witwe nach dem verstorbenen Priester Christoph meldete sich beim Consistorium, vielleicht mit Erbansprüchen; sie wurde jedoch mit der einfachen Bemerkung abgewiesen, "dass das Consistorium weder mit den verheiratheten Priestern noch ihren Weibern etwas zu schaffen habe“. Im folgenden Jahre wurde Johann Příbram, Pfarrer in Nebužel, vor das Consistorium citirt; Herr Sigmund Berka wollte ihn auf die Pfarre Wysoká präsentiren ; die Kirchenbehörde jedoch weigerte sich, ihn zu bestätigen, da er verheirathet sei. Der Pfarrer gestand, es habe ihn in der That der Pfarrer von Mscheno mit der Köchin ge- traut, aber es sei das nur so im Scherz geschehen; denn er habe dabei lateinisch gesagt: „Accipio te non in meam". Nichts desto- weniger wurde er zu einer Geldstrafe verurtheilt, und ihm befohlen, dass er die Köchin entlasse. Der Dechant von Beneschau, Martin Jewický, war verheirathet und hatte ausserdem noch ein Spottlied auf das Consistorium ver-
282 Erzherzoges Ferdinand, wodurch dem Priester Mathias, und auf zwei Erlässe der böhmischen Regierung, wodurch den Priestern Mathias von Dobruschka und Simon Práza wegen ihrer Verehelichung die Ausübung des priesterlichen Amtes untersagt wurde. — Nach langer Verhandlung dieses Processes ward im April 1573 der Bro- zaner Pfarrer zu einer Gefängnissstrafe verurtheilt. Der Erzdechant von Königgrätz war angeklagt, dass er eine Frauensperson von zweifelhaftem Rufe, Namens Eva, bei sich habe, und vor den Leuten öffentlich behaupte, er sei mit ihr getraut. Trotz- dem dies der Erzdechant läugnet, wird ihm doch vom Consistorium der Auftrag ertheilt, die Eva alsogleich aus seinem Hause zu ent- fernen. Der Dechant des Náchoder Bezirkes erstattet dem Consistorium Bericht darüber, dass es auf mehreren Beneficien seines Districtes verheirathete Geistliche gebe; von einigen derselben wisse er nicht einmal mit Bestimmtheit, ob sie ordinirt seien oder nicht; die Pa- trone hätten etliche Prediger aus Schlesien nach Böhmen herein- genommen. Der Pfarrer von Domaschin, Peterka, wurde wegen seiner Verehelichung vom Consistorium zu einer Gefängnissstrafe verurtheilt. Ebenso wurden noch andere Priester in demselben Jahre 1572 wegen Verletzung des Cölibates verklagt und Strafen über sie verhängt. Auch eine Witwe nach dem verstorbenen Priester Christoph meldete sich beim Consistorium, vielleicht mit Erbansprüchen; sie wurde jedoch mit der einfachen Bemerkung abgewiesen, "dass das Consistorium weder mit den verheiratheten Priestern noch ihren Weibern etwas zu schaffen habe“. Im folgenden Jahre wurde Johann Příbram, Pfarrer in Nebužel, vor das Consistorium citirt; Herr Sigmund Berka wollte ihn auf die Pfarre Wysoká präsentiren ; die Kirchenbehörde jedoch weigerte sich, ihn zu bestätigen, da er verheirathet sei. Der Pfarrer gestand, es habe ihn in der That der Pfarrer von Mscheno mit der Köchin ge- traut, aber es sei das nur so im Scherz geschehen; denn er habe dabei lateinisch gesagt: „Accipio te non in meam". Nichts desto- weniger wurde er zu einer Geldstrafe verurtheilt, und ihm befohlen, dass er die Köchin entlasse. Der Dechant von Beneschau, Martin Jewický, war verheirathet und hatte ausserdem noch ein Spottlied auf das Consistorium ver-
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283 fasst und verbreitet ; derselbe wurde in’s Gefängniss geschickt, gegen sichere Bürgschaft wieder freigelassen, musste aber schriftlich gelo- ben, dass er sein Weib aus dem Hause entfernen werde. Martin, Pfarrer sub una in Limperk, der vom Breslauer Bischof die heiligen Weihen erhalten, hatte sich verheirathet und begehrte hierauf in den utraquistischen Klerus aufgenommen zu werden; das Consistorium versprach ihm die Aufnahme nur unter der Bedin- gung, dass er früher sein Weib entlasse. Um das Jahr 1589 finden wir die Lehre Luthers und anderer Pseudo -Reformatoren bereits derart in Böhmen verbreitet, dass manche Städte, ohne das Consistorium zu befragen, sich unge- weihte Prediger zu Seelsorgern erwählten, von ihnen mit stür- mischem Eifer die Abschaffung der althergebrachten gottesdienst- lichen Gebräuche verlangten, hingegen es gerne geschehen liessen, wenn der Pfarrer sich verehelichte und mit Weib und Kin- dern in dem Pfarrhause wohnte. So z. B. gab es in der Stadt Schlan mehrere verheirathete Geistliche nach einander ; den Wenzel Písecký, den Dechant Johann Deporta liessen die Bürger heirathen; den Prie- ster Laurenz Leander behielten sie volle vier Jahre als Dechant sammt Weib und sieben Kindern ; dann nahmen sie ohne Wissen des Admi- nistrators zum Seelsorger den Martin Styrsko, ebenfalls mit Weib und Kindern. Ebenso behielten sie einen unordentlichen Priester bei sich als Kaplan sammt Weib und Kindern. Das Hochzeitsmahl der Geistlichen und den Taufschmaus bei der Geburt ihrer Kinder feierte jedesmal die ganze Bürgerschaft im Pfarrhause und zwar auf Ge- meinde-Unkosten! In ähnlicher Weise wie Schlan — so lautet der Bericht des Consistoriums an den Kaiser — machen es auch andere Städte. Wenn ein unverheiratheter Priester zu ihnen kommt als Pfarrer oder Kaplan, so laufen die Vornehmsten unter der Bürgerschaft um die Wette zu ihm und drängen so lange, bis er eine von ihren Töchtern zur Ehe- gattin wählt. Will er dies aber nicht thun, so entziehen sie ihm einen Theil seiner Einkünfte und zwingen ihn sogar, dass er von diesem geringen Einkommen noch calvinische Schullehrer verköstige oder einen sectischen Prediger ernähren helfe. So hatte die Stadt Beraun zwar den vom Consistorium bestätigten Dechant aufgenommen, neben ihm jedoch einen unordentlichen, verheiratheten Geistlichen mit acht Kindern da gelassen und zu seiner Sustentation einen Theil der Ein-
283 fasst und verbreitet ; derselbe wurde in’s Gefängniss geschickt, gegen sichere Bürgschaft wieder freigelassen, musste aber schriftlich gelo- ben, dass er sein Weib aus dem Hause entfernen werde. Martin, Pfarrer sub una in Limperk, der vom Breslauer Bischof die heiligen Weihen erhalten, hatte sich verheirathet und begehrte hierauf in den utraquistischen Klerus aufgenommen zu werden; das Consistorium versprach ihm die Aufnahme nur unter der Bedin- gung, dass er früher sein Weib entlasse. Um das Jahr 1589 finden wir die Lehre Luthers und anderer Pseudo -Reformatoren bereits derart in Böhmen verbreitet, dass manche Städte, ohne das Consistorium zu befragen, sich unge- weihte Prediger zu Seelsorgern erwählten, von ihnen mit stür- mischem Eifer die Abschaffung der althergebrachten gottesdienst- lichen Gebräuche verlangten, hingegen es gerne geschehen liessen, wenn der Pfarrer sich verehelichte und mit Weib und Kin- dern in dem Pfarrhause wohnte. So z. B. gab es in der Stadt Schlan mehrere verheirathete Geistliche nach einander ; den Wenzel Písecký, den Dechant Johann Deporta liessen die Bürger heirathen; den Prie- ster Laurenz Leander behielten sie volle vier Jahre als Dechant sammt Weib und sieben Kindern ; dann nahmen sie ohne Wissen des Admi- nistrators zum Seelsorger den Martin Styrsko, ebenfalls mit Weib und Kindern. Ebenso behielten sie einen unordentlichen Priester bei sich als Kaplan sammt Weib und Kindern. Das Hochzeitsmahl der Geistlichen und den Taufschmaus bei der Geburt ihrer Kinder feierte jedesmal die ganze Bürgerschaft im Pfarrhause und zwar auf Ge- meinde-Unkosten! In ähnlicher Weise wie Schlan — so lautet der Bericht des Consistoriums an den Kaiser — machen es auch andere Städte. Wenn ein unverheiratheter Priester zu ihnen kommt als Pfarrer oder Kaplan, so laufen die Vornehmsten unter der Bürgerschaft um die Wette zu ihm und drängen so lange, bis er eine von ihren Töchtern zur Ehe- gattin wählt. Will er dies aber nicht thun, so entziehen sie ihm einen Theil seiner Einkünfte und zwingen ihn sogar, dass er von diesem geringen Einkommen noch calvinische Schullehrer verköstige oder einen sectischen Prediger ernähren helfe. So hatte die Stadt Beraun zwar den vom Consistorium bestätigten Dechant aufgenommen, neben ihm jedoch einen unordentlichen, verheiratheten Geistlichen mit acht Kindern da gelassen und zu seiner Sustentation einen Theil der Ein-
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284 künfte des Dechantes verwendet; dabei schärfte man dem Dechant ein , er solle ja den unordentlichen Prediger in keiner Weise beun- ruhigen; dieser hingegen durfte ungestraft den Dechant öffentlich schmähen und ihm sogar drohen, dass er ihn vergiften werde ! Am 11. August 1589 beklagt das Consistorium in seiner an den Kaiser gerichteten Eingabe den Verfall der Disciplin unter dem utra- quistischen Klerus ; es gebe nur sehr wenige unverheirathete Priester im ganzen Königreiche Böhmen; die meisten seien in Irrleh- ren gerathen, vernachlässigen die kirchliche Liturgie, ja sie liessen sich zum Wucher und sogar zu- Sacrilegien herbei, um nur ihre Frauen und Kinder versorgen zu können. Insbesondere hatte Mat- thäus Beneschowský, der damalige Abt des Stiftes Emaus (na Slo- vanech) in Prag, durch seine Verheirathung ein böses Beispiel gege- ben ; er fuhr öffentlich mit seiner Frau herum, liess im Kloster selbst eine Kegelbahn, eine Schiessstätte und einen öffentlichen Weinschank einrichten, auf den Klostergütern liess er viele Waldungen ausroden, um das eingelöste Geld unnütz zu verschwenden; er vernachlässigte endlich auch den Gottesdienst im Emauser Stifte und gab überhaupt durch seine unkirchliche Lebensweise ein allgemeines Argerniss. Denn da er kurz zuvor sich der Partei sub utraque angeschlossen und dem Consistorium Obedienz gelobt hatte, so beriefen sich andere un- ordentliche Geistliche darauf, dass ja der Emauser Abt in Prag selbst ungestraft habe heirathen können; und die Folge davon war, dass sich abermals mehrere Geistliche verehelichten. Das Consisto- rium bittet daher den Kaiser, er möge den gegenwärtigen Emauser Abt gänzlich absetzen, gleichwie der Erzbischof den verheiratheten Abt von Kladrau deponirt habe. Das Consistorium erinnert den Kaiser endlich an das Unheil, welches durch die Verheirathung des Bischofes von Köln (Churfürst Gebhard im Jahre 1583) verursacht worden und beschwört denselben, dass er gegen den Abt von Emaus und andere verheirathete Priester bald eine wirksame Hilfe schaffe. Hierauf erliess Kaiser Rudolph II. in demselben Jahre (1589) einen strengen Befehl, es sollten aus allen Städten Böhmens die un- geweihten, unordentlichen und dem Consistorium unfolgsamen Geist- lichen alsbald entfernt werden; allein es achtete Niemand auf diesen kaiserlichen Befehl; die Städte Beraun, Tauss, Schüttenhofen, Nim- burg und Jaromèř weigerten sich auch jetzt, die ihnen vom Consi- storium confirmirten Pfarrer zu acceptiren, indem sie sich darauf aus-
284 künfte des Dechantes verwendet; dabei schärfte man dem Dechant ein , er solle ja den unordentlichen Prediger in keiner Weise beun- ruhigen; dieser hingegen durfte ungestraft den Dechant öffentlich schmähen und ihm sogar drohen, dass er ihn vergiften werde ! Am 11. August 1589 beklagt das Consistorium in seiner an den Kaiser gerichteten Eingabe den Verfall der Disciplin unter dem utra- quistischen Klerus ; es gebe nur sehr wenige unverheirathete Priester im ganzen Königreiche Böhmen; die meisten seien in Irrleh- ren gerathen, vernachlässigen die kirchliche Liturgie, ja sie liessen sich zum Wucher und sogar zu- Sacrilegien herbei, um nur ihre Frauen und Kinder versorgen zu können. Insbesondere hatte Mat- thäus Beneschowský, der damalige Abt des Stiftes Emaus (na Slo- vanech) in Prag, durch seine Verheirathung ein böses Beispiel gege- ben ; er fuhr öffentlich mit seiner Frau herum, liess im Kloster selbst eine Kegelbahn, eine Schiessstätte und einen öffentlichen Weinschank einrichten, auf den Klostergütern liess er viele Waldungen ausroden, um das eingelöste Geld unnütz zu verschwenden; er vernachlässigte endlich auch den Gottesdienst im Emauser Stifte und gab überhaupt durch seine unkirchliche Lebensweise ein allgemeines Argerniss. Denn da er kurz zuvor sich der Partei sub utraque angeschlossen und dem Consistorium Obedienz gelobt hatte, so beriefen sich andere un- ordentliche Geistliche darauf, dass ja der Emauser Abt in Prag selbst ungestraft habe heirathen können; und die Folge davon war, dass sich abermals mehrere Geistliche verehelichten. Das Consisto- rium bittet daher den Kaiser, er möge den gegenwärtigen Emauser Abt gänzlich absetzen, gleichwie der Erzbischof den verheiratheten Abt von Kladrau deponirt habe. Das Consistorium erinnert den Kaiser endlich an das Unheil, welches durch die Verheirathung des Bischofes von Köln (Churfürst Gebhard im Jahre 1583) verursacht worden und beschwört denselben, dass er gegen den Abt von Emaus und andere verheirathete Priester bald eine wirksame Hilfe schaffe. Hierauf erliess Kaiser Rudolph II. in demselben Jahre (1589) einen strengen Befehl, es sollten aus allen Städten Böhmens die un- geweihten, unordentlichen und dem Consistorium unfolgsamen Geist- lichen alsbald entfernt werden; allein es achtete Niemand auf diesen kaiserlichen Befehl; die Städte Beraun, Tauss, Schüttenhofen, Nim- burg und Jaromèř weigerten sich auch jetzt, die ihnen vom Consi- storium confirmirten Pfarrer zu acceptiren, indem sie sich darauf aus-
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285 redeten, der Administrator sei ja nicht mehr Utraquist, sondern er sei zur Partei sub una übergetreten. Das Consistorium fleht neuerdings den kaiserlichen Schutz an; doch scheint auch diesmal der Hilferuf dieser bemitleidenswerthen kirchlichen Behörde an der Lethargie der Regierung und dem Wider- spruchsgeiste des Klerus wirkungslos verhallt zu sein. Denn wir ver- nehmen im nächstfolgenden Jahre 1590 dieselben Klagen, ohne die geringste Spur von einem Erfolge derselben wahrzunehmen. Bei dieser ungehinderten Prosperirung der neuen reformatorischen Lehren in Böhmen bildete die Aufhebung des Cölibates einen mächtig en Pfeiler jener Brücke, welche am Anfange des 17. Jahrhunderts die Utraquisten vollends in das protestantische Lager hinüberführte. IV. Rügen und Strafen. Wir beabsichtigen keineswegs an dieser Stelle eine umständ- liche Schilderung des kirchlichen Processes zu bieten, wie sich der- selbe in dem gerichtlichen Verfahren bei Civil- und Criminalangele- genheiten in der damaligen Praxis des calixtinischen Consistoriums kennzeichnet. Hiezu sind die Quellen einestheils noch nicht hin- reichend gesichtet, und anderseits müsste die Darstellung des Pro- cesses unumgänglich einen so bedeutenden Umfang gewinnen, dass dieselbe als eine vollkommen selbstständige Abhandlung zu betrach- ten wäre. Wir halten uns daher für jetzt innerhalb der durch obige Auf- schrift dieses Capitels gesteckten Grenzen, indem wir die in Folge des Processualverfahrens oder auch ausserhalb desselben auf admi- nistrativem Wege angewendeten Straf- und Besserungsmittel in’s Auge fassen. An rechtzeitigen Ermahnungen und Warnungen den Laien sowohl als Geistlichen gegenüber liess es das Consistorium nie fehlen ; es erhob seine Stimme gegen die Patrone der Beneficien, wenn sie sich Bedrückungen des Pfarrers, Verkürzung seines Einkommens oder Eingriffe in die kirchliche Jurisdiction erlaubten; mit rücksichtsloser Freimüthigkeit tadelte es an dem Adel wie an den Städtebewohnern, wenn sie zur Ausbreitung von Irrlehren, zur Depravation der Sitten und zum Ruin kirchlicher Zucht hilfreiche Hand darboten ; Niemand
285 redeten, der Administrator sei ja nicht mehr Utraquist, sondern er sei zur Partei sub una übergetreten. Das Consistorium fleht neuerdings den kaiserlichen Schutz an; doch scheint auch diesmal der Hilferuf dieser bemitleidenswerthen kirchlichen Behörde an der Lethargie der Regierung und dem Wider- spruchsgeiste des Klerus wirkungslos verhallt zu sein. Denn wir ver- nehmen im nächstfolgenden Jahre 1590 dieselben Klagen, ohne die geringste Spur von einem Erfolge derselben wahrzunehmen. Bei dieser ungehinderten Prosperirung der neuen reformatorischen Lehren in Böhmen bildete die Aufhebung des Cölibates einen mächtig en Pfeiler jener Brücke, welche am Anfange des 17. Jahrhunderts die Utraquisten vollends in das protestantische Lager hinüberführte. IV. Rügen und Strafen. Wir beabsichtigen keineswegs an dieser Stelle eine umständ- liche Schilderung des kirchlichen Processes zu bieten, wie sich der- selbe in dem gerichtlichen Verfahren bei Civil- und Criminalangele- genheiten in der damaligen Praxis des calixtinischen Consistoriums kennzeichnet. Hiezu sind die Quellen einestheils noch nicht hin- reichend gesichtet, und anderseits müsste die Darstellung des Pro- cesses unumgänglich einen so bedeutenden Umfang gewinnen, dass dieselbe als eine vollkommen selbstständige Abhandlung zu betrach- ten wäre. Wir halten uns daher für jetzt innerhalb der durch obige Auf- schrift dieses Capitels gesteckten Grenzen, indem wir die in Folge des Processualverfahrens oder auch ausserhalb desselben auf admi- nistrativem Wege angewendeten Straf- und Besserungsmittel in’s Auge fassen. An rechtzeitigen Ermahnungen und Warnungen den Laien sowohl als Geistlichen gegenüber liess es das Consistorium nie fehlen ; es erhob seine Stimme gegen die Patrone der Beneficien, wenn sie sich Bedrückungen des Pfarrers, Verkürzung seines Einkommens oder Eingriffe in die kirchliche Jurisdiction erlaubten; mit rücksichtsloser Freimüthigkeit tadelte es an dem Adel wie an den Städtebewohnern, wenn sie zur Ausbreitung von Irrlehren, zur Depravation der Sitten und zum Ruin kirchlicher Zucht hilfreiche Hand darboten ; Niemand
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286 war von der Gerichtsbarkeit des Consistoriums exemt, somit auch Niemand sicher vor dessen mahnendem oder warnendem Rufe. Kaum hätte sich der Protestantismus damals in Böhmen festsetzen, nie hätte er sich jenes reissenden Fortschrittes, den er gehabt, erfreuen können, wenn man von utraquistischer Seite sich es nicht zum Princip ge- macht hätte, die Mahnrufe der kirchlichen Behörde gleichgiltig zu überhören. Gegen Laien scheint das Consistorium eigentliche Disciplinar- strafen nur selten in Anwendung gebracht zu haben ; häufiger kom- men im kirchlichen Processe Geldstrafen vor, besonders wegen Ver- fall der Bürgschaft. — Im Jahre 1548 lesen wir folgendes Beispiel einer Kirchenstrafe: Ein Landmann von Sazená hatte in der Kirche zu Chržín während des Gottesdienstes ungebührliche Schmähworte und unfläthige Reden laut vorgebracht und Flüche gegen den Pfarrer ausgestossen. Zur Busse dafür sollte er an der Thürschwelle der Chržíner Kirche ein offenes Bekenntniss seiner Schuld ablegen mit den Worten : „Ich N. bekenne vor Gott, vor Maria seiner Jungfrau, vor allen Heiligen, und Euch Allen guten Leuten insgesammt, dass ich in dieser Wohnung Gottes das, was ich nicht hätte thun sollen, gethan habe, indem ich unehrbare und unziemliche Worte gesprochen. Ich bereue das aufrichtig ; ich bitte Euch , dass Ihr für mich zu Gott betet, damit er mir verzeihen möge". Ferner sollte derselbe binnen eines ganzen Vierteljahres jedesmal vom Sonnenuntergang am Sams- tag bis zum Sonnenuntergang am Sonntag mit beiden Füssen in einem Stocke (v kládě) sitzen. Endlich sollte er auf zehn Schock Groschen Bürgschaft leisten, dass er, den Fall einer Reise ausgenommen, während eines ganzen Jahres in kein Wirthshaus gehen werde. Gefängnissstrafen pflegten vom Consistorium zumeist nur in Folge eines Eheprocesses wegen Bigamie, Ehebruch u. dgl. über die der Schuld überführten Laien verhängt zu werden. Was nun die Vergehen der Geistlichen anbelangt, so haben wir schon früher darauf hingewiesen, dass zunächst der Pfarrer den Kaplan wegen geringer Fehltritte unter vier Augen ermahnen, und erst im Falle dies fruchtlos wäre, die Ermahnung vor Zeugen wieder- holen oder endlich den ganzen Vorfall dem Consistorium anzeigen solle. Die Decani districtuum übten manchmal im Auftrage des Con- sistoriums eine delegirte Strafgewalt aus, indem sie die Unfolgsamen
286 war von der Gerichtsbarkeit des Consistoriums exemt, somit auch Niemand sicher vor dessen mahnendem oder warnendem Rufe. Kaum hätte sich der Protestantismus damals in Böhmen festsetzen, nie hätte er sich jenes reissenden Fortschrittes, den er gehabt, erfreuen können, wenn man von utraquistischer Seite sich es nicht zum Princip ge- macht hätte, die Mahnrufe der kirchlichen Behörde gleichgiltig zu überhören. Gegen Laien scheint das Consistorium eigentliche Disciplinar- strafen nur selten in Anwendung gebracht zu haben ; häufiger kom- men im kirchlichen Processe Geldstrafen vor, besonders wegen Ver- fall der Bürgschaft. — Im Jahre 1548 lesen wir folgendes Beispiel einer Kirchenstrafe: Ein Landmann von Sazená hatte in der Kirche zu Chržín während des Gottesdienstes ungebührliche Schmähworte und unfläthige Reden laut vorgebracht und Flüche gegen den Pfarrer ausgestossen. Zur Busse dafür sollte er an der Thürschwelle der Chržíner Kirche ein offenes Bekenntniss seiner Schuld ablegen mit den Worten : „Ich N. bekenne vor Gott, vor Maria seiner Jungfrau, vor allen Heiligen, und Euch Allen guten Leuten insgesammt, dass ich in dieser Wohnung Gottes das, was ich nicht hätte thun sollen, gethan habe, indem ich unehrbare und unziemliche Worte gesprochen. Ich bereue das aufrichtig ; ich bitte Euch , dass Ihr für mich zu Gott betet, damit er mir verzeihen möge". Ferner sollte derselbe binnen eines ganzen Vierteljahres jedesmal vom Sonnenuntergang am Sams- tag bis zum Sonnenuntergang am Sonntag mit beiden Füssen in einem Stocke (v kládě) sitzen. Endlich sollte er auf zehn Schock Groschen Bürgschaft leisten, dass er, den Fall einer Reise ausgenommen, während eines ganzen Jahres in kein Wirthshaus gehen werde. Gefängnissstrafen pflegten vom Consistorium zumeist nur in Folge eines Eheprocesses wegen Bigamie, Ehebruch u. dgl. über die der Schuld überführten Laien verhängt zu werden. Was nun die Vergehen der Geistlichen anbelangt, so haben wir schon früher darauf hingewiesen, dass zunächst der Pfarrer den Kaplan wegen geringer Fehltritte unter vier Augen ermahnen, und erst im Falle dies fruchtlos wäre, die Ermahnung vor Zeugen wieder- holen oder endlich den ganzen Vorfall dem Consistorium anzeigen solle. Die Decani districtuum übten manchmal im Auftrage des Con- sistoriums eine delegirte Strafgewalt aus, indem sie die Unfolgsamen
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287 zu ermahnen, und wenn sie hartnäckig blieben, dem Consistorium nach Prag zu übermitteln, oder aber propter periculum in mora auf kurze Zeit in ein Interimsgefängniss zu sperren hatten. Die ordentliche Strafgewalt blieb jedoch stets in den Händen des Consistoriums allein. Dasselbe pflegte in der Regel eine zweimalige citatio simplex und dann die dritte peremtoria zu er- lassen; in dringenden Fällen aber erfolgte blos eine citatio perem- toria. Wollte ein Priester auch nach der peremtorischen Vorladung sich nicht vor das Consistorium stellen, so pflegte dieses entweder Selbst die Hilfe des weltlichen Armes in Anspruch zu nehmen, oder es ertheilte dem Kläger das „Standrecht“ (stanné právo), ver- möge dessen der Angeklagte vor den weltlichen Gerichten belangt werden durfte. Dagegen wurde es stets als Eingriff in die kirchlichen Rechte betrachtet, wenn ein Priester ohne Einverständniss des Con- sistoriums von einem weltlichen Gerichte belangt oder in Haft ge- bracht wurde. Während der Dauer des vor dem Consistorium gepflogenen Processes musste der Angeklagte entweder im Gefängniss verbleiben, oder sich wenigstens in Prag aufhalten. Nur in besonders dringenden Fällen, z. B. wenn die Verhandlung sich in die Länge zog und die Pfarrgemeinde hätte während dieser ganzen Zeit verwaist bleiben müssen, oder auf vielseitige Fürsprache, besonders von Seite der Consistorialräthe oder Collatores, wurde der Angeklagte nach Hause entlassen. Wenn es sich dabei um eine geringfügige Sache handelte, so geschah die Entlassung auf das Ehrenwort des Priesters hin, dass er nämlich auf die weitere Vorladung des Consistoriums sich alsbald in Prag wieder einfinden wolle. Wo hingegen der Process wichtige Dinge betraf, pflegte man selbst wohlverhaltene und verlässliche Geistliche nicht anders nach Hause zu entlassen , als wenn sie an ihrer Statt sichere Bürgen stellten (na rukojme). Gewöhnlich erbat sich der Angeklagte zwei Prager Bürger oder in Prag ansässige Priester als Bürgen; diese verpflichteten sich dafür zu sorgen, dass der Angeklagte nach ge- schehener Vorladung im Amtslocale des Consistoriums binnen der festgesetzten Frist von 1, 2. 3, 4 Wochen erscheine; konnten ihn jedoch die Bürgen nicht stellen, weil er z. B. entflohen, und ihnen sein Aufenthalt nicht bekannt war, so verfielen sie in die vorausbe- stimmte Geldbusse von 10, 20, 50 — 100 Schock Groschen. Archiv. XXXVI. 2. 19
287 zu ermahnen, und wenn sie hartnäckig blieben, dem Consistorium nach Prag zu übermitteln, oder aber propter periculum in mora auf kurze Zeit in ein Interimsgefängniss zu sperren hatten. Die ordentliche Strafgewalt blieb jedoch stets in den Händen des Consistoriums allein. Dasselbe pflegte in der Regel eine zweimalige citatio simplex und dann die dritte peremtoria zu er- lassen; in dringenden Fällen aber erfolgte blos eine citatio perem- toria. Wollte ein Priester auch nach der peremtorischen Vorladung sich nicht vor das Consistorium stellen, so pflegte dieses entweder Selbst die Hilfe des weltlichen Armes in Anspruch zu nehmen, oder es ertheilte dem Kläger das „Standrecht“ (stanné právo), ver- möge dessen der Angeklagte vor den weltlichen Gerichten belangt werden durfte. Dagegen wurde es stets als Eingriff in die kirchlichen Rechte betrachtet, wenn ein Priester ohne Einverständniss des Con- sistoriums von einem weltlichen Gerichte belangt oder in Haft ge- bracht wurde. Während der Dauer des vor dem Consistorium gepflogenen Processes musste der Angeklagte entweder im Gefängniss verbleiben, oder sich wenigstens in Prag aufhalten. Nur in besonders dringenden Fällen, z. B. wenn die Verhandlung sich in die Länge zog und die Pfarrgemeinde hätte während dieser ganzen Zeit verwaist bleiben müssen, oder auf vielseitige Fürsprache, besonders von Seite der Consistorialräthe oder Collatores, wurde der Angeklagte nach Hause entlassen. Wenn es sich dabei um eine geringfügige Sache handelte, so geschah die Entlassung auf das Ehrenwort des Priesters hin, dass er nämlich auf die weitere Vorladung des Consistoriums sich alsbald in Prag wieder einfinden wolle. Wo hingegen der Process wichtige Dinge betraf, pflegte man selbst wohlverhaltene und verlässliche Geistliche nicht anders nach Hause zu entlassen , als wenn sie an ihrer Statt sichere Bürgen stellten (na rukojme). Gewöhnlich erbat sich der Angeklagte zwei Prager Bürger oder in Prag ansässige Priester als Bürgen; diese verpflichteten sich dafür zu sorgen, dass der Angeklagte nach ge- schehener Vorladung im Amtslocale des Consistoriums binnen der festgesetzten Frist von 1, 2. 3, 4 Wochen erscheine; konnten ihn jedoch die Bürgen nicht stellen, weil er z. B. entflohen, und ihnen sein Aufenthalt nicht bekannt war, so verfielen sie in die vorausbe- stimmte Geldbusse von 10, 20, 50 — 100 Schock Groschen. Archiv. XXXVI. 2. 19
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288 Nach gefällter richterlicher Sentenz wurde die Strafe zumeist alsogleich in Vollzug gesetzt. Da nämlich eine Appellation an höhere Instanzen durch das Gesetz verboten war, so stand der Execution des Urtheilsspruches kein Hinderniss entgegen. — Die Strafen der Geist- lichen waren mehrfacher Art. Die häufigste war Gefängniss im Alt- oder Neustädter Rathhause; es scheint jedoch — seltene Fälle ausgenommen — diese Haft nie lange gedauert zu haben ; gewöhn- lich 1—4 Wochen; ohne Bewilligung des Consistoriums durften die städtischen Richter Niemanden seiner Haft entlassen. Es finden sich auch Fälle vor, in denen das Consistorium dem Verurtheilten die Wahl freiliess : entweder zehn Schock Groschen zu zahlen oder einen Monat lang im Gefängniss zu verbleiben. Überhaupt waren Geld- strafen ziemlich häufig und war das Consistorium so zu sagen an dieselben angewiesen, weil es neben den spärlichen Confirmations- taxen sonst beinahe gar keine Einnahmsquellen hatte, und dennoch zur Erhaltung der Kanzlei nicht unbedeutende Ausgaben machen musste. Eine besondere Strafe wurde in der Regel über solche Priester verhängt, die in Wort oder Schrift irrthümliche, häretische Aus- serungen vorgebracht hatten. Diese mussten alsdann einen feierlichen öffentlichen Widerruf (palinodia) der ausgesprochenen Irrthümer leisten und zwar zuerst in Prag, gewöhnlich in der Teynkirche, oder wenigstens in Gegenwart des Prager Klerus; dann aber musste der Schuldige die Palinodie zum zweiten Male wiederholen in derselben Kirche, wo er die Irrthümer vorgebracht hatte. Wie aus einer vom 23. Mai 1578 datirten Eingabe des Consistoriums an die böhmischen Statthalter erhellt, war es Regel, dass die Vornahme ähnlicher Re- vocationen der Regierung zuvor angezeigt wurde; und in dem er- wähnten Jahre hatte sich nebstdem das Consistorium bezüglich der Palinodie des Priesters Johann Schlomnický auch mit dem Prager Erzbischof in’s Einvernehmen gesetzt. Die zwei strengsten Strafen, welche gegen unfolgsame Geist- liche in Anwendung gebracht wurden, sind endlich: erstens die Degradirung vom Pfarrer zum Kaplan; diese Strafe wurde öfter verhängt über Dechante und Pfarrer, wenn sie irrige Lehren verbreiteten oder einen ärgerlichen Lebenswandel führten und trotz mehrmaliger Ermahnungen und Strafen sich nicht besserten. — Die zweite dieser Strafen war die gänzliche Suspendirung vom
288 Nach gefällter richterlicher Sentenz wurde die Strafe zumeist alsogleich in Vollzug gesetzt. Da nämlich eine Appellation an höhere Instanzen durch das Gesetz verboten war, so stand der Execution des Urtheilsspruches kein Hinderniss entgegen. — Die Strafen der Geist- lichen waren mehrfacher Art. Die häufigste war Gefängniss im Alt- oder Neustädter Rathhause; es scheint jedoch — seltene Fälle ausgenommen — diese Haft nie lange gedauert zu haben ; gewöhn- lich 1—4 Wochen; ohne Bewilligung des Consistoriums durften die städtischen Richter Niemanden seiner Haft entlassen. Es finden sich auch Fälle vor, in denen das Consistorium dem Verurtheilten die Wahl freiliess : entweder zehn Schock Groschen zu zahlen oder einen Monat lang im Gefängniss zu verbleiben. Überhaupt waren Geld- strafen ziemlich häufig und war das Consistorium so zu sagen an dieselben angewiesen, weil es neben den spärlichen Confirmations- taxen sonst beinahe gar keine Einnahmsquellen hatte, und dennoch zur Erhaltung der Kanzlei nicht unbedeutende Ausgaben machen musste. Eine besondere Strafe wurde in der Regel über solche Priester verhängt, die in Wort oder Schrift irrthümliche, häretische Aus- serungen vorgebracht hatten. Diese mussten alsdann einen feierlichen öffentlichen Widerruf (palinodia) der ausgesprochenen Irrthümer leisten und zwar zuerst in Prag, gewöhnlich in der Teynkirche, oder wenigstens in Gegenwart des Prager Klerus; dann aber musste der Schuldige die Palinodie zum zweiten Male wiederholen in derselben Kirche, wo er die Irrthümer vorgebracht hatte. Wie aus einer vom 23. Mai 1578 datirten Eingabe des Consistoriums an die böhmischen Statthalter erhellt, war es Regel, dass die Vornahme ähnlicher Re- vocationen der Regierung zuvor angezeigt wurde; und in dem er- wähnten Jahre hatte sich nebstdem das Consistorium bezüglich der Palinodie des Priesters Johann Schlomnický auch mit dem Prager Erzbischof in’s Einvernehmen gesetzt. Die zwei strengsten Strafen, welche gegen unfolgsame Geist- liche in Anwendung gebracht wurden, sind endlich: erstens die Degradirung vom Pfarrer zum Kaplan; diese Strafe wurde öfter verhängt über Dechante und Pfarrer, wenn sie irrige Lehren verbreiteten oder einen ärgerlichen Lebenswandel führten und trotz mehrmaliger Ermahnungen und Strafen sich nicht besserten. — Die zweite dieser Strafen war die gänzliche Suspendirung vom
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289 priesterlichen Amte; sie wurde nur in den äussersten Noth- fällen bei besonders gravirenden Vergehen angewendet. So war (1542) der Priester Johann Machek bereits mehrmals mit Gefängniss gestraft worden, hatte aber bald darauf in Mährisch-Budweis gehei- rathet, dann Weib und Kinder verlassen und wieder in mehreren Dörfern geistliche Functionen verrichtet; dann führte er abermals einen so abscheulichen Lebenswandel, dass er gerichtlich zum Ver- luste der Ehre und des Lebens verurtheilt wurde. Nachdem das Con- sistorium den Rath der Prager Pfarrer, sowie der Landdechante ein- geholt hatte, fasste dasselbe folgenden Urtheilsspruch : "Wir belassen zwar aus Gnade den Priester Machek am Leben, suspendiren ihn jedoch von heute an für alle künftigen Zeiten gänzlich von seinem priesterlichen Amte, so dass er unter Todesstrafe aller geistlichen Verrichtungen sich enthalte und ausserhalb der Prager Erzdiöcese einen anderen ehrlichen Lebensunterhalt sich verschaffe“. Im Jahre 1534 sprach das Consistorium dieselbe Strafe aus über den Priester Johann Polák, Kaplan bei St. Stephan in Prag; dieser hatte sich län- gere Zeit hindurch "mit Visionen und Nigromantie“ (Geisterbe- schwörung) viel zu schaffen gemacht; das Consistorium fasste den Beschluss, "weil die Canones sacri dergleichen Dinge den Geistlichen verbieten, so sei der Priester Johann von der Ausübung des priester- lichen Amtes in Böhmen und Mähren suspendirt“. 19*
289 priesterlichen Amte; sie wurde nur in den äussersten Noth- fällen bei besonders gravirenden Vergehen angewendet. So war (1542) der Priester Johann Machek bereits mehrmals mit Gefängniss gestraft worden, hatte aber bald darauf in Mährisch-Budweis gehei- rathet, dann Weib und Kinder verlassen und wieder in mehreren Dörfern geistliche Functionen verrichtet; dann führte er abermals einen so abscheulichen Lebenswandel, dass er gerichtlich zum Ver- luste der Ehre und des Lebens verurtheilt wurde. Nachdem das Con- sistorium den Rath der Prager Pfarrer, sowie der Landdechante ein- geholt hatte, fasste dasselbe folgenden Urtheilsspruch : "Wir belassen zwar aus Gnade den Priester Machek am Leben, suspendiren ihn jedoch von heute an für alle künftigen Zeiten gänzlich von seinem priesterlichen Amte, so dass er unter Todesstrafe aller geistlichen Verrichtungen sich enthalte und ausserhalb der Prager Erzdiöcese einen anderen ehrlichen Lebensunterhalt sich verschaffe“. Im Jahre 1534 sprach das Consistorium dieselbe Strafe aus über den Priester Johann Polák, Kaplan bei St. Stephan in Prag; dieser hatte sich län- gere Zeit hindurch "mit Visionen und Nigromantie“ (Geisterbe- schwörung) viel zu schaffen gemacht; das Consistorium fasste den Beschluss, "weil die Canones sacri dergleichen Dinge den Geistlichen verbieten, so sei der Priester Johann von der Ausübung des priester- lichen Amtes in Böhmen und Mähren suspendirt“. 19*
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